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BOKU Magazin 1/2023

Inhalt 3 Editorial 4 Warum die Energiewende als Stückwerk nicht funktioniert 8 Carbon Capture 12 Dekarbonisierung von Gebäuden 14 Potenziale von Biogas 16 Geothermie in Wien 19 Energiewende erfordert Gestaltung 22 Atomenergie 24 Windenergieplanung und Artenschutz 28 Photovoltaik auf dem Acker 30 Nachhaltige Wasserkraft 33 Artenschutz und Wasserkraft 35 PV-Anlagen in Biosphärenparks 37 Die Wende in der Mobilität 40 Klimafreundlicher Gütertransport 43 Energiewende: Ist die BOKU auf dem richtigen Weg? 48 Klimaschutz auf Gemeindeebene 50 Porträt Reinhard Steurer 54 Gut formulierte Lernergebnisse 58 Die Holz-Hauswand aus dem 3D-Drucker 60 Die BOKU auf Humboldts und Darwins Spuren 62 Der neue Universitätsrat 65 Splitter 66 Gender & Diversity 70 Next Generation: Die Inhaber*innen der Laufbahnstellen im Porträt 90 Forschung FAQ / Strategische Kooperation BOKU und UBA

Inhalt

3 Editorial
4 Warum die Energiewende als Stückwerk nicht funktioniert
8 Carbon Capture
12 Dekarbonisierung von Gebäuden
14 Potenziale von Biogas
16 Geothermie in Wien
19 Energiewende erfordert Gestaltung
22 Atomenergie
24 Windenergieplanung und Artenschutz
28 Photovoltaik auf dem Acker
30 Nachhaltige Wasserkraft
33 Artenschutz und Wasserkraft
35 PV-Anlagen in Biosphärenparks
37 Die Wende in der Mobilität
40 Klimafreundlicher Gütertransport
43 Energiewende: Ist die BOKU auf dem richtigen Weg?
48 Klimaschutz auf Gemeindeebene
50 Porträt Reinhard Steurer
54 Gut formulierte Lernergebnisse
58 Die Holz-Hauswand aus dem 3D-Drucker
60 Die BOKU auf Humboldts und Darwins Spuren
62 Der neue Universitätsrat
65 Splitter
66 Gender & Diversity
70 Next Generation: Die Inhaber*innen der Laufbahnstellen im Porträt
90 Forschung FAQ / Strategische Kooperation BOKU und UBA

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<strong>BOKU</strong><br />

DAS MAGAZIN DER UNIVERSITÄT DES LEBENS<br />

Nr. 1 | März <strong>2023</strong><br />

ISSN: 2224-7416<br />

WENDE ODER ENDE GELÄNDE<br />

SCHWERPUNKT ENERGIE UND MOBILITÄT<br />

PORTRÄT<br />

REINHARD STEURER<br />

LAUFBAHNSTELLEN<br />

AN DER <strong>BOKU</strong><br />

DER NEUE<br />

UNIRAT<br />

TRÄT<br />

HARD STEURER<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 1 20.03.23 16:44


INHALT<br />

Adobe Stock<br />

3 Editorial<br />

4 Warum die Energiewende als<br />

Stückwerk nicht funktioniert<br />

8 Carbon Capture<br />

12 Dekarbonisierung von Gebäuden<br />

14 Potenziale von Biogas<br />

4<br />

16 Geothermie in Wien<br />

19 Energiewende erfordert Gestaltung<br />

Theresa Krexner<br />

22 Atomenergie<br />

24 Windenergieplanung und Artenschutz<br />

28 Photovoltaik auf dem Acker<br />

30 Nachhaltige Wasserkraft<br />

33 Artenschutz und Wasserkraft<br />

35 PV-Anlagen in Biosphärenparks<br />

37 Die Wende in der Mobilität<br />

40 Klimafreundlicher Gütertransport<br />

43 Energiewende: Ist die <strong>BOKU</strong> auf<br />

dem richtigen Weg?<br />

Verbund<br />

24 28<br />

letztegeneration.at<br />

48 Klimaschutz auf Gemeindeebene<br />

50 Porträt Reinhard Steurer<br />

54 Gut formulierte Lernergebnisse<br />

58 Die Holz-Hauswand aus dem<br />

3D-Drucker<br />

60 Die <strong>BOKU</strong> auf Humboldts<br />

und Darwins Spuren<br />

62 Der neue Universitätsrat<br />

65 Splitter<br />

66 Gender & Diversity<br />

70 Next Generation: Die Inhaber*innen<br />

der Laufbahnstellen im Porträt<br />

90 Forschung FAQ / Strategische<br />

Kooperation <strong>BOKU</strong> und UBA<br />

30<br />

70<br />

50<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 2 20.03.23 16:44


Foto Wilke<br />

O DIE ENERGIEWENDE BRAUCHT GANZHEITLICHE<br />

UND WISSENSBASIERTE LÖSUNGEN<br />

Liebe Leserinnen und Leser!<br />

CHRISTIAN OBINGER<br />

Vizerektor für Forschung<br />

und Innovation<br />

Die <strong>BOKU</strong> als führende österreichische Universität in den<br />

Life Sciences beschäftigt sich seit nunmehr über 150<br />

Jahren mit dem Schutz und der Verbesserung der Lebensgrundlagen<br />

sowie dem Management natürlicher Ressourcen.<br />

In Zeiten der Klimakrise und steigender Ressourcenknappheit<br />

stellen das an unserer Universität vorhandene systemische<br />

Wissen und die erarbeiteten Lösungsvorschläge eine wesentliche<br />

Grundlage für die notwendige gesellschaftliche und<br />

technische Transformation dar.<br />

Um die Klimakrise zu bewältigen und den nächsten Generationen<br />

eine lebenswerte Umwelt zu garantieren, sind Politik<br />

und Gesellschaft dringendst zum umfänglichen Handeln<br />

aufgefordert. Eine Energiewende ist zwingend notwendig.<br />

Wie Gernot Stöglehner in seinem Beitrag darlegt, ist das<br />

Thema hoch komplex, da die Energiewende alle Lebens- und<br />

Wirtschaftsbereiche betreffen wird und somit eine koordinierte<br />

Vorgehensweise erfordert. Die Energiewende wird als<br />

Stückwerk nicht funktionieren. Eine verbindliche strategische<br />

Planung und räumliche Differenzierung sind unerlässlich.<br />

Mögliche Irrwege müssen erkannt, angesprochen und in der<br />

Folge rechtzeitig korrigiert werden. Die instituts- und departmentübergreifende<br />

Plattform zum Thema Energie und<br />

Energiewende an der <strong>BOKU</strong> ist der Energiecluster https://<br />

boku.ac.at/boku-energiecluster, in dem sich Forscher*innen<br />

aus unterschiedlichen Disziplinen vernetzen, um im engen<br />

Austausch Lösungen zu entwickeln und voranzutreiben. Der<br />

Energiecluster hat maßgeblich dazu beigetragen, das Profil<br />

der <strong>BOKU</strong> als eine wesentliche Energiewendeuniversität<br />

Österreichs zu schärfen und die <strong>BOKU</strong>-Energieforschung<br />

national und international zu vertreten.<br />

Die großen Herausforderungen und Krisen der Gegenwart und<br />

der Zukunft erfordern starke und aktive Universitäten sowie<br />

motivierte Forscher*innen, die wissensbasierte Lösungen<br />

erarbeiten und anbieten. Seit 2016 ermöglicht der gesetzliche<br />

Rahmen die Schaffung sogenannter §99[5] Professuren<br />

(Laufbahnstellen) in Österreich, die es Nachwuchs-Wissenschaftler*innen<br />

mit hohem Potenzial nach Abschluss des<br />

Doktorats ermöglichen, eine wissenschaftliche Karriere von<br />

einer Postdoc-Stelle zur Assoziierten Professur zu verfolgen.<br />

Im Februar 2019 wurde dazu eine Verfahrensrichtlinie an<br />

der <strong>BOKU</strong> publiziert. Seitdem wurden 27 Laufbahnstellen in<br />

den unterschiedlichsten Fachbereichen international ausgeschrieben<br />

und 25 öffentliche und hoch kompetitive Verfahren<br />

konnten in der Zwischenzeit abgeschlossen werden. Diese<br />

attraktive Möglichkeit, eine wissenschaftliche Karriere an der<br />

<strong>BOKU</strong> zu starten, wurde sowohl von inländischen (auch drittmittelfinanzierten)<br />

als auch ausländischen Kolleg*innen genutzt.<br />

Das Geschlechterverhältnis ist ausgeglichen (13 Frauen,<br />

12 Männer). In dieser Ausgabe des <strong>BOKU</strong>-<strong>Magazin</strong>s stellen wir<br />

19 Persönlichkeiten und ihre Fachgebiete vor.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieses <strong>BOKU</strong>-<strong>Magazin</strong>s!<br />

Christian Obinger<br />

IMPRESSUM: Medieninhaberin und Herausgeberin: Universität für Bodenkultur Wien (<strong>BOKU</strong>), Gregor-Mendel-Straße 33, 1180 Wien Chefredaktion: Bettina Fernsebner-<br />

Kokert Redaktion: Hermine Roth Autor*innen: Julia Backhausen-Nikolić, Alexander Bauer, Kathrina Baur, Florian Borgwardt, Margarita Calderón-Peter, Cornelia Fischer,<br />

Susanne Frühauf, Gesa Geißler, Franz Greimel, Manfred Gronalt, Katharina Gugerell, Astrid Gühnemann, Helmut Habersack, Alexandra Jiricka-Pürrer, Jan De Keyser,<br />

Astrid Kleber-Klinger, Johann Köppel, Theresa Krexner, Nico Krieger, Benjamin Kromoser, Wolfgang Liebert, Falk Liebner, Horst Mayr, Karin Mottl, Roman Myna, Stephanie<br />

Neuhuber, Christian Obinger, Ela Posch, Tobias Pröll, Doris Österreicher, Alexandra Penicka, Christoph Pfeifer, Verena Radinger-Peer, Andrew Rasmussen, Sara Reichenbach,<br />

Marc Reichenbach, Bernhard Reinholz, Thomas Rosenau, Elisabeth Schauppenlehner-Kloyber, Patrick Scherhaufer, Regine Schönlechner, Hanni Schopfhauser, Ruth<br />

Scheiber-Herzog, Stefan Schmutz, Sebastian Seebauer, Carina Seliger, Roman Smutny, Tim Steinkamp, Gernot Stöglehner, Alexandra Strauss-Sieberth, Dirk Sudhaus, Roland<br />

Tusch, Birthe Uhlhorn, Verena Vlajo, Klaus Voit, Magdalena Wachter, Jessica Weber, Rupert Wimmer, Sonja Wirgler Lektorat: Michaela Kolb Grafik: Patricio Handl Cover:<br />

Photocase Druck: Druckerei Berger Auflage: 5.300 Erscheinungsweise: 4-mal jährlich Blattlinie: Das <strong>BOKU</strong>-<strong>Magazin</strong> versteht sich als Informationsmedium für Angehörige,<br />

Absolvent*innen, Freund*innen der Universität für Bodenkultur Wien und soll die interne und externe Kommunikation fördern. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben<br />

die Meinung der Autorin oder des Autors wieder und müssen mit der Auffassung der Redaktion nicht übereinstimmen. Redaktionelle Bearbeitung und Kürzung von Beiträgen<br />

aus Platzgründen vorbehalten. Beiträge senden Sie bitte an: public.relations@boku.ac.at Bei Adressänderung wenden Sie sich<br />

bitte an: alumni@boku.ac.at Offenlegung: Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: Medieninhaberin (Verlegerin): Universität für<br />

Bodenkultur Wien (<strong>BOKU</strong>), Gregor-Mendel-Straße 33, 1180 Wien, Tel.: (01) 47654-0, Universitätsratsvorsitzender: Josef Plank,<br />

Rektorin: Eva Schulev-Steindl; erscheint quartalsmäßig; Erscheinungsort: Wien<br />

UZ24<br />

„Schadstoffarme<br />

Druckerzeugnisse“<br />

UW 734<br />

Dieses Produkt<br />

stammt aus nachhaltig<br />

bewirtschafteten<br />

Wäldern und<br />

kontrollierten Quellen<br />

3<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 3 20.03.23 16:44


Fotos: Adobe Stock<br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

Die Energiewende wird als<br />

Stückwerk nicht klappen<br />

Von Gernot Stöglehner<br />

Es ist ein Irrweg zu glauben,<br />

dass die Energiewende ohne<br />

verbindliche strategische Planung<br />

und räumliche Differenzierung<br />

funktionieren kann.<br />

Die Energiewende ist aus Klimaschutzgründen<br />

zwingend und<br />

eine gesellschaftliche Mammutaufgabe.<br />

Dabei scheinen die<br />

Kernziele eindeutig: Energie sparen, Effizienz<br />

erhöhen, auf erneuerbare Energieformen<br />

umstellen. Was einfach klingt,<br />

ist hochkomplex, denn die Energiewende<br />

betrifft alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche.<br />

Daher ist eine Koordination<br />

staatlichen Handelns mit Unternehmen<br />

und Haushalten notwendig: Denn zum<br />

einen ist die Energieversorgung weitestgehend<br />

privatwirtschaftlich organisiert,<br />

zum anderen sind Unternehmen und<br />

Haushalte neben der öffentlichen Hand<br />

als Energieverbraucher*innen für die<br />

Energiewende zentral. Die Steuerung<br />

der Energiewende braucht daher neben<br />

Förderungen, öffentliche Investitionen<br />

und Bewusst seinsbildung, auch einen<br />

entsprechenden rechtlich verbindlichen<br />

Rahmen. Allerdings ist das Instrumentarium<br />

rechtlicher Anordnung in Österreich<br />

sehr dünn und bezieht sich in erster<br />

Linie auf Projektgenehmigungen.<br />

STROMBEDARF WIRD STEIGEN<br />

Lediglich das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz<br />

(EAG) hat bis 2030 Ausbauziele für<br />

die Stromerzeugung aus Photovoltaik<br />

(PV), Wind, Wasserkraft und Biomasse<br />

definiert. In §4 EAG ist festgelegt, dass<br />

Elektrizität im Ausmaß von 5 Terawattstunden<br />

aus Wasserkraft, 10 TWh aus<br />

Wind, 11 TWh aus PV und 1 TWh aus Biomasse<br />

zusätzlich gewonnen werden soll.<br />

Diese 27 TWh reichen aus, um nicht nur<br />

den gesamten Anteil fossiler Energie an<br />

der Elektrizitätsgewinnung zu substituieren,<br />

sondern darüber hinaus noch zusätzlich<br />

zirka 11 TWh für das Voranschreiten<br />

der Energiewende zu erhalten. Denn<br />

der Strombedarf wird weiter dramatisch<br />

steigen, es wird mindestens von einer<br />

Verdoppelung, eher von einer Verdreifachung<br />

bis zum vollständigen Erreichen<br />

der Energiewende auszugehen sein, unter<br />

anderem durch Elektromobilität, durch<br />

vermehrten Einsatz von Strom für Wärme-<br />

und Kälteversorgung (Stichwort<br />

Wärmepumpen), durch Erzeugung von<br />

Wasserstoff und grünem Gas, die beide<br />

erhebliche Strommengen erfordern.<br />

PV ALLEIN REICHT NICHT<br />

Doch was bedeuten diese Energiemengen<br />

ausgedrückt in Wasserkraftwerken,<br />

Windrädern oder PV-Modulfläche? Und<br />

wo sollen diese Anlagen dann stehen?<br />

Dazu nun einige Rechenbeispiele: 5 TWh<br />

Wasserkraft bedeutet, dass in Österreich<br />

noch fünf Mal das Donaukraftwerk<br />

4 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 4 20.03.23 16:44


»<br />

Es kommt daher<br />

auf die richtige<br />

Mischung der<br />

Energieformen an,<br />

um möglichst über<br />

das Jahr betrachtet<br />

gleichmäßig dann<br />

Strom zur Verfügung<br />

zu haben, wenn er<br />

benötigt wird.<br />

Freudenau Platz finden muss, oder dass<br />

zu den derzeit rund 4.000 Kleinwasserkraftwerken<br />

bei gleicher durchschnittlicher<br />

Leistung noch einmal zirka 3.300<br />

dazukommen müssten. Hier scheinen<br />

Konflikte mit einem günstigen Erhaltungszustand<br />

der Gewässer, dem Naturschutz,<br />

dem Landschaftsschutz programmiert.<br />

Und dies würde voraussetzen, dass<br />

durch die Klimakrise und die damit verbundene<br />

Trockenheit die Wasserkraftpotenziale<br />

nicht ohnehin sinken.<br />

10 TWh Wind heißt, dass<br />

zu den rund 1.300 Windkraftanlagen<br />

in Österreich<br />

noch einmal ungefähr 800<br />

5MW-starke Windkraftanlagen (Anlagenhöhe<br />

zirka 250 Meter) bis 2030 errichtet<br />

werden müssen. Das wären in<br />

etwa 8 Windräder pro politischem Bezirk.<br />

11 TWh PV muten hier relativ wenig an:<br />

50 Quadratkilometer Modulfläche auf<br />

Dächern oder in etwa 110 Quadratkilometer<br />

Freiflächen-Photovoltaikanlagen<br />

würden einer derzeit für Bauland und<br />

Infrastruktur aufgewendeten Fläche von<br />

rund 5.800 Quadratkilometern gegenüberstehen.<br />

Aber nur auf PV zu setzen<br />

geht nicht, denn die Sonne scheint nämlich<br />

dann am meisten, wenn über das Jahr<br />

gerechnet der geringste Strombedarf<br />

besteht.<br />

RICHTIGE MISCHUNG<br />

Es kommt daher auch auf die richtige Mischung<br />

der Energieformen an, um möglichst<br />

über das Jahr betrachtet gleichmäßig<br />

dann Strom zur Verfügung zu haben,<br />

wenn er benötigt wird. Das reduziert<br />

den künftigen Bedarf an Speichern und<br />

Netzausbau. Denn Wind weht überwiegend<br />

dann, wenn die Sonne nicht scheint,<br />

und umgekehrt. Aus einer Mischung von<br />

Wind, Sonne, der bestehenden Wasserkraft<br />

und einigen Kraft-Wärme-Koppelungen,<br />

zum Beispiel aus Biomasse betrieben,<br />

der Nutzung von Abwärme, Geothermie<br />

und Umgebungswärme sowie<br />

der zielgerichteten Verwendung weiterer<br />

erneuerbarer Energieträger kann die<br />

Energiewende schlussendlich gelingen.<br />

Für die vollständige Energiewende ist<br />

von einer massiven Erhöhung der Stromerzeugung<br />

auszugehen, denn beim derzeitigen<br />

Stand der Technik wird die<br />

Energiewende zu einem guten Teil eine<br />

Elektrizitätswende. Ein Umstieg auf E-<br />

Mobilität würde noch einmal ungefähr<br />

58 Quadratkilometer PV-Modulflächen<br />

plus 1.100 Windräder bedeuten. Allein<br />

den derzeit in Österreich fossil erzeug-<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

5<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 5 20.03.23 16:44


ten Wasserstoff zu ersetzen, würde noch<br />

einmal 23 Quadratkilometer PV-Modulfläche<br />

und 385 Windräder erfordern.<br />

Wasserstoff im Gegenwert von 40 TWh<br />

für Strom und Mobilität zu erzeugen –<br />

was in etwa der derzeitigen Stromerzeugung<br />

durch Wasserkraft entspricht –,<br />

würde weitere 300 Quadratkilometer<br />

PV-Modulflächen sowie 5.000 Windräder<br />

zusätzlich notwendig machen. Daher<br />

scheint es unrealistisch, in der Energiewende<br />

zu sehr auf Wasserstoff und grünes<br />

Gas zu setzen. Deren Anwendungen<br />

werden wohl auf Energienutzungen wie<br />

einige industrielle Prozesse, Flugzeuge<br />

oder Schiffe beschränkt sein. Autos oder<br />

Raumheizung mit Wasserstoff oder grünem<br />

Gas zu betreiben, wird den Primärenergieeinsatz<br />

zu sehr in die Höhe treiben<br />

und ist nicht realistisch, soll nicht in<br />

dieselben sozioökonomischen Fallen wie<br />

bei den fossilen Energien getappt werden:<br />

Import aus anderen Weltregionen,<br />

gepaart mit enormem Kaufkraftabfluss,<br />

weiterer Abhängigkeit von geopolitisch<br />

problematischen Regionen und hoher<br />

Krisenanfälligkeit allein wegen der großen<br />

Transportdistanzen.<br />

RÄUMLICH DIFFERENZIERT,<br />

VERBINDLICH GEPLANT<br />

Die Komplexität des Themas ist hoch,<br />

neue Technologien für die Energiewende<br />

werden noch erfunden werden. Was soll<br />

also bei der Planung der Energiewende<br />

Orientierung geben? Dafür braucht es<br />

eine räumlich differenzierte, verbindliche<br />

strategische Planung der Energiewende.<br />

Doch diese fehlt weitestgehend.<br />

Die Ziele des EAG sind nicht ausreichend,<br />

auch der Nationale Infrastrukturplan laut<br />

EAG, so wie er jetzt angedacht ist, wird<br />

nicht ausreichen. Es ist ein Irrweg zu<br />

glauben, dass weiterhin ohne diese räumlich<br />

differenzierte, verbindliche strategische<br />

Planung das Auslangen gefunden<br />

werden kann. Denn diese Planung zeigt<br />

nicht nur den Weg auf, wie die Energiewende<br />

erreicht werden kann, sie schafft<br />

auch Klarheit für die Betroffenen sowie<br />

Investitionssicherheit.<br />

OPTIMIERTER ENERGIEEINSATZ …<br />

Doch was muss diese verbindliche, räumlich<br />

differenzierte strategische Planung<br />

alles können? Zunächst einmal wären<br />

Verbund<br />

»<br />

5 TWh Wasserkraft bedeutet,<br />

dass in Österreich noch fünf<br />

Mal das Donaukraftwerk<br />

Freudenau Platz finden muss,<br />

oder dass zu den derzeit rund<br />

4.000 Kleinwasserkraftwerken<br />

bei gleicher durchschnittlicher<br />

Leistung noch einmal zirka<br />

3.300 dazukommen müssten.<br />

Kraftwerk Freudenau<br />

nach räumlichen Voraussetzungen differenziert<br />

Einsparziele zu definieren,<br />

zum Beispiel im Gebäudesektor nach<br />

Gebäudetyp und Baualter, nach Raumnutzungen<br />

(Wohnen, betriebliche Nutzungen,<br />

Einkaufen, öffentliche Dienste,<br />

Freizeit- und Erholungsnutzungen, Mobilität<br />

etc.) und deren Mischung, nach<br />

Dichten, nach Temperaturniveaus bei der<br />

Wärmeversorgung. Effizienzpotenziale<br />

sind zu erheben und daraus sind verbindliche<br />

Effizienzziele festzulegen – etwa<br />

für Abwärmenutzung oder Sektorkopplung.<br />

Mit Sektorkopplung ist gemeint,<br />

dass verschiedene Sektoren und Infrastruktursysteme<br />

miteinander verschaltet<br />

werden, um den Energieeinsatz zu optimieren.<br />

Ein einfaches Beispiel ist „Power<br />

to Heat“, das heißt, Überschussstrom aus<br />

erneuerbarer Energie wird in Wärmepumpen<br />

mit Umgebungswärme dazu genutzt,<br />

Raumwärme und Kühlung bereitzustellen.<br />

Eine lang bekannte Form sind<br />

Kraft-Wärme-Kopplungen, in denen Abwärme<br />

aus kalorischen Kraftwerken zur<br />

Stromerzeugung dazu verwendet wird,<br />

Fernwärme zu betreiben. Neuere Formen<br />

sind zum Beispiel Abwasserenergieanlagen,<br />

bei denen Strom aus erneuerbarer<br />

Energie eingesetzt wird, um Fernwärmeund<br />

Fernkältenetze aus dem Ablauf der<br />

Kläranlagen mittels Wärmetauschern und<br />

Wärmepumpen zu speisen.<br />

… ZU JEDER STUNDE<br />

Unter Berücksichtigung aller Einsparpotenziale<br />

und regional einsetzbarer Effizienzmaßnahmen<br />

ist der Bedarf an Energie<br />

zu ermitteln, der regional differenziert<br />

in Ausbauziele und -maßnahmen für erneuerbare<br />

Energie zu münden hat. Dafür<br />

ist es notwendig, nicht nur alle regional<br />

verfügbaren Energieformen einzusetzen,<br />

sondern auch einen Mix an Energieformen<br />

zu finden, der einen raum-zeitlichen<br />

Ausgleich zwischen Energieverbrauch<br />

und Energiegewinnung ermöglicht: Das<br />

heißt, in der Mischung der Energieformen<br />

soll gewährleistet werden, dass<br />

möglichst viel Energie auch dann zur<br />

Verfügung steht, wenn sie tatsächlich<br />

gebraucht wird. Es muss also eine Abkehr<br />

von der Jahresbilanz – der jetzt oft<br />

propagierten bilanziellen Energieautonomie<br />

– stattfinden und für jede Stunde<br />

des Jahres der Energieeinsatz optimiert<br />

werden, sodass insbesondere für Strom<br />

der Bedarf an Übertragungsnetzen und<br />

Speichern geringgehalten werden kann.<br />

Unter Berücksichtigung von Raumwiderständen,<br />

also Gegebenheiten im<br />

Raum, die die Errichtung von erneuerbaren<br />

Energieanlagen beschränken, wie<br />

Natur- und Landschaftsschutz, ist dann<br />

regional differenziert festzulegen, wie<br />

viele erneuerbare Energieversorgungsanlagen<br />

wo stehen werden, zum Beispiel<br />

wie die hunderten bis tausenden von<br />

zusätzlichen Windrädern über Österreich<br />

verteilt werden, die bei einem gegebenen<br />

Bedarf notwendig werden, wo die<br />

Photovoltaikflächen sein werden, wie<br />

viel Speicherkapazität benötigt wird, wo<br />

in Zukunft Fernwärme- und Fernkältenetze<br />

zu errichten sein werden und mit<br />

6 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 6 20.03.23 16:44


welchen Energiequellen von Abwärme,<br />

Umgebungswärme, Geothermie bis Biomasse<br />

sie betrieben werden können.<br />

KLARE BEGRÜNDUNGEN<br />

Bisher wurden zahlreiche Szenarien entwickelt<br />

und Potenzialerhebungen durchgeführt.<br />

Damit wird nicht das Auslangen<br />

gefunden werden, es braucht verbindliche<br />

Ziele und Maßnahmen. Solche<br />

starken Regelungen brauchen klare Begründungen<br />

des öffentlichen Interesses.<br />

Jetzt, wo wir noch am Beginn der<br />

Bemühungen stehen, ist jede erneuerbare<br />

Energieanlage wertvoll, aber bei<br />

zunehmendem Fortschreiten der Energiewende<br />

sind regional und zwischen<br />

den Regionen abgestimmte Zielvorgaben<br />

und Maßnahmen unabdingbar. Die<br />

Energiewende wird in der Landschaft<br />

sichtbar sein.<br />

Wenn wir den Weg mit wenig Wasserstofftechnologie<br />

gehen, dann wird es in<br />

Summe zur bestehenden Energieinfrastruktur<br />

etwa 2.300 Windräder und zirka<br />

130 Quadratkilometer PV-Modulfläche<br />

benötigen. Mit Wasserstoff würde ein<br />

Faktor 2,5 bei beiden dazukommen. Dies<br />

bringt einen entsprechenden Netzausbau<br />

mit sich, auch der Bedarf an Speichern<br />

und Sektorkopplung wird steigen.<br />

VERBOTE UND GEBOTE<br />

Daraus ist klar ableitbar, dass die Energiewende<br />

effizient, versorgungssicher<br />

und leistbar umzusetzen, auch bestimmte<br />

regulatorische Ver- und Gebote benötigen<br />

wird. Insbesondere wären bereits<br />

kurzfristig bestimmte Energieformen<br />

– etwa Öl- und Gasheizungen – auszuschließen.<br />

Auch ein Anschlusszwang an<br />

bestimmte Energieformen wie erneuerbar<br />

betriebene Fernwärmenetze ist<br />

notwendig. Solche Eingriffe kann nur<br />

ein großes öffentliches Interesse rechtfertigen,<br />

und dieses ist mit einer entsprechenden<br />

Planung nachzuweisen.<br />

Darüber hinaus sind Verfahren für erneuerbare<br />

Energieanlagen zu beschleunigen.<br />

Was jetzt nicht geplant wird, ist<br />

2030 nicht in Betrieb. Die jetzigen Gesetzesnovellen<br />

zur Verfahrensbeschleunigung<br />

greifen dafür viel zu kurz, ebenso<br />

wie diverse Raumordnungsprogramme<br />

»<br />

Es braucht eine verbindliche,<br />

räumlich differenzierte,<br />

strategische Planung der<br />

Energiewende. Es ist ein<br />

Irrweg zu glauben, dass<br />

es ohne eine derartige<br />

Planung gehen könnte.<br />

Wasserstoff-Fabrik<br />

zur Energieraumplanung, da sie immer<br />

nur eine Energieform betreffen. Auch<br />

dafür ist eine verbindliche, räumlich differenzierte<br />

strategische Planung notwendig,<br />

um das öffentliche Interesse<br />

festzulegen.<br />

AUS EINEM GUSS …<br />

Aber damit ist es nicht genug. Es braucht<br />

auch Begleitmaßnahmen wie Förderungen<br />

für Haushalte und Unternehmen,<br />

öffentliche Investitionen und eine staatliche<br />

Steuerung, die auf allen Regierungsebenen<br />

von den Gemeinden über die Länder<br />

bis zum Bund in dieselbe Richtung<br />

weist. Ein Finanzausgleich, der wie schon<br />

lange gefordert, Boden-, Umwelt- und<br />

Klimaschutz inkludiert, wäre rasch umzusetzen.<br />

Klimaschutzziele zu verfehlen,<br />

bedeutet Milliarden an Strafzahlungen. Im<br />

Adobe Stock<br />

EU-Emissionshandelssystem wurde eine<br />

Tonne CO 2<br />

-Äquivalent im Jahr 2020 noch<br />

mit rund 25 Euro gehandelt, 2022 stieg<br />

dieser Wert auf 81 Euro. Berücksichtigt<br />

man ein Verfehlen der Klimaschutzziele,<br />

könnten die derzeit zirka 74 Millionen<br />

Tonnen CO 2<br />

-Äquivalente, die Österreich<br />

2020 emittiert hat, zu Marktpreisen<br />

2022 jährliche Kosten an Emissionszertifikaten<br />

von etwa 6 Milliarden Euro verursachen.<br />

Im Zuge des Finanzausgleichs<br />

wären diese Lasten auf jene Gemeinden,<br />

Regionen und Länder zu verteilen, die<br />

sich nicht im notwendigen Ausmaß für<br />

die Energiewende engagieren respektive<br />

sollten diejenigen, die sich beteiligen,<br />

auch einen Vorteil daraus ziehen können.<br />

Ein derartiger Mechanismus würde aber<br />

auch voraussetzen, dass das notwendige<br />

Maß der Beteiligung in der geforderten<br />

räumlich differenzierten, strategischen<br />

Planung verbindlich festgelegt ist.<br />

… STATT STÜCKWERK<br />

Aus vielerlei Perspektiven ist also klar zu<br />

begründen, warum es eine verbindliche,<br />

räumlich differenzierte, strategische Planung<br />

der Energiewende benötigt. Es ist<br />

ein Irrweg zu glauben, dass es ohne eine<br />

derartige Planung gehen könnte. Da sie<br />

fehlt, sind alle bisherigen Maßnahmen<br />

im Klimaschutz Stückwerk und haben bis<br />

dato nicht zu einer substanziellen Reduktion<br />

der Treibhausgasemissionen geführt.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass eine Bündelung<br />

und Koordination aller Maßnahmen zur<br />

Energiewende ehestbald stattfindet,<br />

um eine sichere, leistbare und umweltfreundliche<br />

Versorgung mit erneuerbarer<br />

Energie nach regionalen Einspar- und<br />

Erzeugungspotenzialen differenziert<br />

in einer Form umsetzen zu können, die<br />

eine sozial-, umwelt- und raumverträgliche<br />

Realisierung der Klimaschutzziele in<br />

greifbare Nähe rücken lässt. •<br />

LINK<br />

https://boku.ac.at/boku-energiecluster<br />

Univ.Prof. Dr. Gernot Stöglehner leitet das<br />

Institut für Raumplanung, Umweltplanung und<br />

Bodenordnung (IRUB) und ist der Koordinator<br />

des <strong>BOKU</strong>-Energieclusters.<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

7<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 7 20.03.23 16:44


ENERGIE<br />

WENDE<br />

Technologien für negative CO 2<br />

-Emissionen –<br />

Möglichkeiten, Gefahren und Chancen<br />

Von Tobias Pröll<br />

Adobe Stock<br />

Abholzung im Amazonasgebiet<br />

Die CO 2<br />

-Äquivalent-Emissionen<br />

müssen ab etwa der<br />

Mitte unseres Jahrhunderts<br />

netto negativ sein, um die<br />

Paris-Ziele zu erreichen. Das<br />

ist spätestens seit dem IPCC<br />

Special Report zum 1,5-Grad-Ziel 2018<br />

und verstärkt seit dem Sechsten Sachstandsbericht<br />

des Weltklimarats 2021<br />

klar. Nüchtern betrachtet heißt das für<br />

die globale Wirtschaft:<br />

Eine<br />

»<br />

Möglichkeit, CO 2<br />

aus der<br />

Atmosphäre in der Biosphäre<br />

zu binden, liegt in Aufforstung<br />

und anderen zielgerichteten<br />

Landnutzungsänderungen.<br />

Modellrechnungen zeigen<br />

hier ein großes weltweites<br />

Potenzial 1 , leider passiert in<br />

der Praxis immer noch das<br />

Gegenteil: Abholzung für<br />

landwirtschaftliche Nutzung<br />

setzt biosphärisch gebundenes<br />

CO 2<br />

frei. In diesem Bereich<br />

wären potenziell große<br />

Effekte mit geringen<br />

Mitteln erreichbar.<br />

1. AUSSTIEG AUS FOSSILEN<br />

ENERGIEN BIS ETWA 2050<br />

Dazu ist wichtig zu bedenken, dass derzeit<br />

Kohle, Öl und Erdgas mehr als 80<br />

Prozent der weltweiten Energieversorgung<br />

ausmachen. Dieser Anteil hat sich<br />

in den vergangenen 30 Jahren nicht<br />

verändert. In Österreich versorgen wir<br />

uns immer noch zu 65 Prozent fossil mit<br />

Energie und entlassen das entstehende<br />

CO 2<br />

in die Atmosphäre. Die weltweit<br />

wachsende Wirtschaft fragt immer<br />

mehr Energie nach, aber der Ausbau der<br />

Erneuerbaren blieb bisher hinter dem<br />

Nachfrageanstieg zurück. Wir emittieren<br />

heute so viele Treibhausgase wie nie<br />

zuvor in der Geschichte – die Herausforderung,<br />

den Ausstieg aus den fossilen<br />

Energieträgern tatsächlich zu schaffen,<br />

ist daher gigantisch.<br />

2. REALISIERUNG VON<br />

„NEGATIVEN EMISSIONEN“<br />

Zusätzlich zum Ausstieg aus fossilen<br />

Energien sind Technologien notwendig,<br />

die dem Kohlenstoffkreislauf CO 2<br />

entziehen<br />

und langfristig speichern oder<br />

chemisch binden. Wir sprechen dabei<br />

von Negativemissionstechnologien<br />

(NET). Nur so kann am Ende „NetZero“<br />

beziehungsweise „NetNegative“ erreicht<br />

werden.<br />

8 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 8 20.03.23 16:44


3. JE LÄNGER SICH DIE ENERGIE-<br />

WENDE VERZÖGERT, DESTO<br />

MEHR NEGATIVE EMISSIONEN<br />

BRAUCHEN WIR<br />

Das weltweite Kohlenstoffbudget zur Erreichung<br />

der Paris-Ziele ist begrenzt. Je<br />

länger es dauert, aus den fossilen Energien<br />

auszusteigen, umso mehr CO 2<br />

müssen<br />

wir nachträglich wieder einfangen,<br />

um die Klimakatastrophe zu verhindern.<br />

Climeworks.com<br />

Nachdem es keine Anzeichen gibt, dass<br />

der Ausstieg aus den Fossilen schnell gelingen<br />

wird, werden wir negative Emissionen<br />

in relevantem Ausmaß brauchen.<br />

Dafür stehen uns eine Handvoll grundsätzlicher<br />

Ansätze zur Verfügung, von<br />

denen einige mehr und andere weniger<br />

öffentliche Aufmerksamkeit erlangt haben.<br />

ABSCHEIDUNG VON CO 2<br />

AUS DER LUFT (DAC)<br />

Am häufigsten auf den Titelseiten zu<br />

finden war in letzter Zeit die technische<br />

Abscheidung von CO 2<br />

aus der Umgebungsluft<br />

und die anschließende dauerhafte<br />

Speicherung des Treibhausgases<br />

in geologischen Formationen. Investoren<br />

und Politik treiben den Ausbau von<br />

Demonstrationsprojekten zu „Direct Air<br />

Capture“ (DAC) voran. Die Idee dabei:<br />

Unternehmen können Emissionen kompensieren,<br />

indem Vertragspartner CO 2<br />

aus der Atmosphäre holen und sicher<br />

einlagern. Das ist psychologisch ansprechend:<br />

Jemand kümmert sich an einem<br />

fernen Ort um das Problem, während<br />

wir weitermachen können wie bisher.<br />

Die Krux dabei: Die Abscheidung des<br />

verdünnten Gases aus der Umgebungsluft<br />

ist extrem energieaufwendig (siehe<br />

Abbildung 1).<br />

DAC-Anlagen werden daher dort geplant,<br />

wo erneuerbare Energie sehr<br />

günstig verfügbar gemacht werden kann,<br />

beispielsweise auf Island (Geothermie),<br />

in Norwegen (Wasserkraft) oder Patagonien<br />

(Wind). Trotzdem ist die Technologie<br />

teuer: 1.000 Euro pro Tonne CO 2<br />

kostet die Kompensation bei einem der<br />

ersten kommerziellen Anbieter 2 . Ob und<br />

wie tief diese Preise in Zukunft fallen<br />

können, ist Gegenstand von Diskussionen.<br />

Studien, die sich auf Lernkurven<br />

Direct Air Capture-Anlagen in der Schweiz und Island (unten)<br />

Abbildung 1: Energiebedarf zur Abscheidung von CO 2<br />

aus verdünnten Gasströmen. DAC…Abscheidung<br />

aus der Luft, CCS…Abscheidung aus Abgasströmen. Details siehe Quelle. 3<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

9<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 9 20.03.23 16:44


ähnlich der Kostendegression von Photovoltaik<br />

berufen, blenden möglicherweise<br />

den hohen Energiekostenanteil sowie<br />

den hohen Aufwand an gebauter Infrastruktur<br />

bei DAC aus. Somit bleibt DAC<br />

wohl eine Luxustechnologie und marketingwirksame<br />

Kompensationsoption für<br />

finanzstarke Dienstleistungsunternehmen,<br />

die vergleichsweise geringe eigene<br />

Emissionen verbuchen.<br />

Trotzdem ist die Forschung an DAC<br />

berechtigt: In einer Zukunft, in der wir<br />

uns vollständig erneuerbar mit Energie<br />

versorgen, kann DAC einmal eine Rolle<br />

spielen. Kurzfristig DAC auszurollen und<br />

daneben weiter fossiles CO 2<br />

aus Fahrzeugen<br />

und Punktquellen zu emittieren,<br />

ist dagegen gefährlicher Unfug, da<br />

die zur Verfügung stehenden Mittel bei<br />

Investition in Effizienzmaßnahmen und<br />

den Umstieg auf erneuerbare Energien<br />

wesentlich mehr Klimawandellinderung<br />

bewirken.<br />

BIOENERGIE MIT CO 2<br />

-ABSCHEI-<br />

DUNG UND SPEICHERUNG<br />

(BECCS)<br />

In Situationen, in denen Energie als knappes<br />

Gut nachgefragt ist, kommen andere<br />

Negativemissionstechnologien infrage.<br />

Pflanzen holen beim Wachsen CO 2<br />

aus<br />

der Luft und konzentrieren den Kohlenstoff<br />

in Form von Biomasse (Zucker,<br />

Stärke, Zellulose). Dabei dient Sonnenlicht<br />

als Energiequelle. Dieser Vorkonzentrationsleistung<br />

der Natur können wir<br />

uns bedienen und mit wesentlich weniger<br />

zusätzlichem Energieaufwand negative<br />

Emissionen darstellen.<br />

Bioenergienutzung, kombiniert mit CO 2<br />

-<br />

Abscheidung und Speicherung (BECCS),<br />

stellt Energie in Form von Strom, Wärme,<br />

Biomethan oder Bioethanol bereit.<br />

Das im Umwandlungsprozess anfallende<br />

CO 2<br />

wird in geologischen Formationen<br />

dauerhaft eingelagert. Die begrenzende<br />

Voraussetzung für BECCS ist die Verfügbarkeit<br />

nachhaltig produzierter Biomasse<br />

zusätzlich zum Bedarf für Nahrungs- und<br />

Futtermittel beziehungsweise stofflicher<br />

Nutzung.<br />

In Skandinavien, wo die Gesellschaft traditionell<br />

offen für neue Technologien ist,<br />

Abbildung 2: Heizwertbasierte Brennstoffausnutzung bei Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplung. Vergleich<br />

