13.03.2023 Aufrufe

The Gap 197

Coverstory: Oskar Haag — Chat GPT — Vienna Club Commission — ORF Topos — Freitag — Illustration Ladies Vienna — Steigende Wohnkosten für Studierende — Prosa: Markus Köhle — Schnitzelbeat Vol. 3, Bulbul, Le Charmant Rouge, Lil Julez, Mynth, Sharktank, Sophie Lindinger, Yukno — und vieles mehr …

Coverstory: Oskar Haag — Chat GPT — Vienna Club Commission — ORF Topos — Freitag — Illustration Ladies Vienna — Steigende Wohnkosten für Studierende — Prosa: Markus Köhle — Schnitzelbeat Vol. 3, Bulbul, Le Charmant Rouge, Lil Julez, Mynth, Sharktank, Sophie Lindinger, Yukno — und vieles mehr …

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

AUSGABE FEBRUAR / MÄRZ 2023 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH.

VERLAGSPOSTAMT 8000 GRAZ, P.B.B. | MZ 18Z041505 M

N° 197 € 0,—

Oskar Haag

Burgtheater, Fußball und Debütalbum


AUF!

AUF!

DICH

DICH

BÄUM

BÄUM

BÄUM

DICH

AUF!

#zweierlinie

#zweierlinie

JAHRHUNDERT-

CHANCE NUTZEN

CHANCE NUTZEN

JAHRHUNDERT-

Infos & Studie:

wien.gruene.at/zweierlinie

Zweierlinie, Höhe Rathaus

Rathaus

Höhe Zweierlinie,

Zweierlinie, Höhe Rathaus

wien.gruene.at/zweierlinie

Infos & Studie:

Studie: & Infos

wien.gruene.at/zweierlinie


Bernhard Frena

Editorial

Cause we know

were here to stay

So schnell kann’s gehen: Ende des Jahres noch Autor bei The Gap und

jetzt hier in exponierter Position. Ganz am Anfang, sowohl von diesem

Heft wie der neuen Rolle. Aber vielleicht bin ich jetzt zu schnell: Hallo

miteinander, Bernhard Frena mein Name, ich bin der neue Chefredakteur

von The Gap. Keine Angst! Viel geändert hat sich nicht. Unter zwei

Chefredakteur*innen – Theresa Ziegler und Sandro Nicolussi – durfte

ich über queere Communitys, popkulturelle Nischen und virtuelle Verquickungen

schreiben. Beide haben dem Magazin sanft ihren Stempel

aufgedrückt, ohne die Grundbausteine von The Gap über den Haufen zu

werfen. Das wäre auch mein Plan.

Allerdings möchte ich mir hier, ganz zu Beginn, ein paar Gedanken

über die Rolle von Magazinen wie The Gap in der (österreichischen)

Popkulturlandschaft machen. »Print stirbt«, heißt es schon lange. Da ist

was Wahres dran, gerade in der Popkultur. Im Netz geht alles schneller,

einfacher und direkter. Die Qualitäten von Print wirken dagegen fast altbacken:

Verlässlichkeit, Beständigkeit, Legitimität. Diese Worte riechen

muffig und angestaubt. Doch sie haben ihr Gutes: Sie verleihen Gewicht.

Dank ihnen können Printmagazine Nischen zur Geltung bringen und

ungehörten Menschen Gehör verschaffen. Dank ihnen können Magazine

unabhängig von Plattformen bestehen, die sich täglich nach Tagesgeschmack

und Marktwert neu erfinden müssen. Dank ihnen können sie

Szenen über Jahrzehnte begleiten und gemeinsam mit ihnen wachsen.

Auch The Gap ist mit seiner Szene über die Jahre ge- und verwachsen.

Und wird dies hoffentlich auch in Zukunft weiter tun.

Zum Schluss noch kurz zum aktuellen Heft: Ganz lässt uns die

Debatte um KI-Generierung aus der letzten Ausgabe noch nicht los.

Diesmal haben wir Chat GPT zehn essenzielle Fragen von »Should I Stay

or Should I Go?« bis »Wer hat den Mann mit dem Koks bestellt?« beantworten

lassen. Auf das Cover hat es aber einer geschafft, der ganz und

gar nicht künstlich klingt: Oskar Haag hat unserem Autor Christoph

Benkeser bei einem Spaziergang durch den Wurstelprater von Fußball,

Burgtheater und Debütalbum erzählt. Weitere Themen sind die zunehmend

prekäre Wohnsituation für Studierende und nachhaltige Taschenproduktion.

Außerdem: Interviews zur Vienna Club Commission, zu den

Illustration Ladies Vienna sowie zur neuen ORF-Plattform Topos.

Viel Spaß beim Lesen!

Bernhard Frena

Chefredakteur • frena@thegap.at

Web www.thegap.at

Facebook www.facebook.com / thegapmagazin

Twitter @the_gap

Instagram thegapmag

Issuu the_gap

Herausgeber

Manuel Fronhofer, Thomas Heher

Chefredaktion

Bernhard Frena

Leitender Redakteur

Manfred Gram

Gestaltung

Markus Raffetseder

Autor*innen dieser Ausgabe

Christoph Benkeser, Barbara Fohringer, Oliver Maus,

Martin Mühl, Tobias Natter, Sandro Nicolussi,

Victor Cos Ortega, Dominik Oswald, Helena Peter,

Felix Schmidtner, Jana Wachtmann, Thomas Weber,

Sarah Wetzlmayr

Kolumnist*innen

Josef Jöchl, Christoph Prenner

Fotograf*innen dieser Ausgabe

Alexander Galler, Teresa Wagenhofer

Coverbild

Teresa Wagenhofer

Lektorat

Jana Wachtmann

Anzeigenverkauf

Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer

(Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl

Distribution

Andrea Pfeiffer

Druck

Grafički Zavod Hrvatske d. o. o.

Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien

Geschäftsführung

Thomas Heher

Produktion & Medieninhaberin

Comrades GmbH, Hermanngasse 18/3, 1070 Wien

Kontakt

The Gap c/o Comrades GmbH

Hermanngasse 18/3, 1070 Wien

office@thegap.at — www.thegap.at

Bankverbindung

Comrades GmbH, Erste Bank,

IBAN: AT39 2011 1841 4485 6600, BIC: GIBAATWWXXX

Abonnement

6 Ausgaben; Euro 19,97

abo.thegap.at

Heftpreis

Euro 0,—

Erscheinungsweise

6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien;

Verlagspostamt 8000 Graz

Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz

www.thegap.at/impressum

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht

unbedingt die Meinung der Herausgeber*innen wieder.

Für den Inhalt von Inseraten haften ausschließlich die

Inserierenden. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund

Textmaterial wird keine Haftung übernommen.

Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung

der Geschäftsführung.

Die Redaktion von The Gap ist dem Ehrenkodex des

Österreichischen Presserates verpflichtet.


Magazin

010 »Messi hat mich abgezogen!«

Durch den Tag mit Oskar Haag

018 »Who the fuck is Alice?«

Chat GPT beantwortet

die Fragen unserer Zeit

022 »Freiraum macht Clubkultur aus«

Martina Brunner im Gespräch

über die Vienna Club Commission

024 »Nicht das Schmalz, aber der Kitt«

ORF-Topos-Chef Gerald

Heidegger im Interview

026 Ein Leben nach der Straße

Freitag und die kreislauffähige

Lkw-Plane

028 Wien und die Welt

Illustration Ladies Vienna

im Interview

032 Reise nach Jerusalem

Wie Studierende mit steigenden

Wohnkosten umgehen

004

032

Alexander Galler, Illustration Ladies, Manuel Fronhofer, Felix Schmidtner, Theresa Wey


028

Felix Schmidtner

Für uns hat Felix mit Studis über ihre

Wohnsituation geredet. Selbst hat er

da auch schon einiges durchgemacht.

Von spirituellen WGs in Lissabon bis

zu einer stromlosen Woche in Wien.

Abseits vom Schreiben forscht er als

Neurowissenschaftler zur Wirkung

von Stress und Koffein aufs Hirn,

macht Praktika mit Elefantenhirnen

oder tauscht sich bei einem Kaffee mit

Freund*innen übers Leben aus. Er ist

nämlich Genussmensch – zumindest

solange es das Geldbörsel hergibt.

026

Teresa Wagenhofer

Teresas liebste Vergnügungsparkattraktion

ist das Kettenkarussell

Praterturm im Wiener Wurstelprater.

Ebendort hat sie auch Oskar Haag für

unsere Coverstory fotografiert. Grundsätzlich

bildet sie gerne außergewöhnliche

Menschen an außergewöhnlichen

Orten ab. Für uns seit 2021, am allerliebsten

analog und bei schönem Licht.

Um Licht dreht sich bei ihr überhaupt

viel: Beim Filmschauen flimmert es,

ihre Pflanzen brauchen es und nach

langen Nächten lugt es manchmal

schon wieder über den Horizont.

Rubriken

003 Editorial / Impressum

007 Charts

016 Golden Frame

038 Prosa: Markus Köhle

040 Gewinnen

041 Rezensionen

046 Termine

Kolumnen

054 Screen Lights: Christoph Prenner

058 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl

AUSGABE DEZEMBER 2022 / JÄNNER 2023 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH.

VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M

person looking at smartphone by egon schiele

Generate

Künstliche Kunst

Der ambivalente Aufstieg KI-generierter Bilder

The_Gap_196_ 01-060_Umschlag_PACK_BBA_mf.in d 1 17. 1. 2 18: 5

AUSGABE OKTOBER / NOVEMBER 2022 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH.

VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M

N° 196 € 0,—

Gegen das Humor-Patriarchat

FLINTA* erobern die Kabarettbühnen

The Gap im Jahresabo

6 Ausgaben um nur € 19,97

Ihr mögt uns und das, was wir schreiben? Und ihr habt knapp

€ 20 übrig für unabhängigen Popkultur journalismus, der seit

1997 Kulturschaffen aus und in Österreich begleitet?

Dann haben wir für euch das The-Gap-Jahresabo im Angebot:

Damit bekommt ihr uns ein ganzes Jahr, also sechs Aus gaben

lang um nur € 19,97 nach Hause geliefert.

AUSGABE AUGUST/ / SEPTEMBER 2022 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH.

VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M

The_Gap_195_ 01-060_Umschlag_PACK.in d 1 21.09. 2 18:03

N° 195 € 0,—

Von der Musik leben

Wie steht es um die Branche?

The_Gap_194_ 01-060_Umschlag_BBA_mf.in d 1 25.07. 2 15:12

N° 194 € 0,—

Nähere Infos unter abo.thegap.at


Haltungsübung Nr. 11

Filterblase

verlassen.

Um Ihre Haltung zu trainieren, brauchen Sie kein atmungsaktives

Outfit und keine Gewichte, nur Ihren Kopf. Üben Sie zunächst jeden Tag,

ihn aus der Filterblase zu ziehen. Das funktioniert sogar im Sitzen.

derStandard.at

Der Haltung gewidmet.


Jayredavience Diquit Gamboa, Marika Rákóczy

Charts

Nike 101

TOP 10

Deutsch-Rap-Zitate

01 »Ich hab Schabernack gemacht, doch an den Schaden nicht gedacht« (Haiyti)

02 »Sie sieht gut aus, sie ist Legende und eine sehr Intelligente« (Raf Camora)

03 »Lauf immer der Nase nach, doch leider ist sie schief« (Teuterekordz)

04 »Greta Thunberg kann mich nicht leiden, weil von meinen Tränen die Wasserspiegel steigen« (Pink Viagra)

05 »Nein, ich muss mich niemals hochficken, treffe jeden Takt, vielleicht muss ich mich bald runterficken,

weil sonst heb’ ich ab, vielleicht muss ich deine Mutter ficken, weil’s sonst keiner macht« (Juju)

06 »Um Drogen zu dealen, braucht man keinen Abschluss zu haben« (Haftbefehl)

07 »Das ist jetzt das zwanzigste Dick-Pic, Bitte um Feedback« (Nico von K.I.Z)

08 »Mama tut mir leid, ich bin zu real« (Haiyti)

09 »Jeder Hater ist nur ein Klick mehr, du bist nicht mal ein Fick wert« (Schwesta Ewa)

10 »Sie fragt: ›Wann gehen wir auf ein Date?‹ Ich sag ihr, ich bin so wie ’ne Kerze,

ich gehe nur aus, wenn du bläst« (Money Boy)

TOP 03

Lieblingsgerichte (oddly specific)

01 Sushi Set: 4 Lachs, 1 Thunfisch, 2 Butterfisch, 1 Tamago, 3 Avokado-Maki

02 Rucola-Salat mit Erdbeeren, Orangen, Ziegenkäse, Walnüssen, Balsamico und Kürbiskernöl

03 Der Himbeer-Mohn-Rondo mit Vanille-Pudding von der Bäckerei Der Mann

Auch nicht schlecht

Der ZIB entfolgen und gscheide Zeitung lesen

Die Wiener Rapperin Nike 101 hat gerade ihr Debütalbum »Zu viele Hobbies« herausgebracht.

Charts

Thomas Fürhapter

TOP 10

Find ich gut

01 Kaffee

02 Zeichnungen

03 Intersektionalität

04 Schafe

05 Filme von Kelly Reichardt

06 Zeitlupe

07 Wiener Zeitung

08 Pausen

09 Weinhaus Pfandler

10 Listen

TOP 03

Find ich gar nicht gut

01 Privatjets

02 Essentialismus

03 Waldhäusl

Auch nicht schlecht:

Vereter (Band)

Thomas Fürhapter ist seit 15 Jahren als Regisseur

und Autor tätig. Sein neuester Film »Zusammenleben«

startet am 10. März in den österreichischen Kinos.

MYX

von Gelatin

Entgeltliche Einschaltung

Foto © Manfred Seidl

Die rund fünf Meter hohe Skulptur im Innenhof

des Gymnasiums Lessinggasse in Wien ist mehr als

ein Maskottchen: Als eine Art identitätsstiftendes

Überwesen soll es die Jugendlichen begleiten und

mit ihnen den Schulalltag bewältigen. MYX steht

auch für den Mut, Außergewöhnliches – über die

„Norm-Maße“ hinaus – zu denken und zu schaffen.

www.big-art.at


Splitter

Musikvideos auf

der Kinoleinwand

Kino-Flatrate startet

in Österreich

008

Bei Frames laufen ab 31. März wieder kuratierte Musikvideos auf dem

Big Screen. ———— »In Zeiten von Social Media gehen liebevoll produzierte

Musikvideos in den Timelines schnell unter«, so begründen

Benjamin Keitel und Matthias Katkowski, die beiden Initiatoren,

ihre Motivation, die Musikvideo-Screening-Reihe Frames

wiederzubeleben. Nach vier zunehmend erfolgreichen Screenings

bis 2019 war dann erst einmal pandemiebedingt Pause. Jetzt startet

das Team wieder durch. Beginnend mit dem ersten neuen Screening

am 31. März im Schikaneder Kino, ist pro Quartal ein Screening

geplant. Dort wird das (hoffentlich) zahlreiche Publikum

dann bestaunen können, was die österreichische Musikvideoszene

so zu bieten hat. Die Einreichphase für die Videos ist dabei offen,

alle Interessent*innen können ihre Musikvideos vorschlagen. Anschließend

legt eine Jury – an der auch unsere Redaktion beteiligt

sein wird – fest, welche Videos es ins Programm und auf den Silver

Screen schaffen. The Gap ist überdies als Medienpartner mit dabei

und wird für einen medialen Rahmen sorgen.

Bühne und Spotlight

Ziel der Reihe ist es, der österreichischen Musikvideoproduktion

mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. »Wir möchten der

Szene eine Plattform geben und den Macher*innen im Hintergrund

eine Bühne und ein Spotlight«, so die beiden Veranstalter.

Außerdem gehe es ihnen darum, die Industrie zu vernetzen und

junge Filmschaffende zu fördern. Denn die Musikvideobranche

in Österreich sei bunt und habe auch international einen hohen

Stellenwert, aber: »Die Künstler*innen haben das Problem, mit

den bestehenden Budgets ein hochwertiges Musikvideo zu drehen,

ohne dass die Filmschaffenden fast ›gratis‹ arbeiten. Denn

sobald eine Band erfolgreich wird, kommen die großen Labels

aus Deutschland und nehmen diese unter Vertrag.« Und dann

geschehe die Produktion der Musikvideos eben auch oft dort. Ein

starkes Netzwerk in Österreich und eine sichtbare Szene seien

Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Frames unterstützt diesen

Prozess aber nicht nur auf der Kinoleinwand, sondern auch

durch Q&As mit den Filmemacher*innen sowie gemütliches Networking

rund um die Screenings. Bernhard Frena

Die Frames-Screenings starten am 31. März im Schikaneder Kino.

Die Details dazu findet ihr rechtzeitig auch auf www.thegap.at.

Ab 9. März kann man mit dem Nonstop-Kinoabo unbegrenzt Filme in

18 österreichischen Kinos ansehen. ———— In der Stadt unterwegs

und spontan Lust auf einen Kinofilm? Den Nonstop-Kino-Pass

gezückt und rein in eines der teilnehmenden Kinos. Sehen, was

gerade gespielt wird, sich überraschen lassen, neue Filme entdecken,

neue Kinos. So stellt sich Martin Kitzberger, Geschäftsführer

der Nonstop GmbH, die Zukunft mit dem Kinoabo idealerweise

vor. 18 Kinos österreichweit sind aktuell Teil der Aktion. In Wien

sind Admiral Kino, Burg Kino, DeFrance, Filmcasino, Filmhaus am

Spittelberg, Gartenbaukino, Stadtkino im Künstlerhaus, Top Kino,

Schikaneder sowie Votiv Kino mit dabei. Zudem gibt es teilnehmende

Kinos in Linz, Krems, Salzburg, Innsbruck, Freistadt und

Graz. Eine Ausweitung ist bereits für dieses Jahr angedacht. Ablaufen

wird das Ganze recht unbürokratisch. Der Pass wird online

auf www.nonstopkino.at bestellt und kostet 24 Euro pro Monat

(bzw. 22 Euro für U26 oder bei Abschluss eines Jahresabos). Beim

Kauf der Kinokarte an der Kassa wird dann einfach der Pass anstatt

eines Zahlungsmittels vorgelegt. Reservierungen werden in den

meisten Kinos ganz normal möglich sein.

Die Magie des Kinos

Wiktoria Pelzer, eine der Initiator*innen des Projekts, erklärt ihre

Motivation so: »Das Thema Kinoabo hat mich schon seit längerer

Zeit beschäftigt, und mit Covid ist klar geworden: Es muss jetzt

was passieren für das Kino. Kino ist meine größte Leidenschaft:

Filme sehen, vermitteln, mit und durch Filme lernen und meinen

Horizont erweitern – das will ich nicht nur selbst, sondern ich

will diese Magie des Kinos auch jedem und jeder niederschwellig

zugänglich machen.« Das niederländische Vorbild Cineville

hat hier bereits den Weg gewiesen. Das Publikum habe sich verjüngt,

sei spontaner geworden und auch nach den Lockdowns

schneller wieder in die Kinos gekommen. Davon weiß auch Martin

Kitzberger zu berichten: »Ich kenne das Kinoabo aus meiner

Studienzeit in Rotterdam. Ich habe mir dort gleich in der ersten

Woche das Abo besorgt und war dann fast täglich mit meinen

Studienkolleg*innen im Kino: Kino vorm Fortgehen, Kino an Katersonntagen,

Kino statt der Vorlesung.« Bernhard Frena

Das Nonstop-Kinoabo startet am 9. März. Vorbestellungen für den

Pass sind unter www.nonstopkino.at möglich.

Frames Network, Minitta Kandlbauer


BEZAHLTE ANZEIGE

Foto © Lukas Schaller / Belvedere, Wien

Wichtiger Beitrag der Bundesmuseen zum Klimaschutz: Das Belvedere in Wien erhielt 2022 das Österreichische

Umweltzeichen. Seit mehr als 30 Jahren steht das staatlich geprüfte Siegel für Umweltschutz in Österreich.

Klimafitte Kulturbetriebe

Das neue Förderprogramm des Kunst- und Kulturministeriums unterstützt Kultureinrichtungen

bei ökologisch nachhaltigen Investitionen. 15 Millionen Euro stehen

dafür zur Verfügung. Gefördert werden Projekte zur Senkung der CO 2 -Emissionen.

Jetzt können Förderanträge eingereicht werden.

009

Klima- und Umweltschutz sind auch im österreichischen

Kunst- und Kulturbetrieb brennende Fragen unserer

Zeit – in der künstlerischen Auseinandersetzung und

in Fragen der Optimierung von Energieeffizienz und

Kreislaufwirtschaft. Mit dem neuen Förderprogramm

„Klimafitte Kulturbetriebe“ will das Bundesministerium

für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS)

in Zusammenarbeit mit dem Klima- und Energiefonds

Kultureinrichtungen nun auf ihrem Weg in eine ökologisch

nachhaltige Zukunft besser unterstützen. Insgesamt steht

ein Fördertopf von 15 Millionen Euro zur Verfügung. Das

Programm unterstützt Investitionen zur Senkung von CO 2-

Emissionen und Einsparung von natürlichen Ressourcen.

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer sagt zum

neuen Förderprogramm:

„Was ursprünglich als Beitrag des Kultursektors zur

Bewältigung des Klimawandels gedacht war, ist heute

angesichts der Energiekrise ein Muss für die Absicherung

unserer Kulturbetriebe. Mit dem einzigartigen

Förderprogramm ‚Klimafitte Kulturbetriebe‘ machen wir

ökologische Investitionen im Kulturbereich leistbar.“

Die Details zum Förderprogramm

Gefördert werden ökologische Vorhaben zur nachhaltigen

Senkung von CO 2-Emissionen in allen zu einem Kunst- und

Kulturbetrieb zugehörigen Gebäuden in Österreich:

• Klimafreundliche Heizung, Lüftung und Kühlung

• Nutzung erneuerbarer Energieträger

• Energieeffiziente Innen- und Außenbeleuchtungssysteme

• Thermische Gebäudesanierung

Fördersummen

• Maximal 75% für Vorhaben mit Investitionskosten bis 75.000 Euro

• 50% für Investitionskosten über 75.000 Euro

• Maximale Fördersumme pro Projekt: 250.000 Euro

Die Maßnahmen müssen innerhalb von 2 Jahren nach dem

jeweiligen Ausschreibungsende fertig umgesetzt werden.

Umsetzung bis spätestens 31. Dezember 2025

Zwei Ausschreibungstranchen

1. Ausschreibung: 10. Oktober 2022 bis 15. März 2023, 24:00 Uhr

2. Ausschreibung: 16. März 2023 bis 29. September 2023, 12:00 Uhr

Informationen unter

www.kulturklimafit.at

www.bmkoes.gv.at


010


Mal Fotoshooting-erprobtes

»Wunderkind« mal 17-jähriger

Fußballfan: Oskar Haag

»Messi hat mich

abgezogen!«

Durch den Tag

mit Oskar Haag

Teresa Wagenhofer

011

Er zockt »Fortnite«, redet wie ein deutscher

Youtuber und hat seine Freundin vom Startbildschirm

verbannt. Trotzdem bezeichnen ihn

manche seit seiner Debütsingle »Stargazing«

als »neues Wunderkind«. Was Oskar Haag wirklich

ausmacht. ———— Unter dem Riesenrad

plärrt der Donauwalzer aus kleinen Lautsprechern.

Während zwei Touristinnen durch den

Eingang des Wurstelpraters tänzeln, dreht

sich ein Postkartenständer im Wind. »Ich

hab gedacht, du gehst fix auf mich zu, weil

du eh weißt, wie ich ausschau«, sagt Oskar

Haag und streckt mir

die rechte Hand entgegen.

Oskar – Jeansanzug,

grün-gelber

Strickpulli und Herrenschuhe

– könnte

aus der Frühjahrskollektion

einer angesagten

Modemarke

gepurzelt sein. Dabei

ist der Mann mit den Schneckerln Musiker

und Schauspieler. Manche bezeichnen den

17-jährigen Klagenfurter sogar als eine der

größten »Pop-Hoffnungen« der österreichischen

Musikszene. Oskar weiß das. Er rückt

seinen »Omas gegen Rechts«-Pin zurecht, der

an der Brusttasche seiner Jacke steckt.

Wir schlendern am geschlossenen Autodrom

vorbei, rechts neben uns schlängeln

sich gelbe Schienen in den Praterhimmel.

Oskar hat den Treffpunkt selbst vorgeschlagen,

wohnt nur ein paar Minuten entfernt.

»Ich hab Glück.

Wieso sollte ich

darauf verzichten?«

Im Sommer zupfen hier Jugendliche an Zuckerwatte,

schmusen in der Geisterbahn oder

verbraten ihr Taschengeld beim Tröten-Techno-Tagada.

Heute, an einem sonnigen Nachmittag

im Jänner, verirren sich nur verlorene

Seelen in den zweitältesten Vergnügungspark

der Welt. Die Achterbahnen rasten. Niemand

schleudert sich in drehenden Suppentellern

zur Ekstase. Statt buntem Gewirr herrscht

Stille. Der Wiener Prater hält Winterschlaf.

Wer mit Kleingeld kommt, hat trotzdem

Glück. Einige einsame Automaten blinken,

manche grunzen leise

vor sich hin. »Magst

du schießen?«, frage

ich Oskar, als wir an

einer Fußballmaschine

vorbeikommen. Er

dreht sich um, seine

Augen werden bei ihrem

Anblick groß. »Ja

klar, die hat ein Barca-

Trikot an.« Mein Glück: Ich weiß, dass Oskar

nicht nur Burger mag und die Beatles liebt,

sondern auch glühender Fan des FC Barcelona

ist. All das hat er schon öfter in Interviews erwähnt.

