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Ausgabe 206

Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>206</strong> / 20. 03. 2023<br />

Österreich, Europa und die Welt / Steiermark<br />

»manuskripte«-Preis 2023<br />

geht an Yevgeniy Breyger<br />

69<br />

Auf Antrag von Landeshauptmann Christopher<br />

Drexler hat die Steiermärkische<br />

Landesregierung am 2. März den Vorschlag<br />

der eingesetzten Literaturjury umgesetzt, den<br />

diesjährigen „manuskripte“-Preis des Landes<br />

Steiermark an Yevgeniy Breyger zu vergeben.<br />

Der Preis dient – wie die Zeitschrift<br />

„manuskripte“ selbst – der Förderung der<br />

jungen deutschsprachigen Literatur und wird<br />

seit 1981 an AutorInnen für eine anerkennungswürdige<br />

literarische Leistung auf dem<br />

Gebiet der Lyrik, der Prosa, des Dramas oder<br />

des Essays vergeben und ist mit 10.000 Euro<br />

dotiert.<br />

Landeshauptmann und Kulturreferent<br />

Christopher Drexler: „Das herausragende<br />

literarische Schaffen von Yevgeniy Breyger<br />

spricht und füllt Bände. Viele Texte des ge -<br />

bürtigen Ukrainers sind gerade in Zeiten des<br />

russischen Angriffskrieges von geradezu er -<br />

schütternder Aktualität. Der Autor, er ist im<br />

Jahr 2018 zu den ,manuskripten‘ gestoßen,<br />

ist der steirischen Literaturzeitschrift überaus<br />

verbunden, fungiert längst auch als Werbeträger<br />

– und kann demnach auch als Botschafter<br />

für das Kunst- und Kulturland<br />

Steiermark bezeichnet werden.“<br />

Begründung der Jury<br />

Yevgeniy Breyger versteht es, mit wenigen<br />

Zeilen ganze Königreiche zu erschaffen.<br />

Dies gilt nicht nur für den gleichnamigen<br />

Zyklus, mit dem er 2019 den renommierten<br />

Leonce-und-Lena-Preis gewann. Auch in den<br />

weiteren, mittlerweile drei Bände umfassenden<br />

Gedichten des Frankfurter Lyrikers ist<br />

ein gelehrter Demiurg am Werk, der mit ge -<br />

radezu kindlichem Eifer, zärtlich und rück -<br />

sichtslos zugleich, die Einzelteile unserer<br />

Sprache zu ungeahnten Welten zusammenbaut.<br />

Es sind verblüffend einfache, gerade<br />

deshalb atemberaubend neue Wortkombinationen,<br />

mit denen Breyger die Trägheit der<br />

alltäglichen Phrasen aushebelt. Manchmal<br />

liedhafte, dann wieder freie, zur Prosa tendie -<br />

rende Verse fügen sich wie selbstverständlich<br />

zu Rätselsprüchen, die dem lesenden Ver -<br />

stand ein Schnippchen schlagen: Noch bevor<br />

man bemerkt, daß man nicht begreift, hat<br />

Landeshauptmann und Kulturreferent Christopher<br />

Drexler freut sich über die Entscheidung der Jury<br />

Foto: Verena Stauffer<br />

Yevgeniy Breyger, Preisträger<br />

des „manuskripte“-Preises 2023<br />

man schon – auf unbewußte, ja, körperliche<br />

Weise – verstanden: „Vergiß, was du tust,<br />

folge einem Gesang.“ Dabei handelt es sich<br />

um alles andere als weltabgewandte Elfenbeinturmlyrik.<br />

Im Gegenteil, die Gedichte<br />

stochern in den thematischen Glutnestern der<br />

Gegenwart, von digitaler Kunst (wie in seinen<br />

„Cryptopoems“) über „inhaltliche Blender<br />

blendender Inhalte“ bis zur titelgebenden<br />

Anspielung auf den im sowjetischen Lager<br />

umgekommene Dichter Ossip Mandelstam:<br />

„Gestohlene Luft“ (Titel von Breygers zweitem,<br />

2020 bei kookbooks erschienenem Ge -<br />

dichtband) nannte dieser widerständige, weil<br />

ohne Erlaubnis von Stalins Terrorregime ver -<br />

faßte Texte.<br />

Zur Person Yevgeniy Breyger<br />

Politisches Engagement zeigt der 1988 in<br />

Charkiv in der Ukraine geborene, „Ende der<br />

Neunziger als jüdischer Kontingentflüchtling<br />

nach Deutschland“ gezogene Breyger gelegentlich<br />

auch in messerscharf argumentierten<br />

Zeitungskommentaren. Und ein Vers wie<br />

„Im Krieg spielen Knochen / die Rolle von<br />

Grüßen“ ist mittlerweile leider ohnehin von<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />

erschütternder Aktualität. Yevgeniy Breyger<br />

stieß 2018 auf Empfehlung von Olga Martynova<br />

zu den „manuskripten“. Seither künden<br />

Qualität und Timing seiner Veröffentlichungen<br />

von der gegenseitigen Wertschätzung.<br />

So schickte er etwa seine Königreiche noch<br />

direkt von der Leonce-und-Lena-Preis-Verleihung<br />

per Telefon für die manuskripte 224<br />

oder war in der wichtigen Relaunch-<strong>Ausgabe</strong><br />

231 mit seinem umfangreichen Zyklus<br />

„Was lernt man ohne Absicht zu verzeihen?“<br />

als Auftakt des ersten Kapitels prominent<br />

präsent. Auch einen Werbespruch hat er der<br />

Zeitschrift geschenkt: „Wo ich meine Ge -<br />

dichte zur Erstpublikation hingebe? Unbedingt<br />

an die ,manuskripte‘. Eine LITERA-<br />

TURzeitschrift unter den Literaturzeitschriften.“<br />

Über »manuskripte«<br />

Die Grazer „manuskripte“ sind eine der<br />

wichtigsten Literaturzeitschriften im deutsch -<br />

sprachigen Raum. 1960 von Alfred Kolle -<br />

ritsch gegründet, wird sie heute vom Autor<br />

Andreas Unterweger herausgegeben. In den<br />

„manuskripten“ werden ausschließlich Erstveröffentlichungen<br />

publiziert.<br />

In den 1960ern und 1970ern galten die<br />

„manuskripte“ als Skandalmedium, in dem<br />

so bedeutende AutorInnen wie Peter Handke,<br />

Elfriede Jelinek, Wolfgang Bauer, Barbara<br />

Frischmuth, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker<br />

oder Oswald Wiener das erste Mal<br />

oder sehr früh veröffentlichten. Auch in den<br />

folgenden Jahrzehnten verfolgten die „ma-<br />

nuskripte“ die von Kolleritsch umrissene<br />

Poetik des Offenen, die möglichst vielen,<br />

dabei stets hochqualitativen Schreibweisen<br />

Platz zu bieten versucht.<br />

Mit dem Relaunch im Frühjahr 2021 ist<br />

dieser Anspruch auch im Untertitel manifest:<br />

„w e i t e r schreiben“ – wobei „weiter“ auch<br />

im Sinn von „weiterdenken“, „den Horizont<br />

erweitern“ zu verstehen ist. Die deutsche Wo -<br />

chenzeitung „Die Zeit“ ur teilte 2021: „Ohne<br />

die ,manuskripte‘ sähe Österreichs Kulturlandschaft<br />

anders aus.“<br />

n<br />

https://www.verwaltung.steiermark.at/<br />

http://www.manuskripte.at/wordpress/

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