unterschiedlicher Negativemissionsoptionen zur Basistechnologie ohne CO 2<br />

-Abscheidung.<br />

Biokohle mit CCS berücksichtigt CO 2<br />

-Abscheidung aus dem Abgas der Pyrolysegasverbrennung.<br />

Zahlen inklusive Verdichtung des CO 2<br />

auf 100 bar Transportdruck. 5<br />

wird BECCS bereits in realen Projekten<br />

umgesetzt. Der Stockholmer Fernwärmeversorger<br />

will bis zu 800.000 Tonnen<br />

biogenes CO 2<br />

im Jahr (entspricht etwa<br />

1 Prozent des österreichischen Gesamtausstoßes<br />

in CO 2<br />

) aus dem Abgas abscheiden<br />

und in Speicherstätten verbringen<br />

4 . Das Produkt „Fernwärme“ wird<br />

hierdurch „CO 2<br />

-negativ“.<br />

Ähnlich würde das auch bei der thermischen<br />

Abfallbehandlung funktionieren,<br />

wo heute etwa 60 Prozent des enthaltenen<br />

Kohlenstoffs biogenen Ursprungs<br />

ist und die wir wohl auch noch im Jahr<br />

2050 brauchen werden. Natürlich muss<br />

dabei ein Teil der produzierten Energie<br />

für den Abscheideprozess aufgewendet<br />

werden und die brennstoffbezogenen<br />

Wirkungsgrade sinken (siehe Abbildung<br />

2). Trotzdem „kostet“ BECCS pro Tonne<br />

CO 2<br />

wesentlich weniger Energie als<br />

die Abscheidung aus der Luft (vgl. Abbildung<br />

1).<br />

CO 2<br />

-TRANSPORT- UND SPEICHER-<br />

INFRASTRUKTUR FÜR BECCS<br />

Obwohl der Hauptaufwand an Energie<br />

und Kosten bei der Abscheidung und<br />

Aufkonzentrierung des CO 2<br />

liegt, ist<br />

auch eine Transportinfrastruktur für CO 2<br />

notwendig. Hier gibt es bereits langjährige<br />

Erfahrung: Der Transportaufwand<br />

für CO 2<br />

ist vergleichbar mit dem für Öl<br />

und es kommen sowohl Schiffe als auch<br />

Pipelines in Frage. Die potenziellen geologischen<br />

Speicherstätten für CO 2<br />

sind<br />

durch die Öl- und Gasindustrie gut erforscht<br />

und an vielen Orten auf der Welt<br />

vorhanden. In Europa werden gerade<br />

CO 2<br />

-Speicher unter dem Nordseeboden<br />

erschlossen – nicht nur für CO 2<br />

aus Biomasse<br />

oder etwa aus der Luft, sondern<br />

auch für fossiles CO 2<br />

aus schwer dekarbonisierbaren<br />

Industrieprozessen wie Zement-<br />

oder Stahlerzeugung. Als groben<br />

Schätzwert können wir annehmen, dass<br />

die Abscheidung von CO 2<br />

aus Abgasströmen<br />

samt Transport und Speicherung ab<br />

einem wirksamen CO 2<br />

-Preis von etwa<br />

120-160 Euro pro Tonne für Unternehmen<br />

wirtschaftlich wird. Auf dem Weg<br />

zu NetZero werden wir dort also sicher<br />

vorbeikommen, in Nordeuropa früher als<br />

in Österreich, wo die geologische Speicherung<br />

von CO 2<br />

seit 2011 verboten ist.<br />

BIOKOHLE ZUR LANGFRISTIGEN<br />

KOHLENSTOFFSPEICHERUNG IM<br />

BODEN (BIOCHAR)<br />

Eine weitere biomassebasierte Negativemissionstechnologie,<br />

die in der Basisversion<br />

ohne Transport und Speicherung<br />

von CO 2<br />

auskommt, ist die Anreicherung<br />

von Kohlenstoff in Böden in Form von<br />

Biokohle (Biochar). Biokohle aus Pyro-<br />

10<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 10 20.03.23 16:44


lyseprozessen wird von Mikroorganismen<br />

nicht abgebaut und bleibt daher langfristig<br />

als Bodenbestandteil erhalten. Als positiver<br />

Nebeneffekt verbessert Biokohle<br />

Bodeneigenschaften und kann zu Ertragssteigerungen<br />

führen. Biomasse, die<br />

sonst schwierig energietechnisch nutzbar<br />

wäre, wie landwirtschaftliche Nebenprodukte<br />

und Reststoffe mit hohen<br />

Aschegehalten (Stängel, Stroh, Schalen,<br />

Spelzen) können bei moderaten Temperaturen<br />

von 550-600°C thermochemisch<br />

zu Biokohle und einem brennbaren<br />

Gasstrom, der etwa 50 % der Energie<br />

enthält, umgewandelt werden. Der Vorteil<br />

dabei: die anorganischen Bestandteile<br />

und somit wichtigen Pflanzennährstoffe<br />

wie Kalium und Phosphor verbleiben<br />

in der Biokohle, während der brennbare<br />

Gasstrom aschefrei ist und für Hochtemperaturprozesse<br />

genutzt werden kann.<br />

Würde man diese Biomassefraktionen<br />

einfach verbrennen, würde zwar insgesamt<br />

mehr Energie freigesetzt, aber<br />

die Nährstoffe wären wegen der hohen<br />

Temperaturen als verglaste Schlacke für<br />

das Ökosystem verloren. Wird hingegen<br />

Biokohle erzeugt und dorthin zurückgebracht,<br />

wo die Biomasse produziert wird,<br />

bleiben Nährstoffkreisläufe geschlossen,<br />

was neben der Ausschleusung von<br />

Kohlenstoff auch einer nachhaltigen Bodenbewirtschaftung<br />

entgegenkommt.<br />

Seit der Zertifizierungsmöglichkeit für<br />

Biokohle durch das European Biochar<br />

Certificate 6 , die Biokohle für Bodenanwendung<br />

bis hin zum Futtermittelzusatz<br />

für Nutztiere klassifiziert, zeigt sich eine<br />

dynamische Entwicklung. Es gibt bereits<br />

einen inoffiziellen Zertifikatemarkt, in<br />

dem sich Unternehmen darum bemühen,<br />

durch Biokohleeinsatz Emissionen<br />

zu kompensieren und dabei direkt mit<br />

Biokohleherstellern kooperieren.<br />

BECCS<br />

Bioenergie mit CO 2<br />

-Abscheidung und CO 2<br />

-Speicherung<br />

Pflanzen brauchen<br />

CO 2<br />

und binden<br />

Kohlenstoff in<br />

Biomasse<br />

Bei der Verbrennung<br />

im Kraftwerk entsteht CO 2<br />

CO 2<br />

wird abgetrennt und<br />

im Untergrund gelagert<br />

Source: earth.org, berkeley.edu<br />

BECCS und Biokohle sind nicht als direkte<br />

Konkurrenten zu betrachten, sondern<br />

ergänzen sich: Während BECCS in kalten<br />

Regionen die Technologie der Wahl ist,<br />

wo Energie für Strom und Wärme gebraucht<br />

wird und holzartige Biomasse<br />

mit guten Brennstoffeigenschaften aus<br />

nachhaltiger Forstwirtschaft zur Verfügung<br />

steht, punktet Biokohle in warmen<br />

Regionen, wo es wenig Holz gibt, Bioenergie<br />

schwer mit Solarenergie konkurrieren<br />

kann und sandige und nährstoffarme<br />

Böden besonders von der Biokohle<br />

profitieren. Für Europa gesprochen ist<br />

BECCS speziell in Skandinavien interessant<br />

und Biokohle im Mittelmeerraum.<br />

Österreich liegt dazwischen: Wir können<br />

potenziell beides unterbringen.<br />

WIE ES WEITERGEHT<br />

Für die kommenden Jahre ist zu erwarten,<br />

dass die Diskussion um Negativemissionen<br />

lauter werden wird. Zu hoffen<br />

bleibt, dass die notwendigen Schritte<br />

zum Ausstieg aus fossiler Energiebereitstellung<br />

trotzdem beherzt verfolgt werden.<br />

Denn klar ist: Je länger wir damit<br />

warten, desto wahrscheinlicher wird die<br />

Klimakatastrophe für die Menschheit.<br />

Klare wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen,<br />

wie eine wirksame CO 2<br />

-Abgabe<br />

auf Produkte und Dienstleistungen<br />

gemäß den tatsächlich zurechenbaren<br />

Emissionen, könnten vielleicht dafür sorgen,<br />

dass Anbieter ihre Bereitstellungsketten<br />

dekarbonisieren und sich dabei<br />

die jeweils effizientesten Abhilfemaßnahmen<br />

durchsetzen. Wann wir soweit<br />

sein werden, ist schwer zu sagen. Die<br />

Technologien zur Entnahme von CO 2<br />

aus dem Kohlenstoffkreislauf werden<br />

uns jedenfalls nicht vor der ungeliebten,<br />

aber notwendigen, grundlegenden<br />

Veränderung unserer Lebensweise bewahren<br />

können.<br />

LITERATURVERWEISE UND LINKS<br />

1<br />

Erb, KH., Kastner, T., Plutzar, C. et al. Unexpectedly<br />

large impact of forest management<br />

and grazing on global vegetation biomass.<br />

Nature 553, 73–76 (2018). https://doi.<br />

org/10.1038/nature25138<br />

2<br />

https://climeworks.com/<br />

3<br />

Zerobin, F., Pröll, T. Concentrated Carbon<br />

Dioxide (CO 2<br />

) from Diluted Sources through<br />

Continuous Temperature Swing Adsorption<br />

(TSA). Ind. Eng. Chem. Res. 59, 9207–9214<br />

(2020). https://doi.org/10.1021/acs.iecr.9b06177<br />

4<br />

https://www.stockholmexergi.se/en/bio-ccs/<br />

5<br />

Pröll, T., Zerobin, F. Biomass-based negative<br />

emission technology options with combined<br />

heat and power generation. Mitig Adapt<br />

Strateg Glob Change 24, 1307–1324 (2019).<br />

https://doi.org/10.1007/s11027-019-9841-4<br />

6<br />

https://www.european-biochar.org/de/<br />

Univ.Prof. DI Dr. Tobias Pröll forscht und lehrt<br />

am Institut für Verfahrens- und Energietechnik<br />

(IVET).<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

11<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 11 20.03.23 16:44


travnikovstudio<br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

Das Gebäude der Zukunft<br />

ist schon längst gebaut<br />

Von Doris Österreicher<br />

Wie Dekarbonisierung<br />

und die Energiewende im<br />

Gebäudebereich gelingen<br />

können.<br />

Wie wir Gebäude bauen und nutzen,<br />

trägt maßgeblich dazu bei,<br />

wie hoch die treibhausgasrelevanten<br />

Emissionen und damit die Folgen<br />

des Klimawandels im Gebäudesektor<br />

ausfallen. Nichtsdestotrotz benötigen<br />

wir adäquate Bauten, um zu wohnen, zu<br />

arbeiten, für Kultur, Gesundheit, Bildung<br />

und Erholung. Wie kann demnach eine<br />

Dekarbonisierung gelingen? Wie werden<br />

wir es in Zukunft schaffen, ein qualitätsvolles<br />

Leben in unseren gebauten Strukturen<br />

von Emissionen zu entkoppeln?<br />

EFFIZIENT. ERNEUERBAR. FLEXIBEL.<br />

Maßnahmen zur Dekarbonisierung sind<br />

immer kontextabhängig. Was für einen<br />

Standort in zersiedelten, ländlichen<br />

Gebieten passend ist, ist nicht notwendigerweise<br />

für urbane Strukturen geeignet.<br />

Für alle Gebäude, unabhängig<br />

von Standort, Klima oder Nutzung gilt<br />

jedoch, dass zuerst immer der Energiebedarf<br />

reduziert werden muss. Oberste<br />

Prämisse ist, die Effizienz zu erhöhen und<br />

weniger Energie zu verbrauchen. Die Integration<br />

von erneuerbaren Energien ist<br />

der notwendige zweite Schritt. Gebäude<br />

müssen zunehmend zur Energiegewinnung<br />

herangezogen werden, um bereits<br />

versiegelte Flächen effizient zu nutzen<br />

und Energie dort bereitzustellen, wo sie<br />

benötigt wird. Letztlich müssen Gebäude<br />

ein hohes Maß an Energieflexibilität und<br />

Speicherfähigkeit aufweisen, um Angebot<br />

und Nachfrage von erneuerbarer<br />

Energie bestmöglich abzugleichen.<br />

DIE ZUKUNFT LIEGT<br />

IN DER SANIERUNG<br />

Das Gebäude der Zukunft ist schon längst<br />

gebaut. Daher muss die Sanierung der<br />

wesentliche Fokus sein. In Bestandsgebäuden<br />

sind bereits Unmengen an Ressourcen<br />

gebunden, ein Neubau hingegen<br />

benötigt über den gesamten Lebenszyklus<br />

betrachtet mehr Energie, mehr Materialien<br />

und mehr Fläche. In Österreich<br />

gibt es über 1,9 Millionen Wohngebäude,<br />

mehr als 40 Prozent davon werden noch<br />

hauptsächlich mit Gas oder Öl beheizt.<br />

Für den Gebäudesektor bedeutet dies<br />

einen erheblichen Kraftakt, da in naher<br />

Zukunft 1,5 Millionen Gas- und Ölheizungen<br />

allein für den Wohnbau getauscht<br />

werden müssen, um aus den fossilen<br />

Energieträgern auszusteigen.<br />

Wie aus einer von <strong>BOKU</strong> und WIFO veröffentlichten<br />

Studie zur Folgenabschätzung<br />

von Energie- und Klimastrategien 1<br />

hervorgeht, weisen zirka drei Viertel der<br />

gesamten Wohnbauflächen ein hohes<br />

1 Schleicher, S.; Köppl, A.; Sommer, M.; Lienin,<br />

S., Treberspurg, M.; Österreicher, D.; Grünner,<br />

R.; Lang, R.; Mühlberger, M.; Steininger,<br />

K.W.; Hofer, C.; „Welche Zukunft für Energie<br />

und Klima? Folgenabschätzung für Energieund<br />

Klimastrategien – Zusammenfassende<br />

Projektaussagen“; WIFO Österreichisches<br />

Institut für Wirtschaftsforschung (Austrian<br />

Institute of Economic Research), Wien, 2018<br />

12 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 12 20.03.23 16:44


Bild 1: Sanierung Breitenfurter Straße; (Treberspurg & Partner<br />

Architekten)<br />

Bild 2: Fassadensanierung im Projekt Sani60ies (Universität für<br />

Bodenkultur Wien)<br />

Bild 3: Einbau einer Bauteilaktivierung (Treberspurg & Partner<br />

Architekten)<br />

Potenzial für thermische Sanierungen<br />

auf. Selbst bei denkmalgeschützten Gebäuden<br />

können energetisch hochwirksame<br />

Lösungen umgesetzt werden, wie das<br />

Beispiel aus der Breitenfurter Straße im<br />

23. Wiener Gemeindebezirk zeigt (Bild 1).<br />

Hier wurde durch eine umfassende<br />

Sanierung der Energiebedarf für ein<br />

denkmalgeschütztes Wohnhaus aus dem<br />

Jahr 1928 um 90 Prozent reduziert und<br />

qualitätsvoller Lebensraum geschaffen.<br />

Andere Lösungen zielen<br />

auf die Integration<br />

einer Bauteilaktivierung<br />

in den Fassadenflächen<br />

ab. Das Institut für<br />

Verfahrens- und Energietechnik<br />

forscht im<br />

Demonstrationsprojekt<br />

Sani60ies 2 an der Umsetzung<br />

von energietechnischen<br />

Lösungen<br />

für Gebäude mit einfach<br />

gegliederten Fassaden.<br />

Auf die Außenwände<br />

wird ein effizientes Flächen-Heizsystem<br />

unter<br />

der Wärmedämmung<br />

aufgebracht (Bild 2), mit<br />

dem Vorteil, dass das<br />

Heizsystem getauscht<br />

werden kann, während<br />

die Bewohner*innen in<br />

ihren Wohnungen bleiben<br />

können.<br />

IM NEUBAU IST EIN<br />

PLUS GEFORDERT<br />

Die Dekarbonisierung im<br />

Bestand ist unbestritten<br />

die größte Herausforderung<br />

im Bausektor. Mit<br />

steigenden Bevölkerungszahlen,<br />

erhöht sich<br />

jedoch auch der Bedarf<br />

an Infrastruktur und damit<br />

die Notwendigkeit,<br />

zusätzlichen Wohnraum<br />

zu schaffen. In den letzten<br />

Jahren entstanden in<br />

Österreich jährlich rund<br />

70.000 neue Wohneinheiten.<br />

Diese zukunftsweisend<br />

zu bauen ist<br />

eine Notwendigkeit, da<br />

2 Sani60ies: Demonstration minimal invasiver<br />

thermischer und energetischer Sanierung klassischer<br />

Wohnhausanlagen der 1950er -1960er-<br />

Jahre; gefördert von der FFG als Demonstrationsprojekt<br />

im Rahmen der 8. Ausschreibung<br />

Stadt der Zukunft (FFG-Nummer: 889521)<br />

3 ZQ3Demo: Umsetzung von urbanen ZukunftsQuartieren<br />

mit Akteursvernetzung und<br />

rechtlich-ökonomisch replizierbaren Lösungen;<br />

gefördert von der FFG als Demonstrationsprojekt<br />

im Rahmen der 8. Ausschreibung<br />

Stadt der Zukunft (FFG-Nummer: 886997)<br />

damit Ressourcen und Technologien über<br />

einen langen Zeitraum gebunden werden.<br />

Neubauten müssen einen positiven<br />

Beitrag zur Energieversorgung durch die<br />

Integration von erneuerbaren Energien<br />

und Energiespeicherung beisteuern. Eine<br />

effiziente Umsetzung gelingt am besten<br />

in einem systemischen Ansatz, das heißt<br />

durch den Zusammenschluss von größeren<br />

Gebäudekomplexen und Energiesystemen<br />

– über das Einzelgebäude hinaus<br />

– im Grätzl.<br />

Die ersten Plusenergiequartiere entstehen<br />

bereits in Wien, unter anderem<br />

im 22. Bezirk der Campo Breitenlee mit<br />

der Unterstützung der <strong>BOKU</strong>. Im Projekt<br />

Zukunftsquartier3-Demo 3 arbeiten<br />

die Forscher*innen mit Bauträgern und<br />

dem gesamten Planungsteam an der<br />

Umsetzung eines innovativen Quartiers,<br />

das aufzeigen soll, wie Gebäude durch<br />

ihre hohe Energieflexibilität maßgeblich<br />

zur Energiewende beitragen. Eine wettergestützte<br />

Regelung heizt Gebäude<br />

vor, wenn ein Überschuss an erneuerbarer<br />

Energie vorhanden ist und es in<br />

den Folgetagen abkühlt. Mit der Kombination<br />

von Bauteilaktivierung (Bild 3)<br />

und Wärmepumpen kann erneuerbare<br />

Energie damit effizient genutzt werden.<br />

Die Ergebnisse sollen dabei nicht nur<br />

für Replikationszwecke bei Neubauten<br />

aufbereitet werden, sondern auch wesentliche<br />

Erkenntnisse für zukünftige<br />

Sanierungen liefern.<br />

Eine Dekarbonisierung der Gebäude kann<br />

also gelingen. Der Weg führt in erster Linie<br />

über die Sanierung unseres wertvollen<br />

Gebäudebestands. Von der Gesellschaft<br />

braucht es dazu eine hohe Akzeptanz für<br />

erforderliche Eingriffe in die Bausubstanz,<br />

von der Politik mehr Mut zu klar<br />

strukturierten und strikten legislativen<br />

Rahmenbedingungen, die eine sukzessive<br />

Umsetzung forcieren. Die Forschung<br />

trägt mit praxisnahen Arbeiten zum Innovationsschub<br />

bei. Effizient, erneuerbar<br />

und flexibel gilt für den Neubau ebenso<br />

wie für den Bestand. Optimieren wir jetzt,<br />

was schon gebaut ist! <br />

•<br />

PD in DI in Dr. in Doris Österreicher, MSc. forscht<br />

am Institut für Raumplanung, Umweltplanung<br />

und Bodenordnung (IRUB).<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

13<br />

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ENERGIE<br />

WENDE<br />

Biogas: Das grüne Gas der Zukunft<br />

Mit dem geplanten Erneuerbare-Gas-Gesetz will Österreich die Biogasproduktion wieder<br />

aufleben lassen. Denn Biogas ist vielseitig nutzbar und kann wesentlich zur Verringerung der<br />

Energieabhängigkeit und zum Erreichen der Klimaneutralität beitragen. Für eine nachhaltige<br />

Biogasproduktion sollen ausschließlich biogene Rest- und Abfallstoffe zum Einsatz kommen.<br />

Das Potenzial hierfür ist groß.<br />

Von Susanne Frühauf, Theresa Krexner und Alexander Bauer<br />

Österreich hat sich ein äußerst ambitioniertes<br />

Ziel gesetzt. Um unabhängiger<br />

von fossilen Gasimporten<br />

zu werden und die Klimaneutralität voranzutreiben,<br />

sollen bis zum Jahr 2030<br />

jährlich 7,5 Terawattstunden (derzeit<br />

rund 0,14 Terawattstunden) an grünem<br />

Gas ins Erdgasnetz einspeist werden.<br />

Das entspricht einem Anteil von rund<br />

10 Prozent des jährlichen heimischen<br />

Gasverbrauchs. Den rechtlichen Rahmen<br />

hierfür gibt das Erneuerbare-Gas-Gesetz<br />

(EGG) vor, welches am 15. 02. <strong>2023</strong> in<br />

Begutachtung ging.<br />

Mit Inkrafttreten des ersten Ökostromgesetzes<br />

Anfang 2003 erlebte die Erzeugung<br />

von Biogas, welches durch den<br />

Abbau von organischem Material unter<br />

anaeroben Bedingungen entsteht, ihren<br />

ersten großen Aufschwung. Um eine<br />

hohe Energieausbeute zu erreichen, ka-<br />

men jedoch zu einem großen Teil Energiepflanzen<br />

wie etwa Mais zum Einsatz,<br />

welche eigens für die Biogasproduktion<br />

angebaut wurden. Rasch kam die Teller-<br />

Trog-Tank-Diskussion auf, wodurch der<br />

einst gute Ruf von Biogas sehr gelitten<br />

hat. Hinzu kam, dass die Verabschiedung<br />

neuer Ökostromgesetz-Novellen einen<br />

weiteren Ausbau von Biogasanlagen erschwert<br />

hat.<br />

VIELSEITIG NUTZBAR<br />

Die Biogastechnologie hat sich jedoch<br />

weiterentwickelt und der Hype um Biogas<br />

wurde, nicht zuletzt aufgrund des<br />

Russland-Ukraine-Krieges, wieder neu<br />

entfacht. Denn, im Vergleich zu Photovoltaik<br />

oder Windenergie, hat Biogas<br />

einen entscheidenden Vorteil. Es ist<br />

äußerst vielseitig nutzbar, speicherbar<br />

und besitzt die Fähigkeit, nach einer<br />

Aufbereitung zu Biomethan, Erdgas zu<br />

ersetzen. „Für den Betrieb sollen jedoch<br />

keine Energiepflanzen mehr eingesetzt<br />

werden, sondern ausschließlich biogene<br />

Rest- und Abfallstoffe, die in keiner<br />

Konkurrenz zur Lebens- beziehungsweise<br />

Futtermittelproduktion stehen“, betont<br />

Alexander Bauer vom Institut für Landtechnik.<br />

Das Potenzial hierfür ist groß. Laut einer<br />

Studie der Austrian Energy Agency (AEA)<br />

beläuft sich das realisierbare Biomethan-<br />

Potenzial in Österreich, basierend auf<br />

biogenen Reststoffen, bis zum Jahr 2040<br />

auf 10,7 Terawattstunden pro Jahr. Aus<br />

dem Bereich der agrarischen Reststoffe<br />

wird neben Wirtschaftsdünger, vor<br />

allem der nachhaltigen Nutzung von<br />

Stroh, ein großes Potenzial zugeschrieben.<br />

„Aufgrund seines hohen Anteils an<br />

lignozellulosehaltigen Verbindungen<br />

muss Stroh aber vor der Einbringung in<br />

14 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 14 20.03.23 16:44


die Biogasanlage vorbehandelt werden,<br />

um die biologische Abbaubarkeit zu erleichtern.<br />

Hierfür stehen in der Praxis<br />

biologische, chemische, physikalische<br />

und physikalisch-chemische Verfahren<br />

zur Verfügung“, erklärt Alexander Bauer.<br />

Weitere ungenutzte Potenziale liegen<br />

laut dem Bericht der AEA auch im Bereich<br />

der Abfälle aus der Lebensmittelindustrie,<br />

in den Grünschnittabfällen<br />

sowie in der Hausgartenkompostierung.<br />

VOR ORT SPEICHERBAR<br />

In Österreich sind derzeit rund 300 Biogasanlagen<br />

in Betrieb, 14 davon speisen<br />

Biomethan ins Gasnetz ein. Das ist ein<br />

kleiner Anteil, der sich dadurch erklären<br />

lässt, dass bisher primär die Verstromung<br />

des Biogases gefördert wurde.<br />

Die Mehrheit des produzierten Biogases<br />

wird daher in einem Blockheizkraftwerk<br />

kontinuierlich zu Strom umgewandelt<br />

und zur Sicherung der Grundlastversorgung<br />

eingesetzt. Jährlich werden in<br />

Österreich 540 Gigawattstunden Ökostrom<br />

mit Biogas produziert, was etwa<br />

einem Prozent des gesamten österreichischen<br />

Stromverbrauchs entspricht.<br />

Die während des Verstromungsprozesses<br />

anfallende Abwärme in Höhe von zirka<br />

350 Gigawattstunden wird für die Beheizung<br />

der Fermenter verwendet beziehungsweise<br />

in das örtliche Wärmenetz<br />

eingespeist.<br />

Biogas ist jedoch nicht nur grundlastfähig,<br />

sondern besitzt wegen seiner Vor-<br />

Ort-Speicherfähigkeit auch Potenzial<br />

für eine flexibilisierte Nutzung. Das bedeutet,<br />

Biogas ist in der Lage, Regelenergie<br />

zu liefern und Schwankungen<br />

im Stromnetz auszugleichen. Diese Fähigkeit<br />

könnte in Zukunft, vor allem im<br />

Hinblick auf einen steigenden Anteil an<br />

fluktuierendem Strom aus Photovoltaik<br />

und Wind, an Bedeutung gewinnen. Dass<br />

eine flexible Betriebsweise technisch<br />

umsetzbar ist, wird in Deutschland gezeigt.<br />

Bereits 300 von insgesamt 9.600<br />

Biogasanlagen werden dort bedarfsorientiert<br />

geführt. Das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz<br />

(EAG) eröffnet nun auch<br />

für Österreich neue Möglichkeiten der<br />

Stromvermarktung aus Biogas wodurch<br />

sich neben der gesetzlich geregelten<br />

Marktprämienvergütung auch zusätz-<br />

»<br />

Für den Betrieb sollen jedoch<br />

keine Energiepflanzen mehr<br />

eingesetzt werden, sondern<br />

ausschließlich biogene Restund<br />

Abfallstoffe, die in keiner<br />

Konkurrenz zur Lebensbeziehungsweise<br />

Futtermittelproduktion<br />

stehen.<br />

liche Erlöse aus der Börse aufgrund der<br />

Flexibilität der Anlage erwirtschaften<br />

lassen. Inwieweit dies für den Anlagenbetreiber<br />

genug Anreiz bietet, auf eine<br />

flexible Fahrweise umzustellen, wird sich<br />

aber erst zeigen.<br />

UPGRADING ZU BIOMETHAN<br />

Bernhard Wlcek von der Austria Energy<br />

Agency sieht die zukünftige Verwendung<br />

des Biogases, nach einem Upgrading zu<br />

Biomethan, aber hauptsächlich in der<br />

Einspeisung ins Gasnetz. Denn darauf<br />

zielt auch das EGG ab. Damit eine Einspeisung<br />

erfolgen kann, muss das Rohbiogas<br />

auf Erdgasqualität aufbereitet<br />

werden. Das Upgrading umfasst eine<br />

Entschwefelung und Trocknung des Biogases<br />

sowie eine Methananreicherung<br />

auf mindestens 98 Prozent durch Entfernung<br />

des Kohlendioxids. „Zum Einsatz<br />

kommen soll das energiereiche Gas vorwiegend<br />

in industriellen Hochtemperatur-Anwendungen,<br />

wie etwa in der Stahlund<br />

Eisenproduktion, da sich diese, im<br />

Vergleich zur Raumwärme, nur schwer<br />

durch andere Energieformen ersetzen<br />

lassen. Eine wesentliche Rolle spielt das<br />

Biomethan aber auch beim Prozessbedarf<br />

der Industrie, vor allem der chemischen“,<br />

erklärt Bernhard Wlcek.<br />

„Die biogenen Reststoffpotenziale in<br />

Österreich sind groß und Biogas bietet<br />

die perfekte Technologie, um daraus<br />

nachhaltige Energie zu erzeugen und<br />

Treibhausgasemissionen zu reduzieren“,<br />

betont Alexander Bauer. Zudem bietet<br />

es eine perfekte Lösungsmöglichkeit<br />

für abfallwirtschaftliche Probleme und<br />

durch die Rückführung der Gärreste<br />

auf landwirtschaftliche Flächen wird<br />

ein nachhaltiger Nährstoffkreislauf gefördert.<br />

Neben zusätzlichen Maßnahmen<br />

zur Energieeinsparung sowie dem<br />

Ausbau weiterer erneuerbarer Energieerzeugungstechnologien,<br />

kann Biogas<br />

aufgrund seiner Vielseitigkeit einen wichtigen<br />

Beitrag zur Energiewende leisten.<br />

Nun gilt es aber, rasch mit der Umsetzung<br />

zu beginnen, damit die ambitionierten<br />

Ziele bis 2030 auch erreicht werden. •<br />

Quellen<br />

AGCS Gas Clearing and Settlement AG (2022):<br />

Statistik Österreichischer Biomethanmarkt<br />

(Stand Anfang 2022). Verfügbar unter: www.<br />

biomethanregister.at/de/statistik (abgerufen<br />

am 27.02.<strong>2023</strong>)<br />

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft<br />

(2022): Biogas. Verfügbar unter: www.<br />

bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/bioeokonomie-nachwachsende-rohstoffe/biogas.html<br />

(abgerufen am 27.02.<strong>2023</strong>)<br />

Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt,<br />

Energie, Mobilität, Innovation und Technologie<br />

(BMK) (2021): Multitalent Biogas; Verfügbar<br />

unter: www.klimaaktiv.at/erneuerbare/biogas/<br />

anwendungen/KWK_Stromproduktion.html (abgerufen<br />

am 27.02.<strong>2023</strong>).<br />

Erneuerbares-Ausbau-Gesetz (EAG) (Fassung<br />

vom 27.02.<strong>2023</strong>). Verfügbar unter: www.ris.bka.<br />

gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20011619<br />

Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG) – Entwurf<br />

(<strong>2023</strong>). Verfügbar unter: www.bmk.gv.at/recht/<br />

begutachtungsverfahren/EGG.html (abgerufen<br />

am 27.02.<strong>2023</strong>)<br />

Österreichische Energieagentur – Austrian<br />

Energy Agency (2021): Erneuerbares Gas in<br />

Österreich 2040 – Quantitative Abschätzung<br />

von Nachfrage und Angebot. Wien. Verfügbar<br />

unter: www.bmk.gv.at/themen/energie/publikationen/erneuerbares-gas-2040.html<br />

(abgerufen<br />

am 27.02.<strong>2023</strong>)<br />

Patinvoh, R.; Osadolor, O.; Chandolias, K.; Sárvári<br />

Horváth, I.; Taherzadeh, M. Innovative Pretreatment<br />

Strategies for Biogas Production.<br />

Bioresource Technology 2016, 224, doi:10.1016/j.<br />

biortech.2016.11.083.<br />

DI in Susanne Frühauf, DI in Theresa Krexner und<br />

Assoc. Prof. PD DI Dr. Alexander Bauer forschen<br />

am Institut für Landtechnik.<br />

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Adobe Stock<br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

Geothermie in Wien: Die Energie,<br />

die aus dem Erdinneren kommt<br />

In naher Zukunft könnten bis zu 30 Prozent des Wärme- und Kältebedarfs der Bundeshauptstadt durch oberflächennahe<br />

und tiefliegende Geothermie gedeckt werden.<br />

Von Klaus Voit und Stephanie Neuhuber<br />

A<br />

us klimageschichtlicher Sicht befindet<br />

sich die Erde derzeit in der<br />

Warmzeit eines Eiszeitalters. Zyklen<br />

von Kalt- und Warmzeiten prägen<br />

das Klima der vergangenen 2,6 Millionen<br />

Jahre. Durch die industrielle Freisetzung<br />

der während der letzten Jahrmillionen<br />

geologisch gebundenen Kohlenwasserstoffe<br />

wie Erdöl, Erdgas und Kohle wird<br />

die Erwärmung deutlich beschleunigt.<br />

Der Geothermie kommt in Sachen Klimaneutralität<br />

und Unabhängigkeit von fossilen<br />

Energieträgern eine Schlüsselrolle<br />

zu. Derzeit wird die Hälfte der erzeugten<br />

Energie als Wärme verbraucht, welche<br />

auch in Form von geothermischer Energie<br />

aus dem Untergrund bereitgestellt<br />

werden könnte. Die oberflächennahe<br />

Geothermie kann zudem für Kühlzwecke<br />

genutzt werden.<br />

Die Erdwärme stammt aus dem Entstehungsprozess<br />

der Erde und aus dem radioaktiven<br />

Zerfall von Elementen. Dieser<br />

Teil wird nachgebildet und kontinuierlich<br />

vom Erdinneren an die Oberfläche transportiert<br />

– die Geothermie führt die in<br />

der Erdkruste gespeicherte thermische<br />

Energie ab. Die Nutzung dieses Energiereservoirs<br />

führt der Atmosphäre keine<br />

zusätzlichen Treibhausgase zu.<br />

NUTZUNGSARTEN UND<br />

POTENZIAL DER GEOTHERMIE<br />

Die Temperaturzunahme mit der Tiefe,<br />

der sogenannte geothermische Gradient,<br />

ist regional unterschiedlich und liegt in<br />

Mitteleuropa im Schnitt bei etwa drei<br />

Grad Celsius pro 100 Metern Tiefe. Die<br />

Wärme selbst wird konduktiv – also wie<br />

bei einem Kachelofen – im Gestein weitergeleitet<br />

und strahlt kontinuierlich ab.<br />

Die Anwesenheit von Grundwasser in porösen<br />

Gesteinen kann, wenn vorhanden,<br />

als Transportmittel dienen und die Wärme<br />

schneller an die Oberfläche befördern.<br />

Grundsätzlich lassen sich hinsichtlich<br />

Entnahmetiefe der geothermischen<br />

Energie zwei Nutzungsarten unterscheiden:<br />

eine oberflächennahe geothermische<br />

Nutzung mit Tiefen bis zu<br />

300 Metern sowie eine tiefe Geothermie<br />

mit Nutzungsbereichen tiefer als 300<br />

Meter. Die Leistung von tiefen Anlagen<br />

ist – durch die zunehmende Temperatur<br />

mit zunehmender Tiefe – um ein Vielfaches<br />

höher, jedoch steigen die Kosten<br />

der Erschließung mit zunehmender Tiefe.<br />

Je nach Temperatur des genutzten Mediums<br />

(Wasser oder Gestein) kommen<br />

an der Oberfläche unterschiedliche Verteilernetze<br />

zum Einsatz: Fernwärme bei<br />

hohen Wassertemperaturen von etwa<br />

bis zu 160°C sowie – zumeist dezentral<br />

geführte – Energienetze (Anergie- beziehungsweise<br />

Niedrigenergienetze für<br />

niedrigere Temperaturniveaus).<br />

Des Weiteren kann zwischen geschlossenen<br />

und offenen Systemen von Energieentnahme<br />

unterschieden werden. Bei<br />

geschlossenen Systemen zirkuliert Sole<br />

(Mischung aus Wasser und Frostschutzmittel)<br />

in bis zu mehrere hundert Meter<br />

tiefen Rohrsystemen (sogenannte Sonden):<br />

Die Sole nimmt Wärme aus dem<br />

Untergrund auf und transportiert diese<br />

zu einem Wärmetauscher an der Oberfläche,<br />

wo die Wärme an die Wärmepumpe<br />

übertragen wird. Neben Einzelsonden ist<br />

auch die gemeinsame Nutzung mehrerer<br />

Sonden („Sondenfeld“) sowie eine Spei-<br />

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cherung von Wärme- oder Kälteenergie<br />

im Untergrund möglich. Im Unterschied<br />

dazu erfolgt bei offenen Systemen die<br />

direkte Nutzung des Grundwassers als<br />

Wärmequelle. Hierfür wird das Wasser in<br />

einem Förderbrunnen an die Oberfläche<br />

gepumpt, energetisch mittels Wärmetauscher<br />

beziehungsweise Wärmepumpe<br />

abgearbeitet und über einen Schluckbrunnen<br />

zurück in den Grundwasserhorizont<br />

geleitet.<br />

Wien Energie<br />

Wesentlich für die Leistungsfähigkeit<br />

einer geothermischen Anlage sind die<br />

Temperatur im Untergrund und die Wärmeleitfähigkeit<br />

– oder bei Grundwassernutzung<br />

die hydraulische Durchlässigkeit<br />

– des umgebenden Gesteins. Zusätzlich<br />

entscheidet bei offenen Systemen der<br />

Chemismus der Untergrundwässer über<br />

deren Nutzbarkeit, da Grundwasser<br />

durch hohe Ionengehalte korrosiv sein<br />

kann oder eine Temperaturveränderung<br />

im Zuge der Nutzung zu Ausfällung von<br />

Mineralen führen kann.<br />

Abbildung 1: Unterirdischer Donaubegleitstrom mit ergiebigem, zusammenhängenden Grundwasserreservoir<br />

GEOTHERMIE IN WIEN<br />

Urbane Siedlungsräume haben allgemein<br />

einen hohen Gesamtenergiebedarf für<br />

Gebäudewärme, Kühlung, Strom oder<br />

Verkehr mit entsprechender Grundlast,<br />

entsprechende Flächen für erneuerbare<br />

Energien (etwa PV- oder Windkraftanlagen)<br />

sind jedoch nur unzureichend<br />

verfügbar. In Wien wird daher der Geothermie<br />

als platzsparende und grundlastfähige<br />

Energieform in Zukunft eine<br />

wichtige Rolle zugedacht.<br />

Wien ist dabei hinsichtlich Erdwärme in<br />

der vorteilhaften Situation, sowohl auf<br />

oberflächennahe, als auch tiefe geothermische<br />

Energiequellen zurückgreifen<br />

zu können. Sowohl oberflächennahe,<br />

als auch tiefliegende geothermische<br />

Systeme werden gemäß dem Wiener<br />

Klimafahrplan betreffend die Dekarbonisierung<br />

der Wärme- und Kälteversorgung<br />

(Ziel der Klimaneutralität bis 2040)<br />

berücksichtigt. Zudem existiert in Wien<br />

bereits ein dichtes Hochtemperatur-<br />

Fernwärmenetz, welches zur Wärmeverteilung<br />

herangezogen werden kann.<br />

Laut Schätzungen des Vereins Geothermie<br />

Österreich könnte mittels tiefer und<br />

oberflächennaher Geothermie etwa 20<br />

Abbildung 2: Bohrtätigkeit zur Bereitstellung oberflächennaher Geothermie und nachfolgender<br />

Installation von Erdwärmesonden in Wien<br />

bis 30 Prozent des gesamten Kühlungsund<br />

Wärmebedarfs von Wien abgedeckt<br />

werden. In Zukunft soll ein Anteil von<br />

rund 20 Prozent der Fernwärme durch<br />

Tiefengeothermie abgedeckt werden.<br />

OBERFLÄCHENNAHE GEOTHERMIE<br />

Die Leistungsfähigkeit einer oberflächennahen<br />

Erdwärme- oder Grundwassernutzung<br />

ist von der Grundwasserverfügbarkeit<br />

beziehungsweise vom Wärmestrom<br />

im Untergrund abhängig. Diese kann in<br />

Wien aufgrund des Vorhandenseins eines<br />

mächtigen Grundwasserkörpers im Bereich<br />

der Donau (Abb. 1) und aufgrund<br />

der vergleichsweise hohen Wärmeleitfähigkeit<br />

der im westlichen Stadtteil vorliegenden<br />

Gesteine (zirka 2 W/mK) generell<br />

als hoch eingestuft werden. Aus diesem<br />

Grund nimmt die Zahl an Erdwärmesonden<br />

(vor allem in den westlichen Bezirken)<br />

sowie die Zahl der Anlagen zur thermischen<br />

Nutzung des Grundwassers (hier<br />

insbesondere die Nutzung des Marchfelder<br />

Grundwasserkörpers) stetig zu.<br />

Die Geothermie-Bohrungen werden aus<br />

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gefördert und nach Wärmeentnahme<br />

wieder rückgeführt. Um einen „Kurzschluss“<br />

durch Förderung von rückgeführtem,<br />

abgekühlten Wasser, bevor<br />

sich dieses wieder im Porenraum des<br />

Gesteins erwärmen kann, zu vermeiden,<br />

wird der Abstand zwischen Entnahmeund<br />

Rückgabepunkt etwa vier Kilometer<br />

betragen (Abbildung 3).<br />

Die Bohrung und Errichtung einer Dublette<br />

zur Nutzung der Tiefengeothermie<br />

am Areal am Rande der Seestadt soll<br />

ab <strong>2023</strong> umgesetzt werden (Inbetriebnahme<br />

voraussichtlich 2026). Die Leistung<br />

der Anlage wird auf 20 Megawatt<br />

geschätzt, womit etwa 20.000 Haushalte<br />

mit Wärme versorgt werden könnten.<br />

Die Wien Energie GmbH plant, bis 2030<br />

insgesamt bis zu vier tiefe Geothermie-<br />

Anlagen in Donaustadt und Simmering<br />

mit einer Gesamtleistung von bis zu 120<br />

Megawatt zu entwickeln.<br />

Abbildung 3: Geplante Nutzung von Heißwasservorkommen im Wiener Untergrund via Dublette<br />

Platzgründen idealerweise vor Errichtung<br />

der Bauwerke hergestellt (Abbildung 2)<br />

und können im Gebäudebetrieb zum Heizen<br />

oder Kühlen verwendet werden. Bei<br />

Kälteentzug im Sommer ist jedoch die<br />

Möglichkeit einer Erhöhung der Grundwassertemperatur<br />

zu berücksichtigen.<br />

Derzeit sind im Wiener Stadtgebiet über<br />

1.800 Anlagen in Betrieb.<br />

TIEFLIEGENDE GEOTHERMIE<br />

Wien hat dank der geologischen Untergrundverhältnisse<br />

des Wiener Beckens<br />

in Bezug auf tiefliegende geothermische<br />

Vorkommen ein hohes Potenzial<br />

zur Warmwassergewinnung. Das Wiener<br />

Becken ist ein tektonisches Einbruchbecken,<br />

das im Laufe der vergangenen<br />

17 Millionen Jahre kontinuierlich mit Sedimenten<br />

aufgefüllt wurde. In diesen<br />

Sedimenten lagern nicht nur Erdöl- und<br />

Erdgasvorkommen, sondern auch Wässer,<br />

die sich über die Speichergesteine<br />

aufgrund des Wärmefeldes aufgewärmt<br />

haben und mitunter als Thermalwässer<br />

vorliegen. Die verringerte Krustenmächtigkeit<br />

dieses Beckenbereiches – gleichbedeutend<br />

mit einer Hochlage des wärmeren<br />

Erdmantels – führt zu einer hohen<br />

Wärmestromdichte (bis zu 80 mW/m²),<br />

was sich positiv auf das terrestrische<br />

Wärmefeld auswirkt.<br />

Ein derartiges Speichergestein im Wiener<br />

Untergrund stellt das „Aderklaaer<br />

Konglomerat“ (geologisch als Rothneusiedl<br />

Konglomerat bezeichnet) dar. Im<br />

Rahmen des Projektes „GeoTief Wien“<br />

wurden die genaue Geometrie und die<br />

Tiefenlage (zirka 3.000 Meter unter Geländeoberkante<br />

im Bereich Donaustadt<br />

und Simmering; siehe www.geotiefwien.<br />

at) dieser Gesteinsschicht erkundet. Die<br />

hydraulischen Eigenschaften des Reservoirs<br />

sowie dessen Wasserchemismus<br />

wurden mittels eines Großpumpversuchs<br />

an einer bestehenden Tiefenbohrung in<br />

Essling (Donaustadt) ermittelt.<br />

Es ist geplant, dieses Heißwasservorkommen<br />

mittels einer hydrothermalen<br />

Dublette (getrennte Förder- und Rückführbohrung)<br />

im geschlossenen Kreislauf<br />

zu nutzen. Dabei wird das Wasser mit<br />

einer Temperatur von etwa 100°C über<br />

eine Förderbohrung an die Oberfläche<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

UND AUSBLICK<br />

Die Nutzung geothermischer Energie<br />

ist ein wesentlicher Schlüssel zur Energiewende.<br />

Geothermische Energie ist<br />

grundlastfähig und emissionsfrei. Sie<br />

weist außerdem einen geringen Flächenbedarf<br />

für die Anlagen an der Oberfläche<br />

auf, wodurch diese – in Abhängigkeit des<br />

geologischen Untergrundes – gerade für<br />

urbane Regionen von großem Interesse<br />

ist, da hier oftmals die Flächen für andere<br />

alternative Energieformen fehlen.<br />

Wien zeigt neben der Eignung für oberflächennahe<br />

Energiegewinnung auch ein<br />

großes Potenzial für die Tiefengeothermie.<br />

Die Gesamtleistung von vier geplanten<br />

tiefliegenden Geothermieanlagen<br />

der Wien Energie GmbH wird auf bis zu<br />

120 Megawatt geschätzt, wodurch etwa<br />

125.000 Wiener Haushalte mit Heißwasser<br />

via Fernwärme versorgt werden<br />

könnten. Insgesamt könnte die Geothermie<br />

bereits in naher Zukunft einen<br />

beträchtlichen Anteil, nämlich rund 20<br />

bis 30 Prozent, des Kälte- und Wärmebedarfs<br />

von Wien abdecken. •<br />

Ass.Prof. PD DI MMMag. Dr. Klaus Voit, BA und<br />

Mag. a Dr. in Stephanie Neuhuber forschen am<br />

Institut für Angewandte Geologie (IAG).<br />

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Freepik<br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

Die Energiewende erfordert Gestaltung<br />

Landschaftsarchitektonische Beiträge zu Photovoltaik im siedlungsbezogenen ländlichen Freiraum.<br />

Von Erwin Frohmann, Chrili Car und Dagmar Grimm-Pretner<br />

Die Energiewende und die damit zusammenhängende<br />

Transformation<br />

der Landschaft durch den Ausbau<br />

von Energieinfrastruktur führt zu Herausforderungen,<br />

die nicht nur große Anlagen<br />

betreffen oder sich auf technische<br />

und betriebliche Notwendigkeiten beschränken<br />

lassen. Auch kleine disperse<br />

Anlagen haben einen Einfluss auf die<br />

Wirkung und Wahrnehmung von Landschaft<br />

und Freiraum, mit welchen sie<br />

in gestalterisch-ästhetischer Wechselwirkung<br />

stehen.<br />

Mit diesen Wechselwirkungen befassen<br />

sich Forschungsarbeiten 1 am Institut für<br />

Landschaftsarchitektur und gehen der<br />

Frage nach, wie ökologische, soziale, gestalterische<br />

und wirtschaftliche Anforderungen<br />

unter Berücksichtigung der Solarenergiepotenziale<br />

von konkreten Orten<br />

verknüpft werden können. Dabei sind<br />

die freiraum- und landschaftsbezogenen<br />

Themen im Kontext von ortsspezifischer<br />

Gestaltung von zentraler Bedeutung.<br />

KONSTRUKTIVES<br />

INEINANDERGREIFEN<br />

Der Forschungsansatz wird in diesem Beitrag<br />

anhand des Projektes „Solarlandschaften<br />

– Gestalterische Potenziale<br />

und Perspektiven von Photovoltaik und<br />

Solarthermie im ländlichen Freiraum“,<br />

fokusiert auf die Referenzlandschaft Bezirk<br />

Leibnitz/Steiermark, erläutert. Ziel<br />

der Forschungsarbeit war es, eine Diskussionsgrundlage<br />

für den Einsatz von<br />

Photovoltaik und Solarthermie auf räumlich-gestalterischer<br />

Ebene aus Sicht der<br />

Landschaftsarchitektur im siedlungsbezogenen,<br />

ländlichen Freiraum vorzulegen.<br />

Als Prioritäten für die Integration von Solarenergietechnik<br />

wurden im ländlichen<br />

Raum folgende Freiraumtypen erhoben:<br />

siedlungsbezogene Freiräume (Gärten,<br />

Parks, Plätze), schul- und freizeitbezogene<br />

Freiräume (Schulhöfe, Sportflächen,<br />

Freibäder), verkehrsbezogene Freiräume<br />

1 „Syn[EN]ergy: Synergiepotenziale zwischen<br />

Stadtplanungszielen und Photovoltaiknutzung<br />

auf Freiflächen – Teilprojekt ILA“, 2016-2018<br />

(Georg Bautz, Dagmar Grimm-Pretner, Roland<br />

Tusch), FFG Stadt der Zukunft.<br />

„Solarlandschaften – Gestalterische Potenziale<br />

und Perspektiven von Photovoltaik und Solarthermie<br />

im ländlichen Freiraum“, 2022 und „Potenziale<br />

für Photovoltaik in siedlungsbezogenen<br />

Freiräumen am Beispiel der Gemeinden Straden<br />

und Trofaiach“, <strong>2023</strong> in Bearbeitung, (Erwin<br />

Frohmann, Chrili Car, Dagmar Grimm-Pretner),<br />

im Auftrag der Steiermärkischen Landesregierung,<br />

Abteilung 15 / Energie, Wohnbau, Technik.<br />

(Straßen, Bahnhöfe, Verkehrsinseln, Brücken),<br />

Freiräume in Gewerbegebieten<br />

(Einkaufszentren, Gewerbeparks), vorbelastete<br />

Flächen außerhalb des Siedlungsverbunds<br />

(Abbauflächen, Deponien)<br />

sowie bestehende technisch geprägte<br />

Räume (Kraftwerke, Kläranlagen, Lagerflächen).<br />

Die Vielfalt unterschiedlicher<br />

ländlicher Freiraumtypen ermöglicht es,<br />

eine Vielzahl von Szenarien in realen Situationen<br />

zu testen und einen Fokus auf<br />

gestalterische Fragen zu legen. Als Ergebnis<br />

liegt ein Ideenpool für mögliche<br />

gestalterische Lösungen vor, die darauf<br />

abzielen, ein konstruktives Ineinandergreifen<br />

nach den eingangs erwähnten<br />

Anforderungen zu erzeugen.<br />

MENSCHLICHER MASSSTAB<br />

Dafür wurde ein induktiver Forschungsansatz<br />

(siehe Abb. 1) gewählt, der ausgehend<br />

vom konkreten Ort, Freiraumtyp<br />

und technischen Möglichkeiten Gestaltungsempfehlungen<br />

entwickelt. Mittels<br />

eines integrativen Entwurfsprozesses<br />

(siehe Abbildung 2) können Synergien<br />

zwischen ökologischen, sozialen und<br />

wirtschaftlichen Anforderungen entwickelt<br />

und räumlich-gestalterisch verknüpft<br />

werden.<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

19<br />

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©Chrili Car, 2022<br />

Abbildung 1: Induktiver Forschungsansatz<br />

im Gewerbepark und unterstützt die<br />

Orientierung durch eine klare Gliederung.<br />

Die kleinteilige Anordnung nach<br />

Prinzip eines Vogelschwarms bringt den<br />

Gewerbepark auf einen menschlichen<br />

Maßstab. Die trichterförmigen Flugdächer<br />

dienen dem Witterungsschutz<br />

der Stellplätze und Erschließungswege.<br />

Sie sind mit Photovoltaikpaneelen ausgestattet<br />

und sammeln das Regenwasser<br />

über hohle Säulen in unterirdischen<br />

Zisternen. Das Regenwasser wird im<br />

Gewerbepark als Nutzwasser verwendet<br />

und versorgt unter anderem 300 Baumpflanzungen<br />

mit Wasser. Diese wiederum<br />

haben eine positive Auswirkung<br />

auf das Mikroklima durch Beschattung<br />

und Verdunstung, bereichern den Frei-<br />

©Chrili Car, 2022<br />

Abbildung 2: Integrativer Entwurfsprozess<br />

©Chrili Car, 2022<br />

raum durch Blüten, Herbstfärbung und<br />

Früchte und unterstützen die Orientierung<br />

im weitläufigen Freiraum. Einher<br />

geht eine nutzungsrelevante Aufwertung<br />

des Areals mit einer Steigerung<br />

der ökologischen Diversität.<br />

Abbildung 3: Entwurfsansatz<br />

Der Entwurfsansatz wird am Beispiel<br />

eines Gewerbeparks (siehe Abb. 3 und<br />

Abb. 4) im Untersuchungsgebiet vorgestellt,<br />

ein Freiraumtyp, der in Österreich<br />

häufig existiert. Das Areal weist<br />

einen Versiegelungsgrad durch Gebäude,<br />

Erschließungsstraßen und befestigte<br />

Parkplätze von 73 Prozent der<br />

Gesamtfläche (16,32 ha) auf. Die lose<br />

Anordnung der riesigen Hallen, weiträumige<br />

offene, baumlose Verkehrsflächen<br />

und fehlende Elemente der räumlichen<br />

Gliederung vermitteln ein Gefühl der<br />

Verlorenheit. Die Orientierung erfolgt<br />

vorwiegend anhand von Hinweisschildern.<br />

Die Verdichtung der Raumstruktur<br />

durch einheitliche Flugdächer erzeugt<br />

einen räumlichen Zusammenhang<br />

Die Umsetzung der Energiewende und<br />

der damit verbundene Raumbedarf kann<br />

nur durch das Entwickeln von Synergien<br />

auf verschiedensten Ebenen zu räumlich<br />

und sozial nachhaltigen Lösungen führen.<br />

Das übergeordnete Ziel muss ein vielfältiges<br />

System aus Landschaften und<br />

erneuerbaren Energietechnologien sein,<br />

welche die jeweils lokale Kultur und den<br />

räumlichen Kontext widerspiegeln. •<br />

Ao. Univ.Prof. Dr. Erwin Frohmann und<br />

Ass.-Prof. in DI in Dr. in Dagmar Grimm-Pretner<br />

forschen und lehren am Institut für Landschaftsarchitektur<br />

(ILA), Dr. Chrili Car ist Landschaftsarchitekt<br />

und freier Wissenschaftler.<br />

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©Chrili Car, 2022<br />

Abbildung 4: Synergieeffekte mit Photovoltaik am Beispiel des Freiraums eines Gewerbeparks<br />

