The Gap 197
Coverstory: Oskar Haag — Chat GPT — Vienna Club Commission — ORF Topos — Freitag — Illustration Ladies Vienna — Steigende Wohnkosten für Studierende — Prosa: Markus Köhle — Schnitzelbeat Vol. 3, Bulbul, Le Charmant Rouge, Lil Julez, Mynth, Sharktank, Sophie Lindinger, Yukno — und vieles mehr …
Coverstory: Oskar Haag — Chat GPT — Vienna Club Commission — ORF Topos — Freitag — Illustration Ladies Vienna — Steigende Wohnkosten für Studierende — Prosa: Markus Köhle — Schnitzelbeat Vol. 3, Bulbul, Le Charmant Rouge, Lil Julez, Mynth, Sharktank, Sophie Lindinger, Yukno — und vieles mehr …
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AUSGABE FEBRUAR / MÄRZ 2023 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH.
VERLAGSPOSTAMT 8000 GRAZ, P.B.B. | MZ 18Z041505 M
N° 197 € 0,—
Oskar Haag
Burgtheater, Fußball und Debütalbum
AUF!
AUF!
DICH
DICH
BÄUM
BÄUM
BÄUM
DICH
AUF!
#zweierlinie
#zweierlinie
JAHRHUNDERT-
CHANCE NUTZEN
CHANCE NUTZEN
JAHRHUNDERT-
Infos & Studie:
wien.gruene.at/zweierlinie
Zweierlinie, Höhe Rathaus
Rathaus
Höhe Zweierlinie,
Zweierlinie, Höhe Rathaus
wien.gruene.at/zweierlinie
Infos & Studie:
Studie: & Infos
wien.gruene.at/zweierlinie
Bernhard Frena
Editorial
Cause we know
were here to stay
So schnell kann’s gehen: Ende des Jahres noch Autor bei The Gap und
jetzt hier in exponierter Position. Ganz am Anfang, sowohl von diesem
Heft wie der neuen Rolle. Aber vielleicht bin ich jetzt zu schnell: Hallo
miteinander, Bernhard Frena mein Name, ich bin der neue Chefredakteur
von The Gap. Keine Angst! Viel geändert hat sich nicht. Unter zwei
Chefredakteur*innen – Theresa Ziegler und Sandro Nicolussi – durfte
ich über queere Communitys, popkulturelle Nischen und virtuelle Verquickungen
schreiben. Beide haben dem Magazin sanft ihren Stempel
aufgedrückt, ohne die Grundbausteine von The Gap über den Haufen zu
werfen. Das wäre auch mein Plan.
Allerdings möchte ich mir hier, ganz zu Beginn, ein paar Gedanken
über die Rolle von Magazinen wie The Gap in der (österreichischen)
Popkulturlandschaft machen. »Print stirbt«, heißt es schon lange. Da ist
was Wahres dran, gerade in der Popkultur. Im Netz geht alles schneller,
einfacher und direkter. Die Qualitäten von Print wirken dagegen fast altbacken:
Verlässlichkeit, Beständigkeit, Legitimität. Diese Worte riechen
muffig und angestaubt. Doch sie haben ihr Gutes: Sie verleihen Gewicht.
Dank ihnen können Printmagazine Nischen zur Geltung bringen und
ungehörten Menschen Gehör verschaffen. Dank ihnen können Magazine
unabhängig von Plattformen bestehen, die sich täglich nach Tagesgeschmack
und Marktwert neu erfinden müssen. Dank ihnen können sie
Szenen über Jahrzehnte begleiten und gemeinsam mit ihnen wachsen.
Auch The Gap ist mit seiner Szene über die Jahre ge- und verwachsen.
Und wird dies hoffentlich auch in Zukunft weiter tun.
Zum Schluss noch kurz zum aktuellen Heft: Ganz lässt uns die
Debatte um KI-Generierung aus der letzten Ausgabe noch nicht los.
Diesmal haben wir Chat GPT zehn essenzielle Fragen von »Should I Stay
or Should I Go?« bis »Wer hat den Mann mit dem Koks bestellt?« beantworten
lassen. Auf das Cover hat es aber einer geschafft, der ganz und
gar nicht künstlich klingt: Oskar Haag hat unserem Autor Christoph
Benkeser bei einem Spaziergang durch den Wurstelprater von Fußball,
Burgtheater und Debütalbum erzählt. Weitere Themen sind die zunehmend
prekäre Wohnsituation für Studierende und nachhaltige Taschenproduktion.
Außerdem: Interviews zur Vienna Club Commission, zu den
Illustration Ladies Vienna sowie zur neuen ORF-Plattform Topos.
Viel Spaß beim Lesen!
Bernhard Frena
Chefredakteur • frena@thegap.at
Web www.thegap.at
Facebook www.facebook.com / thegapmagazin
Twitter @the_gap
Instagram thegapmag
Issuu the_gap
Herausgeber
Manuel Fronhofer, Thomas Heher
Chefredaktion
Bernhard Frena
Leitender Redakteur
Manfred Gram
Gestaltung
Markus Raffetseder
Autor*innen dieser Ausgabe
Christoph Benkeser, Barbara Fohringer, Oliver Maus,
Martin Mühl, Tobias Natter, Sandro Nicolussi,
Victor Cos Ortega, Dominik Oswald, Helena Peter,
Felix Schmidtner, Jana Wachtmann, Thomas Weber,
Sarah Wetzlmayr
Kolumnist*innen
Josef Jöchl, Christoph Prenner
Fotograf*innen dieser Ausgabe
Alexander Galler, Teresa Wagenhofer
Coverbild
Teresa Wagenhofer
Lektorat
Jana Wachtmann
Anzeigenverkauf
Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer
(Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl
Distribution
Andrea Pfeiffer
Druck
Grafički Zavod Hrvatske d. o. o.
Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien
Geschäftsführung
Thomas Heher
Produktion & Medieninhaberin
Comrades GmbH, Hermanngasse 18/3, 1070 Wien
Kontakt
The Gap c/o Comrades GmbH
Hermanngasse 18/3, 1070 Wien
office@thegap.at — www.thegap.at
Bankverbindung
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Abonnement
6 Ausgaben; Euro 19,97
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Heftpreis
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Erscheinungsweise
6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien;
Verlagspostamt 8000 Graz
Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz
www.thegap.at/impressum
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht
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Für den Inhalt von Inseraten haften ausschließlich die
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Textmaterial wird keine Haftung übernommen.
Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung
der Geschäftsführung.
Die Redaktion von The Gap ist dem Ehrenkodex des
Österreichischen Presserates verpflichtet.
Magazin
010 »Messi hat mich abgezogen!«
Durch den Tag mit Oskar Haag
018 »Who the fuck is Alice?«
Chat GPT beantwortet
die Fragen unserer Zeit
022 »Freiraum macht Clubkultur aus«
Martina Brunner im Gespräch
über die Vienna Club Commission
024 »Nicht das Schmalz, aber der Kitt«
ORF-Topos-Chef Gerald
Heidegger im Interview
026 Ein Leben nach der Straße
Freitag und die kreislauffähige
Lkw-Plane
028 Wien und die Welt
Illustration Ladies Vienna
im Interview
032 Reise nach Jerusalem
Wie Studierende mit steigenden
Wohnkosten umgehen
004
032
Alexander Galler, Illustration Ladies, Manuel Fronhofer, Felix Schmidtner, Theresa Wey
028
Felix Schmidtner
Für uns hat Felix mit Studis über ihre
Wohnsituation geredet. Selbst hat er
da auch schon einiges durchgemacht.
Von spirituellen WGs in Lissabon bis
zu einer stromlosen Woche in Wien.
Abseits vom Schreiben forscht er als
Neurowissenschaftler zur Wirkung
von Stress und Koffein aufs Hirn,
macht Praktika mit Elefantenhirnen
oder tauscht sich bei einem Kaffee mit
Freund*innen übers Leben aus. Er ist
nämlich Genussmensch – zumindest
solange es das Geldbörsel hergibt.
026
Teresa Wagenhofer
Teresas liebste Vergnügungsparkattraktion
ist das Kettenkarussell
Praterturm im Wiener Wurstelprater.
Ebendort hat sie auch Oskar Haag für
unsere Coverstory fotografiert. Grundsätzlich
bildet sie gerne außergewöhnliche
Menschen an außergewöhnlichen
Orten ab. Für uns seit 2021, am allerliebsten
analog und bei schönem Licht.
Um Licht dreht sich bei ihr überhaupt
viel: Beim Filmschauen flimmert es,
ihre Pflanzen brauchen es und nach
langen Nächten lugt es manchmal
schon wieder über den Horizont.
Rubriken
003 Editorial / Impressum
007 Charts
016 Golden Frame
038 Prosa: Markus Köhle
040 Gewinnen
041 Rezensionen
046 Termine
Kolumnen
054 Screen Lights: Christoph Prenner
058 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl
AUSGABE DEZEMBER 2022 / JÄNNER 2023 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH.
VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M
person looking at smartphone by egon schiele
Generate
Künstliche Kunst
Der ambivalente Aufstieg KI-generierter Bilder
The_Gap_196_ 01-060_Umschlag_PACK_BBA_mf.in d 1 17. 1. 2 18: 5
AUSGABE OKTOBER / NOVEMBER 2022 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH.
VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M
N° 196 € 0,—
Gegen das Humor-Patriarchat
FLINTA* erobern die Kabarettbühnen
The Gap im Jahresabo
6 Ausgaben um nur € 19,97
Ihr mögt uns und das, was wir schreiben? Und ihr habt knapp
€ 20 übrig für unabhängigen Popkultur journalismus, der seit
1997 Kulturschaffen aus und in Österreich begleitet?
Dann haben wir für euch das The-Gap-Jahresabo im Angebot:
Damit bekommt ihr uns ein ganzes Jahr, also sechs Aus gaben
lang um nur € 19,97 nach Hause geliefert.
AUSGABE AUGUST/ / SEPTEMBER 2022 — THE GAP IST KOSTENLOS UND ERSCHEINT ZWEIMONATLICH.
VERLAGSPOSTAMT 1052 WIEN, P.B.B. | MZ 18Z041505 M
The_Gap_195_ 01-060_Umschlag_PACK.in d 1 21.09. 2 18:03
N° 195 € 0,—
Von der Musik leben
Wie steht es um die Branche?
The_Gap_194_ 01-060_Umschlag_BBA_mf.in d 1 25.07. 2 15:12
N° 194 € 0,—
Nähere Infos unter abo.thegap.at
Haltungsübung Nr. 11
Filterblase
verlassen.
Um Ihre Haltung zu trainieren, brauchen Sie kein atmungsaktives
Outfit und keine Gewichte, nur Ihren Kopf. Üben Sie zunächst jeden Tag,
ihn aus der Filterblase zu ziehen. Das funktioniert sogar im Sitzen.
derStandard.at
Der Haltung gewidmet.
Jayredavience Diquit Gamboa, Marika Rákóczy
Charts
Nike 101
TOP 10
Deutsch-Rap-Zitate
01 »Ich hab Schabernack gemacht, doch an den Schaden nicht gedacht« (Haiyti)
02 »Sie sieht gut aus, sie ist Legende und eine sehr Intelligente« (Raf Camora)
03 »Lauf immer der Nase nach, doch leider ist sie schief« (Teuterekordz)
04 »Greta Thunberg kann mich nicht leiden, weil von meinen Tränen die Wasserspiegel steigen« (Pink Viagra)
05 »Nein, ich muss mich niemals hochficken, treffe jeden Takt, vielleicht muss ich mich bald runterficken,
weil sonst heb’ ich ab, vielleicht muss ich deine Mutter ficken, weil’s sonst keiner macht« (Juju)
06 »Um Drogen zu dealen, braucht man keinen Abschluss zu haben« (Haftbefehl)
07 »Das ist jetzt das zwanzigste Dick-Pic, Bitte um Feedback« (Nico von K.I.Z)
08 »Mama tut mir leid, ich bin zu real« (Haiyti)
09 »Jeder Hater ist nur ein Klick mehr, du bist nicht mal ein Fick wert« (Schwesta Ewa)
10 »Sie fragt: ›Wann gehen wir auf ein Date?‹ Ich sag ihr, ich bin so wie ’ne Kerze,
ich gehe nur aus, wenn du bläst« (Money Boy)
TOP 03
Lieblingsgerichte (oddly specific)
01 Sushi Set: 4 Lachs, 1 Thunfisch, 2 Butterfisch, 1 Tamago, 3 Avokado-Maki
02 Rucola-Salat mit Erdbeeren, Orangen, Ziegenkäse, Walnüssen, Balsamico und Kürbiskernöl
03 Der Himbeer-Mohn-Rondo mit Vanille-Pudding von der Bäckerei Der Mann
Auch nicht schlecht
Der ZIB entfolgen und gscheide Zeitung lesen
Die Wiener Rapperin Nike 101 hat gerade ihr Debütalbum »Zu viele Hobbies« herausgebracht.
Charts
Thomas Fürhapter
TOP 10
Find ich gut
01 Kaffee
02 Zeichnungen
03 Intersektionalität
04 Schafe
05 Filme von Kelly Reichardt
06 Zeitlupe
07 Wiener Zeitung
08 Pausen
09 Weinhaus Pfandler
10 Listen
TOP 03
Find ich gar nicht gut
01 Privatjets
02 Essentialismus
03 Waldhäusl
Auch nicht schlecht:
Vereter (Band)
Thomas Fürhapter ist seit 15 Jahren als Regisseur
und Autor tätig. Sein neuester Film »Zusammenleben«
startet am 10. März in den österreichischen Kinos.
MYX
von Gelatin
Entgeltliche Einschaltung
Foto © Manfred Seidl
Die rund fünf Meter hohe Skulptur im Innenhof
des Gymnasiums Lessinggasse in Wien ist mehr als
ein Maskottchen: Als eine Art identitätsstiftendes
Überwesen soll es die Jugendlichen begleiten und
mit ihnen den Schulalltag bewältigen. MYX steht
auch für den Mut, Außergewöhnliches – über die
„Norm-Maße“ hinaus – zu denken und zu schaffen.
www.big-art.at
Splitter
Musikvideos auf
der Kinoleinwand
Kino-Flatrate startet
in Österreich
008
Bei Frames laufen ab 31. März wieder kuratierte Musikvideos auf dem
Big Screen. ———— »In Zeiten von Social Media gehen liebevoll produzierte
Musikvideos in den Timelines schnell unter«, so begründen
Benjamin Keitel und Matthias Katkowski, die beiden Initiatoren,
ihre Motivation, die Musikvideo-Screening-Reihe Frames
wiederzubeleben. Nach vier zunehmend erfolgreichen Screenings
bis 2019 war dann erst einmal pandemiebedingt Pause. Jetzt startet
das Team wieder durch. Beginnend mit dem ersten neuen Screening
am 31. März im Schikaneder Kino, ist pro Quartal ein Screening
geplant. Dort wird das (hoffentlich) zahlreiche Publikum
dann bestaunen können, was die österreichische Musikvideoszene
so zu bieten hat. Die Einreichphase für die Videos ist dabei offen,
alle Interessent*innen können ihre Musikvideos vorschlagen. Anschließend
legt eine Jury – an der auch unsere Redaktion beteiligt
sein wird – fest, welche Videos es ins Programm und auf den Silver
Screen schaffen. The Gap ist überdies als Medienpartner mit dabei
und wird für einen medialen Rahmen sorgen.
Bühne und Spotlight
Ziel der Reihe ist es, der österreichischen Musikvideoproduktion
mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. »Wir möchten der
Szene eine Plattform geben und den Macher*innen im Hintergrund
eine Bühne und ein Spotlight«, so die beiden Veranstalter.