Außerdem steht für ihn ein ehemaliger

Barca-Kicker über allen: Lionel Messi. Der Argentinier

schnürt seine Schuhe zwar längst für

einen anderen Verein. »Aber Messi hat mich

Barcelona lieben gelernt«, sagt Oskar.

Ich krame nach Kleingeld. »Hier«, sage

ich und stecke eine Zwei-Euro-Münze in den

Schlitz des Kickerautomaten. Der Kasten


Oskar Haag

»Teenage Lullabies«

(Lullaby Records)

VÖ: 3. März

012

grummelt. Oskar drückt auf den Startknopf.

Eigentlich sollte ein Fußball ausklappen,

aber es passiert – nichts. »Na, des gibt’s ned!

Messi hat mich abgezogen«, schreit Oskar

und hämmert ungeduldig auf den Startknopf.

Ich krame nach einer weiteren Münze, der

zweite Euro fällt. Wieder bewegt sich der

Ball keinen Zentimeter. »Scheiße! Die Maschine

nimmt uns aus!« Oskar tritt gegen

den Automaten. In seinen Augen erkenne ich

kurz ehrliche Enttäuschung. Er hätte wirklich

gern geschossen.

Krebs-Trauma aus Lönneberga

Mit der Geisterbahn, einer der wenigen geöffneten

Attraktionen, will Oskar nicht fahren.

Das eine Mal mit sechs Jahren habe gereicht.

Dass er sich inzwischen einen Horrorfilm

nach dem anderen reinzieht, kann daran

nichts ändern. »Wirklich Angst hab ich nur

vor Krebsen«, sagt Oskar und schaut mich an,

als warte er auf die Frage nach dem Warum.

»Früher hab ich ›Michel aus Lönneberga‹ im

Fernsehen geschaut, das ist der von Astrid

Lindgren. In einer Folge stellt er einen Eimer

voller Flusskrebse vor das Bett seines Vaters.

Der steigt rein und alle Krebse beißen ihn. Das

hat mich traumatisiert!«

Oskar lacht hell auf, als wir unter dem

Kettenkarussell stehenbleiben. Vor uns steht

eine lebensgroße Plastikfigur, sie trägt ein lilafarbenes

Kleid. »Genau wie du im Burgtheater,

oder?«, sage ich mehr als Aussage denn

Frage. Schließlich habe ich die Fotos gesehen:

Oskar spielt aktuell in einem Shakespeare-

Stück an der Wiener Burg. Auf der Bühne

trägt er ein Kleid, bei dem sogar Timothée

Chalamet zugreifen würde. Dass er mit seinen

Locken so ähnlich aussieht wie der gehypte

US-Schauspieler, mag Oskar schon

gehört haben. Den Gesichtsausdruck hat

er sich jedenfalls bei ihm abgeschaut. Jedes

Mal, wenn Oskar in eine Kameralinse

blickt, öffnet er leicht den Mund – irgendwie

verlegen, ein bisschen rätselhaft, so

wie Timothée.

Mit Glück zum »Wunderkind«

In den Hundeblickmomenten ist Oskar

nicht der 17-jährige Fußballfan, der ausgelassen

gluckst, wenn ihm ein Fußballautomat

das Kleingeld klaut. Schnappt

der Auslöser, verwandelt er sich in jenes

»Wunderkind«, zu dem er seit seinem Debüthit

»Stargazing« gerne erhoben wird. 2021

spielte Oskar sein erstes Konzert vor ein paar

Freund*innen, sein zweites vor 500 Fremden

in der Karlskirche. Danach erhielt er Standing

Ovations. Expert*innen von Falter bis FM4 waren

sich einig: Das wird ein Großer. Mittlerweile

managt ihn Stefan Redelsteiner, der Wanda-

Wuzzi. Oskars Vater, einst Gründer der Band

Naked Lunch, berät ihn aus dem Hintergrund.

Eingelullt ins Fürstentum

Mit 17 hat er gerade mal mit der Liebe angefangen, trotzdem schreibt

Oskar Haag die füßelndsten Kuscheldeckensongs, seitdem sich Indie-

Boys aus ihren Slim-Fit-Jeans gequetscht haben. Wenn der Timothée

Chalamet der Alpenrepublik ins Mikro säuselt, muss man sich in

einsamen Momenten zwicken, um nicht mit sich selbst zu schmusen.

Oder man lässt sich darauf ein und Oskar klemmt die Fuffis zwischen

die Saiten seiner Klampfe, wenn wir abhauen – »Leaving for Monaco

or Wherever the Fuck We Want to Go«. Im Fürstentum liebt Oskar

dich ganz allein, wenn du ihn festhältst. Er zeigt dir die Sternderl

und das Licht, den Mond und die Sonne, verspricht dir müde die Welt.

Dann geht ihm die Kohle aus. Man pfändet den Bösendorfer, sammelt

Beats und Streicher ein. Am Ende sitzt Oskar wieder mit der Gitarre

da und flüstert in dein Ohr. Du verstehst es nicht ganz – und schläfst,

eingelullt von seinen »Teenage Lullabies«, ein.

Dass er ohne seinen Papa und dessen

Connections – Naked-Lunch-Kollege Herwig

Zamernik kuratierte den gefeierten Debütauftritt;

Fritz Ostermayer, ein Kumpel, spielte

»Stargazing« erstmals im Radio – nicht dort

wäre, wo er ist, weiß Oskar. »Es gibt sicher

viele 17-Jährige, die mindestens so gut sind

wie ich, aber kein Glück haben. Ich hab es.

Wieso sollte ich darauf verzichten?« Er sagt

das, als würde ein deutscher Youtuber österreichische

Mundart vorlesen. Man kann ihm

deswegen nicht böse sein.

»Is eh logisch,

dass man manches

peinlich findet,

was man als

Junger gesagt hat,

oder?«

Oskar ist in Klagenfurt aufgewachsen,

der Landeshauptstadt von Kärnten. Dort

patzte er bis vor ein paar Monaten noch in

einem Kunstgymnasium mit Lehm herum.

Inzwischen hat er die siebte Klasse abgebrochen

und ist mit seiner Freundin in den

zweiten Wiener Gemeindebezirk gezogen.

Nach Klagenfurt fährt er noch fürs Loretto-

Bad und zum Schulball seiner alten Klasse.

»Ich will meine Kollegen unbedingt bei der

Polonaise sehen«, sagt Oskar. »Und ich freu

mich drauf, meinen alten Lehrern zu begegnen

– vor allem denen, die mich nicht so mögen

haben!«

Der Prater im Winter ist ein »gottloser

Ort«, wie Oskar sagt. Es fehlen die Lichter

und Leute, das gepresste Geplapper von

»Links geht’s rein, rechts geht’s raus«-Ansagern

und der Geruch von fettigem Langos. Vor

allem aber fehlt die Lust, sich für einen halben

Stundenlohn in den Wiener Nachthimmel katapultieren

zu lassen. Als wir an ein paar Gnomen

und Waldelfen vorbeikommen, stottert

eine Stimme aus der Stille: »Play Me!

Play Me!« Oskar dreht sich um. »Schau,

seine Augen blinken!« Er zeigt auf einen

Automaten. Der kastenförmige Mann trägt

ein rot-weiß-rotes Leiberl. Unten klemmt

ein Fußball.

Zwei weitere Euro verschwinden im

Maschinenmagen. Hinter uns plärrt plötzlich

Eurodance aus den Boxen. »Hyper,

Hyper!«, der Fußballer erwacht. Oskar

streift seine Jeansjacke ab und legt sie auf

den Boden. »985 ist der Highscore!« Er fokussiert

den Ball, nimmt vier Schritte Anlauf

und zieht voll durch. Kabumm! »738«,

schreit Oskar auf. Wäre der Ball nicht am

Automaten befestigt, er wäre bis ins Praterstadion

gesegelt. »Das war nicht so schlecht«,

sagt Oskar und grinst mich an. Er weiß, dass

ich überrascht bin. Von einem Strich wie ihm

würde man zwar filigrane Technik, aber keinen

Alaba-Gedächtnishammer erwarten.

Aus der Ferne weht wieder Walzermusik

herüber. Oskar reibt sich die Hände. »Magst

noch auf einen Kaffee gehen dort vorn?« Er

Teresa Wagenhofer


Die Garderobe teilt sich Oskar Haag mit seiner Freundin. Ganz selbstverständlich.

013


Oskar Haag weiß, dass er Glück hat.

Aber auch, was er kann.

014

zeigt in Richtung Praterstraße und blickt

mich fragend an. In diesem Moment setzt er

keinen coolen Kamerablick auf, posiert nicht

lässig im Licht. Oskar ist gerade Oskar, ein

17-jähriger Mann, der mir im nächsten Atemzug

erzählt, dass er sich vor Kurzem Laufschuhe

zugelegt hat. »Ich hab mich die letzten

drei Wochen nur von Chips und Schokolade

ernährt. Deshalb hab ich mir gedacht: Gehst

halt in der Früh laufen. Weil: Ich muss schon

ein bissal fit sein!«

Bisher habe er die Schuhe zwar nur gekauft.

Der erste Schritt sei aber getan. Schließlich

ist der Druck groß. Die Gen Z geht öfter

ins Fitnessstudio als in den Club. Es gibt einen

Trend zum Pumpen und Posen. Das merkt

auch Oskar. »In meinem Alter ist das grad voll

das Ding. Ein paar Freunde sagen mir: ›Alda,

du hast so eine gute Genetik, wenn du anfangen

würdest, wärst du in ein paar Monaten

das ärgste Biest.‹ Aber das passt nicht so zum

Image eines Singer-Songwriters. Meine Idole

sind alle Spargeltarzane.«

»Es muss nicht perfekt sein«

Dass Oskar seine Gefühle lieber an der Gitarre

als auf der Hantelbank ausdrückt, ist keine

Überraschung. Schließlich arbeitet Oskar

nicht an einem Cornetto-Körper, sondern

an der Anerkennung als Artist. Mit seinem

ersten Album wolle er sich beweisen, durch

Österreich touren, vielleicht ein paar Gigs in

Deutschland spielen. Andere in seinem Alter

träumen von Balenciaga-Shirts und Sneaker-

Drops. Oskar will auf die Bühne. Am Style

wird das Vorhaben nicht scheitern. Als wir

den Praterstern queren, spricht ihn ein Mann

an. »Dieses Outfit, ich muss Ihnen dazu gratulieren,

das ist wunderschön, wirklich, wie

zur Beatles-Zeit!« Oskar reagiert weder besonders

überrascht noch verlegen: »Danke,

das ist megalieb!«

Er teilt den Kleiderschrank mit seiner

Freundin und lackiert sich die Fingernägel

– einfach so, weil er es cool finde. Als Beweis

hält er mir seine linke Hand hin. Die Nägel

sind blau, an ein paar Stellen ist der Lack

abgesplittert. »Mein Stil«, sagt Oskar, als

wir an einer roten Ampel warten. »Es muss

nicht perfekt sein.« Er sagt das, als wäre es

die selbstverständlichste Sache in einer Welt,

in der viele vorgeben, immer noch ein wenig

besser, schneller und optimierter sein

zu können. Dass Oskar mit seinen 17 Jahren

anders tickt und das Perfekte im Nicht-Perfekten

sucht, mag am Wunsch nach Authentizität

liegen. Mittlerweile hebt man sich ab,

indem man keine choreografierten Videos

auf Tiktok postet, sondern müde in die Kamera

blickt, während man Erdäpfelpüree in

sich reinschaufelt.

»Nice«, sagt Oskar und ich versteh nicht

ganz. »Dort drüben, das Café! Das heißt …«

Auf einem Schild steht »Neyse«. Als ich den

Schmäh checke, hat Oskar schon die Google-

Bewertungen gecheckt. »4,8 Sterne! Lass uns

rübergehen.« Blick in beide Richtungen – kein

Auto. »Komm, schnell!« Wir hetzen über die

Straße. Er stößt keuchend die Tür auf. In dem

kleinen Café spielt ein Song vom Wu-Tang Clan.

Der Barista begrüßt uns mit einem Lächeln, das

er aus der Colgate-Werbung geklaut hat. »Was

kann ich euch Gutes tun?« Oskar bestellt eine

Frucade und einen Caprese-Wrap. Er zieht sein

Handy aus der Tasche, der Bildschirm wird hell.

»Ist das Messi auf deinem Startbildschirm?«,

frage ich Oskar.

»Ja, ja, weil der Gott sei Dank die WM

gewonnen hat! Meine Freundin hat sich aber

volle aufgeregt.«

»Weil du sie mit Messi getauscht hast?«

»Er hat die WM gewonnen, das muss ma

kurz amal respektieren!«

»Das ist doch über einen Monat her!«

»Ich realisier es aber gerade erst!«

Oskar setzt sich auf eine abgewetzte,

grüne Couch und gießt Frucade in ein Glas

mit Eiswürfeln. Mir fällt ein, dass ich ihm

ein Interview mit seinem Vater mitgenommen

habe. Eines, das man nicht im Internet

findet, weil er es 1992 – nur ein paar Jahre

älter als Oskar – über seine Band Naked

Lunch geführt hatte. »Vollegeil«, sagt Oskar.

»Ab und zu find ich Sachen, die sind ihm

sogar bissi peinlich. Aber is eh logisch, dass

man manches peinlich findet, was man als

Junger gesagt hat, oder?« Ich frage ihn, ob

er glaubt, dass ihm das Gespräch mit mir irgendwann

peinlich sein könnte. Er antwortet

mit vollem Mund: »Na, wieso?«

»Irrelecker« und »megalieb«

Man merkt, dass Oskar nicht an sich zweifelt.

Er strotzt mit 17 vor mehr Selbstbewusstsein,

als andere in ihrem Leben erreichen. Zeitweise

wirkt das überheblich, weil es überrascht.

Sein Alter wird dabei für manche zur Projektionsfläche

für die eigene verlorene Jugend.

Darüber denkt Oskar aber nicht nach. Er

macht halt. Manchmal auf ironisch, meistens

einfach so. Vielleicht verwendet er deshalb

Wörter wie »irrelecker« oder »megalieb«,

zockt »Fortnite« und hatte eine »Wrestling-

Phase« – wie fast alle in seinem Alter. Die

feinen Unterschiede zu »seiner Generation«

stecken in jenen Momenten, in denen ihn sein

Manager fragt, ob er sich vorstellen könnte, in

einer ausverkauften Stadthalle zu spielen.

»Don’t get me wrong«, sagt Oskar, wenn er

merkt, dass er arrogant rüberkommen könnte.

Er schiebt dann seine Unterlippe nach vorne,

als müsste er kurz überlegen, wie er seinen Altersbonus

neu ausspielen kann. Meistens lacht

Oskar unschuldig auf. Er weiß, dass er die Leute

damit für sich gewinnen kann. Schließlich holt

es einen aus den Gedanken in die Gegenwart.

Um die Zukunft kümmern sich ohnehin andere.

Als er am letzten Schluck Frucade nippt, ruft

zuerst seine Mama an. Zwei Minuten später

vibriert das Handy erneut: sein Manager. »Der

sollt eigentlich wissen, dass ich grad wo bin«,

sagt Oskar und hebt ab. Christoph Benkeser

»Teenage Lullabies«, das Debütalbum von

Oskar Haag, erscheint am 3. März. Die zugehörige

Tour führt den Musiker durch ganz

Österreich: 3. März, Wien, Rabenhof — 4. März,

Linz, Posthof — 5. März, Klagenfurt, Kammerlichtspiele

— 8. März, Salzburg, ARGE Kultur

— 9. März, Graz, Dom im Berg — 10. März.

Innsbruck, Treibhaus — 13. April, St. Pölten,

Cinema Paradiso — 15. April, Dornbirn, Spielboden

— 20. April, Baden, Cinema Paradiso.

Teresa Wagenhofer


Foto © MCG, Krug

Die Ärzte am Open-Air-

Gelände der Messe Graz

Life is a stage.

Enjoy it at MCG!

015

David Hasselhoff, Pizzera & Jaus, Pentatonix, Seiler & Speer, Deep Purple

und Sido – die MCG (Messe Congress Graz) holt auch 2023 wieder die großen

Namen der Musikszene nach Graz. Aber nicht nur das.

Schon in der Vergangenheit brachten zahlreiche Künstler*innen der

verschiedensten Genres MCG-Locations wie die Stadthalle Graz,

den Congress Graz oder das Open-Air-Gelände der Messe Graz

zum Kochen. Und auch fürs neue Jahr sind mittlerweile zahlreiche

Liveshows der Extraklasse angesetzt. Sei es David Hasselhoff, der

ja bekanntlich mit »Looking for Freedom« die Berliner Mauer zum

Einsturz brachte. Zwinker-Smiley. Oder Sido, der einst das Masken-

Game im Deutsch-Rap etablierte und sein neues Album namens

»Paul« live vorstellen wird. Pizzera & Jaus wiederum werden sich

ohne Genierer quer durch ihr aktuelles Programm »Comedian

Rhapsody« singen, rappen und schrammeln. Entertainment pur!

Places big enough for your ideas

Neben den Konzert-Highlights hostet die MCG auch regelmäßig

Messen und Business-Events. Die Multifunktionalität der Hallen

und Räumlichkeiten bieten gemeinsam mit der Top-Lage direkt im

Herzen von Graz perfekte Voraussetzungen für Umsetzungen aller

Art. Auch 2023 stehen uns wieder viele informative und exklusive

Messeformate in Haus, die mit spannenden Themen und interessanten

Aussteller*innen locken. Außergewöhnliche Erfahrungen

sind garantiert!

Erste Highlights 2023

Peter Kraus | 02.03.2023 | Congress Graz

MotionExpo | 10. bis 12.03.2023 | Messe Graz

Melissa Naschenweng | 24.03.2023 | Stadthalle Graz

Riverdance | 25.03.2023 | Stadthalle Graz

Pizzera & Jaus | 26.03.2023 | Stadthalle Graz

Plácido Domingo | 26.03.2023 | Congress Graz

Der König der Löwen | 28.03.2023 | Stadthalle Graz

David Hasselhoff | 30.03.2023 | Stadthalle Graz

Disney100 | 16.04.2023 | Stadthalle Graz

Grazer Frühjahrsmesse | 27.04. bis 01.05.2023 | Messe Graz

Pentatonix | 20.05.2023 | Stadthalle Graz

Deep Purple | 13.07.2023 | Messe Graz Open Air

Max Raabe | 18.09.2023 | Stadthalle Graz

Grazer Herbstmesse | 28.09. bis 02.10.2023 | Messe Graz

Sido | 02.11.2023 | Stadthalle Graz

Seiler & Speer | 09.12.2023 | Stadthalle Graz

Mario Barth | 16.12.2023 | Stadthalle Graz

Afrika! Afrika! | 15.12.2023 bis 14.01.2024 | Zeltpalast Messe Graz

Alle Infos zu den kommenden Shows gibt’s auf www.mcg.at.

PROMOTION


016

Golden Frame

Zeitgenössische Kunst im angemessenen Rahmen


Sub Gratia

Katharina Mayer

»Gastmahl

der Freunde«

Katharina Mayer »Gastmahl der Freunde«, 2006/2021; Foto: Katharina Mayer

Die Aktualisierung traditionsreicher künstlerischer Topoi, wie etwa des Abendmahls,

stellt Künstler*innen vor die nicht leichte Aufgabe, nicht nur eine bildliche

Form dafür zu finden, sondern auch die zugrundeliegende Geisteshaltung – weiter

gefasst, die implizite Weltanschauung des Stoffs – zeitgenössisch zu übertragen.

Katharina Mayers »Gastmahl der Freunde« bedient sich hierzu verschiedener Bildtraditionen

und Interpretationen dessen, was man Gastfreundschaft nennt. Aktuell

zu sehen im Dom Museum Wien. ———— Als die christliche Religion entstand, wurde

das Gebot der Caritas noch nicht als soziale Fürsorge gedacht. Für die Speisung der

Armen waren der römische Staat oder Privatpersonen zuständig. Zu nah wähnten

die ersten Christ*innen das Ende der Zeit und die Wiederkehr des Messias. Erst

nachdem der neue Glauben zur neuen Religion geworden und nicht mehr nur eine

Reformierung des Judentums war, etablierte sich auf der Basis der neugeschaffenen

Institutionen ein Auftrag, der der Seelsorge auch das körperliche Wohlergehen der

Menschen zur Seite stellte.

Das Gastmahl – vor allem das christliche letzte Abendmahl – ist ein so wichtiger

Aufhängungspunkt der westlichen Kultur und ein so häufig auftretendes

Bildmotiv, dass es nicht schwerfällt, eine Abbildung davon als solche zu lesen. Am

bekanntesten ist Leonardo da Vincis »Abendmahl« im Speisesaal der Mailänder

Klosterkirche Santa Maria delle Gracie, von welchem die Fotografin Katharina

Mayer vor allem die symmetrische Ordnung mit einer herausstechenden Figur im

Zentrum übernommen hat. Ist es bei da Vinci eine durchgängige gerade Tafel, an

der sich die zwölf Figuren drängen, nimmt sie in unserem Beispiel eine Hufeisenform

an, was historisch betrachtet näher liegt. Die Römer, zu deren Zeit die Szene

ursprünglich stattfand, nahmen ihre Gelage im sogenannten »triclinium« ein, liegend

und um eine offene Mitte platziert, in der die Speisen gereicht wurden. Im

Johannesevangelium heißt es: »Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus

lieb hatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu.« Alte Darstellungen aus dem sechsten

Jahrhundert zeigen deshalb die zwölf Apostel halbkreisförmig oder an drei ums

Eck laufenden Tischen gruppiert, wobei Jesus am linken vorderen Abschluss zu

liegen kam, an dem Platz, der damals der wichtigsten Person vorbehalten war. Weil

im Mittelalter dieser Brauch verloren gegangen war, man der Stelle bei Johannes

aber dennoch gerecht werden wollte, entstanden Darstellungen, in denen Jesus ein

schlafender Jünger an der Schulter lehnte. Vielleicht stellt sich Katharina Mayer

in diese Tradition, wenn sie die geladenen Gäste in ihrem »Gastmahl« wie zum

Schlafen übergebeugt zeigt?

Die vornübergebeugte Haltung von neun der dargestellten Figuren ist nicht

das Einzige, was ungewöhnlich ist. Vier der Anwesenden haben weiße Spitzhüte

auf dem Kopf, eigentlich nur zusammengerollte Bögen weißen Papiers, ähnlich der

Kochhaube, die der Mann in der Mitte trägt. Sie verleihen der Szene zusammen mit

dem schlafenden Habitus der Gäste und dem religiösen Tenor von Altar, Sakraldarstellungen

und Eucharistie eine Atmosphäre des Verklärten und Surrealen. So

erhält sich die übersinnliche Dimension der Szene auch in einem so drückend gegenwärtigen

Setting wie dem hier besprochenen. Victor Cos Ortega

Katharina Mayer, geboren 1958, fotografiert Menschen einzeln oder in Gruppen. Ihre

Bilder haben oft eine Spannung zwischen Inszenierung und Natürlichkeit, Momenthaftigkeit

und zeitlicher Erstreckung. So werden die verschiedenen Ebenen des

körperlich Greifbaren und geistig Subtilen in ihren Arbeiten wirksam. »Gastmahl der

Freunde« (2006 / 2021) ist noch bis 27. August 2023 im Dom Museum Wien als Teil

der Ausstellung »Mahlzeit« zu sehen.

017


»Who the fuck is Alice?«

Chat GPT beantwortet

die Fragen unserer Zeit

Wenn derzeit von Chat GPT die Rede ist, dann meist im Zusammenhang mit Copyright, Betrug und Schummelei. Dabei

hat der KI-Text-Generator das Potenzial, die fundamentalen Fragen aus dem wichtigsten aller Felder zu beantworten:

der Popkultur. Wir haben das Programm mit all den Dilemmas, Problemen und harten Nüssen gefüttert, die uns schon

nächtelang wachgehalten haben. Fünf aus Österreich, fünf internationale. Um es für uns spannender und für Chat GPT

herausfordernder zu machen, stellten wir eine kleine Zusatzaufgabe: jeweils eine spezielle Rolle einzunehmen.

Should I stay or should I go?

(aus »Should I Stay or Should I Go« von The Clash)

018

Why can’t I be yours someday?

(aus »Never Be Yours« von My Ugly Clementine)

Chat GPT, letting me down easy:

I’m sorry, but as an AI language model, I don’t

have the capability to have relationships or personal

feelings. But if you’re asking about a romantic

relationship, it’s important to remember that compatibility

and mutual feelings are key components

in any successful relationship. While it may not be

possible for us to be together in that way, I hope

you find someone who is a good fit for you and

brings happiness into your life.

Chat GPT as Shakespeare:

Verily, ‘tis a question that hath plagued the hearts of many,

»To stay or to depart, what shall one do in this plan?«

In this matter of love, one must weigh their heart,

And delve deep into their soul, a true work of art.

Reflect on the feelings that stir within thine breast,

And if thou art fulfilled, or yearn for something more.

For in this labyrinth of love, a path must be expressed,

And decisions made, which shall forever be in store.

Converse with thy partner, share thoughts and desires,

And with open hearts and minds, hear what each doth say.

For in this union, two lives doth conspire,

And both must find joy, if it be to last the day.

So stay or depart, the choice is thine to make,

And weigh well thy heart, for the future it doth shape.

But trust in thyself, and follow what thou feeleth true,

And thou shall find love, be it to stay or to depart anew.

Heast as nit? Wia die Zeit vergeht?

(aus »Heast as nit« von Hubert von Goisern)

Chat GPT als Poet*in:

Doch, ich höre sie rauschen, wie Blätter im Wind, verwehend,

unaufhaltsam, und doch von Bedeutung. Sie mahnt

uns, dass wir leben, dass wir handeln müssen, bevor sie

uns entflieht, in die Ewigkeit hinein.