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21<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 21 20.03.23 16:44


freepik<br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

Atomenergie –<br />

Von Wolfgang Liebert<br />

dienlich für die Energiewende?<br />

In der Debatte um die Energiewende<br />

zur Erreichung der Klimaschutzziele<br />

verstummen die Stimmen in Europa<br />

nicht, die auf Kernenergie setzen wollen.<br />

Es klingt verlockend, den europäischen<br />

Atomstromanteil bei einem Viertel zu<br />

halten oder – noch besser – massiv zu erhöhen,<br />

erscheint doch der CO₂-Ausstoß<br />

im Betrieb als überzeugend gering. Aber<br />

ist das vernünftig? Bekanntermaßen<br />

spricht viel dagegen.<br />

Die Sicherheitsrisiken sind erheblich,<br />

denn katastrophale Unfälle können<br />

nicht ausgeschlossen werden. Potenzielle<br />

Schäden betreffen Mensch und<br />

Natur und haben sehr langfristige Folgen<br />

wie Tschernobyl und Fukushima gezeigt<br />

haben. 1 Von verschiedenster Seite sind<br />

Folgekosten in Höhe von vielen hundert<br />

Milliarden Euro bei schweren Unfällen<br />

berechnet worden, was sich am Fall der<br />

japanischen Nuklearkatastrophe von<br />

2011 bestätigt. Der Krieg in der Ukraine<br />

beunruhigt zurecht angesichts der gefährlichen<br />

Dramatik rund um das Atom-<br />

kraftwerk Saporischschja. Hinzu tritt das<br />

wachsende Sicherheitsrisiko durch die<br />

Alterung wesentlicher Reaktorkomponenten<br />

und angesichts der Veraltung der<br />

Reaktorkonzepte. Mehr als ein Viertel<br />

der europäischen Reaktoren ist über 40<br />

Jahre in Betrieb, nur knapp zehn Prozent<br />

weniger als 30 Jahre. 2<br />

KEINE ÜBERZEUGENDEN KONZEPTE<br />

Seit mehr als zwei Jahrzehnten gibt es<br />

zwar erneute nationale und international<br />

vernetzte Bemühungen um verbesserte<br />

Reaktorsysteme. Diese fußen aber fast<br />

ausschließlich auf alten Ideen und Entwicklungsversuchen,<br />

die über mehr als<br />

ein halbes Jahrhundert zu keinem überzeugenden<br />

und umsetzbaren Konzept<br />

geführt haben. Mehr als zweihundert<br />

ganz vage bis einigermaßen nachvollziehbare<br />

Konzeptentwürfe kursieren<br />

derzeit, aber so gut wie nichts erscheint<br />

als substanziell und rechtzeitig verfügbar,<br />

um zu den Zielsetzungen der weitgehenden<br />

Klimaneutralität innerhalb der<br />

nächsten 20 bis 25 Jahre beizutragen.<br />

Auch das in der Techniknutzungsgeschichte<br />

beispiellose Problem des unvermeidlichen<br />

Umgangs mit den hochradioaktiven<br />

Abfällen, die für extrem<br />

lange Zeiträume sicher von der Biosphäre<br />

abgeschlossen werden müssten,<br />

wird nicht entschärft durch die „neuen<br />

Ideen“. So wird zum Beispiel der seit<br />

vielen Jahrzehnten diskutierte Ansatz<br />

der sogenannten Partitionierung und<br />

Transmutation des Atommülls die Notwendigkeit<br />

eines auf geologischen Zeitskalen<br />

sicheren Endlagers nicht beseitigen.<br />

Vorteile bei der Reduktion von<br />

Transuranen würden erkauft mit der Erzeugung<br />

zusätzlicher Mengen radioaktiver<br />

Spaltprodukte – insbesondere von<br />

besonders langlebigen mit sehr großen<br />

Halbwertszeiten. 3<br />

ABHÄNGIG VON ROSATOM<br />

Das Betreiben von Atomprogrammen<br />

setzt die Versorgung mit Uran voraus. Da<br />

die europäischen Länder zu mehr als 99<br />

Prozent von Uranimporten abhängig sind,<br />

kann von Versorgungssicherheit nicht die<br />

22 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 22 20.03.23 16:44


Rede sein. Dabei wird von der Öffentlichkeit<br />

und der Politik (inklusive der Europäischen<br />

Kommission) die Abhängigkeit vom<br />

russischen Staatskonzern Rosatom verdrängt,<br />

geschweige denn in der generell<br />

deklarierten Sanktionspolitik gegen Russland<br />

reflektiert. (Rosatom agiert international<br />

und arbeitet national intensiv für<br />

das Kernwaffenprogramm.) Ein Sechstel<br />

der Reaktoren in der EU – größtenteils<br />

in Osteuropa – ist von Brennelementlieferungen<br />

durch Rosatom abhängig. Die<br />

Uranabhängigkeit Europas von Rosatom<br />

liegt bei über 20 Prozent – möglicherweise<br />

bei bis zu 40 Prozent. 4<br />

Ein massiver Ausbau der Kernenergie<br />

weltweit mit dem Ziel, die fossilen Kraftwerke<br />

zu ersetzen, müsste in etwa zu einer<br />

Verzehnfachung der globalen Reaktorflotte<br />

bis 2040 führen – mit entsprechend<br />

vervielfachtem Uranbedarf. Dann<br />

könnte der Beitrag der Kernenergie zur<br />

globalen CO₂-Vermeidung theoretisch<br />

von derzeit 2 bis 3 Prozent auf ein Viertel<br />

gesteigert werden. Die neuen Reaktoren,<br />

die ab den 2030er-Jahren in Betrieb<br />

gehen müssten, würden aber bis etwa<br />

zur nächsten Jahrhundertwende Uran<br />

verbrauchen. Eine dafür ausreichende<br />

Menge an Uranreserven und -ressourcen,<br />

die zudem auch ökonomisch, energetisch,<br />

ökologisch und sozial vertretbar<br />

gefördert werden müssten, ist nicht gegeben.<br />

Auch die fristgerechte Eröffnung<br />

einer Vielzahl neuer Minen in der raschen<br />

Ausbauphase der nächsten Jahrzehnte<br />

kann nicht gelingen. Und einen schnellen<br />

Reaktor, der ein Brutreaktor wäre, der<br />

mehr Spaltstoff (Plutonium) erbrüten<br />

soll als er Uran spaltet, gibt es bis heute<br />

und absehbar nicht. 5, 6<br />

TEURER ALS WINDKRAFT UND PV<br />

Zudem müssten enorme Kapitalressourcen<br />

mobilisiert werden. Die wenigen neuen<br />

Reaktorprojekte dieses Jahrhunderts<br />

in Europa sind durch dramatische Kostenexplosionen<br />

gekennzeichnet und haben<br />

längst die Zehn-Milliarden-Schwelle<br />

pro Gigawattreaktor überschritten. Die<br />

Kosten liegen je nach Fall zwischen 7.000<br />

und 12.000 Euro pro Kilowatt installierter<br />

Leistung. Die in ihrer Größenordnung<br />

normalerweise viel kleiner dimensionierten<br />

Windkraft- und Photovoltaikanlagen<br />

sind inzwischen unschlagbar günstiger<br />

im Bau und Betrieb als Atomreaktoren.<br />

Wie problematisch die Abhängigkeit von<br />

Atomstrom werden kann, zeigt das Beispiel<br />

Frankreichs, das einen Atomstromanteil<br />

von etwa 70 Prozent hat. 2022<br />

liefen über lange Zeiträume nur die Hälfte<br />

der 56 Reaktoren. Grund waren Korrosionsprobleme<br />

in sicherheitsrelevanten Reaktorbauteilen,<br />

Nachrüstungserfordernisse<br />

der Aufsichtsbehörde im Gefolge<br />

der Fukushima-Erfahrungen, Revisionen<br />

und Kühlwassermangel durch Trockenheit.<br />

Massive Stromimporte – insbesondere<br />

aus dem Ausstiegsland Deutschland<br />

– und ein restriktives Strommanagement<br />

in Frankreich waren die Folge. Der Schuldenberg<br />

des de facto staatlichen Energiekonzerns<br />

EDF stieg sprunghaft auf<br />

über 60 Milliarden Euro an. Dazu trug<br />

auch erheblich bei, dass EDF den marode<br />

gewordenen nationalen Nuklearkonzern<br />

AREVA übernehmen musste.<br />

ZIVIL-MILITÄRISCHER KONNEX<br />

Frankreich ist auch ein eklatantes Beispiel<br />

für den zivil-militärischen Konnex der<br />

Kernenergieentwicklung und -nutzung.<br />

In den 1960er-Jahren gelang der Aufstieg<br />

zur Atommacht aufgrund eines Dual-use-<br />

Programms, das sich bis heute fortsetzt.<br />

Präsident Macron hat in einer Aufsehen<br />

erregenden Rede im Dezember 2020<br />

im Atomindustriestandort Creusot vor<br />

den Spitzen aus Politik, Industrie, Wissenschaft<br />

und Militär betont, wie wesentlich<br />

das Zusammenwirken der militärischen,<br />

zivilen und industriellen Nuklearexpertise<br />

und -fähigkeiten für Frankreich ist.<br />

Man bedenke: heute haben 32 Staaten<br />

Atomenergieprogramme – und neun<br />

Staaten besitzen Kernwaffenarsenale.<br />

Zugleich ist die nukleare Abrüstung und<br />

Rüstungskon trolle in der gefährlichsten<br />

Krise seit Ende des Kalten Krieges vor<br />

drei Jahrzehnten.<br />

Es zeigt sich, dass die Kerntechnologie<br />

hochambivalent ist und in die Sackgasse<br />

führt, auch wenn manches verführerisch<br />

erscheinen mag. Die stets und dauerhaft<br />

mitbedingten Schattenseiten sind und<br />

bleiben extrem. 1 Jedenfalls „grün“ und<br />

nachhaltig, wie sie die Europäische Kommission<br />

im vergangenen Jahr ausgeflaggt<br />

hat, ist die Atomenergie gewiss nicht.•<br />

Referenzen<br />

Pripyat Cafe<br />

in der Sperrzone<br />

von Tschernobyl,<br />

Ukraine<br />

1<br />

W. Liebert, C. Gepp, D. Reinberger (Hg.): Nukleare<br />

Katastrophen und ihre Folgen. Berliner<br />

Wissenschaftsverlag 2016<br />

2<br />

N. Müllner, K. Gufler, W. Liebert: Alterung<br />

und Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken<br />

in Europa. <strong>BOKU</strong>-Energiecluster-<br />

Factsheet Nr. 01/2022<br />

3<br />

F. Frieß, W. Liebert: Inert Matrix Fuel for<br />

Transmutation: Selected mid- and long-term<br />

effects on reprocessing, fuel fabrication and<br />

inventory sent to final disposal. In: Progress<br />

in Nuclear Energy 124 (2022), 104106<br />

4<br />

K. Gufler, F. Meister: Analyse der Rosatom-<br />

Aktivitäten bzw. Rosatom-Verflechtungen<br />

mit der EU. Umweltbundesamt Wien, 2022<br />

5<br />

N.Müllner et al.: Nuclear energy – The solution<br />

to climate change? In: Energy Policy 155<br />

(2021), 112363<br />

6<br />

W. Liebert, M. Englert: Nuclear Fuel Chain:<br />

Uranium Resources and Associated Risks. In:<br />

S. Hartard, W. Liebert (Hg.): Competition and<br />

Conflicts on Resource Use. Springer 2015,<br />

S. 75-92<br />

Univ.Prof. i. R. Dipl.-Phys. Dr. Wolfgang Liebert<br />

lehrt und forscht am Institut für Sicherheits- und<br />

Risikowissenschaften.<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

23<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 23 20.03.23 16:44


Das Grün-versus-Grün-Dilemma<br />

Schwerpunkträume zur Berücksichtigung von Artenschutzbelangen in der<br />

Windenergieplanung auf regionaler Ebene<br />

Von Gesa Geißler a , Kathrina Baur b , Johann Köppel c , Dirk Sudhaus b , Marc Reichenbach d , Tim Steinkamp d ,<br />

Andrew Rasmussen c , Nico Krieger c , Birthe Uhlhorn a , Jessica Weber c, e und Alexandra Jiricka-Pürrer a<br />

Fotos: Adobe Stock<br />

Rotmilan<br />

Schwarzmilan<br />

Fischadler<br />

24 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 24 20.03.23 16:44


ENERGIE<br />

WENDE<br />

In Österreich wird bis dato sehr unterschiedlich<br />

mit der Ausweisung von Vorrangzonen<br />

für Windenergie umgegangen.<br />

Je nach Bundesland gibt es in Ab-<br />

Die europäischen Regierungen<br />

haben sich sowohl dem<br />

Klimaschutz als auch dem<br />

Schutz der Biodiversität verpflichtet.<br />

Trotz vielfältiger<br />

Synergien zwischen den beiden Zielen<br />

kommt es bei der zwingend notwendigen<br />

Beachtung des Artenschutzes bei<br />

der Planung der Windenergienutzung<br />

immer wieder zu Interessenkonflikten.<br />

Denn gerade für Vögel und Fledermäuse<br />

können Windenergieanlagen ein erhöhtes<br />

Kollisionsrisiko und eine Einschränkung<br />

ihres Lebensraumes darstellen.<br />

In der Fachöffentlichkeit wird dies als<br />

„Grün-Grün-Dilemma“ (green-on-green<br />

conflict) bezeichnet. Im Folgenden wird<br />

ein Forschungsprojekt vorgestellt, das<br />

Lösungsansätze entwickelt, um diesem<br />

Zielkonflikt bereits im regionalplanerischen<br />

Kontext zu begegnen und den<br />

Artenschutz bei der Flächenausweisung<br />

für die Windenergienutzung zu berücksichtigen.<br />

Die Grundlage für einen auch mit den<br />

Biodiversitätszielen zu vereinbarenden<br />

Windenergieausbau ist die Ausweisung<br />

von geeigneten Flächen für die Windenergienutzung.<br />

Dies wird auch von der<br />

EU-Kommission mit der EU-Notfallverordnung<br />

1 eingefordert, um die Planung<br />

und Genehmigung von Windenergieanlagen<br />

in den Mitgliedstaaten in besonders<br />

ausgewiesenen Gebieten zu beschleunigen.<br />

Dies sollen Gebiete sein, die auf der<br />

Ebene der strategischen Planung, zum<br />

Beispiel der Regionalplanung, ausgewiesen<br />

und dabei einer strategischen Umweltprüfung<br />

(SUP) unterzogen werden.<br />

1<br />

Verordnung (EU) 2022/2577 des Rates vom 22.<br />

Dezember 2022 zur Festlegung eines Rahmens<br />

für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung<br />

erneuerbarer Energien.<br />

hängigkeit von den jeweiligen Gesetzen<br />

zu Raumplanung beziehungsweise gegebenenfalls<br />

zum Naturschutz ein anderes<br />

Vorgehen. Die Berücksichtigung von<br />

wildlebenden Tierarten bei der Windenergieplanung<br />

erfolgt in Österreich<br />

und Deutschland derzeit vorwiegend<br />

über die Berücksichtigung von Schutzgebieten.<br />

Dies können etwa Gebiete<br />

sein, die die Vorgaben der Europäischen<br />

Vogelschutzrichtlinie sowie der Flora-<br />

Fauna-Habitat-Richtlinie umsetzen.<br />

Diese NATURA 2000-Schutzgebiete<br />

werden regelmäßig für die Windenergie<br />

als Standorte ausgeschlossen, da dort<br />

mit erheblichen Konflikten zwischen Arten-<br />

und Naturschutz und der Windenergienutzung<br />

zu rechnen ist. Allerdings<br />

fordern die EU-Artenschutzrichtlinien<br />

auch einen Schutz von Arten außerhalb<br />

der ausgewiesenen Schutzgebiete. Dieser<br />

Schutzauftrag stellt die strategische<br />

Planung für die Windenergienutzung<br />

auf übergeordneter Ebene oftmals vor<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

25<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 25 20.03.23 16:44


Probleme. Vielfach sind die Vorkommen<br />

von Arten, die von der Windenergienutzung<br />

potenziell erheblich beeinträchtigt<br />

werden können, nicht oder nicht ausreichend<br />

bekannt.<br />

An dieser Stelle setzt das Forschungsvorhaben<br />

an, welches seit Oktober 2021<br />

am Institut für Landschaftsentwicklung,<br />

Erholungs- und Naturschutzplanung<br />

(ILEN) der <strong>BOKU</strong> mit Partner*innen<br />

aus Deutschland bearbeitet und von<br />

der Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />

(DBU) gefördert wurde. Im Projekt<br />

„Schwerpunkträume zum Artenschutz<br />

in der Windenergieplanung – Methodische<br />

Ansätze zur planerischen Ausweisung<br />

von Flächen zur Windenergienutzung“<br />

wurden in Kooperation mit<br />

der Technischen Universität Berlin, der<br />

Fachagentur Windenergie an Land (FA<br />

Wind) und der Arbeitsgruppe für regionale<br />

Struktur- und Umweltforschung<br />

GmbH (ARSU GmbH), methodische<br />

Lösungsansätze zum Identifizieren von<br />

Schwerpunkträumen windenergiesensibler<br />

Arten entwickelt, erprobt und diskutiert.<br />

Darüber hinaus wurde mithilfe von<br />

multikriteriellen Analysen und Szenariomodellierungen<br />

das Zusammenspiel von<br />

Schwerpunkträumen und anderen Belangen<br />

analysiert. Letzteres ist ein Ansatz,<br />

um die Aushandlung und Abwägung für<br />

die Flächenentscheidung transparenter<br />

zu gestalten. Damit leistet das Projekt<br />

einen Beitrag zur Weiterentwicklung<br />

der strategischen Flächenauswahl für<br />

Windenergieanlagen auf regionaler Ebene<br />

sowie zur transparenten Diskussion<br />

und Abwägung potenziell divergierender<br />

Nachhaltigkeitsziele.<br />

Abgrenzung von Schwerpunkträumen<br />

mit Habitatmodellierung und<br />

multikriterieller Szenarioentwicklung<br />

Mithilfe einer GIS-basierten Habitatmodellierung<br />

für ausgewählte, windenergiesensible<br />

Vogelarten (Rotmilan,<br />

Schwarzmilan, Fischadler), wurden<br />

Schwerpunkträume der Vogel-Populationen<br />

modelliert. Als Schwerpunkträume<br />

werden Gebiete definiert, in denen aufgrund<br />

der geeigneten Ausstattungselemente<br />

in der Landschaft von einer hohen<br />

Aktivität oder Brutpopulation der Zielarten<br />

ausgegangen werden kann. Mithilfe<br />

Potenzielle<br />

Rotmilan-Schwerpunkträume<br />

Potenzielle<br />

Fischadler-Schwerpunkträume<br />

Überlappende<br />

Schwerpunkträume<br />

Abbildung 1: Mithilfe der Habitatmodellierung identifizierte Flächen mit Eignung als<br />

Schwerpunkträume in Brandenburg für die Zielarten Rotmilan und Fischadler.<br />

Quelle: FA Wind <strong>2023</strong>.<br />

der Modellierung wurde dann anhand der<br />

Lebensraumeignung die Wahrscheinlichkeit<br />

bestimmt, mit der die ausgewählten<br />

Arten im Untersuchungsraum vorkommen.<br />

Dazu wurden hauptsächlich frei<br />

verfügbare (Geo-)Daten verwendet und<br />

die Methode für den Umgang mit begrenzten<br />

bzw. unsicheren Datenbeständen<br />

zu Brutvogelvorkommen optimiert.<br />

In einem zweiten Schritt wurden die<br />

Effekte der ermittelten Schwerpunkträume<br />

im Zusammenwirken mit weiteren<br />

Abwägungskriterien, wie unter anderem<br />

Abständen zu Siedlungen, Nutzung von<br />

Waldgebieten und Schutzgebieten auf<br />

das Erreichen der Windenergieflächenziele<br />

untersucht. Dazu wurde eine multikriterielle<br />

Analyse („if, when“-Analyse)<br />

für die Untersuchungsgebiete in den<br />

Bundesländern Brandenburg und Baden-<br />

Württemberg in Deutschland durchgeführt.<br />

Multikriterien-Analysen ermöglichen<br />

eine transparente und strukturierte<br />

Berücksichtigung mehrerer Ziele und<br />

können so die Diskussion über Kompromisse<br />

bei der Entscheidungsfindung<br />

sowie den Vergleich und die Visualisierung<br />

verschiedener Planungsszenarien<br />

auf nachvollziehbare Weise unterstützen.<br />

Auch wurden die entwickelten Ansätze<br />

in mehreren Workshops mit Praxispartner*innen<br />

aus den Regionen und Bundesländern<br />

diskutiert und adaptiert.<br />

Ergebnisse – Schwerpunkträume<br />

können einen Beitrag zur Berücksichtigung<br />

artenschutzrechtlicher Belange<br />

bei der regionalen Planung bieten<br />

Die Ergebnisse der Analysen zeigen, dass<br />

ein Identifizieren von Schwerpunkträumen<br />

für bestimmte windenergiesensible<br />

Vogelarten mithilfe von Habitatmodellierungen<br />

zu validen Ergebnissen führt<br />

(vgl. Abbildung 1). Der gewählte metho-<br />

26 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 26 20.03.23 16:44


Abbildung 2: Exemplarischer Auszug aus dem Szenariorahmen für die Region Havelland-Fläming. Für die Szenarien ist angegeben, ob sie die Flächenziele<br />

für den Ausbau der Windenergie (2,2 %, 2,0 %, 1,8 % der Fläche) erreichen können. Die Prozentangaben in den Szenarien geben an, wie viel der<br />

Fläche jeweils zusätzlich für die Windenergienutzung zur Verfügung gestellt wird. TAK = Tierökologische Abstandskriterien<br />

Quelle: FA Wind <strong>2023</strong>, verändert nach Weber et al. <strong>2023</strong><br />

dische Ansatz erlaubt auch bei mangelhaften<br />

und unvollständigen Daten zum<br />

Vogelbestand Aussagen zu treffen. Da<br />

die Habitat-Präferenzen und -eignung<br />

der jeweiligen Zielarten und Standorte<br />

modelliert werden, sind nur geringere<br />

Kenntnisse über tatsächliche Vorkommen<br />

notwendig. Allerdings kann dieser<br />

Ansatz nur für Arten mit gut definierbaren<br />

Habitat-Parametern umgesetzt<br />

werden und es muss zumindest für Teilgebiete<br />

ein ausreichender Datenstand<br />

zur Bestandssituation und Verbreitung<br />

der Art vorliegen.<br />

Mithilfe der multikriteriellen Analyse<br />

wurde deutlich, dass die Flächenziele<br />

für die Windenergie in den Untersuchungsregionen<br />

auch bei einer Berücksichtigung<br />

von Schwerpunkträumen<br />

prinzipiell erreicht werden können. Wie<br />

in Abbildung 2 dargestellt, wurden im<br />

Projekt unterschiedliche Ansätze für<br />

die Ausgestaltung von Schwerpunkträumen<br />

angenommen, mit unterschiedlichem<br />

räumlichen Umfang, aber auch<br />

unterschiedlichen Restriktionen für die<br />

Windenergienutzung. Damit wird ein<br />

Beitrag zur Diskussion des Konzeptes<br />

der Schwerpunkträume geleistet. Die<br />

multikriterielle Analyse zeigt für einige<br />

Regionen, hier Havelland-Fläming, dass<br />

die bisherige Praxis der Regionalplanung<br />

in Kombination mit Schwerpunkträumen<br />

nicht geeignet ist, um die Ausbauziele<br />

für die Windenergie zu erreichen. Durch<br />

die Modellierung unterschiedlicher Szenarien<br />

wird deutlich, unter welchen Annahmen<br />

die Ausbauziele erreicht werden<br />

könnten (z. B. Windenergienutzung in<br />

geringem Maße auch im Wald oder in<br />

Landschaftsschutzgebieten; Variieren<br />

von Siedlungsabständen).<br />

Durch die Szenariendiskussion wurde<br />

deutlich, welche Akteur*innen beziehungsweise<br />

Akteur*innengruppen in der<br />

Entscheidungsfindung Einschränkungen<br />

in Kauf nehmen oder Kompromisse finden<br />

müssen. Die Ergebnisse sind vor dem<br />

Hintergrund der Notwendigkeit eines<br />

beschleunigten Ausbaus der Windenergie<br />

und dem Ziel, Artenschutzbelange<br />

stärker auf Ebene der Populationen und<br />

mithilfe strategischer Ansätze zu berücksichtigen,<br />

von großer Relevanz und<br />

übertragbar auch über Deutschland hinaus.<br />

Für die österreichische Analyse von<br />

Vorranggebieten für Windenergie kann<br />

das Projekt eine Diskussionsgrundlage<br />

bieten, um einen über Schutzgebiete<br />

hinausgehenden Ansatz zu wählen, der<br />

auch Artenschutz in der Abwägung berücksichtigt<br />

und die Anforderungen der<br />

besonders auszuweisenden Gebiete nach<br />

der EU-Notfallverordnung aufgreift.<br />

Für detaillierte Informationen wird auf<br />

den Abschlussbericht des Forschungsprojektes<br />

verwiesen. Dieser wird ab April<br />

<strong>2023</strong> auf der Webseite der FA Wind zur<br />

Verfügung stehen:<br />

QUELLEN<br />

www.fachagenturwindenergie.de/<br />

themen/natur-und-artenschutz/projektschwerpunktraeume/<br />

Weber, J.; Steinkamp, T., Reichenbach, M.<br />

(<strong>2023</strong>). Is there room for two? - A multi-criteria<br />

scenario framework to model the energy-species-land<br />

nexus for regional renewable<br />

energy planning. In: Energy, Sustainability and<br />

Society, eingereicht.<br />

FA Wind (<strong>2023</strong>). Kompaktwissen Schwerpunkträume<br />

für den Artenschutz, Berlin <strong>2023</strong><br />

a <strong>BOKU</strong> Wien, ILEN<br />

b Fachagentur Windenergie an Land (FA<br />

Wind), Berlin<br />

c Technische Universität Berlin, Fachgebiet<br />

Umweltprüfung und Umweltplanung<br />

d ARSU GmbH, Oldenburg<br />

e DBU-Promotionskolleg: „Umwelt-soziale<br />

Fragen der Energiewende“, Berlin<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

27<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 27 20.03.23 16:44


Theresa Krexner<br />

Aufgeständertes System, Italien (Nähe Piacenza)<br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

Photovoltaik auf dem Acker:<br />

Bauer sucht PV<br />

Von Theresa Krexner und Alexander Bauer<br />

Durch Agri-PV kann der Ausbau erneuerbarer Energien unterstützt werden. Neben vielen positiven Aspekten<br />

und Synergieeffekten gibt es aber auch eine Reihe von Herausforderungen, insbesondere bei den gesetzlichen<br />

Rahmenbedingungen in Österreich.<br />

Die Herausforderung für Österreich<br />

ist groß: Der gesamte heimische<br />

Stromverbrauch soll bis 2030 zu<br />

100 Prozent durch Erneuerbare gedeckt<br />

werden. Das verlangt einen zusätzlichen<br />

Ausbau um 27 Terawattstunden, der<br />

überwiegende Teil, nämlich 11 Terawattstunden,<br />

ist durch Photovoltaik (PV) zu<br />

erbringen. In der letzten Regierungsklausur<br />

wurde entschieden, dass es eine<br />

Offensive für den Ausbau von PV-Anlagen<br />

geben soll.<br />

Da für Photovoltaikanlagen auf versiegelten<br />

Flächen in Zukunft keine Genehmigung<br />

mehr notwendig ist, wird<br />

offensichtlich, wo der Schwerpunkt des<br />

Ausbaus erfolgen soll. Untersuchungen<br />

haben jedoch gezeigt, dass auch ein Ausbau<br />

auf Agrarflächen zur Erreichung des<br />

2030- und des 2040-Zieles der Klimaneutralität<br />

unbedingt erforderlich ist.<br />

Die Verwendung landwirtschaftlicher<br />

Flächen dafür ist jedoch kontrovers,<br />

vor allem wegen des Nutzungskonflikts<br />

zwischen Nahrungs- und Futtermittelproduktion<br />

auf der einen und Energieerzeugung<br />

auf der anderen Seite.<br />

SYNERGIEEFFEKTE DURCH AGRI-PV<br />

Eine Möglichkeit, dieses Spannungsfeld<br />

zu entschärfen, ist die Agri-PV (APV),<br />

also die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher<br />

Flächen für die Agrarproduktion<br />

(Lebens-, Futtermittel oder<br />

Tierhaltung) und für die Stromerzeugung<br />

durch PV-Module. APV-Anlagen<br />

haben damit nicht nur den Vorteil, dass<br />

Flächen effizienter genutzt werden,<br />

sondern auch, dass Synergieeffekte bei<br />

der Strom- und Agrarproduktion auftreten.<br />

Dies ist angesichts der bereits<br />

spürbaren negativen Konsequenzen des<br />

Klimawandels, wie der zunehmenden extremen<br />

Temperaturen, besonders zu begrüßen.<br />

„APV-Anlagen können Pflanzen<br />

oder Tieren bei großer Hitze Schatten<br />

spenden oder auch generell vor Wetterextremen<br />

wie etwa Hagel schützen“,<br />

erklärt Alexander Bauer vom Institut für<br />

Landtechnik (<strong>BOKU</strong>).<br />

Man unterscheidet grundsätzlich zwischen<br />

aufgeständerten und bodennahen<br />

APV-Anlagen. Bei Ersteren befinden<br />

sich die PV-Module in einer Höhe<br />

von mindestens zwei Metern über dem<br />

Boden auf einer Stahlkonstruktion; die<br />

landwirtschaftliche Erzeugung erfolgt<br />

unterhalb. Anders bei der bodennahen<br />

Anlage: Die Module sind so angebracht,<br />

dass die Bewirtschaftung zwischen den<br />

Modulreihen stattfindet. Bauer ergänzt:<br />

„Die Bodenverankerung der Aufständerungen<br />

muss besonders bei Agrarflächen<br />

unbedingt rückbaufähig sein,<br />

um diese nicht zu versiegeln. Die Verwendung<br />

von Beton ist in jedem Fall zu<br />

vermeiden.“<br />

28 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 28 20.03.23 16:44


SCHATTENVERTRÄGLICH<br />

Eine weitsichtige Planung ist unerlässlich,<br />

um eine APV-Anlage technisch und wirtschaftlich<br />

sinnvoll zu konzipieren. Insbesondere<br />

eine frühzeitige Einbindung von<br />

Interessengruppen und Bürger*innen<br />

ist entscheidend, um gesellschaftliche<br />

Zustimmung zu erzielen. Auch die technische<br />

Ausgestaltung, wie Reihenabstände,<br />

Auswahl der PV-Module, aber auch,<br />

welcher Maschinenpark zu Verfügung<br />

steht, sind einzubeziehen. Im Hinblick auf<br />

die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln<br />

ist aus agrarischer Perspektive zu<br />

beachten, ob APV in die derzeitige Produktionsstruktur<br />

eingebunden werden<br />

kann. Eine der größten Änderungen bei<br />

APV-Systemen ist schließlich die verringerte<br />

nutzbare Sonneneinstrahlung.<br />

In Abhängigkeit von der Schattenverträglichkeit<br />

der Kulturpflanzen kann dies<br />

positive bis negative Auswirkungen haben<br />

oder auch gar keine.<br />

Insbesondere aufgrund der Veränderung<br />

der Lichtverhältnisse beeinflussen<br />

APV-Anlagen den landwirtschaftlichen<br />

Ertrag, aber auch der Standort sowie die<br />

Wetterbedingungen eines Anbaujahres<br />

sind entscheidend. Erträge werden vor<br />

allem in trocken-heißen Jahren günstig<br />

beeinflusst, während in Jahren mit<br />

viel Niederschlag mit Verlusten bis zu<br />

20 Prozent zu rechnen ist. Schattenintolerante<br />

Kulturpflanzen wie Mais sind<br />

weniger für den Anbau in APV-Systemen<br />

geeignet, während schattentolerante<br />

Pflanzen wie Getreide oder Leguminosen<br />

in Frage kommen. „Nach derzeitigem<br />

Kenntnisstand besteht in Sonderkulturen<br />

wie Wein-, Obst- und Gemüsebau<br />

das voraussichtlich größte Potenzial zur<br />

Erzielung von Synergieeffekten, da dort<br />

eine hohe Wertschöpfung pro Fläche<br />

erzielt werden kann“, so das Fraunhofer<br />

Institut für Solare Energiesystem (ISE) in<br />

seinem APV-Leitfaden.<br />

UNTERSCHIEDLICHE KOSTEN<br />

Wie hoch die Kosten von APV-Anlagen<br />

ausfallen, ist individuell sehr unterschiedlich<br />

und vom gewählten Anlagenkonzept<br />

abhängig. Die Investitionskosten liegen<br />

meist über denen konventioneller Freiflächenanlagen,<br />

da oft eine aufwendigere<br />

Unterkonstruktion benötigt wird und/<br />

Bodennahe APV-Anlage, Nähe Bruck/Leitha<br />

oder Sonderanfertigungen von PV-Modulen<br />

(etwa semitransparente Module)<br />

genutzt werden sowie eine umfangreichere<br />

Standortvorbereitung (zum Beispiel<br />

durch Bodenschutzmaßnahmen)<br />

erforderlich ist. Für eine wirtschaftliche<br />

Umsetzung von APV-Anlagen im Agrarbereich<br />

werden tendenziell große Flächen<br />

benötigt, während im Gartenbau<br />

infolge der höheren Wertschöpfung pro<br />

Fläche bereits kleinere Anlagen profitabel<br />

sein dürften. Aufwendungen für den<br />

Wechselrichter oder Netzanschluss sind<br />

mit Freiflächenanlagen zu vergleichen.<br />

In Deutschland liegen die Stromgestehungskosten<br />

für APV-Anlagen laut einer<br />

Studie um etwa 50 Prozent über denen<br />

von Freiflächenanlagen.<br />

Die Fördermöglichkeiten für APV-Anlagen<br />

sind im Erneuerbare-Energien-<br />

Ausbaugesetz (EAG) geregelt. Eine Innovationsförderung<br />

ist für innovative PV-<br />

Anlagen, zu denen auch APV-Anlagen<br />

gehören, beantragbar, wenn die agrarische<br />

Nutzung nicht oder nur unwesentlich<br />

beeinträchtigt wird. Die konkreten<br />

Regelungen für PV- und APV-Anlagen<br />

auf agrarischen Flächen sind aber je nach<br />

Bundesland einzeln und teilweise sehr<br />

unterschiedlich geregelt. Die genauen<br />

Anforderungen können daher je nach<br />

Standort voneinander abweichen.<br />

APV-Anlagen stellen prinzipiell eine große<br />

Möglichkeit dar, um die Landwirtschaft<br />

besser für den Klimawandel zu<br />

wappnen sowie die Einkommen der Landwirt*innen<br />

zu diversifizieren. Theoretisch<br />

würde zur Erreichung der kompletten<br />

PV-Ausbauziele für 2030 je nach System<br />

eine Fläche von rund 20.000 Hektar benötigt<br />

werden. Praktisch müssen selbstverständlich<br />

noch weitere Faktoren in<br />

Betracht gezogen werden, aber „APV ist<br />

bereits technisch und wirtschaftlich erprobt<br />

und kann einen wichtigen Beitrag<br />

leisten“, so Bauer.<br />

•<br />

QUELLEN<br />

EAG> Ausbauziele und Förderungen<br />

Fechner, H., 2020. Ermittlung des Flächenpotentials<br />

für den Photovoltaik-Ausbau in Österreich:<br />

Welche Flächenkategorien sind für<br />

die Erschließung von besonderer Bedeutung,<br />

um das Ökostromziel realisieren zu können.<br />

Endbericht: Wien, Österreich, 27.<br />

Mikovits, C., Schauppenlehner, T., Scherhaufer,<br />

P., Schmidt, J., Schmalzl, L., Dworzak, V.,<br />

Hampl, N., Sposato, R.G., 2021. A Spatially<br />

Highly Resolved Ground Mounted and Rooftop<br />

Potential Analysis for Photovoltaics in<br />

Austria. ISPRS international journal of geoinformation<br />

10. https://doi.org/10.3390/<br />

ijgi10060418.<br />

PA3C3 > Projekt Potentialanalyse Österreich<br />

DIN SPEC 9413 > APV-Systeme<br />

Fraunhofer ISE Leitfaden > Erträge und Kosten,<br />

höchste Wertschöpfung<br />

Assoc.Prof. PD Dipl.-Ing. Alexander Bauer und<br />

DI in Theresa Krexner forschen beide am Institut<br />

für Landtechnik.<br />

Alexander Bauer<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

29<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 29 20.03.23 16:44


Das neue Wasserbaulabor der <strong>BOKU</strong> wird ab Juni völlig neue<br />

Forschungsmöglichkeiten zu nachhaltiger Wasserkraft eröffnen.<br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

Nachhaltige Wasserkraft – Im Spannungsfeld<br />

zwischen erneuerbarer Energie und Ökologie<br />

Von Jan De Keyser und Helmut Habersack<br />

Während in einigen Regionen der Welt,<br />

wie zum Beispiel in Österreich, das vorhandene<br />

Wasserkraftpotenzial insbesondere<br />

zwischen den 1950er- und 1980er-<br />

Jahren zu einem großen Anteil erschlos-<br />

Die Wasserkraft prägt die Energielandschaft<br />

seit vielen Jahrzehnten.<br />

Heute nimmt sie eine bedeutende<br />

Rolle in der Energiewende ein, steht aber<br />

auch im Spannungsfeld mit anderen Nutzungen<br />

und Ansprüchen an den Lebensund<br />

Wirtschaftsraum Fließgewässer. Basierend<br />

auf dem Wissen der vergangenen<br />

Jahrzehnte und den Forschungsaktivitäten<br />

am Institut für Wasserbau, Hydraulik<br />

und Fließgewässerforschung (IWA) sowie<br />

dem Christian Doppler Labor für Sedimentforschung<br />

und -management soll<br />

dieser Artikel einen Überblick über die<br />

historische Entwicklung sowie den aktuellen<br />

Status der Wasserkraft geben und<br />

nachhaltige und integrative Forschungsaktivitäten<br />

an der <strong>BOKU</strong> vorstellen.<br />

HISTORISCHE ENTWICKLUNG<br />

Ein systematischer Ausbau der Wasserkraft<br />

auf allen Kontinenten und an vielen<br />

großen Fließgewässern der Welt –<br />

wenngleich mit einem unterschiedlichen<br />

Tempo – begann im 20. Jahrhundert. So<br />

wurden in diesem Jahrhundert beispielsweise<br />

alle 15 großen Wasserkraftwerke<br />

an der Donau zwischen 1927 (Kraftwerk<br />

Kachlet) und 1999 (Kraftwerk Freudenau)<br />

gebaut (siehe Abbildung 1; Habersack<br />

et al., 2021).<br />

sen wurde, gibt es andere Regionen, die<br />

aktuell von einer sehr hohen Aktivität<br />

an neuen Wasserkraftprojekten (etwa in<br />

Asien und Südamerika) gekennzeichnet<br />

sind. Ab den 1970er-Jahren entwickelte<br />

sich durch voranschreitende Umweltbeeinträchtigungen<br />

vieler Technologien ein<br />

zunehmendes ökologisches Bewusstsein<br />

und es traten neben technologischen<br />

und wirtschaftlichen Aspekten auch<br />

Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen in<br />

den Fokus (Kuchler, 2015). Die Wasserkraftentwicklung,<br />

insbesondere ab der<br />

zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts,<br />

ist folglich einerseits von einem starken<br />

Ausbau und andererseits von zunehmenden<br />

Konflikten aufgrund unterschiedlicher<br />

Nutzungsansprüche sowie<br />

30 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 30 20.03.23 16:44


Abbildung 1: Entwicklung der Wasserkraft in Österreich (Wagner et al., 2015)<br />

divergierender Interessen (zum Beispiel<br />

Gewässerökologie versus Energiewasserwirtschaft)<br />

geprägt.<br />

Neben dem anhaltenden Ausbau der<br />

Wasserkraft verlagern sich im 21. Jahrhundert<br />

die Aktivitäten neben dem<br />

weiteren Ausbau, auch von Pumpspeicherkraftwerken,<br />

auf technologische<br />

und betriebliche Optimierungen und<br />

Effizienzsteigerungen an bestehenden<br />

Wasserkraftstandorten. Im Zuge der<br />

Energiewende, unter anderem als Folge<br />

der Klimakrise sowie der aktuellen Krise<br />

rund um den Krieg in der Ukraine und der<br />

damit verbundenen Energieknappheit<br />

sowie des steigenden Bedarfs an Speichermöglichkeiten<br />

in Zusammenhang<br />

mit den volatilen erneuerbaren Energien<br />

(z. B. Photovoltaik oder Wind), nimmt die<br />

Wasserkraft als zuverlässige und flexibel<br />

einsetzbare Schlüsseltechnologie mit<br />

einem hohen Wirkungsgrad eine bedeutende<br />

Rolle ein.<br />

Heute wird die Wasserkraft in 159 Ländern<br />

der Welt genutzt. Mit einem Anteil<br />

von aktuell 16 Prozent der globalen<br />

Stromproduktion (OECD/IEA, 2014) und<br />

einer installierten Leistung von 1.308<br />

GW ist sie nicht nur ein wirtschaftlich<br />

wichtiger Sektor, sondern stellt mit zirka<br />

50 Prozent der globalen Stromproduktion<br />

den bedeutendsten<br />

Energieträger<br />

in der Gruppe<br />

der Erneuerbaren<br />

Energien dar<br />

(IHA, 2020).<br />

In Österreich<br />

liegt der Beitrag<br />

der Wasserkraft an der nationalen<br />

Stromerzeugung mit einem Anteil von<br />

60 Prozent deutlich über dem globalen<br />

Wert (E-Control, 2020). Basierend auf<br />

einer Erhebung des Kraftwerksbestands<br />

konnten über 5.000 existierende Wasserkraftwerke<br />

in Österreich erfasst und<br />

kategorisiert werden (siehe Abbildung 2;<br />

Habersack et al., 2012; Wagner et al., 2015).<br />

Die aktuelle Bundesregierung plant im<br />

neuen Erneuerbaren Ausbau-Gesetz<br />

einen weiteren Zubau von mindestens<br />

5 TWh pro Jahr bis 2030.<br />

FORSCHUNGSAKTIVITÄT AM IWA<br />

Ein Schwerpunkt der Forschung am<br />

Institut für Wasserbau, Hydraulik und<br />

Fließgewässerforschung (IWA) liegt im<br />

Bereich der Nachhaltigen Wasserkraft,<br />

wobei die Betrachtung auf verschiedenen<br />

Skalenebenen erfolgt. Einerseits<br />

wurde erstmals in Österreich die Entwicklung<br />

der Wasserkraft dokumentiert<br />

und analysiert sowie eine GIS-Karte und<br />

Datenbank zu bestehenden Wasserkraftanlagen<br />

erstellt, welche auch eine der<br />

Grundlagen für den Flussgebietsbewirtschaftungsplan<br />

gemäß Wasserrahmenrichtlinie<br />

darstellt. Diese Entwicklung,<br />

aber auch die Interaktionen zwischen<br />

der Nutzung der Wasserkraft als erneuerbare<br />

Energie, der Ökologie und dem<br />

Klimawandel wurde nicht nur auf nationaler<br />

Ebene, sondern auch in Europa<br />

dargestellt/analysiert (Habersack et al.,<br />

2012).<br />

Im aktuell laufenden Projekt Hydro4U<br />

untersucht das IWA gemeinsam mit<br />

unterschiedlichen nationalen und internationalen<br />

Partnern das nachhaltige<br />

Ausbaupotenzial von Kleinwasserkraft<br />

in Zentralasien, wobei neben ökologischen<br />

und morphologischen Aspekten<br />

auch Folgen des Klimawandels Berücksichtigung<br />

finden. Darüber hinaus wird<br />

in einem aktuellen Weltbankprojekt auf<br />

globaler Ebene das Stauraummanagement<br />

in Bezug auf Verlandung und Feststoffdurchgängigkeit<br />

analysiert. Aktuelle<br />

Analysen zeigen, dass die Verluste der<br />

Stauraumkapazität durch Stauraumverlandung<br />

mittlerweile größer als neu geschaffene<br />

Stauraumkapazitäten durch<br />

neue Kraftwerksprojekte sind und folglich<br />

das verbleibende globale Stauraum-<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

31<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 31 20.03.23 16:44


volumen etwa seit 1990 kontinuierlich<br />

sinkt (Annandale et al., <strong>2023</strong>). In diesem<br />

Zusammenhang ist auch die Gründung<br />

des HydroSediNet zu erwähnen, ein<br />

Netzwerk der Sedimentforschung mit<br />

im Bereich der Wasserkraft tätigen Institutionen.<br />

Die Forschung am IWA entwickelt in diesem<br />

Zusammenhang im CD-Labor für<br />

Sedimentforschung und -management<br />

unter anderem Methoden und Lösungsansätze<br />

zur Sedimentdurchgängigkeit,<br />

optimierten ökonomischen, technischen<br />

und ökologischen Nutzung der Wasserkraft<br />

sowie zur Verlängerung der Lebensdauer<br />

unterschiedlicher technischer<br />

Anlagenteile von Wasserkraftanlagen<br />

und erarbeitet Grenzwerte für Sedimentkonzentrationen<br />

für verschiedene<br />

Fischarten (Hauer et al., 2019). Weiters<br />

wird auch Forschung im Bereich der<br />

Schwallproblematik betrieben – insbesondere<br />

in Bezug auf morphologische<br />

sowie hydrologische Maßnahmen zur<br />

Schwalldämpfung.<br />

Eine einzigartige Forschungsmöglichkeit<br />

in Zusammenhang mit nachhaltiger<br />

Wasserkraft ergibt sich zudem im neuen<br />

<strong>BOKU</strong>-Wasserbaulabor. In diesem befindet<br />

sich ein Wasserkraftversuchstand,<br />

der zum Beispiel die Entwicklung von innovativen<br />

Elementen und Komponenten<br />

von Wasserkraftanlagen ermöglicht. Die<br />

Untersuchungen können dabei im Maßstab<br />

bis zu 1:1 erfolgen, wobei ein maximaler<br />

Freispiegeldurchfluss von 10.000<br />

l/s und eine Wassertiefe von bis zu 3,5<br />

Meter zur Verfügung steht. Im Sinne einer<br />

hybriden Modellierung wird in Zukunft<br />

daran gedacht, physikalische Modelle mit<br />

numerischen Simulationen zu verknüpfen<br />

und diese zusätzlich mit Feldmessungen<br />

zu kalibrieren und validieren. •<br />

Literaturverzeichnis<br />

Annandale, G. (<strong>2023</strong>). Policy Recommendations<br />

on Sediment Management for Sustainable Development<br />

of Dams, Reservoirs and Hydropower<br />

Facilities. World Bank Report.<br />

E-Control (2020). Statistikbroschüre 2020. 71 p.<br />

Habersack, H., Wagner, B., Scheuer, S., Hauer,<br />

C., Liedermann, M., Haimann, M., Glas, M., Fuhrmann,<br />

M., Krapesch, M., Stelzer, S., Reumann, B.,<br />

Vlasak, E., Gmeiner, P., Lasinger, N., Leutgöb,<br />

E., Kainz, M., Schütz, P., Lehner, D., Pypaert,<br />

M. (2021). Danube Status Report. Final Project<br />

Report RiBaM - WLRI, The Role of Sediments<br />

and Hydropower in River Basin Management – a<br />

Contribution to the UNESCO IHP World’s Large<br />

Rivers Initiative. UNESCO Bejing Office, University<br />

of Natural Resources and Life Sciences,<br />

Vienna, Funded by The World Bank, D.C., Unites<br />

States, 224 p. (draft)<br />

Habersack, H., Wagner, B., Hauer, C., Jäger, E.<br />

(2012). Wasserkraft in Österreich – aktueller<br />

Bestand und Decision Support System (DSS<br />

WASSERKRAFT). Österreichische Wasser- und<br />

Abfallwirtschaft, 64 (5-6): 336-343.<br />

Hauer, C., Wagner, B., Aigner, J., Holzapfel,<br />

P., Flödl, P., Liedermann, M., Tritthart, M.,<br />

Sindelar, C., Klösch, M., Haimann, M., Habersack,<br />

H. (2019). Das „Christian Doppler Labor<br />

für Sedimentforschung und -management“:<br />

Anwendungsorientierte Grundlagenforschung<br />

und Herausforderungen für eine nachhaltige<br />

Wasserkraft und Schifffahrt. Österreichische<br />

Wasser- und Abfallwirtschaft, 71 (3-4): 137-147.<br />

Kuchler, A. (2015). Die Entwicklung der österreichischen<br />

Wasserkraft nach Zwentendorf und<br />

Hainburg. Dissertation an der Universität Wien,<br />

325 p.<br />

IHA (2020). Hydropower Status Report. Sector<br />

trends and insights. International Hydropower<br />

Association (IHA). 52p.<br />

OECD / IEA (2014). Electricity production from<br />

hydropower sources (% of total). URL: http://<br />

data.worldbank. org/indicator/eg.elc.hyro.zs<br />

(19.08.2016)<br />

Wagner (2021). The role of hydropower in a<br />

multidisciplinary environment: from a national<br />

to a global view. Dissertation an der Universität<br />

für Bodenkultur Wien, Institut für Wasserbau,<br />

Hydraulik und Fließgewässerforschung, 276 p.<br />

Wagner, B., Hauer, C., Schoder, A., Habersack, H.<br />

(2015). A review of hydropower in Austria: Past,<br />

present and future development. Renewable<br />

and Sustainable Energy Reviews, 50: 304-314.<br />

Univ.Prof. DI Dr. Helmut Habersack leitet das<br />

Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung<br />

(IWA), Jan De Keyser ist dort<br />

als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter tätig.<br />

Abbildung 2: Standorte der Wasserkraftwerke in Österreich (Wagner et al., 2015)<br />

32 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 32 20.03.23 16:44


ENERGIE<br />

WENDE<br />

Der Ausbau der Erneuerbaren darf nicht<br />

auf Kosten des Artenschutzes erfolgen<br />

Der Huchen, eine der größten heimischen Fischarten, ist bereits jetzt durch Wasserkraft und<br />

