Inhalt - Rotary International
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Meine Erfahrung mit der Kinderlähmung<br />
Jenny Horton<br />
Rotarierin<br />
Im indischen Sprachgebrauch würde ich mich selbst als Polio Wallah bezeichnen. Ich bin<br />
ein stolzes Mitglied des <strong>Rotary</strong> Clubs Kenmore, Australien, und widme mich einer ganz<br />
besonderen Aktivität – der Ausrottung der Kinderlähmung.<br />
Meinen ersten Kontakt mit <strong>Rotary</strong> hatte ich durch das <strong>Rotary</strong>-Jugendaustauschprogramm.<br />
Damals durfte ich als junges Mädchen vom Lande bis nach Oklahoma reisen. Später<br />
dann war mein Mann Rotarier, und als dieser nach einer Krankheit verstarb, wurde ich<br />
selbst Rotarierin und übernahm schnell das Präsidentenamt in meinem Club. Durch<br />
meinen Jugendaustausch hatte ich das Gefühl, <strong>Rotary</strong> etwas schuldig zu sein, und diese<br />
Verpflichtung scheint selbst heute, wo ich in einer anderen Funktion diene, weiter stetig zu<br />
wachsen.<br />
Während der vergangenen 11 Jahre setzte ich mich leidenschaftlich für die Ausrottung der<br />
Kinderlähmung ein, davon sieben Jahre hauptamtlich. Viele meiner Freunde halten das für<br />
fast schon übertrieben. Durch den Einsatz hatte ich Gelegenheit, in vielen verschiedenen<br />
Ländern im Kampf gegen die Krankheit direkt mitzuhelfen. Ein paar dieser Erfahrungen will<br />
ich heute mit Ihnen teilen und Ihnen von den vielen, engagierten Menschen berichten, die<br />
ich im Lauf der Jahre getroffen habe.<br />
Im Jahr 2000 reiste ich zum ersten Mal nach Indien, um gemeinsam mit Rotariern an<br />
einer Polio-Kampagne teilzunehmen. Hier war ich nun also, verabreichte Polio-Impfstoff<br />
an Kinder, um diese vor der Kinderlähmung zu schützen, und sah gleichzeitig Kinder mit<br />
schweren Behinderungen, die die Impfung nie erhalten hatten. Ich hatte bis dahin noch<br />
nie solche schlimmen Verkrüppelungen gesehen. Ich sah Kinder, die auf drei Gliedmaßen<br />
krochen, Kinder mit Beinen, die sie nicht benutzen konnten und die deshalb geächtet<br />
wurden und Kinder, die nicht in die Schule gehen konnten, da sie verstoßen worden waren<br />
und betteln gehen mussten. Diese Kinder zu sehen und dabei zu wissen, dass all dies zu<br />
vermeiden gewesen wäre, brach mir das Herz. In mir wuchs ein tiefer Wunsch danach,<br />
mich noch aktiver bei der Ausrottung dieser schrecklichen Krankheit einzubringen. Dank<br />
Past Governor P.V. Purushothaman erhielt ich Gelegenheit, mich noch umfassender zu<br />
beteiligen. Ich hatte Erfahrungen als Helferin in Krankenlagern für Poliopatienten. Dort<br />
hatte ich unter anderem ein Mädchen kennengelernt, das aufgrund der Kinderlähmung<br />
keine Schuhe tragen konnte und für jeden Schritt mit der Hand sein Knie anheben musste,<br />
um überhaupt laufen zu können. An ihre Beine wurden Schienen und Schuhe angepasst,<br />
woraufhin ich sie fragte, was daran das Beste sei. Sie sagte: „Ich kann jetzt meine<br />
Schulbücher zur Schule tragen.“ Wie soll man darauf antworten?<br />
Ich traf einen Vater, der seinem Sohn Kamran eine Polio-Impfung verweigert hatte und mit<br />
mir seinen Kummer teilte, weil Kamran im Alter von vier Jahren an der Kinderlähmung<br />
erkrankte und heute im Rollstuhl sitzt. Der Vater war an der Situation vielleicht nicht einmal<br />
schuld, da er zum damaligen Zeitpunkt falsche Informationen erhalten hatte, aber das<br />
änderte nichts daran, wie schuldig er sich fühlte. Kamran, der heute 14 Jahre alt ist, erzählte<br />
mir davon, dass er gerne Pilot geworden wäre und wie er nachts weinte, damit seine Eltern<br />
seinen Schmerz nicht mit ansehen müssten. Jedes Mal, wenn ich von einer dieser frühen<br />
Reisen zurückkehrte, war ich vollkommen aufgelöst und konnte einfach nicht begreifen,<br />
welches Leid diese Kinder erdulden mussten. Ein Leid, das doch so einfach zu verhindern<br />
gewesen wäre. Ich war nun fest entschlossen, mein bequemes Leben in Australien<br />
aufzugeben und an vorderster Front für die Ausrottung der Kinderlähmung zu kämpfen.<br />
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