Bernhard Frena


03/04/05

2023

Where is my mind?

(aus »Where Is My Mind?« von den Pixies)

Chat GPT as the victim in a horror movie:

It’s gone... taken over by the terror that surrounds

me. I can feel it slipping away with every passing moment,

consumed by the fear and madness. Oh god,

what is happening to me? Where has my mind gone?

I can feel my thoughts becoming muddled, my memories

fading away into a dark void. The fear grips

me so tight, it’s like a vice that refuses to let go. I

can hear whispers, echoes of something sinister and

malevolent lurking in the shadows. It’s like a part of

me has been taken, leaving a hollow emptiness in its

place. I can feel my grip on reality slipping away and

I don’t know, if I’ll be able to get it back. The horror

of it all is too much to bear. Where has my mind gone?

What is happening to me?

PETER CAT’S WIDE

WORLD OF SOUND #8

STEPHANE

GINSBURGH 17.03.

PAUL WALLFISCH & SPECIAL GUESTS

Reproduzierst du, was begehrt ist,

oder lieber nur dich?

(aus »Soldat_in oder Veteran« von Gustav)

Chat GPT als Kapitalismuskritiker*in:

Reproduzieren dessen, was begehrt wird, ist ein

wichtiger Teil des Problems des Kapitalismus. Es

führt zu einer Überproduktion und Überkonsum,

was sowohl die Umwelt als auch die Gesellschaft belastet.

»Sich selbst reproduzieren« meint stattdessen

das Streben nach eigener Verwirklichung und Befriedigung

von Bedürfnissen, unabhängig davon, was von

der Gesellschaft oder dem Kapitalismus als begehrt

dargestellt wird. Es geht darum, seinen eigenen Werten

und Überzeugungen treu zu bleiben und nicht

lediglich dem zu folgen, was als erfolgreich oder erstrebenswert

betrachtet wird. Ich möchte mich selbst

und meine Überzeugungen reproduzieren, statt mich

an dem zu orientieren, was von der Gesellschaft oder

dem Kapitalismus als begehrt dargestellt wird. Ich

möchte mich auf meine eigenen Werte und Bedürfnisse

konzentrieren und nicht nur auf den Profit.

Dies ist ein wichtiger Aspekt einer kritischen Haltung

gegenüber dem Kapitalismus, da es darum geht,

sich nicht von den Verlockungen des Kapitalismus

vereinnahmen zu lassen und stattdessen ein eigenständiges,

bewusstes und verantwortungsbewusstes

Leben zu führen.

MARC

ALMOND 02.04.

SOPHIE

LINDINGER 05.04.

DIRK VON

LOWTZOW 21.04.

MUSA DAGH 20.05.

CARI CARI 25.06.

V°T//music powered by

Foto © Nikolaus Ostermann


BIER &

STREET-

FOOD

War es Liebe oder sweet

codependency?

(aus »Schwarzes Karma« von Bilderbuch)

CRAFTBIERFEST.AT

INTERNATIONAL

ANIMATION

FILM

FESTIVAL

8.-12. März 2023

Chat GPT als Dialog zwischen

Psychiaterin und Patient:

psychiaterin: Hallo, wie geht es Ihnen heute?

patient: Hallo, es geht so. Ich denke immer noch viel

über meine Beziehung mit meinem Freund nach.

psychiaterin: Können Sie mir erzählen, was Sie

beschäftigt?

patient: Ich bin mir nicht sicher, ob es Liebe oder

Codependency ist. Ich fühle mich so abhängig von

ihm und kann nicht ohne ihn sein.

psychiaterin: Codependency bezieht sich auf eine

ungesunde Beziehung, in der eine Person ihr eigenes

Selbstwertgefühl von der Zustimmung und

Befriedigung des Partners abhängig macht. Was

denken Sie, was in Ihrer Beziehung vor sich geht?

patient: Ich denke, es ist Codependency. Ich verliere

mich oft in der Beziehung und vergesse, wer

ich bin und was ich will.

psychiaterin: Das klingt sehr schwer für Sie. Wir

können zusammenarbeiten, um Ihnen zu helfen,

eine gesunde Beziehung mit sich selbst und anderen

aufzubauen. Möchten Sie darüber sprechen,

wie wir das erreichen können?

patient: Ja, das wäre großartig. Ich bin bereit, an

mir zu arbeiten.

Wer hat den Mann mit

dem Koks bestellt?

(aus »Mutter der Mann mit

dem Koks ist da« von Falco)

Chat GPT, möglichst dramatisch:

Ein dunkles Geheimnis umgibt die Identität

desjenigen, der den Mann mit dem Koks

bestellt hat. Es ist jemand, dessen Absichten

und Motive im Dunkeln liegen. Eine Person,

die sich hinter einer Maske verbirgt und bereit

ist, alles zu tun, um ihre dunklen Pläne

zu verwirklichen. Wer es auch ist, sie ist gefährlich

und mächtig, und niemand ist sicher

in ihrer Gegenwart.

trickywomen.at


Who let the dogs out?

(aus »Who Let the Dogs Out« von Baha Men)

Chat GPT as a dog catcher driving up the price:

I did, and it ain’t cheap. You wanna get ‘em back,

it’s gonna cost ya.

Who the fuck is Alice?

(aus »Living Next Door to Alice« von Smokie)

Chat GPT as a drunk in a bar:

Uh, Alice? Yeah, she’s a chick I know from

around. Nice gal, ya know? We hit the bar a few

times. Can’t say I know much about her though.

Just your typical friendly local. Comes in, has a

few drinks, chats a bit. Don’t think I ever caught

her last name. That’s about it, really.

Gerfried Stocker — Foto: Ars Electronica / Florian Voggeneder

Symposion Dürnstein

heuer zum Thema:

»Das Gehirn und

seine Gesellschaft«

Spieglein an der Wand,

wer ist drei Tage wach?

(aus »3 Tage wach« von Lützenkirchen)

Chat GPT in Form eines Märchens:

Es war einmal ein Jäger namens Hans, der sich auf die

Jagd nach dem seltensten Wild in den Wäldern begab.

Eines Tages beschloss Hans, eine besondere Herausforderung

zu bestehen und drei Tage und Nächte ohne

Schlaf zu bleiben.

Während seiner Wanderung durch die Wälder kam

Hans an einem Spiegel vorbei, und aus Neugier fragte

er: »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist drei Tage

wach?« Der Spiegel antwortete: »Ich kann keinen finden,

der drei Tage wach war. Alle, die ich gesehen habe, haben

irgendwann geschlafen.«

Trotz der Warnung des Spiegels hielt Hans weiter

durch und jagte ohne Unterbrechung weiter. Am dritten

Tag war er jedoch erschöpft und seine Augen fielen

ihm zu. Als er aufwachte, befand er sich in einem kleinen

Dorf, wo ihm die Einwohner sagten, dass er bewusstlos

auf einem Pfad gefunden wurde.

Hans erkannte, dass er trotz seiner Anstrengungen

doch geschlafen hatte und dass die Warnung des Spiegels

wahr geworden war. Von diesem Tag an legte Hans immer

Pausen für Ruhe und Schlaf ein und wurde zu einem

weisen und erfolgreichen Jäger.

Von 23. bis 25. März wird beim zwölften

Symposion Dürnstein zu ergründen versucht,

was menschliche Intelligenz ausmacht und

welche ethischen sowie politischen Implikationen

mit dem Einsatz von KI einhergehen.

Dall-E 2, Chat GPT & Co – neue Tools zum Erstellen von Bildern oder

Texten mithilfe künstlicher Intelligenz sind in aller Munde. So beeindruckend

ihre Ergebnisse auch sein mögen, die Unsicherheiten, die damit

einhergehen, sind groß: Was bedeutet die rasante Entwicklung solcher

Werkzeuge für Berufsgruppen, deren Arbeit sie ersetzen könnten?

Wie mit Urheberrechtsfragen umgehen? Und wie vermeiden, dass falsche

Informationen oder unbewusste Vorurteile reproduziert werden? Gleichzeitig

ist auch das menschliche Gehirn noch lange nicht voll ständig

entschlüsselt – während es die Neuroforschung bereits ermöglicht,

unser Nervensystem zu beeinflussen.

Die Zukunft des menschlichen Gehirns

Im und rund um das Stift Dürnstein stehen Ende März – kuratiert von

Ursula Baatz – Vorträge und Podiumsdiskussionen auf dem Programm,

die sich mit Themen wie »The Female Brain«, »Psychedelische Substanzen

in einem therapeutischen Setting« oder »Wie viel Zukunft hat das

menschliche Gehirn?« beschäftigen. Ein weiteres Highlight: Gerfried

Stocker (Foto), künstlerischer Leiter von Ars Electronica, referiert über

»Das Andere Ich. Menschenbilder in der KI«.

Symposion Dürnstein

23. bis 25. März 2023

Niederösterreich, Stift Dürnstein

www.symposionduernstein.at

PROMOTION


»Freiraum macht

Clubkultur aus«

Martina Brunner im

Gespräch über die

Vienna Club Commission

Martina Brunner ist Co-Geschäftsführerin

der VCC und kümmert sich

um die inhaltliche Leitung.

022

Die Vienna Club Commission (VCC) existiert

seit 2020. Während der Pandemie entstand

sie als Vermittlungsstelle für Akteur*innen der

Wiener Clubkultur. Bis 2022 lief die VCC als

Pilotprojekt, dann legte die Stadt eine fixe Finanzierung

fest. In den kommenden vier Jahren

stehen 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Die inhaltliche

Leitung der VCC hat Martina Brunner

inne. Sie war schon Teil des Pilotprojekts und

hatte zuvor die Initiative Nachtbürgermeister

Wien gegründet. Wie man Know-how aus der

Szene holt, dass wir wieder lernen müssen zu

feiern und womit Wien international hervorstechen

könnte, erklärte uns Martina bei einer

Melange im Wirr.

Die Stadt Wien finanziert die VCC bis 2026

mit 1,2 Mio. Euro. Das Budget kommt aus

Bildung, Kultur und Wirtschaft. Wie lassen

sich deren Interessen mit den Bedürfnissen

der Szene vereinbaren?

martina brunner: Eine Geschäftsgruppe

wie die der Wirtschaft schließt das Bedürfnis

der Club-Akteur*innen nicht aus. Wenn die

Sperrstunde für die kommerziellen Clubs fällt,

fällt sie auch für die nicht gewinnorientierten.

Als Club Commission wollen wir die Kultur

nicht gegen die Wirtschaft ausspielen. Wir suchen

viel mehr nach einer Bandbreite, die allen

Akteur*innen im Nachtleben zugutekommt.


Christoph Liebentritt / Buero Butter

Das ist die diplomatische Aussage. Wen

vertritt die VCC aber, wenn sich wirtschaftliche

Interessen nicht mit den Bedürfnissen

der Szene decken?

Die VCC ist keine Interessenvertretung,

sondern eine Dialogplattform. Sie arbeitet

deshalb immer im Interesse aller Beteiligten,

aber nie gegen jemanden. Wenn wirtschaftsgetriebenere

Clubs Forderungen haben,

schauen wir uns an, für wen das Vorteile

bringt – nur für die Fordernden oder für eine

breitere Gruppe? Wir können z.B. nicht einfach

sagen, Clubs sollen 24 Stunden geöffnet

haben, um mehr Profit zu machen. Man muss

gleichzeitig beachten, welche Auswirkungen

das mit sich bringen würde, zum Beispiel für

Anrainer*innen oder Angestellte.

Du sprichst von der Forderung wirtschaftsgetriebener

Clubs. Was ist mit anderen?

Natürlich existieren nicht kommerzielle

Veranstaltungsformate, aber: Die Clubkultur

ist nie komplett nicht kommerziell. Selbst

wenn man illegale Raves organisiert, kauft

man die Getränke im Supermarkt – die Wirtschaftlichkeit

begleitet die Clubkultur.

Wie profitiert Clubkultur durch euch?

Zum Beispiel beim Thema Förderungen.

Die Förderung für »klimafitte Kulturbetriebe«

war etwa zu Beginn nicht explizit

für Clubs ausgeschrieben. Wir konnten

vermitteln, dass Clubs Kultur sind. Im Förderkatalog

steht nun, dass auch Clubs um

eine Förderung ansuchen können.

Der Begriff Clubkultur entwickelt sich,

wird schärfer.

Man muss sich nur anschauen, was

sich in den letzten beiden Jahren getan

hat. Inzwischen gibt es einen Code of Conduct

für eine nachhaltigere Szene. Awareness-Teams

sind nicht mehr aus Clubs

wegzudenken. Die gesamtgesellschaftliche

Bedeutung hat sich seit der Pandemie viel

stärker entwickelt als davor.

Dadurch löst sich die Clubkultur aus dem

sogenannten Underground – sie wird institutionalisiert.

Als VCC bewegen wir uns in einem Spannungsverhältnis,

klar. Wir achten aber darauf,

dass die Clubkultur nicht zu sehr institutionalisiert

wird. Als Beispiel: Vor fünf Jahren

haben Clubkultur-Akteur*innen noch gesagt,

dass sie kaum Aufmerksamkeit und Wertschätzung

bekommen, während die Hochkultur

durchfinanziert würde. Inzwischen gibt es

eine institutionalisierte Club Commission, die

für Sichtbarkeit und Repräsentanz einsteht,

aber: Weder die Clubkultur an sich, noch die

Veranstaltungsformate und ihre Akteur*innen

sollen dadurch institutionalisiert werden.

Das heißt?

Dass der Freiraum bestehen bleibt, der

Clubkultur in ihrer Essenz ausmacht.

Innerhalb der VCC gibt es die VCC-

Sessions mit drei Fokusgruppen, in denen

man aktuell zu Nachhaltigkeit, zum öffentlichen

Raum und zu Awareness arbeitet.

Bei den VCC-Sessions stellen wir drei

Projekte im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen

Bereich vor, zu denen wir über

einen Zeitraum von drei Monaten arbeiten.

Für jeweils einen Bereich kann man sich als

Lead-Manager*in zur Wahl stellen. Wenn

dich Clubkultur im öffentlichen Raum interessiert

und du ein Know-how dazu hast,

könntest du dich einbringen und bewerben.

Wahlberechtigt sind alle, die an der VCC-

Session teilnehmen.

»Die Clubkultur ist

nie komplett nicht

kommerziell.«

— Martina Brunner

Die Position der Lead-Manager*in ist entlohnt.

Wer in den Fokusgruppen arbeitet,

bekommt kein Geld. Wie soll man gegen

das Kulturprekariat kämpfen, wenn man

mit Liebe und der Hoffnung auf eine bessere

Zukunft bezahlt wird?

Ich versteh den Gedanken, trotzdem

gibt es den Wunsch, sich bei diesen Themen

einzubringen und das Nachtleben mitzugestalten.

Die VCC verfügt über ein begrenztes

Budget von 300.000 Euro im Jahr. Damit kann

man nicht alle bezahlen, die sich involvieren

möchten. Wir mussten uns deshalb ein System

überlegen, mit dem wir das Know-how

aus der Szene einholen. Die bezahlten Lead-

Manager*innen verpflichten sich dazu, während

sich alle Interessierten weiterhin auf

freiwilliger Basis einbringen können.

Die Fokusgruppen präsentieren nach drei

Monaten ihr Ergebnis …

Es kann auch kein Ergebnis geben.

Aber wenn es zu einem Ergebnis kommt?

Konkretes Beispiel aus der Fokusgruppe

Safer Party – Safer Nightlife: Die Lead-Managerin

hat einen Fragebogen designt, der am

Ende des Quartals gelauncht werden soll. Unsere

Aufgabe als VCC ist die Umsetzung. Dafür

sprechen wir mit der Verwaltung, um Synergien

abzuklären, Kofinanzierung zu erfragen und

Partnerschaften mit anderen Servicestellen einzugehen.

In der Strategieentwicklung definieren

wir mögliche Umsetzungen – basierend auf

der Umfrage. Ob Workshops für Securitys oder

zusätzliche Förderungen für Awareness-Teams.

Das klingt bereits nach konkreter Umsetzung.

Lass uns aber einen Schritt früher

ansetzen: Ist eine Umsetzung der Ergebnisse

aus den Gruppen bindend?

Es gibt keine Verbindlichkeit, weder für

uns noch für die Stadt Wien. Die Selbstverantwortung

des Kernteams sichert aber, dass

wir nicht nur lustig herumtun und fünf Jahre

verstreichen lassen, ohne am Ende mit Ergebnissen

dazustehen. Das wäre fatal für eine

subventionierte Institution.

Das heißt: Die Stadt Wien müsste z.B. keine

Awareness-Teams fördern, selbst wenn

das Ergebnis der Studie befände, dass das

der Clubkultur förderlich wäre.

Jein. Es gibt Meilensteine, die wir im Konzept

definiert haben – sechs Workshops und

vier Podiumsdiskussionen zum Beispiel, die

Neukonzeptionierung der Homepage oder

monatliche Newsletter. Außerdem legen wir

die Themen der Fokusgruppen fest. Was dabei

rauskommt, ist aber nicht bindend. Strategische

Flexibilität fasst es gut zusammen.

Das klingt sehr wirtschaftlich.

Gar nicht! Man braucht eine Strategie,

die man verfolgt – darüber steht der

Anspruch, die Situation für alle Clubs und

Veranstaltungsakteur*innen besser zu machen.

Was dafür passieren muss, passiert im

Alltag, den man nur begrenzt planen kann.

Als Beispiel: Wir kommen aus der Pandemie

und müssen als Gemeinschaft den respektvollen

Umgang beim Feiern wieder neu lernen.

Die VCC rückt daher das Thema Awareness

in den Fokus. So reagieren wir auf das,

was passiert, und können uns entwickeln.

Oft hört man: Es gibt zu wenig Räume,

in denen man veranstalten kann.

Wien hätte Räume, die der Stadt einen

speziellen clubkulturellen Charakter geben

könnten. Schau dir die Semmelweisklinik

oder den Zukunftshof an. Das gibt es nur in

Wien! Clubkultur könnte man bei all diesen

Räumen als Möglichkeit mitdenken, anstatt

sie anderes zu nutzen. Ein weiteres Beispiel,

das den Bund angeht: die Flaktürme. Stell dir

da einen Club drin vor! Deshalb muss es darum

gehen, kulturelle Räume zu schaffen und

für diesen Zweck zu erhalten. Dafür setze ich

mich in der VCC ein. Christoph Benkeser

Wer sich einbringen will oder einfach am

Wiener Clubgeschehen interessiert ist kann

zur nächsten VCC-Session kommen. Die

aktuellen Termine findet ihr auf der Website

der Vienna Club Commission unter www.

viennaclubcommission.at.

Offenlegung: The-Gap-Mitherausgeber

Thomas Heher ist in seiner Funktion

als Co-Geschäftsführer der Vienna Club

Commission für deren kaufmännische

Leitung verantwortlich. Die VCC und

The Gap teilen sich Büroräumlichkeiten.

023


»Nicht das Schmalz,

aber der Kitt«

ORF-Topos-Chef Gerald

Heidegger im Interview

024

Zwar nicht heimlich, aber doch recht still hat

der ORF Ende November seine neue digitale

Plattform Topos gestartet. Unter topos.orf.at

finden sich Beiträge aus Kunst, Kultur, Religion

und Wissenschaft in einem bunten Medienmix

aus Text, Bild, Video und Ton. Gerald Heidegger

ist Chef dieses neuen Angebots. Wir haben mit

ihm darüber gesprochen, was uns auf der Plattform

erwartet, wen er ansprechen will und welchen

Platz er für Topos in der österreichischen

Medienlandschaft sieht.

Magst du einen Pitch für Topos machen?

Warum sollten unsere Leser*innen auf topos.orf.at

schauen? Was bringt ihnen das?

gerald heidegger: Auf Topos zu schauen

lohnt sich, weil man genau das dort entdeckt,

womit man nicht gerechnet hat und das einen

begeistert. Ich halte es für eine Plattform für

Entdeckungen, für genau das, was ich nicht

auf dem Schirm hatte. Es ist manchmal fancy,

manchmal ernst, manchmal abgründig.

Vielleicht ein unbequemes Wort: Zielgruppe.

Für wen ist Topos?

Nein! Ein schönes Wort. Alle! Ich finde, Topos

ist für alle. Dadurch, dass wir sagen, wir sind

neu und anders, richten wir uns schon dezidiert

an ein jüngeres Publikum, aber wir wollen ganz

verschiedene Identities rund um Topos haben.

Die sollen alle ihre Insel auf der Plattform finden.

Vielleicht haben sie nicht mit allem etwas

zu tun, aber sie entdecken immer was. Das Ziel

ist es, niederschwellig gute Qualität zu schaffen

und so mehr Leute zu erreichen. Wenn man

heute Ö1 hört, kann man großartige Sachen

niederschwellig entdecken. Ich glaube, bei uns

ist die Essenz ähnlich, mit ausgestreckter Hand.

Was genau ist die Rolle von Popkultur bei

Topos?

Popkultur heißt für mich einmal Öffnung,

heißt einen breiteren und die Eintrittsbarrieren

senkenden Zugang zu Themen. Leichtfüßiger

zu sein und auch die Leute mit hereinzuholen,

die wir nicht notwendigerweise

haben. Popkultur heißt für mich auch, die Disziplingrenzen

runterreißen. Auf Topos dürfen

wir ja nichts als Kultur, Wissenschaft oder

Religion kategorisieren. Aber in Wahrheit ist

das gut, weil wir damit nicht mehr schubladisieren.

Viele Dinge spielen sich nicht entweder

in der Wissenschaft oder in der Kultur

oder in der Religion ab. Für mich ist Popkultur

ein Scharnier, um Vorhänge runterzureißen,

anders auf unsere Umwelt zu schauen und

herauszufinden, wie eine atomisierte Gesellschaft

wieder zusammenfinden kann.

Wie siehst du die Rolle von Topos in der österreichischen

Kulturmedien-Landschaft?

Ich möchte schon das Signal aussenden,

mit Topos auch für andere Medien offen zu

sein. Wir wollen Topos insgesamt als Produkt

für einen österreichischen Medienstandort

sehen. Als öffentlich-rechtliches Medium

zahlen wir in so ein Projekt ja mehr ein, als

wir rauskriegen. Einerseits ist das eine Investition

in unsere eigene Veränderung und

andererseits, um ein genuin österreichisches

Medium zu etablieren, das nicht in einer breiteren

Landschaft wie Funk und Co untergeht.

Topos bietet auch Literatur einen Platz: Elias Hirschl in »Archive des Schreibens«.

Weil du gerade Funk erwähnt hast: Wo

siehst du da Unterschiede und Überschneidungen

zu Topos?

Man kann sicher sehr viel lernen von

Funk, gerade bei neuen Video-Erzählformaten

und Serienformaten. Ich sehe den wesentlichen

Unterschied darin, dass wir nicht


»Es muss in der

ganzen Szene ein

anderer Mut her.

Es braucht mehr

gut gelaunte

Medien.«

— Gerald Heidegger

Gerald Heidegger leitet Topos seit letztem Jahr.

Davor war er Chefredakteur von orf.at.

ORF, Roman Zach-Kiesling / ORF

025

so viel an Produktionsprojekten auslagern,

sondern das Know-how eher im Haus halten

wollen. Wir arbeiten auch mit Produktionsfirmen

zusammen, halten aber von der

Produktion mehr in der eigenen Hand. Die

neuen Erkenntnisse aus Topos gehen dann

auch direkt wieder ins Haus zurück. Funk

hat als Marke den Auftrag, sich ganz woanders

hineinzubewegen. Funk ist außerdem

sicher noch viel mehr auf ein junges Zielpublikum

zugeschnitten als Topos.

Was sind heuer die Pläne für Topos?

Der Plan ist einmal, Topos zu konsolidieren.

Wir sind mit Topos rasch rausgegangen,

weil wir vor allen Mediengesetz-Debatten

das genehmigte Produkt in der Landschaft

haben wollten. Jetzt ist die Konsolidierung,

Verbesserung und Absicherung von Topos

wichtig. Und dann muss man schauen, dass

wir so was wie eine unverwechselbare Handschrift

kriegen. Wir haben bei Topos noch

nicht festgelegt, was genau wir sind, sondern

wir sind noch ein bisschen kunterbunt. Und

vielleicht wollen wir das auch bleiben. Dass in

einem ORF-Produkt das Nutzungsverhalten

ein bisschen eine Abenteuerreise ist, halte ich

für keinen Nachteil.

Eine etwas spekulative Frage: Falls für

den ORF die Einschränkungen für Online-

Inhalte fallen sollten, wohin könnte diese

Reise dann gehen?

Topos hat für uns im Moment eine passende

Genehmigung. Ich fände wichtig, dass

wir auch auf Drittplattformen sein können. Für

uns als ORF insgesamt ist natürlich wichtig, ein

Mediengesetz zu haben, das mit der Medienwirklichkeit

zu tun hat. Wir hinken in allem der

Realität hinterher. Aber grundsätzlich ist mein

Wunsch, dass wir die guten, großen Geschichten

im Land identifizieren und konstruktiv darüber

berichten. Ich habe in Österreich manchmal

das Gefühl, die Medien sind übel gelaunt.

Es muss in der ganzen Szene ein anderer Mut

her. Es braucht mehr gut gelaunte Medien.

Wie geht ihr mit den Herausforderungen

einer digitalen Medienlandschaft um?

Als ORF müssen wir die Gesellschaft

davon überzeugen, dass wir schon lange die

Entwicklung dieses Landes begleiten. Es ist

heute nicht mehr selbstverständlich, dass

Leute für Abonnements oder Content zahlen.