Flussregulierungen vom Aussterben bedroht.<br />

Von Stefan Schmutz, Florian Borgwardt, Franz Greimel und Carina Seliger<br />

Ja, der Ausbau der Erneuerbaren<br />

muss massiv forciert werden.<br />

Nein, er darf nicht auf Kosten des<br />

Artenschutzes erfolgen. Wind, Photovoltaik<br />

(PV) und Wasserkraft zählen zu<br />

den wichtigsten erneuerbaren Energieformen<br />

in Österreich. Während der<br />

„Ausbaugrad“ bei Wind und Photovoltaik<br />

noch sehr gering ist, liegt er bei der<br />

Wasserkraft schon bei zirka 80 Prozent.<br />

Dementsprechend massiv werden die<br />

Fließgewässer in Österreich schon für<br />

die Wasserkraftnutzung beansprucht.<br />

Bisher sind bereits 974 km Fließgewässer<br />

aufgestaut, 3.647 km ausgeleitet<br />

und 971 km durch Kraftwerksschwälle<br />

belastet. Insgesamt werden durch die<br />

Wasserkraft mehr als 5.592 Flusskilometer<br />

in Anspruch genommen (BMLRT<br />

2022).<br />

ZWEI DRITTEL DER<br />

FLUSSFISCHE GEFÄHRDET<br />

Insbesondere die großen Flüsse Österreichs<br />

wurden dadurch in ihrem Wesen<br />

stark verändert. Das hat zur Folge, dass<br />

die Biodiversität in den durch Wasserkraft<br />

belasteten Gewässerabschnitten<br />

deutlich leidet. So sind von den rund<br />

65 heimischen Flussfischarten mehr als<br />

zwei Drittel gefährdet, manche Arten,<br />

wie die Wanderstöre, sind bereits ausgestorben<br />

und andere stehen knapp davor<br />

– wie etwa der Huchen. Die Abnahme<br />

der Biodiversität in den Fließgewässern<br />

spiegelt sich auch im ökologischen Gesamtzustand<br />

wider: Mehr als die Hälfte<br />

der Fließgewässer weist einen schlechteren<br />

Zustand als den gesetzlich geforderten<br />

auf. Neben Wasserkraftwerken<br />

spielen dabei auch andere Faktoren wie<br />

Flussregulierungen oder der Klimawandel<br />

eine Rolle.<br />

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sieht<br />

einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren<br />

von insgesamt 27 TWh/a bis 2030<br />

vor, wobei der Beitrag der Wasserkraft 5<br />

TWh/a betragen soll, was einem Ausbaugrad<br />

von rund 90 Prozent entsprechen<br />

würde. Sehr markant werden die Folgen<br />

des hohen Ausbaugrades sowie des geplanten<br />

Ausbaus anhand der Fischart<br />

Huchen ersichtlich. Der Huchen, auch<br />

Donaulachs genannt, ist mit bis zu 1,5<br />

Metern Länge und über 50 Kilogramm<br />

Körpergewicht der größte Lachsartige,<br />

und ist damit eine Ikone unter den europäischen<br />

Fischarten. Als Räuber ist er ein<br />

guter Indikator für den Gesamtzustand<br />

eines Gewässers und spiegelt sowohl<br />

die trophischen Bedingungen (Futterfischangebot)<br />

als auch die Qualität des<br />

Lebensraums wider.<br />

HUCHEN-POPULATION<br />

STARK UNTER DRUCK<br />

In Österreich besiedelte der Huchen<br />

früher 4.057 Kilometer Fließgewässer,<br />

wobei der Schwerpunkt der Verbreitung<br />

in der Donau und deren größeren<br />

Zubringern lag. Heute gibt es nur noch<br />

einen „sehr guten“ Bestand in der Mur<br />

zwischen Zeltweg und Leoben in einer<br />

53 Kilometer langen freien Fließstrecke<br />

ohne Kraftwerksnutzung, was lediglich<br />

1,3 Prozent des ursprünglichen Verbreitungsgebietes<br />

entspricht. In weiteren<br />

4,3 Prozent gibt es noch einen „guten“<br />

Bestand, im sonstigen Verbreitungsgebiet<br />

ist der Bestand nur mehr schlecht<br />

beziehungsweise erloschen. Noch<br />

schlechter sieht die Situation in Bayern<br />

aus, wo es keinen „sehr guten“ Bestand<br />

mehr gibt. Der Huchen ist daher sowohl<br />

in Österreich als auch in Bayern als „stark<br />

gefährdet“ klassifiziert. Auch im übrigen<br />

Verbreitungsgebiet der Donau gibt es<br />

nur noch Restpopulationen. Daher sind<br />

dringend Sanierungsmaßnahmen umzusetzen,<br />

um die Huchenpopulationen<br />

sowie andere Fließwasserarten wieder<br />

zu stärken (Schmutz et al. <strong>2023</strong>).<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

33<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 33 20.03.23 16:44


Adobe Stock<br />

4.500<br />

4.000<br />

Besiedelter Huchenlebensraum (km)<br />

3.500<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

0<br />

Ursprüngliche<br />

Verbreitung<br />

WASSERKRAFT<br />

BEREITS AUSGEBAUT<br />

Der Huchen ist wie viele andere Fische<br />

auf freie Fließstrecken ohne Stauanlagen<br />

und Wanderhindernisse angewiesen. Ein<br />

weiterer Ausbau der Wasserkraft, insbesondere<br />

in den Fließstrecken der wenigen<br />

Restbestände, würde den Huchen<br />

in Richtung Aussterben bringen. Tatsächlich<br />

sind in der „sehr guten“ Strecke an<br />

der Mur derzeit zwei Wasserkraftwerke<br />

geplant (Zeltweg, St. Michael); auch in<br />

anderen „Huchenstrecken“ gibt es in Bau<br />

befindliche (Mur-Kraftwerk Gratkorn),<br />

eingereichte (Ybbs-Kraftwerk Hohe<br />

Brücke, Salzach-Kraftwerk Stegenwald)<br />

oder geplante Anlagen (Mur-Kraftwerk<br />

Stübing).<br />

Aufgrund des bereits bestehenden hohen<br />

Ausbaugrades der Wasserkraft ist<br />

der zusätzlich noch verfügbare Beitrag<br />

zur Stromerzeugung sehr begrenzt (maximal<br />

11 TWh bei Vollausbau). Damit würden<br />

aber die letzten Rückzugsorte für<br />

Fließwasserarten verloren gehen. Der im<br />

Vergleich zu den anderen Erneuerbaren<br />

geringe Beitrag der Wasserkraft steht<br />

also in keinem Verhältnis zu den damit<br />

verbundenen Biodiversitätsverlusten.<br />

Aktuell<br />

Zukünftig<br />

Erhalt und<br />

Sanierung<br />

Fließstrecken<br />

Keine Maßnahmen<br />

Weiterer KW-Ausbau<br />

RECHTLICH BINDENDER<br />

SCHUTZ ERFORDERLICH<br />

Die jüngst erlassenen EU-Regelungen<br />

(Erneuerbaren-Richtlinie, Notfallverordnung),<br />

die eigentlich auf PV und<br />

Wind abzielen, ermöglichen auch einen<br />

beschleunigten und bevorzugten Ausbau<br />

der Wasserkraft (überwiegendes<br />

öffentliches Interesse). Wenn man<br />

jedoch die letzten weitgehend intakten<br />

Fließgewässerlebensräume und<br />

ihre Arten erhalten will, müssen diese<br />

rechtlich bindend unter Schutz gestellt<br />

werden. Derzeit ist es sehr fraglich, ob<br />

die bestehenden Schutzinstrumente<br />

der Bundesländer dem gerecht werden<br />

(Wasserwirtschaftliche Rahmenpläne,<br />

Regionalprogramme).<br />

Ein nicht zu vernachlässigendes Potenzial<br />

in der Höhe von mehreren TWh/a bietet<br />

die Revitalisierung oder Erweiterung bestehender<br />

Kraftwerksanlagen. So kann<br />

zum Beispiel durch das Verbinden bereits<br />

bestehender Stauseen im sogenannten<br />

Pumpspeicherbetrieb die Wasserkraft<br />

den dringend benötigten Ausgleich<br />

der Schwankungen von PV und Wind<br />

gewährleisten, ohne dabei zusätzliche<br />

Fließstrecken in Anspruch zu nehmen.<br />

Auch durch neue Ausleitungskraftwerke,<br />

wie beim jüngst fertiggestellten Gemeinschaftskraftwerk<br />

Inn, können der die<br />

Gewässerbiozönose belastende Schwall<br />

ausgeleitet, der ökologische Zustand<br />

damit verbessert und zusätzlich Energie<br />

gewonnen werden.<br />

Wasserkraft ist erneuerbar, aber nicht<br />

unendlich. Es ist daher beim Ausbau der<br />

Wasserkraft sehr differenziert vorzugehen,<br />

ansonsten ist mit einem massiven<br />

Artensterben zu rechnen, ohne einen<br />

entscheidenden Beitrag zur Energiewende<br />

zu leisten.<br />

BMLRT (Bundesministerium für Landwirtschaft,<br />

Regionen und Tourismus)<br />

(2022): Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan<br />

2021. – Wien, 341 S.;<br />

Literatur<br />

https://info.bml.gv.at/<br />

themen/wasser/wisa/ngp/<br />

ngp-2021.html<br />

S. Schmutz, M. Jungwirth, C. Ratschan, M. v.<br />

Siemens, S. Guttmann, S. Paintner, G. Unfer, S.<br />

Weiss, S. Hanfland, T. Schenekar, M. Schubert, H.<br />

Brunner, O. Born, G. Woschitz, B. Gum, T. Friedl,<br />

C. Komposch, M. Mühlbauer, W. Honsig-Erlenburg,<br />

K. Hackländer, G. Haidvogl, J. Eberstaller,<br />

T. Friedrich, J. Geist, C. Gumpinger, C. Graf, M.<br />

Hofpointner, G. Honsig-Erlenburg, D. Latzer, K.<br />

Pinter, A. Rechberger, Z. Schähle, N. Schotzko,<br />

C. Seliger, G. Sutter, W. Schröder, G. Zauner<br />

(<strong>2023</strong>): Der Huchen stirbt aus – was tun? Gefährdungsfaktoren<br />

und notwendige Maßnahmen in<br />

Bayern und Österreich. Sonderheft Österreichs<br />

Fischerei, Herausgegeben vom Österreichischen<br />

Fischereiverband. Wien.<br />

Die Autor*innen forschen und lehren am Institut<br />

für Hydrobiologie und Gewässermanagement.<br />

34 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 34 20.03.23 16:44


<strong>BOKU</strong><br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

PV-Freiflächenanlagen in<br />

österreichischen Biosphärenparks –<br />

eine inter- und transdisziplinäre Betrachtung<br />

Projektteam BioPV*<br />

Die Umstellung unseres Energiesystems<br />

auf erneuerbare Ressourcen<br />

ist ein wichtiger Baustein im Kampf<br />

gegen die Klimakrise, befördert durch<br />

die enorme Flächeninanspruchnahme,<br />

aber auch Konflikte mit bestehenden<br />

Landnutzungen und Landschaftsdienstleistungen.<br />

So benötigt allein der Photovoltaikausbau<br />

für den Umbau des Stromsektors<br />

bis 2030 etwa 9.000 bis 14.000<br />

Hektar an Freiflächen (Mikovits et al.<br />

2022; Fechner, 2021). Für die 2050-Ziele<br />

– das heißt die vollständige Umstellung<br />

unseres Energiesystems auf Erneuerbare<br />

– könnte je nach Modellannahme mehr<br />

als das Zehnfache an Fläche nötig sein<br />

(Jacobsen et al. 2017). Dies entspricht in<br />

etwa der dreifachen Fläche des Bundeslandes<br />

Wien.<br />

WISSENSLÜCKE<br />

Schon jetzt gibt es daher eine breite Debatte<br />

über den Ausbau von Freiflächenphotovoltaik<br />

und dessen Auswirkungen<br />

auf die landwirtschaftliche Produktion,<br />

das Landschaftsbild und die Biodiversität.<br />

Im Falle der Biodiversität wird häufig von<br />

einer Verbesserung ausgegangen, da die<br />

Flächen unter den Paneelen extensiv bewirtschaftet<br />

oder aus der konventionellen<br />

Produktion genommen werden können.<br />

Auch wird im Verhältnis zur Windenergie<br />

der Freiflächenphotovoltaik lapidar oft<br />

eine geringere Auswirkung auf Akzeptanzfragen<br />

oder die Beeinflussung des<br />

Landschaftsbildes zugesprochen. Vielfach<br />

fehlen aber die wissenschaftlichen<br />

Grundlagen für diese Aussagen. Diese<br />

Wissenslücke ist mit ein Grund dafür, dass<br />

es zahlreiche Debatten und Proteste rund<br />

um die Planung und Errichtung von Freiflächenanlagen<br />

in Österreich gibt.<br />

Bei großflächigen PV-Anlagen mit hoher<br />

Paneeldichte verringern sich zwar<br />

Bewirtschaftungsintervalle und -intensität,<br />

es sind aber komplexe Auswirkungen<br />

auf den Boden, das Mikroklima und den<br />

Wasserhaushalt zu erwarten, da es signifikante<br />

Änderungen im Wasser- und Beschattungsregime<br />

gibt. Das wiederum<br />

beeinflusst die Habitate von Bodenorganismen<br />

oder Insekten auf eine sehr individuelle<br />

und standortspezifische Weise.<br />

Durch Umzäunungen der Anlagen sind<br />

auch für größere Wildtiere Habitatverluste<br />

und Fragmentierungen zu erwarten.<br />

Zudem besitzt im gesellschaftlichen Diskurs<br />

die Photovoltaik, zumindest in Bezug<br />

auf Dachflächenanlagen, weitaus höhere<br />

Zustimmungswerte als andere erneuerbare<br />

Energieträger. Trotzdem zeigen Ausbauszenarien<br />

mit einem hohen Anteil an<br />

Dach- und Freiflächenphotovoltaik im<br />

Verhältnis zu Ausbauszenarien, die stärker<br />

auf die Windkraft setzen, eine signifikant<br />

geringere Akzeptanz aufgrund des hohen<br />

Flächenbedarfs (siehe dazu das Projekt<br />

Retour unter https://retour.aau.at/).<br />

AUSWIRKUNGEN UND AKZEPTANZ<br />

Diesen komplexen und interagierenden<br />

ökologischen, sozialen und ökonomischen<br />

Fragestellungen in Bezug<br />

auf Freiflächenphotovoltaik widmen wir<br />

uns in dem vom Earth System Science<br />

Call der Akademie der Wissenschaften<br />

geförderten Forschungsprojekt BioPV.<br />

Im Mittelpunkt unseres Projekts stehen<br />

Szenarien für den PV-Ausbau in ausgewählten<br />

österreichischen Biosphärenparks<br />

und damit verbundene Fragen zu<br />

den Auswirkungen auf die Biodiversität<br />

und die gesellschaftliche Akzeptanz.<br />

Räumlich decken wir mit den Alpen (Biosphärenpark<br />

Salzburger Lungau), dem<br />

Voralpenraum (Biosphärenpark Wienerwald)<br />

sowie dem steirischen Alpenvorland<br />

(Biosphärenpark Unteres Murtal)<br />

eine breite Palette österreichischer<br />

Landschaftsräume ab.<br />

Die gesellschaftliche Akzeptanz von<br />

Freiflächenphotovoltaik in Biosphärenparks<br />

erforschen wir mit verschiedenen,<br />

auf den Landschaftsraum bezogenen<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

35<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 35 20.03.23 16:44


Thomas Schauppenlehner<br />

Methoden, wie Walking-Interviews,<br />

Landschaftsvisualisierungsworkshops<br />

mit Virtual Reality-Technologie und repräsentative<br />

Umfragen. Teilnehmer*innen<br />

dabei sind Menschen, die vor Ort<br />

wohnen sowie Entscheidungsträger*innen.<br />

Darüber hinaus werden Habitataufnahmen<br />

in bestehenden Freiflächenanlagen<br />

sowie auf Kontrollflächen bei<br />

Wildbienen und Heuschrecken durchgeführt,<br />

die Aussagen hinsichtlich der<br />

ökologischen Auswirkungen zulassen. Als<br />

Ausgangspunkt für die Berechnung von<br />

PV-Potenzialen dienen uns technischökonomische<br />

Modellierungen, unter<br />

Berücksichtigung von geografischen<br />

Limits, Landnutzungstypen, bis hin zu<br />

verfügbaren Einspeisepunkten. Diese<br />

thematischen Zusammenhänge und interdisziplinären<br />

Vernetzungen von BioPV<br />

sind in der Grafik illustriert.<br />

Ziel unseres Projekts ist es, die Potenziale<br />

von Freiflächenphotovoltaik in den<br />

Entwicklungszonen österreichischer<br />

Biosphärenparks zu erarbeiten, indem<br />

Konflikte und Synergien einer integrierten<br />

nachhaltigen Entwicklung thematisiert<br />

werden. Damit unsere Erkenntnisse<br />

auch in der Praxis aufgenommen werden,<br />

begleitet uns eine beratende Gruppe,<br />

bestehend aus Vertreter*innen von Umweltanwaltschaften,<br />

Landesbehörden<br />

und Ministerien, Naturschutzabteilungen,<br />

Energieunternehmen, Klima- und<br />

Energiemodellregionen und NGOs.<br />

NICHT ENTWEDER – ODER<br />

Die Klima- und Biodiversitätskrise können<br />

nicht getrennt voneinander betrachtet<br />

werden, sondern benötigen<br />

eine integrative und interdisziplinäre<br />

Betrachtungsweise. Es geht nicht um<br />

entweder Naturschutz oder Klimaschutz,<br />

sondern um valide Grundlagen<br />

zur synergetischen und nachhaltigen<br />

Doppelnutzung von Raum und Landschaft.<br />

Vor allem auch in Hinblick auf<br />

die begrenzte Ressource Boden und die<br />

damit verbundene Notwendigkeit, die<br />

Effizienz, wie wir Land nutzen, signifikant<br />

zu erhöhen. Aus Sicht der Biodiversität<br />

braucht es dafür umfassende Ansätze<br />

zur Bewertung der Habitatqualität in<br />

Verbindung mit PV-Anlagen sowie entsprechende<br />

Monitoringstrategien, um<br />

standortangepasste und biodiversitätsfördernde<br />

PV-Anlagen zu planen und<br />

umzusetzen. Aus dem Blickwinkel der<br />

gesellschaftlichen Akzeptanz ist eine intensive<br />

Einbindung der Bürger*innen in<br />

Planungs- und Entscheidungsprozesse,<br />

wie zum Beispiel in Form von Energiegemeinschaften,<br />

dringend erforderlich.<br />

Denn die geplante Energiewende<br />

ist letztendlich von vielen lokalen Entscheidungen<br />

abhängig, die ein besseres<br />

Konfliktmanagement brauchen. •<br />

Literatur<br />

Mehr Informationen zum<br />

Projekt gibt es unter: https://<br />

biopv.boku.ac.at/<br />

Fechner, H., Ermittlung des Flächenpotentials<br />

für den Photovoltaik-Ausbau in Österreich: Welche<br />

Flächenkategorien sind für die Erschließung<br />

von besonderer Bedeutung, um das Ökostromziel<br />

realisieren zu können. Endbericht: Wien,<br />

Österreich, 2020<br />

Jacobson, M.Z. et 100% Clean and Renewable<br />

Wind, Water, and Sunlight All-Sector Energy<br />

Roadmaps for 139 Countries of the World. Joule<br />

2017, 1, 108–121.<br />

Mikovits, C., et al., A Spatially Highly Resolved<br />

Ground Mounted and Rooftop Potential Analysis<br />

for Photovoltaics in Austria. ISPRS International<br />

Journal of Geo-Information, 2021. 10.<br />

Im Projekt BioPV arbeitet ein interdisziplinäres<br />

Team von folgenden Forscher*innen der <strong>BOKU</strong><br />

und der WU Wien zusammen: Mathias<br />

Baumgartinger, Karl Bittner, Veronika<br />

Dworzak, Nina Hampl, Christa Hainz-<br />

Renetzeder, Christian Mikovits, Johann<br />

Neumayer, Bärbel Pachinger, Jana Plöchl,<br />

Daniel Pointner, Thomas Schauppenlehner,<br />

Patrick Scherhaufer (Projektleitung)<br />

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<strong>BOKU</strong> / Christoph Gruber<br />

Tempo 30 versüßen<br />

ENERGIE<br />

WENDE<br />

Wie wir bei der Mobilität die<br />

Kurve kriegen<br />

Von Astrid Gühnemann<br />

Die Wissenschafter*innen des Instituts für Verkehrswesen<br />

erforschen die Grundlagen für eine sozialund<br />

umweltverträgliche Mobilität der Zukunft.<br />

WARUM WIR EINE<br />

MOBILITÄTSWENDE BRAUCHEN<br />

In den letzten Jahrzehnten hat der motorisierte<br />

Verkehr, insbesondere der Autoverkehr<br />

und der Güterverkehr auf der<br />

Straße, stark zugenommen. Im Landesdurchschnitt<br />

Österreichs werden knapp<br />

die Hälfte aller Wege und fast drei Viertel<br />

der gefahrenen Kilometer mit dem Auto<br />

zurückgelegt. Im Güterverkehr dominiert<br />

ebenfalls mit einem Anteil von knapp zwei<br />

Dritteln der Transport auf der Straße. Effizienzgewinne<br />

beim Kraftstoffverbrauch<br />

werden durch den Trend zu immer größeren<br />

und leistungsstarken Fahrzeugen<br />

und durch immer größere zurückgelegte<br />

Distanzen konterkariert. So hat sich der<br />

energetische Endverbrauch des Verkehrs<br />

in Österreich seit 1970 mehr als verdreifacht,<br />

sein Anteil am gesamten Energieverbrauch<br />

stieg seitdem von 20 Prozent<br />

auf über ein Drittel.<br />

Aufgrund des überwiegenden Einsatzes<br />

fossiler Energieträger gehört der Verkehr<br />

damit zu den Hauptverursachern<br />

für Treibhausgasemissionen in Österreich.<br />

Diese haben sich im Verkehrssektor<br />

zwischen 1990 und 2019 mehr als<br />

verdoppelt. Diese Entwicklung geht mit<br />

weiteren Problemen sowohl des Ressourcen-<br />

und Flächenverbrauchs als auch der<br />

Gesundheitsbelastung der Bevölkerung<br />

durch Verkehrsunfälle, Luftverschmutzung,<br />

Lärmbelastung und abnehmende<br />

körperliche Aktivität einher. Eine Trendumkehr<br />

ist daher dringend notwendig, um<br />

die österreichischen Klima-, Umwelt und<br />

Gesundheitsziele erreichen zu können.<br />

Hierfür reicht eine Antriebswende allein<br />

nicht aus, das heißt, fossil betriebene<br />

Verbrennungsmotoren durch solche,<br />

die mit erneuerbaren Energien angetrieben<br />

werden, zu ersetzen. Zusätzlich<br />

muss sich das Verkehrsverhalten ändern<br />

– hin zu einer verstärkten Nutzung nichtmotorisierter<br />

Verkehrsmittel und des<br />

öffentlichen Verkehrs und, wo immer<br />

möglich und sinnvoll, muss Verkehr vermieden<br />

werden. Um dies zu unterstütz-<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

37<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 37 20.03.23 16:44


passende nachhaltige Mobilitätslösungen<br />

zur Verfügung stellen. Diese reichen<br />

von einer attraktiven Gestaltung und<br />

Neuaufteilung des öffentlichen Raums<br />

zur Förderung der Aktiven Mobilität über<br />

neue Formen bedarfsorientierter öffentlicher<br />

und Sharing-Mobilitätsangebote<br />

(wie Car-Sharing, Bike-Sharing) hin zur<br />

nachhaltigen Fahrzeugkonzepten.<br />

Abbildung 1: Änderung des Anteils zu Hause durchgeführter Aktivitäten nach dem 1. Lockdown<br />

2020 © IVe<br />

ten, forscht das Team des Instituts für<br />

Verkehrsforschung zum Mobilitätsverhalten<br />

und zur Planung und Gestaltung<br />

der Verkehrssysteme.<br />

MOBILITÄTSVERHALTEN<br />

VERSTEHEN<br />

Um die Bedürfnisse und Verhaltensmuster<br />

der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer*innen<br />

besser zu verstehen und<br />

beurteilen zu können, wie diese auf neue<br />

Angebote reagieren, werden am Institut<br />

für Verkehrswesen Mobilitätserhebungen<br />

und Befragungen durchgeführt. So<br />

wurde mit Teilnehmer*innen der Konsumerhebung<br />

der Statistik Austria zwischen<br />

Herbst 2019 und Herbst 2021 eine<br />

einwöchige Mobilitäts- und Aktivitätenerhebung<br />

in drei Wellen durchgeführt.<br />

Die Ergebnisse zeigen beispielsweise, wie<br />

sich die Lockdown-Maßnahmen 2020<br />

zur Eingrenzung der COVID-19-Pandemie<br />

auf die Zeitnutzung für Aktivitäten<br />

und die Mobilität ausgewirkt haben<br />

(https://ive.boku.ac.at/covid/)<br />

Wir konnten unter anderem beobachten,<br />

dass auch nach der Rücknahme<br />

der starken Lockdown-Beschränkungen<br />

2020 ein deutlich höherer Anteil an Aktivitäten<br />

für Arbeit, Bildung und Freizeit<br />

von zuhause durchgeführt wurde<br />

als vor der Pandemie (siehe Abbildung 1).<br />

Die Daten der Erhebung erlauben uns,<br />

unter anderem differenzierte Aussagen<br />

für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen<br />

über die Potentiale der Verlagerung<br />

von außerhäuslichen Tätigkeiten auf Online-Aktivitäten<br />

und die Vermeidung von<br />

Verkehrswegen sowie deren Präferenzen<br />

für verschiedene Verkehrsmittel zu treffen.<br />

Weitere Analysen werden zeigen,<br />

inwieweit diese Verhaltensänderungen<br />

andauern oder, ob Zeit, die für Arbeitswege<br />

eingespart wird, wie häufig in der<br />

Vergangenheit beobachtet, durch andere<br />

Wege oder längerfristig durch längere<br />

Pendelwege ersetzt wird.<br />

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt<br />

liegt in der Weiterentwicklung von Werkzeugen<br />

zur Analyse und Simulation des<br />

Mobilitätsverhaltens. Hierzu wurde unter<br />

anderem ein Virtual Reality-Labor eingerichtet,<br />

in dem die komplexen Interaktionen<br />

zwischen Verkehrsteilnehmer*innen<br />

und deren Umgebung analysiert werden<br />

kann. Das VR-Lab ist derzeit mit einem<br />

E-Scooter-Simulator ausgestattet (siehe<br />

Abbildung 2), in Kürze wird ein Fahrradsimulator<br />

folgen. Die Ergebnisse der<br />

Experimente im VR-Lab werden helfen,<br />

Leitlinien für die Verkehrsplanung und<br />

die Stadtgestaltung in Richtung einer<br />

besser auf die Menschen ausgerichtete<br />

Stadt der Zukunft weiterzuentwickeln.<br />

LÖSUNGEN FÜR DIE<br />

MOBILITÄTSWENDE ENTWICKELN<br />

Neue Verkehrskonzepte für die Mobilitätswende<br />

müssen sich an den Bedürfnissen<br />

der Nutzer*innen orientieren und<br />

In großen Städten sehen wir zwar bereits<br />

eine Zunahme autofreier Haushalte und<br />

eine verstärkte Nutzung öffentlicher<br />

und nichtmotorisierter Verkehrsmittel,<br />

in suburbanen und ländlichen Räumen<br />

ist die Pkw-Nutzung dagegen weiterhin<br />

steigend. In unterschiedlichen Projekten<br />

des Instituts werden daher zusammen<br />

mit Praxispartner*innen flexible Angebotsformen<br />

im öffentlichen Personennahverkehr<br />

getestet, die sich auch<br />

außerhalb der bevölkerungsstarken Zentren<br />

bewähren und die „Letzte Meile“ zu<br />

einem gut ausgebauten regionalen und<br />

Fernverkehr überbrücken können. Entscheidend<br />

für deren Erfolg ist neben der<br />

an die Nutzer*innenbedürfnisse ausgerichteten<br />

Ausgestaltung der Angebote<br />

auch eine umfassende und frühzeitige<br />

Unterstützung durch Entscheidungsträger*innen<br />

(siehe SMACKER Projekt).<br />

Inwieweit Digitalisierung und Automatisierung<br />

im Verkehrs- und Mobilitätssystem<br />

zur Mobilitätswende beitragen<br />

kann, wird von der Forschungsgruppe<br />

DAVeMoS unter der Leitung des BMK-<br />

Stiftungsprofessors Yusak Susilo untersucht.<br />

Falls autonome Fahrzeuge den<br />

jetzigen privaten Pkw ersetzen, ist damit<br />

zu rechnen, dass die Pkw-Nutzung und<br />

deren negative Folgen für die Umwelt<br />

weiter zunehmen werden, da die Fahrtzeit<br />

gleichzeitig als Zeit zum Arbeiten,<br />

Lesen oder andere Tätigkeiten zur Verfügung<br />

steht. Andererseits können autonome<br />

Fahrzeuge als flexible Form des<br />

öffentlichen Verkehrs und für Sharing-<br />

Dienste als attraktive Alternative zum<br />

Auto eingesetzt werden. Die Akzeptanz<br />

für diese Form des öffentlichen Verkehrs<br />

ist durchaus gegeben, wie wir im Projekt<br />

Digibus© Austria für automatisiert fahrendes<br />

Shuttles in ländlichen Räumen am<br />

Beispiel Koppl bei Salzburg feststellen<br />

konnten.<br />

38 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

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RAHMENBEDINGUNGEN FÜR<br />

DIE MOBILITÄTSWENDE SCHAFFEN<br />

Der Erfolg der vorgestellten Konzepte<br />

zur Vermeidung von Verkehr, der Verlagerung<br />

auf umweltfreundliche Verkehrsmittel<br />

und der technologischen<br />

Weiterentwicklung hängt von einer<br />

Veränderung der politischen Rahmenbedingungen<br />

ab. Das bedeutet, dass die<br />

verschiedenen Verkehrsmittel gleichwertig<br />

behandelt werden müssen, also<br />

zum Beispiel dem Aktiven Verkehr das<br />

gleiche Nutzungsrecht am öffentlichen<br />

Straßenraum wie dem motorisierten<br />

Verkehr eingeräumt wird, alle Kosten<br />

des Verkehrs inklusive Umweltkosten<br />

den Verursacher*innen und nicht der<br />

Gesellschaft angelastet und klimaschädliche<br />

Subventionen abgebaut werden.<br />

Viele der oben genannten Maßnahmen<br />

und die Elektrifizierung der Fahrzeuge<br />

werden jedoch eher mittel- bis langfristig<br />

wirksam. Eine kurzfristig wirkende<br />

und effiziente Maßnahme wäre die Herabsetzung<br />

der Höchstgeschwindigkeiten<br />

auf Straßen, wodurch neben Treibhausgasemissionen<br />

auch die Emissionen<br />

anderer Luftschadstoffe und Lärm gemindert<br />

sowie Verkehrssicherheit und<br />

Aufenthaltsqualität auf innerörtlichen<br />

Straßen verbessert werden können.<br />

Die Änderung dieser Rahmenbedingungen<br />

kann durch Politikberatung, Mitarbeit<br />

bei der Entwicklung neuer Richtlinien<br />

im Verkehr sowie Bewusstseinsbildung<br />

in der Öffentlichkeit unterstützt<br />

werden. So wurde im Auftrag des BMK<br />

beispielsweise der Leitfaden zur strategischen<br />

Prüfung im Verkehr kürzlich durch<br />

das Institut für Verkehrswesen (IVe) und<br />

das Institut für Landschaftsentwicklung,<br />

Erholungs- und Naturschutzplanung<br />

(ILEN) zu dem Zweck überarbeitet, eine<br />

gleichwertige Berücksichtigung von<br />

Klima- und andere Umweltschutzzielen<br />

in Planung und Weiterentwicklung der<br />

nationalen Verkehrsinfrastrukturen zu<br />

gewährleisten.<br />

Abbildung 2: Virtual Reality-Lab am Institut für Verkehrswesen<br />

Abbildung 3: Abschlusspräsentation „Verkehrskonzept“ in Neufeld an der Leitha durch <strong>BOKU</strong>-<br />

Studierende<br />

Ein großes Potential, zukünftiges Mobilitätsverhalten<br />

in Richtung Nachhaltigkeit<br />

zu beeinflussen, liegt in der<br />

Bewusstseinsbildung bei Kindern und<br />

Jugendlichen, einem der Forschungsschwerpunkte<br />

am Institut. Forschungsergebnisse<br />

sowie Mitmach-Materialien<br />

hierzu werden auf der Young Mobility<br />

Plattform (https://young-mobility.at/)<br />

bereitgestellt.<br />

Auch in der Lehre ist es wichtig, die<br />

nächste Generation an Verkehrsplaner*innen<br />

frühzeitig darin zu schulen,<br />

in der Planung dem Prinzip einer umweltfreundlichen<br />

Abwicklung des Verkehrs<br />

unter Berücksichtigung des motorisierten<br />

und nichtmotorisierten Individualverkehrs<br />

sowie des öffentlichen<br />

Verkehrs zu folgen. Beispielsweise lernen<br />

die Studierenden im Seminar „Erstellung<br />

eines Verkehrskonzept“, Verkehrspläne<br />

für ausgewählte Gemeinden praxisnah<br />

zu entwickeln und vor Betroffenen zu<br />

präsentieren (siehe Abbildung 2). Dieses<br />

dient gleichzeitig dem Austausch von<br />

Ideen für die Mobilitätsenden zwischen<br />

Forschung und Praxis. So arbeiten Forschende,<br />

Lehrende und Studierende<br />

gleichzeitig mit der Praxis daran, die<br />

dringend notwendige Mobilitätswende<br />

einzuleiten. <br />

•<br />

LINKS<br />

https://ive.boku.ac.at/covid/<br />

https://young-mobility.at/<br />

https://de.davemos.online/<br />

www.ultimob.at/<br />

www.smartmobilityhubs.eu/<br />

www.digibus.at/<br />

www.bmk.gv.at/themen/<br />

verkehrsplanung/strategische_pruefung/<br />

gesetz_leitfaden.html<br />

www.tempolimit-jetzt.at/<br />

Univ.Prof. in Dr. in Astrid Gühnemann ist die<br />

Leiterin des Instituts für Verkehrswesen.<br />

DAVeMoS<br />

<strong>BOKU</strong> / Stark<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

39<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 39 20.03.23 16:44


Intelligente Logistik und<br />

klimafreundlicher Gütertransport<br />

eröffnen neue Wege<br />

Von Manfred Gronalt<br />

Die Logistik unterstützt Unternehmen<br />

bei der Gestaltung ihrer Liefernetze<br />

und sorgt für eine kostenminimale<br />

Versorgung der Akteur*innen in<br />

der Lieferkette. Vereinfacht gesprochen,<br />

bestimmt das Verhältnis von Transportzu<br />

Produktionskosten die Struktur dieser<br />

Liefernetze. Im konkreten Betrieb erfolgt<br />

die Transportplanung und die Einsatzplanung<br />

von Verkehrsmitteln und Personal<br />

und es werden die Bestände in der Lieferkette<br />

disponiert um die gewünschten<br />

Produkte, in der richtigen Menge und<br />

Qualität, in der richtigen Zeit, am richtigen<br />

Ort und mit minimalen Kosten verfügbar<br />

zu haben.<br />

Im Jahr 2020 entfielen 27,9 Prozent der<br />

gesamten Emissionen in Österreich auf<br />

den Straßenverkehr und 11,2 Prozent<br />

davon nur auf den Güterverkehr mit<br />

schweren und leichten Nutzfahrzeugen<br />

(Klimaschutzbericht 2022). Die Transportleistung<br />

im Güterverkehr (Straße,<br />

Schiene, Binnenschifffahrt, nationaler<br />

Flugverkehr) hat von 1990 bis 2020 von<br />

33,8 Milliarden Tonnenkilometer (Tkm)<br />

auf 79,8 Milliarden Tkm zugenommen.<br />

Die Anzahl der ausgelieferten Pakete im<br />

Online-Handel (ohne Lebensmittel-Lieferdienste)<br />

hat in den letzten zehn Jahren<br />

im Schnitt pro Jahr um rund 10 Prozent<br />

zugenommen. Im Jahr 2021 wurden in<br />

Österreich zirka 340 Millionen Pakete<br />

zugestellt. Ein Vergleich der Emissionsfaktoren<br />

für Treibhausgase zeigt für Lkw<br />

zirka 118 g/tkm und für die Güterbahn<br />

in etwa 16 g/tkm (Umweltbundesamt<br />

Deutschland). Im Jahr 1990 wurden rund<br />

66 Prozent der Tonnenkilometer auf der<br />

Straße abgewickelt; 2020 waren es rund<br />

74 Prozent. Trotz des Anstiegs der Güterverkehrsleistung<br />

seit 1990 verzeichnet<br />

die Bahn einen Rückgang von 34 auf 26<br />

Prozent am Modal Split (Anteil der Verkehrsträger<br />

am Gesamttransport). Dem<br />

urbanen Transport kommt besondere Bedeutung<br />

zu, da hier in Relation besonders<br />

hohe Emissionen zu verzeichnen sind.<br />

AKTIVITÄTEN DES INSTITUTS FÜR<br />

PRODUKTIONSWIRTSCHAFT UND<br />

LOGISTIK<br />

Nachhaltige/grüne Produktion und Logistik<br />

stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten.<br />

Das Themenspektrum reicht von der<br />

Forst- und Holzwirtschaft und den damit<br />

verbundenen Lieferketten über humanitäre<br />

Logistik im Gesundheitswesen und<br />

Katastrophenmanagement bis hin zu<br />

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<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 40 20.03.23 16:45


nachhaltigem Güterverkehr und intelligenter<br />

urbaner Logistik. Entsprechend<br />

stehen Themen wie Versorgungsrisiken,<br />

die Verlagerung von Transporten auf die<br />

Schiene, die emissionsfreie Versorgung<br />

von Städten und die Entwicklung belastbarer<br />

Distributions- und Beschaffungsstrukturen<br />

im Mittelpunkt.<br />

Manfred Gronalt<br />

Das Institut arbeitet seit Jahren aktiv<br />

an der gesellschaftlichen Debatte zum<br />

Thema nachhaltige Logistik mit. Im Jahr<br />

2007 erhielt das Institut den Staatspreis<br />

für umweltverträglichen Güterverkehr<br />

des damaligen Bundesministeriums für<br />

Verkehr, Innovation und Technologie.<br />

Seit 2017 betreibt das Institut gemeinsam<br />

mit dem Hafen Wien eines der ersten<br />

Innovationslabore für urbane Gütermobilität<br />

– thinkport VIENNA, um güterlogistische<br />

Innovationen in der Stadt zu<br />

entwickeln. Dieses urbane Mobilitätslabor<br />

unterstützt das Institut bei der Vernetzung<br />

mit relevanten Bezugsgruppen.<br />

Im Rahmen der Labortätigkeit werden<br />

regelmäßig Innovationsdemonstrationen<br />

durchgeführt, um die Praxistauglichkeit<br />

neuer Technologien, Prozesse und<br />

Dienstleistungen zu reflektieren.<br />

Dazu zählen unter anderem der weltweit<br />

erste vollelektrische temperaturgeführte<br />

intermodale Langstreckentransport<br />

von den Niederlanden nach Österreich,<br />

automatisiertes Fahren, Österreichs<br />

erster Transport mit einem 37-Tonnene-Lkw<br />

von Wien nach Graz. Dazu wurden<br />

eigene Formate entwickelt, um Neues<br />

greifbar zu machen und Feedback strukturiert<br />

zu sammeln.<br />

Im Jahr 2021 konnte das Institut an der<br />

Entwicklung eines Güterverkehrskonzeptes<br />

für das Land Vorarlberg mitwirken und<br />

klare Nachhaltigkeitsakzente in der zukünftigen<br />

Ausrichtung des Landes setzen.<br />

METHODEN IN DER FORSCHUNG<br />

Die Forscher*innen am Institut für Produktionswirtschaft<br />

und Logistik bearbeiten<br />

Aufgabenstellungen mit einem stark<br />

methodischen Hintergrund in den Bereichen<br />

Betriebswirtschaftslehre, Operations<br />

Research, systemdynamische Modellierung,<br />

agentenbasierte und diskrete<br />

Rundholzplatz<br />

Österreichweit erster Transport mit einem<br />

vollelektrischen 37To Sattelzug von Wien nach<br />

Graz und wieder retour.<br />

Ereignissimulation, simulationsbasierte<br />

Optimierung sowie Geschäftsprozessmodellierung.<br />

Es werden konkrete Fragestellungen der<br />

Wirtschaft bearbeitet und Algorithmen<br />

zur Lösung komplexer Aufgabenstellungen<br />

entwickelt. Diese Algorithmen müssen<br />

viele Daten in kurzer Zeit verarbeiten<br />

und Lösungen nahe am möglichen Optimum<br />

erzeugen können. Die Forschungsarbeiten<br />

des Instituts verteilen sich dabei<br />

auf die beiden Bereiche Holzwirtschaft<br />

und Nachhaltiger Transport, wobei es<br />

auch eine Vernetzung der beiden Bereiche<br />

gibt. Die Forscher*innen des<br />

Instituts arbeiten an der Optimierung<br />

von Prozessen und Abläufen von Holzlieferketten<br />

und an konkreten Aufgaben<br />

der Produktionsplanung in Betrieben<br />

der Holzindustrie. Darüber hinaus hat<br />

das Team in den vergangenen Jahren<br />

einige Erfahrungen im Bereich des maschinellen<br />

Lernens und der Nutzung der<br />

Distributed-Ledger-Technologie erworben.<br />

Diese Kompetenzen kommen<br />

in den aktuellen Forschungsaktivitäten<br />

zum Einsatz:<br />

O Holzlieferkettenmanagement berücksichtigt<br />

die Potenziale von Digitalisierung<br />

und kooperativer Planung<br />

und fokussiert auf Versorgungssicherheit,<br />

Nachhaltigkeit und Effizienz sowie<br />

Resilienz. Quantitative Methoden<br />

zur Simulation und Optimierung von<br />

Holztransporten auf strategischer,<br />

taktischer und operativer Ebene werden<br />

entwickelt und implementiert.<br />

O Produktionslogistik in der Holzindustrie<br />

fokussiert auf die Bereitstellung<br />

von Optimierungsalgorithmen und<br />

Simulationsmodellen zur Lösung und<br />

Analyse taktischer und operativer Planungsprobleme<br />

in holzverarbeitenden<br />

Unternehmen. Dazu gehören beispielsweise<br />

die Austaktung mehrerer<br />

Montagelinien, die Rundholzplatzlogistik<br />

und kurzfristige Optimierungsprobleme<br />

bei der Schnittholzproduktion.<br />

O Nachhaltiger Transport konzentriert<br />

sich auf die Minderung der negativen<br />

externen Effekte des Güter- und<br />

Dienstleistungstransports. Dazu gehören<br />

die Analyse und Optimierung<br />

intermodaler Güterverkehrsnetze,<br />

die Standort- und Betriebsplanung<br />

von Lagern/Hubs, die Entwicklung<br />

und Umsetzung (meta-, mat-)heuristischer<br />

Routing-Algorithmen oder die<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

41<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 41 20.03.23 16:45


Güterverkehr in Wien, NÖ und Burgenland. Quelle: GÜMORE, 2021<br />

Entwicklung neuer Verkehrskonzepte.<br />

Nachhaltiger Güterverkehr ist eine<br />

Herausforderung der Zukunft. Das<br />

Institut hat zwei etablierte Lehrveranstaltungen<br />

(Green Logistics, Intermodaler<br />

Verkehr), die sich ausschließlich<br />

diesem Thema widmen.<br />

Aktuelle Forschungsarbeiten betreffen<br />

die Unterstützung von Unternehmen<br />

bei der Umstellung auf umweltfreundlichen<br />

Gütertransport beim Transport von<br />

Altholz und die Entwicklung von ganzheitlichen<br />

logistischen Lösungsansätzen<br />

der Baustellenlogistik für die Disposition<br />

von ressourcenschonenden Schalungssteinen.<br />

Das Institut hat Simulationsmodelle<br />

(SimConT) für Güterverkehrsknoten der<br />

Bahn bei der Planung der Eisenbahninfrastruktur<br />

an mehreren Standorten<br />

entwickelt und auch aktiv eingesetzt.<br />

Für die Schadenserkennung an Sattelaufliegern<br />

im Intermodalen Transport<br />

werden Verfahren zur automatischen<br />

Fehlererkennung mittels Deep Learning<br />

entwickelt, die sich derzeit in der betrieblichen<br />

Erprobung mit einem Partnerunternehmen<br />

befinden.<br />

Gemeinsam mit dem Verkehrsverbund<br />

Ostregion VOR und anderen Partnern<br />

wurde erstmalig ein anwendbares Güterverkehrsmodell<br />

entwickelt, um die<br />

Auswirkungen des Straßengüterverkehrs<br />

auf die Infrastruktur in Wien, Niederösterreich<br />

und im Burgenland analysieren<br />

zu können. Die Abbildung oben zeigt<br />

die ermittelten Güterströme im untersuchten<br />

Gebiet.<br />

Humanitäre Logistik umfasst Forschungsarbeiten<br />

zur Logistik im Gesundheitswesen<br />

und zur Katastrophenhilfe.<br />

Sie unterstützt die Planung und Disposition<br />

mobiler Gesundheitsdienste (etwa<br />

häusliche Krankenpflege oder Patiententransporte),<br />

indem sie neue nachhaltige<br />

Mobilitätskonzepte vorschlägt und maßgeschneiderte<br />

Optimierungsalgorithmen<br />

entwickelt und implementiert. Die<br />

Forschung zur Katastrophenhilfe umfasst<br />

Simulationsstudien zur optimalen<br />

Allokation von Hilfsgütern oder die Entwicklung<br />

selbstlernender Algorithmen<br />

zur Steuerung der Routenführung von<br />

Aufklärungsfahrzeugen.<br />

Katastrophenmanagement und Katastrophenlogistik<br />

konzentriert sich auf die<br />

Analyse des Risikos bestimmter Katastrophensituationen<br />

für Lieferketten oder<br />

einzelne Organisationen. Systemdynamische<br />

Ansätze und Simulations- und Optimierungsstudien<br />

werden angewandt,<br />

um die Auswirkungen der Katastrophensituation<br />

zu analysieren und Strategien<br />

zur Schadensbegrenzung vorzuschlagen.<br />

Das Institut unterstützt seine Studierenden<br />

und Mitarbeiter*innen aktiv bei<br />

der Gründung von Unternehmen/Startups,<br />

um den Wissenstransfer zu stärken.<br />

Nachhaltige Logistik und das Management<br />

nachhaltiger Wertströme ist als<br />

grundlegendes Thema auf allen Ebenen<br />

der Gesellschaft angekommen. •<br />

Univ.Prof. Mag. Dr. Manfred Gronalt leitet das<br />

Institut für Produktionswirtschaft und Logistik.<br />

42 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 42 20.03.23 16:45


ENERGIE<br />

WENDE<br />

ENERGIEWENDE –<br />

ist die <strong>BOKU</strong> auf dem richtigen Weg?<br />

Von Alexandra Penicka-Arndt (gW/N) und Roman Smutny (FM)<br />

<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

S<br />

pätestens seit dem Krieg in der<br />

Ukraine ist die Energiethematik in<br />

aller Munde. Das betrifft sowohl die<br />

Energieversorgung als auch die Dynamik<br />

der Energiepreisentwicklung und nicht<br />

zuletzt werden Rufe lauter, die Energiewende<br />

endlich ernsthaft voranzutreiben.<br />

Jedenfalls wurden wir als Nutzer*innen<br />

für einen bewussteren Umgang mit Energieressourcen<br />

sensibilisiert. Neben individuellen<br />

Einsparmaßnahmen braucht<br />

es grundlegende Strukturen, die eine<br />

Energiewende möglich machen sowie<br />

Maßnahmen, die Preisanstiege abfedern<br />

und die Versorgung sicherstellen. In diesem<br />

Sinne ist auch die <strong>BOKU</strong> gefordert,<br />

aktiv zu werden.<br />

ENERGIESPARKAMPAGNE<br />

DER <strong>BOKU</strong><br />

Die Plakate mit Energiespartipps sind an<br />

allen <strong>BOKU</strong>-Standorten sicher bereits<br />

aufgefallen. Sie sollen die Universitätsangehörigen<br />

dabei unterstützen, mit<br />

kleinen Änderungen im Alltagsverhalten<br />

bedeutende Einsparungen zu erzielen<br />

und generell zur Information und Sensibilisierung<br />

beitragen. Vielleicht konnte<br />

der eine oder andere Tipp auch zu Hause<br />

beherzigt werden – die Haushaltskasse<br />

wird sich jedenfalls freuen.<br />

Die Maßnahmen zur Senkung des<br />

Energieverbrauchs gehen aber noch<br />

viel weiter: Das Monitoring des Energieverbrauchs<br />

wird seit vielen Jahren<br />

praktiziert und laufend verbessert. Seit<br />

2014 hat das Energieeffizienz-Team<br />

(ENEFF), das sich aus Mitarbeiter*innen<br />

des Instituts für Verfahrens- und<br />

Energietechnik (IVET) zusammengesetzt<br />

hat, mittels Energieverbrauchsanalysen<br />

wesentliche Einsparpotenziale ermittelt<br />

und deren Umsetzung begleitet. Vergangenes<br />

Jahr wurde eine strategische<br />

Ansprech- und Koordinierungsstelle für<br />

Energiemanagement im Tätigkeitsbereich<br />

des <strong>BOKU</strong>-Facility Managements<br />

eingerichtet, die unter anderem die oben<br />

genannten Agenden übernommen hat.<br />

Seit 2020 werden die Energieverbräuche<br />

der <strong>BOKU</strong> auch im Nachhaltigkeitsbericht<br />

veröffentlicht und entsprechende<br />

Reduktionsziele formuliert. Das Energiemanagement<br />

ist außerdem ein wichtiger<br />

Bestandteil der CO 2<br />

-Reduktionspläne<br />

der <strong>BOKU</strong>.<br />

Auf Betriebsebene setzt sich die <strong>BOKU</strong><br />

also schon seit einigen Jahren mit dem<br />

Energiethema auseinander. Mit der<br />

Dringlichkeit, die das Thema nun durch<br />

die aktuellen Entwicklungen gewonnen<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