Außerdem gehe es ihnen darum, die Industrie zu vernetzen und
junge Filmschaffende zu fördern. Denn die Musikvideobranche
in Österreich sei bunt und habe auch international einen hohen
Stellenwert, aber: »Die Künstler*innen haben das Problem, mit
den bestehenden Budgets ein hochwertiges Musikvideo zu drehen,
ohne dass die Filmschaffenden fast ›gratis‹ arbeiten. Denn
sobald eine Band erfolgreich wird, kommen die großen Labels
aus Deutschland und nehmen diese unter Vertrag.« Und dann
geschehe die Produktion der Musikvideos eben auch oft dort. Ein
starkes Netzwerk in Österreich und eine sichtbare Szene seien
Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Frames unterstützt diesen
Prozess aber nicht nur auf der Kinoleinwand, sondern auch
durch Q&As mit den Filmemacher*innen sowie gemütliches Networking
rund um die Screenings. Bernhard Frena
Die Frames-Screenings starten am 31. März im Schikaneder Kino.
Die Details dazu findet ihr rechtzeitig auch auf www.thegap.at.
Ab 9. März kann man mit dem Nonstop-Kinoabo unbegrenzt Filme in
18 österreichischen Kinos ansehen. ———— In der Stadt unterwegs
und spontan Lust auf einen Kinofilm? Den Nonstop-Kino-Pass
gezückt und rein in eines der teilnehmenden Kinos. Sehen, was
gerade gespielt wird, sich überraschen lassen, neue Filme entdecken,
neue Kinos. So stellt sich Martin Kitzberger, Geschäftsführer
der Nonstop GmbH, die Zukunft mit dem Kinoabo idealerweise
vor. 18 Kinos österreichweit sind aktuell Teil der Aktion. In Wien
sind Admiral Kino, Burg Kino, DeFrance, Filmcasino, Filmhaus am
Spittelberg, Gartenbaukino, Stadtkino im Künstlerhaus, Top Kino,
Schikaneder sowie Votiv Kino mit dabei. Zudem gibt es teilnehmende
Kinos in Linz, Krems, Salzburg, Innsbruck, Freistadt und
Graz. Eine Ausweitung ist bereits für dieses Jahr angedacht. Ablaufen
wird das Ganze recht unbürokratisch. Der Pass wird online
auf www.nonstopkino.at bestellt und kostet 24 Euro pro Monat
(bzw. 22 Euro für U26 oder bei Abschluss eines Jahresabos). Beim
Kauf der Kinokarte an der Kassa wird dann einfach der Pass anstatt
eines Zahlungsmittels vorgelegt. Reservierungen werden in den
meisten Kinos ganz normal möglich sein.
Die Magie des Kinos
Wiktoria Pelzer, eine der Initiator*innen des Projekts, erklärt ihre
Motivation so: »Das Thema Kinoabo hat mich schon seit längerer
Zeit beschäftigt, und mit Covid ist klar geworden: Es muss jetzt
was passieren für das Kino. Kino ist meine größte Leidenschaft:
Filme sehen, vermitteln, mit und durch Filme lernen und meinen
Horizont erweitern – das will ich nicht nur selbst, sondern ich
will diese Magie des Kinos auch jedem und jeder niederschwellig
zugänglich machen.« Das niederländische Vorbild Cineville
hat hier bereits den Weg gewiesen. Das Publikum habe sich verjüngt,
sei spontaner geworden und auch nach den Lockdowns
schneller wieder in die Kinos gekommen. Davon weiß auch Martin
Kitzberger zu berichten: »Ich kenne das Kinoabo aus meiner
Studienzeit in Rotterdam. Ich habe mir dort gleich in der ersten
Woche das Abo besorgt und war dann fast täglich mit meinen
Studienkolleg*innen im Kino: Kino vorm Fortgehen, Kino an Katersonntagen,
Kino statt der Vorlesung.« Bernhard Frena
Das Nonstop-Kinoabo startet am 9. März. Vorbestellungen für den
Pass sind unter www.nonstopkino.at möglich.
Frames Network, Minitta Kandlbauer
BEZAHLTE ANZEIGE
Foto © Lukas Schaller / Belvedere, Wien
Wichtiger Beitrag der Bundesmuseen zum Klimaschutz: Das Belvedere in Wien erhielt 2022 das Österreichische
Umweltzeichen. Seit mehr als 30 Jahren steht das staatlich geprüfte Siegel für Umweltschutz in Österreich.
Klimafitte Kulturbetriebe
Das neue Förderprogramm des Kunst- und Kulturministeriums unterstützt Kultureinrichtungen
bei ökologisch nachhaltigen Investitionen. 15 Millionen Euro stehen
dafür zur Verfügung. Gefördert werden Projekte zur Senkung der CO 2 -Emissionen.
Jetzt können Förderanträge eingereicht werden.
009
Klima- und Umweltschutz sind auch im österreichischen
Kunst- und Kulturbetrieb brennende Fragen unserer
Zeit – in der künstlerischen Auseinandersetzung und
in Fragen der Optimierung von Energieeffizienz und
Kreislaufwirtschaft. Mit dem neuen Förderprogramm
„Klimafitte Kulturbetriebe“ will das Bundesministerium
für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS)
in Zusammenarbeit mit dem Klima- und Energiefonds
Kultureinrichtungen nun auf ihrem Weg in eine ökologisch
nachhaltige Zukunft besser unterstützen. Insgesamt steht
ein Fördertopf von 15 Millionen Euro zur Verfügung. Das
Programm unterstützt Investitionen zur Senkung von CO 2-
Emissionen und Einsparung von natürlichen Ressourcen.
Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer sagt zum
neuen Förderprogramm:
„Was ursprünglich als Beitrag des Kultursektors zur
Bewältigung des Klimawandels gedacht war, ist heute
angesichts der Energiekrise ein Muss für die Absicherung
unserer Kulturbetriebe. Mit dem einzigartigen
Förderprogramm ‚Klimafitte Kulturbetriebe‘ machen wir
ökologische Investitionen im Kulturbereich leistbar.“
Die Details zum Förderprogramm
Gefördert werden ökologische Vorhaben zur nachhaltigen
Senkung von CO 2-Emissionen in allen zu einem Kunst- und
Kulturbetrieb zugehörigen Gebäuden in Österreich:
• Klimafreundliche Heizung, Lüftung und Kühlung
• Nutzung erneuerbarer Energieträger
• Energieeffiziente Innen- und Außenbeleuchtungssysteme
• Thermische Gebäudesanierung
Fördersummen
• Maximal 75% für Vorhaben mit Investitionskosten bis 75.000 Euro
• 50% für Investitionskosten über 75.000 Euro
• Maximale Fördersumme pro Projekt: 250.000 Euro
Die Maßnahmen müssen innerhalb von 2 Jahren nach dem
jeweiligen Ausschreibungsende fertig umgesetzt werden.
Umsetzung bis spätestens 31. Dezember 2025
Zwei Ausschreibungstranchen
1. Ausschreibung: 10. Oktober 2022 bis 15. März 2023, 24:00 Uhr
2. Ausschreibung: 16. März 2023 bis 29. September 2023, 12:00 Uhr
Informationen unter
www.kulturklimafit.at
www.bmkoes.gv.at
010
Mal Fotoshooting-erprobtes
»Wunderkind« mal 17-jähriger
Fußballfan: Oskar Haag
»Messi hat mich
abgezogen!«
Durch den Tag
mit Oskar Haag
Teresa Wagenhofer
011
Er zockt »Fortnite«, redet wie ein deutscher
Youtuber und hat seine Freundin vom Startbildschirm
verbannt. Trotzdem bezeichnen ihn
manche seit seiner Debütsingle »Stargazing«
als »neues Wunderkind«. Was Oskar Haag wirklich
ausmacht. ———— Unter dem Riesenrad
plärrt der Donauwalzer aus kleinen Lautsprechern.
Während zwei Touristinnen durch den
Eingang des Wurstelpraters tänzeln, dreht
sich ein Postkartenständer im Wind. »Ich
hab gedacht, du gehst fix auf mich zu, weil
du eh weißt, wie ich ausschau«, sagt Oskar
Haag und streckt mir
die rechte Hand entgegen.
Oskar – Jeansanzug,
grün-gelber
Strickpulli und Herrenschuhe
– könnte
aus der Frühjahrskollektion
einer angesagten
Modemarke
gepurzelt sein. Dabei
ist der Mann mit den Schneckerln Musiker
und Schauspieler. Manche bezeichnen den
17-jährigen Klagenfurter sogar als eine der
größten »Pop-Hoffnungen« der österreichischen
Musikszene. Oskar weiß das. Er rückt
seinen »Omas gegen Rechts«-Pin zurecht, der
an der Brusttasche seiner Jacke steckt.
Wir schlendern am geschlossenen Autodrom
vorbei, rechts neben uns schlängeln
sich gelbe Schienen in den Praterhimmel.
Oskar hat den Treffpunkt selbst vorgeschlagen,
wohnt nur ein paar Minuten entfernt.
»Ich hab Glück.
Wieso sollte ich
darauf verzichten?«
Im Sommer zupfen hier Jugendliche an Zuckerwatte,
schmusen in der Geisterbahn oder
verbraten ihr Taschengeld beim Tröten-Techno-Tagada.
Heute, an einem sonnigen Nachmittag
im Jänner, verirren sich nur verlorene
Seelen in den zweitältesten Vergnügungspark
der Welt. Die Achterbahnen rasten. Niemand
schleudert sich in drehenden Suppentellern
zur Ekstase. Statt buntem Gewirr herrscht
Stille. Der Wiener Prater hält Winterschlaf.
Wer mit Kleingeld kommt, hat trotzdem
Glück. Einige einsame Automaten blinken,
manche grunzen leise
vor sich hin. »Magst
du schießen?«, frage
ich Oskar, als wir an
einer Fußballmaschine
vorbeikommen. Er
dreht sich um, seine
Augen werden bei ihrem
Anblick groß. »Ja
klar, die hat ein Barca-
Trikot an.« Mein Glück: Ich weiß, dass Oskar
nicht nur Burger mag und die Beatles liebt,
sondern auch glühender Fan des FC Barcelona
ist. All das hat er schon öfter in Interviews erwähnt.
Außerdem steht für ihn ein ehemaliger
Barca-Kicker über allen: Lionel Messi. Der Argentinier
schnürt seine Schuhe zwar längst für
einen anderen Verein. »Aber Messi hat mich
Barcelona lieben gelernt«, sagt Oskar.
Ich krame nach Kleingeld. »Hier«, sage
ich und stecke eine Zwei-Euro-Münze in den
Schlitz des Kickerautomaten. Der Kasten
Oskar Haag
»Teenage Lullabies«
(Lullaby Records)
VÖ: 3. März
012
grummelt. Oskar drückt auf den Startknopf.
Eigentlich sollte ein Fußball ausklappen,
aber es passiert – nichts. »Na, des gibt’s ned!
Messi hat mich abgezogen«, schreit Oskar
und hämmert ungeduldig auf den Startknopf.
Ich krame nach einer weiteren Münze, der
zweite Euro fällt. Wieder bewegt sich der
Ball keinen Zentimeter. »Scheiße! Die Maschine
nimmt uns aus!« Oskar tritt gegen
den Automaten. In seinen Augen erkenne ich
kurz ehrliche Enttäuschung. Er hätte wirklich
gern geschossen.
Krebs-Trauma aus Lönneberga
Mit der Geisterbahn, einer der wenigen geöffneten
Attraktionen, will Oskar nicht fahren.
Das eine Mal mit sechs Jahren habe gereicht.
Dass er sich inzwischen einen Horrorfilm
nach dem anderen reinzieht, kann daran
nichts ändern. »Wirklich Angst hab ich nur
vor Krebsen«, sagt Oskar und schaut mich an,
als warte er auf die Frage nach dem Warum.
»Früher hab ich ›Michel aus Lönneberga‹ im
Fernsehen geschaut, das ist der von Astrid
Lindgren. In einer Folge stellt er einen Eimer
voller Flusskrebse vor das Bett seines Vaters.
Der steigt rein und alle Krebse beißen ihn. Das
hat mich traumatisiert!«
Oskar lacht hell auf, als wir unter dem
Kettenkarussell stehenbleiben. Vor uns steht
eine lebensgroße Plastikfigur, sie trägt ein lilafarbenes
Kleid. »Genau wie du im Burgtheater,
oder?«, sage ich mehr als Aussage denn
Frage. Schließlich habe ich die Fotos gesehen:
Oskar spielt aktuell in einem Shakespeare-
Stück an der Wiener Burg. Auf der Bühne
trägt er ein Kleid, bei dem sogar Timothée
Chalamet zugreifen würde. Dass er mit seinen
Locken so ähnlich aussieht wie der gehypte
US-Schauspieler, mag Oskar schon
gehört haben. Den Gesichtsausdruck hat
er sich jedenfalls bei ihm abgeschaut. Jedes
Mal, wenn Oskar in eine Kameralinse
blickt, öffnet er leicht den Mund – irgendwie
verlegen, ein bisschen rätselhaft, so
wie Timothée.
Mit Glück zum »Wunderkind«
In den Hundeblickmomenten ist Oskar
nicht der 17-jährige Fußballfan, der ausgelassen
gluckst, wenn ihm ein Fußballautomat
das Kleingeld klaut. Schnappt
der Auslöser, verwandelt er sich in jenes
»Wunderkind«, zu dem er seit seinem Debüthit
»Stargazing« gerne erhoben wird. 2021
spielte Oskar sein erstes Konzert vor ein paar
Freund*innen, sein zweites vor 500 Fremden
in der Karlskirche. Danach erhielt er Standing
Ovations. Expert*innen von Falter bis FM4 waren
sich einig: Das wird ein Großer. Mittlerweile
managt ihn Stefan Redelsteiner, der Wanda-
Wuzzi. Oskars Vater, einst Gründer der Band
Naked Lunch, berät ihn aus dem Hintergrund.
Eingelullt ins Fürstentum
Mit 17 hat er gerade mal mit der Liebe angefangen, trotzdem schreibt
Oskar Haag die füßelndsten Kuscheldeckensongs, seitdem sich Indie-
Boys aus ihren Slim-Fit-Jeans gequetscht haben. Wenn der Timothée
Chalamet der Alpenrepublik ins Mikro säuselt, muss man sich in
einsamen Momenten zwicken, um nicht mit sich selbst zu schmusen.
Oder man lässt sich darauf ein und Oskar klemmt die Fuffis zwischen
die Saiten seiner Klampfe, wenn wir abhauen – »Leaving for Monaco
or Wherever the Fuck We Want to Go«. Im Fürstentum liebt Oskar
dich ganz allein, wenn du ihn festhältst. Er zeigt dir die Sternderl
und das Licht, den Mond und die Sonne, verspricht dir müde die Welt.
Dann geht ihm die Kohle aus. Man pfändet den Bösendorfer, sammelt
Beats und Streicher ein. Am Ende sitzt Oskar wieder mit der Gitarre
da und flüstert in dein Ohr. Du verstehst es nicht ganz – und schläfst,
eingelullt von seinen »Teenage Lullabies«, ein.
Dass er ohne seinen Papa und dessen
Connections – Naked-Lunch-Kollege Herwig
Zamernik kuratierte den gefeierten Debütauftritt;
Fritz Ostermayer, ein Kumpel, spielte
»Stargazing« erstmals im Radio – nicht dort
wäre, wo er ist, weiß Oskar. »Es gibt sicher
viele 17-Jährige, die mindestens so gut sind
wie ich, aber kein Glück haben. Ich hab es.