Neben den Drittplattformen brauchen

wir als österreichische Gesellschaft dann

aber auch offene Angebote, um die Leute in

der österreichischen Medienlandschaft zu

halten. Ich glaube, in der jetzigen Mediendebatte

wird das viel zu wenig gesehen, weil

das noch immer eine Medienüberlebensdebatte

aus den 90ern ist.

Du hast in der Vergangenheit von Topos als

etwas gesprochen, das Gesellschafts- und

Empathiebildung bringen kann. Wie genau

meinst du das?

Wenn Medien in einer Gesellschaft

nicht Empathie erzeugen, dann haben sie

ihre Grundfunktion aufgegeben. Auf Topos

hast du die Chance, deine Insel zu finden

und von dort dann auf die Nachbarinseln zu

schauen. Topos sagt nicht: »Habt’s euch alle

lieb.« Aber es sagt: »Live your identity und

schau mal rüber zu anderen Identities und

rede mit denen.« Das ist, glaube ich, der Sinn

von Medien. Unser Anspruch als öffentlichrechtliche

Plattform ist schon, der Kitt in einer

Gesellschaft zu sein. Nicht das Schmalz,

aber der Kitt. Nur Medien können es schaffen,

dass diese vereinzelten Inseln wieder

mehr in Kontakt kommen. Deshalb heißt es

auch Topos. Ich finde mein Thema am richtigen

Ort. Aber ich komme auch an Orte, mit

denen ich nicht gerechnet habe.

Bernhard Frena

Die Serie »Straussmania« auf Topos beleuchtet,

warum das Biedermeier nicht ganz so bieder

war, das Erzählformat »Die doppelte Frau« gibt

einen Einblick ins Österreich der 40er und

»Archive des Schreibens« präsentiert kontinuierlich

neue österreichische Autor*innen.

All das und mehr zu finden auf topos.orf.at.


Im Zuschnitt werden die

Freitag-Taschen zu Unikaten.

Ein Leben nach

der Straße

Freitag und die

kreislauffähige

Lkw-Plane

026

Der Upcycling-Pionier Freitag feiert heuer sein

30-Jahr-Jubiläum. Auch in Wien prägen die Taschen

aus ausgemusterten Lkw-Planen schon

lange das Stadtbild. Ob beim Bobo der ersten

Generation oder bei der Fridays-for-Future-

Aktivistin – Design und Weltbild des Schweizer

Unternehmens kommen an. Mit eigens entwickelten

Planen soll der Materialkreislauf nun

noch weiter geschlossen werden. ———— »Endlos

ist ein großes Wort«, sagt Anna Blattert,

Circular Technologist bei Freitag. Sie verwendet

es dennoch, weil es dem Unternehmen um

eine Vision gehe: Irgendwann einmal sollen

die Lkw-Planen, aus denen Freitag-Taschen

gefertigt sind, im technischen Kreislauf gehalten

werden können. Idealerweise eben:

endlos. Blattert bezieht sich damit auf das

Konzept der Circular Economy bzw. Kreislaufwirtschaft,

die entweder – im biologischen

Kreislauf – die Verwendung von biologisch

abbaubaren und nachwachsenden

Rohstoffen vorsieht oder – im technischen

Kreislauf – das verlustfreie Recycling von

nicht abbaubaren Rohstoffen.

Ein zweites Leben

Schon bisher war man bei Freitag um eine möglichst

lange Nutzung der Lkw-Planen bemüht.

Zwischen fünf und acht Jahre verbringen sie

im Durchschnitt auf der Straße. Die ausgemusterten

Planen werden dann bei Logistikunternehmen

aus ganz Europa angekauft und nach

Zürich-Oerlikon verfrachtet. Dort, am Fabriksgelände

des Taschenherstellers, beginnt

die Arbeit am zweiten Leben des Materials:

Die Planen von mehreren Metern Länge werden

in einem ersten Schritt zerteilt, Ösen und

Nähte entfernt. In riesigen Waschmaschinen

im Untergeschoß werden die »Planenfilets«

gewaschen, anschließend getrocknet, farblich

sortiert und auf Rollen aufgewickelt.

Im Bag Design wird das Material dann

mittels Schablonen zugeschnitten. Für Freitag,

so Unternehmenssprecherin Lis Isenegger,

ein eigener Designschritt: »Es geht darum,

die schönstmöglichen Unikate zu schneiden

und dabei so wenig Material wie möglich zu

verschwenden.«

Partner*innenbetriebe in Bulgarien,

Portugal, Tschechien, Rumänien und der

Schweiz vernähen die diversen Taschen und

Accessoires wie Geldbörsen oder Schlüsselanhänger

schließlich. Etwa 400.000 Stück

davon setzt das Unternehmen pro Jahr um,

bei einem Materialverbrauch von 350 Tonnen

Lkw-Planen, 106.000 Autogurten und 28.000

Fahrradschläuchen. Hinzu kommen – für

neuere Modelle – 32.000 m 2 recyceltes PET-

Textil und 9.700 m 2 Airbag-B-Ware.

Damit die Produkte möglichst lange in

Verwendung bleiben, bietet Freitag einen

Reparaturservice an. Und am Black Friday

– als Kontrapunkt zum Konsumspektakel –

Tauschmöglichkeiten in zahlreichen Freitag-

Stores in Europa und Asien, zusätzlich zu

einer Online-Tauschplattform, die das ganze

Jahr über genutzt werden kann. Dass Freitag-

Taschen auch secondhand sehr beliebt sind,

finde man erfreulich, so Isenegger, weil es gut

zur Idee der Kreislaufwirtschaft passe.

Dennoch: Irgendwann lande jede Tasche

in der Tonne, erklärt die Unternehmenssprecherin.

»Und selbst wenn wir bei Freitag mit

dem Restmüll Fernwärme generieren – kreislauftechnisch

ist das noch nicht das Ende der

Fahnenstange. Recycling ist toll, aber das alleine

reicht uns nicht mehr. Es geht darum,

dass Materialien von Anfang an so gefertigt

sind, dass sie wieder in den Materialkreislauf

zurückgeführt werden können. So wie wir es

von Glas kennen, das man x-fach einschmelzen

und wieder neu verwenden kann.«


Hier kommt das Projekt »Circular Tarp«

ins Spiel. Anna Blattert: »Lkw-Planen sind

ein Verbund aus Polyestergewebe, beschichtet

mit weichem PVC. Das macht es sehr

schwer, sie zu recyceln. Unser Ziel ist es,

eine kreislauffähige Plane auf die Straße zu

schicken, um daraus dann später Taschen zu

nähen.« Gemeinsam mit Partner*innen aus

der Planenherstellung und der chemischen

Industrie arbeitet Freitag aktuell an neuen

Materialien, zwei davon fahren bereits als

Prototypen auf Lkws durch die Schweiz.

Bis Haptik, Optik und Verarbeitbarkeit dem

gewohnten Standard für Freitag-Taschen

entsprechen, werde es aber noch dauern, so

die Circular-Technology-Spezialistin. »Und

auch die Bauart der Produkte wird sich ändern

müssen, wenn wir voll kreislauffähig

sein wollen. Sie müssen leicht zerlegbar sein,

damit wir die reine Plane ins Recycling geben

können und nicht Klebstoff, Nähte oder

andere Materialien mit dabeihaben.«

Neue Geschäftsmodelle

Eine weitere Herausforderung: PVC sei

unschlagbar günstig, so Blattert, aber ihre

Projektpartner*innen hätten verstanden,

dass man sich an das anpassen müsse, was

in Zukunft am Markt gefragt oder gar gesetzlich

gefordert sein werde. »Die Planen

werden teurer werden, aber wir glauben daran,

dass wir neue Geschäftsmodelle finden

können, die es uns ermöglichen, ihren Preis

anders zu bewerten, ihn zeitlich auf mehrere

Schultern zu verteilen. Vielleicht verleasen

wir die Planen ja sogar einmal an die Logistikunternehmen.«

Dass die Produkte des Unternehmens

– nicht nur in ökologischer Hinsicht – gut

durchdacht sind, war schon bei der Messenger-Bag

F13 Top Cat der Fall, der allerersten

Freitag-Tasche. Die Firmengründer Markus

und Daniel Freitag, beide Grafikdesigner und

passionierte Radfahrer, ließen sich dazu 1993

vom Lkw-Verkehr inspirieren, der vor ihrem

WG-Küchenfenster tagtäglich über die Zürcher

Hardbrücke donnerte. Seitdem wurden

ihre funktionalen Designs zigfach kopiert

und mit Preisen ausgezeichnet.

Mit der Kreislaufwirtschaft setzen »die

Brüder«, wie es im Freitag-Jargon heißt, seit

einigen Jahren auf ein sehr viel umfassenderes

Konzept, als es das bloße Upcycling ihrer

Anfangstage war. Erfolgreich umgesetzt

wurde es etwa schon bei der Materialentwicklung

für die Kleiderlinie des Taschenherstellers.

Die Stoffe bestehen aus Bastfasern,

sind robust sowie nachhaltig in Europa

produziert – und sie können am Kompost

entsorgt werden.

Manuel Fronhofer

In Österreich sind die Produkte von Freitag bei

diversen Vertriebspartner*innen sowie im Wiener

Freitag Store in der Neubaugasse erhältlich.

Für alle, die am Thema Kreislaufwirtschaft interessiert

sind: Am 27. Februar hält Julia Schmitt

von der Johannes Kepler Universität Linz auf

Einladung der Beratergruppe Neuwaldegg

einen Vortrag zum Thema im Magdas Hotel in

Wien. Kostenpflichtige Anmeldung erforderlich.

Offenlegung: Unser Besuch bei Freitag erfolgte

auf Einladung des Unternehmens.

14. April – 12. Mai 2023

WIENER NEUSTADT

Christoph

ZIMPER

Marlis

PETERSEN

Benjamin

SCHMID

Harriet

KRIJGH

Maria

RADUTU

Vision String

QUARTET

Joël Tettamanti, Manuel Fronhofer, Elias Bötticher

Prototypen der kreislauffähigen Plane werden bereits auf der Straße getestet.

www.milchundhonig-wn.at

/milchundhonig.festival


Wien und die Welt

Illustration Ladies

Vienna im Interview

028

Janina Kepczynski ist eine

der beiden Gründerinnen

der Illustration Ladies.

Zum Zeichnen in die Bar: Die Illustration Ladies

vernetzen von Wien aus Illustratorinnen

in mittlerweile elf Städten. Ein Gespräch mit

Janina Kepczynski, einer der beiden Gründerinnen,

über ehrenamtliche Fulltime-Jobs und

gemeinsames Zeichnen, Einzelkämpferinnen

und Mailänder Eisdielen. ———— Die Vision

– »Frauen stärken, Austausch fördern, stilistische

Vielfalt zeigen, Sichtbarkeit schaffen«–

stammt aus Wien. Die Idee hat sich längst

über die ursprüngliche Stammzelle der Illustration

Ladies Vienna hinaus verbreitet. 2018

von den beiden Illustratorinnen Janina Kepczynski

und Florine Glück gegründet, gibt es

mittlerweile in elf Städten eigene »Chapters«,

die ähnlich arbeiten: Kommerziell agierende

kreative Einzelkämpferinnen organisieren

sich mit ihresgleichen, schaffen auf Social

Media Öffentlichkeit für ihr Tun und treffen

sich auch offline zum Erfahrungsaustausch

und zum gemeinsamen Illustrieren.

Die Illustration Ladies wurden 2018 in Wien

als feministisches Netzwerk gegründet, um

Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame

Projekte zu starten. Welche gemeinsamen

Projekte gab es denn seither?

janina kepczynski: Von Anfang an treffen

wir uns ungefähr einmal im Monat, um

gemeinsam zu einem Thema zu zeichnen.

Hier vernetzen wir uns und lernen immer

wieder neue Illustratorinnen kennen. Es

gibt aber auch gemeinsame Projekte, beispielsweise

eine Street-Art-Ausstellung im

Wien Museum, wo wir 20 Illustratorinnen

waren, die für die Ausstellung »Take Over«

zum Thema »Characters« illustriert haben.

Das war quasi die Abrissausstellung im

Wien Museum bevor der Umbau begonnen

hat. Die zehn Meter lange »Characters«-

Illustration war dann auch im Museumsquartier

bei der Designmesse Offf Vienna

zu sehen. Damit haben wir also sehr viele

Menschen erreicht und vor allem viele

Designer*innen und Art-Direktor*innen,

eine der Hauptkund*innengruppen für

Illustrator*innen. Es gab aber auch immer

wieder kommerzielle Auftragsarbeiten als

Illustratorinnengruppe – wir nennen das

»Team Illustrations«, zum Beispiel mit einer

Werbeagentur gemeinsam für Roche – also

einen Pharmakonzern –, für den wir das

Sujet für eine Breast-Cancer-Awareness-

Kampagne gestaltet haben. Da wurden Brü-

ste in verschiedenen Formen illustriert, von

Frauen für Frauen. Die Bilder sind im Anschluss

dann auch im Lokal Sneak In ausgestellt

worden, es gab eine Pressekonferenz

und einen großen Kampagnenlaunch. Oder

für Fritz Kola haben wir im siebten Bezirk

beim Café Siebenstern einen Gastgarten als

»Team Illustration« gestaltet.

Was muss man tun oder welche Voraussetzungen

muss man erfüllen, wenn man

sich den Illustration Ladies anschließen

möchte?

Anfangs war alles relativ offen, jede

konnte mitmachen. Mittlerweile ist unser

Netzwerk ziemlich gewachsen und bekannt

geworden, deshalb beschränken wir uns auf

Illustratorinnen, die das hauptberuflich machen

und denen ein Netzwerk und der Erfahrungsaustausch

beruflich weiterhilft. Als

Illustratorin bist du sozusagen Einzelkämpferin

und musst dir dein Business selbst aufbauen.

Ein Kriterium ist deshalb: Wer bei uns dabei

ist, hat eine aktuelle Website mit Portfolio

und auch bereits mit Kund*innen gearbeitet.

Und wir raten auch allen, ein Portfolio auf Instagram

anzulegen.

Katja Hasenöhrl, Illustration Ladies


Mitgliedsbeitrag gibt es aber keinen? Oder

konkrete Verpflichtungen …

Der Austausch ist kostenlos. Florine und ich

arbeiten seit Beginn an sozusagen ehrenamtlich,

weil uns Austausch und Netzwerk am Herzen

liegen. Aber inzwischen erhalten wir so viele

Anfragen von Agenturen und Kund*innen, die

auf der Suche sind nach der passenden Illustratorin,

dass wir beschlossen haben, uns hier zu

professionalisieren und den Bedarf nach Vermittlung,

der hier ganz augenscheinlich besteht,

zu bedienen. Wir vermitteln also inzwischen Illustratorinnen

und berechnen eine kleine Provision,

wenn ein Job erfolgreich umgesetzt wird.

Die Illustratorinnen sind bei uns allerdings

nicht exklusiv, das heißt, sie können auch andere

Agenturen haben oder klarerweise selbst

aktiv sein. Um sowohl das lokale Netzwerk in

Wien als auch das globale Netzwerk am Laufen

zu halten, können alle, die unsere Arbeit gut

finden, Supporter auf Patreon werden und das

Netzwerk monatlich mit einem kleinen Beitrag

unterstützen. Ganz nach dem Motto: »Support

us to support you!« Teilweise ist unsere Organisationsarbeit

ein echter Fulltime-Job. Deswegen

diese Varianten. Wir sind aber ständig am

Ausprobieren, was das passendste Modell für

uns und für die Illustratorinnen ist.

»Als Illustratorin bist du sozusagen

Einzelkämpferin und musst dir dein

Business selbst aufbauen.«

— Janina Kepczynski

Die Illustration-Sessions als monatlichen

Stammtisch und Netzwerktreffen gibt es

mittlerweile auch in Linz, Graz und Salzburg.

Kommen zu euren Sessions in Wien

auch Illustratorinnen aus den Bundesländern

oder sind die Illustration Ladies Vienna

wirklich ein reines Hauptstadtnetzwerk?

Wir mischen gerne durch. Wer in der

Stadt ist, kann gern vorbeikommen. Letztens

haben wir extra zu einem Österreich-Treffen

geladen, da sind auch viele aus Graz und Salzburg

gekommen. Wir freuen uns sehr über

den Austausch zwischen den Städten. Auch

für uns als Organisatorinnen ist es toll, so viele

Illustratorinnen kennen zu lernen. So haben

wir unterdessen einen sehr guten Überblick,

welche Illustratorinnen in Österreich arbeiten,

und wissen ziemlich gut, wer in welchem Arbeitsfeld

unterwegs ist und wer welche Spezialisierung

hat. Das Berufsbild der Illustration

ist ja so vielfältig. Da kann man in Bereichen

arbeiten wie Animation, Werbe-Illustration,

Graphic Recording, Lettering, Packaging-Illustration,

Buch- oder Editorial-Illustration,

Live-Illustration, Wandgestaltung usw.

Ihr wurdet von der Stadt Wien gefördert

und als »Future Community« ausgezeichnet.

Was hat euch das gebracht?

Ein Ziel unseres Netzwerks ist es, Sichtbarkeit

zu schaffen. Jede Auszeichnung

schafft Wahrnehmbarkeit und je mehr Leute

von unserem Netzwerk erfahren, desto besser

sichtbar sind die einzelnen Illustratorinnen.

Da haben alle was davon. Und manchmal

kommen als direkte Auswirkung auch gleich

Jobanfragen oder Kooperationen rein. Wir arbeiten

zum Beispiel mit der monatlichen Vortragsreihe

»Creative Mornings« zusammen

und sorgen gerne für Abwechslung, damit die

Illustration-Sessions nicht langweilig werden.

Da haben wir zum Beispiel für das Magazin

von »Creative Mornings« gemeinsam ein Cover

gestaltet, das gerade erst mit dem Joseph

Binder Award ausgezeichnet wurde, was uns

wirklich sehr gefreut hat.

Das Konzept Illustration Ladies wurde bereits

mehrfach exportiert. Auch in Zürich,

Mailand, Köln, Amsterdam und Costa Rica

sind Einzelkämpferinnen als Illustration

Ladies vernetzt. Wie hat sich das ergeben?

Nach den ersten Treffen in Wien kam

plötzlich eine Anfrage aus Costa Rica, ob sie

unser Konzept übernehmen dürften und die Illustration

Ladies auch bei sich starten könnten.

Wir haben denen dann Logos zur Verfügung

gestellt, Tipps gegeben, wie man startet und

Sessions plant. Das hat dort auch gleich gut

funktioniert, seither kommen regelmäßig Anfragen

aus anderen Städten. Wir haben dann

ein einfach erweiterbares Corporate Design für

ein expandierendes, globales Netzwerk entwickelt.

Oft folgt uns jemand auf Instagram, beobachtet

uns und startet ein Netzwerk in ihrer

eigenen Stadt. Unterdessen sind es elf Städte

weltweit, die unsere Idee mittragen und so

nach unserem Konzept lokale Netzwerke aufbauen,

was wir natürlich sehr begrüßen.

029

In Wien Neubau gestalteten die Illustration Ladies

Vienna für Fritz Kola einen Gastgarten.

Ich nehme an, mittlerweile gibt es konkrete

Vorgaben, wenn zum Beispiel jemand Illustration

Ladies München oder Bratislava

starten möchte.

Ja, die gibt es. Fünf Jahre Berufserfahrung

wären gut, um dem Netzwerk bei Fragen

wirklich mit brauchbaren Antworten zur Verfügung

stehen zu können. Die Hosts führen

dann auch den jeweiligen Instagram-Kanal

des Netzwerks. Man sollte also an Austausch

interessiert sein und sich gerne mit den sozialen

Medien beschäftigen. Die Chapter können


»Wir haben ein einfach

erweiterbares Corporate

Design für ein expandierendes,

globales Netzwerk

entwickelt.«

— Janina Kepczynski

auch gerne zwei Hosts haben, das macht mehr

Spaß und ist effektiver. Wir freuen uns immer,

wenn sich Interessierte bei uns melden. Wir

sagen aber offen dazu, dass ein Haufen Arbeit

damit verbunden ist. Aber wer uns aktiv anschreibt,

ist meist sehr motiviert und outgoing,

aktiv und vernetzend.

030

Funktioniert die gegenseitige Unterstützung

auch international?

Länderübergreifende Jobanfragen, die

wir vermitteln konnten, gab es bislang noch

nicht. Wenn eine Eisdiele in Mailand eine

Wandgestaltung braucht, leite ich das an die

Host-Lady in Mailand weiter. Die kann sich

die Eisdiele anschauen und kennt ihr lokales

Netzwerk am besten. Aber ja, denkbar ist

das – und viele Illustrationsjobs kann man ja

ortsunabhängig erledigen.

Wie groß ist denn das Netzwerk der Illustration

Ladies? Wie viele gibt es in Wien,

wie viele international?

Es sind wie gesagt elf Städte, jedes lokale

Netzwerk ist unterschiedlich groß – es ist also

schwer zu sagen. In Wien haben wir Kontakt

zu fast 200 Illustratorinnen. Manche sind aktiver,

manche beobachten das Geschehen nur

über den Newsletter oder in den sozialen Medien.

Die anderen Städte sind auch sehr aktiv

und konnten inzwischen selbst eine große

Community bilden. Die Frage ist ja immer:

Ab wann ist man dabei? Schon als Followerin?

Oder erst als jemand, der zu Netzwerktreffen

geht? Wir beobachten, dass sich sehr viel tut

und bei jeder Illustration-Session teilen die

Illustratorinnen ihre Fotos und Zeichnungen

online und generieren so sehr viel Aufmerksamkeit

und Reichweite. Gemeinsam mit den

anderen Städtehosts und dem globalen Netzwerk

erreichen wir monatlich eine Reichweite,

die in die Hundertaussende geht.

Ich nehme an, eure Arbeit findet dezentral

statt. Oder gibt es so etwas wie eine

Zentrale?

Bei den Illustration Ladies Vienna treffen

wir uns immer woanders – zum Zeichnen in

verschiedenen Bars, Restaurants oder in den

Janina Kepczynski (links) und

Florine Glück gründeten die

Illustration Ladies gemeinsam.

Für das Magazin von Creative Mornings wurde das Frauennetzwerk

mit dem renommierten Joseph Binder Award ausgezeichnet.

Studios der Ladies. Oder wir zeichnen wie gesagt

auf Events wie der Buchmesse. Das macht

das Ganze auch sehr lebendig und abwechslungsreich.

Wenn deine Frage ist, wie sich das

globale Netzwerk organisiert: Das machen wir

hier von Wien aus und versuchen, so gut wie

möglich mit allen Städte-Hosts persönlichen

Kontakt zu halten und uns immer wieder auszutauschen.

Das ist sehr inspirierend.

Haben Illustrator*innen eigentlich auch

eine offizielle Standesvertretung?

Design Austria versteht sich als Interessensvertretung

von österreichischen

Designer*innen unter anderem in den Bereichen

Grafik-, Produktdesign und Illustration.

Dort sind viele von uns Mitglied. Oft sind

die Fragen, die uns beschäftigen, aber sehr

speziell, egal ob rechtlicher oder handwerklicher

Natur. Illustration ist ja von Animation

über Lettering bis hin zu Street-Art und

Kinderbuchillustration ein sehr, sehr breites

Berufsfeld.

Viele der Illustration Ladies arbeiten sowohl

künstlerisch, als auch klar kommerziell

als Auftragsillustratorinnen. Lässt sich

absehen wie sich AI und Dall-E auf euer

Geschäft auswirken werden?

Das Handgemachte und Persönliche wird

auch künftig gefragt sein, denke ich. Ich selbst

hab mich mit der Thematik AI und Dall-E,

ehrlich gesagt, noch nicht sehr beschäftigt.

Aber ich weiß: Es gibt dazu viele Vorträge

und Infoveranstaltungen von den Berufsverbänden

und sicherlich wird es so bleiben, dass

Menschen gerne mit Menschen zusammenarbeiten

und die persönliche Ansprache und

Beratung angenehmer und qualitativ hochwertiger

bleiben wird als die schnelle, digitale

Lösung. Thomas Weber

Nähere Infos zum Kreativnetzwerk Illustration

Ladies und zu seinen Aktivitäten unter

www.illustrationladiesvienna.com beziehungsweise

www.illustrationladies.com.

Illustration Ladies, Lisa Langmantel


Bezahlte Anzeige

Spar ein daheim!

12 Energiespar-Tipps für dein Zuhause.

Schon mit kleinen Handgriffen und einfachen Änderungen

im Alltag kannst du deinen Energieverbrauch deutlich senken.

Das spart Geld und ist gut fürs Klima. Fang also gleich damit an!

Alle 12 Energiespar-Tipps für deinen Haushalt findest du jetzt unter:

wien.gv.at/energiesparen

wien.gv.at/energiesparen


032


Annika, Leni, Paula und Valerie, in ihrem Wohnzimmer,

bevor dieses Lenis neuem Zimmer weichen muss.

Reise nach

Jerusalem

Wie Studierende

mit steigenden

Wohnkosten

umgehen

033

Alexander Galler

Der eigene Wohnraum kann Rückzugsort, Platz

für Kochsessions und Partys sein, verzichten

kann auf ihn jedenfalls niemand. Mit den Mieterhöhungen

hat die Wohnungsfrage neue Aufmerksamkeit

bekommen. Aber wie sieht die Situation

für Studierende aus? ———— Eigentlich

eine schöne Wohngegend. Fünfter Wiener

Gemeindebezirk, in der Nähe des Einsiedlerparks.

Letzten Sommer übte hier die Initiative

Zwangsräumungen verhindern während eines

Parkfests Kritik an der politischen Realität des

»Roten Wien«. Heute sind wir hier, um Isabell

zu besuchen. Isabell ist 25, studiert Theater-,

Film- und Medienwissenschaften an der Uni

Wien. An den Wänden ihrer Wohnung hängen

Falco-Plakate.