43<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 43 20.03.23 16:45


hat, verstärkt die Universität ihre Bemühungen<br />

und priorisiert entsprechende<br />

Maßnahmen. Einige Schritte wurden bereits<br />

gesetzt, vieles ist noch geplant. Im<br />

Zuge des Monitorings sollen die Effekte<br />

geprüft und die weiteren Schritte feinabgestimmt<br />

werden, um die gewünschte<br />

Senkung des Energieverbrauchs und<br />

damit der Treibhausgasemissionen zu<br />

erreichen.<br />

Die aktuelle Energiesparkampagne wurde<br />

gemeinsam mit dem Rektorat, der<br />

Standortkoordination und Nutzungsvertreter*innen<br />

erarbeitet und wird in vier<br />

Handlungsfeldern wirksam, die parallel<br />

umgesetzt werden:<br />

1. INFORMATION UND MOTIVATION<br />

Es sollen möglichst viele <strong>BOKU</strong>-Angehörige<br />

erreicht und zur Mitwirkung<br />

motiviert werden. Die Zielsetzungen zur<br />

Energieeinsparung und Klimaneutralität<br />

können nur durch gemeinsames Handeln<br />

und Unterstützung jedes*r Einzelnen erreicht<br />

werden und daher ist dieses Handlungsfeld<br />

das Herzstück der Kampagne.<br />

Über Aussendungen, Plakate und eine<br />

Website sollen allgemeine Informationen<br />

zum Thema Energiesparen und Energieverbrauch<br />

an der <strong>BOKU</strong> vermittelt werden.<br />

Des Weiteren sind alle an der <strong>BOKU</strong><br />

eingeladen, sich persönlich einzubringen<br />

und Ideen sowie Hinweise via esk@boku.<br />

ac.at beizutragen oder Fragen zu stellen.<br />

Die Beiträge werden in einer Ideenbörse<br />

gesammelt und die besten Vorschläge<br />

prämiert.<br />

2. MEIN BEITRAG<br />

Ein besonderer Schwerpunkt der Informationskampagne<br />

wurde darauf gelegt,<br />

was jede*r Einzelne im eigenen Arbeitsumfeld<br />

beisteuern kann und welchen<br />

Effekt das hat. Von Heizung runterdrehen<br />

über Warmwassersparen bis hin zur<br />

Optimierung des PC-Betriebs, es gibt<br />

viele Möglichkeiten, einen Beitrag zu<br />

leisten. Für die Verbreitung der Tipps und<br />

Empfehlungen stehen Gebäudeplakate<br />

und Checklisten zum Download bereit.<br />

3. BETRIEBSOPTIMIERUNGEN<br />

Dieses Handlungsfeld umfasst die<br />

laufenden Aktivitäten der <strong>BOKU</strong>-Betriebsführungen<br />

zur Optimierung der<br />

Energieverbrauch 2021<br />

Fernkälte<br />

2,7 %<br />

Fernwärme<br />

40,7 %<br />

Erdgas<br />

6,8 %<br />

Treibstoffe<br />

1,2 %<br />

Solarerträge<br />

0,3 %<br />

Grüner<br />

Strom<br />

(UZ46)<br />

48,4 %<br />

Abbildung 1: Energiemix der <strong>BOKU</strong> – Energieverbrauch<br />

nach Energieträgern in Prozent<br />

(2021)<br />

regelungstechnischen Einstellungen der<br />

Haustechnikanlagen. In gemeinsamer<br />

Abstimmung mit den jeweiligen Teams<br />

der <strong>BOKU</strong>-Standorte und den Nutzervertreter*innen<br />

werden Zeitprogramme<br />

und Sollwerteinstellungen angepasst und<br />

auch Anregungen aus der Ideenbörse<br />

umgesetzt.<br />

4. BAULICHE ANPASSUNGEN<br />

Neben den bereits geplanten Umbauten<br />

werden zusätzliche Konzepte für<br />

Modernisierungen und Nachrüstungen<br />

entwickelt und stufenweise umgesetzt.<br />

Dies betrifft die Erneuerung von Beleuchtungs-,<br />

Heizungs- und Lüftungsanlagen,<br />

aber auch die Ertüchtigung des<br />

Wärmeschutzes der Gebäudehülle und<br />

nicht zuletzt auch die Errichtung von<br />

weiteren PV-Anlagen.<br />

ERNEUERBARE<br />

ENERGIE AN DER <strong>BOKU</strong><br />

Seit 2021 bezieht die <strong>BOKU</strong> ihren Strom<br />

aus 100 Prozent erneuerbaren Energiequellen<br />

gemäß österreichischem Umweltzeichen<br />

(UZ 46 zertifizierter Grüner Strom<br />

von Naturkraft), womit neben der Fernwärme<br />

der größte Energieverbrauchsposten<br />

abgedeckt ist (siehe Abbildung 1).<br />

Erneuerbare Energie aus eigener Produktion<br />

deckt noch einen vergleichsweise<br />

geringen Teil des Verbrauchs der<br />

Uni ab. 2021 wurden knapp 175.000 kWh<br />

Solarertrag an den <strong>BOKU</strong>-Standorten<br />

gewonnen. Darüber hinaus wird Geothermie<br />

für den Betrieb des Tüwi und des<br />

Wasserbaulabors genutzt. Aktuell (Stand<br />

Februar <strong>2023</strong>) hat die <strong>BOKU</strong> sechs Photovoltaikanlagen<br />

(Oskar-Simony-Haus,<br />

Tüwi, UFT, Lehrforstzentrum Heuberg,<br />

Schwackhöferhaus und Wasserbaulabor)<br />

sowie eine Solarthermieanlage in Betrieb.<br />

Weitere PV-Anlagen sind für den<br />

Standort Tulln, für das Cieslar-Haus, den<br />

<strong>BOKU</strong>-Kindergarten sowie für den Versuchsgarten<br />

Groß-Enzersdorf und den<br />

Standort Muthgasse geplant.<br />

Darüber hinaus werden Schritte gesetzt,<br />

um von Erdgas auf klimaschonende Alternativen<br />

umzusteigen. Dies umfasst<br />

einerseits die Modernisierung von Heizungsanlagen<br />

auf Geothermie- oder Biomasseversorgung<br />

und andererseits die<br />

Erneuerung von Dampferzeugungsanlagen<br />

auf eine Versorgung mit Fernwärme<br />

und elektrischer Energie.<br />

Das Neubauprojekt Borkowskigasse soll<br />

mit einem besonders hohen Anteil Umweltenergie<br />

betrieben werden: Einerseits<br />

durch ein großflächiges Sondenfeld<br />

zur Geothermienutzung und andererseits<br />

durch eine großflächige Photovoltaikanlage,<br />

kombiniert mit E-Ladestationen für<br />

den <strong>BOKU</strong>-Fuhrpark.<br />

ENERGIE UND KLIMASCHUTZ<br />

AN DER <strong>BOKU</strong><br />

Der Energieverbrauch stellt einen wesentlichen<br />

Einflussfaktor für den Klimaschutz<br />

dar und daher enthalten Klimaschutzstrategien<br />

immer auch Vorgaben<br />

für die Reduktion des Energieverbrauchs.<br />

Weltweit gesehen steigt der Energieverbrauch<br />

derzeit stärker als der Ausbau<br />

erneuerbarer Energiequellen und führt<br />

dadurch zu einem steigenden Bedarf<br />

von fossilen Energieträgern. Eine ähnliche<br />

Dynamik zeigt sich auf betrieblicher<br />

Ebene. Deshalb sind Maßnahmen zur<br />

Verbrauchsreduktion deutlich zu intensivieren,<br />

um die Energiewende voranzutreiben.<br />

Zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele<br />

ist die Umsetzung einzelner Maß-<br />

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66 Prozent Gesamtreduktion bis 2030<br />

Emissionen der <strong>BOKU</strong><br />

Abbildung 2: Pfad zur Zwei-Drittel-Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030<br />

THG-Emissionen der <strong>BOKU</strong> im Jahresvergleich<br />

2019 (∑ 21.999), 2020 (∑ 13.137) und 2021 (∑ 7.532) (t CO 2<br />

eq.)<br />

9.000<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

Strom<br />

Energieeinsatz Mobilität Materialeinsatz<br />

Gas<br />

Fernwärme<br />

Fernkälte<br />

Sonst. Treibstoffeinsätze<br />

Dienstreisen<br />

Pendeln Bedienstete<br />

Abbildung 3: Treibhausgasemissionen der <strong>BOKU</strong> in t CO 2<br />

eq., 2019, 2020 und 2021<br />

nahmen zu wenig. Es müssen alle bekannten<br />

und effektiven Verbesserungspotenziale<br />

ausgeschöpft werden und wir<br />

alle müssen Beiträge dazu liefern.<br />

In diesem Sinne hat sich die <strong>BOKU</strong> das<br />

Ziel gesetzt, bis 2030 zwei Drittel ihrer<br />

Emissionen ausgehend vom Jahr 2019 zu<br />

reduzieren. Entlang der drei Kategorien<br />

„Energie“, „Mobilität“ und „Materialeinsatz“<br />

zeigt der Klimaneutralitätspfad der<br />

Pendeln Studierende<br />

Studierende Outgoing<br />

Fuhrpark<br />

2019<br />

2020<br />

Papier<br />

Kältemittel<br />

IT-Geräte<br />

2021<br />

Mensa<br />

<strong>BOKU</strong> auf, wo die Reduktionspotenziale<br />

liegen, um diese erste Etappe auf dem<br />

Weg zur Klimaneutralität zu bewerkstelligen<br />

(siehe Abbildung 2).<br />

In der <strong>BOKU</strong>-Treibhausgasbilanz umfasst<br />

die Kategorie Energieeinsatz folgende<br />

Emissionsposten: Strom, Gas, Fernwärme,<br />

Fernkälte und sonstige Treibstoffeinsätze<br />

(v. a. für landwirtschaftliche<br />

Geräte). Im Basisjahr 2019 war Energie<br />

mit 12.474 t CO 2<br />

eq. (das entspricht rund<br />

57 % der Gesamtemission) die Kategorie,<br />

in der am meisten Tonnen CO 2<br />

eq. ausgestoßen<br />

wurden, gefolgt von den Emissionsmengen,<br />

die durch Mobilität (allen<br />

voran Flugreisen) entstanden sind. Bis<br />

2030 sollen 75 Prozent der Emissionen<br />

im Bereich Energie reduziert werden<br />

(Referenzjahr 2019). Der Umstieg auf<br />

UZ-46-zertifizierten Grünen Strom im<br />

Jahr 2021 hat bereits einen großen Einsparungseffekt<br />

(was die CO 2<br />

-Emissionen<br />

angeht) erzielt. Wie die Bilanz von 2021<br />

zeigt, konnten damit fast 95 Prozent der<br />

Stromemissionen im Vergleich zum Referenzjahr<br />

2019 reduziert werden (siehe<br />

Abbildung 3). Gerechtfertigt ist die Anrechnung<br />

des Grünstroms aufgrund der<br />

in der Umweltzeichen-Richtlinie UZ46<br />

festgelegten Kriterien.<br />

Darauf will sich die <strong>BOKU</strong> allerdings<br />

nicht ausruhen und auch zukünftig die<br />

Reduktion des Energieverbrauchs in allen<br />

Bereichen (auch beim Strom) durch<br />

verändertes Nutzer*innenverhalten, die<br />

Ausschöpfung von Energieeffizienzen<br />

sowie durch bedarfsorientierte Regulierung<br />

und bauliche Anpassungen (siehe<br />

Energiesparkampagne) voranbringen.<br />

Letztlich braucht es in jedem Fall die<br />

breite Unterstützung aller <strong>BOKU</strong>-Angehörigen,<br />

um die ambitionierten Einsparungsziele<br />

der <strong>BOKU</strong> zu erreichen.<br />

Daher an dieser Stelle eine Einladung,<br />

sich aktiv einzubringen – sei es mit<br />

Vorschlägen zum Energiesparen in der<br />

Ideenbörse oder mit der Unterstützung<br />

bei der Umsetzung der Einspartipps im<br />

eigenen Arbeitsumfeld. <br />

•<br />

LINKS<br />

Energiesparkampagne<br />

https://short.boku.ac.at/ESK<br />

Die <strong>BOKU</strong> auf dem Weg zur<br />

Klimaneutralität<br />

https://short.boku.ac.at/kn-pfad<br />

<strong>BOKU</strong> Nachhaltigkeitsbericht 2021<br />

https://short.boku.ac.at/nh-bericht2021<br />

Alexandra Penicka-Arndt, BA, MSc. ist wissenschaftliche<br />

Projektmitarbeiterin am Zentrum für<br />

Globalen Wandel und Nachhaltigkeit.<br />

DI Roman Smutny ist im Facility Management<br />

der <strong>BOKU</strong> tätig.<br />

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Gegen den Klimawandel<br />

an einem Strang ziehen –<br />

wie können Gemeinden<br />

ins Handeln gebracht werden?<br />

Von Projektteam ACCORD*<br />

Auf lokaler Ebene treffen unmittelbare<br />

und direkt spürbare Auswirkungen<br />

des Klimawandels mit<br />

konkreten Handlungsmöglichkeiten<br />

und lokalem Wissen über Vulnerabilitäten<br />

zusammen. Unterschiedliche<br />

politische Instrumente auf internationaler<br />

und nationaler Ebene zielen darauf ab,<br />

Aktivitäten im Bereich des Klimaschutzes<br />

und der Anpassung an den Klimawandel<br />

auf Gemeindeebene zu implementieren.<br />

Eine aktuelle Auswertung weist darauf<br />

hin, dass die Handlungsbereitschaft<br />

der österreichischen Gemeinden sehr<br />

unterschiedlich ausgeprägt ist: am Klimabündnis<br />

Österreich sowie an den Klima-<br />

und Energiemodellregionen (KEM)<br />

beteiligen sich bislang zirka 50 Prozent<br />

aller Gemeinden, 30 Prozent sind Teil<br />

der Klimawandelanpassungsregionen<br />

(KLAR!), während das e5-Programm für<br />

energieeffiziente Gemeinden von 13 Prozent<br />

der österreichischen Gemeinden<br />

genutzt wird (Stand 01/<strong>2023</strong>).<br />

WAS MACHT GEMEINDEN<br />

„KLIMAAKTIV“?<br />

Das ACRP-Projekt ACCORD „Aligning<br />

risks and coping appraisals to kick off<br />

local climate action“ geht den Fragen<br />

nach, a) warum manche Gemeinden<br />

mehr, andere weniger „klimaaktiv“ sind<br />

oder werden und b) inwiefern ein gemeinsames<br />

Verständnis von Risiken und<br />

Bewältigungspotenzialen die Entwicklung<br />

und Umsetzung von lokalen Klimaaktivitäten<br />

erhöht. In ACCORD werden<br />

sechs Gemeinden der Regionen Marchfeld<br />

und Römerland Carnuntum untersucht.<br />

Beide Regionen liegen im Osten<br />

Niederösterreichs und sehen sich in den<br />

kommenden Jahren mit einer klimawandelbedingten<br />

Zunahme an Hitzetagen,<br />

Trockenperioden und Hochwasserereignissen<br />

sowie einer Abnahme an Frosttagen<br />

konfrontiert. Dies hat vor allem für<br />

die Landwirtschaft Folgen, welche in beiden<br />

Regionen aufgrund des hohen Anteils<br />

landwirtschaftlicher Flächen einen<br />

wichtigen Wirtschaftssektor darstellt<br />

und darüber hinaus für die Selbstversorgung<br />

Österreichs mit Lebensmitteln<br />

von wesentlicher Bedeutung ist.<br />

BEDROHLICH, ABER BEWÄLTIGBAR<br />

Um die zuvor genannten Fragen zu<br />

beantworten, werden die beiden Forschungsstränge<br />

„Climate Governance<br />

Capacities“ und Protection Motivation<br />

Theory (PMT) verknüpft. PMT hat ihren<br />

Ursprung in den Gesundheitswissenschaften<br />

und wurde schon für Risikowahrnehmung<br />

und Prävention bei<br />

Naturgefahren angewendet. Sie geht<br />

davon aus, dass Schutzhandeln von zwei<br />

zen tralen Prozessen bestimmt wird: der<br />

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<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 48 20.03.23 16:45


kognitiven und emotionalen Einschätzung<br />

der Risiken sowie der Einschätzung<br />

der eigenen Handlungsmöglichkeiten.<br />

Demnach werden zielführende Maßnahmen<br />

gegen den Klimawandel dann<br />

ergriffen, wenn dessen Folgen als entsprechend<br />

bedrohlich und zugleich die<br />

verfügbaren Bewältigungsoptionen als<br />

durchführbar und wirksam eingeschätzt<br />

werden. Diese Zusammenhänge wurden<br />

auf der Ebene von Privathaushalten<br />

bereits mehrfach bestätigt. ACCORD<br />

überträgt PMT auf die Ebene von Gemeinden<br />

und untersucht, inwiefern<br />

ein gemeinsames Verständnis von Bedrohung<br />

und Bewältigung unter allen<br />

lokalen Akteur*innen die lokalen Kapazitäten<br />

(„Governance Capacity“) zur<br />

Bekämpfung des Klimawandels steigert.<br />

Die Governance Perspektive erlaubt es,<br />

spezifische Rahmenbedingungen (etwa<br />

institutionelle, sozio-ökonomische und<br />

naturräumliche Gegebenheiten, bestehende<br />

Netzwerke) und die Rolle unterschiedlicher<br />

maßgeblicher Akteur*innen<br />

(zum Beispiel Verwaltung, Blaulichtorganisationen,<br />

Landwirtschaften, Unternehmen,<br />

Zivilgesellschaft) auf Gemeindeebene<br />

zu berücksichtigen.<br />

DAS ACCORD-TEAM<br />

Dr. in Verena Radinger-Peer<br />

(Projektleitung, ILEN, <strong>BOKU</strong>)<br />

DI in Cornelia Fischer MSc.<br />

(ILEN/INWE, <strong>BOKU</strong>)<br />

Ass.Prof. in PD in Dr. in Katharina<br />

Gugerell (ILAP, <strong>BOKU</strong>)<br />

DI in Karin Mottl, MMSc.<br />

(Energiepark Bruck/Leitha,<br />

Niederösterreich)<br />

Mag. a Dr. in Elisabeth<br />

Schauppenlehner-Kloyber<br />

(INWE, <strong>BOKU</strong>)<br />

Dr. Sebastian Seebauer<br />

(JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft<br />

mbh, Steiermark)<br />

DI in Magdalena Wachter<br />

(INWE, <strong>BOKU</strong>)<br />

Sonja Wirgler<br />

(Energiepark Bruck/Leitha,<br />

Niederösterreich)<br />

ACCORD wird vom Klima- und Energiefonds<br />

im Rahmen des Austrian Climate<br />

Research Programme gefördert.<br />

LINK<br />

https://boku.ac.at/rali/<br />

ilen/forschungsprojekte/<br />

themenbereichklimawandel/accord<br />

GEMEINSAMES VERSTÄNDNIS<br />

Die sechs ausgewählten Gemeinden<br />

unterscheiden sich maßgeblich im Umfang<br />

ihrer „Klimaaktivität“. In zwei von<br />

ihnen werden sowohl ein partizipativer<br />

Prozess als auch weitere Interventionen<br />

durchgeführt, um deren Einfluss auf die<br />

Entwicklung von Risikoeinschätzung und<br />

Handlungsmöglichkeiten sowie die Umsetzung<br />

von klimarelevanten Aktivitäten<br />

untersuchen zu können. Die anderen<br />

vier Gemeinden dienen als Vorbilder<br />

beziehungsweise als Kontrollgruppe.<br />

Im Quervergleich wird geprüft, ob die<br />

beobachteten Veränderungen in den<br />

Interventionsgemeinden tatsächlich auf<br />

die ACCORD-Aktivitäten und nicht auf<br />

mögliche andere Einflussfaktoren zurückzuführen<br />

sind.<br />

Die gewonnenen Erkenntnisse bilden<br />

die Grundlage für Empfehlungen, wie<br />

ein gemeinsames Verständnis innerhalb<br />

einer Gemeinde geschaffen werden<br />

kann, wie lokale Maßnahmen für<br />

Klimaschutz und -anpassung angeregt<br />

werden können und wie sich die lokale<br />

„Governance-Capacity“ stärken lässt.<br />

Neben der unmittelbaren praktischen<br />

Umsetzbarkeit der Ergebnisse bietet die<br />

Verlinkung von Konzepten der Umweltpsychologie<br />

und der Climate Governance<br />

einen wichtigen Einblick in die<br />

Hintergründe mangelnder Handlungsbereitschaft<br />

von Gemeinden im Hinblick<br />

auf den Klimawandel. <br />

•<br />

Fotos: Energiepark Bruck an der Leitha<br />

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APA / Georg Hochmuth<br />

„Scheinklimaschutz wird von<br />

einer großen Mehrheit getragen“<br />

Von Georg Sachs<br />

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Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an<br />

der <strong>BOKU</strong>, hat zuletzt mit seiner öffentlichen<br />

Unterstützung der Klimabewegung Aufmerksamkeit<br />

erregt. Wir sprachen mit dem Politologen<br />

über seinen Blick auf (Schein-)Klimapolitik<br />

und die Methoden, mit denen er diese untersucht<br />

und kommuniziert.<br />

M<br />

it dem Thema Klimawandel kam<br />

Reinhard Steurer früh in Kontakt:<br />

„Ich habe als Jugendlicher eine ORF-<br />

Dokumentation gesehen, die die möglichen<br />

Folgen der Klimaveränderungen sehr drastisch<br />

dargestellt hat. Das muss Mitte oder<br />

Ende der 80er-Jahre gewesen sein.“ Doch<br />

während der politisch interessierte Jugendliche<br />

schnell das Gefühl hatte, dass große<br />

gesellschaftliche Veränderungen notwendig<br />

sind, um hier gegenzusteuern, verhielt sich<br />

die Öffentlichkeit lange Zeit gleichgültig –<br />

für Steurer überraschend lange: „Ich hätte<br />

nicht gedacht, dass es 30 Jahre dauert, bis<br />

das Thema halbwegs ernst genommen wird.“<br />

Steurer ist assoziierter Professor für Klimapolitik<br />

am Institut für Wald-, Umwelt- und<br />

Ressourcenpolitik. Als er sich 2008 um eine<br />

Assistentenstelle bewarb, hatte man hier bereits<br />

eine Erweiterung des Forschungsgegenstands<br />

von Waldpolitik auf Umwelt- und Ressourcenpolitik<br />

vorgenommen. „Forschung<br />

zu Klimapolitik habe ich dann eingebracht“,<br />

erinnert sich Steurer.<br />

Die Weichen für sein Interesse an Politik wurden<br />

bereits in der Schulzeit gestellt: „Wir hatten<br />

im Gymnasium Lehrer, die unterschiedliche<br />

politische Richtungen vertreten haben:<br />

einen sehr Konservativen, einen Linken. Mit<br />

denen haben wir viel diskutiert.“ Steurer entschied<br />

sich daher nach der Schule für ein<br />

Studium der Politikwissenschaft an der Uni<br />

Salzburg – zunächst mit der Idee, Journalist<br />

zu werden. Doch bald lockte die Forschung<br />

als Arbeitsgebiet – zumal Volkmar Lauber,<br />

damals Professor an der Uni Salzburg, den<br />

Schwerpunkt seiner Arbeit auf dem Gebiet<br />

der Umwelt- und Klimapolitik hatte. „Mir ist<br />

während des Studiums in den 1990er-Jahren<br />

klar geworden, dass da etwas kommt, das uns<br />

noch lange beschäftigen wird“, sagt Steurer.<br />

Nach Abschluss der Dissertation verbrachte<br />

Steurer ein Jahr an der University of Maryland<br />

in den USA und absolvierte dort postgradual<br />

einen „Master of Public Policy“: „Das hat<br />

sowohl meinem Englisch als auch meinen<br />

Fachkenntnissen gut getan.“ Wieder zurück<br />

in Österreich, dockte er am RIMAS (Research<br />

Institute for Managing Sustainability) der<br />

Wirtschaftsuniversität Wien an. Unter der<br />

gemeinsamen Klammer der nachhaltigen<br />

Entwicklung gehörten dort sowohl öffentliches<br />

als auch unternehmerisches Handeln<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

51<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 51 20.03.23 16:45


(im Rahmen dessen, was man „Corporate<br />

Social Responsibility“ nennt) gleichermaßen<br />

zu seinem Forschungsfeld. Diese<br />

Erweiterung des Blicks nützt Steurer<br />

auch in dem, was er heute an der <strong>BOKU</strong><br />

macht: „Ich habe besser verstehen gelernt,<br />

wie Scheinklimaschutz auch im<br />

wirtschaftlichen Umfeld funktioniert.“<br />

Dass neben den traditionellen Institutionen<br />

der repräsentativen Demokratie in<br />

den vergangenen Jahrzehnten vermehrt<br />

auch andere Akteure ins Spiel kamen,<br />

wenn es darum geht, die Regeln festzulegen,<br />

nach denen eine Gesellschaft<br />

handelt, wird in der Politikwissenschaft<br />

unter dem Begriff „Governance“ – im<br />

Gegensatz zu „Government“ – zusammengefasst.<br />

„Dieses Konzept trägt<br />

der Entwicklung Rechnung, dass die<br />

umweltpolitischen Möglichkeiten des<br />

Staates durch die Globalisierung stark<br />

relativiert wurden. In den 1970er-Jahren<br />

setzte man vor allem auf staatliche<br />

Regulierung. Nachdem Staaten seither<br />

immer schwächer wurden, funktioniert<br />

das heute nicht mehr so wie damals.“<br />

Die Globalisierung habe die Karten neu<br />

gemischt: Immer größere Unternehmen<br />

agierten zunehmend grenzüberschreitend,<br />

während politische Spielräume<br />

der Staaten immer kleiner wurden. Im<br />

Zuge dieser Machtverschiebung seien<br />

auch neue zivilgesellschaftliche Klimabewegungen<br />

entstanden, die heute eine<br />

wichtige Rolle spielen. „Die Beschäftigung<br />

mit all diesen Akteuren ist Teil der<br />

Governance-Forschung“, sagt Steurer.<br />

„DIE KLIMAKONFERENZEN<br />

SIND TEIL DES PROBLEMS“<br />

Bezüglich der drängenden Aufgabe, die<br />

Emission von Treibhausgasen zu reduzieren,<br />

zeichnet Steurer dennoch ein<br />

düsteres Bild. Vor 2019, so der Wissenschaftler,<br />

habe es nur eine Periode gegeben,<br />

in der es danach aussah, als ob das<br />

Anliegen einer umfassenden Klimapolitik<br />

eine breitere Öffentlichkeit erreicht: als<br />

2007 Al Gore und das IPCC (Intergovernmental<br />

Panel on Climate Change)<br />

den Friedensnobelpreis erhielten. „Diese<br />

Wirksamkeit endete aber ganz abrupt,<br />

als kurz darauf zuerst die Finanz- und<br />

dann die Migrationskrise über uns hereinbrachen<br />

und die Aufmerksamkeit<br />

banden“, zeigt Steurer auf. Auch die UN-<br />

Weltklimakonferenz in Paris bedeutet<br />

für Steurer keinen Lichtblick: „Mir war<br />

klar: Ohne Druckmittel, nur mit freiwilliger<br />

Koordination, wird es nicht gehen.<br />

Die Klimakonferenzen haben viel verschleppt,<br />

sie sind längst Teil des Problems<br />

statt Teil der Lösung.“<br />

»Mir war klar:<br />

Ohne Druckmittel, nur<br />

mit freiwilliger Koordination,<br />

wird es nicht gehen.<br />

Die Klimakonferenzen haben<br />

viel verschleppt, sie sind<br />

längst Teil des Problems<br />

statt Teil der Lösung.<br />

Erst das Auftreten neuer Klimabewegungen<br />

wie „Fridays4Future“ leitete<br />

nach Steurers Ansicht hier einen echten<br />

Umschwung ein: „Die Politisierung<br />

des Themas durch zivilgesellschaftliche<br />

Bewegungen bedeutete einen echten<br />

Aufbruch“, sagt Steurer. Das kann er auch<br />

empirisch belegen: „Wir haben im Rahmen<br />

einer klassischen Fallstudie gezeigt,<br />

dass 2019 in Dänemark ein Klimaschutzgesetz<br />

verabschiedet wurde, das deutlich<br />

besser war als ein Gesetz aus dem Jahr<br />

2014, das von einer ähnlichen Regierungskonstellation<br />

beschlossen wurde.<br />

Ohne gesellschaftliche Klimabewegung<br />

wäre das so nicht möglich gewesen.“<br />

Doch einmal mehr folgte dem politischen<br />

Aufbruch mit der COVID-19-Pandemie<br />

eine akute Problemlage, die die<br />

Aufmerksamkeit von der Klimaproblematik<br />

abzog. „Viele sind krisenmüde.<br />

Wir sind heute weit weg von der Dynamik,<br />

die wir 2019 hatten.“ Dass Klimaaktivist*innen<br />

jetzt schärfere Aktionen<br />

setzen und auf teilweise unangenehme<br />

Weise Abläufe stören, findet Steurers<br />

Zustimmung: „Wir hätten uns im Januar<br />

<strong>2023</strong> nicht hinter die Letzte Generation<br />

am Praterstern gestellt, wenn sozialwissenschaftlich<br />

nicht eindeutig wäre, dass<br />

auch diese Bewegungen das Potenzial<br />

für dringend nötige Veränderungen in<br />

der Gesellschaft haben.“<br />

METHODEN AUS POLICY RESEARCH<br />

UND GESELLSCHAFTSTHEORIE<br />

Steurer spricht in all dem nicht als Politiker<br />

oder Aktivist, sondern als Forscher,<br />

der die Klimapolitik über viele Jahre mit<br />

wissenschaftlichen Methoden untersucht<br />

hat. Lange Zeit war dafür das Methodenrepertoire<br />

der „Policy Research“<br />

das Mittel der Wahl. „Wir haben zahlreiche<br />

empirische Fallstudien gemacht und<br />

dabei etwa klimapolitische Maßnahmen<br />

wie z. B. Klimaschutzgesetze in verschiedenen<br />

Ländern miteinander verglichen –<br />

auch um zu sehen, was man in Österreich<br />

daraus lernen könnte. Nur hat das hier bis<br />

2020 niemanden interessiert.“<br />

Auch deshalb beschäftigte den Politologen<br />

immer mehr das Nichthandeln<br />

– was angesichts der drohenden Konsequenzen<br />

keine triviale Angelegenheit<br />

ist: „Mit empirischer Policy-Forschung<br />

lässt sich nicht erklären, wieso wir einen<br />

Kollaps unserer Zivilisation riskieren.“<br />

In den vergangenen Jahren hat Steurer<br />

daher einen neuen Weg eingeschlagen:<br />

„Ich arbeite jetzt an einer Gesellschaftstheorie,<br />

die erklären kann, wie wir in<br />

diese Situation gekommen sind.“ Das<br />

Vorhaben stellt ein interdisziplinäres<br />

Projekt dar, in dem psychologische,<br />

soziologische und politologische Ansätze<br />

zusammenfließen. Steurer zufolge<br />

leben wir als Gesellschaft in einer beständigen<br />

kognitiven Dissonanz: „Wir<br />

wissen, dass wir mit einem falschen Lebenswandel<br />

unsere Zukunft riskieren.<br />

Damit kann man nicht leben, das muss<br />

aufgelöst werden.“ Eine physische Auflösung<br />

wäre, den bisherigen Lebensstil<br />

rasch umzukrempeln – das sei aber trotz<br />

guter technischer Lösungen nach wie<br />

vor sehr schwer. Daher würden andere<br />

Strategien ergriffen: Die Verleugnung<br />

des Problems („Klimatische Veränderungen<br />

hat es immer schon gegeben“), die<br />

Verdrängung („So genau möchte ich es<br />

gar nicht wissen“), zahlreiche Ausreden<br />

(„Hauptverursacher ist doch China“)<br />

würden helfen, den fossilen Status quo<br />

noch einige Jahre am Leben zu erhalten.<br />

Auch „Scheinklimaschutz“ sieht Steurer<br />

als eine solche Taktik: „Wir tun so, als ob<br />

wir das Problem lösen, an den grundlegenden<br />

Mechanismen ändert sich aber<br />

nichts.“ Alles zusammen würde dazu füh-<br />

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<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 52 20.03.23 16:45


letztegeneration.at<br />

ren, dass man das Spannungsverhältnis<br />

„Klima-Dissonanz“ sehr erfolgreich aufgelöst<br />

hat: „Physische Lösungen sind<br />

auch deshalb nicht so dringend, weil<br />

wir das Problem längst psychologisch<br />

verzerrt haben.“<br />

Steurer hält das Nichthandeln daher<br />

nicht nur für eine Politikkrise, sondern<br />

vor allem für eine Gesellschaftskrise.<br />

„Es ist viel zu verkürzt zu sagen: Die Regierung<br />

ist schuld. Diese hat nur einen<br />

eingeschränkten Spielraum, wenn sie<br />

wieder Wahlen gewinnen will. Ausreden<br />

und Scheinklimaschutz werden nämlich<br />

von einer großen Mehrheit getragen“,<br />

analysiert Steurer. Diese Mehrheit glaube<br />

nach wie vor, dass wir alles technisch<br />

lösen können. Da gebe es zwar in der Tat<br />

große Fortschritte, erforderlich sei aber<br />

ein gesellschaftlicher Umdenkprozess,<br />

der darüber hinausgeht: „Wir brauchen<br />

eine moralische Revolution, die Klimaverschmutzung<br />

als historisches Unrecht<br />

erkennt. Dann würde eine Mehrheit zum<br />

Beispiel Tempo 80/100 nicht mehr ablehnen,<br />

sondern auch bei Wahlen einfordern“,<br />

sagt Steurer. Hier komme das<br />

zivilgesellschaftliche Engagement ins<br />

Spiel: „Ich sehe die Chance, dass eine<br />

irritierende Bewegung dieses Umdenken<br />

in der Bevölkerung zumindest fördern<br />

kann. Ob das tatsächlich gelingt, können<br />

wir dann im Nachhinein analysieren. Gelingt<br />

es nicht, hilft nur noch ein technologisches<br />

Wunder, auf das wir schon seit<br />

30 Jahren vergeblich warten.“<br />

EIN BLICK AUF DIE ZUKUNFT:<br />

„HOCH WER’ MAS NIMMER<br />

G’WINNEN.“<br />

Dass Umfragen zufolge nur wenige<br />

Menschen Gruppierungen wie „Letzte<br />

Generation“ unterstützen, lässt Steurer<br />

nicht als Einwand gelten: „Es gibt Umfragen<br />

aus der Zeit der amerikanischen<br />

Bürgerrechtsbewegung, denen zufolge<br />

eine Mehrheit der weißen Bevölkerung<br />

meinte, die Schwarzen würden sich durch<br />

ihren zivilen Widerstand schaden.“ Dennoch<br />

habe diese Bewegung zu einem<br />

Umdenken in der amerikanischen Gesellschaft<br />

geführt und die gehassten Protestierenden<br />

von damals seien längst<br />

historische Helden.<br />

Dass Steurer sich mit seiner Unterstützung<br />

der Klimabewegung öffentlich exponiert<br />

hat, mag auch an der <strong>BOKU</strong> von<br />

manchen kritisch gesehen werden. „Das<br />

Rektorat unterstützt uns in dieser Sache<br />

aber und wir sind sehr dankbar für den<br />

Rückhalt, den wir hier bekommen“, hebt<br />

der Wissenschaftler hervor.<br />

Nach der Zukunft der Klimakrise gefragt,<br />

zitiert Steurer den bekannten<br />

Ausspruch des Fußballers Toni Pfeffer:<br />

„Hoch wer’mas nimmer g’winnen.“<br />

Pfeffers Analyse bezog sich auf einen<br />

Halbzeitstand von 0:5 im Spiel der österreichischen<br />

gegen die spanische Nationalmannschaft.<br />

0:5 steht es Steurer<br />

zufolge vielleicht nicht, eher 2:5. Einen<br />

Punkt vergibt Steurer für technische<br />

und einen für zivilgesellschaftliche Dynamiken,<br />

die seit 2019 Fahrt aufgenommen<br />

haben. „Das 1,5-Grad-Ziel werden<br />

wir jedenfalls nicht mehr erreichen. Wir<br />

haben alle Hände voll zu tun, um die<br />

Erhitzung auf weniger als 2 Grad zu begrenzen.“<br />

Laut IPCC müssten wir dafür<br />

in den kommenden sieben Jahren die<br />

CO 2<br />

-Emissionen halbieren. „Das zeichnet<br />

sich mit Technik alleine, ohne gesellschaftliches<br />

Umdenken, einfach nicht<br />

ab.“ Er selbst will dabei weder Optimismus<br />

noch Pessimismus verbreiten, sondern<br />

einfach realistisch sein. „Aufgabe<br />

der Wissenschaft ist es, die mittlerweile<br />

existenzbedrohende Klimarealität schonungslos<br />

zu kommunizieren, auch damit<br />

nachher niemand sagen kann: Wenn wir<br />

das gewusst hätten …“ <br />

•<br />

Der Autor ist Chefredakteur der Zeitschrift<br />

Chemiereport/Austrian Life Sciences.<br />

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53<br />

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Gut formulierte Lernergebnisse<br />

DIDAKTIK<br />

Von Alexandra Strauss-Sieberth und Verena Vlajo<br />

WAS soll gelehrt werden?<br />

WIE soll WAS gelernt werden?<br />

Shift from<br />

Teaching to<br />

Learning<br />

Rolle: Fachexpert*in<br />

Lehrziele<br />

SWS<br />

Grafik 1: Shift from Teaching to Learning<br />

Rolle: Fachexpert*in<br />

Fachdidakter*in<br />

Digitalexpert*in<br />

Lernergebnisse<br />

SWS–Lehrende/<br />

ECTS-Studierende<br />

Der Bologna-Prozess hat einen<br />

Paradigmenwechsel in der österreichischen<br />

Hochschullehre<br />

eingeleitet. Der Wechsel vom<br />

Lehren zum Lernen – „the Shift<br />

from Teaching to Learning“ – von der<br />

lehrendenzentrierten Lehre mit dem<br />

Fokus „Was soll gelehrt werden?“ zur<br />

studierendenzentrierten Lehre „Wie<br />

soll Was gelernt werden?“ soll vollzogen<br />

werden. Die Rollenverständnisse von<br />

Lehrenden und Studierenden haben sich<br />

verändert (siehe Grafik 1).<br />

Eine an Kompetenzen orientierte Lehre<br />

ist demgemäß ergebnisorientiert, d. h. sie<br />

definiert Lernergebnisse und bietet den<br />

Studierenden ausreichend qualifizierte<br />

Lerngelegenheiten, um sicherzustellen,<br />

dass das erworbene Wissen in anspruchsvollen<br />

Situationen aktiviert werden kann<br />

(Positionspapier ÖFG 2018).<br />

„Wer nicht genau weiß, wohin er will,<br />

braucht sich nicht zu wundern, wenn<br />

er ganz woanders ankommt.“<br />

Robert F. Mager<br />

Das Lernen muss mit Vorwissen und Erfahrungen<br />

der Studierenden verknüpft<br />

werden. (Bereits vorhandenes) Wissen<br />

muss vernetzt, Wissen selbstständig<br />

erarbeitet, Inhalte und Fakten selbst<br />

entdeckt und in Gruppen besprochen<br />

werden (soziales Lernen) (Vrabl 2016).<br />

WARUM sind gut formulierte<br />

Lernergebnisse – Learning Outcomes<br />

wichtig?<br />

Lernergebnisse dienen als Kommunikationsinstrument<br />

zwischen Lehrenden und<br />

Studierenden. Definierte Lernergebnisse<br />

schaffen Fairness, Transparenz und beschreiben<br />

so konkret wie möglich, welches<br />

Wissen und welche Kompetenzen<br />

erworben werden sollen. Gut formulierte<br />

Lernergebnisse sind daher ein Gestaltungselement,<br />

aber auch ein Steuerungsinstrument<br />

in der Lehre, denn sie sind<br />

entscheidend für die Wahl der Methoden<br />

und beeinflussen, wie Studierende lernen<br />

(Vrabl 2016).<br />

Lernergebnisse bezeichnen das von einem<br />

Studierenden erlangte und durch<br />

eine Prüfung nachgewiesene Kompetenzniveau.<br />

Es sind „Aussagen darüber,<br />

was ein Lernender nach dem erfolgreichen<br />

Abschluss eines Lernprozesses<br />

weiß, versteht und in der Lage ist zu tun“.<br />

Um eine Leistungsbewertung zu ermöglichen,<br />

müssen diese Aussagen überprüfbar<br />

sein (ECTS Leitfaden 2015, S. 22).<br />

SCHRITT für SCHRITT zu Ihren Lernergebnissen<br />

– Learning Outcomes<br />

Es gibt viele Herangehensweisen, um die<br />

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<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 54 20.03.23 16:45


von Lehrenden individuell ausgewählten<br />

Lernergebnisse zu formulieren. Hier<br />

möchten wir einen hilfreichen Leitfaden<br />

für eine gute Formulierung von Lernergebnissen<br />

vorstellen.<br />

Welche Taxonomie-Modelle für<br />

Lernergebnisse – Learning Outcomes<br />

kann man verwenden?<br />

Taxonomie-Modelle sind hilfreich für die<br />

Kategorisierung von Lernergebnissen. Es<br />

gibt mehrere Modelle, die für die Hochschullehre<br />

verwendet werden können. Es<br />

ist nicht immer einfach, zwischen diesen<br />

Taxonomien zu unterscheiden. Es steht<br />

Ihnen frei zu entscheiden, welche Lernzieltaxonomie<br />

Sie für Ihre LV/Module<br />

verwenden. Neben der kognitiven (Wissen)<br />

ist die affektive Taxonomie (Werte,<br />

Normen,...) ebenso wichtig wie die psychomotorische<br />

Taxonomie (etwa mit den<br />

Händen arbeiten, ein Gerät bedienen<br />

können,...).Wir möchten hier auf zwei<br />

Modelle eingehen.<br />

Modell von Bloom (1956)<br />

Die Bloom’sche Taxonomie diente als<br />

Grundlage für andere Modelle. Bloom<br />

identifizierte drei Wissensdimensionen:<br />

faktisches, konzeptionelles und prozedurales<br />

Wissen (Bloom, 1972). Die von<br />

ihm formulierten sechs Stufen kognitiver<br />

Prozesse – also die Lernzielstufen – fin-<br />

Überblicksblatt: Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Formulierung von Lernergebnissen<br />

1 Wählen Sie vier bis acht Inhalte, die die TN in Ihrem Kurs lernen sollen.<br />

Inhalte können abstrakte Konzepte wie Theorien, Modelle, Definition o. Ä. sein, aber auch Aktivitäten wie Bericht schreiben<br />

oder Projekt durchführen. Orientieren Sie sich an den Zielen des Curriculums bzw. Studienprogramms oder des Moduls. So<br />

stellen Sie sicher, dass Sie einen Beitrag zur Erreichung der übergeordneten Ziele leisten. Aus den Teilnahmevoraussetzungen<br />

lässt sich erkennen, welche Kenntnisse und Kompetenzen Sie von den TN erwarten können bzw. für welche weiteren Kurse<br />

Sie selbst die Grundlage schaffen.<br />

2 Verbinden Sie Ihre Inhalte mit einem schweißtreibenden Verb aus der Verbentabelle und definieren Sie den Schwierigkeitsgrad.<br />

3 Wählen Sie, wenn möglich, auch eine überfachliche Kompetenz.<br />

Methodenkompetenz: z. B. Problem benennen und einordnen, Problem systematisch analysieren<br />

Sozialkompetenz: z. B. in Gruppen arbeiten, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kooperationsfähigkeit<br />

Selbstkompetenz: z. B. selbstständiges Arbeiten, Selbstmanagement, Deadlines einhalten, Lernstrategien<br />

4 Kontrolle: Können Sie die Sätze in Imperativsätze umwandeln?<br />

Faule Verben wie kennenlernen oder wahrnehmen lassen sich nicht in sinnvolle Befehlssätze umwandeln und sind daher keine<br />

(Über-)Prüfungsaufgaben.<br />

5 Formulieren Sie Sätze nach folgenden Schemata:<br />

Indirekt ansprechen: Nach positiver Absolvierung des Kurses können die TN ... INHALT ... SCHWEISSTREIBENDES (= aktives) VERB.<br />

Beispiel: Nach positiver Absolvierung des Kurses können die TN ein typisches Problem (= Inhalt) systematisch analysieren<br />

(= schweißtreibendes Verb).<br />

Direkt ansprechen: Nach positiver Absolvierung dieser Lehrveranstaltung können Sie ... INHALT ... SCHWEISSTREIBENDES VERB.<br />

Beispiel: Nach positiver Absolvierung dieser Lehrveranstaltung können Sie positive und negative Effekte von XXX (= Inhalt)<br />

voneinander unterscheiden (= schweißtreibendes Verb).<br />

6 Kontrolle: Können Sie auf jeden Ihrer Sätze das SMART – Prinzip anwenden?<br />

S – spezifisch: Es ist klar, was erreicht werden soll, welches Ergebnis beabsichtigt ist.<br />

M – messbar: Es ist festgelegt, wie das Ergebnis überprüft wird.<br />

A – anspruchsvoll: Das Erreichen des Lernergebnisses ist eine Herausforderung, d. h. das Erreichen des Zieles ist nicht zu<br />

niedrig gesteckt.<br />

R – realistisch: Das Lernergebnis ist nicht zu anspruchsvoll oder zu umfangreich, d. h. das Erreichen des Zieles ist nicht illusorisch.<br />

T – terminiert: Es wird ein Zeitpunkt festgelegt, an dem das Ergebnis feststeht oder ein Zeitraum definiert, in welchem das<br />

Lernergebnis erreicht werden soll.<br />

7 Gehen Lernergebnisse, Leistungsnachweise und Lernaktivitäten Hand in Hand (= 3-Schritt-Logik/Constructive Alignment)?<br />

Lernergebnis (KÖNNEN): Nach Besuch dieses Kurses können die Studierenden typische Probleme systematisch analysieren.<br />

Lernaktivitäten (ÜBEN): Problemfälle in Kleingruppen im Unterricht systematisch analysieren, Checkliste zur Analyse erstellen<br />

Leistungsnachweis (PRÜFEN): Praktische Prüfung, in der ein typisches Problem systematisch analysiert wird.<br />

8 Um ein integratives Kursdesign auf der Basis der Dreischritt-Logik zu gewährleisten, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:<br />

1. Lernergebnisse mit schweißtreibenden (= aktiven) Verben formulieren.<br />

2. Prüfungsaufgaben formulieren, im Idealfall mit dem gleichen schweißtreibenden Verb.<br />

3. Aktivitäten konzipieren, die ermöglichen, das Lernergebnis zu erreichen bzw. zu üben und mit dem schweißtreibenden<br />

Verb einhergehen.<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

55<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 55 20.03.23 16:45


Verbentabelle mit schweißtreibenden Verben zu Formulierung von Lernergebnissen<br />

Erinnern Verstehen Anwenden Analysieren Evaluieren Gestalten<br />

angeben ableiten anwenden analysieren argumentieren ableiten<br />

auflisten beschreiben ausfüllen auswählen begründen entwerfen<br />

aufsagen bestimmen bearbeiten bestimmen benoten entwickeln<br />

aufzählen darstellen benutzen experimentieren beurteilen konstruieren<br />

ausführen demonstrieren berechnen gegenüberstellen entscheiden konzipieren<br />

benennen diskutieren drucken isolieren evaluieren organisieren<br />

bezeichnen erklären durchführen kategorisieren klassifizieren präparieren<br />

definieren erläutern eintragen kontrastieren kritisieren sammeln<br />

erzählen formulieren formatieren kritisieren prüfen schlussfolgern<br />

reproduzieren lokalisieren herausfinden sortieren schätzen schreiben<br />

schildern präsentieren illustrieren testen unterstützen verbinden<br />

schreiben übertragen löschen unterscheiden voraussagen zuordnen<br />

skizzieren wiederholen lösen untersuchen wählen zusammensetzen<br />

zeichnen zusammenfassen planen vergleichen werten zusammenstellen<br />

Tabelle adaptiert aus: Bachmann, H. (2014): Formulieren von Lernergebnissen – learning outcomes. In: Heinz Bachmann (Hrsg.), Kompetenzorientierte<br />

Hochschullehre. Die Notwendigkeit von Kohärenz zwischen Lernzielen, Prüfungsformen und Lehr-Lern-Methoden. Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung<br />