Wieso sollte ich darauf verzichten?« Er sagt
das, als würde ein deutscher Youtuber österreichische
Mundart vorlesen. Man kann ihm
deswegen nicht böse sein.
»Is eh logisch,
dass man manches
peinlich findet,
was man als
Junger gesagt hat,
oder?«
Oskar ist in Klagenfurt aufgewachsen,
der Landeshauptstadt von Kärnten. Dort
patzte er bis vor ein paar Monaten noch in
einem Kunstgymnasium mit Lehm herum.
Inzwischen hat er die siebte Klasse abgebrochen
und ist mit seiner Freundin in den
zweiten Wiener Gemeindebezirk gezogen.
Nach Klagenfurt fährt er noch fürs Loretto-
Bad und zum Schulball seiner alten Klasse.
»Ich will meine Kollegen unbedingt bei der
Polonaise sehen«, sagt Oskar. »Und ich freu
mich drauf, meinen alten Lehrern zu begegnen
– vor allem denen, die mich nicht so mögen
haben!«
Der Prater im Winter ist ein »gottloser
Ort«, wie Oskar sagt. Es fehlen die Lichter
und Leute, das gepresste Geplapper von
»Links geht’s rein, rechts geht’s raus«-Ansagern
und der Geruch von fettigem Langos. Vor
allem aber fehlt die Lust, sich für einen halben
Stundenlohn in den Wiener Nachthimmel katapultieren
zu lassen. Als wir an ein paar Gnomen
und Waldelfen vorbeikommen, stottert
eine Stimme aus der Stille: »Play Me!
Play Me!« Oskar dreht sich um. »Schau,
seine Augen blinken!« Er zeigt auf einen
Automaten. Der kastenförmige Mann trägt
ein rot-weiß-rotes Leiberl. Unten klemmt
ein Fußball.
Zwei weitere Euro verschwinden im
Maschinenmagen. Hinter uns plärrt plötzlich
Eurodance aus den Boxen. »Hyper,
Hyper!«, der Fußballer erwacht. Oskar
streift seine Jeansjacke ab und legt sie auf
den Boden. »985 ist der Highscore!« Er fokussiert
den Ball, nimmt vier Schritte Anlauf
und zieht voll durch. Kabumm! »738«,
schreit Oskar auf. Wäre der Ball nicht am
Automaten befestigt, er wäre bis ins Praterstadion
gesegelt. »Das war nicht so schlecht«,
sagt Oskar und grinst mich an. Er weiß, dass
ich überrascht bin. Von einem Strich wie ihm
würde man zwar filigrane Technik, aber keinen
Alaba-Gedächtnishammer erwarten.
Aus der Ferne weht wieder Walzermusik
herüber. Oskar reibt sich die Hände. »Magst
noch auf einen Kaffee gehen dort vorn?« Er
Teresa Wagenhofer
Die Garderobe teilt sich Oskar Haag mit seiner Freundin. Ganz selbstverständlich.
013
Oskar Haag weiß, dass er Glück hat.
Aber auch, was er kann.
014
zeigt in Richtung Praterstraße und blickt
mich fragend an. In diesem Moment setzt er
keinen coolen Kamerablick auf, posiert nicht
lässig im Licht. Oskar ist gerade Oskar, ein
17-jähriger Mann, der mir im nächsten Atemzug
erzählt, dass er sich vor Kurzem Laufschuhe
zugelegt hat. »Ich hab mich die letzten
drei Wochen nur von Chips und Schokolade
ernährt. Deshalb hab ich mir gedacht: Gehst
halt in der Früh laufen. Weil: Ich muss schon
ein bissal fit sein!«
Bisher habe er die Schuhe zwar nur gekauft.
Der erste Schritt sei aber getan. Schließlich
ist der Druck groß. Die Gen Z geht öfter
ins Fitnessstudio als in den Club. Es gibt einen
Trend zum Pumpen und Posen. Das merkt
auch Oskar. »In meinem Alter ist das grad voll
das Ding. Ein paar Freunde sagen mir: ›Alda,
du hast so eine gute Genetik, wenn du anfangen
würdest, wärst du in ein paar Monaten
das ärgste Biest.‹ Aber das passt nicht so zum
Image eines Singer-Songwriters. Meine Idole
sind alle Spargeltarzane.«
»Es muss nicht perfekt sein«
Dass Oskar seine Gefühle lieber an der Gitarre
als auf der Hantelbank ausdrückt, ist keine
Überraschung. Schließlich arbeitet Oskar
nicht an einem Cornetto-Körper, sondern
an der Anerkennung als Artist. Mit seinem
ersten Album wolle er sich beweisen, durch
Österreich touren, vielleicht ein paar Gigs in
Deutschland spielen. Andere in seinem Alter
träumen von Balenciaga-Shirts und Sneaker-
Drops. Oskar will auf die Bühne. Am Style
wird das Vorhaben nicht scheitern. Als wir
den Praterstern queren, spricht ihn ein Mann
an. »Dieses Outfit, ich muss Ihnen dazu gratulieren,
das ist wunderschön, wirklich, wie
zur Beatles-Zeit!« Oskar reagiert weder besonders
überrascht noch verlegen: »Danke,
das ist megalieb!«
Er teilt den Kleiderschrank mit seiner
Freundin und lackiert sich die Fingernägel
– einfach so, weil er es cool finde. Als Beweis
hält er mir seine linke Hand hin. Die Nägel
sind blau, an ein paar Stellen ist der Lack
abgesplittert. »Mein Stil«, sagt Oskar, als
wir an einer roten Ampel warten. »Es muss
nicht perfekt sein.« Er sagt das, als wäre es
die selbstverständlichste Sache in einer Welt,
in der viele vorgeben, immer noch ein wenig
besser, schneller und optimierter sein
zu können. Dass Oskar mit seinen 17 Jahren
anders tickt und das Perfekte im Nicht-Perfekten
sucht, mag am Wunsch nach Authentizität
liegen. Mittlerweile hebt man sich ab,
indem man keine choreografierten Videos
auf Tiktok postet, sondern müde in die Kamera
blickt, während man Erdäpfelpüree in
sich reinschaufelt.
»Nice«, sagt Oskar und ich versteh nicht
ganz. »Dort drüben, das Café! Das heißt …«
Auf einem Schild steht »Neyse«. Als ich den
Schmäh checke, hat Oskar schon die Google-
Bewertungen gecheckt. »4,8 Sterne! Lass uns
rübergehen.« Blick in beide Richtungen – kein
Auto. »Komm, schnell!« Wir hetzen über die
Straße. Er stößt keuchend die Tür auf. In dem
kleinen Café spielt ein Song vom Wu-Tang Clan.
Der Barista begrüßt uns mit einem Lächeln, das
er aus der Colgate-Werbung geklaut hat. »Was
kann ich euch Gutes tun?« Oskar bestellt eine
Frucade und einen Caprese-Wrap. Er zieht sein
Handy aus der Tasche, der Bildschirm wird hell.
»Ist das Messi auf deinem Startbildschirm?«,
frage ich Oskar.
»Ja, ja, weil der Gott sei Dank die WM
gewonnen hat! Meine Freundin hat sich aber
volle aufgeregt.«
»Weil du sie mit Messi getauscht hast?«
»Er hat die WM gewonnen, das muss ma
kurz amal respektieren!«
»Das ist doch über einen Monat her!«
»Ich realisier es aber gerade erst!«
Oskar setzt sich auf eine abgewetzte,
grüne Couch und gießt Frucade in ein Glas
mit Eiswürfeln. Mir fällt ein, dass ich ihm
ein Interview mit seinem Vater mitgenommen
habe. Eines, das man nicht im Internet
findet, weil er es 1992 – nur ein paar Jahre
älter als Oskar – über seine Band Naked
Lunch geführt hatte. »Vollegeil«, sagt Oskar.
»Ab und zu find ich Sachen, die sind ihm
sogar bissi peinlich. Aber is eh logisch, dass
man manches peinlich findet, was man als
Junger gesagt hat, oder?« Ich frage ihn, ob
er glaubt, dass ihm das Gespräch mit mir irgendwann
peinlich sein könnte. Er antwortet
mit vollem Mund: »Na, wieso?«
»Irrelecker« und »megalieb«
Man merkt, dass Oskar nicht an sich zweifelt.
Er strotzt mit 17 vor mehr Selbstbewusstsein,
als andere in ihrem Leben erreichen. Zeitweise
wirkt das überheblich, weil es überrascht.
Sein Alter wird dabei für manche zur Projektionsfläche
für die eigene verlorene Jugend.
Darüber denkt Oskar aber nicht nach. Er
macht halt. Manchmal auf ironisch, meistens
einfach so. Vielleicht verwendet er deshalb
Wörter wie »irrelecker« oder »megalieb«,
zockt »Fortnite« und hatte eine »Wrestling-
Phase« – wie fast alle in seinem Alter. Die
feinen Unterschiede zu »seiner Generation«
stecken in jenen Momenten, in denen ihn sein
Manager fragt, ob er sich vorstellen könnte, in
einer ausverkauften Stadthalle zu spielen.
»Don’t get me wrong«, sagt Oskar, wenn er
merkt, dass er arrogant rüberkommen könnte.
Er schiebt dann seine Unterlippe nach vorne,
als müsste er kurz überlegen, wie er seinen Altersbonus
neu ausspielen kann. Meistens lacht
Oskar unschuldig auf. Er weiß, dass er die Leute
damit für sich gewinnen kann. Schließlich holt
es einen aus den Gedanken in die Gegenwart.
Um die Zukunft kümmern sich ohnehin andere.
Als er am letzten Schluck Frucade nippt, ruft
zuerst seine Mama an. Zwei Minuten später
vibriert das Handy erneut: sein Manager. »Der
sollt eigentlich wissen, dass ich grad wo bin«,
sagt Oskar und hebt ab. Christoph Benkeser
»Teenage Lullabies«, das Debütalbum von
Oskar Haag, erscheint am 3. März. Die zugehörige
Tour führt den Musiker durch ganz
Österreich: 3. März, Wien, Rabenhof — 4. März,
Linz, Posthof — 5. März, Klagenfurt, Kammerlichtspiele
— 8. März, Salzburg, ARGE Kultur
— 9. März, Graz, Dom im Berg — 10. März.
Innsbruck, Treibhaus — 13. April, St. Pölten,
Cinema Paradiso — 15. April, Dornbirn, Spielboden
— 20. April, Baden, Cinema Paradiso.
Teresa Wagenhofer
Foto © MCG, Krug
Die Ärzte am Open-Air-
Gelände der Messe Graz
Life is a stage.
Enjoy it at MCG!
015
David Hasselhoff, Pizzera & Jaus, Pentatonix, Seiler & Speer, Deep Purple
und Sido – die MCG (Messe Congress Graz) holt auch 2023 wieder die großen
Namen der Musikszene nach Graz. Aber nicht nur das.
Schon in der Vergangenheit brachten zahlreiche Künstler*innen der
verschiedensten Genres MCG-Locations wie die Stadthalle Graz,
den Congress Graz oder das Open-Air-Gelände der Messe Graz
zum Kochen. Und auch fürs neue Jahr sind mittlerweile zahlreiche
Liveshows der Extraklasse angesetzt. Sei es David Hasselhoff, der
ja bekanntlich mit »Looking for Freedom« die Berliner Mauer zum
Einsturz brachte. Zwinker-Smiley. Oder Sido, der einst das Masken-
Game im Deutsch-Rap etablierte und sein neues Album namens
»Paul« live vorstellen wird. Pizzera & Jaus wiederum werden sich
ohne Genierer quer durch ihr aktuelles Programm »Comedian
Rhapsody« singen, rappen und schrammeln. Entertainment pur!
Places big enough for your ideas
Neben den Konzert-Highlights hostet die MCG auch regelmäßig
Messen und Business-Events. Die Multifunktionalität der Hallen
und Räumlichkeiten bieten gemeinsam mit der Top-Lage direkt im
Herzen von Graz perfekte Voraussetzungen für Umsetzungen aller
Art. Auch 2023 stehen uns wieder viele informative und exklusive
Messeformate in Haus, die mit spannenden Themen und interessanten
Aussteller*innen locken. Außergewöhnliche Erfahrungen
sind garantiert!
Erste Highlights 2023
Peter Kraus | 02.03.2023 | Congress Graz
MotionExpo | 10. bis 12.03.2023 | Messe Graz
Melissa Naschenweng | 24.03.2023 | Stadthalle Graz
Riverdance | 25.03.2023 | Stadthalle Graz
Pizzera & Jaus | 26.03.2023 | Stadthalle Graz
Plácido Domingo | 26.03.2023 | Congress Graz
Der König der Löwen | 28.03.2023 | Stadthalle Graz
David Hasselhoff | 30.03.2023 | Stadthalle Graz
Disney100 | 16.04.2023 | Stadthalle Graz
Grazer Frühjahrsmesse | 27.04. bis 01.05.2023 | Messe Graz
Pentatonix | 20.05.2023 | Stadthalle Graz
Deep Purple | 13.07.2023 | Messe Graz Open Air
Max Raabe | 18.09.2023 | Stadthalle Graz
Grazer Herbstmesse | 28.09. bis 02.10.2023 | Messe Graz
Sido | 02.11.2023 | Stadthalle Graz
Seiler & Speer | 09.12.2023 | Stadthalle Graz
Mario Barth | 16.12.2023 | Stadthalle Graz
Afrika! Afrika! | 15.12.2023 bis 14.01.2024 | Zeltpalast Messe Graz
Alle Infos zu den kommenden Shows gibt’s auf www.mcg.at.
PROMOTION
016
Golden Frame
Zeitgenössische Kunst im angemessenen Rahmen
Sub Gratia
Katharina Mayer
»Gastmahl
der Freunde«
Katharina Mayer »Gastmahl der Freunde«, 2006/2021; Foto: Katharina Mayer
Die Aktualisierung traditionsreicher künstlerischer Topoi, wie etwa des Abendmahls,
stellt Künstler*innen vor die nicht leichte Aufgabe, nicht nur eine bildliche
Form dafür zu finden, sondern auch die zugrundeliegende Geisteshaltung – weiter
gefasst, die implizite Weltanschauung des Stoffs – zeitgenössisch zu übertragen.
Katharina Mayers »Gastmahl der Freunde« bedient sich hierzu verschiedener Bildtraditionen
und Interpretationen dessen, was man Gastfreundschaft nennt. Aktuell
zu sehen im Dom Museum Wien. ———— Als die christliche Religion entstand, wurde
das Gebot der Caritas noch nicht als soziale Fürsorge gedacht. Für die Speisung der
Armen waren der römische Staat oder Privatpersonen zuständig. Zu nah wähnten
die ersten Christ*innen das Ende der Zeit und die Wiederkehr des Messias. Erst
nachdem der neue Glauben zur neuen Religion geworden und nicht mehr nur eine
Reformierung des Judentums war, etablierte sich auf der Basis der neugeschaffenen
Institutionen ein Auftrag, der der Seelsorge auch das körperliche Wohlergehen der
Menschen zur Seite stellte.