Wie bei vielen anderen lag zu Beginn des

Jahres eine Mieterhöhung in ihrem Briefkasten.

Für sie bedeutet dieser Brief nun den

Auszug aus dieser Wohnung. Innerhalb von

zweieinhalb Jahren wurde die Miete von 630

Euro auf 780 Euro erhöht – fast um ein Viertel.

Zu Isabells Glück übernehmen bis zum

Sommer ihre Eltern noch die Kosten. »Klar

muss ich mir überlegen, wie ich mir die Wohnung

nun selbst finanziere – das ist einfach

schwierig bei dem Preis. Ich arbeite zwar

geringfügig und demnächst in Teilzeit, aber

selbst so sind fast 850 Euro für Miete, Strom

und Gas heftig.«

Dabei waren für sie nicht nur die steigenden

Kosten maßgeblich für ihre Entscheidung:

»Eine Wohnung sollte ein Rückzugsort

sein, an dem ich runterkommen kann

und auch Ruhe vor anderen Menschen habe.

Hier ist das nicht möglich. Gefühlt wird jeden

Monat eine andere Wohnung renoviert. Ich

wohne jetzt seit zweieinhalb Jahren hier und

fast durchgehend war etwas los.« Dafür hat

sie zwar zwischenzeitlich zwei Monate eine

Mietminderung erhalten, doch das mache das

Kraut auch nicht fett.

Ein paar Straßen weiter, ebenfalls im

fünften Bezirk, besuchen wir eine Wohngemeinschaft

im Dachgeschoß eines renovierten

Altbaus. Annika, 21, Publizistikstudentin

an der Uni Wien gibt uns eine kurze Führung:

ein kleines Zimmer für jede, Wohnzimmer,

zwei Bäder, Dachterrasse. Wenn man die

Wohnung betritt, könnte man meinen, diese

WG hat sich den Traum vom schönen Wohnen

verwirklicht, wären da nicht die hohen

Kosten. »Wir haben die Wohnung im Sommer

2020 bezogen und zahlen mittlerweile

150 Euro mehr als beim Einzug – allein für

die Kaltmiete«, berichtet Annika. Anfangs

hatte die WG noch einen guten Tarif für den

Strom, doch ihr Anbieter ist pleite gegangen,

der neue verlangt nun das Doppelte, was die

Kosten für jede Bewohnerin nochmals erhöht.


Lena pendelt von

ihrem Elternhaus in

Tulln nach Wien zum

Studieren.

034

Aber sie haben eine Überbrückungsmöglichkeit

gefunden: Es wird eine Wand eingebaut.

Das Wohnzimmer schwindet, eine

weitere Person zieht ein.

Lieber Wand statt Makler*in

»Die Miete ist ziemlich hoch, aber wir

wollen die Wohnung behalten. Unsere

Freundin Leni will nach Wien ziehen und

da hat es sich so ergeben«, erzählt Annika.

Eine Mitbewohnerin korrigiert: »Wir hatten

vorher schon geplant zusammenzuziehen

und nach einer neuen Wohnung gesucht. Als

es hieß, dass die Makler*innenprovision doch

noch nicht fällt, haben wir uns für die Wand

entschieden. Wir wollen nicht noch einmal

fett Provision zahlen.«

Im März 2022 hatte Justizministerin

Alma Zadić voreilig verkündet, dass ab 2023

das Besteller*innenprinzip gelten solle: Wer

Makler*innen beauftragt, muss sie auch bezahlen.

Letztendlich wurde der Begutachtungsentwurf

erst im Dezember 2022 zur

Regierungsvorlage, die mit Juli 2023 in Kraft

treten dürfte. Sofern nichts dazwischenkommt.

Mit Makler*innen hat auch Isabell schon

schlechte Erfahrungen gemacht: »Neulich

musste ich mir für eine Besichtigung sogar

selbst den Schlüssel gegen Pfand abholen.

Und für diesen – nicht vorhandenen –Service

soll ich Provision zahlen?!« Aus Deutschland

kennt sie bereits, dass zahlt, wer den Auftrag

erteilt. So wie es zukünftig auch in Österreich

der Fall sein soll.

Ganz andere Sorgen hat Lena, 21 Jahre

alt, Studentin der Medieninformatik an der

TU Wien. Sie lebt bei ihren Eltern in Tulln

»In der aktuellen

Lage trau ich mich

nicht, von zuhause

auszuziehen.«

— Lena, 21, Studentin

und pendelt viermal die Woche zur Uni. Hinund

Rückfahrt zusammen kommen auf drei

Stunden täglich: »Eigentlich möchte ich schon

lange nach Wien ziehen, aber es geht sich finanziell

nicht aus.« Im April wird sie ihren Job

aufgeben müssen, da ihr schlicht die Zeit fehlt.

»Da trau ich mich nicht auszuziehen, gerade

wenn ich nicht weiß, was Strom und Gas künftig

ausmachen werden«, beklagt sie. Für sie

heißt Studium vor allem Lernen, Lernen, Lernen.

»Ich stehe in der Regel um 7 Uhr auf, fange

um 8 Uhr an zu lernen und bin dann bis um

22 Uhr dabei; also mit Pausen für einen Spaziergang

oder etwas zum Essen dazwischen«,

erläutert Lena. Bei so einem vollen Tag bleibt

zwar auch weniger Zeit, um Geld auszugeben.

Mit dem Bild des unbeschwerten Studierendenlebens

hat das aber kaum etwas zu tun.

»Es geht sich einfach vorne

und hinten nicht aus«

Welchen Einfluss die Mieterhöhungen auf das

Leben von Studierenden hat, ist die Frage, die

sich durch unsere Hausbesuche zieht. Wohnkosten

waren schließlich schon bei der letzten

Studierendensozialerhebung 2019 vor Pandemie

und Ukrainekrieg der größte Kostenfaktor

für Studierende. Darüber hinaus

sind die Wohnkosten laut IHS Preismonitor

mit 29 Prozent bei Weitem der größte

Inflationstreiber für Studierende, gefolgt

von Freizeitausgaben mit 16 Prozent und

Lebensmitteln mit 13 Prozent (Stand: 21.

Jänner 2023). Mieterhöhungen haben damit

direkteren Einfluss auf das Leben der

Studierenden als andere Faktoren.

Neue Zimmer, teures Dürüm

Philipp, 20, Student der medizinischen Informatik,

merkt auch, dass die Essenspreise steigen:

»Allein schon, wenn ich mir ein Dürum

hole: Ich zahle mittlerweile 8 Euro statt 6,50

Euro«, berichtet er. Philipp wohnt zusammen

mit Benjamin, 21, in einer Doppeleinheit eines

Wohnheims. Jeder hat einen abgetrennten

kleinen Raum mit Bett, Schreibtisch, Kleiderkasten

und Balkon; die Kochnische teilen sich

die beiden. Für größere Kochsessions gibt es

in Gemeinschaftsräumen noch Kochfelder

und Backrohre. Alles wirkt modern und hochwertig.

Keine Spur mehr vom alten Pfeilheim,

wie es viele noch von Partys kennen, die sich

durch Stockwerke und Jahrzehnte zogen. »Sicher

ist es nicht mehr so eine Gemeinschaft

wie im alten Pfeilheim, weil man mittlerweile

alles im Zimmer hat und jeder neu eingezogen

ist«, kommentiert Benjamin.

Aber generell sind die zwei Burgenländer

sichtlich zufrieden in ihrer Unterkunft. »Es

wird geputzt, du musst dich um nichts kümmern.

Der einzige Nachteil ist der geringe Platz,

aber daran kann man sich gewöhnen«, meint

Philipp. Extras wie Fitnessraum, Sauna und

Alexander Galler


Isabells Miete hat sich um ein Viertel

erhöht – trotz ständiger Bauarbeiten.

ein eigener Club haben ihn in Kombination mit

dem Preis überzeugt. Für Benjamin war die

Gemeinschaft ein ausschlaggebender Punkt:

»Ich wollte nicht einfach allein in eine Wohnung

ziehen, sondern Leute kennenlernen.«

Von Mieterhöhungen blieben die beiden

aber trotzdem nicht verschont: Ihre Miete

wurde Anfang des Jahres von 430 Euro auf

469 Euro erhöht, was aber verkraftbar sei, so

Philipp. Seine Miete übernehmen die Großeltern.

Er könne dennoch nicht groß Geld ausgeben,

mit seinem Budget liegt er im Durchschnitt

seiner Altersgruppe.

Gemeinnützige im Dilemma

Nicht nur für Philipp und Benjamin wurden

die Preise erhöht. Eine Umfrage bei den heimischen

Wohnheimbetreiber*innen ergab,

dass praktisch alle die Wohnkosten anpassen

mussten. Dabei zeigte bereits die Studierendensozialerhebung

2019 in einem Vergleich

der Haushaltsformen bei den Studierendenheimen

mit 48 Prozent den größten Preisanstieg

über einen Zeitraum von zehn Jahren

(gefolgt von Partner*innenhaushalten mit 45

Prozent, Singlehaushalten mit 35 Prozent und

WGs mit 27 Prozent). Die Studienautor*innen

führen das auf den großen Boom von »for

profit«-Anbieter*innen zurück. Mit ihrem

Angebot richten sich Letztere nicht nur an

Studierende, sondern auch an »Young Professionals«

und können damit teurer und luxuriöser

sein, wie etwa das Triiiple mit Preisen

von bis zu 1.800 Euro. Auch wenn dort 60 Prozent

der Bewohner*innen Studierende seien

und zumeist Appartments einfacher Kategorien

im Preisbereich um 700 Euro bewohnten,

wie der Anbieter erklärt.

Hinzu kommt, dass sich gemeinnützige

Betreiber*innen angesichts der unerwarteten

Kostensteigerungen im Dilemma sehen: »Wir

bemühen uns als gemeinnütziger Wohnheim-

SINNESRAUSCHEN - FESTIVAL 2023

PLEASE MADAME

CHRISTL

COUSINES LIKE SHIT

GOOD WILSON

SA. 25. MÄRZ 2023 ab 19:00 Uhr

IM HAUS DES MEERES!

22. Februar

Haus des Meeres

GERALD VOTAVA FT.

WALTHER SOYKA &

MARIA PETROVA

A schenes Lem! Die Nöstlinger-Songs

8. März

Haus des Meeres

EMILY STEWART &

SOPHIE ABRAHAM

On the Quiet/Brothers

Haus der Musik, Seilerstätte 30, 1010 Wien

www.hdm.at

INFOS & TICKETS

www.haus-des-meeres.at/kulturwelle

In Kooperation mit Hohenberger / Karall-Semler


»Eine Wohnung

selbst zu finanzieren,

ist bei den Preisen

schwierig.«

— Isabell, 25, Studentin

Philipp und Benjamin teilen

sich eine kleine Kochnische.

036

betreiber, die Kosten für alle Bewohner*innen

so niedrig wie möglich zu halten, um Studierenden

leistbaren Wohnraum bieten zu können«,

sagt Diethard Hochhauser von Stuwo,

die in sechs Bundesländern 21 Heime betreiben.

Gleichzeitig heiße Gemeinnützigkeit

auch, dass die Anbieter*innen keine Rücklagen

haben, mit denen sie die gestiegenen Kosten

abfedern könnten, da sie »keinen Gewinn

erwirtschaften können und dürfen«, womit

also sämtliche Mehrkosten weitergegeben

werden müssten, wie Peter Schaller von der

Wohnbauvereinigung für Privatangestellte

erklärt. Während es vielerorts Krisenunterstützung

gab, gingen die Bewohner*innen und

Betreiber*innen von Wohnheimen leer aus;

für diese gibt es höchstens bei der Errichtung

neuer Heime eine Förderung. Ohne eigenen

Stromvertrag ist es für Bewohner*innen überdies

schwer, den Energiebonus zu beantragen.

Gleichzeitig sind Strom- und Gastarife für

Geschäftskund*innen mittlerweile teurer als

für Private, selbst wenn ein gemeinnütziges

Heim dahintersteht.

An der Nachfrage für die Zimmer ändert

das wenig. So schildert Stefan Marchewa

vom Diakoniewerk: »Nach einem Einbruch

mit Beginn der Pandemie, hat sich die Situation

wieder eingependelt.« Bei Home4Students

soll es im Herbst sogar eine beachtliche

Warteliste gegeben haben. Burak Ünver,

von Smartments Österreich, Betreiber des

Ari Rath Haus in Wien, ist sich zudem sicher:

»Die Nachfrage wird hoch bleiben, denn es

gibt auf dem studentischen Wohnungsmarkt

weiterhin einen großen strukturellen Mangel

an leistbaren Wohnungen.«

Und wie kommen Studierende nun durch

die Krise? Unsere Gesprächspartner*innen

berichten, bislang nicht wirklich kürzertreten

zu müssen. Annika aus der WG im fünften Bezirk

erklärt, dass sie die erhöhten Kosten dank

zweier Nebenjobs gut handhaben kann. Da ihr

Studium nicht so aufwendig ist, habe sie kein

Problem 20 bis 30 Stunden in der Woche zu

arbeiten. Ihre Mitbewohnerin Paula bekommt

noch finanzielle Unterstützung und »zehrt

von Erspartem, solange es geht«. Valerie erklärt:

»Es ist balancierbar, aber ich find es

eben krass, wenn man die Summe sieht: Das

geht allein fürs Wohnen drauf.«

(Über-)Leben in der Krise

Für wie viele Studierende die derzeitigen

Mieterhöhungen ein einschneidendes Problem

sind oder ob es sich eher um eine verschmerzbare

Übergangszeit handelt, kann

auch Martin Unger vom IHS nicht beantworten.

Er verweist aber darauf, dass alle Studierenden,

die man befragt »Überlebende« seien:

Sie kämen mit den Rahmenbedingungen noch

zurecht und hätten noch nicht abgebrochen.

Zudem sei es für Studierende leichter als für

andere armutsgefährdete Gruppen, einen Job

zu finden, dessen Stundenausmaß bei steigenden

Kosten ausgeweitet werden kann. »Wenn

die verfügbare Zeit mehr fürs Arbeiten als fürs

Studieren verwendet wird, sprechen wir von

Studienarmut statt von finanzieller Armut«,

so Unger. Weniger Zeit zum Studieren heißt

länger studieren. Und da wären wir wieder

beim Mythos der faulen Bummelstudent*in.

Die Alltagsgeschichten von Isabell, Annika,

Lena, Philipp und Benjamin sind jeden-

falls keine Extrembeispiele. Das Schicksal

dieser Studierenden bewegt sich im Bereich

der Durchschnittsdaten. Das verdeutlicht die

Lage nur. Und sobald zu dieser durchschnittlichen

Mehrbelastung noch Hürden durch

Marginalisierung hinzukommen, lassen sich

die genauen Effekte kaum erahnen. Was bedeutet

dies etwa für migrantische, queere

oder sozial schwächere Studierende? Langfristig

wird dieser Trend – gekoppelt mit der

Verschulung des Bildungssystems (Stichwort:

Bologna und Mindeststudienleistung) – bestehende

Ungleichheiten nur weiter verschärfen.

Das hätte nicht nur ideelle, sondern auch demokratiepolitische

Bedeutung: Bildung gilt

als wichtiger Motor für soziale Mobilität und

ermöglicht politische Teilhabe und Partizipation.

Garantie dafür bietet sie zwar keine,

aber mit der Zuspitzung von Ausschlussmechanismen

werden bestehende Trennlinien

garantiert verschärft. Felix Schmidtner

Durch die Inflation-Mieten-Spirale sind Millionen

Menschen in Österreich von steigenden

Mieten betroffen: Sobald die Inflation fünf

Prozent übersteigt, sind Vermieter*innen

berechtigt, den Mietzins an den Verbraucherpreisindex

anzupassen. Studierende, die

Probleme mit ungerechtfertigt erscheinenden

Mieterhöhungen haben, können sich an die

Mietrechtsberatung ihrer lokalen ÖH, die

Arbeiter*innenkammer, die Mieterhilfe Wien

oder einen Mieter*innenschutzverein wenden.

Leider gibt es immer noch keine dauerhaften

Lösungen oder Auffangnetze, bei temporärer

Notlage kann aber auch ein Sozialfonds von

der ÖH weiterhelfen.

Alexander Galler


PROMOTION

So richtig daheim

Tipps für die ersten

eigenen vier Wände

Ob erste eigene Wohnung, WG oder Studierendenheim – wer bei den Eltern auszieht, sollte gut

ausgestattet in den neuen Lebensabschnitt starten. Vier Dinge, die du unbedingt brauchst, um

die ganz speziellen Herausforderungen von Studium und neuem Zuhause easy zu meistern.

Sound in einer neuen Dimension

Ob fürs Zocken, fürs Binge-Watching oder einfach, weil du

mehr Bass in deinem Leben brauchst – die neue, kompakte

soundbar ray von sonos bringt beeindruckenden Klang in

kleinere Räume. Sie überzeugt mit elegantem Design und

Vielseitigkeit, ist erschwinglich und macht es dir damit noch

einfacher, dein erstes Home Entertainment System aufzubauen.

Mit allen Lieblings-Streamingdiensten kompatibel

und leicht über die Sonos App, mit der TV-Fernbedienung

oder etwa über Apple AirPlay 2 steuerbar. Preis: € 299,—

www.sonos.com

Umweltfreundlich sauber

Wer gerne Freund*innen zum Kochen

oder Feiern einlädt, kennt das: Am Tag

danach sieht die Küche schnell einmal

verwüstet aus. Mit dem küchenreiniger

zitronenmelisse von bi good lässt sich

auch hartnäckiger Schmutz zuverlässig

entfernen – ganz ohne giftige Chemiekeule.

Mit seinem zitrischen Duft beseitigt

das umweltfreundliche Reinigungsmittel

außerdem unangenehme Gerüche. Hergestellt

auf Basis nachwachsender Rohstoffe,

frei von Farbstoffen und vegan. Gut für

dich. Gut für die Umwelt. Preis: € 2,19

www.bipa.at/bi-good

037

Aus Liebe zu dir. Bier.

Wichtige Grundregel unter Studierenden: immer

genug Bier zu Hause haben. Am besten von der

guten Sorte. Wie vielfältig handwerklich gebrautes

heimisches Bier sein kann, zeigt dir die österreich

geschenkebox vom Craft-Bier-Spezialisten beerlovers.

Vertreten sind Biere aus allen neun Bundesländern,

insgesamt 16 Stück – von fein-malzig über

zart-exotisch bis hopfig-herb, jedes davon angenehm

zu trinken. Inklusive Sensorikglas für den

perfekten Biergenuss. Gönn dir! Preis: € 39,90

www.beerlovers.at

Kaffeegenuss wie vom Barista

Du musst – prüfungsbedingt – mal ein bisschen

länger aufbleiben oder trinkst einfach gerne

guten Kaffee? Dann bist du mit der qbo essential

bestens beraten. Die neue Kapselmaschine von

tchibo steht für Kaffee pur und überzeugt durch

Technikkompetenz, denn der Kaffee wird wie bei

einer Siebträgermaschine mit bis zu 19 Bar Druck

zubereitet. Auf Knopfdruck entsteht perfekter

Kaffee mit samtiger Crema. In vier Designs in

allen Tchibo Filialen und auf www.tchibo.at

erhältlich. Preis: € 79,—


PROSA — MARKUS KÖHLEĆ

INS LAND

EINISCHAUN

Mit »Das Dorf ist wie das Internet, es vergisst nichts« ist Autor und Poetry-Slammer Markus Köhle

ein sehr schöner Titel eingefallen. Er schickt in seinem Roman einen Werbetexter mit dem Zug quer

durchs Land. Raus kommt eine böse wie treffende Analyse der österreichischen Seele.

038

KNUTSCH-MIX

Wir standen vor der Kirche. Wir saßen im Auto. Wir

fummelten. Wir hatten jeweils eine Hand in der Hose

der / des anderen. Wir waren der Meinung, dass es ein

Biopic geben sollte, das »Die Hand in der Hose der anderen«

heißen sollte. Uns gefiel der Plural, der in »der

anderen« steckte. Wir steckten noch nicht sachgerecht

an- und ineinander. Wir übten noch. Wir hatten keinen

entsprechenden Übungsplatz, deshalb standen wir vor

der Kirche des Nachbarortes, saßen im Auto der Eltern

und fummelten auf Teufel komm raus. Der Teufel blieb

vorerst in unseren Hosen, dort war es höllisch heiß. Deshalb

sorgten wir mit unserer Hand in der Hose der/des

anderen für Abkühlung, für Abkühlung, nicht für Entspannung.

So weit waren wir noch nicht.

Wir hatten coole Hände, aber Finger, die noch nicht

recht wussten, wo sie hin sollten, wo ran sie sich halten

oder reiben sollten. Wir trugen immerhin keine Totenkopf-

oder Sternzeichenringe. Wir hätten nur Schaden

damit angerichtet. Wir wollten alles, nur keinen Schaden

anrichten. Deshalb steckten unsere Hände – je eine Linke

und eine Rechte – tatenlos in unseren Hosen. Sie ruhten

auf primären Geschlechtsmerkmalen und fanden das für

den Anfang schon mal ganz gut. Wir waren der Meinung,

dass es einen Coming-of-Age-Film mit dem Titel »Für den

Anfang schon mal ganz gut« geben sollte.

Wir waren nicht unzufrieden, dass nicht unzufrieden

nicht das Gleiche wie befriedigt war, wussten wir noch

nicht. Befriedigt klang wie beleidigt. Befriedigt war uns zu

nah am Schulnotensystem und da bloß zwischen gut und

genügend. Wir ahnten, dass es nicht genügte, wenn wir

einfach so sitzen blieben mit der jeweils anderen Hand im

Schritt. Sitzenbleiben hatte noch niemals genügt. Nächste

Schritte wagten wir noch nicht.

Einzelfingeraktionen trauten wir uns noch nicht zu.

Wir befriedeten uns mit einer leichten Raus-aus-der-Hose-nein-doch-wieder-rein-vor-und-zurück-Bewegung

der

ganzen Hand und versuchten dabei, die Finger nicht zu

steif und nicht zu verkrampft verharren zu lassen. Bloß

nichts kaputt machen! Wir wussten, dass wir fragile Geschöpfe

waren. Auf unseren Hosen hätten Schilder angebracht

gehört: Handle with care! Fragole fragile. Prosím

pozor! Die Sprache der Hosenaufschriften war international.

Wir waren es nicht. Wir waren superregional. Wir

lebten im Gurgltal.

Wir lebten ein Teenagerleben in vollen Zügen und

von den Eltern geliehenen Autos. Wir standen vor der

Kirche. Wir saßen in zurückgekurbelten Lada-Samara-

Autositzen mit Kopfstützen. Wir hatten einen Kirchturm

und einen Altar in den Hosen. Wir kamen mit den jeweils

freien Händen weder ans Geläut noch an die Monstranz.

Wir waren der Meinung, dass es ein Teenager-Sozial-

Drama mit dem Titel »Die Hölle in den Hosen der anderen«

geben sollte.

Den Titel »In den Hosen sind immer die anderen«

wiederum hätten wir uns gut als Außenseiter-Drama

vorstellen können. Wir waren ja noch eher andere als wir

selbst. Fürs Selbstsein reichte es noch nicht. Noch steckten

wir in unserer Entwicklung, in den Autos der Eltern,

in den zu engen Hosen der anderen und im ebenfalls zu

engen Gurgltal fest. Wir glaubten fest daran, dass wir das

geändert kriegten. Wir wollten schon längst Geändert-

Krieger sein.

Wir wollten beim nächsten Treffen vielleicht nur mehr

einmal versehentlich mit dem Ellbogen auf der Hupe ankommen.

Wir wollten daran denken, beim nächsten einvernehmlichen

Auto-Ausgreif-Freitagabend einen Polster

über die Handbremse zu legen, um den Handbremsenhebel

nicht dauernd in die Hüfte gerammt zu kriegen.

Wir wollten auch an eine Kassette, einen Knutsch-Mix,

denken, um nicht dauernd rauschende Radio-Tirol-Hits


Zur Person

Claudia Rohrauer

hören zu müssen. Wir wollten das nächste Mal auf weite

Hosen setzen, um den Spielraum zu vergrößern. Wir

wollten, dass das nächste Mal das erste Mal passieren

würde. Wir wollten, dass das erste Mal nicht passierte,

sondern dass wir es gemeinsam auf unvergessliche Art

und Weise geschehen machten.

Wir wussten, wie sich die Rückbanklehnen flachlegen

ließen und sich der Lada so zum praktischen

Kombi mit vergrößertem Kofferraum umfunktionieren

ließ. Wir wollten, dass das erste Mal etwas Besonderes

würde. Wir fanden, dass sich im Kofferraum, auf dem

Parkplatz vor der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt, auf

Bettbezügen mit rot-weißem Hahnentrittmuster als

erstes Mal gut für immer merken ließ. Wir hatten den

gleichen Sinn für Romantik, Komik und Drastik. Wir

tickten gleich. Wir würden sicher bald ficken. Wir hatten

nur noch keine Sprache dafür. Ort, Wille und uns

hatten wir schon. Der Rest würde schon noch werden.

Wir würden schon noch werden.

Wir konnten uns am kommenden Freitag das Familienauto

leider nicht ausleihen. Wir vergaßen das Mal

drauf auf Handbremsen-Abdeck-Polster und Hahnentritt-Bettbezüge.

Wir hatten bisher noch nie, aber beim

entscheidenden Mal, bei dem alles passte – Parkplatz,

Liegekomfort, Vollmondatmosphäre – ausgerechnet

auf die Kondome vergessen. Wir waren vernünftig genug,

es dann doch nicht zu machen. Wir waren sogar so

vernünftig, dass wir es noch wochenlang nicht machten

und dann war plötzlich Winter und es zu kalt für heiße

Liebe im Kofferraum.