Band 1, Bern: hep verlag ag, 2. Aufl., S. 42-43.<br />

Freepik<br />

56 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 56 20.03.23 16:45


S<br />

Spezifisch<br />

Sind Inhalt und Thema für LV/Modul/<br />

Studienrichtung angepasst – ist eine<br />

didaktische Reduktion nötig?<br />

Das Formulieren von guten Lernergebnissen<br />

klingt leicht, ist jedoch ein komplexer<br />

Prozess, der didaktisches Knowhow<br />

erfordert. Erst dann füllen sich die<br />

Lernergebnisse mit Leben.<br />

M<br />

Messbar<br />

Ist das Lernergebnis konkret,<br />

messbar und überprüfbar?<br />

Wenn Sie Unterstützung bei der Erstellung<br />

von Lernergebnissen benötigen,<br />

wenden Sie sich bitte an:<br />

didaktik@boku.ac.at<br />

A<br />

R<br />

Attraktiv<br />

Relevant<br />

Entspricht das Lernergebnis dem<br />

Niveau B.A./M.A.? Entspricht das<br />

Lernergebnis dem Vorwissen bzw.<br />

den Fähigkeiten der Studierenden?<br />

Relevanz des Lernergebnisses für<br />

LV/Modul/Studienrichtung, Praxis.<br />

Relevanz für den Lernenden.<br />

Wir möchten uns bei Dr. in Olivia Vrabl für<br />

die Bereitstellung der „Verbentabelle“, der<br />

„Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Formulierung<br />

von Lernergebnissen“ sowie für die<br />

textlichen Anmerkungen gemeinsam mit<br />

MMag. a Susanna-Maria Henkel bedanken.<br />

QUELLEN<br />

T<br />

Terminiert<br />

Grafik 2: SMART für Lernergebnisse<br />

den sich auf allen Wissensdimensionen<br />

wieder (siehe auch <strong>BOKU</strong>-Senat).<br />

Modell von Anderson<br />

und Krathwohl (2001)<br />

Anderson und Krathwohl haben die<br />

Bloom’sche Taxonomie überarbeitet. Mit<br />

ihrem Modell von sechs hierarchischen<br />

Lernzielebenen bauen sie auf Bloom<br />

auf, haben aber inhaltliche Änderungen<br />

und einen Zusatz vorgenommen. Das<br />

überarbeitete Modell enthält eine zusätzliche<br />

Wissensdimension. Neben der<br />

faktischen, konzeptuellen und prozeduralen<br />

umfasst das neue Modell auch die<br />

Wissensdimension metakognitiv (Anderson,<br />

2014).<br />

VERBEN zur Beschreibung Ihrer<br />

Lernergebnisse – Learning Outcomes<br />

Um Lernergebnisse konkret zu formulieren,<br />

ist es notwendig, „schweißtreibende<br />

Verben“, sogenannte Aktionsverben zu<br />

verwenden. Diese Verben lösen bei den<br />

Studierenden Handlungen aus, wie z. B.<br />

analysieren oder kritisieren. „Schweißtreibende“<br />

Verben können in Imperativsätze<br />

umgewandelt werden: Sie können<br />

XY analysieren > Analysieren Sie XY!<br />

Erreichbarkeit des Lernergebnisses<br />

in der vorgegebenen Zeit bis zur<br />

Prüfung (ECTS)<br />

Indem Sie Inhalte mit Handlungen verknüpfen,<br />

schaffen Sie eine Kompetenzorientierung.<br />

Schweißtreibende Verben<br />

lösen immer sichtbare Handlungen aus.<br />

Anm.: Verstehen könnte als anstrengende<br />

Tätigkeit eingeordnet werden,<br />

ist aber nicht in eine Aktion umsetzbar.<br />

Dementsprechend ist beim Verstehen<br />

in der Performance nicht leicht eine<br />

Handlung erkennbar, die messbar ist.<br />

Verstehen ist demnach ein sehr schwammiges<br />

Verb, auch wenn dies aufgrund<br />

der intensiven Tätigkeit im Deutschen zu<br />

den Aktionsverben zählt. Im Englischen<br />

etwa ist „understand“ ein Zustandsverb<br />

(Vrabl 2022).<br />

WIE kann man Lernergebnisse –<br />

Learning Outcomes überprüfen?<br />

Ein gutes Lernergebnis ist konkret formuliert<br />

sowie mess- beziehungsweise<br />

überprüfbar. Zur Überprüfung der<br />

Lernergebnisse empfiehlt es sich, eine<br />

bekannte Methode aus dem Projektmanagement<br />

anzuwenden, die SMART-<br />

Methode (siehe Grafik 2). Die einzelnen<br />

Buchstaben stehen für Spezifisch, Messbar,<br />

Attraktiv, Relevant und Terminiert<br />

(Ulrich, 2016).<br />

ÖFG (2018), Positionspapier der Österreichischen<br />

Forschungsgemeinschaft,<br />

„Hochschullehre kompetenzorientiert gestalten“<br />

http://www.oefg.at/wp-content/up-<br />

loads/2018/06/Positionspapier-%C3%96FG-<br />

2018-Kompetenzorientierte-Lehre.pdf<br />

Olivia Vrabl (2016), Tagungsband zum 5. Tag<br />

der Lehre FH St. Pölten, „Kompetenz orientiert<br />

Lehren und Prüfen“ http://skill.fhstp.<br />

ac.at/wp-content/uploads/2016/11/Tagungsband2016.pdf<br />

Olivia Vrabl (2022), „Schritt für Schritt Anleitung<br />

Lernergebnisse“ https://oliviavrabl.<br />

com/pdf/schritt_fuer_schritt_anleitung_<br />

lernergebnisse.pdf<br />

LINKS<br />

<strong>BOKU</strong> Senat<br />

https://boku.ac.at/universitaetsleitung/<br />

senat/boku-studien-fuer-die-zukunft/<br />

lernergebnisse<br />

ECTS Leitfaden (2015)<br />

file:///C:/Users/alstraus/Downloads/<br />

ECTS-Leitfaden%20der%20EU%20<br />

(deutsch,%202015)-3.pdf<br />

DI in Alexandra Strauss-Sieberth, BEd und Verena<br />

Vlajo, BA, MSc. sind beide im Bereich E-Learning<br />

und Didaktik tätig.<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

57<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 57 20.03.23 16:45


Mögliche Herstellungsansätze für den Druckprozess<br />

3D-gedruckte, kreislauffähige Hauswände<br />

aus Holz – von der Vision zur Wirklichkeit<br />

Von Benjamin Kromoser, Sara Reichenbach, Bernhard Reinholz, Roman Myna, Falk Liebner und Rupert Wimmer<br />

Der zunehmende Verbrauch natürlicher<br />

Ressourcen, die Auswirkungen<br />

des Klimawandels<br />

sowie die aktuelle Situation am<br />

Weltmarkt unterstreichen die<br />

Notwendigkeit der Entwicklung einer<br />

realen Kreislaufwirtschaft. Im Fokus liegt<br />

hier die Baubranche, die für einen großen<br />

Anteil beim Ressourcenverbrauch<br />

sowie auch bei den CO 2<br />

-Emissionen<br />

verantwortlich ist. Im Rahmen des Forschungsprojektes<br />

„3DP Biowalls“ werden<br />

mehrere Problemstellungen der Bauindustrie<br />

behandelt, wobei der Hauptfokus<br />

auf der Nutzung nachwachsender<br />

Rohstoffe liegt.<br />

VÖLLIG NEUER ANSATZ<br />

Durch die Kooperation von vier wissenschaftlichen<br />

Instituten sowie drei Unternehmenspartnern<br />

wird ein gänzlich<br />

neuer Ansatz für die Herstellung von<br />

Wandbauteilen mit hohem ökologischen<br />

und ökonomischen Potenzial erarbeitet.<br />

Das Projekt adressiert dabei eine Reihe<br />

aktueller Fragestellungen:<br />

(1) Die weltweite Verknappung von Rohstoffen,<br />

(2) die derzeit weitgehend ineffiziente<br />

Nutzung der Baustoffe,<br />

(3) fehlende Kreislaufansätze bei der<br />

Verwendung nachwachsender Rohstoffe<br />

sowie<br />

(4) die insgesamt niedrige Produktivität<br />

in der Bauindustrie. Betrachtet man<br />

die Automatisierung im Bereich des<br />

Bauens mit nachwachsenden Rohstoffen,<br />

insbesondere mit Holz, so<br />

hinkt der Bausektor im Vergleich<br />

etwa zur Automobilindustrie um etwa<br />

20 bis 30 Jahre hinterher.<br />

KREISLAUFFÄHIG<br />

UND ROBOTERGESTÜTZT<br />

Das Forschungsteam beschäftigt sich<br />

einerseits mit der Entwicklung eines<br />

biobasierten, vollständig kreislauffähigen<br />

Werkstoffs, der ausschließlich aus<br />

nachwachsenden Rohstoffen besteht,<br />

58 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 58 20.03.23 16:45


Erste Probekörper<br />

die vorzugsweise aus Nebenströmen<br />

(zum Beispiel der Papier- und Sägeindustrie)<br />

stammen. Dieses Ziel wird<br />

kombiniert mit der Entwicklung eines<br />

für die Verwendung dieses Materials geeigneten<br />

robotergestützten, additiven<br />

Herstellungsprozesses (3D-Druckverfahren)<br />

für Wandbauteile. Gedruckt wird<br />

eine Mischung aus Lignin, Stärke und<br />

Sägespänen, entweder in Partikelform<br />

oder als Granulat. Die Kombination des<br />

biologischen Werkstoffs mit dem additiven<br />

Herstellungsprozess bedeutet<br />

einen großen Technologiesprung, der<br />

sich deutlich vom derzeitigen Stand der<br />

Technik abhebt. Die Holzabfälle werden<br />

ohne aufwendige Aufbereitung direkt<br />

mit dem Bindemittel aus Lignin und Industriestärke<br />

verbunden. Mit Additiven<br />

kann die Wasser- und Brandbeständigkeit<br />

noch weiter verbessert werden und<br />

die Verwertung von Holzabfällen erhöht<br />

dabei den Holz-Nutzungsgrad deutlich.<br />

Werden die Wandteile nicht mehr benötigt,<br />

können diese dank ihrer Kreislauffähigkeit<br />

vollständig recycelt, das heißt<br />

neu 3D-gedruckt werden – und das ohne<br />

Zusatz neuer Bindemittel.<br />

Das <strong>BOKU</strong>-Forschungsteam wird von<br />

Benjamin Kromoser vom Institut für<br />

Hochbau, Holzbau und kreislaufgerechtes<br />

Bauen (IHB) geleitet, zusammen<br />

mit seinen Mitarbeiter*innen Bernhard<br />

Reinholz, Roman Myna, Lena Holzer und<br />

Sara Reichenbach sowie gemeinsam mit<br />

Rupert Wimmer vom Institut für Holztechnologie<br />

und Nachwachsende Rohstoffe<br />

und Falk Liebner vom Institut für<br />

Chemie Nachwachsender Rohstoffe. Ergänzt<br />

wird das Team durch Stergios Adamopoulos<br />

von der Sveriges Lantbruksuniversitet<br />

wie auch den Firmenpartnern<br />

AustroCel Hallein GmbH, CRS Control &<br />

Robot Service GmbH und Rubner Holzindustrie<br />

GmbH.<br />

Das Forschungsteam v. l. , hinten: Falk Liebner, Rupert Wimmer, Roman Myna;<br />

vorne: Sara Reichenbach, Lena Holzer, Bernhard Reinholz, Benjamin Kromoser<br />

PATENTE UND PREISE<br />

Das verwendete Bindemittel wurde von<br />

der <strong>BOKU</strong> bereits zum Patent angemeldet.<br />

Für den neuartigen Holzwerkstoff<br />

sowie für die Idee des 3D-Druckverfahrens<br />

hat das Forschungsteam bereits den<br />

Niederösterreichischen Innovationspreis<br />

2022 und auch den <strong>BOKU</strong>/tecnet/accent<br />

Innovation Award 2022 erhalten.<br />

Die Forschungsschwerpunkte liegen in<br />

der Materialweiterentwicklung, der chemischen<br />

und physikalisch-mechanischen<br />

Charakterisierung, der Produktionstechnologie<br />

Druckkopfentwicklung, der Entwicklung<br />

des Recyclingprozesses sowie in<br />

einer gesamten ökologischen Bewertung.<br />

Die Forschungsansätze einschließlich<br />

erster Erkenntnisse wurden bereits<br />

publiziert (in: Kromoser et al. (2022):<br />

Circular economy in wood construction<br />

– Additive manufacturing of fully<br />

recyclable walls made of renewables:<br />

Proof of concept and preliminary data,<br />

Construction and Building Materials 344:<br />

128219). Die Ergebnisse aus den ersten<br />

Versuchen belegen die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Materialmischung und zeigen<br />

gleichzeitig Richtungen der weiteren<br />

Forschung auf.<br />

Am Ende des dreijährigen Forschungsprojektes<br />

soll die Konkurrenzfähigkeit<br />

gegenüber anderen Wandbausystemen<br />

gezeigt und die Funktionalität anhand<br />

einer 1:1-Demonstratorwand praktisch<br />

nachgewiesen werden. Durch unsere<br />

Forschung setzt die <strong>BOKU</strong> weitere<br />

Schritte in Richtung Ressourceneffizienz<br />

und Kreislaufwirtschaft in der Baubranche.<br />

Der Einsatz von Bauteilen aus kreislauffähigen<br />

und gleichzeitig biobasierten<br />

nachwachsenden Rohstoffen, die automatisch<br />

mit einem noch nie gesehenen<br />

Ausnutzungsgrad hergestellt werden,<br />

eröffnen neue Dimensionen für die Baubranche.<br />

Als <strong>BOKU</strong> sind wir stolz darauf,<br />

hier Vorreiter für grünes Bauen zu sein<br />

und freuen uns gleichzeitig, dass unsere<br />

Forschung auch viele Studierende begeistern<br />

wird. <br />

•<br />

LINKS<br />

Instagram vom Institut<br />

für Hochbau, Holzbau<br />

und kreislaufgerechtes<br />

Bauen<br />

Circular Economy Paper<br />

Univ.Prof. BSc. DI Dr. Benjamin Kromoser<br />

ist Leiter des Instituts für Hochbau, Holzbau<br />

und kreislaufgerechtes Bauen (IHB),<br />

DI in Dr. in Sara Reichenbach ist Universitätsassistentin,<br />

DI Bernhard Reinholz wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter und DI Roman Myna technischer<br />

Mitarbeiter am IHB. AssocProf. Dipl.-Chem.<br />

Dr. Falk Liebner forscht am Institut für Chemie<br />

nachwachsender Rohstoffe und Univ.Prof. DI Dr.<br />

Rupert Wimmer am Institut für Holztechnologie<br />

und Nachwachsende Rohstoffe.<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

59<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 59 20.03.23 16:45


Die <strong>BOKU</strong> auf Humboldts und Darwins Spuren<br />

Von Thomas Rosenau, Christoph Pfeifer, Regine Schönlechner, Margarita Calderón-Peter<br />

<strong>BOKU</strong> / Pfeifer<br />

Die <strong>BOKU</strong>-Delegation mit Prof. Alex Berg und Dr. Picazo Verdejo an der UdeC.<br />

V<br />

on 12. bis 23. Februar <strong>2023</strong> besuchte<br />

eine <strong>BOKU</strong>-Delegation –<br />

Rektorin Eva Schulev-Steindl, VR in<br />

Nora Sikora-Wentenschuh, Prof. Thomas<br />

Rosenau, Prof. Christoph Pfeifer, Assoc.<br />

Prof. in Regine Schönlechner, PD in Maria<br />

Wurzinger und Dr. in Margarita Calderón-<br />

Peter – Partnerinstitutionen der <strong>BOKU</strong><br />

in Chile, Peru und Ecuador, um Kooperationsverträge<br />

zu verlängern und Ideen<br />

für neue Projekte zu entwickeln.<br />

Mit der Universidad de Concepción<br />

(UdeC), Chile, besteht schon eine seit<br />

über zehn Jahre währende Zusammenarbeit,<br />

unter anderem auf dem Gebiet<br />

der Chemie und Technologie nachwachsender<br />

Rohstoffe. Prof. Alex Berg von<br />

der UdeC, der gleichzeitig Direktor des<br />

der Universität angeschlossenen Biomasse-Forschungsinstituts<br />

UDT (Unidad<br />

de Desarrollo Tecnologico) ist, verbindet<br />

eine langjährige gute Kooperation mit<br />

der <strong>BOKU</strong>. Im Jahr 2020 war er <strong>BOKU</strong>-<br />

Gastprofessor am Institut für Chemie<br />

nachwachsender Rohstoffe.<br />

Im UDT, als technologischer Partner,<br />

werden technologische Lösungen für<br />

große und kleine Unternehmen entwickelt.<br />

Dazu steht ein Technikum in<br />

großem Maßstab zur Verfügung, das<br />

mit seiner Ausstattung und Vielfältigkeit<br />

international seinesgleichen sucht.<br />

Wichtige Verfahren der Biomasse-, Cellulose-<br />

und Lignin-Verarbeitung können<br />

hier nachgestellt und optimiert werden;<br />

der modulare Aufbau stellt eine hohe<br />

Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sicher<br />

und ermöglicht es, neue Konzepte<br />

und Ideen im Pilotmaßstab „auszuprobieren“.<br />

Gerade diese Entwicklungsstufe<br />

von technologischen Innovationen – zwischen<br />

universitärem Labormaßstab und<br />

industrieller Anwendung gelegen – ist<br />

es, die in Europa oft fehlt und an der viele<br />

bereits ausoptimierte und eigentlich<br />

marktreife Entwicklungen letztendlich<br />

scheitern. Auf der anderen Seite gibt<br />

es am UDT einen großen Bedarf an begleitender<br />

physikochemischer Analytik<br />

und an Grundlagenuntersuchungen zu<br />

chemischen Konversionsprozessen.<br />

Aus den beidseitigen Interessen ergaben<br />

sich dann auch zahlreiche Ansatzpunkte<br />

für eine Intensivierung der Zusammenarbeit.<br />

Die auf <strong>BOKU</strong>-Seite prominente<br />

Analytik und Chemie nachwachsender<br />

Rohstoffe wird auf UDT-Seite geschätzt<br />

und benötigt – bei den Apparaturen im<br />

Pilotmaßstab ist es umgekehrt. Bereits<br />

während des Besuches konnten so zwei<br />

ganz konkrete Projekte, zur Ligninanalytik<br />

mit hohem Probendurchsatz und zu<br />

auf Tanninen basierenden Dämmstoffen,<br />

andiskutiert und vereinbart werden, in<br />

der Woche nach dem Besuch wurden<br />

schon erste Daten und Versuchsschemata<br />

ausgetauscht.<br />

An der Universidad de Concepción wurden<br />

weiters mögliche Kooperationen in<br />

Lehre und Forschung im Bereich Lebensmittel-<br />

und Biotechnologie diskutiert;<br />

nachfolgende Online-Gespräche wurden<br />

dazu schon vereinbart.<br />

Die Nutzbarmachung von natürlichen<br />

Ressourcen sowie von Abfallströmen<br />

60 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 60 20.03.23 16:45


ist in den drei besuchten lateinamerikanischen<br />

Ländern sehr unterschiedlich<br />

ausgeprägt. Am Technology Development<br />

Unit (UDT, https://en.udt.cl/) der<br />

Universidad de Concepción in Chile<br />

forschen 85 Wissenschaftler*innen im<br />

Bereich von Bioenergie und Biomaterialien<br />

sowie an der Nutzbarmachung<br />

von Abfallkunststoffen, mit dem Ziel,<br />

marktfähige Prozesse und Produkte bereitzustellen.<br />

Im Gegensatz dazu sind<br />

in Peru und Ecuador (Galapagos) die<br />

Themen Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft<br />

noch ausbaufähig und viele<br />

„low-hanging-fruits“ greifbar: getrennte<br />

Abfallsammlung, effiziente thermische<br />

Nutzung, Nährstoffrecycling, Abwasseraufbereitung.<br />

Ähnliches gilt auch für die Universidad<br />

Austral de Chile, mit deren Dekan der<br />

Agrar- und Lebensmittelwissenschaftlichen<br />

Fakultät (Prof. José Dörner Fernández)<br />

die Delegation über Kooperationsmöglichkeiten<br />

in den Bereichen<br />

Biotechnologie, Pflanzen-, Nutztier-,<br />

und Lebensmittelwissenschaften, Biogas,<br />

Photovoltaikanlagen sowie Ländliche<br />

Entwicklung sprach. Bisher hatte die<br />

<strong>BOKU</strong> mit dieser Universität vor allem<br />

Projekte im Bereich der Bodenforschung<br />

und Geologie, dies soll nun auf die anderen<br />

genannten Fachbereiche, aber auch<br />

auf Forstwissenschaften und nachwachsende<br />

Rohstoffe ausgeweitet werden.<br />

Die fachlich umfassendste Kooperation<br />

der <strong>BOKU</strong> besteht seit über 25 Jahren<br />

mit der Universidad Nacional Agraria La<br />

Molina (UNALM) in Peru, mit der Studierenden-<br />

und Lehrendenaustausch<br />

sowie Lehr- und Forschungsprojekte zu<br />

den Themenfeldern Lebensmittelwissenschaften,<br />

Nutztierwissenschaften, Abfall-<br />

und Abwassermanagement, Umweltbiotechnologie,<br />

ökologischer Landbau,<br />

Agrar-Ökologie, Bodenforschung und<br />

Wirtschaftswissenschaften durchgeführt<br />

werden. An der UNALM wird der Bereich<br />

der chemischen Nutzung nachwachsender<br />

Rohstoffe erst aufgebaut, wobei man<br />

sich einerseits auf die Gewinnung von<br />

nanostrukturierten (nanofibrillierten und<br />

nanokristallinen) Cellulosen konzentrieren<br />

will, andererseits auf die bisher kaum<br />

untersuchten bioaktiven Inhaltsstoffe<br />

südamerikanischer endemischer Pflanzen.<br />

Die zukünftige Zusammenarbeit, die bei<br />

der Besichtigung des „Pulp and Paper<br />

Laboratory“ besprochen wurde, soll sich<br />

folgerichtig auf diese beiden Bereiche<br />

konzentrieren: Unterstützung beim Aufbau<br />

und Ausbau der (Nano-)Cellulosegewinnung<br />

und -charakterisierung durch<br />

die <strong>BOKU</strong> einerseits und gemeinsame<br />

Studien zu Wertstoffen aus endemischen<br />

peruanischen Pflanzen andererseits, sowohl<br />

in Richtung möglicher pharmazeutischer<br />

Leitstrukturen als auch in Hinsicht<br />

von in größerer Menge verfügbaren<br />

und nutzbaren Extraktstoffen.<br />

Im Fachbereich Food Science besteht<br />

zwischen den beiden Universitäten schon<br />

seit einigen Jahren eine erfolgreiche<br />

Kooperation, vor allem zum Thema Getreidewissenschaften<br />

sind daraus einige<br />

gemeinsame Arbeiten entstanden. Zwischen<br />

beiden Universitäten besteht ein<br />

großes gemeinsames Interesse an den<br />

Cultivos Andinos (=andine Kulturpflanzen).<br />

Während dieser Reise wurden neue<br />

Kontakte geknüpft und in zahlreichen<br />

persönlichen Gesprächen mit Personen<br />

aus dem Bereich Lebensmittelwissenschaften,<br />

aber auch von der Fakultät für<br />

Wirtschaft, sind einige interdisziplinäre<br />

Ideen und Pläne für künftige gemeinsame<br />

Arbeiten konkretisiert worden, etwa<br />

die gemeinsame Betreuung und wechselseitige<br />

Beratung von einigen Masterarbeiten<br />

und einer Dissertation. Ob es<br />

diesen Studierenden möglich sein wird,<br />

für einen Forschungsaufenthalt an die<br />

jeweilige andere Universität zu reisen,<br />

hängt wesentlich davon ab, ob es dafür<br />

ausreichende Fördergelder geben wird,<br />

was vor allem für die peruanischen Studierenden<br />

eine große Herausforderung<br />

darstellt, da es kaum entsprechende Stipendien<br />

gibt.<br />

Das Thema der Stipendien- und Projektförderungen<br />

zwischen Peru und Österreich<br />

wurde auch bei einem Treffen<br />

in der Residenz des österreichischen<br />

Botschafters Mag. Gerhard Zettl mit<br />

Vertreter*innen des peruanischen Bildungs-<br />

und Außenministeriums sowie<br />

der EU-Vertretung in Lima diskutiert;<br />

weiters gab es dabei auch Gelegenheit,<br />

mit einer der Fotografinnen der Publikation<br />

„10 Jahre Biosphärenreservat<br />

Oxapampa-Asháninka-Yánesha“, die im<br />

Rahmen eines Projekts der Arbeitsgruppe<br />

„Wissenssysteme und Innovationen“<br />

am Department für Nachhaltige Agrarsysteme<br />

erstellt wurde, zu sprechen.<br />

Als letzter Programmpunkt stand Ecuador<br />

am Programm. Mit der Universidad<br />

Central de Ecuador (UCE) hat die <strong>BOKU</strong><br />

seit 2021 ein Abkommen. Mit der Zweigstelle<br />

der UCE auf den Galapagos-Inseln<br />

ergeben sich Kooperationsmöglichkeiten<br />

in den Fachbereichen Biologie/Zoologie<br />

sowie nachhaltiger Tourismus. Für die auf<br />

den Galapagos-Inseln durchgeführten<br />

Projekte wurde zusätzlich ein Abkommen<br />

mit der Nationalparkverwaltung<br />

abgeschlossen.<br />

Auf dieser Reise wurde auch ein neues<br />

Abkommen mit der Charles Darwin<br />

Foundation in Puerto Ayora unterzeichnet,<br />

damit <strong>BOKU</strong>-Studierende und<br />

-Lehrende Forschungsaufenthalte und<br />

Projekte, insbesondere im Bereich der<br />

Bodenforschung und Geologie, durchführen<br />

können. Da die Böden auf Galapagos<br />

zu sehr unterschiedlichen Zeiten<br />

entstanden sind und bis vor Kurzem noch<br />

nicht intensiv erforscht wurden, ergeben<br />

sich spannende Forschungsfragen.<br />

Die <strong>BOKU</strong> trägt seit 2016 durch die<br />

gemeinsamen Projekte dazu bei, komplexe<br />

Ökosystemfunktionen besser zu<br />

verstehen und das Management landwirtschaftlicher<br />

Böden zu optimieren.<br />

Erste Ergebnisse dieser Forschungsaktivitäten<br />

wurden im Film „Galapagos-<br />

Unter der Oberfläche“ im Rahmen eines<br />

<strong>BOKU</strong>-DOKU-Studierendenprojekts mit<br />

<strong>BOKU</strong>-Mitarbeiter*innen zusammengefasst<br />

– die Uraufführung des Films mit<br />

spanischen Untertiteln fand in Anwesenheit<br />

der beteiligten Forschenden und der<br />

<strong>BOKU</strong>-Delegation am 20. Februar in der<br />

Stadthalle von Puerto Ayora statt. •<br />

Die Kooperationsmöglichkeiten mit den genannten<br />

Ländern und Universitäten sind vielfältig<br />

und können hier gar nicht umfassend<br />

dargestellt werden – bitte melden Sie sich<br />

bei Interesse an näheren Informationen zu<br />

den Fördermöglichkeiten für Mobilitäten und<br />

Projekte bei Dr. in Margarita Calderón-Peter<br />

margarita.calderon-peter@boku.ac.at.<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

61<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 61 20.03.23 16:45


Neuer <strong>BOKU</strong>-Universitätsrat wählt<br />

Josef Plank zum Vorsitzenden<br />

Von Bettina Fernsebner-Kokert<br />

Der neue Universitätsrat der Universität für Bodenkultur Wien ist am 10. März <strong>2023</strong> erstmals zusammengetreten<br />

und hat in seiner konstituierenden Sitzung Josef Plank zum Vorsitzenden gewählt, als sein<br />

Stellvertreter wurde Andreas Januskovecz bestellt. Wir haben die sieben neuen Mitglieder nach ihrer<br />

Verbundenheit mit der <strong>BOKU</strong> und ihrer Zukunftsperspektive für die Uni gefragt.<br />

Österr. Raiffeisenverband<br />

DI Josef Plank<br />

Vorsitzender des Universitätsrates<br />

Leiter der Abteilung Wirtschafts-,<br />

Agrar- und Europafragen des<br />

Österreichischen Raiffeisenverbandes<br />

MA49/Christian Fürthner<br />

OSR DI<br />

Andreas<br />

Januskovecz<br />

Stv. Vorsitzender<br />

des Unirates<br />

Klima- und<br />

Forstdirektor<br />

der Stadt Wien<br />

Was verbindet Sie mit der <strong>BOKU</strong>?<br />

Als Absolvent der <strong>BOKU</strong> blicke ich auf meine Zeit als Student hier mit sehr positiven<br />

Erinnerungen zurück. Der Geist, der einem hier mitgegeben wird, hat in meinem<br />

Berufsleben auch oft dazu geführt, dass man in den unterschiedlichsten fachlichen<br />

Bereichen gerne und immer wieder auf die hohe Kompetenz der <strong>BOKU</strong> zurückgreift.<br />

Ich habe also eine mittlerweile bereits jahrzehntelange Verbindung zu meiner Universität.<br />

Warum ist ein Studium hier eine Investition in die persönliche und gesellschaftliche<br />

Zukunft?<br />

Ich denke, dass die <strong>BOKU</strong> bei den wesentlichen Fragen, die die Gesellschaft in<br />

der Zukunft vor sich hat, vorne dabei ist – bei den großen Themen Nachhaltigkeit<br />

und Klimaveränderung. Aber gleichzeitig hat die <strong>BOKU</strong> auch Antworten in den<br />

Kernkompetenzen, die die Uni über die letzten Jahrzehnte hinweg ausmachen:<br />

Beginnend von Landwirtschaft und Forstwirtschaft bis zur Lebensmittelproduktion<br />

und darüber hinaus. Gleichzeitig erwirbt man als Studierende*r hier nicht nur<br />

Fachwissen, sondern auch Methodik, lernt, wie die Dinge miteinander verbunden<br />

sind. Was das Studium an der <strong>BOKU</strong> zudem immer noch auszeichnet: Man lernt<br />

den Blick fürs Ganze und nicht nur fürs Detail. Das halte ich für enorm wichtig und<br />

ist auch für junge Menschen, die hier studieren, interessant, weil man mit diesen<br />

<strong>BOKU</strong>-Kompetenzen immer auch noch andere Wege gehen kann. Das macht diese<br />

Universität aus.<br />

Wo sehen Sie die <strong>BOKU</strong> in fünf Jahren?<br />

In fünf Jahren sehe ich die <strong>BOKU</strong> mitten im globalen Diskurs rund um die Frage, wie<br />

es weiter geht. Dass die <strong>BOKU</strong> als Universität mit ihrer wissenschaftlichen Kompetenz<br />

gefragt und gefordert wird, Antworten zu geben – oft nicht nur rein fachliche,<br />

sondern vernetzte Antworten, die auch umsetzbar sind, das ist komplex und nicht<br />

immer einfach, aber darin wird die <strong>BOKU</strong> einen noch höheren Stellenwert haben.<br />

Gleichzeitig werden wir in den kommenden Jahren auch Stressfaktoren haben, wie<br />

Ressourcenknappheit oder Teuerung – die machen vor einer Universität natürlich<br />

auch nicht halt, aber ich bin sehr optimistisch, dass wir das gemeinsam gut hinbekommen<br />

werden.<br />

Was verbindet Sie mit der <strong>BOKU</strong>?<br />

Sehr viel! Meine Ausbildung hier und viele<br />

berufliche und private Kontakte, einige<br />

davon haben sich zu Freundschaften weiterentwickelt.<br />

Außerdem habe ich einen<br />

wesentlichen Teil meiner persönlichen<br />

und beruflichen Entwicklung der <strong>BOKU</strong><br />

zu verdanken. Seit Kurzem verbindet mich<br />

zusätzlich meine Funktion als Unirat in<br />

ganz besonderer Weise mit meiner <strong>BOKU</strong>.<br />

Warum ist ein Studium hier eine Investition<br />

in die persönliche und gesellschaftliche<br />

Zukunft?<br />

Es sind die großen gesellschaftlichen<br />

Fragen unserer Zeit, die von Forschung<br />

und Lehre an der <strong>BOKU</strong> behandelt werden.<br />

Die drei Säulen der <strong>BOKU</strong>, gemeinsam<br />

mit höchster Innovationskraft und<br />

guten Standortvoraussetzungen, sind<br />

wesentliche Erfolgsfaktoren in der Zukunft.<br />

Alles zusammen macht ein Studium<br />

an der <strong>BOKU</strong> hochattraktiv.<br />

Wo sehen Sie die <strong>BOKU</strong> in fünf Jahren?<br />

Es werden laufend wesentliche gesellschaftliche<br />

Fragen behandelt und in der<br />

weltweiten Forschungscommunity diskutiert.<br />

Die dafür notwendigen Ressourcen<br />

stehen ausreichend zur Verfügung und<br />

alle externen und internen Player und<br />

Partner*innen der <strong>BOKU</strong> arbeiten immer<br />

besser zum Wohle der Studierenden, der<br />

Mitarbeiter*innen und der Führungskräfte<br />

der Alma mater viridis zusammen.<br />

62 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 62 20.03.23 16:45


Mathias Heisler<br />

Prof. in Dr. in<br />

Michaela Zint<br />

Universitätsprofessorin<br />

für<br />

Environmental<br />

Education and<br />

Communication,<br />

Associate Dean<br />

for Academic<br />

Affairs, School<br />

for Environment & Sustainability (SEAS),<br />

University of Michigan (UM)<br />

Was verbindet Sie mit der <strong>BOKU</strong>?<br />

Obwohl ich Österreich vor vielen Jahren<br />

verlassen habe, habe ich die <strong>BOKU</strong> immer<br />

im Blick behalten, da sie Österreichs führende<br />

Universität in den Bereichen natürliche<br />

Ressourcen, Biowissenschaften und<br />

Nachhaltigkeit ist. Als Fakultätsmitglied<br />

an einer – aus meiner Sicht ähnlichen –<br />

Institution in den USA bin ich oft auf führende<br />

Beiträge der <strong>BOKU</strong> in Forschung,<br />

Lehre, Third-Mission gestoßen. Auch den<br />

zukunftsweisenden und ganzheitlichen<br />

Ansatz zu Nachhaltigkeit habe ich interessiert<br />

mitverfolgt. Beeindruckt haben mich<br />

auch die Qualitäten der Lehrenden, Studierenden,<br />

Mitarbeiter*innen und Alumni<br />

sowie ihr starkes Gemeinschaftsgefühl<br />

und Engagement für die <strong>BOKU</strong>.<br />

Warum ist ein Studium hier eine Investition<br />

in die persönliche und gesellschaftliche<br />

Zukunft?<br />

Die Menschheit stößt an die planetaren<br />

Grenzen. Heutige und künftige Generationen<br />

von Studierenden müssen nicht<br />

nur „wicked challenges“ wie den Klimawandel<br />

verstehen, sondern auch darauf<br />

vorbereitet sein, diese durch ein umfassendes<br />

Set an interdisziplinären, innovativen<br />

Lösungen anzugehen. Die <strong>BOKU</strong><br />

ist DIE Universität in Österreich, an der<br />

Studierende darauf vorbereitet werden,<br />

die bestmöglichen Führungskräfte zu<br />

sein, um die Gesellschaft in Richtung<br />

einer nachhaltigen Zukunft zu verändern.<br />

Darüber hinaus leben die <strong>BOKU</strong> und die<br />

<strong>BOKU</strong>-Angehörigen, was sie predigen:<br />

Sie wissen, dass es wichtig ist, die notwendigen<br />

Veränderungen vorzuleben.<br />

Wo sehen Sie die <strong>BOKU</strong> in fünf Jahren?<br />

Ich schätze die bereits laufenden Bemühungen<br />

zur Verbesserung der Lehre und<br />

TU Graz / Robert Frankl<br />

des Lernens sehr. Sie zielen darauf ab, die<br />

Studierbarkeit – insbesondere für Studierende<br />

der ersten Generation – zu verbessern,<br />

und lebenslanges Lernen, Digitalisierung<br />

und Internationalisierung zu fördern.<br />

All diese Aspekte sind entscheidend, um<br />

die derzeitigen Studierenden, Alumni<br />

und andere gesellschaftliche Führungskräfte<br />

zu unterstützen, die komplexen<br />

Nachhaltigkeitsherausforderungen, vor<br />

denen wir stehen, zu bewältigen. Es muss<br />

sichergestellt werden, dass sie über die<br />

notwendigen Kompetenzen verfügen, um<br />

die dafür dringend erforderlichen Veränderungen<br />

herbeizuführen. Ich freue mich<br />

darauf, mit meinem Fachwissen, das ich<br />

insbesondere in den Bereichen Umwelt<br />

und Nachhaltigkeit, einschließlich Klimabildung,<br />

einbringen kann, einen Beitrag<br />

zu diesen Zielen zu leisten.<br />

DI in Edith<br />

Klauser<br />

Geschäftsführerin<br />

Nationalpark<br />

Donau-Auen<br />

GmbH<br />

Was verbindet Sie mit der <strong>BOKU</strong>?<br />

Als Absolventin der <strong>BOKU</strong> bin ich seit<br />

meinem Studium mit der <strong>BOKU</strong> verbunden<br />

geblieben. Ich habe während meines<br />

Studiums eine sehr gute, profunde Ausbildung<br />

erhalten, aber auch Kontakte und<br />

Freundschaften geknüpft, die bis heute<br />

Bestand haben. Die <strong>BOKU</strong> zeichnet sich<br />

vor allem durch die besondere Kombination<br />

von naturwissenschaftlich-technischen<br />

und ökologischen Expertisen aus.<br />

Persönlich habe ich zudem den interdisziplinären<br />

Ansatz im Bereich der Lehre und<br />

Forschung sowie die zukunftsorientierte<br />

Ausrichtung geschätzt. Als Direktorin für<br />

den Nationalpark Donau-Auen freue ich<br />

mich über die gute Kooperation mit verschiedensten<br />

Departments der <strong>BOKU</strong>.<br />

Wir setzen gemeinsame Forschungsvorhaben<br />

um, fördern universitäre Exkursionen,<br />

Praktika, Master- und Doktorarbeiten.<br />

Die Vernetzung und vor allem<br />

der fachliche Austausch fördert in diesem<br />

konkreten Fall die Weiterentwicklung der<br />

Schutzgebiete.<br />

Warum ist ein Studium hier eine Investition<br />

in die persönliche und gesellschaftliche<br />

Zukunft?<br />

Die <strong>BOKU</strong> besetzt heute sehr wichtige<br />

Kompetenzfelder zur Erhaltung ganz wesentlicher<br />

Lebensgrundlagen. Sie ermöglicht<br />

eine gesamtheitliche Betrachtung<br />

und Erarbeitung von Lösungsansätzen<br />

für eine Vielzahl von Problemstellungen.<br />

Die Studierenden finden ein großes<br />

Angebot an Studienrichtungen vor, die<br />

sich mit den Herausforderungen unserer<br />

Zeit auseinandersetzen. An der <strong>BOKU</strong><br />

bekommen die Studierenden das Rüstzeug<br />

für ihre weitere berufliche Laufbahn:<br />

ein profundes Expert*innenwissen,<br />

Methodenkompetenz und die Fähigkeit<br />

zur Kooperation. Man lernt größere Zusammenhänge<br />

zu verstehen, Probleme<br />

zu erkennen und Lösungen zu entwickeln.<br />

Alles basierend auf dem Grundverständnis<br />

der Nachhaltigkeit. Diese Aspekte<br />

machen ein Studium an der <strong>BOKU</strong> sehr<br />

attraktiv.<br />

Wo sehen Sie die <strong>BOKU</strong> in fünf Jahren?<br />

Die <strong>BOKU</strong> hat ein besonderes Profil<br />

und als University of Natural Resources<br />

and Life Sciences, Vienna, einen . einen<br />

ebenso hohen internationalen Rang.<br />

Die <strong>BOKU</strong> ist sicherlich eine der besten<br />

Nachhaltigkeitsuniversitäten Europas,<br />

in der Exzellenz in Forschung und Lehre<br />

eine besondere Bedeutung erhält. Die<br />

<strong>BOKU</strong> hat gerade ihr 150-jähriges Jubiläum<br />

gefeiert und in diesem Kontext<br />

den Slogan „150 Jahre nachhaltig vorausschauen“<br />

geschaffen. Die Universität<br />

setzt sich mit den großen Zukunftsthemen<br />

wie Ernährungssicherheit, Ressourcenknappheit,<br />

Klimawandel auseinander,<br />

greift die Probleme auf und versucht Lösungen<br />

zu finden. Durch ihre ganzheitliche<br />

Herangehensweise hat die <strong>BOKU</strong> ein<br />

Alleinstellungsmerkmal und schafft für<br />

die Gesellschaft eine wertvolle Wissensbasis<br />

und für die Absolvent*innen einen<br />

erfolgreichen Start ins Berufsleben.<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

63<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 63 20.03.23 16:45


TU Graz / Robert Frankl<br />

Em.O.Univ.<br />

Prof. DI Dr.<br />

Hans Sünkel<br />

Rektor emeritus<br />

der TU Graz<br />

Was verbindet Sie mit der <strong>BOKU</strong>?<br />

Die <strong>BOKU</strong> ist aus ihrem Selbstverständnis<br />

heraus eine technische Universität<br />

– ich komme aus dem Bereich der Technik<br />

und habe viele Jahre die TU Graz<br />

geleitet. Wir haben also fachliche Verbindungen<br />

zwischen den technischen<br />

Universitäten und der <strong>BOKU</strong> – aber auch<br />

persönliche Verbindungen: Ich denke<br />

an die Riege der Professor*innen, insbesondere<br />

der Rektor*innen der letzten<br />

Zeit. Was mich auch noch mit der<br />

<strong>BOKU</strong> verbindet: Wilhelm Exner war<br />

einer der ersten Rektoren der <strong>BOKU</strong><br />

und ich organisiere die Wahl zur Vergabe<br />

der Wilhelm-Exner-Medaille. Und<br />

noch eine Verbindung: Ich bin privat<br />

Waldbesitzer in der Obersteiermark<br />

und habe ein Nahverhältnis zum Thema<br />

Nachhaltigkeit.<br />

Warum ist ein Studium hier eine Investition<br />

in die persönliche und gesellschaftliche<br />

Zukunft?<br />

Prinzipiell verstehe ich jedes Studium als<br />

Investition in die eigene Persönlichkeit<br />

und letztlich auch in die Gesellschaft. An<br />

der <strong>BOKU</strong> mit ihrem reichen Studienangebot<br />

und dem riesigen Portfolio, das sie<br />

anbietet, ist die Situation noch eine viel<br />

bessere, weil ein Studium an der <strong>BOKU</strong><br />

praktisch eine Vollkaskoversicherung darstellt.<br />

<strong>BOKU</strong>-Studierende sind am Arbeitsmarkt<br />

gefragt, eine super Situation,<br />

noch dazu vor dem Hintergrund, dass wir<br />

derzeit mit den Grand Challenges – den<br />

großen Herausforderungen der Gesellschaft<br />

– nicht nur regional, sondern global<br />

zu arbeiten haben. Jede*r Absolvent*in<br />

kann sich somit weltweit das Beste vom<br />

Besten aussuchen.<br />

Wo sehen Sie die <strong>BOKU</strong> in fünf Jahren?<br />

Die <strong>BOKU</strong> versteht sich derzeit als eine<br />

führende Life-Sciences-Universität in<br />

Europa. Ich hoffe und würde mir sehr<br />

Heribert Corn / Zsolnay Verlag<br />

wünschen, dass sie dann nicht nur eine,<br />

sondern DIE beste Universität für Nachhaltigkeit<br />

ist.<br />

Katharina<br />

Rogenhofer,<br />

MSc.<br />

Autorin, Klimaaktivistin<br />

und<br />

Mitbegründerin<br />

von Fridays For<br />

Future Österreich<br />

Was verbindet Sie mit der <strong>BOKU</strong>?<br />

Was mich mit der <strong>BOKU</strong> verbindet, ist<br />

der Anfang von Fridays for Future. Viele<br />

Forschende an der <strong>BOKU</strong> waren auch bei<br />

Scientists for Future dabei, damit für uns<br />

Aktivist*innen eine wichtige Ressource,<br />

um Wissen und wissenschaftliche Studien<br />

richtig einzuordnen – aber auch um<br />

dieses „listen to the science“ nach außen<br />

zu tragen. Es gab aber auch mehrere<br />

Überschneidungen mit Studierenden der<br />

<strong>BOKU</strong>, die in der Klimabewegung aktiv<br />

geworden sind. Ich war aber auch bei den<br />

Hörsaalbesetzungen eingeladen. Was<br />

mich sehr mit der <strong>BOKU</strong> verbindet, ist,<br />

dass es an der <strong>BOKU</strong> viele Leute gibt, die<br />

gestalten wollen. Mit dem Zentrum für<br />

Globalen Wandel und Nachhaltigkeit hat<br />

die <strong>BOKU</strong> ein Kompetenzzentrum für die<br />

wichtigen Transformationen. Da sehe ich<br />

die <strong>BOKU</strong> als Vorreiterin, die dazu viel<br />

beitragen kann.<br />

Warum ist ein Studium hier eine Investition<br />

in die persönliche und gesellschaftliche<br />

Zukunft?<br />

Die <strong>BOKU</strong> nimmt ihre Aufgabe, junge<br />

Leute heranzubilden, um selbstbestimmt<br />

mitzugestalten, wahr. Es gibt ein großes<br />

Potenzial an Studiengängen an der <strong>BOKU</strong>,<br />

die genau die großen Fragen an die Zukunft<br />

angehen. Dazu gehört, die naturwissenschaftlichen<br />

Komponenten mit einem<br />

Systemwissen zu verknüpfen und ein Verständnis<br />

für die Komplexität zu gewinnen.<br />

Bezüglich der neuen Studienplan-Entwicklungen<br />

und der neuen Masterstudien<br />

ist durchaus noch Potenzial nach oben,<br />

um Studierenden alle Werkzeuge in die<br />

Hand zu geben, mit den großen Herausforderungen<br />

umgehen zu können.<br />

Mitja Kobal<br />

Wo sehen Sie die <strong>BOKU</strong> in fünf Jahren?<br />

Die <strong>BOKU</strong> darf durchaus größer und<br />

diverser werden, damit sie noch mehr<br />

Menschen aus den verschiedensten Bildungshintergründen,<br />

Schichten, Klassen<br />

etc. anspricht – um der demokratiepolitischen<br />

Aufgabe einer Uni gerecht<br />

zu werden, neben Bildung und wissenschaftlichem<br />

Verständnis auch Mitsprache<br />

zu vermitteln.<br />

Mag. a<br />

Michaela<br />

Krömer LL.M.<br />

(Harvard)<br />

Rechtsanwältin<br />

(Kanzlei Krömer)<br />

Was verbindet Sie mit der <strong>BOKU</strong>?<br />

Ich durfte in meiner Arbeit als Klimaanwältin<br />

oft von der angewandten und<br />

lösungsorientierten Expertise zahlreicher<br />

Wissenschaftler*innen der <strong>BOKU</strong><br />

profitieren. Insofern verbindet mich mit<br />

der <strong>BOKU</strong> das Streben nach fachlich<br />

fundierten und ganzheitlichen Lösungsansätzen<br />

für eine nachhaltige Zukunft.<br />

Warum ist ein Studium hier eine Investition<br />

in die persönliche und gesellschaftliche<br />

Zukunft?<br />

Weil die <strong>BOKU</strong> zahlreiche Möglichkeiten<br />

bietet, ganzheitliche Lösungsansätze<br />

kennenzulernen und mitzugestalten. Wir<br />

stecken mitten in einer Klima- und Biodiversitätskrise,<br />

das heißt großen Systemänderungen.<br />

Ein Studium an der <strong>BOKU</strong><br />

bietet das Rüstzeug, diese unvermeidbaren<br />

Veränderungen aktiv und positiv<br />

mitzugestalten.<br />

Wo sehen Sie die <strong>BOKU</strong> in fünf Jahren?<br />

Als tonangebende Universität für wissenschaftlich<br />

fundierte und umsetzbare<br />

Lösungen zur Bewältigung der Klimaund<br />

Biodiversitätskrise. Als Universität,<br />

die Menschen unabhängig von ihrer<br />

Herkunft, Geschlecht und Vermögen<br />

die gleichen Chancen bietet, ihre Fähigkeiten<br />

für eine bessere Zukunft zu<br />

entfalten.<br />

•<br />

64 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 64 20.03.23 16:45


SPLITTER<br />

Landschaft lernen <strong>2023</strong><br />

Entwerfen an der <strong>BOKU</strong> –<br />

Visionen für die Zukunft<br />

Von Julia Backhausen-Nikolić, Roland Tusch<br />

Landschaftsarchitekt*innen entwerfen Freiräume für eine<br />

lebenswerte Zukunft. Durch den Klimawandel steht die Freiraumgestaltung<br />

vor neuen Herausforderungen. Lange Trockenphasen,<br />

große Niederschlagsmengen und Hitzeperioden<br />

müssen in der nachhaltigen Planung und Gestaltung mitgedacht<br />

werden. Wie der Lebensraum der Zukunft aussehen<br />

kann, zeigten Studierende des Bachelor- und Masterstudiums<br />

Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur in der Ausstellung<br />

Landschaft lernen <strong>2023</strong>.<br />

Seit 2016 veranstaltet das Institut für Landschaftsarchitektur<br />

jährlich am Ende des Wintersemesters eine Ausstellung der<br />

Entwurfslehre an der <strong>BOKU</strong>. Im Jänner wurden aus sieben<br />

Lehrveranstaltungen rund 150 individuelle Projekte für die<br />

Neugestaltung konkreter Freiräume präsentiert. Die Aufgabenstellungen<br />

reichten vom Entwurf urbaner Freiräume<br />

in Stadtentwicklungsgebieten bis zu Projekten für den ländlichen<br />

Raum. Die Studierenden präsentierten ihre visionären<br />

Lösungen für klimafitte und nachhaltige Lebensräume in<br />

Kurzvorträgen, Plakaten und Modellen. Darunter eine Entwurfsaufgabe<br />

in Kooperation mit dem Institut für Ingenieurbiologie<br />

und Landschaftsbau für die Erweiterung der <strong>BOKU</strong><br />

in der Borkowskigasse. Die Projekte zeigen Lösungen, die<br />

den Campuscharakter der Türkenschanze und die Identität<br />

der <strong>BOKU</strong> stärken. Alle Entwurfsprojekte der Studierenden<br />

können in der Online-Ausstellung auf der Website des Instituts<br />

für Landschaftsarchitektur besichtigt werden.<br />

<strong>BOKU</strong> auf TikTok<br />

Die <strong>BOKU</strong> ist nun auch auf TikTok vertreten, der weltweit<br />

führenden Plattform für kurze Videos auf dem Smartphone.<br />

Nachdem sich die Uni dank unseres Socia-Media-Mana gers<br />

Jakob Vegh bereits auf den Social-Media-Plattformen<br />

Facebook, LinkedIn, Twitter und Instagram etabliert hat,<br />

haben wir mit Sarah Frantz und Maximilian Roitner unsere<br />

<strong>BOKU</strong>-TikToker gefunden, die zielgruppengerecht informieren<br />

