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Ausgabe 206

Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>206</strong> / 20. 03. 2023<br />

Österreich, Europa und die Welt<br />

25<br />

Foto: Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser<br />

Bundeskanzler Karl Nehammer auf der Regierungsbank<br />

Überdies hinterfragen sie die Vorteile der<br />

Neutralität für die Sicherheit Österreichs.<br />

Immerhin habe die Republik sich bislang<br />

nicht als Vermittlerin zwischen den Kriegsparteien<br />

hervorgetan, anders als beispielsweise<br />

das NATO-Mitglied Türkei. Zudem<br />

könnte sich Österreich nach Ansicht der<br />

NEOS durchaus gemäß Bundesverfassung<br />

im Rahmen der europäischen Solidarität an<br />

gemeinsamen Militäraktionen mit anderen<br />

EU-Ländern beteiligen. „Friedenssicherung<br />

und Friedensschaffung“ müsse für die Europäische<br />

Union Priorität haben, unterstrich<br />

Meinl-Reisinger. Vor diesem Hintergrund ste -<br />

he auch einer Luftraumüberwachung und<br />

-verteidigung von österreichischem Hoheitsgebiet<br />

nichts im Weg. Ebenso zulässig sei<br />

die Ausbildung ukrainischer Soldaten am<br />

Kampfpanzer Leopard bzw. zur Minenräumung<br />

durch Österreich, was wiederum<br />

Kanzler Nehammer in Abrede stellte.<br />

Nehammer: Neutralität hilft Brücken zu bauen<br />

Bundeskanzler Karl Nehammer unterstrich,<br />

die österreichische Neutralität „war,<br />

ist und bleibt“ hilfreich und nützlich für das<br />

Land. Sie helfe in „vielen Bereichen“, so<br />

seien 52 internationale Organisationen wie<br />

die UNO in Wien verortet, wodurch Ge -<br />

sprächskanäle offengehalten werden könnten,<br />

und zwar weltweit. Selbst „beim<br />

schlimmsten Konflikt“ könnten dadurch die<br />

Konfliktparteien miteinander reden, verteidigte<br />

er die Einladung von russischen Teilnehmern<br />

an der OSZE-Tagung am 23. und<br />

24. Februar in Wien. Österreich trage mit<br />

seiner „wehrhaften“ und „aktiven Neutralitätspolitik“<br />

dazu bei, „Frieden zu erhalten“,<br />

verwies er auf zahlreiche Friedensmissionen<br />

des Bundesheeres. Dennoch benenne man<br />

Unrecht und helfe dort, wo Hilfe nötig ist,<br />

etwa bei der Beherbergung und Versorgung<br />

von Kriegsopfern oder beim Mittragen der<br />

EU-Sanktionspolitik gegen Rußland sowie<br />

der Unterstützung der EU-Hilfen an die<br />

Ukraine im Umfang 52 Mrd. €. Waffenlieferungen<br />

an die Ukraine würden von Österreich<br />

nicht blockiert, das Land liefere aber selbst<br />

keine tödlich wirkende Ausrüstung. „Wir<br />

sind immer an der Seite der Ukraine, wenn<br />

es darum geht, zu helfen“, verdeutlichte der<br />

Bundeskanzler, etwa durch direkte Hilfslieferungen<br />

aus Städten und Gemeinden.<br />

Nehammer versteht sich unter dem Schirm<br />

der Neutralität als Brückenbauer, wie er an -<br />

hand seiner Gespräche mit dem ukrainischen<br />

Präsidenten und mit Rußlands Machthaber<br />

darstellte. Seitens der EU-Partner gebe es<br />

überdies „keinerlei“ Hinweise darauf, eine<br />

historisch bedingte Neutralität wie die österreichische,<br />

die von einer großen Mehrheit der<br />

ÖsterreicherInnen begrüßt werde, in Frage<br />

zu stellen. Eine „wesentliche Rolle“ spiele<br />

das neutrale Österreich nicht zuletzt bei den<br />

Ländern den Westbalkans, appellierte Ne -<br />

ham mer, dortige Konflikte trotz des blutigen<br />