Der Winter machte uns zu gefallenen Eiswürfeln, zu

hilflosen Eiszapfen und Gletscherspalten in Schneehosen,

die zueinander nicht fanden. Wir waren der Meinung,

dass es einen Arthouse-Softporno mit dem Titel

»Eiszapfen und Gletscherspalten in Schneehosen« geben

An dieser Stelle wird jetzt die Hose runtergelassen.

Markus Köhle und The Gap haben eine

gemeinsame Vergangenheit, eine Geschichte

sozusagen. Etliche Ausgaben fern rezensierte

der gebürtige Tiroler Romane der anderen.

Aber Leben und Magazine entwickeln sich

weiter. Markus war maßgeblich daran beteiligt,

Poetry-Slams in Österreich zu etablieren und

avancierte zum Literaturveranstalter, der nach

wie vor viel schreibt, rezensiert und analysiert.

Jetzt gibt’s mit »Das Dorf ist wie das Internet,

es vergisst nichts« (Sonderzahl) laut Klappentext

sein Romandebüt. Das ist nicht ganz richtig,

nur liegt Köhles letzter Roman sehr, sehr

weit zurück. So oder so, der Otto-Grünmandl-

Preisträger erzählt schnell, greift tief in die

Neologismuskiste und erzählt mit Sprachwitz

die Story von Lukas, einem Texter für die

Österreich Werbung, der bei seinen stundenlangen

Zugreisen intensiv mit Land und Leuten

in Kontakt kommt. Und dann macht ihm auch

noch seine Heimatgemeinde ein unmoralisches

Angebot. Ein lustiger Blick in die Berg-und-Tal-

Abgründe der österreichischen Seele.

sollte. Unsere Liebe kühlte ab, fror ein, erstarrte. Unsere

Liebe wurde begraben von Unmengen von Schnee und

war noch vor dem Frühling Schnee von gestern.

Im Frühling blühten wir erneut auf. Wir hatten immer

noch Herz. Unsere Herzen aber schlugen nicht mehr füreinander,

sie schlugen sich gegenseitig. Wir waren nicht

mehr ein Herz und eine Hose. Wir waren einen Schritt

weiter. Wir waren reif für andere Herzen, Hosen und Erfahrungen.

Aber wir nahmen uns fest vor, uns bei der Aufnahmeprüfung

für die Filmakademie wiederzusehen, um

ein gemeinsames Romcom-Drehbuch einzureichen, mit

dem Titel: »Das Herz in den Hosen der anderen«.

039


WHICH

SIDE

ARE

YOU

ON?

Rajkamal

Kahlon

Gewinnen

thegap.at/gewinnen

1

4

2

3

5

Bis 9/4 2023!

1 »Rubikon«

Mit ihrem Spielfilmdebüt »Rubikon« wusste Magdalena Lauritsch im Vorjahr zu überraschen

und beeindrucken. Sie traue sich, groß zu denken, heißt es etwa in der Begründung

der Jury des Wiener Filmpreises, die ihr den Spezialpreis zusprach. Auf hohem

technischem Niveau erzählt ihr Science-Fiction-Film von der Besatzung einer Raumstation,

die den Kontakt zur Erde verliert und sich in der Folge große moralische Fragen

stellen muss. Höchst spannend! Wir verlosen drei Blu-Rays.

2 Falco »Einzelhaft (Deluxe Edition)«

Anlässlich Falcos 25. Todestages wurde sein Debütalbum »Einzelhaft« in einer Spezialausgabe

neu aufgelegt – als Dreifach-Vinyl, Doppel-CD (inklusive Pop-Krone-Konzert

in der Wiener Stadthalle, Falcos allererstem Auftritt mit Liveband als Solokünstler)

sowie MC. Ein unkaputtbarer Klassiker der österreichischen Musikgeschichte, der mit

»Der Kommissar« Falcos erste Nummer eins auf der Tracklist stehen hat. Es sollte nicht

die einzige bleiben. Wir verlosen drei Doppel-CDs.

3 Daniel Kalt »Staat tragen«

Daniel Kalt, ausgewiesener Modeexperte sowie Chefredakteur des Schaufensters, der

Lifestyle- und Kulturbeilage der Tageszeitung Die Presse, entschlüsselt in seinem

Buch die Modecodes der Mächtigen – von der Handtasche Margaret Thatchers über

die Bade-Shorts Barack Obamas bis hin zu den Slim-Fit-Anzügen von Kern, Kurz & Co.

Und was, wenn die modische Message-Control einmal versagt? Aufschlussreich und

sehr unterhaltsam. Wir verlosen drei Bücher.

4 »The Raw Stuff Vol. 2«

302 Artworks. 252 Seiten. 26 Künstler*innen. 1 Buch. Das ist mal eine Ansage. Für Fans

von Heavy Music aller Subgenres oder einfach für Menschen, die auf coole Illustrationen

stehen, versammelt »The Raw Stuff« zum zweiten Mal die Crème de la Crème der

europäischen Illustrator*innen und Grafiker*innen. Von Gig-Postern über Street-Art,

Merch-Designs und Vinyl-Covers bis hin zu Action-Figuren reicht die Bandbreite der

abgebildeten Arbeiten. Wir verlosen zwei Bücher.

5 »Jim Jarmusch Complete Collection«

Ob »Night on Earth«, »Ghost Dog« oder »Broken Flowers« – die US-amerikanische

Regielegende Jim Jarmusch erzählt in seinen Filmen gerne in lakonischem Ton von

skurrilen Charakteren. Anlässlich seines 70. Geburtstags kommen zwei neue Editionen

in den Handel – die »Jim Jarmusch Complete Collection« (Blu-Ray) sowie die »Jim

Jarmusch Collection« (Blu-Ray und DVD). Letztere umfasst elf seiner 15 Filme. Beide

sind ab 23. März im Handel erhältlich. Wir verlosen je ein Exemplar.


Rezensionen

Musik

Various Artists

Schnitzelbeat Vol. 3 – Ready for Take Off!

Trash Rock Archives

09

Kapperl statt Fedora, schwarze Scheiben aus Schellack,

Vinyl oder Polystyrol-Mischung statt kristallene Schädel:

Wenn es so etwas wie einen österreichischen Indiana Jones

gibt, dann ist das Al Bird Dirt – seines Zeichens Plattensammler,

Novelty-DJ und Kurator der auch international

höchstgeachteten Reihe »Schnitzelbeat«, die einen Blick

wirft auf die Geschichte des alternativen österreichischen Undergrounds in

der Findungsphase moderner Popmusik. Einen Blick, der ansonsten durch

mangelnde mediale Aufbereitung und wegen dubioser Messkategorien für

Erfolg und Massenkompatibilität wohl für immer verstellt geblieben wäre.

Nach zwei famosen Samplern – von Exotica bis Garage-Rock – steht für die

dritte Ausgabe das große Thema des österreichischen Psychedelic Rock im

Fokus, auch der artverwandte und hierzulande – natürlich zu – spät angekommene

Space-Rock kommt nicht zu kurz.

Die Namen sind dieses Mal tatsächlich mitunter etwas klingender, wir

befinden uns hier schließlich zwischen 1967 und 1973. Die Medien wissen

mittlerweile, dass es heimische Musik gibt – Karl Ratzer (Charles Ryder

Corporation), Jack Grunsky und The Beatniks aus Kärnten könnte man

kennen, Letzteren wurde im Vorjahr sogar eine Reissue ihrer einzigen LP

spendiert. Aber lass dich da mal nicht täuschen, selbst der größte Name,

jener der Beat-Superstars Novaks Kapelle, zeigt den Anspruch Dirts, der

tatsächlich deren bislang verschollen geglaubte erste Single ausgegraben

hat. Auch alles andere als schlecht: »Brother« der Austrian Brothers,

von der es nur zehn gepresste Exemplare gibt. Oder der Holy Grail österreichischer

7-Inch-Sammler: »Ready for Take Off«, der gleichsam würdige

Titelsong und absolute Banger von Rocky F. Holicke, der zumindest

die nächste Monatsmiete wert ist. Oder auch »War History« von The Cop

Stigh, deren einziger Google- Eintrag zu »Schnitzelbeat Vol. 3« führt. Oder

die Ministrantenband The Hush. Oder die Casting-

Band The Wallflowers. Oder dieses und jenes Stück.

Es gäbe über jedes dieser Lieder eintausend Geschichten

zu erzählen, Al Bird tut dies in den Liner-

Notes. So viel vorab: Jede davon kann deinen Blick

verändern – auf eine längst vergangene Wirklichkeit.

(VÖ: 3. März) Dominik Oswald

041


Rezensionen Musik

042

Bulbul

Silence! — Rock is Hell Records

07

»Ich bin hier – und es gibt nichts zu sagen. Wenn unter Ihnen

die sind, die irgendwo hingelangen möchten, sollen sie

gehen, jederzeit. Was wir brauchen, ist Stille.« Das Press-

Release zu Bulbuls neuer Platte eröffnen ein paar Zitate

des Stille-Meisters John Cage, der ausdrücklich nicht Inspirationsgeber

für das 13. Album des österreichischen

Noise-Rock-Trios ist. Eigentlich naheliegend, denn viel Stille ist in den rund

49 Minuten nicht zu finden. Vielleicht bezieht sich diese Referenz auf die

Abwesenheit von Bulbuls vokalem Teil, denn bis auf ein paar mikroskopische

Ausnahmen befindet sich auf dem Album kein Gesang.

1996 erschien die erste LP von Bulbul, damals noch als Soloprojekt

von Manfred »Raumschiff« Engelmayr, dessen Partie mittlerweile durch

Roland Rathmair (Bass) und Didi Kern (Drums) komplettiert wird. Alle drei

darf – besser: muss – man guten Gewissens als »umtriebig« bezeichnen.

Die wissen, was sie tun. Und das hört man. Wo Produktionen mit Prä- oder

Suffix »Noise« gut und gerne zum Matschen oder Übersteuern neigen, ist

»Silence!«, dessen Tracklist in kryptischer Noise-Manier aus unterschiedlich

langen Strichen besteht, knackig und klar. Verantwortlich dafür ist

Nik Hummer. Ebenfalls einer, der weiß, was er tut. Das Stück A2 – oder:

»–––––––––––––––––––« (ja, abgezählt!) – erweckt etwa den Eindruck, als

säße man zum Zuhören während der Aufnahme im Studio. Was zusätzlichen

Eindruck hinterlässt, ist das Erscheinungsbild des Albums. Die 104.

Katalog nummer des Grazer Labels Rock Is Hell kommt wie gewohnt ausgefuchst

und handgemacht daher. Für das siebgedruckte Artwork zeichnet

Inga Hehn verantwortlich. Und weil auf einer 12-Inch-Vinyl bei ca. 40 Minuten

Schluss ist, wurde in das Cover eine 7-Inch eingearbeitet, die man für

C1 herauslösen muss. Grandios! Trotz aller Soundgewalt und DIY-Liebe ist

»Silence!« allerdings doch eher eine Platte, die mehr Hintergrund-Ambience

als Deep-Listening-Kandidatin ist. Soll heißen: Bulbul

muss man sich live reinziehen, damit’s richtig wirkt.

(VÖ: 28. Februar) Sandro Nicolussi

Live: 17. Februar, Graz, Forum Stadtpark —

18. Februar, Wels, Alter Schlachthof — 28. Februar,

Wien, WUK

Le Charmant Rouge

Winzer — Konkord

08

»Winzer« weckt bei seiner Wiederveröffentlichung viele

Erinnerungen und funktioniert 2023 ziemlich genau so,

wie bei seiner Erstveröffentlichung vor 20 Jahren. Die

Musik steht heute wie damals für sich und das, obwohl

– und davon zeugen nicht nur die ausführlichen Liner-Notes

– es eigentlich viel drum herum zu erzählen gibt. Das

Album war der konzentrierte Neubeginn einer bereits seit einigen Jahren

umtriebigen Band, deren Mitglieder auch sonst äußert aktiv waren.

Die noisigen, krachigen Elemente wurden für »Winzer« zurückgelassen,

der durchaus dekonstruierende Zugang blieb. Er ist dem internationalen

musikalischen Schaffen zwischen Kraut- und Postrock, auf das sich Le

Charmant Rouge musikalisch beziehen, per se immanent und konnte hier

weiter gepflegt werden. Der Rhythmus treibt unaufgeregt voran, die Melodien

und die Instrumentierung sind so verspielt wie konzentriert. Zum

Album wurde damals angemerkt, dass es sich vom musikalischen Kontext

nicht genug emanzipiere, mit den Referenzen zu US-Bands wie Tortoise

und – immer wieder – den deutschen Klassikern des 1970er-Krautrocks.

Aber: »Winzer« ist ganz bewusst so, will und soll so ein.

Entschieden haben das Thomas Pronai, heute Musiker (The New

Mourning) und viel gebuchter Produzent im Burgenland, Andreas Berger,

Komponist und Sound-Artist bei Liquid Loft, und Robert Pinzolits, der mit

dem Label Karate Joe gut zehn Jahre lang Teilen der heimischen Musiklandschaft

eine internationale Ausrichtung gab. Bandmitglied David Kleinl,

später unter anderem erfolgreich mit Tanz Baby!, hat auf »Winzer« pausiert.

Die Anzahl der weiteren möglichen Assoziationen und Stichwörter bleibt

groß – nicht ungenannt bleiben darf die Cselley Mühle

als zentraler Schaffensort von (Le) Charmant Rouge.

All dieses Wissen und die Kontexte können und

sollen Freude bereiten. »Winzer« ist aber auch einfach

nur die Musik. Hochpräzise geschrieben und

umgesetzt. Und das ist gut so und macht 2023 so

viel Spaß wie 2002. (VÖ: 3. März) Martin Mühl


Rezensionen Musik

Klaus Pichler, Konkord, Tim Cavadini, Paul Vincenth Schütz

Lil Julez

It Was a Hoax — Fabrique Records

08

Lil Julez gilt als heißer Geheimtipp: Mit seinen ersten

beiden Singles stürmte er unter anderem in die Top 10

der FM4-Charts und er überzeugte dann auch als Liveact.

Der Musiker selbst rechnet sich der Bedroom-Pop-Bewegung

zu. Dort, an der Peripherie der Popularmusik hisst

er die Flagge der Generation Z. Und diese weht stramm

im Wind der jungen Emotionen, ganz so, wie die Generation des 23-jährigen

Wieners lebt und empfindet. Nichts Neues, schon gar nicht in der

Musik. Doch im Kontext ihrer Zeit ist der Ausdruck einer jeden Generation

ein anderer. Hier ist es das DIY der Digital Natives. Selbst ist der Musiker:

Pop aus dem Schlafzimmer in die Welt befördert, während sich diese

Welt jedoch wieder mal am Weg ins Souterrain befindet. Dem begegnet

Lil Julez, indem er auf »It Was a Hoax« popartige Kleinode auffädelt. Ganz

auf der Höhe der Zeit, süffig im Abgang. Und weil’s am absteigenden Ast,

zwischen Sesselklebern und Straßenpickern, immer ungemütlicher wird,

drapiert das Wiener Talent sein Debüt mit ironischem Humor.

Selbstbewusst, frech, etwas britisch und die 90er reanimierend, so

klingt »It Was a Hoax«. Von nachdenklich bis anregend, von glitzernd bis

dunkelblau. Stimme und Melodien von Lil Julez sind indes mit hohem

Wiedererkennungswert ausgestattet. Sie erzählen von Caroline, Hunden

und Pinguinen. Die Basslines grooven fast unverschämt, die Drums tun,

was Drums tun müssen, um Tanzbein und Seele zu stimulieren. Und während

Indie-Pop backstage heimlich mit Hip-Hop schmust, treffen unter

der Discokugel Beatles-Gitarren auf kreischende Synthesizer. Darüber

hinaus bedient sich Lil Julez noch beim Funk und zitiert die 60er-Jahre.

Eine brisante Wiener Melange ist das Resultat. Der rote Faden auf dem

Debütalbum ist dabei so stramm wie dessen Beats. Lil Julez besitzt die

Gabe, einer absurden Welt mit absurden Geschichten

zu begegnen, Geschichten, die er musikalisch

intelligent vertont und inszeniert. »Ladidada, ladidada«,

schunkelt das Album seinem Ende entgegen.

(VÖ: 24. März) Tobias Natter

Live: 30. März, Wien, Rhiz

Mynth

Four — Assim Records

08

Dinge verlaufen hin und wieder abseits geordneter Bahnen.

Das ist kein Geheimnis, sondern eine in eine bekannte

sprachliche Wendung verpackte Tatsache. So weit, so

»ja eh«. Was diesem Zustand in vielen Fällen folgt, lässt

sich paradoxerweise aus der Wendung selbst herauslesen:

Man verläuft oder verliert sich auf einem Weg, dessen

ausgefranstes Ende kaum noch sichtbar ist. Das muss jedoch nicht

unbedingt etwas Schlechtes sein, finden Giovanna und Mario Fartacek,

die uns auf »Four«, dem vierten Album ihrer gemeinsamen Band Mynth,

auf eine Irrfahrt mitnehmen, bei der jede Flussschlinge lieber zelebriert

wird, anstatt sie als mühsame Verzögerung wahrzunehmen. Ein gemeinsames

Mäandern als Möglichkeit, unabsichtlich über etwas Schönes zu

stolpern und eine gute Gelegenheit, um Vorwärtskommen neu zu definieren.

Vielleicht aber auch so etwas wie das sanfte Umspülen eines Hindernisses,

mit dem man sich gerade einfach nicht konfrontieren möchte,

weil ohnehin schon alles viel zu viel ist. Oder wie es in »Wandering«, der

im Dezember erschienenen Single, heißt: »I need a night to loose myself

again / Anywhere I lost my mind on site.«

Musikalisch haben sich Mynth auf »Four« nicht verloren. In Sachen

Reduktion knüpft die Band an ihr 2020 veröffentlichtes Album »Shades«

an, gleichzeitig werden akustische Elemente in den Vordergrund gerückt.

Die bereits angesprochene Schönheit des vermeintlichen Irrweges wird

musikalisch nur angedeutet, ansonsten regieren subtile Verspieltheit

und klare Raffiniertheit – wobei letztere auf »Four« von elektronischen

Beats über Gitarrenklänge bis hin zu Folk-Momenten (»Mystery«) reicht.

Kurz: ein Album, das nicht nur dazu einlädt, einzutauchen, sondern von

dem man sich für etwas mehr als 30 Minuten getrost verschlingen lassen

kann. Im besten Sinne des Wortes. (VÖ: 31. März)

Sarah Wetzlmayr

Live: 6. April, Wien, Fluc Wanne — 20. April, Graz,

Orpheum Extra — 21. April, Salzburg, Rockhouse —

22. April, Linz, Stadtwerkstatt — 13. Mai, Klagenfurt,

Kammerlichtspiele

043


Rezensionen Musik

Sharktank

»Acting Funny« — Humming Records

Sophie Lindinger

Sophie Lindinger

044

06

Die Glitzerbadekugel von Lush zergeht langsam im heißen

Badewasser. Farbschlieren bilden wobbly Muster

auf der Oberfläche, bunter Schaum auf deiner Haut und

ein undefinierbarer, zuckersüßer Duft breiten sich langsam

aus. Sharktank vertonen mit ihrem zweiten Album

»Acting Funny« den perfekten Self-Care-Abend. Nach

ihrem ex trem erfolgreichen Debüt »Get It Done« wartet Sharktanks zweites

Album zwar nicht mit neuem, aber doch mit gefestigtem Sound auf:

Dreamland-Synths, verzerrte Gitarrenriffs im Seventies-Style und der dialogische

Pingpong-Gesang zwischen Katrin Paucz, die man als Gitarristin

von Bilder buch kennt, und Mile Lechner prägen auch diese LP. Die 15

Titel wirken wie auf Zuckerwatte gebettet: Paucz’ und Lechners Stimmen

gleiten auf einem Meer aus blubbernden Synths, die von Marco Kleebauer

(Leyya) stammen, und verspielten Gitarrenriffs dahin. Als Topping kommt

hie und da ein bisserl Autotune zum Einsatz, eingängige Melodien laden

zum Mitsingen, die Lyrics zum Sinnieren ein.

Rap und Rock reichen sich, wie schon auf dem Debüt, die Hand. Bei

Titeln wie »Never Ever Ever« oder »Sleeping« offenbart sich aber eine

neue Richtung: Es wird poppiger. Die Drums geben den Viervierteltakt

vor, catchy Tunes sichern den Wiedererkennungswert und auch die Lyrics

sind mit Mental-Health-Issues und Empowerment am Puls der Zeit.

Es geht um Selbstzweifel und Orientierungslosigkeit: »I was questioning

myself lately.« Aber auch um Emanzipation: »You don’t have to take care

of me / I’m doing pretty good on my own.« Mit »Acting Funny« im Ohr fällt

es leicht, sich aus dem eintönigen Alltagsgrau hinein in schönere Realities

zu träumen: Afterwork-Aperol im Palmenschatten. Einzig die drei Interludes,

die wie persönliche Sprachmemos aus dem Alltag

erzählen, reißen einen aus dem Tagtraum heraus.

(VÖ: 24. März) Helena Peter

Live: 2. Mai, Salzburg, Rockhouse — 3. Mai, Linz,

Posthof — 4. Mai, Graz, PPC — 17. Mai, Wien, Flex —

18. Mai, Innsbruck, Die Bäckerei

07

WSophie Lindinger, die Österreichs Musiklandschaft seit

Jahren mit Projekten wie Leyya (mit Marco Kleebauer)

oder der Supergroup My Ugly Clementine prägt, veröffentlicht

ihr selbstbetiteltes Debütalbum als Solokünstlerin.

Es fällt nicht schwer, sich Sophie Lindinger mit der

Gitarre auf den Knien auf der Bettkante sitzend vorzustellen,

während sich diese zehn Songs ihren Weg nach draußen bahnen:

Die Akkorde lösen sich von den sechs Saiten, die Töne entwischen den

Stimmbändern und langsam füllt sich das Schlafzimmer mit »Sophie Lindinger«.

Reduziert auf Gitarre, dezente Percussion und Lindingers unverstellten

Gesang, kommt dieses Solodebüt mit ruhiger Intimität daher. Denn

viel mehr braucht die Multiinstrumentalistin nicht, um eine Album mit zehn

Liedern zu füllen. Hie und da mischen sich ein paar verspielte Synths, ein

gezupfter Kontrabass oder eine E-Gitarre darunter, all das ist aber nur Beiwerk

zu Lindingers mal kräftig-heller, dann wieder brüchiger Stimme, die

das gesamte Album trägt.

Gespielt, nicht geprobt – das Album klingt fast so, als wären die Lieder

anfänglich nicht für ein größeres Publikum, sondern vielmehr als Bewältigungsstrategie

entstanden. So authentisch und unmittelbar, dass man

sich beim Zuhören fast ein bisschen voyeuristisch vorkommt. Als würde

Lindinger direkt aus ihrem Tagebuch singen, erzählen die Lieder von Herzschmerz,

Depression, Liebe und Sehnsucht nach einem anderen und sich

selbst. Dabei wird auf »Coffee Maker« die Tasse Kaffee in der Früh zum

Sinnbild für eine vergangene Liebe, während »Familiy Tree« mit fast magisch

anmutendem Pizzicato träumerisch von den Schwierigkeiten erzählt,

sich selbst zu lieben: »It’s hard to give myself what I’ve been told to get

from someone else.« Es sind Zeilen wie diese, die ganz nebenbei Lindingers

lyrisches Feingefühl offenbaren. »These are the days

that teach me who I’ll be«, singt sie mit brüchiger

Stimme. Anders das Schlussstück »The Winner«, das

– mit Ukulele statt Gitarre – geradezu beschwingt

daherkommt. Upbeat Percussions und dezente

Synths lassen so etwas wie Leichtigkeit durchblitzen.

(VÖ: 10. Februar) Helena Peter

Hanna Fasching (2), Florian Pochlatko


PROMOTION

Must have!

Sachen, die den Alltag

schöner machen

Österreichische Klassiker

Ob vegetarisch oder mit Fleisch – die suppen

im glas von inzersdorfer sind schnell zubereitet

und kommen ganz ohne Konservierungsund

Farbstoffe, Palmöl und zusätzliche Aromen

aus. Neu erhältlich: Erdäpfel-Steinpilz-Cremesuppe,

Gemüse Cremesuppe und Premium

Gulaschsuppe. www.inzersdorfer.at/suppen

Yukno

Alles ist Vergangenheit — Humming Records

07

Sie gestalten sich nicht ganz friktionsfrei, die Interdependenzen

zwischen dem, was war, dem, was ist, und dem,

was sein wird. Oder, wie es auf den gestickten Wandteppichen

in Hunderten oststeirischen Herrgottswinkeln geschrieben

steht: »Aus der Vergangenheit für die Zukunft

lernen.« Das Brüderduo Georg und Nikolaus Nöhrer steht

nicht im Verdacht, ins plüschene Exil der Nostalgie zu flüchten oder gar

ranziger Patina anheimzufallen. Das Gegenteil scheint der Fall: Unter ihrem

Projektnamen Yukno – du weißt eh – haben sie sich zu heimischen Opinionleadern

in Sachen inhaltlichem Future-Pop gemausert. Egal, ob im »Tomorrowland«

oder im »Digital Playground« oder ganz allgemein »Im Stream

der Zeit«, Yukno sind Chronisten eines nicht allzu weit entfernten Morgen.