und unterhalten. Mit den Social-Media-Aktivitäten<br />

sollen die Vielseitigkeit der Universität gezeigt und den<br />

User*innen ein buntes, lebensnahes Bild der <strong>BOKU</strong> als<br />

zukunftsorientiertem Ort für Studium, Lehre, Wissenschaft<br />

und Arbeit präsentiert werden. Die <strong>BOKU</strong> ist nun auch<br />

Vorreiterin für eine neue, authentische Art der Kommunikation<br />

mit Studie renden und zukünftigen Studierenden<br />

in den Sozialen Medien.<br />

https://boku.ac.at/rali/ila/veranstaltungen-1/<br />

landschaft-lernen/landschaft-lernen-<strong>2023</strong><br />

Let’s go & follow<br />

https://tiktok.com/@bokuvienna<br />

Dominik Rosner<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

65<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 65 20.03.23 16:45


GENDER &<br />

DIVERSITY<br />

Barrierefreiheit ohne „Wenn“und„Aber“<br />

Warum uns die Umsetzung im (Uni-)<br />

Alltag immer noch schwer fällt Von Ruth Scheiber-Herzog<br />

CC0 Creative Commons<br />

Bereits seit den 1990er-Jahren hat<br />

sich der Begriff der Barrierefreiheit<br />

zunehmend gegenüber der Bezeichnung<br />

„behindertengerecht“ oder<br />

„behindertenfreundlich“ durchgesetzt.<br />

Das hat auch zu einer Veränderung der<br />

Sichtweise auf Menschen mit Behinderungen<br />

beigetragen. Durch die Abwendung<br />

von einer rein medizinisch-defizitären<br />

hin zu einer soziokulturellen Sicht auf<br />

Behinderung wird es möglich, die unterschiedlichen<br />

Beeinträchtigungsformen<br />

und die vielfältigen Barrieren sichtbar<br />

zu machen. Diese können Menschen an<br />

einer gleichberechtigten Teilhabe an der<br />

Gesellschaft behindern.<br />

Dieses neue Verständnis von Behinderung<br />

hat das Thema Inklusion in den Fokus<br />

DEFINITION BARRIERE-<br />

FREIHEIT LAUT BEHINDER-<br />

TENGLEICHSTELLUNGS-<br />

GESETZ (BGSTG):<br />

„Barrierefrei sind bauliche und sonstige<br />

Anlagen, Verkehrsmittel, technische<br />

Gebrauchsgegenstände, Systeme<br />

der Informationsverarbeitung,<br />

akustische und visuelle Informationsquellen<br />

und Kommunikationseinrichtungen<br />

sowie andere gestaltete Lebensbereiche,<br />

wenn sie für behinderte<br />

Menschen in der allgemein üblichen<br />

Weise, ohne besondere Erschwernis<br />

und grundsätzlich ohne fremde Hilfe<br />

zugänglich und nutzbar sind.“<br />

der Öffentlichkeit gerückt und dazu geführt,<br />

dass die Beseitigung von Barrieren<br />

in zahlreichen nationalen und internationalen<br />

Gesetzen ihren Einzug gefunden<br />

hat, wie beispielsweise in der UN-Behindertenrechtskonvention<br />

(UN-BRK), im<br />

Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz<br />

(BGStG) oder im Web-Zugänglichkeits-Gesetz<br />

(WZG). Trotzdem werden<br />

im universitären Alltag die gesetzlichen<br />

Anforderungen einer umfassenden Barrierefreiheit<br />

insbesondere die der digitalen<br />

Barrierefreiheit, insbesondere die der<br />

digitalen Barrierefreiheit, nach wie vor<br />

nur schleppend umgesetzt. Die mutmaßlichen<br />

Gründe dafür könnten sein: fehlende<br />

Kenntnis über die Notwendigkeit,<br />

die Komplexität des Themas und der Umsetzungsprozesse,<br />

fehlende Ressourcen<br />

66 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 66 20.03.23 16:45


oder zu wenige konkrete Anlassfälle. Deshalb<br />

sind Sensibilisierungsmaßnahmen,<br />

laufende Schulungsangebote sowie klare<br />

Anleitungen und Informationen notwendig<br />

und wichtig.<br />

Adobe Stock<br />

STATUS QUO DER<br />

DIVERSITÄTSSTRATEGIE<br />

Die <strong>BOKU</strong> hat sich mit dem<br />

Bekenntnis zur Implementierung<br />

einer Diversitätsstrategie das Ziel<br />

gesetzt, die Universität chancengerechter,<br />

inklusiver und vielfältiger zu<br />

gestalten. Nach dem ersten partizipativen<br />

Meilenstein des Prozesses<br />

– der Kick-off-Veranstaltung der<br />

Strategie im Rahmen der „Werte im<br />

Wandel“-Tage im November 2022,<br />

arbeitet die Koordinationsstelle für<br />

Gleichstellung, Diversität und Behinderung<br />

mit der Auftraggeberin<br />

der Strategie, der Universitätsleitung<br />

intensiv daran weiter. So finden<br />

laufend Treffen mit <strong>BOKU</strong>-Angehörigen<br />

und -Stakeholdern statt, um<br />

gemeinsam und wirkungsvoll Diversität<br />

implementieren und umsetzen<br />

zu können. Insgesamt konnten in<br />

diesem partizipativen Prozess bislang<br />

rund 100 Maßnahmen eruiert<br />

werden, die im Austausch mit dem<br />

Rektorat nun auf Durchführbarkeit,<br />

Finanzierbarkeit und Wirksamkeit<br />

überprüft und in weiterer Folge<br />

detailliert ausgearbeitet werden. Die<br />

ersten Maßnahmen im Rahmen der<br />

Diversitätsstrategie werden noch<br />

<strong>2023</strong> umgesetzt und an der Universität<br />

für Bodenkultur sichtbar sein.<br />

Maciej Palucki<br />

Was ist bei der Digitalen Barrierefreiheit<br />

zu beachten und ab wann müssen Inhalte<br />

und Dokumente auf Websites/in mobilen<br />

Anwendungen barrierefrei sein?<br />

Im tertiären Bildungsbereich ist die<br />

Barrierefreiheit aufgrund zahlreicher<br />

gesetzlicher Bestimmungen unumgänglich,<br />

denn Universitäten tragen die<br />

gesellschaftliche Verantwortung, allen<br />

Menschen Chancengleichheit zu ermöglichen,<br />

Stichwort: Third Mission.<br />

Meistens werden aber mit dem Begriff<br />

der „Barrierefreiheit“ Rampen für Rollstuhlfahrer*innen,<br />

Aufzüge oder Blindenleitsysteme<br />

verbunden. Barrierefreiheit<br />

bedeutet aber viel mehr, etwa barrierefreie<br />

Websites, mobile Anwendungen und<br />

Dokumente. Besonders im Hochschulbereich<br />

spielen Dokumente eine zentrale<br />

Rolle. Neben Lehr- und Prüfungsmaterialien,<br />

Berichten und Forschungsanträgen<br />

gibt es zahlreiche Formulare der Verwaltung.<br />

Viele dieser Dokumente liegen zwar<br />

in digitaler Form vor, was sie aber nicht<br />

automatisch „barrierefrei“ macht. Dafür<br />

müssen im Vorfeld einige Regeln beachtet<br />

werden. Mit relativ geringem Aufwand<br />

und etwas Übung lassen sich Dokumente<br />

so bearbeiten, dass ihr Inhalt auch von<br />

sogenannten Screenreadern erschlossen<br />

werden kann und so für Personen mit Sehbeeinträchtigungen<br />

zugänglich werden.<br />

Seit dem 23. 9. 2020 müssen alle Inhalte<br />

wie Word-Files, PDFs, Berichte, Power-<br />

Point-Präsentationen etc. auf Websites<br />

öffentlicher Stellen barrierefrei sein.<br />

Für mobile Anwendungen gilt das seit<br />

23. 6. 2021. Barrierefrei bedeutet, dass<br />

sie dem Standard WCAG 2.1 mit dem<br />

Konformitätslevel AA entsprechen. Weitere<br />

Informationen sind im WZG oder<br />

unter: https://www.w3.org/TR/WCAG21)<br />

nachzulesen.<br />

Ela Posch<br />

DER TÖCHTERTAG <strong>2023</strong><br />

AN DER <strong>BOKU</strong><br />

Der Töchtertag findet dieses Jahr<br />

wieder an der Türkenschanze statt.<br />

Am 27. April dürfen Töchter, Nichten<br />

und Enkeltöchter von <strong>BOKU</strong>-Mitarbeitenden<br />

spannende Workshops besuchen:<br />

im Mineralogischen Labor des<br />

Instituts für Angewandte Geologie<br />

und im Experimentellen Prüflabor des<br />

Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau.<br />

Darüber hinaus lernen die 11- bis<br />

16-Jährigen in einem informativen<br />

Rahmenprogramm mehr über die<br />

Geschichte und die verschiedenen<br />

Bereiche der <strong>BOKU</strong> kennen.<br />

Ziel des Töchtertags ist es, Mädchen<br />

Einblicke in Berufe zu geben, in denen<br />

Frauen tendenziell unterrepräsentiert<br />

sind – etwa Technik, Digitalisierung,<br />

Ingenieur- und Naturwissenschaften.<br />

So soll das Spektrum für die spätere<br />

Berufswahl erweitert werden.<br />

Eine offizielle Einladung wird im März<br />

an alle <strong>BOKU</strong>-Mitarbeitenden ausgesendet.<br />

Diversitätsstrategie <strong>BOKU</strong><br />

Töchtertag 2022, Molekularbiologielabor<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

67<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 67 20.03.23 16:45


Adobe Stock<br />

DABEI IST BARRIEREFREIHEIT<br />

KEINE HEXEREI: EINFACHE<br />

TIPPS ZUR ANWENDUNG<br />

Viele Arbeitsschritte zur Erstellung eines<br />

barrierefreien Dokuments im Word-File<br />

oder PDF-Format lassen sich einfach in<br />

den Arbeitsalltag integrieren und können<br />

dann als Vorlage für weitere Dokumente<br />

genutzt werden.<br />

So ist es beispielsweise wichtig, die Formatvorlagen<br />

(Überschriften, Textpassagen,<br />

Aufzählungen) und Inhaltsverzeichnisse<br />

zu verwenden und Alternativtexte<br />

bei Bildern oder grafischen Elementen<br />

einzufügen. Mit der Funktion der automatischen<br />

Barrierefreiheitsprüfung werden<br />

sogleich Verbesserungsvorschläge<br />

aufgelistet, die dann abgearbeitet werden<br />

können.<br />

Die FFG (Österreichische<br />

Forschungsförderungsgesellschaft)<br />

bietet weitere ausführliche<br />

Informationen, Checklisten und<br />

Tipps auf ihren Websites und beantwortet<br />

beispielsweise Fragen zu:<br />

O Wie kann ich ein barrierefreies PDF<br />

aus Microsoft PowerPoint erstellen?<br />

O Was muss ich beachten, wenn ich ein<br />

aufgezeichnetes Video auf einer Website<br />

in einer mobilen Anwendung veröffentlichen<br />

will?<br />

O Was kann die Webredaktion dazu beitragen,<br />

dass eine Website barrierefrei<br />

wird?<br />

EXKURS: DIGITALE LEHRE<br />

Mit dem sukzessiven Ausbau der Digitalisierung<br />

werden bisherige Formate<br />

des Lehrens und Lernens nachhaltig<br />

verändert und durch vielfältige digitale<br />

Tools und Anwendungen wie Lehr- und<br />

Lernvideos, Podcasts, Online Self-Assessment<br />

oder Streaming erweitert. Die<br />

Präsenz-Lehrveranstaltungen können<br />

sich dadurch auf die Vertiefung des Lehrstoffes<br />

fokussieren und für Diskussion<br />

und Interaktion genutzt werden. Grundsätzlich<br />

ist festzuhalten, dass hierbei von<br />

barrierefrei gestalteter (Online-)Lehre<br />

Studierende wie auch Lehrende profitieren<br />

können. Für einige Studierende mit<br />

Behinderungen oder gesundheitlichen<br />

Einschränkungen ist es aber essenziell,<br />

um überhaupt an der Lehre teilnehmen<br />

zu können. Nicht bei jeder Beeinträchtigung<br />

hilft genau das Gleiche. Aber viele<br />

Maßnahmen, die für eine Studierendengruppe<br />

hilfreich sind, können es auch für<br />

andere sein.<br />

FAZIT<br />

Für eine konsequente Umsetzung der<br />

Barrierefreiheit braucht es sowohl die<br />

Bereitschaft dazu ebenso wie eine gemeinsame<br />

Haltung. Sie muss von allen<br />

Angehörigen der Universität getragen<br />

werden – von der Universitätsleitung,<br />

den Studierenden, Lehrenden, Forschenden<br />

und dem allgemeinen Personal. Nur<br />

so kann Inklusion gelingen! •<br />

68 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 68 20.03.23 16:45


Marielene Hemp<br />

GENDER &<br />

DIVERSITY<br />

Sprach- und Bildgebrauch<br />

an der <strong>BOKU</strong>: geschlechterbewusst,<br />

vielfaltssensibel, inklusiv<br />

Von Ela Posch<br />

ÖGS-Kurs mit Günther Roiss<br />

GEHÖRLOSENKULTUR<br />

UND IHRE SPRACHE:<br />

RÜCKBLICK BASIS<br />

GEBÄRDENSPRACHKURS<br />

Im Wintersemester 22/23 fand erstmals<br />

ein Gebärdensprachbasiskurs<br />

für <strong>BOKU</strong>-Mitarbeiter*innen statt.<br />

In insgesamt vier Schulungseinheiten<br />

erhielten die Teilnehmer*innen eine<br />

Einführung in die Gebärdensprache<br />

und in die Gehörlosenkultur, um ihren<br />

Umgang und die Kommunikation mit<br />

tauben Menschen zu verbessern.<br />

Unter der Anleitung eines tauben<br />

Kursleiters wurden interaktiv und<br />

in Kleingruppen unterschiedliche<br />

Alltagssituationen in nonverbaler<br />

Kommunikation geübt.<br />

Der Kurs wurde in Kooperation mit<br />

der TU Wien organisiert und aufgrund<br />

der positiven Feedbacks der Teilnehmer*innen<br />

wird überlegt, für das<br />

WS23/24 wieder einen gemeinsamen<br />

Basis ÖGS-Kurs anzubieten.<br />

Die Österreichische Gebärdensprache<br />

(kurz ÖGS) ist seit 2005 eine<br />

verfassungsrechtlich anerkannte<br />

eigenständige, linguistisch vollwertige<br />

und natürliche Sprache, mit<br />

eigener Struktur, Syntax, Grammatik<br />

und eigenem Wortschatz. Sie unterscheidet<br />

sich stark von der deutschen<br />

Lautsprache. Etwa 10.000 Menschen<br />

in Österreich (lt. Mikrozensus) sind<br />

gehörlos/taub, rund sechs Prozent<br />

der Österreicher*innen leben mit<br />

einer Hörbeeinträchtigung. Für viele<br />

taube Menschen ist die Österreichische<br />

Gebärdensprache ihre Erst- bzw.<br />

Muttersprache und die Lautsprache<br />

eine Fremdsprache.<br />

Ruth Scheiber-Herzog<br />

Für viele stellen Veränderungen in der<br />

Sprache eine Herausforderung dar.<br />

An der <strong>BOKU</strong> wurde eine Empfehlung<br />

zum allgemeinen Sprach- und Bildgebrauch<br />

entwickelt, die für alle <strong>BOKU</strong>-<br />

Angehörigen ein entsprechendes Hilfsmittel<br />

zur Orientierung sein kann und bei<br />

der Anwendung einer inklusiven Sprache<br />

unterstützen soll.<br />

Die <strong>BOKU</strong> agiert mit der Bereitstellung<br />

der Empfehlung nicht nur im Sinne eines<br />

„State of the Art“, sondern folgt auch der<br />

Aufforderung nationaler Governance<br />

des Bundesministeriums für Bildung,<br />

Wissenschaft und Forschung und den<br />

Empfehlungen der Hochschulkonferenz.<br />

Diversitätsbewusstes (Sprach-)Handeln<br />

ist aber auch im Sinne der UN-Ziele für<br />

nachhaltige Entwicklung eine wichtige<br />

Grundvoraussetzung für Equality Policies<br />

im Rahmen der Agenda 2030.<br />

Bereits im Gleichstellungsplan, der in<br />

der Satzung verankert ist, bekennt sich<br />

die <strong>BOKU</strong> zu einer geschlechtergerechten<br />

und diskriminierungsfreien Sprache.<br />

Im Rahmen des partizipativen Prozesses<br />

der Diversitätsstrategie wurde der Bedarf<br />

an einer einheitlichen Empfehlung<br />

für die <strong>BOKU</strong> deutlich in allen Handlungsfeldern<br />

und Hierarchieebenen<br />

thematisiert.<br />

Die <strong>BOKU</strong> kommt mit der Empfehlung<br />

dem <strong>BOKU</strong>-internen Wunsch nach. Zugleich<br />

setzt sie auch eine Signalwirkung<br />

nach außen und trägt so zu einer Steigerung<br />

der Attraktivität für Studierende<br />

und Nachwuchswissenschaftler*innen<br />

bei – in jenen Bereichen, in denen inklusive<br />

Sprache in weiten Teilen eine<br />

Selbstverständlichkeit ist.<br />

Alle, die Interesse daran haben, inklusiv<br />

zu agieren, sind eingeladen, der Empfehlung<br />

zu folgen und so aktiv zu einer<br />

inklusiveren und anerkennenden Universitätskultur<br />

beizutragen.<br />

Die Empfehlung für Sprach- und Bildgebrauch<br />

an der <strong>BOKU</strong> ist in deutscher<br />

und englischer Kurz- und<br />

Langversion verfügbar:<br />

https://short.boku. ac.at/<br />

sprachgebrauch<br />

Am 27. März bietet Anna Steinberger<br />

einen einführenden Workshop für vielfaltssensible<br />

Sprache an. Mittels interaktiver<br />

Kurzinputs, praktischen Übungen<br />

und gemeinsamen Reflexionen lernen<br />

die Teilnehmenden eine vielfaltssensiblere<br />

Sprache anzuwenden. Für Mitarbeitende<br />

der <strong>BOKU</strong> kann die Teilnahme<br />

am Workshop im Trainingspass angerechnet<br />

werden, die Anmeldung erfolgt<br />

über Termino:<br />

www.termino.gv.at/meet/b/<br />

e0a49cfa83e9d8616e3d2f98fa83ec8f-196770<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

69<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 69 20.03.23 16:45


Next Generation<br />

Laufbahnstellen quer durch Departments und Kompetenzfelder<br />

19 aktuelle Laufbahnstelleninhaber*innen präsentieren sich und ihren Arbeitsbereich in kurzen Skizzen<br />

der Kolleg*innenschaft.<br />

Der Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer*innen<br />

der Universitäten<br />

schuf mit der Laufbahnstelle ein<br />

Karrieremodell, das an der <strong>BOKU</strong> im Jahr<br />

2010 umgehend implementiert wurde.<br />

Durch den Abschluss einer Qualifizierungsvereinbarung<br />

wird der/die Inhaber*in<br />

einer Laufbahnstelle Assistenzprofessor*in,<br />

bei Erreichen der Qualifizierungsziele<br />

Assoziierte*r Professor*in.<br />

Durch eine entsprechende Regelung im<br />

Universitätsgesetz (§ 99 Abs. 5) mündet<br />

eine Laufbahnstelle in eine organisationsrechtliche<br />

Professur. Die <strong>BOKU</strong><br />

regelt das Verfahren für die Besetzung<br />

und die Qualifizierung auf einer Laufbahnstelle<br />

in einer Verfahrensrichtlinie.<br />

Inhalte und Fortschritte der jeweiligen<br />

Qualifizierung werden von einem wissenschaftlichen<br />

Beirat geprüft. Der Qualifizierungsbeirat<br />

achtet sowohl auf einen<br />

universitätsweiten einheitlichen Standard<br />

der Qualifizierungsvereinbarungen<br />

als auch auf fachbedingte Spezifika.<br />

Der Qualifizierungsbeirat der <strong>BOKU</strong> besteht<br />

aus fünf ständigen Mitgliedern und<br />

drei Ersatzmitgliedern.<br />

Verfahrensrichtlinie für Laufbahnstellen<br />

& Standards für eine Qualifizierungsvereinbarung<br />

an der <strong>BOKU</strong> https://boku.<br />

ac.at/personalentwicklung/themen/<br />

wissenschaftliche-karriere-und-karrie-<br />

refoerderung/laufbahnstellen-qualifizie-<br />

rungsvereinbarung<br />

INGE DIRMHIRN<br />

LAUFBAHNSTELLEN-PROGRAMM<br />

Um gerade im Nachwuchsbereich Lücken<br />

zu schließen, wurde für Laufbahnstellen<br />

ein eigenes Frauenförderprogramm<br />

– das Inge Dirmhirn Laufbahnstellen-Programm<br />

– entwickelt. Damit<br />

Inge Dirmhirn (1925-2008) war die<br />

erste Frau, die im Jahre 1981 den Ruf<br />

als Professorin an die <strong>BOKU</strong> erhielt;<br />

sie war Vollblutwissenschaftlerin, Institutsleiterin<br />

und Pionierin auf dem<br />

Gebiet der Strahlungsmessung – das<br />

„Inge Dirmhirn Laufbahnstellen-Programm“<br />

an der <strong>BOKU</strong> erhält somit<br />

einen starken Namen für die Frauenförderung<br />

im wissenschaftlichen<br />

Bereich.<br />

Theresa Wörgötter<br />

soll in Fachgebieten, in denen es derzeit<br />

wenige qualifizierte Frauen für eine Professur<br />

gibt, deren Anteil erhöht werden.<br />

Wie im Inge Dirmhirn-Programm vorgesehen,<br />

richtet sich diese Ausschreibung<br />

ausschließlich an Bewerberinnen.<br />

Da die Schere zwischen weiblichem Faculty<br />

und vorhandenem Potenzial in einigen<br />

Fachbereichen noch immer groß<br />

ist, soll mit dem Inge Dirmhirn Laufbahnstellen-Programm<br />

die Lücke weiter geschlossen<br />

werden. Das Programm bietet<br />

die Möglichkeit, die wissenschaftliche<br />

Karriere des weiblichen Nachwuchses<br />

gezielt zu fördern.<br />

Die Ausschreibung von Inge Dirmhirn<br />

Laufbahnstellen wird im Rahmen der<br />

Personalstrukturplanung und der Zielvereinbarungen<br />

mit den Departments<br />

vereinbart. Die Anzahl der mit Frauen<br />

besetzten Assistenzprofessuren und<br />

Assoziierten Professuren gemäß Kollektivvertrag<br />

wird kontinuierlich steigen. •<br />

PROGRAMMVERANTWORTUNG<br />

Vizerektorat für Personal, Organisation<br />

und Digitalisierung<br />

KONTAKT<br />

Laufbahnstellen –<br />

Qualifizierungsvereinbarung<br />

DI in Dr. in Ilse Schwarzinger<br />

ilse.schwarzinger@boku.ac.at<br />

70 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 70 20.03.23 16:45


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Michael Tritthart<br />

Laufbahnstelle: Hydraulik, Hydrodynamik<br />

und Hydroinformatik mit Schwerpunkt<br />

numerische Modellierung von<br />

hydraulischen Prozessen<br />

1993-2000 Studium Bauingenieurwesen<br />

(Universität Innsbruck)<br />

2001-2005 Doktorat (TU Wien)<br />

seit 2005 an der <strong>BOKU</strong><br />

2013 Habilitation im Fach Flussbau und<br />

Hydroinformatik<br />

Tritthart M, Schober B, Habersack, H.<br />

2011. Non-uniformity and layering in<br />

sediment transport modelling 1: flume simulations.<br />

J. Hydraul. Res. 49(3): 325-334<br />

Tritthart M, Haimann M, Habersack H,<br />

Hauer C. 2019. Spatio-temporal variability<br />

of suspended sediments in rivers and ecological<br />

implications of reservoir flushing<br />

operations. River Res. Appl. 35(7): 918-931<br />

Yücesan S, Schobesberger J, Sindelar C,<br />

Hauer C, Habersack H, Tritthart M. 2019.<br />

Large Eddy Simulation of a sediment particle<br />

under entrainment conditions.<br />

J. Hydraul. Res. 60(4): 568-587<br />

Department für Wasser-<br />

Atmosphäre-Umwelt<br />

Institut für Wasserbau, Hydraulik<br />

und Fließgewässerforschung<br />

michael.tritthart@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Ich befasse mich aktuell mit der Erforschung<br />

und Beschreibung der physikalischen<br />

Vorgänge beim Transport von<br />

Sediment in Gewässern sowie deren<br />

Umsetzung in numerischen Sedimenttransport-<br />

und Morphodynamikmodellen.<br />

Hierbei existieren in der Praxis<br />

zahlreiche Quellen für Unsicherheiten,<br />

von einer unzureichenden mathematischen<br />

Prozessbeschreibung bis hin zu<br />

Anwendungsfehlern – bedingt durch<br />

eine Verwendung von Modellparametern<br />

weit außerhalb sinnvoller physikalischer<br />

Grenzen.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Laufbahnstellen ermöglichen eine bessere<br />

Sichtbarkeit der eigenen Arbeit nach<br />

außen und bieten dadurch auch bessere<br />

Chancen bei Projekteinwerbungen,<br />

unter anderem bei der Suche nach internationalen<br />

Projektpartner*innen.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscher zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Mich treibt die Neugier an, Zusammenhänge<br />

herauszufinden, die uns derzeit<br />

noch unbekannt sind – außerdem die<br />

Möglichkeit, die Welt mit diesen Erkenntnissen<br />

vielleicht ein kleines bisschen<br />

besser machen zu können. Und da<br />

auch Lehre zum Job dazugehört, sei erwähnt,<br />

dass die Arbeit mit jungen Leuten<br />

sehr viel Freude machen kann.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Nicht aufgeben! Nach Niederlagen stets<br />

aufstehen und weitermachen. Meine erste<br />

Publikation wurde nach 18 Monaten<br />

im Review mit einem Dreizeiler abgelehnt<br />

– an solchen Ereignissen kann man<br />

wachsen. Oder: Nach vier Jahren war<br />

mein Vertragsende an der TU Wien erreicht,<br />

aber so hatte ich schließlich die<br />

Chance, an der <strong>BOKU</strong> eine neue Heimat<br />

zu finden.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Im Sinne des Mottos „150 Jahre nachhaltig<br />

vorausschauen“ spielt die Nachhaltigkeit<br />

im gesamten Arbeitsumfeld<br />

eine große Rolle. Man spürt, dass von<br />

der Universitätsleitung bis zu den Mitarbeitenden<br />

die Lösung der großen Zukunftsfragen<br />

im Fokus steht. •<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

71<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 71 20.03.23 16:45


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Daniel Tholen<br />

Laufbahnstelle: Pflanzenphysiologie mit<br />

Schwerpunkt Photosyntheseforschung<br />

PhD Botanik, Utrecht University,<br />

Utrecht, Niederlande, 2005<br />

Master Biologie, Radboud University,<br />

Nijmegen, Niederlande, 1999<br />

Photosynthese unter sich verändernden<br />

klimatischen Bedingungen<br />

Zusammenhänge zwischen funktioneller<br />

Pflanzenanatomie und Photosynthese<br />

Biochemische und biophysikalische<br />

Modellierung der Photosynthese<br />

Tholen et al., 2022. Leaf structure and<br />

function in four dimensions: non-invasive<br />

MicroCT imaging during gas-exchange<br />

measurements. Doi: 10.5194/egusphereegu22-9801.<br />

Théroux-Rancourt et al., 2022. Analyzing<br />

anatomy over three dimensions unpacks<br />

the differences in mesophyll diffusive<br />

area between sun and shade Vitis vinifera<br />

leaves. AoB Plants, in press.<br />

Théroux-Rancourt et al. 2020. Shape<br />

matters: the pitfalls of analyzing mesophyll<br />

anatomy. Doi: 10.1111/nph.16360.<br />

Department für Integrative<br />

Biologie und Biodiversitätsforschung<br />

Institut für Botanik<br />

daniel.tholen@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Derzeit analysiere ich die neuesten Ergebnisse<br />

eines vom FWF geförderten<br />

Projekts zur Frage, weshalb die Photosynthese<br />

in welkenden Blättern abnimmt.<br />

In einem laufenden WWTF-Projekt<br />

gemeinsam mit der Technischen Universität<br />

Wien und der Universität Wien<br />

entwickeln wir auch neue Methoden für<br />

die automatisierte Analyse von Mikroskopie<br />

und Micro-Computertomografie-<br />

Bildern von Blättern. Zusätzlich starte<br />

ich in Kürze ein neues FWF-Projekt über<br />

die Rolle der Baumrinde für den Kohlenstoffhaushalt<br />

der Pflanze.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Bevor ich an die <strong>BOKU</strong> kam, habe ich<br />

fast acht Jahre als Wissenschaftler in<br />

China und Japan gearbeitet. Aus familiären<br />

Gründen wollte ich nach Europa<br />

zurückkehren, und die positive Zusage<br />

einer Stelle als Universitätsassistent war<br />

willkommen. Die Laufbahnstelle hat es<br />

mir dann schließlich ermöglicht, mich als<br />

unabhängiger Forscher an einer europäischen<br />

Universität zu etablieren.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscher zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Die Forschung ist meine Leidenschaft.<br />

Schon seit meiner Jugend habe ich den<br />

Drang, genau herauszufinden, wie Dinge<br />

funktionieren. Biochemische oder biophysikalische<br />

Methoden und Modelle<br />

anzuwenden, um biologische Prozesse<br />

zu verstehen, begeistert mich.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Junge Wissenschaftler*innen sollten genügend<br />

Durchhaltevermögen haben, um<br />

auch nach enttäuschenden Forschungsergebnissen<br />

wieder voll durchstarten zu<br />

können.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Was ich an der <strong>BOKU</strong> besonders schätze,<br />

sind das kollegiale Umfeld am Institut,<br />

die Flexibilität in der Lehre und die<br />

gebotenen Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung<br />

und Weiterentwicklung.<br />

An der <strong>BOKU</strong> gibt es sehr gute Weiterbildungsangebote<br />

und viele innovative<br />

Forschungsprojekte in meinem direkten<br />

Arbeitsumfeld.<br />

•<br />

72 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 72 20.03.23 16:45


Laufbahnstelle: Modellierung nachhaltiger<br />

Wildtiermanagementstrategien mit<br />

Schwerpunkt Schutz bedrohter Wildtierarten,<br />

Kontrolle von Wildtierpopulationen<br />

mit hohem Konfliktpotenzial,<br />

Nutzung von Wildarten im Sinne einer<br />

nachhaltigen Jagd<br />

PhD Forest Resources, University of<br />

Georgia, Athens, USA<br />

Master Biologie (Nebenfach Statistik),<br />

University of Minnesota, Duluth, USA<br />

Bachelor Biologie, Truman State<br />

University, Kirksville, Missouri, USA<br />

Mattsson et al. 2022. Enhancing monitoring<br />

and transboundary collaboration for conserving<br />

migratory species under global change:<br />

The priority case of the red kite. Journal of<br />

Environmental Management 115345<br />

Mattsson et al. 2020. Linking landscapescale<br />

conservation to regional and continental<br />

outcomes for a migratory species.<br />

Scientific Reports 10:4968<br />

Mattsson et al. 2019. Evaluating a collaborative<br />

decision-analytic approach to inform<br />

conservation decision-making in transboundary<br />

regions. Land Use Policy 83:282-296<br />

Department für Integrative<br />

Biologie und Biodiversitätsforschung<br />

Institut für Wildbiologie und<br />

Jagdwirtschaft<br />

brady.mattsson@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Ich leite ein Projekt zur Entwicklung eines<br />

Online-Entscheidungshilfe-Tools für<br />

nachhaltige und klimafitte Waldbewirtschaftung<br />

unter der Berücksichtigung<br />

der Anfälligkeit des Waldes gegenüber<br />

Störungen, wie z. B. Schalenwildverbiss.<br />

Außerdem führe ich Modellierungen<br />

durch, um die Faktoren zu untersuchen,<br />

die zur Populationsdynamik von Rotmilanen<br />

in Europa sowie von Spießenten in<br />

Nordamerika führen.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle ermöglicht es mir,<br />

zwei Forschungsschwerpunkte zu setzen<br />

und gleichzeitig Student*innen in diesen<br />

Bereichen auszubilden. Einerseits die<br />

Entwicklung und Erprobung von kollaborativen<br />

Entscheidungsanalysen zur Milderung<br />

von Konflikten im Rahmen des<br />

Wildtiermanagements, und weiters, die<br />

Ökologie und den Schutz hoch mobiler<br />

Arten auf lokaler bis kontinentaler Ebene<br />

zu verstehen und zu fördern.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscher zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Meine Faszination und Neugierde für<br />

die Natur, insbesondere für Wildtiere,<br />

motivierten mich dazu, Fragen und<br />

Hypothesen auf dem Gebiet der Vogelökologie<br />

zu untersuchen. Nachdem ich<br />

festgestellt habe, dass das Veröffentlichen<br />

von Artikeln nur wenig Wirkung<br />

außerhalb der akademischen Welt hatte,<br />

habe ich später meine Arbeit auf die<br />

Entwicklung und Erprobung von Ansätzen<br />

zur Entscheidungsunterstützung<br />

ausgeweitet.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Entwickle ein Kernfachgebiet, dass dich<br />

von anderen abhebt und bau dir ein<br />

solides Netzwerk von Kolleg*innen auf.<br />

Diese Kombination ist die Grundlage<br />

für deinen Erfolg im akademischen Bereich.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Einzigartig ist das Angebot und die Förderung<br />

von vielfältigem Fachwissen in<br />

allen Bereichen der Naturwissenschaften<br />

und im Bereich der Nachhaltigkeit. •<br />

Brady Mattsson<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

73<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 73 20.03.23 16:45


Laufbahnstelle: Biochemie mit<br />

Schwerpunkt Glycobiologie &<br />

Proteomics<br />

Diplomstudium Lebensmittelund<br />

Biotechnologie<br />

<strong>BOKU</strong> Doktorat im Bereich<br />

Analytische Glycobiologie<br />

PostDoc im Bereich Massen-<br />

Spektrometrie/Proteomics<br />

am Institut für Molekulare<br />

Pathologie (IMP)<br />

Research Scientist bei Baxter<br />

in Orth/Donau<br />

Wittgenstein-Fellow am Institut<br />

für Molekulare Biotechnologie<br />

der Österreichischen Akademie<br />

der Wissenschaften, mit Fokus<br />

auf der Entwicklung neuartiger<br />

Glycoproteomicn, um die<br />

Struktur von intakten Glykopeptiden<br />

in komplexen biologischen<br />

Proben zu erforschen<br />

Stadlmann J, Taubenschmid J, et<br />

al., Nature. 2017<br />

Department für Chemie<br />

Institut für Biochemie<br />

j.stadlmann@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Meine Forschung ist im Bereich der Glycoproteomics<br />

anzusiedeln. Basierend auf<br />

den von mir etablierten „vergleichenden<br />

Glykoproteom“-Technologien, möchte ich<br />

mich zukünftig auf die zeitliche, räumliche<br />

und funktionelle Charakterisierung der<br />

Proteinglykosylierung auf zellulärer Ebene<br />

konzentrieren. In Fortsetzung bestehender<br />

internationaler Kooperationen mit Biolog*innen<br />

und Kliniker*innen versuche ich neue<br />

mechanistische Einblicke in grundlegende<br />

proteinglykosylierungsabhängige Prozesse<br />

in Physiologie und Krankheit zu liefern.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle bietet in erster Linie<br />

Stabilität und ein gewisses Maß an Arbeitsplatzsicherheit.<br />

Als Inhaber dieser Stelle<br />

kann ich meine Forschung auf das konzentrieren,<br />

was mich tatsächlich interessiert,<br />

den akademischen Lebenslauf konsolidieren<br />

und das eigene Profil schärfen.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden, Forscher<br />

zu werden? Was ist für Sie das Spannende<br />

daran?<br />

Forscher zu sein bedeutet für mich, den<br />

Zugang zu neuen Technologien zu erschließen,<br />

sinnvolle Verbindungen herzustellen<br />

und ganz allgemein zu einem breiteren Wissensbestand<br />

beizutragen. Forschung ist ein<br />

spannender und wesentlicher Bestandteil<br />

der Verbesserung unseres Lebens und der<br />

Gesellschaft insgesamt. Die persönliche<br />

Beteiligung an der Weiterentwicklung von<br />

Wissen und Ideen kann unglaublich lohnend<br />

sein.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn einschlagen<br />

wollen?<br />

Keine. Ich habe gar nichts „richtig“ gemacht,<br />

hatte zumeist keinen Plan und eigentlich<br />

immer nur versucht, das zu machen, was<br />

ich persönlich spannend fand. Bisher hatte<br />

ich einfach nur großes Glück und bin sehr<br />

dankbar dafür.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Die <strong>BOKU</strong> bietet die großartige Gelegenheit,<br />

Teil eines weltbekannten und dynamischen<br />

Forschungsnetzwerkes zu sein. Sie<br />

bietet eine hervorragende Forschungsinfrastruktur,<br />

ein breites Portfolio an grundlegenden,<br />

interdisziplinären und angewandten<br />

Forschungsthemen, eine große Fakultät<br />

und einen international anerkannten Ruf<br />

für ihre Forschung. Außerdem profitieren<br />

Forschende der <strong>BOKU</strong> von umfangreichen<br />

Forschungskontakten und -kooperationen.•<br />

Johannes Stadlmann<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

74 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 74 20.03.23 16:45


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Aron Buzogany<br />

Laufbahnstelle: Politikwissenschaft mit<br />

Schwerpunkt europäische Umwelt- und<br />

Energiepolitik<br />

Studium der Politikwissenschaft, Soziologie,<br />

Volkswirtschaftslehre sowie<br />

Friedens- und Konfliktforschung, Universitäten<br />

Tübingen, Moskau, Helsinki<br />

und Hamburg<br />

Promotion an der Freien Universität<br />

Berlin über die Implementation europäischer<br />

Umweltrichtlinien<br />

Forschungsaufenthalte u. a. an der Yale<br />

University, Sciences Po Aix, Johns<br />

Hopkins University<br />

Seit 2016 an der <strong>BOKU</strong>.<br />

„Varieties of capitalism and clean energy<br />

transitions in the European Union: When<br />

renewable energy hits different economic<br />

logics.“ Climate Policy 16.5 (2016): 642-657.<br />

„Fractionalized but ambitious? Voting on<br />

energy and climate policy in the European<br />

Parliament.“ Journal of European Public<br />

Policy 28.7 (2021): 1038-1056.<br />

„Framing different energy futures? Comparing<br />

Fridays for Future and Extinction<br />

Rebellion.“ Futures 137 (2022): 102904.<br />

Department für Wirtschaftsund<br />

Sozialwissenschaften<br />

Institut für Wald-, Umweltund<br />

Ressourcenpolitik<br />

aron.buzogany@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Meine Forschung konzentriert sich auf<br />

aktuelle Herausforderungen demokratischer<br />

Systeme, insbesondere im Bereich<br />

der Umwelt- und Energiepolitik.<br />

Ein wichtiger Teil meiner Forschung<br />

fokussiert auf die Entscheidungsfindung<br />

in der Europäische Union um den<br />

European Green Deal, denn gerade im<br />

Umwelt- und Energiebereich ist die EU<br />

maßgeblich bestimmend dafür, was in<br />

den Mitgliedstaaten passiert. In einem<br />

FWF-Projekt befassen wir uns damit, wie<br />

europäische Energiepolitiken in nordafrikanischen<br />

oder osteuropäischen Ländern<br />

wirken. In anderen Projekten geht<br />

es um die neue Klimabewegung oder<br />

auch um die Evaluierung von Bürgerräten<br />

als neues Instrument der Klimapolitik.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle ermöglicht sicherlich<br />

eine längerfristigere Planung und tiefere<br />

Auseinandersetzung mit bestimmten<br />

Themen – das ist in der projektgebundenen<br />

Forschung kaum mehr möglich. Für<br />

mich persönlich bedeutet das eine gewisse<br />

Konsolidierung und Verknüpfung<br />

mehrerer Themenbereiche, inklusive<br />

den sich daraus ergebenden produktiven<br />

Interferenzen.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscher zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Es hat auf jeden Fall viel mit Neugierde<br />

zu tun und einer gewissen intellektuellen<br />

Freude, neue Themen zu erschließen.<br />

Und auch mit der leisen Hoffnung, durch<br />

die eigene Forschung etwas zum Besseren<br />

hin zu bewegen.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Eine akademische Karriere ist unplanbar.<br />

Geduld, Flexibilität und Beharrungsvermögen<br />

sind dabei ziemlich wichtig.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Die <strong>BOKU</strong> ist in exzellenter Position,<br />

Antworten auf zentrale Zukunftsfragen<br />

zu geben. Besonders hervorzuheben sind<br />

für mich die kollegiale Stimmung unter<br />

den Forschenden und das Engagement<br />

der Studierenden. <br />

•<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

75<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 75 20.03.23 16:46


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Jennifer Schoberer<br />

Inge Dirmhirn Laufbahnstelle:<br />

Pflanzenbiotechnologie mit<br />

Schwerpunkt Glykobiotechnologie<br />

Diplomstudium der Biologie,<br />

Universität Wien<br />

Doktoratsstudium der<br />

Bodenkultur, <strong>BOKU</strong><br />

Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium<br />

mit Rückkehrphase,<br />

Oxford Brookes University, UK,<br />

und <strong>BOKU</strong><br />

Herta-Firnberg-Stipendium,<br />

<strong>BOKU</strong><br />

Schoberer, J. et al. (2019). Nature<br />

Communications 10, 3701. doi:<br />

10.1038/s41467-019-11686-9.<br />

Schoberer, J. et al. (2014). Plant Physiology<br />

161, 1737-1754. doi: 10.1104/<br />

pp.112.210757.<br />

Schoberer, J., and Strasser, R. (2011).<br />

Molecular Plant 4, 220-228. doi:<br />

10.1093/mp/ssq082.<br />

Department für Angewandte<br />

Genetik und Zellbiologie<br />

Institut für Pflanzenbiotechnologie<br />

und Zellbiologie, AG<br />

Glykozellbiologie<br />

jennifer.schoberer@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Ich forsche auf dem Gebiet der molekularen<br />

Zellbiologie. Dieses Thema ist besonders<br />

spannend, denn die kürzliche Entwicklung<br />

hochauflösender Mikroskopie erlaubt<br />

nie dagewesene Einblicke in die Abläufe<br />

lebender Zellen. Im Speziellen versuche<br />

ich grundlegende Mechanismen des Proteintransports<br />

innerhalb von pflanzlichen<br />

Zellen aufzuklären, mit dem Ziel, Pflanzen<br />

als biotechnologisches Vehikel besser einsetzen<br />

zu können.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Eine Laufbahnstelle ermöglicht mir, mich<br />

zu einer unabhängigen Wissenschaftlerin<br />

zu entwickeln und ein neues Forschungsthema<br />

zu etablieren. Außerdem kann ich<br />

nun meine Tätigkeiten längerfristig planen.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden, Forscherin<br />

zu werden? Was ist für Sie das Spannende<br />

daran?<br />

Meine Leidenschaft für die Forschung habe<br />

ich bereits während meiner Masterarbeit<br />

erkannt. Ich probiere gerne Neues aus und<br />

an der <strong>BOKU</strong> habe ich ein stimulierendes<br />

Umfeld gefunden. Spannend finde ich vor<br />

allem, dass man an der Front des jeweiligen<br />

Wissens dabei ist, ja sogar mehr, man<br />

kann neues Wissen generieren! Und das ist<br />

faszinierend.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn einschlagen<br />

wollen?<br />

Ich würde meinen Kollegen und Kolleginnen<br />

raten, sich frühzeitig schlauzumachen,<br />

welche Anforderungen an eine wissenschaftliche<br />

Uni-Karriere gestellt werden.<br />

Der geforderte Einsatz ist groß und man<br />

muss bereit sein, vieles dafür hintanzustellen.<br />

Man muss für die Sache brennen. Vor<br />

allem sollte man sich über internationale<br />

Erfahrungen Gedanken machen, denn verbindliche<br />

Auslandsaufenthalte als Teil der<br />

Qualifizierungsvereinbarung können für<br />

eine junge Familie zu einer großen Herausforderung<br />

werden.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

An der <strong>BOKU</strong> schätze ich vor allem die<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch<br />

flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit,<br />

im Homeoffice zu arbeiten. Ein Mitarbeiter*innen-freundliches<br />

Klima ist deutlich<br />

spürbar.<br />

•<br />

76 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 76 20.03.23 16:46


Inge Dirmhirn Laufbahnstelle:<br />

Emotionen bei Nutztieren mit<br />

Schwerpunkt verhaltens- und<br />

kognitionsbasierte Zugänge zur<br />

Erfassung von Emotionen<br />

Veterinärmedizin, Deutschland<br />

Applied Animal Behaviour and<br />

Animal Welfare, Schottland<br />

PhD: Zu Emotionen von Pferden,<br />

Schweiz<br />

2017 Postdoc, <strong>BOKU</strong><br />

2020 Laufbahnstelle und<br />

Leitung eines FWF-Projekts zu<br />

den emotionalen Auswirkungen<br />

von chronischer Langeweile bei<br />

Schweinen<br />

Animals in flow – towards the<br />

scientific study of intrinsic reward<br />

in animals, Biological Reviews,<br />

2022<br />

Pair housing makes calves more<br />

optimistic, Scientific Reports, 2019<br />

A cross-species judgement bias<br />

task: integrating active trial initiation<br />

into a spatial Go/No-go task,<br />

Scientific Reports, 2018<br />

Department für<br />

Nachhaltige<br />

Agrarsysteme<br />

Institut für Nutztierwissenschaften,<br />

Arbeitsgruppe Tierhaltung<br />

sara.hintze@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Was fühlt dieses Schwein? Oder jenes Rind?<br />

Wir haben keinen direkten Zugang zu den<br />

Gefühlen eines Tieres. In meiner Forschung<br />

versuche ich Indikatoren zu identifizieren und<br />

zu validieren, um herauszufinden, wie es landwirtschaftlich<br />

genutzten Tieren geht – eine<br />

wichtige Voraussetzung, wenn wir dem gesellschaftlichen<br />

Anliegen nachkommen wollen,<br />

dass Tiere ein gutes Leben haben sollen.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle ermöglicht mir eine<br />

längerfristige Perspektive und ist somit<br />

Voraussetzung, dass ich kreativ meine<br />

Ideen umsetzen kann, ohne ständig über<br />

den nächsten Schritt, die nächste Uni, das<br />

nächste Land nachdenken zu müssen. Das<br />

ist eine unglaubliche mentale Freiheit, die<br />

ich jeden Tag aufs Neue zu schätzen weiß.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden, Forscherin<br />

zu werden? Was ist für Sie das Spannende<br />

daran?<br />

Mich begeistert die Vielfältigkeit, kombiniert<br />

mit der Freiheit, spannenden und gesellschaftlich<br />

relevanten Fragestellungen<br />

nachgehen zu dürfen. Ich schätze die Zusammenarbeit<br />

mit anderen Forschenden<br />

sehr und liebe es, wenn man gemeinsam<br />

auch absurden oder unrealistischen Gedanken<br />

freien Lauf lassen kann. Ich bin auch<br />

mit Freude Lehrende und in verschiedenen<br />

Gremien aktiv. Es ist das Gesamtpaket, das<br />

mir so gut gefällt – zwar oft eine zeitliche<br />

Herausforderung, aber auch ein Privileg.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn einschlagen<br />

wollen?<br />

Es funktioniert nur, wenn ihr für eure Arbeit<br />

wirklich brennt. Nur dann ist man bereit, sich<br />

auch den mit einer Karriere in der Wissenschaft<br />

einhergehenden Herausforderungen<br />

zu stellen, wie hoher Arbeitsbelastung oder<br />

Mobilität. Man muss entsprechend achtsam<br />

mit sich selbst sein – es soll ja schließlich der<br />

Traumjob bleiben.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Ich erfahre große Unterstützung innerhalb<br />

der Arbeitsgruppe und des Institutes, und<br />

habe im Rahmen von Postdoc-Coachings<br />

und meiner Arbeit in der Ethikplattform<br />

auch spannende Menschen ganz anderer<br />

Arbeitsfelder kennenlernen dürfen. Mir gefällt<br />

der <strong>BOKU</strong>-Spirit und ich sehe in der<br />

<strong>BOKU</strong> Potenzial, einen Beitrag zur Großen<br />

Transformation zu leisten. <br />

•<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Sara Hintze<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