Das Gastmahl – vor allem das christliche letzte Abendmahl – ist ein so wichtiger
Aufhängungspunkt der westlichen Kultur und ein so häufig auftretendes
Bildmotiv, dass es nicht schwerfällt, eine Abbildung davon als solche zu lesen. Am
bekanntesten ist Leonardo da Vincis »Abendmahl« im Speisesaal der Mailänder
Klosterkirche Santa Maria delle Gracie, von welchem die Fotografin Katharina
Mayer vor allem die symmetrische Ordnung mit einer herausstechenden Figur im
Zentrum übernommen hat. Ist es bei da Vinci eine durchgängige gerade Tafel, an
der sich die zwölf Figuren drängen, nimmt sie in unserem Beispiel eine Hufeisenform
an, was historisch betrachtet näher liegt. Die Römer, zu deren Zeit die Szene
ursprünglich stattfand, nahmen ihre Gelage im sogenannten »triclinium« ein, liegend
und um eine offene Mitte platziert, in der die Speisen gereicht wurden. Im
Johannesevangelium heißt es: »Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus
lieb hatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu.« Alte Darstellungen aus dem sechsten
Jahrhundert zeigen deshalb die zwölf Apostel halbkreisförmig oder an drei ums
Eck laufenden Tischen gruppiert, wobei Jesus am linken vorderen Abschluss zu
liegen kam, an dem Platz, der damals der wichtigsten Person vorbehalten war. Weil
im Mittelalter dieser Brauch verloren gegangen war, man der Stelle bei Johannes
aber dennoch gerecht werden wollte, entstanden Darstellungen, in denen Jesus ein
schlafender Jünger an der Schulter lehnte. Vielleicht stellt sich Katharina Mayer
in diese Tradition, wenn sie die geladenen Gäste in ihrem »Gastmahl« wie zum
Schlafen übergebeugt zeigt?
Die vornübergebeugte Haltung von neun der dargestellten Figuren ist nicht
das Einzige, was ungewöhnlich ist. Vier der Anwesenden haben weiße Spitzhüte
auf dem Kopf, eigentlich nur zusammengerollte Bögen weißen Papiers, ähnlich der
Kochhaube, die der Mann in der Mitte trägt. Sie verleihen der Szene zusammen mit
dem schlafenden Habitus der Gäste und dem religiösen Tenor von Altar, Sakraldarstellungen
und Eucharistie eine Atmosphäre des Verklärten und Surrealen. So
erhält sich die übersinnliche Dimension der Szene auch in einem so drückend gegenwärtigen
Setting wie dem hier besprochenen. Victor Cos Ortega
Katharina Mayer, geboren 1958, fotografiert Menschen einzeln oder in Gruppen. Ihre
Bilder haben oft eine Spannung zwischen Inszenierung und Natürlichkeit, Momenthaftigkeit
und zeitlicher Erstreckung. So werden die verschiedenen Ebenen des
körperlich Greifbaren und geistig Subtilen in ihren Arbeiten wirksam. »Gastmahl der
Freunde« (2006 / 2021) ist noch bis 27. August 2023 im Dom Museum Wien als Teil
der Ausstellung »Mahlzeit« zu sehen.
017
»Who the fuck is Alice?«
Chat GPT beantwortet
die Fragen unserer Zeit
Wenn derzeit von Chat GPT die Rede ist, dann meist im Zusammenhang mit Copyright, Betrug und Schummelei. Dabei
hat der KI-Text-Generator das Potenzial, die fundamentalen Fragen aus dem wichtigsten aller Felder zu beantworten:
der Popkultur. Wir haben das Programm mit all den Dilemmas, Problemen und harten Nüssen gefüttert, die uns schon
nächtelang wachgehalten haben. Fünf aus Österreich, fünf internationale. Um es für uns spannender und für Chat GPT
herausfordernder zu machen, stellten wir eine kleine Zusatzaufgabe: jeweils eine spezielle Rolle einzunehmen.
Should I stay or should I go?
(aus »Should I Stay or Should I Go« von The Clash)
018
Why can’t I be yours someday?
(aus »Never Be Yours« von My Ugly Clementine)
Chat GPT, letting me down easy:
I’m sorry, but as an AI language model, I don’t
have the capability to have relationships or personal
feelings. But if you’re asking about a romantic
relationship, it’s important to remember that compatibility
and mutual feelings are key components
in any successful relationship. While it may not be
possible for us to be together in that way, I hope
you find someone who is a good fit for you and
brings happiness into your life.
Chat GPT as Shakespeare:
Verily, ‘tis a question that hath plagued the hearts of many,
»To stay or to depart, what shall one do in this plan?«
In this matter of love, one must weigh their heart,
And delve deep into their soul, a true work of art.
Reflect on the feelings that stir within thine breast,
And if thou art fulfilled, or yearn for something more.
For in this labyrinth of love, a path must be expressed,
And decisions made, which shall forever be in store.
Converse with thy partner, share thoughts and desires,
And with open hearts and minds, hear what each doth say.
For in this union, two lives doth conspire,
And both must find joy, if it be to last the day.
So stay or depart, the choice is thine to make,
And weigh well thy heart, for the future it doth shape.
But trust in thyself, and follow what thou feeleth true,
And thou shall find love, be it to stay or to depart anew.
Heast as nit? Wia die Zeit vergeht?
(aus »Heast as nit« von Hubert von Goisern)
Chat GPT als Poet*in:
Doch, ich höre sie rauschen, wie Blätter im Wind, verwehend,
unaufhaltsam, und doch von Bedeutung. Sie mahnt
uns, dass wir leben, dass wir handeln müssen, bevor sie
uns entflieht, in die Ewigkeit hinein.
Bernhard Frena
03/04/05
2023
Where is my mind?
(aus »Where Is My Mind?« von den Pixies)
Chat GPT as the victim in a horror movie:
It’s gone... taken over by the terror that surrounds
me. I can feel it slipping away with every passing moment,
consumed by the fear and madness. Oh god,
what is happening to me? Where has my mind gone?
I can feel my thoughts becoming muddled, my memories
fading away into a dark void. The fear grips
me so tight, it’s like a vice that refuses to let go. I
can hear whispers, echoes of something sinister and
malevolent lurking in the shadows. It’s like a part of
me has been taken, leaving a hollow emptiness in its
place. I can feel my grip on reality slipping away and
I don’t know, if I’ll be able to get it back. The horror
of it all is too much to bear. Where has my mind gone?
What is happening to me?
PETER CAT’S WIDE
WORLD OF SOUND #8
STEPHANE
GINSBURGH 17.03.
PAUL WALLFISCH & SPECIAL GUESTS
Reproduzierst du, was begehrt ist,
oder lieber nur dich?
(aus »Soldat_in oder Veteran« von Gustav)
Chat GPT als Kapitalismuskritiker*in:
Reproduzieren dessen, was begehrt wird, ist ein
wichtiger Teil des Problems des Kapitalismus. Es
führt zu einer Überproduktion und Überkonsum,
was sowohl die Umwelt als auch die Gesellschaft belastet.
»Sich selbst reproduzieren« meint stattdessen
das Streben nach eigener Verwirklichung und Befriedigung
von Bedürfnissen, unabhängig davon, was von
der Gesellschaft oder dem Kapitalismus als begehrt
dargestellt wird. Es geht darum, seinen eigenen Werten
und Überzeugungen treu zu bleiben und nicht
lediglich dem zu folgen, was als erfolgreich oder erstrebenswert
betrachtet wird. Ich möchte mich selbst
und meine Überzeugungen reproduzieren, statt mich
an dem zu orientieren, was von der Gesellschaft oder
dem Kapitalismus als begehrt dargestellt wird. Ich
möchte mich auf meine eigenen Werte und Bedürfnisse
konzentrieren und nicht nur auf den Profit.
Dies ist ein wichtiger Aspekt einer kritischen Haltung
gegenüber dem Kapitalismus, da es darum geht,
sich nicht von den Verlockungen des Kapitalismus
vereinnahmen zu lassen und stattdessen ein eigenständiges,
bewusstes und verantwortungsbewusstes
Leben zu führen.
MARC
ALMOND 02.04.
SOPHIE
LINDINGER 05.04.
DIRK VON
LOWTZOW 21.04.
MUSA DAGH 20.05.
CARI CARI 25.06.
V°T//music powered by
Foto © Nikolaus Ostermann
BIER &
STREET-
FOOD
War es Liebe oder sweet
codependency?
(aus »Schwarzes Karma« von Bilderbuch)
CRAFTBIERFEST.AT
INTERNATIONAL
ANIMATION
FILM
FESTIVAL
8.-12. März 2023
Chat GPT als Dialog zwischen
Psychiaterin und Patient:
psychiaterin: Hallo, wie geht es Ihnen heute?
patient: Hallo, es geht so. Ich denke immer noch viel
über meine Beziehung mit meinem Freund nach.
psychiaterin: Können Sie mir erzählen, was Sie
beschäftigt?
patient: Ich bin mir nicht sicher, ob es Liebe oder
Codependency ist. Ich fühle mich so abhängig von
ihm und kann nicht ohne ihn sein.
psychiaterin: Codependency bezieht sich auf eine
ungesunde Beziehung, in der eine Person ihr eigenes
Selbstwertgefühl von der Zustimmung und
Befriedigung des Partners abhängig macht. Was
denken Sie, was in Ihrer Beziehung vor sich geht?
patient: Ich denke, es ist Codependency. Ich verliere
mich oft in der Beziehung und vergesse, wer
ich bin und was ich will.
psychiaterin: Das klingt sehr schwer für Sie. Wir
können zusammenarbeiten, um Ihnen zu helfen,
eine gesunde Beziehung mit sich selbst und anderen
aufzubauen. Möchten Sie darüber sprechen,
wie wir das erreichen können?
patient: Ja, das wäre großartig. Ich bin bereit, an
mir zu arbeiten.
Wer hat den Mann mit
dem Koks bestellt?
(aus »Mutter der Mann mit
dem Koks ist da« von Falco)
Chat GPT, möglichst dramatisch:
Ein dunkles Geheimnis umgibt die Identität
desjenigen, der den Mann mit dem Koks
bestellt hat. Es ist jemand, dessen Absichten
und Motive im Dunkeln liegen. Eine Person,
die sich hinter einer Maske verbirgt und bereit
ist, alles zu tun, um ihre dunklen Pläne
zu verwirklichen. Wer es auch ist, sie ist gefährlich
und mächtig, und niemand ist sicher
in ihrer Gegenwart.
trickywomen.at
Who let the dogs out?
(aus »Who Let the Dogs Out« von Baha Men)
Chat GPT as a dog catcher driving up the price:
I did, and it ain’t cheap. You wanna get ‘em back,
it’s gonna cost ya.
Who the fuck is Alice?
(aus »Living Next Door to Alice« von Smokie)
Chat GPT as a drunk in a bar:
Uh, Alice? Yeah, she’s a chick I know from
around. Nice gal, ya know? We hit the bar a few
times. Can’t say I know much about her though.
Just your typical friendly local. Comes in, has a
few drinks, chats a bit. Don’t think I ever caught
her last name. That’s about it, really.
Gerfried Stocker — Foto: Ars Electronica / Florian Voggeneder
Symposion Dürnstein
heuer zum Thema:
»Das Gehirn und
seine Gesellschaft«
Spieglein an der Wand,
wer ist drei Tage wach?
(aus »3 Tage wach« von Lützenkirchen)
Chat GPT in Form eines Märchens:
Es war einmal ein Jäger namens Hans, der sich auf die
Jagd nach dem seltensten Wild in den Wäldern begab.
Eines Tages beschloss Hans, eine besondere Herausforderung
zu bestehen und drei Tage und Nächte ohne
Schlaf zu bleiben.
Während seiner Wanderung durch die Wälder kam
Hans an einem Spiegel vorbei, und aus Neugier fragte
er: »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist drei Tage
wach?« Der Spiegel antwortete: »Ich kann keinen finden,
der drei Tage wach war. Alle, die ich gesehen habe, haben
irgendwann geschlafen.«
Trotz der Warnung des Spiegels hielt Hans weiter
durch und jagte ohne Unterbrechung weiter. Am dritten
Tag war er jedoch erschöpft und seine Augen fielen
ihm zu. Als er aufwachte, befand er sich in einem kleinen
Dorf, wo ihm die Einwohner sagten, dass er bewusstlos
auf einem Pfad gefunden wurde.
Hans erkannte, dass er trotz seiner Anstrengungen
doch geschlafen hatte und dass die Warnung des Spiegels
wahr geworden war. Von diesem Tag an legte Hans immer
Pausen für Ruhe und Schlaf ein und wurde zu einem
weisen und erfolgreichen Jäger.
Von 23. bis 25. März wird beim zwölften
Symposion Dürnstein zu ergründen versucht,
was menschliche Intelligenz ausmacht und
welche ethischen sowie politischen Implikationen
mit dem Einsatz von KI einhergehen.
Dall-E 2, Chat GPT & Co – neue Tools zum Erstellen von Bildern oder
Texten mithilfe künstlicher Intelligenz sind in aller Munde. So beeindruckend
ihre Ergebnisse auch sein mögen, die Unsicherheiten, die damit
einhergehen, sind groß: Was bedeutet die rasante Entwicklung solcher
Werkzeuge für Berufsgruppen, deren Arbeit sie ersetzen könnten?
Wie mit Urheberrechtsfragen umgehen? Und wie vermeiden, dass falsche
Informationen oder unbewusste Vorurteile reproduziert werden? Gleichzeitig
ist auch das menschliche Gehirn noch lange nicht voll ständig
entschlüsselt – während es die Neuroforschung bereits ermöglicht,
unser Nervensystem zu beeinflussen.
Die Zukunft des menschlichen Gehirns
Im und rund um das Stift Dürnstein stehen Ende März – kuratiert von
Ursula Baatz – Vorträge und Podiumsdiskussionen auf dem Programm,
die sich mit Themen wie »The Female Brain«, »Psychedelische Substanzen
in einem therapeutischen Setting« oder »Wie viel Zukunft hat das
menschliche Gehirn?« beschäftigen. Ein weiteres Highlight: Gerfried
Stocker (Foto), künstlerischer Leiter von Ars Electronica, referiert über
»Das Andere Ich. Menschenbilder in der KI«.
Symposion Dürnstein
23. bis 25. März 2023
Niederösterreich, Stift Dürnstein
www.symposionduernstein.at
PROMOTION
»Freiraum macht
Clubkultur aus«
Martina Brunner im
Gespräch über die
Vienna Club Commission
Martina Brunner ist Co-Geschäftsführerin
der VCC und kümmert sich
um die inhaltliche Leitung.
022
Die Vienna Club Commission (VCC) existiert
seit 2020. Während der Pandemie entstand
sie als Vermittlungsstelle für Akteur*innen der
Wiener Clubkultur. Bis 2022 lief die VCC als
Pilotprojekt, dann legte die Stadt eine fixe Finanzierung
fest. In den kommenden vier Jahren
stehen 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Die inhaltliche
Leitung der VCC hat Martina Brunner
inne. Sie war schon Teil des Pilotprojekts und
hatte zuvor die Initiative Nachtbürgermeister
Wien gegründet. Wie man Know-how aus der
Szene holt, dass wir wieder lernen müssen zu
feiern und womit Wien international hervorstechen
könnte, erklärte uns Martina bei einer
Melange im Wirr.
Die Stadt Wien finanziert die VCC bis 2026
mit 1,2 Mio. Euro. Das Budget kommt aus
Bildung, Kultur und Wirtschaft. Wie lassen
sich deren Interessen mit den Bedürfnissen
der Szene vereinbaren?
martina brunner: Eine Geschäftsgruppe
wie die der Wirtschaft schließt das Bedürfnis
der Club-Akteur*innen nicht aus. Wenn die
Sperrstunde für die kommerziellen Clubs fällt,
fällt sie auch für die nicht gewinnorientierten.
Als Club Commission wollen wir die Kultur
nicht gegen die Wirtschaft ausspielen. Wir suchen
viel mehr nach einer Bandbreite, die allen
Akteur*innen im Nachtleben zugutekommt.