Auch ihr 2022 in der EP »Mixtape Eins« veröffentlichter Track »Metaverse«,

der von der Zerstörung des Selbst an diesem mittlerweile untergehenden

Ort handelt, ist Beweis für topaktuelle Inhalte mit langer Halbwertszeit.

Nun also zumindest vordergründig die inhaltliche Kehrtwende: »Alles

ist Vergangenheit«. Der Albumtitel sowie der gleichnamige Opener sind

nur geschickte Fassade, anachronistische Ornamente für die Entbehrungen

des Hier, des Jetzt und des Sehr-bald. So bietet etwa im ersten Stück

gleich angewandte kontrafaktische Historie (»Nero blickt auf Rom und

fragt: Wenn alles brennt, wo soll ich wohnen?«) das Setting für das textliche

Leitmotiv des gesamten Albums, das ein zurecht dystopisches Zukunftsbild

untermalt. Kernzeile: »Wir haben uns einen Turm gebaut, jetzt steht er

ganz allein.« Ob die »Gestalten ohne Form« (aus: »Hohle Menschen«) oder

das Fehlen jeglicher Gravitation, wenn die Liebe stirbt (in: »Schwerkraft«)

oder das Abschalten jeglichen kritischen Denkens als Grundbedingung für

vorsichtige Euphorie (in: »Goldener Tag«): Yukno sind sich den Gegebenheiten

ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Umwelt bewusst, mit ihrem

charakteristischen chillhousigen Indie-Wave erweisen

sie sich erneut als Kritiker der emotionellen Technisierung,

deren Mittel und Möglichkeiten sie dennoch

spürbar schätzen. Auch das ist also nicht ganz frei

von Friktion. (VÖ: 3. März) Dominik Oswald

Live: 30. März, Wien, Flex — 31. März, Graz, PPC

Helfen mit Songtexten

Die Spendenkampagne #bravehood unterstützt

Kinder in der Ukraine, die unter den

Folgen des Krieges besonders zu leiden haben,

durch den Verkauf von t-shirts, hoodies

und taschen – mit Songzitaten von Acts wie

Coldplay, Garbage, Dido, R.E.M. und Nick Cave.

Gute Sache! www.supportbravehood.org

Individuelle Textmarker

Die angesagte österreichische Künstlerin

ju schnee macht vier der beliebten Pastell -

farben des stabilo boss original zu ihrer

Leinwand und designt Produkt und Verpackung.

Ihr markanter Stil verleiht den Stiften

einen individuellen Look – vom Designklassiker

zum stylishen Kunstwerk. www.stabilo.com

045


Termine Musik

MARKT FÜR JUNGES DESIGN

4.+5.3.2023

MARX HALLE

EDELSTOFF.OR.AT

FOOD FASHION SHOPPING

LIFESTYLE

c

046

ÖSTERREICHS CLUBSZENE

IM RADIOKULTURHAUS

ZELDA WEBER

07.03.2022

DETAILS UND TICKETS:

radiokulturhaus.ORF.at

Elevate Festival

Anfang März steht Graz unter dem Motto »(Unlikely) Alliances«. Zwischen Musik und Diskurs bietet das Elevate

einige Highlights. Nicht zuletzt Straight-Edge-Autorin Sybille Berg und Enfant terrible der Nuschelphilosophie

Slavoj Žižek. Musikalisch ist ein Showcase des afrikanischen Elektronik-Labels Nyege Nyege bemerkenswert,

etwa mit energiegeladenem Afrobeat von Catu Diosis (Bild). Sonst so? Techno-Legende Luke Slater, Trance-

Artist Courtesy und Akkordeon-Komponist Yegor Zabelov. 1. bis 5. März Graz, diverse Locations

© Markus Morianz

Deine nachhaltige

Einkaufsmesse

14.–16. April 2023

Marx Halle Wien

Tickets auf wefair.at

Sinnesrauschen

Viel zu lange – eine ganze Pandemie! – ist es her, dass das Sinnesrauschen im Haus der Musik über die

Bühne gegangen ist. Schön, dass sich das bald ändert. Die 2023er-Ausgabe setzt auf eine feine Auswahl

heimischer Acts, die von Indie-Gitarren über Anti-Folk bis hin zu soulful Pop reicht. Zu sehen sind: Please

Madame, Good Wilson, Cousines Like Shit und Christl (Bild), deren Debütalbum übrigens für heuer angekündigt

ist. Noch so ein Grund zur Vorfreude. 25. März Wien, Haus der Musik


Termine Musik

Molly

Im Jänner erschien das zweite Album des Innsbrucker Shoegaze-Duos

Molly – wie schon sein Debüt bei Sonic Cathedral

Recordings, den Londoner Expert*innen für erhaben-schönen

Gitarrenlärm. »Picturesque« spiegelt Sänger Lars Anderssons

Faible für die Kunst der Romantik wider: Es ist überbordende,

hypnotische, einnehmende Musik. 18. Februar Innsbruck, Die

Bäckerei — 23. Februar Wien, Chelsea

highlights

Bernhard Frena, Manuel Fronhofer Elevate Festival, Marko Mestrovic, Niko Havranek, Sophie Garcia, David Prokop, Ben Rayner, Goodlive Artists

José González

Wenn der Singer-Songwriter aus

Göteborg die Finger über die Saiten

seiner akustischen Gitarre wandern

lässt, ist’s im Publikum für gewöhnlich

mucksmäuschenstill. Grübelnde, berückende,

einfach schöne Musik. Bei

aller Zurückhaltung brodelt es dabei

aber oft unter der Oberfläche. 7. März

Wien, Konzerthaus

Struma + Iodine

Zehn Jahre Struma + Iodine, wir gratulieren! Bei dem Mini-Festival

gibt es wieder zeitgenössische Musik und Clubkultur zu

entdecken. Dieses Jahr treffen 15 internationale und lokale Acts

sowie Genres von Noise und Dark Ambient über Techno, Trance

und Hardcore bis Post-Hyper-Pop aufeinander. Unter anderem

mit: Buttechno, Elvin Brandhi (Bild), Battle-AX und Alpha Tracks.

24. Februar Wien, Das Werk

Affine Records Night

Der Autor dieser Zeilen kann eine Affinität zu Affine Records

nicht leugnen. Zu sympathisch ist der Mix aus Innovation und

Groove, aus Kollektiv und Label sowie aus den resultierenden

Acts. Drei davon gibt’s bald im Rockhouse kondensiert: Dorian

Concept, Kenji Araki (Bild) und Zanshin. Eine Empfehlung an alle,

die elektronische Musik mit Herz und Hirn schätzen. 10. März

Salzburg, Rockhouse

Dry Cleaning

Florence Shaws nüchtern vorgetragener Sprechgesang steht

im Zentrum der Musik von Dry Cleaning. Drum herum sind ihre

Bandkollegen mit mal quengelnden, mal jammernden Post-Punk-

Gitarren um ein bisschen Nachdruck bemüht. Synth- und Saxofon-Schlieren

bringen Farbe ins graue Bild. Nach »New Long Leg«

lässt es sich auch ins vielschichtigere zweite Album »Stumpwork«

gut reinkippen. 24. März Wien, Flex

Alina Pash

Beim Song Contest 2022 wurde die Ukrainerin Alina Pash quasi

in letzter Sekunde von ihrem Land ersetzt. Der Grund: 2015 reiste

sie auf falschem Weg, sprich nicht über die Ukraine, auf die Krim.

Mittlerweile hat sich der Sturm gelegt. Die Musikerin befindet

sich auf Europa-Tour und macht mit ihrem Genre-Mix aus Hip-

Hop, Pop und traditioneller Musik auch in Wien Station. 7. April

Wien, Das Werk

Marc Almond

Als eine Hälfte des Duos Soft Cell

(»Tainted Love«) hat sich Marc Almond

schon in den frühen 80ern

einen Platz in den Musikgeschichtsbüchern

gesichert. Solo versteht er

sich darauf, Kitsch zu großer Kunst

zu erheben – irgendwo zwischen

Pop und Pomp. Greatest-Hits-Show!

2. April Wien, Volkstheater

Pomme

Unaufgeregt, unaufdringlich und

doch mitunter überraschend ist der

Pop der Französin Pomme. Vor allem

ihre Stimme trägt die Performance.

Chanson-Vergleiche kann und sollte

sie nicht scheuen, vor allem nicht

bezüglich Emotionalität, sie klingt

jedoch sphärischer, verträumter, moderner.

8. April Wien, Theater Akzent

04.03. Oskar Haag

08.03. Silbermond

09.03. Christof Spörk

10.03. Dota

13.03. Kibbutz

Contemporary

Dance Company 2

15.03. Sophie Lindinger

18.03. Saxon / Rage

21.03. Jools Holland &

Guests

22.03. Delinquent Habits

22.03. Sofia Nappi &

Compania Komoco

23.03. Nadja Maleh

23.03. Antilopen Gang

25.03. Christian Dolezal

29.03. Thomas Maurer

30.03. Raphael Miro

Holzer

01.04. Pöbel MC

07.04. Kreiml & Samurai

13.04. Chris Jagger

15.04. Catt

17.04. Science Busters

20.04. Geschwister

Pfister

21.04. Rosalie Wanka

24.04. Ana Marwan &

Cvetka Lipuš

27.04. Louise Lecavalier

30.04. Gravity &

Other Myths

29.04. Maria Clara

Groppler

www.posthof.at

POSTHOF – Zeitkultur am Hafen,

Posthofstraße 43, A – 4020 Linz

Info + Tickets: 0732 / 78 18 00

kassa@posthof.at | www.posthof.at

Weiterer VVK: LIVA Service center

im Brucknerhaus, Thalia Linz,

oeticket und alle oberösterreichischen

Raiffeisenbanken.

Bild: Michelle Rassnitzer


Termine Festivals

3 Fragen an

Eva Fischer

Künstlerische Leitung

Civa Festival

048

Civa steht für »Contemporary Immersive Virtual

Art«. Wie macht ihr dazu ein Festival?

Es ist uns über die drei Jahre hinweg darum

gegangen, einen Ort zu schaffen, an dem Leute zusammenkommen,

um Neues zu sehen, zu hören und

multi-perspektivisch Themen zu diskutieren – ob

virtuell oder im physisch. Zwischen Analogem und

Digitalem wollen wir immersive Räume gestalten,

in die wir eintauchen können und die uns inhaltlich,

emotional oder körperlich voll einnehmen. Als

Medienkunstfestival beschäftigen wir uns mit aktuellen

gesellschaftspolitischen Themen und tun

das vor allem in Hinblick auf zeitgenössische Medien,

wie Social Media, Internet, Extended Realities,

Künstliche Intelligenz oder Blockchain.

Was erwartet uns beim diesjährigen Civa Festival?

Was sind die Schwerpunkte?

Wir sind diesmal an zwei physischen Orten und

natürlich auch wieder online vertreten. Die Ausstellung

»Intangible Care« im Belvedere21 ist das

Herzstück des Festivals, um das sich ein Programm

aus Tours, Screenings, Diskursen und Live-Performances

spinnt. Während der Woche zeigen unsere

Ambassadors ihre persönlichen Sichtweisen auf die

Civa-Ausstellung. An den beiden Wochenenden findet

unser Live-Programm statt, das aus Workshops,

Social Sessions, einem Filmprogramm und audiovisuellen

Live-Performances besteht.

Ist dasheurige Thema »Intangible« eine Replik auf

das oft harte, kantige und harsche Internet?

Wir sind ständig mit diesen harten, kantigen und

harschen Themen konfrontiert – Krieg, Rassismus,

Frauenhass, Hate Speech, Klassismus, um nur ein

paar aufzuzählen. Unsere Gesellschaft ist überfordert,

gespalten und verängstigt. Doch dem gegenüber

steht eine Kraft: Care. Auf Wienerisch: »sich um

etwas scheren«. Viele der Künstler*innen des Civa

Festivals kümmern sich um Themen und machen

durch detaillierte Recherchearbeit und tiefes Einfühlungsvermögen

aktuelle gesellschaftspolitische

Probleme wie Misogynie, kulturelle Aneignung/Zerstörung,

Identitätsfindung oder den ambivalenten

Hype um Self-Care ein wenig greifbarer.

Civa Festival 17. bis 26. Februar Wien,

Belvedere 21, Aux Gazelles und online

Imagetanz

Beim »Festival für Neues aus Choreografie und Performance«, das alljährlich vom Brut veranstaltet

wird, bieten heuer 17 lokale und internationale Künstler*innen bzw. Kollektive (Österreich-)

Premieren und Studio Visits. Im Zentrum stehen Fragen wie: Wem gehört welcher Raum? Welche

Räume sind zugänglich? Mit wem teilen wir sie oder wie können wir sie einnehmen? Und vor allem:

Wie lassen sich Grenzen überwinden? Wobei die Räume, um die es hier geht, reale, metaphorische

oder gesellschaftliche sein können. Im Rahmen der Eröffnung führt uns Annamaria Ajmone zur

Sinnesschärfung in einen finsteren Wald. Beim Voguing-Ball von Kiki House of Dive wird das

Performance-Programm auf den Dancefloor verlagert. 2. bis 25. März Wien, diverse Locations


Termine Festivals

Bernhard Frena, Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann Elodie Grethen, Charlie Engman, Signe Baumane, Elsa Okazaki

Tricky Women / Tricky Realities

Mit mehr als 150 Kurzfilmen feiert das Festival Tricky Women / Tricky Realities

heuer wieder das »emanzipatorische Potenzial und die gesellschaftspolitische

Reflexionskraft des Animationsfilms von Frauen und / oder genderqueeren

Künstler*innen«. Zu sehen ist auch der preisgekrönte Langfilm »My Love Affair

with Marriage« (Bild), in dem sich die aus Lettland stammende Filmemacherin

Signe Baumane mit viel Humor Themen wie Liebe, Sex und Geschlechterrollen

widmet. In Ergänzung zum Filmprogramm gibt es – wie gewohnt –

Künstler*innengespräche und Lectures. 8. bis 12. März Wien, diverse Locations

Diagonale

Es ist die letzte Diagonale unter der Leitung von Sebastian Höglinger und Peter

Schernhuber – und es dürfte wieder eine sehr spannende werden. Bei der

Eröffnung ist mit Patric Chihas Spielfilm »Das Tier im Dschungel« (Bild) eine

Ode an die Clubkultur zu sehen. Die Programmreihe »Zur Person« ist Goran

Rebić gewidmet, der in frühester Kindheit mit seinen Eltern von Jugoslawien

nach Wien kam. Und die beiden historischen Specials tragen die vielversprechenden

Titel »Finale« respektive »Aktion! Action!«. Das komplette Programm

gibt’s ab 10. März. 21. bis 26. März Graz, diverse Locations

Mehr als 200 Filme hat der Ausnahmeregisseur Jess

Franco gedreht, immer wieder arbeitete er sich darin

an denselben Obsessionen ab. Anlässlich seines

zehnten Todestages widmet ihm das Filmarchiv nun

ein »Wild Weekend«, an dem sich die spezielle Handschrift

des »Autorenfilmers des Bahnhofkinos« zeigt.

Unter anderem mit den Filmen »Der Hexentöter von

Blackmoor«, »Downtown – Die nackten Puppen

der Unterwelt« und »Sadomania – Hölle der Lust«.

23. bis 26. Februar Wien, Metro Kinokulturhaus

Vinyl & Music Festival

Anfang März steht die Ottakringer Brauerei wieder

ganz im Zeichen der Musik – mit besonderem

Fokus auf das »schwarze Gold«. Neben Unmengen

Vinyl werden die rund 150 Aussteller*innen aus

dem In- und Ausland auch wieder Hi-Fi-Equipment

und Instrumente auf die Verkaufstische hieven.

Eine Jukebox könnte man sich bei der Gelegenheit

auch kaufen. Oder vielleicht ein Siebdruckposter

des Lieblings-Artists? Konzerte, DJ-Sets und

Foodtrucks runden das Angebot ab. 4. und 5. März

Wien, Ottakringer Brauerei

Mit alles

Das »Kulinarikfest für moderne Gourmets und

Gourmands« regt mit Schlagwörtern wie Naturwein,

Delikatessen, Kaffee und Spirituosen sowie einem

Fokus auf lokale Produzent*innen den Appetit

an. Man sei »auf der Pirsch nach den Ursprüngen,

den Exoten und den Highlights«, heißt es auf der

Website der Veranstalter*innen, die man zumindest

teilweise auch aus dem Feschmarkt-Team kennen

könnte. Ausgabe Nummer drei der genussvollen Zusammenkunft.

31. März bis 1. April Wien, Brick-15

Craft Bier Fest

Wer das geschmacklich nivellierte Industriebier

internationaler Großkonzerne langweilig findet,

kann schon mal das Verkostungsglas vorspülen.

Ob IPA oder Stout, Sour oder Wit – die Vielfalt

handwerklich gebrauter Biere ist groß. Und dank

50 teilnehmender Brauereien aus Österreich und

dem Ausland kann man am Craft Bier Fest an die

400 davon probieren. Wobei die Quantität vor

allem deshalb beeindruckt, weil auch die Qualität

hoch ist. 14. und 15. April Wien, Marx Halle

049


Termine Kunst

The New African Portraiture

Obgleich sich die Ausstellung »New African Portraiture« auf die Gattung der Malerei und das Genre des Porträts beschränkt geht dabei weder Vielfalt noch Selbstbewusstsein der ausgestellten Arbeiten

verloren. »African« wird dabei über den afrikanischen Kontinent hinaus auch auf Künstler*innen in der Diaspora ausgedehnt. Gerade bei den teilnehmenden Künstler*innen jüngerer Jahrgänge bis Mitte der

80er-Jahre wird die Verstrickung von Identitäten und die Schwierigkeit, sie bildlich zu fassen, deutlich. Produktiv wird es da, wo der Komplexität Fläche und Raum gegeben und sich einiges von der diebischen

Kunstgeschichte zurückgeholt wird. bis 10. April Kunsthalle, Krems

050


Termine Kunst

Valie Export

Valie Export – die schillernde, subversive, ewige Pionierin Valie Export – interveniert

im Erdgeschoß des Kunsthauses Bregenz mit der Installation »Oh Lord, Don’t Let

Them Drop That Atomic Bomb on Me«. Dafür greift sie auf die Kirchenorgel ihres

Heimatortes Pöstlingberg bei Linz zurück und stellt ihr die Jazzklänge von Charles

Mingus entgegen. Ein Kunstgriff über Raum und Zeit hinweg, der mit ganz wenig

ganz viel erreichen kann – so kennt man Valie Export. Eine gute Gelegenheit, die

Bekanntschaft mit ihrem Werk aufzufrischen, denn es erschöpft sich nicht und

nicht. bis 10. April Kunsthaus, Bregenz

Heinrich Dunst: Sink

»Sink« von Heinrich Dunst (»der österreichische Konzeptkünstler«) zeugt von

einer intensiven Lektüre Foucaults. Zweck und Voraussetzung von Kunst sind

die Kernthemen der installativen Ausstellung, die Dunst spezifisch für das

Haus als Gesamtwerk erarbeitet hat. Im Zentrum stehen dabei der Dialog

zwischen Werken und Betrachter*innen, die Transformationen von und durch

Kunst, sowie das Verhältnis von skulpturalem (Bild-)Objekt zu (poetischer)

Sprache. All dies wird von Dunst gekonnt in der Schwebe und damit virulent

gehalten. bis 30. April Halle für Kunst Steiermark, Graz

Victor Cos Ortega Cornelius Annor »Barima Katakyie«, 2022; Foto: Jorit Aust / The Shariat Collections;

Kunsthaus Bregenz, Markus Wörgötter, Judith Huemer / Bildrecht, Violetta Wakolbinger, Optics Division of the Metabolic Studio

Falten

Jeder hat sie, die wenigsten wollen sie. Sie sind Motor einer ganzen Sparte der

Kosmetikindustrie. Sie sind Alleinstellungsmerkmale, mit Emotionen verbunden

und zeichnen Charaktere aus. Sie sind ewiger Begleiter der Künste und

sogar eigene Kunstform. Falten! Von Fächern und Papier über Kleider bis hin

zu Masken und Gesichtern zeigt die Mak-Sammlung Asien das weite Spektrum

von Falten und beleuchtet es von der kulturellen und künstlerischen Seite.

bis 21. Mai Mak, Wien

What the Fem?

Wie hat sich der Feminismus seit den 1950er-Jahren verändert? Und wie sehen

die künstlerischen Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Feminismen

aus? Die bewusst offen gestaltete Ausstellung zu diesem Megathema integriert

theoretisierende Ansätze genauso wie solche, die gelebte Erfahrungen in den

Mittelpunkt stellen – ganz nach dem Motto »under de / construction«. Besonderes

Augenmerk wird auf Österreich, genauer, Linz gelegt und ein historischkünstlerischer

Abriss geboten. bis 28. Mai Nordico Stadtmuseum, Linz

Mining Photography

Die Abhängigkeit von seltenen Erden sind verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit

gelangt. Wir benötigen sie für scheinbar Notwendiges (Smartphones),

Überflüssiges (Elektrosportwägen) und … Fotografie! Fotografie? Echte Klimakiller

sind Fotos nicht erst, seit man auf energiefressenden Clouds speichert,

sondern schon seit man für ihre Verfahren Kupfer, Kohle und Silber abbauen

musste. »Mining Photography« macht das Medium zum Thema und zeigt die

Auswirkungen des Knipsens auf die Umwelt. bis 29. Mai Kunst Haus, Wien

Skulpturenpark Cobenzl

Der Frühling naht! Wer seine Neujahrsvorsätze in die Tat umsetzen und mal

wieder was für die Seele tun möchte, kann mit einem Ausflug zum Cobenzl

am Rande Wiens gleich zwei Sachen miteinander verbinden: Kunst schauen

und Waldluft schnuppern. Ein frischer Wind weht durch den Skulpturenpark

der Parallel Vienna – mit Arbeiten von Erwin Wurm, Bruno Gironcoli,

Eva Schlegel und weiteren. Städter*innen, raus in die Natur! bis 31. Oktober

Wien, Weitsicht Cobenzl

051


Termine Filme & Serien

3 Fragen an

Katharina Mückstein

Regisseurin von »Feminism WTF«

052

In deinem neuen Dokumentarfilm »Feminism WTF«

sprichst du mit unterschiedlichen Expert*innen

und Aktivist*innen. Was war dir bei der Auswahl

deiner Gesprächspartner*innen wichtig?

Ich wusste, dass meine eigene Perspektive

einer weißen, europäischen cis Frau mit gewissen

Privilegien eine eingeschränkte ist, daher war mir

Folgendes klar: Ich werde keinen Film produzieren

können, der alles abbildet, was Feminismus ist. Ich

habe also viele Personen kontaktiert und sie gefragt,

was ihrer Ansicht nach im Film enthalten sein muss.

Das ist für mich auch eine feministische Art, Filme

zu machen: Ich habe die Mittel und das Handwerk,

aber ich bin auf die Perspektive anderer angewiesen.

Ich wollte dem Feminismusbild der Massenmedien

einen Film entgegensetzen, der mit Leichtigkeit,

Freude und Stolz zeigt, wie großartig Feminismus ist.

Stams – Österreichs Kaderschmiede

Regie: Bernhard Braunstein ———— Ein Jahr begleitete Regisseur Bernhard Braunstein

seine Protagonist*innen in Stams, Österreichs erfolgreichstem Eliteinternat

für Wintersport. Das Training ist hart – physisch wie psychisch. Nicht alle sind dem

Druck gewachsen. Kraft und Durchhaltevermögen sind gefragt, Hoffnungen und

Rückschläge stehen an der Tagesordnung. Wer das berühmte Schigymnasium besucht,

will hoch hinaus, doch nur ein bis zwei Prozent aller Schüler*innen schaffen

es, sich im Spitzensport durchzusetzen. Seine Weltpremiere feierte der Film auf

der Berlinale. »Ich wollte keinen klassischen Sportfilm machen, nicht das klassische

Held*innen-Narrativ bedienen, sondern mit einem genauen und empathischen Blick

den Alltag der heranwachsenden Jugendlichen beschreiben«, so Braunstein im

Regie-Statement. Er begegnet seinen Protagonist*innen voller Respekt und zeigt

Licht- und Schattenseiten ihres Alltags. Start: 3. März

Der Film zeichnet sich durch seine harmonische

Optik aus: Wieso war dir dieser Aspekt wichtig?

Mir ist es wichtig, Filme zu drehen, die gut aussehen.

Ich hatte die Idee, den Film in verlassener

kapitalistischer Architektur zu drehen. Meine Vorstellung

von Feminismus ist immer eine Kritik des

Kapitalismus. Ich wünsche mir, dass Feminismus

auf den Ruinen des Kapitalismus erblühen kann. An

unserem Set mochte ich auch, dass ein Haus ein

Symbol für Community ist, ein Ort, an dem alle zusammenkommen.

Alle Menschen, die an »Feminism

WTF« mitgewirkt haben, vereint ein feministisches

Grundverständnis, und alle kamen dann in dieses

Haus, um den Film zu drehen.

Du selbst kritisierst auf deinem Instagram-Profil

die österreichische Filmbranche und verschaffst

Betroffenen von Sexismus Gehör. Hat die Filmbranche

ein besonders großes Problem damit?

In der Filmbranche geht es um viel Geld und

Anerkennung. Wo Geld wartet, ist die Männerdominanz

meist nicht weit. Die Arbeitshierarchie am Set

führt dabei oft zu Machtmissbräuchen und Übergriffen.

Betroffene können sich schlecht wehren,

ohne die eigene Existenz gefährdet zu wissen. Die

Frage, was eine feministische Filmsprache ist und

wie ein feministisches Arbeiten – also Kooperation

auf Augenhöhe – aussehen kann, das steht aktuell

sehr stark im Raum.

