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Ausgabe 206

Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>206</strong> / 20. 03. 2023<br />

Wissenschaft & Technik<br />

Wie wir unseren Weg durch<br />

Menschenmengen bahnen<br />

148<br />

Ein hirneigenes GPS hilft uns zu navigieren, indem es die<br />

Bewegungen der Mitmenschen in unserer Umgebung erfaßt.<br />

Rasterzellen helfen uns nicht nur, unsere<br />

eigenen Wege in einer komplexen Um -<br />

welt zu bahnen, sondern unterstützen uns<br />

auch bei der Analyse der Bewegungen anderer<br />

Personen, wie WissenschafterInnen der<br />

Universität Wien nun erstmals zeigten. Ihre<br />

neue Studie in „Nature Communications“<br />

legt auch eine Erklärung für einen Mechanismus<br />

nahe, der bei DemenzpatientInnen zu<br />

Orientierungslosigkeit führen könnte.<br />

Egal ob man sich seinen Weg durch eine<br />

volle Fußgängerzone bahnt oder ob man<br />

beim Fußball im Team Richtung Tor strebt,<br />

in beiden Situationen kommt es darauf an,<br />

nicht nur die eigenen Bewegungen, sondern<br />

auch die der anderen mitzudenken. Diese<br />

Navigations- und Orientierungsprozesse<br />

werden von Gehirnzellen getragen, die unsere<br />

aktuelle Position, woher wir kommen,<br />

wohin wir uns bewegen und in welche Richtung<br />

wir schauen registrieren. Durch ihre<br />

gemeinsame Aktivität erschaffen sie eine<br />

„Karte“ unserer Umgebung. Ein besonderer<br />

Typ dieser Zellen sind die sogenannten<br />

Rasterzellen („grid cells“) im entorhinalen<br />

Kortex, einer kleinen Hirnregion im mittleren<br />

Schläfenlappen. Sie funktionieren wie ein<br />

hirn eigenes GPS, denn sie repräsentieren<br />

nicht nur unsere Position im Raum, sondern<br />

können diese auch in Relation zu anderen<br />

Punkten im Raum setzen.<br />

Ob diese Rasterzellen auch daran beteiligt<br />

sind, die Bewegungen anderer Individuen<br />

auf dieser Karte abzubilden, war die<br />

Frage, welcher sich die WissenschafterInnen<br />

um Isabella Wagner und Claus Lamm von<br />

der Fakultät für Psychologie der Universität<br />

Wien widmeten. Dazu ließen die WissenschafterInnen<br />

ProbandInnen in einer virtuellen<br />

Umgebung sowohl selbst navigieren als<br />

auch die Bewegungen einer anderen Person<br />

beobachten, während ihre Gehirnaktivität<br />

mittels funktioneller Magnetresonanztomographie<br />

(fMRT) gemessen wurde.<br />

Sie fanden heraus, daß die Gehirnaktivität,<br />

die während des Beobachtens anderer<br />

aufgezeichnet wurde, mit der bereits be -<br />

kannten Aktivität von Rasterzellen vergleich -<br />

bar war. Außerdem konnte das Team zeigen,<br />

Foto: Peggy und Marco Lachmann-Anke / Pixabay<br />

Die Navigations- und Orientierungsprozesse werden von Gehirnzellen getragen, die unsere<br />

aktuelle Position, woher wir kommen, wohin wir uns bewegen und in welche Richtung wir<br />

schauen registrieren.<br />

daß diese Aktivität in ein Netzwerk weiterer<br />

Hirnregionen eingebunden war, die auch mit<br />

Navigationsprozessen in Zusammenhang<br />

gebracht werden. Interessanterweise stellte<br />

sich aber heraus, daß dieses Netzwerk umso<br />

weniger aktiv war, je besser eine Probandm,<br />

ein Proband darin war, dem Pfad anderer zu<br />

folgen. „Wir interpretieren das als größere Ef -<br />

fizienz der Rasterzellen, die es weniger notwendig<br />

machen, auf diese Hirnareale zurück -<br />

zugreifen“, erklärt Wagner.<br />

Die Ergebnisse der Studie deuten damit<br />

darauf hin, daß Rasterzellen zu einem größeren<br />

Netzwerk an Hirnregionen gehören, das<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />

unter anderem Navigationsprozesse koordiniert.<br />

Dieses Netzwerk ist jedoch besonders<br />

von Alterungsprozessen und insbesondere<br />

von Demenz betroffen. Wagner erläutert:<br />

„Die Funktion von Rasterzellen nimmt mit<br />

dem Alter und bei Demenz ab. Das führt<br />

dazu, daß sich Personen nicht mehr zurechtfinden<br />

und die Orientierung beeinträchtigt<br />

ist.“ Die weitere Forschung der Gruppe widmet<br />

sich nun der Frage, ob Rasterzellen auch<br />

am Erkennen von Personen beteiligt sind –<br />

ein Aspekt der bei fortgeschrittener Demenzerkrankung<br />

häufig beeinträchtigt ist. n<br />

https://www.univie.ac.at

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