Christoph Liebentritt / Buero Butter
Das ist die diplomatische Aussage. Wen
vertritt die VCC aber, wenn sich wirtschaftliche
Interessen nicht mit den Bedürfnissen
der Szene decken?
Die VCC ist keine Interessenvertretung,
sondern eine Dialogplattform. Sie arbeitet
deshalb immer im Interesse aller Beteiligten,
aber nie gegen jemanden. Wenn wirtschaftsgetriebenere
Clubs Forderungen haben,
schauen wir uns an, für wen das Vorteile
bringt – nur für die Fordernden oder für eine
breitere Gruppe? Wir können z.B. nicht einfach
sagen, Clubs sollen 24 Stunden geöffnet
haben, um mehr Profit zu machen. Man muss
gleichzeitig beachten, welche Auswirkungen
das mit sich bringen würde, zum Beispiel für
Anrainer*innen oder Angestellte.
Du sprichst von der Forderung wirtschaftsgetriebener
Clubs. Was ist mit anderen?
Natürlich existieren nicht kommerzielle
Veranstaltungsformate, aber: Die Clubkultur
ist nie komplett nicht kommerziell. Selbst
wenn man illegale Raves organisiert, kauft
man die Getränke im Supermarkt – die Wirtschaftlichkeit
begleitet die Clubkultur.
Wie profitiert Clubkultur durch euch?
Zum Beispiel beim Thema Förderungen.
Die Förderung für »klimafitte Kulturbetriebe«
war etwa zu Beginn nicht explizit
für Clubs ausgeschrieben. Wir konnten
vermitteln, dass Clubs Kultur sind. Im Förderkatalog
steht nun, dass auch Clubs um
eine Förderung ansuchen können.
Der Begriff Clubkultur entwickelt sich,
wird schärfer.
Man muss sich nur anschauen, was
sich in den letzten beiden Jahren getan
hat. Inzwischen gibt es einen Code of Conduct
für eine nachhaltigere Szene. Awareness-Teams
sind nicht mehr aus Clubs
wegzudenken. Die gesamtgesellschaftliche
Bedeutung hat sich seit der Pandemie viel
stärker entwickelt als davor.
Dadurch löst sich die Clubkultur aus dem
sogenannten Underground – sie wird institutionalisiert.
Als VCC bewegen wir uns in einem Spannungsverhältnis,
klar. Wir achten aber darauf,
dass die Clubkultur nicht zu sehr institutionalisiert
wird. Als Beispiel: Vor fünf Jahren
haben Clubkultur-Akteur*innen noch gesagt,
dass sie kaum Aufmerksamkeit und Wertschätzung
bekommen, während die Hochkultur
durchfinanziert würde. Inzwischen gibt es
eine institutionalisierte Club Commission, die
für Sichtbarkeit und Repräsentanz einsteht,
aber: Weder die Clubkultur an sich, noch die
Veranstaltungsformate und ihre Akteur*innen
sollen dadurch institutionalisiert werden.
Das heißt?
Dass der Freiraum bestehen bleibt, der
Clubkultur in ihrer Essenz ausmacht.
Innerhalb der VCC gibt es die VCC-
Sessions mit drei Fokusgruppen, in denen
man aktuell zu Nachhaltigkeit, zum öffentlichen
Raum und zu Awareness arbeitet.
Bei den VCC-Sessions stellen wir drei
Projekte im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen
Bereich vor, zu denen wir über
einen Zeitraum von drei Monaten arbeiten.
Für jeweils einen Bereich kann man sich als
Lead-Manager*in zur Wahl stellen. Wenn
dich Clubkultur im öffentlichen Raum interessiert
und du ein Know-how dazu hast,
könntest du dich einbringen und bewerben.
Wahlberechtigt sind alle, die an der VCC-
Session teilnehmen.
»Die Clubkultur ist
nie komplett nicht
kommerziell.«
— Martina Brunner
Die Position der Lead-Manager*in ist entlohnt.
Wer in den Fokusgruppen arbeitet,
bekommt kein Geld. Wie soll man gegen
das Kulturprekariat kämpfen, wenn man
mit Liebe und der Hoffnung auf eine bessere
Zukunft bezahlt wird?
Ich versteh den Gedanken, trotzdem
gibt es den Wunsch, sich bei diesen Themen
einzubringen und das Nachtleben mitzugestalten.
Die VCC verfügt über ein begrenztes
Budget von 300.000 Euro im Jahr. Damit kann
man nicht alle bezahlen, die sich involvieren
möchten. Wir mussten uns deshalb ein System
überlegen, mit dem wir das Know-how
aus der Szene einholen. Die bezahlten Lead-
Manager*innen verpflichten sich dazu, während
sich alle Interessierten weiterhin auf
freiwilliger Basis einbringen können.
Die Fokusgruppen präsentieren nach drei
Monaten ihr Ergebnis …
Es kann auch kein Ergebnis geben.
Aber wenn es zu einem Ergebnis kommt?
Konkretes Beispiel aus der Fokusgruppe
Safer Party – Safer Nightlife: Die Lead-Managerin
hat einen Fragebogen designt, der am
Ende des Quartals gelauncht werden soll. Unsere
Aufgabe als VCC ist die Umsetzung. Dafür
sprechen wir mit der Verwaltung, um Synergien
abzuklären, Kofinanzierung zu erfragen und
Partnerschaften mit anderen Servicestellen einzugehen.
In der Strategieentwicklung definieren
wir mögliche Umsetzungen – basierend auf
der Umfrage. Ob Workshops für Securitys oder
zusätzliche Förderungen für Awareness-Teams.
Das klingt bereits nach konkreter Umsetzung.
Lass uns aber einen Schritt früher
ansetzen: Ist eine Umsetzung der Ergebnisse
aus den Gruppen bindend?
Es gibt keine Verbindlichkeit, weder für
uns noch für die Stadt Wien. Die Selbstverantwortung
des Kernteams sichert aber, dass
wir nicht nur lustig herumtun und fünf Jahre
verstreichen lassen, ohne am Ende mit Ergebnissen
dazustehen. Das wäre fatal für eine
subventionierte Institution.
Das heißt: Die Stadt Wien müsste z.B. keine
Awareness-Teams fördern, selbst wenn
das Ergebnis der Studie befände, dass das
der Clubkultur förderlich wäre.
Jein. Es gibt Meilensteine, die wir im Konzept
definiert haben – sechs Workshops und
vier Podiumsdiskussionen zum Beispiel, die
Neukonzeptionierung der Homepage oder
monatliche Newsletter. Außerdem legen wir
die Themen der Fokusgruppen fest. Was dabei
rauskommt, ist aber nicht bindend. Strategische
Flexibilität fasst es gut zusammen.
Das klingt sehr wirtschaftlich.
Gar nicht! Man braucht eine Strategie,
die man verfolgt – darüber steht der
Anspruch, die Situation für alle Clubs und
Veranstaltungsakteur*innen besser zu machen.
Was dafür passieren muss, passiert im
Alltag, den man nur begrenzt planen kann.
Als Beispiel: Wir kommen aus der Pandemie
und müssen als Gemeinschaft den respektvollen
Umgang beim Feiern wieder neu lernen.
Die VCC rückt daher das Thema Awareness
in den Fokus. So reagieren wir auf das,
was passiert, und können uns entwickeln.
Oft hört man: Es gibt zu wenig Räume,
in denen man veranstalten kann.
Wien hätte Räume, die der Stadt einen
speziellen clubkulturellen Charakter geben
könnten. Schau dir die Semmelweisklinik
oder den Zukunftshof an. Das gibt es nur in
Wien! Clubkultur könnte man bei all diesen
Räumen als Möglichkeit mitdenken, anstatt
sie anderes zu nutzen. Ein weiteres Beispiel,
das den Bund angeht: die Flaktürme. Stell dir
da einen Club drin vor! Deshalb muss es darum
gehen, kulturelle Räume zu schaffen und
für diesen Zweck zu erhalten. Dafür setze ich
mich in der VCC ein. Christoph Benkeser
Wer sich einbringen will oder einfach am
Wiener Clubgeschehen interessiert ist kann
zur nächsten VCC-Session kommen. Die
aktuellen Termine findet ihr auf der Website
der Vienna Club Commission unter www.
viennaclubcommission.at.
Offenlegung: The-Gap-Mitherausgeber
Thomas Heher ist in seiner Funktion
als Co-Geschäftsführer der Vienna Club
Commission für deren kaufmännische
Leitung verantwortlich. Die VCC und
The Gap teilen sich Büroräumlichkeiten.
023
»Nicht das Schmalz,
aber der Kitt«
ORF-Topos-Chef Gerald
Heidegger im Interview
024
Zwar nicht heimlich, aber doch recht still hat
der ORF Ende November seine neue digitale
Plattform Topos gestartet. Unter topos.orf.at
finden sich Beiträge aus Kunst, Kultur, Religion
und Wissenschaft in einem bunten Medienmix
aus Text, Bild, Video und Ton. Gerald Heidegger
ist Chef dieses neuen Angebots. Wir haben mit
ihm darüber gesprochen, was uns auf der Plattform
erwartet, wen er ansprechen will und welchen
Platz er für Topos in der österreichischen
Medienlandschaft sieht.
Magst du einen Pitch für Topos machen?
Warum sollten unsere Leser*innen auf topos.orf.at
schauen? Was bringt ihnen das?
gerald heidegger: Auf Topos zu schauen
lohnt sich, weil man genau das dort entdeckt,
womit man nicht gerechnet hat und das einen
begeistert. Ich halte es für eine Plattform für
Entdeckungen, für genau das, was ich nicht
auf dem Schirm hatte. Es ist manchmal fancy,
manchmal ernst, manchmal abgründig.
Vielleicht ein unbequemes Wort: Zielgruppe.
Für wen ist Topos?
Nein! Ein schönes Wort. Alle! Ich finde, Topos
ist für alle. Dadurch, dass wir sagen, wir sind
neu und anders, richten wir uns schon dezidiert
an ein jüngeres Publikum, aber wir wollen ganz
verschiedene Identities rund um Topos haben.
Die sollen alle ihre Insel auf der Plattform finden.
Vielleicht haben sie nicht mit allem etwas
zu tun, aber sie entdecken immer was. Das Ziel
ist es, niederschwellig gute Qualität zu schaffen
und so mehr Leute zu erreichen. Wenn man
heute Ö1 hört, kann man großartige Sachen
niederschwellig entdecken. Ich glaube, bei uns
ist die Essenz ähnlich, mit ausgestreckter Hand.
Was genau ist die Rolle von Popkultur bei
Topos?
Popkultur heißt für mich einmal Öffnung,
heißt einen breiteren und die Eintrittsbarrieren
senkenden Zugang zu Themen. Leichtfüßiger
zu sein und auch die Leute mit hereinzuholen,
die wir nicht notwendigerweise
haben. Popkultur heißt für mich auch, die Disziplingrenzen
runterreißen. Auf Topos dürfen
wir ja nichts als Kultur, Wissenschaft oder
Religion kategorisieren. Aber in Wahrheit ist
das gut, weil wir damit nicht mehr schubladisieren.
Viele Dinge spielen sich nicht entweder
in der Wissenschaft oder in der Kultur
oder in der Religion ab. Für mich ist Popkultur
ein Scharnier, um Vorhänge runterzureißen,
anders auf unsere Umwelt zu schauen und
herauszufinden, wie eine atomisierte Gesellschaft
wieder zusammenfinden kann.
Wie siehst du die Rolle von Topos in der österreichischen
Kulturmedien-Landschaft?
Ich möchte schon das Signal aussenden,
mit Topos auch für andere Medien offen zu
sein. Wir wollen Topos insgesamt als Produkt
für einen österreichischen Medienstandort
sehen. Als öffentlich-rechtliches Medium
zahlen wir in so ein Projekt ja mehr ein, als
wir rauskriegen. Einerseits ist das eine Investition
in unsere eigene Veränderung und
andererseits, um ein genuin österreichisches
Medium zu etablieren, das nicht in einer breiteren
Landschaft wie Funk und Co untergeht.
Topos bietet auch Literatur einen Platz: Elias Hirschl in »Archive des Schreibens«.
Weil du gerade Funk erwähnt hast: Wo
siehst du da Unterschiede und Überschneidungen
zu Topos?
Man kann sicher sehr viel lernen von
Funk, gerade bei neuen Video-Erzählformaten
und Serienformaten. Ich sehe den wesentlichen
Unterschied darin, dass wir nicht
»Es muss in der
ganzen Szene ein
anderer Mut her.
Es braucht mehr
gut gelaunte
Medien.«
— Gerald Heidegger
Gerald Heidegger leitet Topos seit letztem Jahr.
Davor war er Chefredakteur von orf.at.
ORF, Roman Zach-Kiesling / ORF
025
so viel an Produktionsprojekten auslagern,
sondern das Know-how eher im Haus halten
wollen. Wir arbeiten auch mit Produktionsfirmen
zusammen, halten aber von der
Produktion mehr in der eigenen Hand. Die
neuen Erkenntnisse aus Topos gehen dann
auch direkt wieder ins Haus zurück. Funk
hat als Marke den Auftrag, sich ganz woanders
hineinzubewegen. Funk ist außerdem
sicher noch viel mehr auf ein junges Zielpublikum
zugeschnitten als Topos.
Was sind heuer die Pläne für Topos?
Der Plan ist einmal, Topos zu konsolidieren.
Wir sind mit Topos rasch rausgegangen,
weil wir vor allen Mediengesetz-Debatten
das genehmigte Produkt in der Landschaft
haben wollten. Jetzt ist die Konsolidierung,
Verbesserung und Absicherung von Topos
wichtig. Und dann muss man schauen, dass
wir so was wie eine unverwechselbare Handschrift
kriegen. Wir haben bei Topos noch
nicht festgelegt, was genau wir sind, sondern
wir sind noch ein bisschen kunterbunt. Und
vielleicht wollen wir das auch bleiben. Dass in
einem ORF-Produkt das Nutzungsverhalten
ein bisschen eine Abenteuerreise ist, halte ich
für keinen Nachteil.
Eine etwas spekulative Frage: Falls für
den ORF die Einschränkungen für Online-
Inhalte fallen sollten, wohin könnte diese
Reise dann gehen?
Topos hat für uns im Moment eine passende
Genehmigung. Ich fände wichtig, dass
wir auch auf Drittplattformen sein können. Für
uns als ORF insgesamt ist natürlich wichtig, ein
Mediengesetz zu haben, das mit der Medienwirklichkeit
zu tun hat. Wir hinken in allem der
Realität hinterher. Aber grundsätzlich ist mein
Wunsch, dass wir die guten, großen Geschichten
im Land identifizieren und konstruktiv darüber
berichten. Ich habe in Österreich manchmal
das Gefühl, die Medien sind übel gelaunt.
Es muss in der ganzen Szene ein anderer Mut
her. Es braucht mehr gut gelaunte Medien.
Wie geht ihr mit den Herausforderungen
einer digitalen Medienlandschaft um?
Als ORF müssen wir die Gesellschaft
davon überzeugen, dass wir schon lange die
Entwicklung dieses Landes begleiten. Es ist
heute nicht mehr selbstverständlich, dass
Leute für Abonnements oder Content zahlen.
Neben den Drittplattformen brauchen
wir als österreichische Gesellschaft dann
aber auch offene Angebote, um die Leute in
der österreichischen Medienlandschaft zu
halten. Ich glaube, in der jetzigen Mediendebatte
wird das viel zu wenig gesehen, weil
das noch immer eine Medienüberlebensdebatte
aus den 90ern ist.