Angriffskriegs auf die Ukraine nicht zu vergessen.<br />

Recht gab Nehammer den NEOS ungeachtet<br />

dessen, „die Sicherheitsdoktrin gehört<br />

überarbeitet“. Doch habe die militärische<br />

Landesverteidigung im letzten Budget mit<br />

„mehr als 5,2 Mrd. €“ die höchste Mittelsteigerung<br />

ihrer Geschichte erhalten, was ihr be -<br />

reits einen neuen Stellenwert verleihe. Österreich<br />

beteilige sich außerdem zu einem „über -<br />

proportionalen Teil“ an EU-Friedensmissionen.<br />

Ausbildungstätigkeiten für ausländische<br />

KämpferInnen schloß Nehammer in diesem<br />

Zusammenhang aber aus. Viel zu tun gebe es<br />

auch im Kampf gegen „Desinformation“, die<br />

auf die Beeinflussung von Entscheidungsprozessen<br />

abzielen, mahnte er. Die Politik<br />

müsse daher ihre „klare Haltung“ gegen den<br />

Krieg verdeutlichen, den „Aggressor“ Rußland<br />

benennen und dürfe nicht die Sanktionen<br />

als Ursache für die aufgrund des Kriegs<br />

befeuerte Teuerung darstellen.<br />

Energieabhängigkeit wird laufend reduziert<br />

„Österreich frei, sicher und unabhängig<br />

zu machen“ sei oberstes Ziel der Bundesregierung,<br />

sagte Nehammer, wobei er für das<br />

bestehende Wirtschaftswachstum und die<br />

„Rekordbeschäftigung“ ebenso wie für die<br />

Aufnahme ukrainischer Vertriebener im Land<br />

der Bevölkerung Respekt zollte. Die „außergewöhnlich<br />

langfristigen“ Verträge der OMV<br />

mit Rußland würden derzeit genau geprüft.<br />

Der derzeit noch bestehenden Energieabhängigkeit<br />

Österreichs von Rußland stellte<br />

der Bundeskanzler den hohen Auslastungsgrad<br />

heimischer Gasspeicher gegenüber, der<br />

trotz einer Reduktion der russischen Gaslieferungen<br />

in den letzten Monaten erreicht wor -<br />

den sei. „Putins Versuche“, Europa und Ös -<br />

terreich durch eine Minderung der Lieferungen<br />

zu „erpressen“, seien mißlungen. Vielmehr<br />

habe man die Energiesicherheit im Land<br />

mit strategischen Reserven ersetzt, so Ne -<br />

hammer, ressortübergreifende Krisenstäbe<br />

würden auf den Erhalt der Versorgungssicherheit<br />

achten. Langfristig müsse jedenfalls<br />

der Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben<br />

werden, räumte Nehammer ein, wo -<br />

bei er auf durchgeführte Gesetzesänderungen<br />

verwies. Um den Fachkräftemangel bei<br />

„klimarelevanten Berufen“ ehestmöglich zu<br />

beheben seien ebenfalls bereits Erleichterungen<br />

bei der Einwanderung ausländischer<br />

Fachkräfte in Kraft. Gleiches gelte für die<br />

Erfüllung der NEOS-Forderung, die Übergewinne<br />

der großteils öffentlichen Energieversorger<br />

der österreichischen Bevölkerung und<br />

Wirtschaft zugutekommen zu lassen. Die<br />

Transformation der Wirtschaft im Rahmen<br />

der Energiewende werde mit über 5 Mrd. €<br />

unterstützt.<br />

Den Vorwurf der NEOS, Wien habe den<br />

Ruf einer „Spionagehochburg“, da hierzulan -<br />

de ausgeübte Spionage gegen Drittstaaten<br />

nicht kriminalisiert werde, konterte Nehammer<br />

mit dem laufenden Ausbau des heimischen<br />

Nachrichtendienstes. Dessen Informationen<br />

würden dabei helfen, „rote Linien“<br />

festzustellen, die eine Ausweisung von Di -<br />

plomatInnen bedingen.<br />

n<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

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