»Feminism WTF« Start: 31. März

Sisi & ich

Regie: Frauke Finsterwalder ———— Nach »Corsage« und »Sisi« widmet sich ein

weiteres Projekt der Figur Elisabeth von Österreich-Ungarn. In »Sisi & ich« wird die

Geschichte aus der Sicht der Gräfin Irma (Sandra Hüller) erzählt. Sie ist fasziniert

von Sisi (Susanne Wolff); die Kaiserin zieht Irma in ihren Bann. Irma verliebt sich

schließlich in Sisi – und unterstützt sie bei einer folgenschweren Entscheidung.

Frauke Finsterwalder hat für ihren zweiten Spielfilm das Drehbuch gemeinsam

mit Christian Kracht verfasst. Die bisherigen Darstellungen von Sisi empfindet

die Regisseurin als unfair: »Sie war eine Frau, die im späteren Alter sagte, was sie

dachte, und tat, was sie wollte. Ihr wurde immer angekreidet, dass sie schwierig

und auch psychisch krank sei. Unter dem heutigen Aspekt würde man eine starke

Frau wie sie gar nicht mehr so verurteilen«, so die Regisseurin gegenüber dem

Österreichischen Filminstitut. Start: 31. März

Barbara Fohringer Elsa Okazaki, Panama Film, DCM / Bernd Spauke, Sky Studios, Amazon Prime


NEU

jetzt probieren!

Wo ist Anne Frank?

Regie: Ari Folman ———— Anne Franks Tagebuch ist Zeitgeschichte und Weltliteratur zugleich.

Zwei Jahre lang versteckte sie sich mit ihrer Familie vor den Nazis, sie wurde schließlich aber

doch ermordet. Dieser Animationsfilm geht einen etwas anderen Weg als frühere Verfilmungen:

Während des Kriegs schreibt Anne hier an ihre imaginäre Freundin Kitty, die 75 Jahre später auf

magische Weise zum Leben erwacht und sich auf die Suche nach Anne macht. Start: 24. Februar

Sterne unter der Stadt

Regie: Chris Raiber ———— Alexander (Thomas Prenn) hat in seiner Kindheit versprochen,

sich niemals zu verlieben, da er nicht das Schicksal seines Vaters teilen möchte. Er kümmert

sich um diesen und arbeitet zudem im Fundbüro der Wiener U-Bahn. Als er dort auf Caro

(Verena Altenberger) trifft, wird es jedoch immer schwieriger, sein Versprechen zu halten.

Gedreht wurde unter anderem im Netz der Wiener U-Bahn. Start: 3. März

Zusammenleben

Regie: Thomas Fürhapter ———— Thomas Fürhapter wirft nach »Die dritte Option« (2017) nun

in seiner neuen Doku einen Blick auf die Vielfalt, die sich in der Bundeshauptstadt Österreichs

auftut: Mit seiner Kamerafrau Judith Benedikt besuchte er das Core Zentrum im 15. Bezirk, in

dem es Integrationsangebote für Menschen mit Fluchterfahrung gibt. So entsteht nicht nur ein

Bild dieser Menschen, sondern auch eines der Wiener*innen. Start: 10. März

Lass mich fliegen

Regie: Evelyne Faye ———— In ihrem Debütfilm präsentiert Evelyne Faye vier Menschen mit

Down-Syndrom. Sie alle kämpfen um Inklusion und um ein selbstbestimmtes Leben. Raphael

und Johanna etwa sind beide Teil der Tanzgruppe »Ich bin o. k.«. Sie wollen heiraten und später

auch Kinder bekommen. Andrea wiederum sucht eine Stelle als Altenpflegerin und Magdalena

ist künstlerisch sowie politisch aktiv. Eine Begegnung auf Augenhöhe. Start: 17. März

The Ordinaries

Regie: Sophie Linnenbaum ———— Ein Film über die Welt des Films. In dieser gibt es Hauptund

Nebenrollen – für die 16-jährige Paula (Fine Sendel) steht fest: Sie will eine Hauptfigur sein.

Daher besucht sie eine Schule für Hauptfiguren und muss bei der Abschlussprüfung beweisen,

dass sie das nötige Potenzial hat. Die Kritik zeigt sich angetan von diesem Mix aus Science-Fiction

und Satire und beschreibt ihn als ungewöhnlich sowie experimentierfreudig. Start: 14. April

SO LÖFFELT

ÖSTERREICH!

vegetarisch

Funny Woman

Idee: Morwenna Banks ———— Basierend

auf Nick Hornbys Roman »Funny Girl« erzählt

diese Serie die Geschichte von Barbara Parker

(Gemma Arterton), die 1964 den »Miss

Blackpool«-Schönheitswettbewerb gewinnt.

Sie verlässt daraufhin ihren Ehemann und

startet eine Karriere im Showgeschäft. Eigentlich

war die Schauspielerei ihr erstes Ziel,

doch schnell stellt sich ihr Talent für die Komik

heraus. Fans von »The Marvelous Mrs. Maisel«

dürften bei dieser Produktion auf ihre Kosten

kommen. Start: 9. Februar Sky

The Consultant

Idee: Tony Basgallop ———— Christoph Walz

zeigt wieder sein Können: In der düsteren Serie

»The Consultant« spielt er einen Berater,

der nach der gescheiterten Fusion die Firma

Compware übernimmt. Seine Methoden sind

unorthodox und zwischen ihm und den Angestellten

entwickelt sich eine finstere Beziehung.

Die Serie basiert auf dem gleichnamigen

Roman des Autors Bentley Little und vereint

Comedy- mit Thriller-Elementen. Der zweifache

Oscar-Preisträger Waltz produzierte die

Serie auch. Start: 24. Februar Amazon Prime

mit extra viel

österreichischem

Rindfleisch

Hergestellt in

Österreich

www.inzersdorfer.at

Natürlich

ohne:

... Palmöl

... Zusatz von Konservierungsstoffen

... Geschmacksverstärker


Christoph Prenner

bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium

zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber

Screen Lights

Takt mit dem Teufel?

Cate Blanchett füllt »Tár« und ihre Rolle vollends aus.

054

Jetzt ist es mir also tatsächlich passiert. Es

geschah ohne Vorsatz, sogar unbewusst, war

letztlich aber nicht zu vermeiden. Dies hier ist

also, wenn man denn so will, die erste Kolumne,

die unmittelbar an die letzte anknüpft, die den

seinerzeit ausgelegten Faden sozusagen geradeswegs

aufnimmt, um ihn direkt weiterzuspinnen.

»Ein Film, der es nicht bloß anregt, sondern

nachgerade einfordert: das retrospektive Reflektieren,

Räsonieren, Diskutieren«, war in der

vergangenen Ausgabe am Ende der Betrachtungen

zu »The Banshees of Inisherin«, einem

»der größten Filme der Spielzeit 2022«, zu lesen.

Berühmte letzte Worte? Von wegen.

Denn in der Zwischenzeit hat sich nicht nur

ein Werk gefunden, das der besagten Glanztat

von/mit dem Trio McDonagh / Farrell / Gleeson

auf Augenhöhe zu begegnen versteht, nein,

selbiges ist auch mindestens genauso gut geeignet,

im Nachklang für hitzige Debatten zu

sorgen. Wobei das noch eine Untertreibung ist:

So wie »Tár« (Kinostart: 2. März) angelegt und

umgesetzt ist, zielt er nachgerade darauf ab, es

sich im Minenfeld kontemporärer Diskurse ungemütlich

zu machen.

Fixstern Cate Blanchett

Mit nicht geringer Lust an Konfrontation und Irritation

pirscht sich Regisseur Todd Field an heikle

Themen des Kulturbetriebs heran, die längst

auch weit über dessen innere Kreise hinaus

mächtig Wellen schlagen: Geniekult, Hybris und

Missbrauch, Bubble-Betriebsblindheit und Konsequenzen-Kultur.

»Tár« betreibt jenes Pirschen

jedoch mit Konsequenz und Eleganz beharrlich

aus Richtungen, aus denen man es nicht vermutet

hätte, und führt uns dabei, volle Aufmerksamkeit

abverlangend, zu häufig ebenso unerwarteten,

unter Garantie lohnenden Reflexionen.

Er ist damit gleichwohl ein Film, wie er kaum

besser in unsere Zeit passen könnte. Aber auch

ein Film, der einen stets von Neuem herausfordert,

der verunsichert und dazu geeignet ist, allfällige

blinde Flecken in der eigenen Weltwahrnehmung

anzuzeigen. Ein Film, pickepackevoll

mit Szenen, die zunächst vollkommen eindeutig

und erklärbar erscheinen, deren komplette Bedeutung

aber zunächst oft nur schwer zu greifen

ist. Ein Film, der sich dabei dennoch so real

anfühlt, dass man sich nach dem Abspann kaum

noch eine Welt vorstellen kann, in der Lydia Tár,

also jene Person, die dieser schattenhaften Story

als Fixstern und unmoralisches Zentrum dient,

nicht auch tatsächlich existiert.

Eine bemerkenswerte Leistung, die ihren

Ursprung freilich nicht allein in Fields nüchterner

wie elektrisierender Inszenierung hat.

Denn nicht nur ob ihrer Präsenz in so gut

wie jeder einzelnen Einstellung des Films ist

»Tár« mehr oder minder ein einziger großer

Schauspiel-Showcase für Cate Blanchett und

ihre Fertigkeiten. Diese vermochten noch selten

so gleißend hell zu strahlen wie in dieser

Verkörperung einer bahnbrechenden, charismatischen,

lesbischen Dirigentin, die eine der

einflussreichsten Positionen einzunehmen verstand,

die ihre Profession zu bieten hat.

Mit großen Dosen von Talent, Intelligenz

und Selbstbewusstsein brachte es Lydia Tár zu

Rang und Namen. Die Rollenmodelle ihrer Helden

(nach -innen sucht man lang und vergeblich) zu

diesem Behufe zum Vorbild nehmend, beschreitet

sie kühl und kontrolliert den vorgezeichneten

Weg eines Genies in die Geschichtsbücher – leider

auch mit all den gängigen, unerfreulichen

Nebeneffekten. Bemisst Tár doch, wie so viele

ungute Typen vor ihr, alles Zwischenmenschliche

rein nach dem transaktionalen Mehrwert

– und macht dabei vor reichlich unangemessenen

Beziehungen zu weit weniger mächtigen Menschen

noch lange nicht Halt. Wo ein solches Vorgehen

in der Vergangenheit ihrer Vorbilder meist

noch stillschweigend geduldet wurde, kann es

in einer hyperalerten Gegenwart jedoch nur im

Untergang kulminieren. Selbst oder gerade dann,

wenn man sich für unantastbar hält.

Die schwelende Panik der Protagonistin

davor, dass Details jener Übertretungen publik

werden, durchzieht diesen polymorphen

Film, der zwischen Thriller, Hochkultursatire,

Charakterstudie, mitunter Horror die unterschiedlichsten

Klänge und Rhythmen anzuwenden

vermag, ohne es sich je in einem

einzigen durchgängigen Modus Operandi

behaglich einzurichten. Und behaglich will es

sich Field entsprechend auch bei den Antworten

auf die brennenden Fragen nicht machen:

So kompliziert, vielschichtig und faszinierend

undurchdringbar wie die Kunst, die Lydia mit

allen Kollateralschäden mehr als alles andere

liebt, präsentiert sich auch dieses nahezu

Kubrick’sche Epos, das den alleraufgelegtesten

Impulsen widerstehend seine Protagonistin weder

als Monster noch als Opfer zeichnen will.

Kunst als Selbstauslöschung?

Die nuanciert trügerische Manier, mit der Field

und Blanchett uns das immer noch ein wenig

übler entgleisende Geschehen durch den hochgradig

subjektiven Tunnelblick der Protagonistin

erleben und erfühlen lassen, legt stark

nahe, dass sie Substanzielleres im Sinne hatten,

als zu allzu wohlfeilen Schlussfolgerungen zu

gelangen. Vielmehr stellt »Tár« lieber die Mechaniken

der Macht und ihrer Missbrauchsmöglichkeiten

infrage – ohne Sympathien einzufordern:

Was macht Macht mit einem, mit der

eigenen Psyche? Und was ihr Verschwinden?

Was, wenn die Reaktion auf den angekündigten

Verlust von Kontrolle und Privileg in der radikalen

Variation des Paradigmas von der Trennung

von Kunst und Künstlerin läge – in der

Trennung der kreativen Persona vom Rest-Ich,

in der Selbstauslöschung im Sinne der Kunst?

Eine Zuspitzung, eine Zumutung. Es sind genau

diese seltsamen, irritierenden, faszinierenden

Töne, die »Tár« zu einem Erlebnis machen, das

man noch lange über die nächste akute Empörung

hinaus mit sich herumtragen wird.

prenner@thegap.at • @prennero

Christoph Prenner plaudert mit Lillian

Moschen im Podcast »Screen Lights« zweimal

monatlich über das aktuelle Film- und

Seriengeschehen.

Luca Senoner, Focus Features


10 Ausgaben um

€ 63,–

Haben Sie

schon ein

?

Ein Jahr lang Lesegenuss mit

dem vielfach preisgekrönten

Magazin für Politik und

Gesellschaft.

Sie lesen 10 Ausgaben von DATUM

zum Sonderpreis von € 63,–.

Wenn Sie vier Wochen vor Ablauf nicht kündigen,erhalten Sie DATUM weiterhin zum

regulären Jahresabopreis. Eine kurze schriftliche Mitteilung an abo@datum.at reicht aus.

Zusätzlich erhalten Sie

eines von drei Geschenken:

1 2 3

hochwertiges Siebdruck-

DATUM-T-Shirt

Kaffeeselektion

Schwarze Magie

DATUM-Buch „Wo sind

wir hier eigentlich?“

Jetzt bestellen unter :

datum.at / abo oder

01/ 361 70 70 - 588

Oder schreiben Sie uns

einfach ein E-Mail an:

abo @ datum.at

Das Angebot ist nur im EU-Raum gültig und auf bestehende Abos nicht anrechenbar. Die Zustellung des T-Shirts erfolgt ohne zusätzliche Kosten nach Zahlungseingang der vollen Abogebühr.

Mit der Bestellung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten zum ausschließlichen Zwecke der Zusendung des T-Shirts weitergegeben werden.

Bitte prüfen Sie den Inhalt unmittelbar bei Empfang, da wir für später erfolgte Reklamationen keinen Ersatz leisten können. Satzbau Verlags GmbH · Große Pfarrgasse 7/2, A-1020 Wien


Termine Bühne

056

Bones and Stones

Oür die neue Performancearbeit von Künstlerin und Choreografin Claudia Bosse

wird die Halle G zu einer begehbaren Landschaft, in der sich das Publikum

frei durch den Raum bewegt. Sechs Tänzerinnen verschiedenen Alters graben

hier durch die vielen Schichten der Zeit. Auf der Suche nach Erinnerungen in

Steinen und Knochen wird ein Raum geöffnet, in dem Material, Leiber in ihren

Prozessen, Transformationen und Zerfall verflochten werden. Im Anschluss an

die Performance am 24. Februar findet ein Artist-Talk zwischen Kulturhistorikerin

Felicitas Thun-Hohenstein und der Choreografin Claudia Bosse statt.

Die Bewegung hinein in die Körper und in die Erde soll sich zudem im Sommer

2023 aus dem Bühnenraum in die Landschaft verlagern. 23. bis 25. Februar

Wien, Tanzquartier, Halle G

GI3F (Gott ist drei Frauen)

Die drei Göttinnen in »GI3F« sind sich angesichts

des Zustandes der Welt unsicher: Was ist zu tun

und sollte das Zeitalter der Menschheit vielleicht

besser zu Ende gehen? Zu Seite gestellt wird den drei

Akteurinnen ein Mann, Jens, der als Vertreter des Patriarchats

bei der Frage danach, was eigentlich los ist,

hoffentlich nachhelfen kann. Autorin Miru Miroslava

Svolikova entwirft mit »GI3F« ein modernes Mysterienspiel,

in dem drei Darstellerinnen humorvoll und

kritisch das allgemeine Weltgeschehen verhandeln.

6. März bis 1. April Wien, Theater Drachengasse

Sons of Sissy

Der österreichische Choreograf Simon Mayer lässt in

der Arbeit »Sons of Sissy« ritualistische Gruppentänze

– in ihrer Geschichte verwoben mit Konservativismus

und Konventionen – auf zeitgenössischem Tanz

prallen. Mehr als acht Jahre nach der Uraufführung

wird das Tanzstück in Wien wiederaufgeführt. Alpine

Livemusik trifft hier auf verspielte Tanzkombinationen

und -formationen, die traditionelle, männliche

Rollenbilder im Brauchtum mit Humor unterlaufen.

16. bis 18. März Wien, Odeon

Herstory. No More Excuses …

… No More Abuses.« Es gehört zur traurigen österreichischen Realität, dass

im Jänner dieses jungen Jahres 2023 bereits drei Femizide zu vermelden waren.

Das Doku-Theaterstück von Sophie Benedikte Stocker nimmt verschiedene

Frauenbiografien in den Fokus. Sechs Darstellerinnen verhandeln auf

der Bühne patriarchale Rollenbilder und männliches Besitzdenken, basierend

auf Interviews mit Frauen verschiedener Generationen und unterschiedlicher

Backgrounds, mit Expertinnen aus den Bereichen Politik und Recht sowie aus

psychologischen Betreuungseinrichtungen und mit Aktivist*innen, die auf

Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. So entsteht ein feministisch-empowernder

Theaterabend, musikalisch unterstützt von Aggrepo-Punk-Sounds

der Livemusikerin Jana Schulz. 16. bis 25. März Wien, Werk X-Petersplatz

Absence

»Was geschieht, wenn sich dein eigener Körper plötzlich

gegen dich wendet?« In »Absence« werden die

psychischen und körperlichen Folgen einer Gehirnverletzung

thematisiert. Es werden Situationen aus dem

Alltag vor und nach einer Gehirnoperation durchgespielt

und es wird gefragt, was die Fähigkeit des

Erinnerns für die eigene Identität bedeutet. Der Theaterabend

verhandelt die veränderte Wahrnehmung

der Innen- und Außenwelt von Betroffenen sowie den

Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper und ist

eine Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit.

28. März bis 7. April Wien, Kosmos Theater

Café Populaire

Im Zentrum von »Café Populaire« steht Svenja, eine

Kulturschaffende, die eigentlich alles richtig machen

will. Mit ihrer Erfindung des »Humornismus«, einer Mischung

aus Humor und Humanismus, landet sie auf der

großen Internetbühne – den sozialen Medien – jedoch

keinen großen Coup. Don, ein böses neoliberales Alter

Ego, ist da schon erfolgreicher und scheint über ihren

Körper immer mehr Kontrolle zu gewinnen. In dem

satirischen Stück geht es um alltäglichen Klassismus,

um Vorurteile und Diskriminierung aufgrund sozialer

Herkunft. 6. April bis 28. Mai Linz, Landestheater

Oliver Maus Markus Gradwohl, Dušana Baltić


ATMOSPHERE

BY KRALLERHOF

5* HOTEL IN LEOGANG, SALZBURGER LAND

Lesen und Gewinnen

„Die Presse“ gratis lesen und mit etwas Glück

einen von vier Kurzurlauben im 5 Sterne

Hotel Krallerhof in Leogang/Salzburger Land

für zwei Personen gewinnen.

alle Infos unter

DiePresse.com/krallerhof


Josef Jöchl

artikuliert hier ziemlich viele Feels

Sex and the Lugner City

Un-frack my brain

058

Ein Typ mit stechend blauen Augen und sonorer

Stimme bat mich, mir eine Tür vorzustellen.

Durch die sollte jeden Moment eine Person treten,

die mich liebt, und mir sagen, dass ich gut

wäre, so wie ich bin. Nichts leichter als das. Danach

schaute ich noch ein paar amerikanische

Rezeptvideos für Handfetischist*innen, bevor

ich mein Handy endgültig weglegte und versuchte

einzuschlafen. Wahrscheinlich war es

kontraproduktiv, ausgerechnet auf Tiktok nach

Entspannungstechniken zu suchen. Tiktok ist

schließlich wie Fracking für den präfrontalen

Cortex. Es wird einfach so tief gegrindet, bis

weite Areale deines Gehirns komplett vergiftet

sind. Dennoch verwies mich der Hashtag

»Mindfulness« auf ein paar alltagstaugliche

Tipps für tiefere Entspannung. Ich begann, auf

meinen Atem zu fokussieren, meine Sinne zu

schärfen, beendete das permanente Multitasking

und zündete immer mal wieder eine Kerze

an. Letzteres hatte ich, im übertragenen Sinn,

schon länger nicht mehr gemacht. Die vergangenen

Monate hatte ich eine sexuelle Trockenperiode

durchlaufen. Drei volle Monate hatte

ich keine Action gehabt, was sich zwar nicht

besonders lange anhört. In Hetero-Monaten

sprechen wir hier aber immerhin von 21. Ich war

mir sicher: Wollte ich meinen dry spell lüften,

musste ich mein Achtsamkeitsgame steigern.

Take my breath away

In Sachen Dating hatte ich zuletzt in der Vergangenheit

gelebt und dabei das Hier und Jetzt

aus den Augen verloren. Auch mein Alltag fühlte

sich zunehmend stressig an: morgens aufstehen,

zwei Liter Kaffee saufen, dann mehrere

Stunden auf verschiedene Endgeräte starren,

dazwischen in schwuler Geschwindigkeit durch

die Stadt hirschen. Es war einfach kein Platz für

magische Momente. Für eine Atemübung setzte

ich mich im Schneidersitz auf den Boden. Ich

atmete vier Sekunden durch die Nase ein, hielt

den Atem für weitere sieben Sekunden und ließ

die Luft dann durch die Lippenbremse langsam

entweichen, bevor ich das Ganze fünfmal wiederholte.

Dann lud ich mir Tinder runter. Ein Re-

Download von Tinder fühlt sich immer an wie

der Besuch in einer Kneipe, in der man länger

nicht mehr war. Man kennt sich ganz gut aus

und entdeckt vielleicht ein paar vertraute Gesichter.

Allerdings fällt einem auch sofort wieder

ein, warum man nicht öfter hingeht. Daran

konnten ein paar Atemübungen nichts ändern.

Free your mind and

the rest will follow

Viel zu oft versteift man sich beim Dating ja

auf eine App, einen gewissen Typ oder eine

gewisse Person. Dabei bedeutet Achtsamkeit

eigentlich, auf Weitwinkel zu stellen. Am nächsten

Abend wollte ich deshalb eine echte Kneipe

besuchen, um dort meine Wahrnehmung zu

öffnen. Als ich am Tresen saß, fiel mein Blick

immer wieder auf die kleinen Dinge des Lebens:

winzige Cocktailschirmchen, liebevoll aufgeschnittene

Zitronenscheiben, die Verschlüsse

von Jägermeister-Fläschchen, die man sich

nach dem Saufen auf die Nase steckt, und Typen

unter 170 Zentimeter, die unaufhörlich von

ihren Kunstprojekten sprachen. Achtsamkeit

ist eben immer auch ein bisschen anstrengend.

Ich verließ die Bar und schwor mir, künftig nicht

mehr in der Nähe von Kunstuniversitäten achtsam

zu sein. Außerdem war ich wenige Tage

später auf eine größere Homeparty eingeladen.

Eine gute Gelegenheit, alle Register der Mindfulness

zu ziehen.

Relax, when you want to come

Dort angekommen, entledigte ich mich meiner

Schuhe und begann sofort, die Gegenwart als

Geschenk und Möglichkeit zu betrachten. Jedes

Stück Knabbergebäck leckte ich von beiden

Seiten, während ich mit »Was machst du

so?«-Dialogen auf eine kleine Klangreise ging.

Irgendwann sorgte die Kohlensäure der sieben

Biere, die ich ausgetrunken hatte, für kleine

Sensationen in meinem Mundinnenraum, bis

meine Entspannungstechniken endlich die

volle Wirkung entfalteten. Maximal relaxed begann

ich, mit irgendeinem Typen zu schmusen.

Noch vor Mitternacht sollten wir vor allen anderen

Gästen auf der Couch dryhumpen, bevor

wir zu ihm nach Hause gingen. Der Bann war

gebrochen! Am nächsten Morgen rieben wir

uns die vorangegangene Nacht aus den Augen

und taten kurz so, als würden wir wir uns wiedersehen

wollen. Normalerweise deprimieren

mich One-Night-Stands, diesmal aber war ich

ganz gechillt. Es gibt Menschen, die sprechen

das Wort »Achtsamkeit« immer mit einem gewissen

Unterton, als wäre es besonders witzig.

Genauso machen sie es mit »Self Care« oder

»Body Positivity«. Meistens tun das Leute, die

von alledem noch nie zu wenig hatten. Zu denen

gehöre ich nicht. Ich hatte mir vorgenommen,

mich auch zukünftig weniger zu stressen

und zumindest zu versuchen, achtsamer zu leben.

Vielleicht steht ja irgendwann tatsächlich

jemand in der Tür, der mir sagt, dass ich gut

wäre, so wie ich bin.

joechl@thegap.at • @knosef4lyfe

Josef Jöchl ist Comedian. Sein Soloprogramm

heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Aktuelle

Termine findest du auf www.knosef.at.

Ari Y. Richter


Diagonale’23

Festival des

österreichischen

Films

Graz, 21.— 26.

März 2023

diagonale.at

#Diagonale23

#FestivalOfAustrianFilm


12 MAI 2023

SOPHIE HUNGER

© Jerome Witz

03 MÄRZ 2023

15 APRIL 2023

MAKEDONISSIMO

Simon Trpčeski . Yutaka Sado

© Slavco Spirovski

WU TSANG

MOBY DICK; or, The Whale

© Greg Amgwerd

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!