Du hast in der Vergangenheit von Topos als
etwas gesprochen, das Gesellschafts- und
Empathiebildung bringen kann. Wie genau
meinst du das?
Wenn Medien in einer Gesellschaft
nicht Empathie erzeugen, dann haben sie
ihre Grundfunktion aufgegeben. Auf Topos
hast du die Chance, deine Insel zu finden
und von dort dann auf die Nachbarinseln zu
schauen. Topos sagt nicht: »Habt’s euch alle
lieb.« Aber es sagt: »Live your identity und
schau mal rüber zu anderen Identities und
rede mit denen.« Das ist, glaube ich, der Sinn
von Medien. Unser Anspruch als öffentlichrechtliche
Plattform ist schon, der Kitt in einer
Gesellschaft zu sein. Nicht das Schmalz,
aber der Kitt. Nur Medien können es schaffen,
dass diese vereinzelten Inseln wieder
mehr in Kontakt kommen. Deshalb heißt es
auch Topos. Ich finde mein Thema am richtigen
Ort. Aber ich komme auch an Orte, mit
denen ich nicht gerechnet habe.
Bernhard Frena
Die Serie »Straussmania« auf Topos beleuchtet,
warum das Biedermeier nicht ganz so bieder
war, das Erzählformat »Die doppelte Frau« gibt
einen Einblick ins Österreich der 40er und
»Archive des Schreibens« präsentiert kontinuierlich
neue österreichische Autor*innen.
All das und mehr zu finden auf topos.orf.at.
Im Zuschnitt werden die
Freitag-Taschen zu Unikaten.
Ein Leben nach
der Straße
Freitag und die
kreislauffähige
Lkw-Plane
026
Der Upcycling-Pionier Freitag feiert heuer sein
30-Jahr-Jubiläum. Auch in Wien prägen die Taschen
aus ausgemusterten Lkw-Planen schon
lange das Stadtbild. Ob beim Bobo der ersten
Generation oder bei der Fridays-for-Future-
Aktivistin – Design und Weltbild des Schweizer
Unternehmens kommen an. Mit eigens entwickelten
Planen soll der Materialkreislauf nun
noch weiter geschlossen werden. ———— »Endlos
ist ein großes Wort«, sagt Anna Blattert,
Circular Technologist bei Freitag. Sie verwendet
es dennoch, weil es dem Unternehmen um
eine Vision gehe: Irgendwann einmal sollen
die Lkw-Planen, aus denen Freitag-Taschen
gefertigt sind, im technischen Kreislauf gehalten
werden können. Idealerweise eben:
endlos. Blattert bezieht sich damit auf das
Konzept der Circular Economy bzw. Kreislaufwirtschaft,
die entweder – im biologischen
Kreislauf – die Verwendung von biologisch
abbaubaren und nachwachsenden
Rohstoffen vorsieht oder – im technischen
Kreislauf – das verlustfreie Recycling von
nicht abbaubaren Rohstoffen.
Ein zweites Leben
Schon bisher war man bei Freitag um eine möglichst
lange Nutzung der Lkw-Planen bemüht.
Zwischen fünf und acht Jahre verbringen sie
im Durchschnitt auf der Straße. Die ausgemusterten
Planen werden dann bei Logistikunternehmen
aus ganz Europa angekauft und nach
Zürich-Oerlikon verfrachtet. Dort, am Fabriksgelände
des Taschenherstellers, beginnt
die Arbeit am zweiten Leben des Materials:
Die Planen von mehreren Metern Länge werden
in einem ersten Schritt zerteilt, Ösen und
Nähte entfernt. In riesigen Waschmaschinen
im Untergeschoß werden die »Planenfilets«
gewaschen, anschließend getrocknet, farblich
sortiert und auf Rollen aufgewickelt.
Im Bag Design wird das Material dann
mittels Schablonen zugeschnitten. Für Freitag,
so Unternehmenssprecherin Lis Isenegger,
ein eigener Designschritt: »Es geht darum,
die schönstmöglichen Unikate zu schneiden
und dabei so wenig Material wie möglich zu
verschwenden.«
Partner*innenbetriebe in Bulgarien,
Portugal, Tschechien, Rumänien und der
Schweiz vernähen die diversen Taschen und
Accessoires wie Geldbörsen oder Schlüsselanhänger
schließlich. Etwa 400.000 Stück
davon setzt das Unternehmen pro Jahr um,
bei einem Materialverbrauch von 350 Tonnen
Lkw-Planen, 106.000 Autogurten und 28.000
Fahrradschläuchen. Hinzu kommen – für
neuere Modelle – 32.000 m 2 recyceltes PET-
Textil und 9.700 m 2 Airbag-B-Ware.
Damit die Produkte möglichst lange in
Verwendung bleiben, bietet Freitag einen
Reparaturservice an. Und am Black Friday
– als Kontrapunkt zum Konsumspektakel –
Tauschmöglichkeiten in zahlreichen Freitag-
Stores in Europa und Asien, zusätzlich zu
einer Online-Tauschplattform, die das ganze
Jahr über genutzt werden kann. Dass Freitag-
Taschen auch secondhand sehr beliebt sind,
finde man erfreulich, so Isenegger, weil es gut
zur Idee der Kreislaufwirtschaft passe.
Dennoch: Irgendwann lande jede Tasche
in der Tonne, erklärt die Unternehmenssprecherin.
»Und selbst wenn wir bei Freitag mit
dem Restmüll Fernwärme generieren – kreislauftechnisch
ist das noch nicht das Ende der
Fahnenstange. Recycling ist toll, aber das alleine
reicht uns nicht mehr. Es geht darum,
dass Materialien von Anfang an so gefertigt
sind, dass sie wieder in den Materialkreislauf
zurückgeführt werden können. So wie wir es
von Glas kennen, das man x-fach einschmelzen
und wieder neu verwenden kann.«
Hier kommt das Projekt »Circular Tarp«
ins Spiel. Anna Blattert: »Lkw-Planen sind
ein Verbund aus Polyestergewebe, beschichtet
mit weichem PVC. Das macht es sehr
schwer, sie zu recyceln. Unser Ziel ist es,
eine kreislauffähige Plane auf die Straße zu
schicken, um daraus dann später Taschen zu
nähen.« Gemeinsam mit Partner*innen aus
der Planenherstellung und der chemischen
Industrie arbeitet Freitag aktuell an neuen
Materialien, zwei davon fahren bereits als
Prototypen auf Lkws durch die Schweiz.
Bis Haptik, Optik und Verarbeitbarkeit dem
gewohnten Standard für Freitag-Taschen
entsprechen, werde es aber noch dauern, so
die Circular-Technology-Spezialistin. »Und
auch die Bauart der Produkte wird sich ändern
müssen, wenn wir voll kreislauffähig
sein wollen. Sie müssen leicht zerlegbar sein,
damit wir die reine Plane ins Recycling geben
können und nicht Klebstoff, Nähte oder
andere Materialien mit dabeihaben.«
Neue Geschäftsmodelle
Eine weitere Herausforderung: PVC sei
unschlagbar günstig, so Blattert, aber ihre
Projektpartner*innen hätten verstanden,
dass man sich an das anpassen müsse, was
in Zukunft am Markt gefragt oder gar gesetzlich
gefordert sein werde. »Die Planen
werden teurer werden, aber wir glauben daran,
dass wir neue Geschäftsmodelle finden
können, die es uns ermöglichen, ihren Preis
anders zu bewerten, ihn zeitlich auf mehrere
Schultern zu verteilen. Vielleicht verleasen
wir die Planen ja sogar einmal an die Logistikunternehmen.«
Dass die Produkte des Unternehmens
– nicht nur in ökologischer Hinsicht – gut
durchdacht sind, war schon bei der Messenger-Bag
F13 Top Cat der Fall, der allerersten
Freitag-Tasche. Die Firmengründer Markus
und Daniel Freitag, beide Grafikdesigner und
passionierte Radfahrer, ließen sich dazu 1993
vom Lkw-Verkehr inspirieren, der vor ihrem
WG-Küchenfenster tagtäglich über die Zürcher
Hardbrücke donnerte. Seitdem wurden
ihre funktionalen Designs zigfach kopiert
und mit Preisen ausgezeichnet.
Mit der Kreislaufwirtschaft setzen »die
Brüder«, wie es im Freitag-Jargon heißt, seit
einigen Jahren auf ein sehr viel umfassenderes
Konzept, als es das bloße Upcycling ihrer
Anfangstage war. Erfolgreich umgesetzt
wurde es etwa schon bei der Materialentwicklung
für die Kleiderlinie des Taschenherstellers.
Die Stoffe bestehen aus Bastfasern,
sind robust sowie nachhaltig in Europa
produziert – und sie können am Kompost
entsorgt werden.
Manuel Fronhofer
In Österreich sind die Produkte von Freitag bei
diversen Vertriebspartner*innen sowie im Wiener
Freitag Store in der Neubaugasse erhältlich.
Für alle, die am Thema Kreislaufwirtschaft interessiert
sind: Am 27. Februar hält Julia Schmitt
von der Johannes Kepler Universität Linz auf
Einladung der Beratergruppe Neuwaldegg
einen Vortrag zum Thema im Magdas Hotel in
Wien. Kostenpflichtige Anmeldung erforderlich.
Offenlegung: Unser Besuch bei Freitag erfolgte
auf Einladung des Unternehmens.
14. April – 12. Mai 2023
WIENER NEUSTADT
Christoph
ZIMPER
Marlis
PETERSEN
Benjamin
SCHMID
Harriet
KRIJGH
Maria
RADUTU
Vision String
QUARTET
Joël Tettamanti, Manuel Fronhofer, Elias Bötticher
Prototypen der kreislauffähigen Plane werden bereits auf der Straße getestet.
www.milchundhonig-wn.at
/milchundhonig.festival
Wien und die Welt
Illustration Ladies
Vienna im Interview
028
Janina Kepczynski ist eine
der beiden Gründerinnen
der Illustration Ladies.
Zum Zeichnen in die Bar: Die Illustration Ladies
vernetzen von Wien aus Illustratorinnen
in mittlerweile elf Städten. Ein Gespräch mit
Janina Kepczynski, einer der beiden Gründerinnen,
über ehrenamtliche Fulltime-Jobs und
gemeinsames Zeichnen, Einzelkämpferinnen
und Mailänder Eisdielen. ———— Die Vision
– »Frauen stärken, Austausch fördern, stilistische
Vielfalt zeigen, Sichtbarkeit schaffen«–
stammt aus Wien. Die Idee hat sich längst
über die ursprüngliche Stammzelle der Illustration
Ladies Vienna hinaus verbreitet. 2018
von den beiden Illustratorinnen Janina Kepczynski
und Florine Glück gegründet, gibt es
mittlerweile in elf Städten eigene »Chapters«,
die ähnlich arbeiten: Kommerziell agierende
kreative Einzelkämpferinnen organisieren
sich mit ihresgleichen, schaffen auf Social
Media Öffentlichkeit für ihr Tun und treffen
sich auch offline zum Erfahrungsaustausch
und zum gemeinsamen Illustrieren.
Die Illustration Ladies wurden 2018 in Wien
als feministisches Netzwerk gegründet, um
Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame
Projekte zu starten. Welche gemeinsamen
Projekte gab es denn seither?
janina kepczynski: Von Anfang an treffen
wir uns ungefähr einmal im Monat, um
gemeinsam zu einem Thema zu zeichnen.
Hier vernetzen wir uns und lernen immer
wieder neue Illustratorinnen kennen. Es
gibt aber auch gemeinsame Projekte, beispielsweise
eine Street-Art-Ausstellung im
Wien Museum, wo wir 20 Illustratorinnen
waren, die für die Ausstellung »Take Over«
zum Thema »Characters« illustriert haben.
Das war quasi die Abrissausstellung im
Wien Museum bevor der Umbau begonnen
hat. Die zehn Meter lange »Characters«-
Illustration war dann auch im Museumsquartier
bei der Designmesse Offf Vienna
zu sehen. Damit haben wir also sehr viele
Menschen erreicht und vor allem viele
Designer*innen und Art-Direktor*innen,
eine der Hauptkund*innengruppen für
Illustrator*innen. Es gab aber auch immer
wieder kommerzielle Auftragsarbeiten als
Illustratorinnengruppe – wir nennen das
»Team Illustrations«, zum Beispiel mit einer
Werbeagentur gemeinsam für Roche – also
einen Pharmakonzern –, für den wir das
Sujet für eine Breast-Cancer-Awareness-
Kampagne gestaltet haben. Da wurden Brü-
ste in verschiedenen Formen illustriert, von
Frauen für Frauen. Die Bilder sind im Anschluss
dann auch im Lokal Sneak In ausgestellt
worden, es gab eine Pressekonferenz
und einen großen Kampagnenlaunch. Oder
für Fritz Kola haben wir im siebten Bezirk
beim Café Siebenstern einen Gastgarten als
»Team Illustration« gestaltet.
Was muss man tun oder welche Voraussetzungen
muss man erfüllen, wenn man
sich den Illustration Ladies anschließen
möchte?
Anfangs war alles relativ offen, jede
konnte mitmachen. Mittlerweile ist unser
Netzwerk ziemlich gewachsen und bekannt
geworden, deshalb beschränken wir uns auf
Illustratorinnen, die das hauptberuflich machen
und denen ein Netzwerk und der Erfahrungsaustausch
beruflich weiterhilft. Als
Illustratorin bist du sozusagen Einzelkämpferin
und musst dir dein Business selbst aufbauen.
Ein Kriterium ist deshalb: Wer bei uns dabei
ist, hat eine aktuelle Website mit Portfolio
und auch bereits mit Kund*innen gearbeitet.
Und wir raten auch allen, ein Portfolio auf Instagram
anzulegen.
Katja Hasenöhrl, Illustration Ladies
Mitgliedsbeitrag gibt es aber keinen? Oder
konkrete Verpflichtungen …
Der Austausch ist kostenlos. Florine und ich
arbeiten seit Beginn an sozusagen ehrenamtlich,
weil uns Austausch und Netzwerk am Herzen
liegen. Aber inzwischen erhalten wir so viele
Anfragen von Agenturen und Kund*innen, die
auf der Suche sind nach der passenden Illustratorin,
dass wir beschlossen haben, uns hier zu
professionalisieren und den Bedarf nach Vermittlung,
der hier ganz augenscheinlich besteht,
zu bedienen. Wir vermitteln also inzwischen Illustratorinnen
und berechnen eine kleine Provision,
wenn ein Job erfolgreich umgesetzt wird.
Die Illustratorinnen sind bei uns allerdings
nicht exklusiv, das heißt, sie können auch andere
Agenturen haben oder klarerweise selbst
aktiv sein. Um sowohl das lokale Netzwerk in
Wien als auch das globale Netzwerk am Laufen
zu halten, können alle, die unsere Arbeit gut
finden, Supporter auf Patreon werden und das
Netzwerk monatlich mit einem kleinen Beitrag
unterstützen. Ganz nach dem Motto: »Support
us to support you!« Teilweise ist unsere Organisationsarbeit
ein echter Fulltime-Job. Deswegen
diese Varianten. Wir sind aber ständig am
Ausprobieren, was das passendste Modell für
uns und für die Illustratorinnen ist.
»Als Illustratorin bist du sozusagen
Einzelkämpferin und musst dir dein
Business selbst aufbauen.«
— Janina Kepczynski
Die Illustration-Sessions als monatlichen
Stammtisch und Netzwerktreffen gibt es
mittlerweile auch in Linz, Graz und Salzburg.
Kommen zu euren Sessions in Wien
auch Illustratorinnen aus den Bundesländern
oder sind die Illustration Ladies Vienna
wirklich ein reines Hauptstadtnetzwerk?