77<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 77 20.03.23 16:46


Laufbahnstelle: Innovationsmanagement<br />

mit dem Schwerpunkt Holz und<br />

andere nachwachsende Rohstoffe<br />

Diplomstudium Wirtschaftsuniversität<br />

Wien<br />

Doktoratsstudium in Wirtschafts- und<br />

Sozialwissenschaften, Universität Linz<br />

Vortragender in den MBA-Programmen<br />

der TU Wien und der Donau-Universität<br />

Krems<br />

Garaus, C., et al. (<strong>2023</strong>). What Do Crowd<br />

Equity Investors Do? Exploring Postinvestment<br />

Activities in Equity Crowd Funding.<br />

IEEE Transactions on Engineering<br />

Management. Forthcoming.<br />

Garaus, M., & Garaus, C. (2021). The<br />

Impact of the Covid-19 Pandemic on<br />

Consumers’ Intention to Use Shared-Mobility<br />

Services in German Cities. Frontiers<br />

in Psychology, 12, 646593.<br />

Posch, A. & Garaus, C. (2020), Boon or<br />

curse? A contingent view on the relationship<br />

between strategic planning and<br />

organizational ambidexterity. Long Range<br />

Planning, 53, 101878.<br />

Department für Wirtschaftsund<br />

Sozialwissenschaften<br />

Institut für Marketing und<br />

Innovation<br />

christian.garaus@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Aktuell habe ich in der Forschung drei<br />

Arbeitsschwerpunkte. (1) Wie kann<br />

Crowdsourcing für Climate Action genutzt<br />

werden? (2) Wie können nachhaltige<br />

Geschäftsmodelle kreiert werden?<br />

(3) Wie können Organisationen disruptive<br />

Innovationen und Transformationen<br />

aktiv managen?<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle eröffnet mir eine<br />

langfristige Perspektive, an diesen<br />

Themen zu arbeiten, neue Forschungsprojekte<br />

anzugehen und eine Arbeitsgruppe<br />

aufzubauen. Zusätzlich kann ich<br />

das Angebot an Lehrveranstaltungen zu<br />

Innovation und Entrepreneurship weiterentwickeln,<br />

um <strong>BOKU</strong>-Studierende zu<br />

unternehmerischem Denken und Handeln<br />

zu ermutigen und zu befähigen.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscher zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Während eines Forschungsprojekts im<br />

Rahmen einer Lehrveranstaltung im<br />

Diplomstudium hat mich der Nervenkitzel<br />

bei der Datenauswertung überrascht.<br />

Den Moment, in dem die empirischen<br />

Ergebnisse vorliegen, empfinde ich bis<br />

heute noch als aufregend. Ansonsten<br />

macht die Freiheit und Möglichkeit, Neues<br />

zu lernen, den Beruf für mich bis heute<br />

spannend.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Tätigkeiten, die aufgrund von Interesse,<br />

Freude oder Wichtigkeit für einen<br />

selbst verfolgt werden, führen zu hoher<br />

Arbeitszufriedenheit, effektiver Leistung<br />

und psychologischem Wohlbefinden.<br />

Mein Tipp wäre daher, dass man sich<br />

überlegt, ob man wirklich gerne forscht<br />

und lehrt, dann wird man es auch gut<br />

machen.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Die <strong>BOKU</strong> zeichnet sich durch zahlreiche<br />

Möglichkeiten für interdisziplinäre<br />

Forschungsprojekte aus. Weiters ist<br />

das Engagement der <strong>BOKU</strong> im Bereich<br />

von Sustainable Entrepreneurship hoch<br />

(z. B. durch die <strong>BOKU</strong>:BASE), wodurch<br />

ich in der Lehre mit jungen, motivierten<br />

Menschen arbeiten kann, die ihre Ideen<br />

umsetzen wollen. <br />

•<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Christian Garaus<br />

78 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 78 20.03.23 16:46


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Katharina Gugerell<br />

Laufbahnstelle: Landschaftsplanung mit<br />

Schwerpunkt Strukturelle Landschaftsplanung<br />

zu nachhaltigen Landnutzungen<br />

Diplomstudium Landschaftsplanungund<br />

Landschaftsarchitektur<br />

Doktorat an der <strong>BOKU</strong>, Landscape<br />

Governance<br />

Assistant Professor, Universität<br />

Groningen (NL), Spatial Design<br />

Senior Lecturer, FH-Salzburg, Smart Cities<br />

Senior Scientist, Montanuniversität Leoben,<br />

Schnittstelle Bergbau-Landnutzung<br />

Venia „Landscape Planning“<br />

Visiting Professor, Universität Johannesburg<br />

Kügerl, M.-T., et al., <strong>2023</strong>b. Responsible<br />

sourcing for energy transitions: Discussing<br />

academic narratives of responsible sourcing<br />

through the lens of natural resources<br />

justice. Journal of Environmental Management<br />

326, 116711. https://doi.org/10.1016/j.<br />

jenvman.2022.116711<br />

Gugerell, K., et al., 2020. Regional implementation<br />

of a novel policy approach: The<br />

role of minerals safeguarding in land-use<br />

planning policy in Austria. The Extractive<br />

Industries and Society 7, 87-96. https://doi.<br />

org/10.1016/j.exis.2019.10.016<br />

Department für Raum, Landschaft<br />

und Infrastruktur<br />

Institut für Landschaftsplanung<br />

katharina.gugerell@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Ich bin an drei Forschungs- und fünf<br />

Dissertationsprojekten beteiligt, die<br />

Themen der Nachhaltigen Landnutzung<br />

und Landscape Governance aufgreifen.<br />

Die zwei aktuellsten Projekte sind BIOSS<br />

„Biosphere reserves as models for Science-Society<br />

interaction to spur sustainability<br />

transformations in mountainous<br />

areas“ (ESS/ÖAW), und das Biodiversa+<br />

Projekt ALPMEMA, wo wir zur Unternutzung<br />

und Property Rights Regimes<br />

von Berg-Mähwiesen in Europa und<br />

Armenien forschen. Zusätzlich bin ich<br />

auch an Projekten zur „Governance of<br />

Protected Areas“ und „Land-Policy Reform“<br />

an der Universität Johannesburg<br />

beteiligt.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Man kann Forschungsbögen größer<br />

spannen und auch Längsschnittstudien<br />

andenken. Auch die vergleichsweise sehr<br />

moderate Lehrbelastung in der Qualifizierungszeit<br />

ermöglicht diesbezüglich<br />

Freiraum. Andererseits sind diese Stellen<br />

nicht mit Anschubfinanzierung oder<br />

Personal ausgestattet. Daher ist man zu<br />

Beginn stark mit Drittmittelanträgen beschäftigt,<br />

um hier ausreichend Anschub<br />

zu generieren.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscherin zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Weil ich ein neugieriger Mensch bin,<br />

die Tätigkeit in der Forschung den Freiraum<br />

eröffnet, diesen Interessen nachzugehen.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Sich nicht abwerfen und entmutigen<br />

lassen, Hartnäckigkeit und eine gute<br />

Portion Humor. Ich denke, dass gute,<br />

internationale Netzwerke und ein diverses<br />

Team mit unterschiedlichen Backgrounds<br />

sehr förderlich sind.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Ich schätze die Vielfalt der <strong>BOKU</strong>. Die<br />

Kombination interessanter Menschen,<br />

die an gesellschaftlich-relevanten Themen<br />

forschen und ein grundsätzlich<br />

freundliches Miteinander. Das macht<br />

die <strong>BOKU</strong> sympathisch. <br />

•<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

79<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 79 20.03.23 16:46


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Ursula Laa<br />

Laufbahnstelle: Statistik mit<br />

Schwerpunkt Data Science<br />

Studium Physik, Universität Wien<br />

Doktorat in Teilchenphysik, Universität<br />

Grenoble-Alpes (FR)<br />

Postdoc Statistische Datenvisualisierung<br />

in der Physik,<br />

Monash University, Australien<br />

Burning Sage: Reversing the Curse<br />

of Dimensionality in the Visualization<br />

of High-Dimensional Data<br />

(J COMPUT GRAPH STAT. 2022;<br />

31(1): 40-49)<br />

A Slice Tour for Finding Hollowness<br />

in High-Dimen sional Data (J COM-<br />

PUT GRAPH STAT. 2020; 29(3):<br />

681-687<br />

Anwendung von Clusteranalyse<br />

und Visualisierung: Pandemonium:<br />

a clustering tool to partition parameter<br />

space-application to the<br />

B anomalies (EUR PHYS J PLUS.<br />

2022; 137(1), 145)<br />

Department für<br />

Raum, Landschaft<br />

und Infrastruktur<br />

Institut für Statistik<br />

ursula.laa@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

In meiner Forschung beschäftige ich mich<br />

mit neuen Methoden in der Visualisierung.<br />

Moderne Modelle werden oft als „Black Box“<br />

bezeichnet, man bekommt eine Antwort,<br />

kann diese aber nicht nachvollziehen. Hier<br />

können neue Ansätze in der Visualisierung<br />

sicher wertvolle Beiträge in der Interpretation<br />

liefern. Zusätzlich interessiere ich mich<br />

auch für die Anwendung von Data Science-<br />

Methoden. Machine Learning wird bereits<br />

in vielen Forschungsprojekten an der <strong>BOKU</strong><br />

verwendet, und ich bin hierzu mit Kolleg*innen<br />

aus den Instituten für Waldwachstum,<br />

Angewandte Geologie und Hydrologie und<br />

Wasserwirtschaft im Gespräch.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle war für mich die perfekte<br />

Möglichkeit, nach meinen langen Auslandsaufenthalten<br />

mit einer sicheren Stelle<br />

nach Wien zurückzukommen und das dort<br />

Gelernte hier in Forschung und Lehre einzubringen.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden, Forscherin<br />

zu werden? Was ist für Sie das Spannende<br />

daran?<br />

Ich habe mich schon früh für Grundlagenforschung<br />

interessiert und mag es besonders,<br />

Neues zu lernen und neue Zusammenhänge<br />

zu entdecken. Das Besondere an<br />

der Statistik ist es, dass diese Methoden in<br />

praktisch allen Wissenschaften eingesetzt<br />

werden und wir durch Kollaboration oft<br />

tiefe Einblicke in andere Forschungsfelder<br />

bekommen.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn einschlagen<br />

wollen?<br />

Die tatkräftige Unterstützung von Betreuer*innen<br />

und Vorgesetzten war für meinen<br />

Erfolg sicher ausschlaggebend. Bei der Wahl<br />

einer Stelle ist es wichtig, neben dem Forschungsthema<br />

auch das Arbeitsumfeld zu<br />

berücksichtigen.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Für mich war es besonders, zu sehen, wie<br />

stark die einzelnen Institute oft miteinander<br />

vernetzt sind, zum Beispiel in den<br />

DocSchools oder im Zuge der Data Science<br />

Initiative, was zu interessanten Gesprächen<br />

und Kooperationen führen kann.<br />

Diese Interdisziplinarität ermöglicht auch<br />

eine Weiterentwicklung hin zu neuen Forschungsfeldern,<br />

wie bei mir von der Physik<br />

zur Data Science.<br />

•<br />

80 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 80 20.03.23 16:46


Laufbahnstelle: Naturschutzplanung<br />

und Umweltvorsorge<br />

Studium Landschaftsplanung und Landschaftspflege<br />

15 Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

in internationalen Forschungsprojekten<br />

am Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement<br />

an der <strong>BOKU</strong>.<br />

Seit 2015 Fulbright Stipendiatin und<br />

Adjunct Assistant Professor und an der<br />

Michigan State University.<br />

Lynch, A.J., et al. In Press. People need<br />

freshwater biodiversity. WIREs Water.<br />

van Rees, C. B., et al. (2021). Safeguarding<br />

freshwater life beyond 2020: Recommendations<br />

for the new global biodiversity<br />

framework from the European experience.<br />

Conservation Letters, 14(1), e12771.<br />

Schinegger, R., et al. (2018). Configuration<br />

of multiple human stressors and their impacts<br />

on fish assemblages in Alpine River<br />

basins of Austria.<br />

Science of the Total Environment, 616, 17-28.<br />

Department für Raum, Landschaft<br />

und Infrastruktur<br />

Institut für Landschaftsentwicklung,<br />

Erholungs- und Naturschutzplanung<br />

rafaela.schinegger@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Das Horizon Europe Projekt Natura-<br />

Connect zielt darauf ab, die Entwicklung<br />

eines kohärenten Transeuropäischen<br />

Naturnetzes (TEN-N) zu unterstützen,<br />

d. h. Instrumente zur Vernetzung und<br />

räumlichen Priorisierung von Habitaten<br />

& Ökosystemen zu entwickeln.<br />

Im Projekt #WienerErholungsgebiete<br />

werden Daten verschiedener Social-Media-Plattformen<br />

im Areal der Stadt Wien<br />

gemeinsam mit Daten zum Zustand der<br />

Ökosysteme analysiert. Dabei versuchen<br />

wir auszuloten, welche Möglichkeiten<br />

Social-Media-Daten für das Verständnis<br />

von Freizeitaktivitäten und Ökosystemnutzungen<br />

bieten.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Wissenschaftlich besser fokussieren und<br />

akademisch etwas aufbauen und mitgestalten<br />

zu können.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscherin zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Seit ich während meines ersten Lunz-<br />

Kurses erstmals gesehen und verstanden<br />

habe, welche Indikatorfunktion verschiedene<br />

Lebewesen in Ökosystemen<br />

haben. Das ist für mich immer noch<br />

Faszination pur.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Die eigene wissenschaftliche Identität<br />

und Vision entwickeln und den eigenen<br />

Weg gehen. Mutig sein und nicht müde<br />

werden, es anders zu machen als alle anderen<br />

– insbesondere in der Doppelrolle<br />

als Forscherin und Mutter.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Internationalität, gepaart mit familiärem<br />

Umfeld. Ich lehre und arbeite sehr gerne<br />

an der <strong>BOKU</strong>, da sie den gesellschaftlichen<br />

Diskussionsprozess seit jeher nicht<br />

scheut und in Österreich und darüber hinaus<br />

richtungsweisend hinsichtlich ökologischer<br />

Denkweise und Nachhaltigkeit<br />

in Forschung und Lehre ist. •<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Rafaela Schinegger<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

81<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 81 20.03.23 16:46


Laufbahnstelle: Waldbau mit<br />

Schwerpunkt Kohlenstoffmanagement<br />

in Wäldern<br />

Doktor der Bodenkultur<br />

Master Mountain Risk Engineering<br />

Bachelor Forstwirtschaft, Bachelor<br />

Kulturtechnik und Wasserwirtschaft,<br />

jeweils an der Universität für Bodenkultur<br />

Wien<br />

Forschungsaufenthalte an der Universität<br />

Bern und an der Swinburne<br />

University of Technology, Melbourne<br />

Quantifying carbon in tree bark: The<br />

importance of bark morphology and<br />

tree size. M Neumann, MJ Lawes. 2021.<br />

Methods in Ecology and Evolution 12 (4),<br />

646-654<br />

Improving models of fine root carbon<br />

stocks and fluxes in European forests. M<br />

Neumann, DL Godbold, Y Hirano, L Finér.<br />

2020. Journal of Ecology 108 (2), 496-514<br />

Comparison of carbon estimation methods<br />

for European forests. M Neumann,<br />

A Moreno, et al. 2016. Forest Ecology and<br />

Management 361, 397-420<br />

Department für Wald- und<br />

Bodenwissenschaften<br />

Institut für Waldbau<br />

mathias.neumann@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Wichtige Themen sind: Speicherung und<br />

Freisetzung von Kohlenstoff in Totholz,<br />

Einfluss von Waldstruktur und Bewirtschaftung<br />

auf Kohlenstoffaufnahme,<br />

Baummortalität und Totholz, Rolle von<br />

Feuer auf Kohlenstoffspeicherung.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle an der <strong>BOKU</strong> erlaubt<br />

mir, an gesellschaftlich wichtigen Themen<br />

zu forschen, eingebettet in eine<br />

exzellente Forschungsinfrastruktur, ein<br />

interdisziplinäres und kompetitives Arbeitsumfeld<br />

aus Wissenschaftler*innen,<br />

Techniker*innen und kreativen Studierenden<br />

an einer international sehr renommierten<br />

Universität.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscher zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Mein Interesse an Umwelt und Gesellschaft<br />

und einen Beitrag zur Lösung von<br />

Herausforderungen leisten. Jeden Tag<br />

die Warum-Frage stellen zu dürfen. Der<br />

Austausch mit internationalen Kolleg*innen,<br />

die an sehr verschiedenen Themen<br />

und Ökosystemen arbeiten und dennoch<br />

Gemeinsamkeiten haben. Spannend ist,<br />

dass jeder Tag eine neue Erkenntnis bringen<br />

kann.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Die Balance zwischen Expert*in und<br />

Universalgelehrte*r meistern, jeden Tag<br />

Publikationen lesen, wissenschaftliche,<br />

aber auch soziale Kontakte pflegen, bei<br />

Problemen nach Hilfe fragen, tolerant,<br />

offen aber auch hartnäckig sein, Freude<br />

an der Arbeit haben.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Ausgezeichnete Ausstattung mit Arbeitsmitteln<br />

und Personal, wertschätzender<br />

Umgang mit Kolleg*innen, attraktive<br />

Karrieremöglichkeiten, zentrale<br />

geografische Lage und gute Erreichbarkeit<br />

in der vielleicht lebenswertesten<br />

Stadt der Welt.<br />

•<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Mathias Neumann<br />

82 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 82 20.03.23 16:46


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Christian Zafiu<br />

Laufbahnstelle: Abfallwirtschaft mit<br />

Schwerpunkt Abfallforensik<br />

Chemiestudium und Promotion,<br />

Universität Wien<br />

Postdoc <strong>BOKU</strong><br />

Tokyo Institute of Technology<br />

Postdoc Forschungszentrum<br />

Universitätsassistent <strong>BOKU</strong>, Institut für<br />

Abfall- und Kreislaufwirtschaft<br />

Zafiu C, et.at., The dynamics of macro- and<br />

microplastic quantity and size changes<br />

during the composting process. Waste<br />

Management. <strong>2023</strong> (in publication).<br />

Pavlicek A, et al., The use and detection<br />

of quantum dots as nanotracers<br />

in environmental fate studies of engineered<br />

nanoparticles. Environ Pollut.<br />

<strong>2023</strong> Jan 15;317:120461. doi:10.1016/j.<br />

envpol.2022.120461. Epub 2022 Oct 19.<br />

PMID: 36272608.<br />

Zafiu C, et al., Method to determine the<br />

decolorization potential of persistent<br />

dyes by white rot fungi by colorimetric<br />

assays. MethodsX. 2022 Oct 22;9:101885.<br />

doi: 10.1016/j.mex.2022.101885. PMID:<br />

36385913; PMCID: PMC9646961.<br />

Department für Wasser,<br />

Atmosphäre und Umwelt<br />

Institut für Abfall- und<br />

Kreislaufwirtschaft<br />

christian.zafiu@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Im Allgemeinen forsche ich an der<br />

Schad- und Wertstoff-Auffindung in<br />

Abfällen. Mein Fokus liegt derzeit auf<br />

Mikrokunststoffen, die vor allem aus<br />

abfallwirtschaftlichen Prozessen in die<br />

Umwelt eingebracht werden.<br />

Zudem interessiert es mich, Lösungen<br />

für eine saubere Kreislaufführung von<br />

Abfällen zu finden. Hierbei geht es vor<br />

allem um die Entwicklung von geeigneten<br />

Analyseverfahren, um die ungewollte<br />

und unkontrollierte Verschleppung<br />

von potenziellen Schadstoffen in Sekundärressourcen<br />

zu verhindern.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle eröffnet mir die Perspektive,<br />

langfristig an der Universität<br />

zu bleiben und meinen Forschungstätigkeiten<br />

weiter nachgehen zu können.<br />

Darüber hinaus bietet sie mehr finanzielle<br />

Unabhängigkeit und eine größere<br />

Verantwortung in der Lehre und in der<br />

Universitätsentwicklung.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscher zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Ich war schon immer neugierig und bin<br />

Dingen leidenschaftlich gerne auf den<br />

Grund gegangen. Zusätzlich habe ich<br />

mich auch immer sehr wohl unter anderen<br />

Forscher*innen gefühlt, da man<br />

immer etwas zu diskutieren hat.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Jeder Weg zu einer Laufbahnstelle ist<br />

individuell, aber immer mit der wissenschaftlichen<br />

Arbeit, die man macht, verbunden.<br />

Man kann sich natürlich auch<br />

vorbereiten, aber das Wichtigste ist, dass<br />

man für die akademisch Arbeit brennt<br />

und sich auch an der Lehr- und Universitätsentwicklung<br />

beteiligen möchte.<br />

Leider gehört zu einer Laufbahnstelle<br />

auch viel Glück dazu, da die Stellen rar<br />

gesät sind, die Konkurrenz groß ist und<br />

die Stelle auch zu einem passen muss.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Ich schätze die freundliche Atmosphäre<br />

und das ehrliche Interesse der Menschen<br />

füreinander, die ich an der <strong>BOKU</strong> kennengelernt<br />

habe. Ich arbeite gerne an<br />

der <strong>BOKU</strong>, freue mich, Teil von ihr zu<br />

sein und sie mitgestalten zu können. •<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

83<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 83 20.03.23 16:46


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Simone Gingrich<br />

Laufbahnstelle: Soziale Ökologie mit<br />

Schwerpunkt sozial-ökologische<br />

Langzeitforschung<br />

Studium Ökologie, Universität Wien<br />

Kuratorin am Technischen Museum Wien<br />

Doktorat Soziale Ökologie, Universität<br />

Klagenfurt<br />

Habilitation Soziale Ökologie, <strong>BOKU</strong><br />

Le Noë, et al., 2021. Altered growth conditions<br />

more than reforestation counteracted<br />

forest biomass carbon emissions<br />

1990–2020. Nature Communications 12,<br />

6075. https://doi.org/10.1038/s41467-021-<br />

26398-2<br />

Eisenmenger, et al., 2020. The Sustainable<br />

Development Goals prioritize economic<br />

growth over sustainable resource use:<br />

a critical reflection on the SDGs from a<br />

socio-ecological perspective. Sustainability<br />

Science 15, 1101–1110. https://doi.<br />

org/10.1007/s11625-020-00813-x<br />

Gingrich, S., et al., 2019. Hidden emissions<br />

of forest transitions: a socio-ecological<br />

reading of forest change. Current<br />

Opinion in Environmental Sustainability<br />

38, 14–21. https://doi.org/10.1016/j.cosust.2019.04.005<br />

Department für Wirtschaftsund<br />

Sozialwissenschaften<br />

Institut für Soziale Ökologie<br />

simone.gingrich@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Derzeit leite ich ein fünfjähriges ERC<br />

Starting Grant Projekt zu der Frage, wie<br />

die Ausdehnung von Wäldern mit Industrialisierungsprozessen<br />

in Außenhandel,<br />

Energieverwendung und Landwirtschaft<br />

zusammenhängt und was das für Nachhaltigkeit<br />

und Klimaschutz bedeutet.<br />

Mich interessieren zum einen die ökologischen<br />

Grenzen nachhaltiger Land- und<br />

Ressourcennutzung und zum anderen,<br />

wie politische Prozesse zu einer effektiven<br />

Reduktion von Umweltauswirkungen<br />

beitragen können.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Laufbahnstelle hat meine Arbeit<br />

erstmals unabhängig von Projektförderungen<br />

gemacht und langfristig abgesichert.<br />

Jetzt kann ich Projektmittel<br />

vermehrt für die Finanzierung von<br />

Mitarbeiter*innen einsetzen und habe<br />

zeitliche und inhaltliche Freiheit bei der<br />

Wahl meiner Forschungsthemen gewonnen.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscherin zu werden? Was ist für Sie das<br />

Spannende daran?<br />

Ich wollte Entwicklungshelferin werden,<br />

habe aber bald erkannt, dass Nachhaltigkeitsprobleme<br />

vor allem vom Globalen<br />

Norden ausgehen. Während meiner<br />

Arbeit am Technischen Museum habe<br />

ich gemerkt, dass mir die akademische<br />

Forschung noch mehr liegt. Nach meiner<br />

Diplomarbeit bin ich daher in Forschungsprojekte<br />

eingestiegen.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Ich bestärke junge Kolleg*innen darin,<br />

ihren inhaltlichen und methodischen<br />

Interessen nachzugehen. Denn dann<br />

verbringen sie ihre Zeit mit spannenden<br />

Themen und Tätigkeiten, die sie in<br />

einer akademischen Laufbahn oder gegebenenfalls<br />

auch außerhalb der Wissenschaft<br />

weiterverfolgen können.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Die <strong>BOKU</strong> sieht sich wirklich als Nachhaltigkeitsuniversität.<br />

Zwar verstehen nicht<br />

alle Kolleg*innen darunter das gleiche,<br />

aber es gibt einen gemeinsamen Bezug,<br />

über den man diskutieren und so voneinander<br />

lernen kann.<br />

•<br />

84 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 84 20.03.23 16:46


Career position: Landscape architecture<br />

with a focus on landscape design<br />

Architect, urban designer and researcher<br />

Advanced degrees in architecture, IUAV<br />

University of Venice, Italy<br />

European Postgraduate Master Urbanism,<br />

IUAV University of Venice, Italy,<br />

and KU Leuven, Belgium<br />

Joint PhD in Urbanism between KU<br />

Leuven, Belgium, IUAV University of<br />

Venice, Italy<br />

Postdoc TU Delft, The Netherlands<br />

Research fellow University of Antwerp,<br />

Belgium<br />

Furlan, C. (2022) Territorialising Circularity.<br />

In Regenerative Territories: Amenta L.,<br />

Russo M., Van Timmeren A. Springer<br />

Furlan, C. (2019) Unfolding Wasteland.<br />

A Thick Mapping Approach to the Transformation<br />

of Charleroi’s Industrial Landscape.<br />

In Mapping Historical Landscapes in Transformation:<br />

Methods, Applications, Challenges,<br />

ed. by Coomans T., Cattoor B. and De<br />

Jonge K. and Leuven University Press.<br />

Department of Landscape, Spatial<br />

and Infrastructure Sciences<br />

Institute of Landscape Architecture<br />

cecilia.furlan@boku.ac.at<br />

1. What are you currently researching?<br />

My research and teaching goals are directed<br />

towards ecological design, landscape<br />

dynamics, urban metabolism, soil<br />

and resource management and regenerative<br />

design for constructing resilient<br />

ecosystems, and urbanisation processes.<br />

2. What opportunities does this position<br />

open for your academic career?<br />

A long-term studies research period,<br />

independence from project funding,<br />

better visibility of the own work to the<br />

outside world and thus also offer better<br />

opportunities for project acquisitions.<br />

3. Why did you decide to become a researcher?<br />

What do you find exciting about<br />

it?<br />

During my master’s studies in urbanism<br />

in Venice and Leuven, I became passionate<br />

about investigating urbanism and<br />

landscape challenges and exploring, or<br />

(re)searching, design and technological<br />

innovation to tackle them. Given the<br />

ongoing climate and socio-ecological<br />

emergencies, it is paramount to support<br />

an environmentally and socially rethinking<br />

of the world we inhabit. This requires<br />

a radical transformation of the role of<br />

designers and to develop innovative<br />

strategies in delivering spatial quality<br />

and creating sustainable and regenerative<br />

environments.<br />

4. What tips can you give to young colleagues<br />

who want to pursue a similar career?<br />

Academic life is a challenging career<br />

path. My advice is to never give up after<br />

the first obstacle. Good ideas and opportunities<br />

don’t just happen. Instead,<br />

they emerge from a fascination with a<br />

problem and a focus on tackling it.<br />

5. What distinguishes <strong>BOKU</strong> as an employer<br />

and working environment?<br />

<strong>BOKU</strong> has the potential to dynamically<br />

grow and innovate itself and become a<br />

place for innovation, open to international<br />

scholars. It is a working environment<br />

that guarantees scientific and educational<br />

freedom and work-life balance<br />

for its staff and students.<br />

•<br />

Private<br />

Cecilia<br />

Furlan<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

85<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 85 20.03.23 16:46


Laufbahnstelle: Bodenphysik mit Schwerpunkt Erosion<br />

Doktoratsstudium der Bodenkultur<br />

Specially Appointed Assistant Professor an der<br />

Universität Tottori in Japan<br />

Center for Agricultural Research in the Dry Areas<br />

(ICARDA) mit Sitz in Amman<br />

Leitung wissenschaftlicher Projekte im Nahen<br />

Osten, Nord- und Ostafrika sowie Zentralasien<br />

Strohmeier, S., et al., 2021. Rehabilitation of degraded<br />

rangelands in Jordan: The effects of mechanized micro<br />

water harvesting on hill-slope scale soil water and vegetation<br />

dynamics. Journal of Arid Environments. 185. https://<br />

doi.org/10.1016/j.jaridenv.2020.104338.<br />

Strohmeier, S., et al., 2019. Surface runoff and drought assessment<br />

using global water resources datasets - from Oum Er<br />

Rbia basin to the Moroccan country scale. Water Resources<br />

Management. 34. DOI: 10.1007/s11269-019-02251-6<br />

IPCC. 2019. IPCC Special Report on Climate Change,<br />

Desertification, Land Degradation, Sustainable Land<br />

Management, Food Security, and Greenhouse gas fluxes<br />

in Terrestrial Ecosystems. Chapter 3: Desertification.<br />

Contributing author: Strohmeier, S., pp 78-80.<br />

Department für Wasser-Atmosphäre-Umwelt<br />

Institut für Bodenphysik und<br />

landeskulturelle Wasserwirtschaft<br />

stefan.strohmeier@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Wichtige Themen sind: Speicherung<br />

und Bodenerosion durch<br />

Wind und Wasser (Niederschlag).<br />

Meine Forschung wird durch eine<br />

Gruppe ambitionierter PhD-Student*innen<br />

unterstützt – und<br />

untersucht Möglichkeiten des<br />

besseren und nachhaltigen agrarischen<br />

Managements zur Vermeidung<br />

von Bodenerosion, die über<br />

ein tolerierbares Maß hinausgeht.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben<br />

sich durch diese Laufbahnstelle für<br />

Ihre akademische Karriere?<br />

Langfristig zu planen und zu entwickeln.<br />

Mein aufgebautes internationales<br />

Netzwerk einzuladen,<br />

gemeinsame Projekte und neue<br />

Ansätze für nachhaltiges Ressourcenmanagament<br />

voranzutreiben<br />

und zu promoten.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscher zu werden? Was ist<br />

für Sie das Spannende daran?<br />

Das Spannende am Forschen ist<br />

es, neue Wege zu finden – manchmal<br />

auch neue Ziele.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen<br />

Kolleg*innen geben, die eine ähnliche<br />

Laufbahn einschlagen wollen?<br />

Ich finde es unheimlich wichtig,<br />

die Dinge aus verschiedenen Positionen<br />

zu betrachten. Dies mag<br />

durch internationale Erfahrungen<br />

oder auch eine Kombination<br />

verschiedener wissenschaftlicher<br />

Disziplinen oder Ansätze passieren.<br />

In jedem Fall benötigt es Zusammenarbeit.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Die <strong>BOKU</strong> zeichnet sich durch<br />

Offenheit, Diversität und Multi-<br />

Disziplinarität aus. <br />

•<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Stefan Strohmeier<br />

86 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 86 20.03.23 16:46


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Bano Mehdi-Schulz<br />

Laufbahnstelle: Hydrologie und<br />

Wasserwirtschaft mit Schwerpunkt<br />

Ökohydrologische Modellierung und<br />

integrative Wasserwirtschaft<br />

BSc. Bodenkunde<br />

MSc. Bioressourcen-Ingenieurwesen<br />

Ph.D. Geografie<br />

Mehdi B, Dekens J, Herrnegger M 2021<br />

Climatic impacts on water resources<br />

in a tropical catchment in Uganda and<br />

adaptation measures proposed by resident<br />

stakeholders. Climatic Change<br />

Mehdi B, Lehner B, Ludwig R 2018 Modelling<br />

crop land use change derived from<br />

influencing factors selected and ranked by<br />

farmers in North temperate agricultural<br />

regions. Science of the Total Environment<br />

Mehdi B, Ludwig R, Lehner B 2015<br />

Evaluating the impacts of climate change<br />

and crop land use change on streamflow,<br />

nitrates and phosphorus: A modelling<br />

study in Bavaria. Journal of Hydrology:<br />

Regional Studies<br />

Department für Wasser,<br />

Atmosphäre und Umwelt<br />

Institut für Hydrologie und<br />

Wasserwirtschaft, Ecohydrological and<br />

land use modelling group<br />

bano.mehdi@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Ich untersuche die Auswirkungen von<br />

Landnutzungsänderungen in Kombination<br />

mit dem Klimawandel auf Nitrat-<br />

Transportprozesse in die Gewässer. In<br />

einem FWF-Projekt mit dem Institut<br />

für Soziale Ökologie berücksichtigen<br />

wir mithilfe eines integrativen Modellierungssystems<br />

die Entscheidungen<br />

der Landwirte (z. B. jährliche Kulturänderungen),<br />

um die möglichen zukünftigen<br />

Anbauflächen in der Eisenwurzen<br />

modelltechnisch abzubilden.<br />

Ebenfalls werden die Veränderungen<br />

der hydrologischen Prozesse und der<br />

Nitratemissionen unter Klimawandelszenarien<br />

quantifiziert. Aus den Ergebnissen<br />

lassen sich Bewirtschaftungsmaßnahmen<br />

ableiten, die zu erhöhten<br />

Stickstoff- und Wasseraufnahmen<br />

durch Pflanzen beitragen.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich<br />

durch diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Ich kann meine Ideen langfristig umsetzen,<br />

z. B. habe ich nun die Möglichkeit,<br />

meine Karriere zu gestalten, neue Forschungsthemen<br />

aufzubauen und meine<br />

Gruppe zu erweitern.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden, Forscherin<br />

zu werden? Was ist für Sie das Spannende<br />

daran?<br />

In den 80er-Jahren prägten die Bilder der<br />

Wasserverschmutzung mein jüngeres Ich.<br />

In der Schule gründete ich mit Freund*innen<br />

die erste Umwelt-AG, und ich habe<br />

auch kurz bei Greenpeace ehrenamtlich<br />

gearbeitet. Obwohl ich heute weiß, dass<br />

ich die Umwelt nicht retten werde, finde<br />

ich es spannend, Lösungen für Herausforderungen<br />

zu finden, die die Berücksichtigung<br />

mehrerer Disziplinen erfordern.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn einschlagen<br />

wollen?<br />

Lassen Sie sich von Rückschlägen nicht abschrecken<br />

und folgen Sie Ihrer Motivation.<br />

Auslandsaufenthalte in die wissenschaftliche<br />

Karriere einbauen, um Einblicke in<br />

diverse Forschungsideen zu erhalten.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Der integrative Aspekt der Forschungsdisziplinen<br />

und der starke Fokus auf Nachhaltigkeit<br />

sind für mich besonders attraktiv.<br />

Außerdem schätze ich die kooperative<br />

Zusammenarbeit zwischen Instituten. •<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

87<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 87 20.03.23 16:46


Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Johanna Burtscher<br />

(geb. Brändle)<br />

Inge Dirmhirn Laufbahnstelle: Lebensmittelmikrobiologie<br />

und -hygiene mit Schwerpunkt<br />

Lebensmittelqualität und -sicherheit<br />

2014 Master LMWT, <strong>BOKU</strong><br />

2017 Promotion, <strong>BOKU</strong><br />

2018 Post-Doc, <strong>BOKU</strong> und FFoQSI GmbH<br />

2020 Forschungsaufenthalt, Universität<br />

Zürich<br />

2022 Stellvertretende Institutsleiterin<br />

Brändle, J; Heinzle, L; Fraberger, V; Berta, J; Zitz,<br />

U; Schinkinger, M; Stocker, W; Kneifel, W; Domig,<br />

KJ. Novel approach to enumerate clostridial<br />

endospores in milk. FOOD CONTROL. 2018;<br />

85: 318-326.<br />

Burtscher, J; Etter, D; Biggel, M; Schlaepfer, J;<br />

Johler, S. Further Insights into the Toxicity of<br />

Bacillus cytotoxicus Based on Toxin Gene Profiling<br />

and Vero Cell Cytotoxicity Assays. TOXINS.<br />

2021; 13(4), 234<br />

Bücher, C; Burtscher, J; Domig, KJ; Propionic<br />

acid bacteria in the food industry: An update on<br />

essential traits and detection methods. Compr<br />

Rev Food Sci Food Saf. 2021; 20(5):4299-4323<br />

Department für Lebensmittelwissenschaften<br />

und Lebensmitteltechnologie<br />

Institut für Lebensmittelwissenschaften<br />

johanna.burtscher@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

Aktuell erforschen wir zum Beispiel<br />

Bakterien, die Käseverderb verursachen.<br />

Durch verbesserte Nachweismethoden<br />

dieser Verderbserreger in<br />

Rohmilch wollen wir zu einer Vermeidung<br />

von Kontaminationen und einer<br />

nachhaltigen Lebensmittelproduktion<br />

beitragen. Darüber hinaus isolieren wir<br />

Bakterien aus verschiedensten Habitaten,<br />

um sie besser zu verstehen und zu<br />

unterscheiden. Dazu charakterisieren<br />

wir sie beispielsweise genetisch, hinsichtlich<br />

ihres Wachstumsverhaltens<br />

oder in Bezug auf potenzielle Antibiotikaresistenzen<br />

oder Toxinbildung.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich<br />

durch diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Das Programm bietet eine langfristige<br />

interessante Karriereperspektive<br />

an der <strong>BOKU</strong>. Unterstützung erfahre<br />

ich insbesondere durch meinen Mentor<br />

im Laufbahnstellenprogramm, die<br />

Professor*innen und viele Kolleg*innen<br />

am Department.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden,<br />

Forscherin zu werden? Was ist für Sie<br />

das Spannende daran?<br />

Ich mag es, zu entdecken, mich immer<br />

wieder mit neuen Fragen und Themen<br />

auseinanderzusetzen. Die Kombination<br />

aus kontinuierlichem Lernen und<br />

Lehren in der universitären Forschung<br />

finde ich besonders spannend.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn<br />

einschlagen wollen?<br />

Der für mich wichtigste Tipp, den ich<br />

von meinen Vorbildern bekommen<br />

habe: einfach trauen und machen. Gerade<br />

in der Forschung darf man ausprobieren<br />

und auch Fehler machen.<br />

Rückschläge gehören dazu und sind<br />

manchmal die Basis für den späteren<br />

Fortschritt.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Das kollegiale Umfeld, das es ermöglicht,<br />

mit Freude an gemeinsamen<br />

Projekten zu arbeiten und sich ehrlich<br />

und offen auszutauschen. •<br />

88 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 88 20.03.23 16:46


Laufbahnstelle: Chemie mit<br />

Schwerpunkt Green Chemistry<br />

Studium Chemie, Universität Wien<br />

Dissertation, <strong>BOKU</strong><br />

Entwicklung des trilateralen<br />

Masterstudiums „Green Chemistry“<br />

zusammen mit TU Wien und<br />

Universität Wien<br />

Leitung Christian Doppler<br />

Labor für Cellulose Hightech-<br />

Materialien<br />

Hettegger, H; et al. (2020):<br />

Derivatized polysaccharides on<br />

silica and hybridized with silica<br />

in chromatography and separation<br />

– a mini review. In: Rauter,<br />

AP; et al. (Eds.), Recent Trends<br />

in Carbohydrate Chemistry:<br />

Synthesis, Structure and Function<br />

of Carbohydrates, 492; Elsevier,<br />

Amsterdam, The Netherlands;<br />

ISBN 9780128174678<br />

Hettegger, H; et al.: Aqueous Modification<br />

of Nano- and Microfibrillar<br />

Cellulose with a Click Synthon.<br />

ChemSusChem. 2016; 9(1):75-79<br />

Department für Chemie<br />

Institut für Chemie nachwachsender<br />

Rohstoffe<br />

hubert.hettegger@boku.ac.at<br />

1. Woran forschen Sie aktuell?<br />

In den letzten Jahren lag der Schwerpunkt<br />

meiner Forschungsarbeiten auf der Entwicklung<br />

von sogenannten chiralen stationären<br />

Phasen. Das sind in meinem Fall cellulosebasierte<br />

Materialien, welche für die Trennung<br />

von spiegelbildlichen Molekülen verwendet<br />

werden, die sich mit herkömmlichen (chromatografischen)<br />

Methoden nicht auftrennen<br />

lassen. Solche chiralen Phasen haben unter<br />

anderem in der pharmazeutischen und chemischen<br />

Analytik sowie bei der Herstellung<br />

von pharmazeutischen Wirkstoffen große<br />

praktische Relevanz. Weiters geht es um<br />

die allgemeine Entwicklung von Synthesemethoden,<br />

die den Prinzipien der Grünen<br />

Chemie genügen, und um Grundlagenfragen<br />

der Cellulose-Chemie, wie z. B. Alterungsprozesse<br />

in cellulosischen Materialien.<br />

2. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch<br />

diese Laufbahnstelle für Ihre akademische<br />

Karriere?<br />

Die Möglichkeit, sich neuen Herausforderungen<br />

zu stellen und natürlich auch, eine<br />

langfristige Perspektive in Forschung und<br />

Lehre zu haben.<br />

3. Warum haben Sie sich entschieden, Forscher<br />

zu werden? Was ist für Sie das Spannende daran?<br />

Interesse und Neugierde im Bereich Chemie<br />

haben sich schon in meiner Kindheit z. B.<br />

beim Experimentieren herauskristallisiert.<br />

Als Naturwissenschaftler ist es einfach wahnsinnig<br />

spannend, eigenen Forschungszielen<br />

nachzugehen und in gewisser Weise das zu<br />

machen, was einem fachlich „Spaß macht“.<br />

Auch die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen<br />

aus der ganzen Welt ist eine unglaubliche<br />

Bereicherung sowohl auf persönlicher als<br />

auch akademischer Ebene.<br />

4. Welche Tipps können Sie jungen Kolleg*innen<br />

geben, die eine ähnliche Laufbahn einschlagen<br />

wollen?<br />

Eine intrinsische Motivation, sich selbst entfalten<br />

und auf hohem akademischen Level<br />

aus der Komfortzone bewegen zu wollen<br />

sowie die konstante Unterstützung durch<br />

akademische Mentor*innen sind sicher<br />

enorm wichtige Faktoren und die Basis für<br />

die Arbeit als Jungwissenschaftler*in.<br />

5. Was zeichnet die <strong>BOKU</strong> als Arbeitgeberin<br />

und Arbeitsumfeld aus?<br />

Mission, Vision und Werte der <strong>BOKU</strong>, ganz<br />

allgemein der „<strong>BOKU</strong>-Spirit“ – und im direkten<br />

Umfeld die tolle Atmosphäre am<br />

Institut. <br />

•<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Hubert Hettegger<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

89<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 89 20.03.23 16:46


FORSCHUNG: FAQ<br />

Vor der Anlage eines Forschungsprojekts<br />

müssen Sie im Stammdatenblatt<br />

u. a. die Funktion im<br />

Projekt sowie die zugehörige Vergabeart<br />

auswählen. Sofern die Kombination<br />

daraus nicht korrekt ist, können<br />

Sie mit der Erfassung des Antrags<br />

nicht fortfahren, sie bleiben an der<br />

FIS-Informationsseite zur Antragserfassung<br />

(„Merkmale der Vergabeart“)<br />

hängen. Bitte nehmen Sie im Zweifelsfall<br />

mit dem Team Projektsupport<br />

oder dem Controlling Kontakt auf.<br />

Was ist bei der Anlage eines Projekts<br />

im Bereich der Antragsforschung zu<br />

beachten?<br />

Sie müssen entweder die Funktion<br />

„Koordinator*in“ oder „Partner*in“<br />

gemeinsam mit der Vergabeart „Antragsforschung“<br />

auswählen.<br />

Was ist bei der Anlage eines Projekts<br />

im Bereich der Auftragsforschung zu<br />

beachten?<br />

Sie müssen die Funktion „Auftragnehmer*in“<br />

gemeinsam mit der Vergabeart<br />

„Auftragsforschung“ auswählen.<br />

Was ist bei der Anlage eines Projekts im<br />

Bereich der Kooperativen Forschung<br />

zu beachten?<br />

Wenn Sie der Meinung sind, dass es<br />

sich um eine „Kooperative Forschung“<br />

handelt, dann müssen Sie neben der<br />

Vergabeart die Funktion „Partner*in“<br />

auswählen. Darüber hinaus müssen<br />

Sie das Feld „Angaben zur Kooperativen<br />

Forschung sowie der/die geplante<br />

Kooperationspartner*in“ ausfüllen.<br />

Bitte beachten Sie, dass danach vorerst<br />

die weitere Bearbeitung gesperrt<br />

ist. Der Projektsupport klärt ab, ob es<br />

sich tatsächlich um ein Kooperatives<br />

Forschungsprojekt mit wirksamer Zusammenarbeit<br />

handelt oder etwa doch<br />

um einen Forschungsauftrag.<br />

KONTAKT<br />

Stefanie Perl, BSc. MA<br />

stefanie.perl@boku.ac.at<br />

LINK<br />

https://short.boku.ac.at/fos_<br />

projektmeldungNWFh3UCQ<br />

STRATEGISCHE KOOPERATION<br />

<strong>BOKU</strong>–UMWELTBUNDESAMT<br />

Aktuelles aus der Kooperation<br />

V<br />

iele der Herausforderungen, die<br />

durch Krisen wie den Ukraine-Krieg,<br />

Corona oder den Klimawandel in<br />

letzter Zeit besonders augenscheinlich<br />

wurden, sind schon länger bekannt und<br />

Teil wissenschaftlicher Arbeiten. Auch in<br />

der Strategischen Kooperation sind und<br />

waren Themen wie Klimawandel und Ressourcenverbrauch<br />

präsent und werden in<br />

der Zusammenarbeit inhaltlich bearbeitet.<br />

So fand zum Beispiel Ende 2022 an<br />

der <strong>BOKU</strong> ein Grüner Salon zum Thema<br />

Klimawandel & Tourismus statt, der auch<br />

medial großen Widerhall fand – die Veranstaltung<br />

kann auch am YouTube-Kanal<br />

der <strong>BOKU</strong> nachgesehen werden.<br />

Die genannten Krisen und Herausforderungen<br />

zeigen jedenfalls klar die Notwendigkeit<br />

des gesellschaftlichen Wandels,<br />

einschließlich einer Veränderung<br />

unserer Wirtschaftsweisen, hin zu einer<br />

nachhaltigen Nutzung von Umwelt und<br />

Ressourcen auf. Dass dies auch in der<br />

Politik erkannt wurde, unterstreichen<br />

mehrere nationale Strategiedokumente,<br />

wie z. B. die Bioökonomie-Strategie, Biodiversitäts-Strategie<br />

Österreich 2030+<br />

oder die Kreislaufwirtschafts-Strategie,<br />

die in den letzten Monaten der Öffentlichkeit<br />

präsentiert wurden. Sowohl die<br />

<strong>BOKU</strong> als auch das Umweltbundesamt<br />

können bei der Umsetzung dieser Strategien<br />

wertvolle Beiträge leisten, wodurch<br />

sich ein großes Kooperationspotenzial<br />

ergibt – dieses gilt es zu nutzen.<br />

Für Ideen oder Fragen zu Kooperationen<br />

mit dem Umweltbundesamt stehe ich<br />

gerne zur Verfügung!<br />

•<br />

LINK<br />

KONTAKT<br />

Von Florian Borgwardt<br />

Das Podium zum Grünen Salon „Klimawandel und Tourismus“, v. l.: W. Hettegger, G. Lichtblau,<br />

P. Stuiber, M. Olefs, U. Pröbstl-Haider, N. Sikora-Wentenschuh<br />

Grüner Salon<br />

www.youtube.com/watch?v=Ch-<br />

NWFh3UCQ<br />

DI Dr. Florian<br />

Borgwardt<br />

florian.borgwardt@<br />

boku.ac.at<br />

http://short.boku.<br />

ac.at/fos_<br />

stratkoopbokuu<br />

Christoph Gruber/<strong>BOKU</strong>-Medienstelle<br />

Jürgen Pletterbauer<br />

90 <strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2023</strong><br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 90 20.03.23 16:46


WENDE ODER ENDE GELÄNDE<br />

SCHWERPUNKT ENERGIE UND MOBILITÄT<br />

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WENDE<br />

ODER<br />

ENDE<br />

GELÄNDE<br />

<strong>BOKU</strong> <strong>Magazin</strong> 123 Korr.indd 92 20.03.23 16:46

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