Wir mischen gerne durch. Wer in der
Stadt ist, kann gern vorbeikommen. Letztens
haben wir extra zu einem Österreich-Treffen
geladen, da sind auch viele aus Graz und Salzburg
gekommen. Wir freuen uns sehr über
den Austausch zwischen den Städten. Auch
für uns als Organisatorinnen ist es toll, so viele
Illustratorinnen kennen zu lernen. So haben
wir unterdessen einen sehr guten Überblick,
welche Illustratorinnen in Österreich arbeiten,
und wissen ziemlich gut, wer in welchem Arbeitsfeld
unterwegs ist und wer welche Spezialisierung
hat. Das Berufsbild der Illustration
ist ja so vielfältig. Da kann man in Bereichen
arbeiten wie Animation, Werbe-Illustration,
Graphic Recording, Lettering, Packaging-Illustration,
Buch- oder Editorial-Illustration,
Live-Illustration, Wandgestaltung usw.
Ihr wurdet von der Stadt Wien gefördert
und als »Future Community« ausgezeichnet.
Was hat euch das gebracht?
Ein Ziel unseres Netzwerks ist es, Sichtbarkeit
zu schaffen. Jede Auszeichnung
schafft Wahrnehmbarkeit und je mehr Leute
von unserem Netzwerk erfahren, desto besser
sichtbar sind die einzelnen Illustratorinnen.
Da haben alle was davon. Und manchmal
kommen als direkte Auswirkung auch gleich
Jobanfragen oder Kooperationen rein. Wir arbeiten
zum Beispiel mit der monatlichen Vortragsreihe
»Creative Mornings« zusammen
und sorgen gerne für Abwechslung, damit die
Illustration-Sessions nicht langweilig werden.
Da haben wir zum Beispiel für das Magazin
von »Creative Mornings« gemeinsam ein Cover
gestaltet, das gerade erst mit dem Joseph
Binder Award ausgezeichnet wurde, was uns
wirklich sehr gefreut hat.
Das Konzept Illustration Ladies wurde bereits
mehrfach exportiert. Auch in Zürich,
Mailand, Köln, Amsterdam und Costa Rica
sind Einzelkämpferinnen als Illustration
Ladies vernetzt. Wie hat sich das ergeben?
Nach den ersten Treffen in Wien kam
plötzlich eine Anfrage aus Costa Rica, ob sie
unser Konzept übernehmen dürften und die Illustration
Ladies auch bei sich starten könnten.
Wir haben denen dann Logos zur Verfügung
gestellt, Tipps gegeben, wie man startet und
Sessions plant. Das hat dort auch gleich gut
funktioniert, seither kommen regelmäßig Anfragen
aus anderen Städten. Wir haben dann
ein einfach erweiterbares Corporate Design für
ein expandierendes, globales Netzwerk entwickelt.
Oft folgt uns jemand auf Instagram, beobachtet
uns und startet ein Netzwerk in ihrer
eigenen Stadt. Unterdessen sind es elf Städte
weltweit, die unsere Idee mittragen und so
nach unserem Konzept lokale Netzwerke aufbauen,
was wir natürlich sehr begrüßen.
029
In Wien Neubau gestalteten die Illustration Ladies
Vienna für Fritz Kola einen Gastgarten.
Ich nehme an, mittlerweile gibt es konkrete
Vorgaben, wenn zum Beispiel jemand Illustration
Ladies München oder Bratislava
starten möchte.
Ja, die gibt es. Fünf Jahre Berufserfahrung
wären gut, um dem Netzwerk bei Fragen
wirklich mit brauchbaren Antworten zur Verfügung
stehen zu können. Die Hosts führen
dann auch den jeweiligen Instagram-Kanal
des Netzwerks. Man sollte also an Austausch
interessiert sein und sich gerne mit den sozialen
Medien beschäftigen. Die Chapter können
»Wir haben ein einfach
erweiterbares Corporate
Design für ein expandierendes,
globales Netzwerk
entwickelt.«
— Janina Kepczynski
auch gerne zwei Hosts haben, das macht mehr
Spaß und ist effektiver. Wir freuen uns immer,
wenn sich Interessierte bei uns melden. Wir
sagen aber offen dazu, dass ein Haufen Arbeit
damit verbunden ist. Aber wer uns aktiv anschreibt,
ist meist sehr motiviert und outgoing,
aktiv und vernetzend.
030
Funktioniert die gegenseitige Unterstützung
auch international?
Länderübergreifende Jobanfragen, die
wir vermitteln konnten, gab es bislang noch
nicht. Wenn eine Eisdiele in Mailand eine
Wandgestaltung braucht, leite ich das an die
Host-Lady in Mailand weiter. Die kann sich
die Eisdiele anschauen und kennt ihr lokales
Netzwerk am besten. Aber ja, denkbar ist
das – und viele Illustrationsjobs kann man ja
ortsunabhängig erledigen.
Wie groß ist denn das Netzwerk der Illustration
Ladies? Wie viele gibt es in Wien,
wie viele international?
Es sind wie gesagt elf Städte, jedes lokale
Netzwerk ist unterschiedlich groß – es ist also
schwer zu sagen. In Wien haben wir Kontakt
zu fast 200 Illustratorinnen. Manche sind aktiver,
manche beobachten das Geschehen nur
über den Newsletter oder in den sozialen Medien.
Die anderen Städte sind auch sehr aktiv
und konnten inzwischen selbst eine große
Community bilden. Die Frage ist ja immer:
Ab wann ist man dabei? Schon als Followerin?
Oder erst als jemand, der zu Netzwerktreffen
geht? Wir beobachten, dass sich sehr viel tut
und bei jeder Illustration-Session teilen die
Illustratorinnen ihre Fotos und Zeichnungen
online und generieren so sehr viel Aufmerksamkeit
und Reichweite. Gemeinsam mit den
anderen Städtehosts und dem globalen Netzwerk
erreichen wir monatlich eine Reichweite,
die in die Hundertaussende geht.
Ich nehme an, eure Arbeit findet dezentral
statt. Oder gibt es so etwas wie eine
Zentrale?
Bei den Illustration Ladies Vienna treffen
wir uns immer woanders – zum Zeichnen in
verschiedenen Bars, Restaurants oder in den
Janina Kepczynski (links) und
Florine Glück gründeten die
Illustration Ladies gemeinsam.
Für das Magazin von Creative Mornings wurde das Frauennetzwerk
mit dem renommierten Joseph Binder Award ausgezeichnet.
Studios der Ladies. Oder wir zeichnen wie gesagt
auf Events wie der Buchmesse. Das macht
das Ganze auch sehr lebendig und abwechslungsreich.
Wenn deine Frage ist, wie sich das
globale Netzwerk organisiert: Das machen wir
hier von Wien aus und versuchen, so gut wie
möglich mit allen Städte-Hosts persönlichen
Kontakt zu halten und uns immer wieder auszutauschen.
Das ist sehr inspirierend.
Haben Illustrator*innen eigentlich auch
eine offizielle Standesvertretung?
Design Austria versteht sich als Interessensvertretung
von österreichischen
Designer*innen unter anderem in den Bereichen
Grafik-, Produktdesign und Illustration.
Dort sind viele von uns Mitglied. Oft sind
die Fragen, die uns beschäftigen, aber sehr
speziell, egal ob rechtlicher oder handwerklicher
Natur. Illustration ist ja von Animation
über Lettering bis hin zu Street-Art und
Kinderbuchillustration ein sehr, sehr breites
Berufsfeld.
Viele der Illustration Ladies arbeiten sowohl
künstlerisch, als auch klar kommerziell
als Auftragsillustratorinnen. Lässt sich
absehen wie sich AI und Dall-E auf euer
Geschäft auswirken werden?
Das Handgemachte und Persönliche wird
auch künftig gefragt sein, denke ich. Ich selbst
hab mich mit der Thematik AI und Dall-E,
ehrlich gesagt, noch nicht sehr beschäftigt.
Aber ich weiß: Es gibt dazu viele Vorträge
und Infoveranstaltungen von den Berufsverbänden
und sicherlich wird es so bleiben, dass
Menschen gerne mit Menschen zusammenarbeiten
und die persönliche Ansprache und
Beratung angenehmer und qualitativ hochwertiger
bleiben wird als die schnelle, digitale
Lösung. Thomas Weber
Nähere Infos zum Kreativnetzwerk Illustration
Ladies und zu seinen Aktivitäten unter
www.illustrationladiesvienna.com beziehungsweise
www.illustrationladies.com.
Illustration Ladies, Lisa Langmantel
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032
Annika, Leni, Paula und Valerie, in ihrem Wohnzimmer,
bevor dieses Lenis neuem Zimmer weichen muss.
Reise nach
Jerusalem
Wie Studierende
mit steigenden
Wohnkosten
umgehen
033
Alexander Galler
Der eigene Wohnraum kann Rückzugsort, Platz
für Kochsessions und Partys sein, verzichten
kann auf ihn jedenfalls niemand. Mit den Mieterhöhungen
hat die Wohnungsfrage neue Aufmerksamkeit
bekommen. Aber wie sieht die Situation
für Studierende aus? ———— Eigentlich
eine schöne Wohngegend. Fünfter Wiener
Gemeindebezirk, in der Nähe des Einsiedlerparks.
Letzten Sommer übte hier die Initiative
Zwangsräumungen verhindern während eines
Parkfests Kritik an der politischen Realität des
»Roten Wien«. Heute sind wir hier, um Isabell
zu besuchen. Isabell ist 25, studiert Theater-,
Film- und Medienwissenschaften an der Uni
Wien. An den Wänden ihrer Wohnung hängen
Falco-Plakate.
Wie bei vielen anderen lag zu Beginn des
Jahres eine Mieterhöhung in ihrem Briefkasten.
Für sie bedeutet dieser Brief nun den
Auszug aus dieser Wohnung. Innerhalb von
zweieinhalb Jahren wurde die Miete von 630
Euro auf 780 Euro erhöht – fast um ein Viertel.
Zu Isabells Glück übernehmen bis zum
Sommer ihre Eltern noch die Kosten. »Klar
muss ich mir überlegen, wie ich mir die Wohnung
nun selbst finanziere – das ist einfach
schwierig bei dem Preis. Ich arbeite zwar
geringfügig und demnächst in Teilzeit, aber
selbst so sind fast 850 Euro für Miete, Strom
und Gas heftig.«
Dabei waren für sie nicht nur die steigenden
Kosten maßgeblich für ihre Entscheidung:
»Eine Wohnung sollte ein Rückzugsort
sein, an dem ich runterkommen kann
und auch Ruhe vor anderen Menschen habe.
Hier ist das nicht möglich. Gefühlt wird jeden
Monat eine andere Wohnung renoviert. Ich
wohne jetzt seit zweieinhalb Jahren hier und
fast durchgehend war etwas los.« Dafür hat
sie zwar zwischenzeitlich zwei Monate eine
Mietminderung erhalten, doch das mache das
Kraut auch nicht fett.
Ein paar Straßen weiter, ebenfalls im
fünften Bezirk, besuchen wir eine Wohngemeinschaft
im Dachgeschoß eines renovierten
Altbaus. Annika, 21, Publizistikstudentin
an der Uni Wien gibt uns eine kurze Führung:
ein kleines Zimmer für jede, Wohnzimmer,
zwei Bäder, Dachterrasse. Wenn man die
Wohnung betritt, könnte man meinen, diese
WG hat sich den Traum vom schönen Wohnen
verwirklicht, wären da nicht die hohen
Kosten. »Wir haben die Wohnung im Sommer
2020 bezogen und zahlen mittlerweile
150 Euro mehr als beim Einzug – allein für
die Kaltmiete«, berichtet Annika. Anfangs
hatte die WG noch einen guten Tarif für den
Strom, doch ihr Anbieter ist pleite gegangen,
der neue verlangt nun das Doppelte, was die
Kosten für jede Bewohnerin nochmals erhöht.
Lena pendelt von
ihrem Elternhaus in
Tulln nach Wien zum
Studieren.
034
Aber sie haben eine Überbrückungsmöglichkeit
gefunden: Es wird eine Wand eingebaut.
Das Wohnzimmer schwindet, eine
weitere Person zieht ein.
Lieber Wand statt Makler*in
»Die Miete ist ziemlich hoch, aber wir
wollen die Wohnung behalten. Unsere
Freundin Leni will nach Wien ziehen und
da hat es sich so ergeben«, erzählt Annika.
Eine Mitbewohnerin korrigiert: »Wir hatten
vorher schon geplant zusammenzuziehen
und nach einer neuen Wohnung gesucht. Als
es hieß, dass die Makler*innenprovision doch
noch nicht fällt, haben wir uns für die Wand
entschieden. Wir wollen nicht noch einmal
fett Provision zahlen.«
Im März 2022 hatte Justizministerin
Alma Zadić voreilig verkündet, dass ab 2023
das Besteller*innenprinzip gelten solle: Wer
Makler*innen beauftragt, muss sie auch bezahlen.
Letztendlich wurde der Begutachtungsentwurf
erst im Dezember 2022 zur
Regierungsvorlage, die mit Juli 2023 in Kraft
treten dürfte. Sofern nichts dazwischenkommt.
Mit Makler*innen hat auch Isabell schon
schlechte Erfahrungen gemacht: »Neulich
musste ich mir für eine Besichtigung sogar
selbst den Schlüssel gegen Pfand abholen.
Und für diesen – nicht vorhandenen –Service
soll ich Provision zahlen?!« Aus Deutschland
kennt sie bereits, dass zahlt, wer den Auftrag
erteilt. So wie es zukünftig auch in Österreich
der Fall sein soll.
Ganz andere Sorgen hat Lena, 21 Jahre
alt, Studentin der Medieninformatik an der
TU Wien. Sie lebt bei ihren Eltern in Tulln
»In der aktuellen
Lage trau ich mich
nicht, von zuhause
auszuziehen.«
— Lena, 21, Studentin
und pendelt viermal die Woche zur Uni. Hinund
Rückfahrt zusammen kommen auf drei
Stunden täglich: »Eigentlich möchte ich schon
lange nach Wien ziehen, aber es geht sich finanziell
nicht aus.« Im April wird sie ihren Job
aufgeben müssen, da ihr schlicht die Zeit fehlt.
»Da trau ich mich nicht auszuziehen, gerade
wenn ich nicht weiß, was Strom und Gas künftig
ausmachen werden«, beklagt sie. Für sie
heißt Studium vor allem Lernen, Lernen, Lernen.
»Ich stehe in der Regel um 7 Uhr auf, fange
um 8 Uhr an zu lernen und bin dann bis um
22 Uhr dabei; also mit Pausen für einen Spaziergang
oder etwas zum Essen dazwischen«,
erläutert Lena. Bei so einem vollen Tag bleibt
zwar auch weniger Zeit, um Geld auszugeben.
Mit dem Bild des unbeschwerten Studierendenlebens
hat das aber kaum etwas zu tun.
»Es geht sich einfach vorne
und hinten nicht aus«
Welchen Einfluss die Mieterhöhungen auf das
Leben von Studierenden hat, ist die Frage, die
sich durch unsere Hausbesuche zieht. Wohnkosten
waren schließlich schon bei der letzten
Studierendensozialerhebung 2019 vor Pandemie
und Ukrainekrieg der größte Kostenfaktor
für Studierende. Darüber hinaus
sind die Wohnkosten laut IHS Preismonitor
mit 29 Prozent bei Weitem der größte
Inflationstreiber für Studierende, gefolgt
von Freizeitausgaben mit 16 Prozent und
Lebensmitteln mit 13 Prozent (Stand: 21.
Jänner 2023). Mieterhöhungen haben damit
direkteren Einfluss auf das Leben der
Studierenden als andere Faktoren.
Neue Zimmer, teures Dürüm
Philipp, 20, Student der medizinischen Informatik,
merkt auch, dass die Essenspreise steigen:
»Allein schon, wenn ich mir ein Dürum
hole: Ich zahle mittlerweile 8 Euro statt 6,50
Euro«, berichtet er. Philipp wohnt zusammen
mit Benjamin, 21, in einer Doppeleinheit eines
Wohnheims. Jeder hat einen abgetrennten
kleinen Raum mit Bett, Schreibtisch, Kleiderkasten
und Balkon; die Kochnische teilen sich
die beiden. Für größere Kochsessions gibt es
in Gemeinschaftsräumen noch Kochfelder
und Backrohre. Alles wirkt modern und hochwertig.
Keine Spur mehr vom alten Pfeilheim,
wie es viele noch von Partys kennen, die sich
durch Stockwerke und Jahrzehnte zogen. »Sicher
ist es nicht mehr so eine Gemeinschaft
wie im alten Pfeilheim, weil man mittlerweile
alles im Zimmer hat und jeder neu eingezogen
ist«, kommentiert Benjamin.
Aber generell sind die zwei Burgenländer
sichtlich zufrieden in ihrer Unterkunft. »Es
wird geputzt, du musst dich um nichts kümmern.
Der einzige Nachteil ist der geringe Platz,
aber daran kann man sich gewöhnen«, meint
Philipp. Extras wie Fitnessraum, Sauna und
Alexander Galler
Isabells Miete hat sich um ein Viertel
erhöht – trotz ständiger Bauarbeiten.
ein eigener Club haben ihn in Kombination mit
dem Preis überzeugt. Für Benjamin war die
Gemeinschaft ein ausschlaggebender Punkt:
»Ich wollte nicht einfach allein in eine Wohnung
ziehen, sondern Leute kennenlernen.«
Von Mieterhöhungen blieben die beiden
aber trotzdem nicht verschont: Ihre Miete
wurde Anfang des Jahres von 430 Euro auf
469 Euro erhöht, was aber verkraftbar sei, so
Philipp. Seine Miete übernehmen die Großeltern.
Er könne dennoch nicht groß Geld ausgeben,
mit seinem Budget liegt er im Durchschnitt
seiner Altersgruppe.
Gemeinnützige im Dilemma
Nicht nur für Philipp und Benjamin wurden
die Preise erhöht. Eine Umfrage bei den heimischen
Wohnheimbetreiber*innen ergab,
dass praktisch alle die Wohnkosten anpassen
mussten. Dabei zeigte bereits die Studierendensozialerhebung
2019 in einem Vergleich
der Haushaltsformen bei den Studierendenheimen
mit 48 Prozent den größten Preisanstieg
über einen Zeitraum von zehn Jahren
(gefolgt von Partner*innenhaushalten mit 45
Prozent, Singlehaushalten mit 35 Prozent und
WGs mit 27 Prozent). Die Studienautor*innen
führen das auf den großen Boom von »for
profit«-Anbieter*innen zurück. Mit ihrem
Angebot richten sich Letztere nicht nur an
Studierende, sondern auch an »Young Professionals«
und können damit teurer und luxuriöser
sein, wie etwa das Triiiple mit Preisen
von bis zu 1.800 Euro. Auch wenn dort 60 Prozent
der Bewohner*innen Studierende seien
und zumeist Appartments einfacher Kategorien
im Preisbereich um 700 Euro bewohnten,
wie der Anbieter erklärt.
Hinzu kommt, dass sich gemeinnützige
Betreiber*innen angesichts der unerwarteten
Kostensteigerungen im Dilemma sehen: »Wir
bemühen uns als gemeinnütziger Wohnheim-
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»Eine Wohnung
selbst zu finanzieren,
ist bei den Preisen
schwierig.«
— Isabell, 25, Studentin
Philipp und Benjamin teilen
sich eine kleine Kochnische.
036
betreiber, die Kosten für alle Bewohner*innen
so niedrig wie möglich zu halten, um Studierenden
leistbaren Wohnraum bieten zu können«,
sagt Diethard Hochhauser von Stuwo,
die in sechs Bundesländern 21 Heime betreiben.
Gleichzeitig heiße Gemeinnützigkeit
auch, dass die Anbieter*innen keine Rücklagen
haben, mit denen sie die gestiegenen Kosten
abfedern könnten, da sie »keinen Gewinn
erwirtschaften können und dürfen«, womit
also sämtliche Mehrkosten weitergegeben
werden müssten, wie Peter Schaller von der
Wohnbauvereinigung für Privatangestellte
erklärt. Während es vielerorts Krisenunterstützung
gab, gingen die Bewohner*innen und
Betreiber*innen von Wohnheimen leer aus;
für diese gibt es höchstens bei der Errichtung
neuer Heime eine Förderung. Ohne eigenen
Stromvertrag ist es für Bewohner*innen überdies
schwer, den Energiebonus zu beantragen.
Gleichzeitig sind Strom- und Gastarife für
Geschäftskund*innen mittlerweile teurer als
für Private, selbst wenn ein gemeinnütziges
Heim dahintersteht.
An der Nachfrage für die Zimmer ändert
das wenig. So schildert Stefan Marchewa
vom Diakoniewerk: »Nach einem Einbruch
mit Beginn der Pandemie, hat sich die Situation
wieder eingependelt.« Bei Home4Students
soll es im Herbst sogar eine beachtliche
Warteliste gegeben haben. Burak Ünver,
von Smartments Österreich, Betreiber des
Ari Rath Haus in Wien, ist sich zudem sicher:
»Die Nachfrage wird hoch bleiben, denn es
gibt auf dem studentischen Wohnungsmarkt
weiterhin einen großen strukturellen Mangel
an leistbaren Wohnungen.«
Und wie kommen Studierende nun durch
die Krise? Unsere Gesprächspartner*innen
berichten, bislang nicht wirklich kürzertreten
zu müssen. Annika aus der WG im fünften Bezirk
erklärt, dass sie die erhöhten Kosten dank
zweier Nebenjobs gut handhaben kann. Da ihr
Studium nicht so aufwendig ist, habe sie kein
Problem 20 bis 30 Stunden in der Woche zu
arbeiten. Ihre Mitbewohnerin Paula bekommt
noch finanzielle Unterstützung und »zehrt
von Erspartem, solange es geht«. Valerie erklärt:
»Es ist balancierbar, aber ich find es
eben krass, wenn man die Summe sieht: Das
geht allein fürs Wohnen drauf.«
(Über-)Leben in der Krise
Für wie viele Studierende die derzeitigen
Mieterhöhungen ein einschneidendes Problem
sind oder ob es sich eher um eine verschmerzbare
Übergangszeit handelt, kann
auch Martin Unger vom IHS nicht beantworten.
Er verweist aber darauf, dass alle Studierenden,
die man befragt »Überlebende« seien:
Sie kämen mit den Rahmenbedingungen noch
zurecht und hätten noch nicht abgebrochen.
Zudem sei es für Studierende leichter als für
andere armutsgefährdete Gruppen, einen Job
zu finden, dessen Stundenausmaß bei steigenden
Kosten ausgeweitet werden kann. »Wenn
die verfügbare Zeit mehr fürs Arbeiten als fürs
Studieren verwendet wird, sprechen wir von
Studienarmut statt von finanzieller Armut«,
so Unger. Weniger Zeit zum Studieren heißt
länger studieren. Und da wären wir wieder
beim Mythos der faulen Bummelstudent*in.
Die Alltagsgeschichten von Isabell, Annika,
Lena, Philipp und Benjamin sind jeden-
falls keine Extrembeispiele. Das Schicksal
dieser Studierenden bewegt sich im Bereich
der Durchschnittsdaten. Das verdeutlicht die
Lage nur. Und sobald zu dieser durchschnittlichen
Mehrbelastung noch Hürden durch
Marginalisierung hinzukommen, lassen sich
die genauen Effekte kaum erahnen. Was bedeutet
dies etwa für migrantische, queere
oder sozial schwächere Studierende? Langfristig
wird dieser Trend – gekoppelt mit der
Verschulung des Bildungssystems (Stichwort:
Bologna und Mindeststudienleistung) – bestehende
Ungleichheiten nur weiter verschärfen.
Das hätte nicht nur ideelle, sondern auch demokratiepolitische
Bedeutung: Bildung gilt
als wichtiger Motor für soziale Mobilität und
ermöglicht politische Teilhabe und Partizipation.
Garantie dafür bietet sie zwar keine,
aber mit der Zuspitzung von Ausschlussmechanismen
werden bestehende Trennlinien
garantiert verschärft. Felix Schmidtner
Durch die Inflation-Mieten-Spirale sind Millionen
Menschen in Österreich von steigenden
Mieten betroffen: Sobald die Inflation fünf
Prozent übersteigt, sind Vermieter*innen
berechtigt, den Mietzins an den Verbraucherpreisindex
anzupassen. Studierende, die
Probleme mit ungerechtfertigt erscheinenden
Mieterhöhungen haben, können sich an die
Mietrechtsberatung ihrer lokalen ÖH, die
Arbeiter*innenkammer, die Mieterhilfe Wien
oder einen Mieter*innenschutzverein wenden.
Leider gibt es immer noch keine dauerhaften
Lösungen oder Auffangnetze, bei temporärer
Notlage kann aber auch ein Sozialfonds von
der ÖH weiterhelfen.
Alexander Galler
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So richtig daheim
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037
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PROSA — MARKUS KÖHLEĆ
INS LAND
EINISCHAUN
Mit »Das Dorf ist wie das Internet, es vergisst nichts« ist Autor und Poetry-Slammer Markus Köhle
ein sehr schöner Titel eingefallen. Er schickt in seinem Roman einen Werbetexter mit dem Zug quer
durchs Land. Raus kommt eine böse wie treffende Analyse der österreichischen Seele.
038
KNUTSCH-MIX
Wir standen vor der Kirche. Wir saßen im Auto. Wir
fummelten. Wir hatten jeweils eine Hand in der Hose
der / des anderen. Wir waren der Meinung, dass es ein
Biopic geben sollte, das »Die Hand in der Hose der anderen«
heißen sollte. Uns gefiel der Plural, der in »der
anderen« steckte. Wir steckten noch nicht sachgerecht
an- und ineinander. Wir übten noch. Wir hatten keinen
entsprechenden Übungsplatz, deshalb standen wir vor
der Kirche des Nachbarortes, saßen im Auto der Eltern
und fummelten auf Teufel komm raus. Der Teufel blieb
vorerst in unseren Hosen, dort war es höllisch heiß. Deshalb
sorgten wir mit unserer Hand in der Hose der/des
anderen für Abkühlung, für Abkühlung, nicht für Entspannung.
So weit waren wir noch nicht.
Wir hatten coole Hände, aber Finger, die noch nicht
recht wussten, wo sie hin sollten, wo ran sie sich halten
oder reiben sollten. Wir trugen immerhin keine Totenkopf-
oder Sternzeichenringe. Wir hätten nur Schaden
damit angerichtet. Wir wollten alles, nur keinen Schaden
anrichten. Deshalb steckten unsere Hände – je eine Linke
und eine Rechte – tatenlos in unseren Hosen. Sie ruhten
auf primären Geschlechtsmerkmalen und fanden das für
den Anfang schon mal ganz gut. Wir waren der Meinung,
dass es einen Coming-of-Age-Film mit dem Titel »Für den
Anfang schon mal ganz gut« geben sollte.
Wir waren nicht unzufrieden, dass nicht unzufrieden
nicht das Gleiche wie befriedigt war, wussten wir noch
nicht. Befriedigt klang wie beleidigt. Befriedigt war uns zu
nah am Schulnotensystem und da bloß zwischen gut und
genügend. Wir ahnten, dass es nicht genügte, wenn wir
einfach so sitzen blieben mit der jeweils anderen Hand im
Schritt. Sitzenbleiben hatte noch niemals genügt. Nächste
Schritte wagten wir noch nicht.
Einzelfingeraktionen trauten wir uns noch nicht zu.
Wir befriedeten uns mit einer leichten Raus-aus-der-Hose-nein-doch-wieder-rein-vor-und-zurück-Bewegung
der
ganzen Hand und versuchten dabei, die Finger nicht zu
steif und nicht zu verkrampft verharren zu lassen. Bloß
nichts kaputt machen! Wir wussten, dass wir fragile Geschöpfe
waren. Auf unseren Hosen hätten Schilder angebracht
gehört: Handle with care! Fragole fragile. Prosím
pozor! Die Sprache der Hosenaufschriften war international.
Wir waren es nicht. Wir waren superregional. Wir
lebten im Gurgltal.
Wir lebten ein Teenagerleben in vollen Zügen und
von den Eltern geliehenen Autos. Wir standen vor der
Kirche. Wir saßen in zurückgekurbelten Lada-Samara-
Autositzen mit Kopfstützen. Wir hatten einen Kirchturm
und einen Altar in den Hosen. Wir kamen mit den jeweils
freien Händen weder ans Geläut noch an die Monstranz.
Wir waren der Meinung, dass es ein Teenager-Sozial-
Drama mit dem Titel »Die Hölle in den Hosen der anderen«
geben sollte.
Den Titel »In den Hosen sind immer die anderen«
wiederum hätten wir uns gut als Außenseiter-Drama
vorstellen können. Wir waren ja noch eher andere als wir
selbst. Fürs Selbstsein reichte es noch nicht. Noch steckten
wir in unserer Entwicklung, in den Autos der Eltern,
in den zu engen Hosen der anderen und im ebenfalls zu
engen Gurgltal fest. Wir glaubten fest daran, dass wir das
geändert kriegten. Wir wollten schon längst Geändert-
Krieger sein.
Wir wollten beim nächsten Treffen vielleicht nur mehr
einmal versehentlich mit dem Ellbogen auf der Hupe ankommen.
Wir wollten daran denken, beim nächsten einvernehmlichen
Auto-Ausgreif-Freitagabend einen Polster
über die Handbremse zu legen, um den Handbremsenhebel
nicht dauernd in die Hüfte gerammt zu kriegen.
Wir wollten auch an eine Kassette, einen Knutsch-Mix,
denken, um nicht dauernd rauschende Radio-Tirol-Hits
Zur Person
Claudia Rohrauer
hören zu müssen. Wir wollten das nächste Mal auf weite
Hosen setzen, um den Spielraum zu vergrößern. Wir
wollten, dass das nächste Mal das erste Mal passieren
würde. Wir wollten, dass das erste Mal nicht passierte,
sondern dass wir es gemeinsam auf unvergessliche Art
und Weise geschehen machten.
Wir wussten, wie sich die Rückbanklehnen flachlegen
ließen und sich der Lada so zum praktischen
Kombi mit vergrößertem Kofferraum umfunktionieren
ließ. Wir wollten, dass das erste Mal etwas Besonderes
würde. Wir fanden, dass sich im Kofferraum, auf dem
Parkplatz vor der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt, auf
Bettbezügen mit rot-weißem Hahnentrittmuster als
erstes Mal gut für immer merken ließ. Wir hatten den
gleichen Sinn für Romantik, Komik und Drastik. Wir
tickten gleich. Wir würden sicher bald ficken. Wir hatten
nur noch keine Sprache dafür. Ort, Wille und uns
hatten wir schon. Der Rest würde schon noch werden.
Wir würden schon noch werden.
Wir konnten uns am kommenden Freitag das Familienauto
leider nicht ausleihen. Wir vergaßen das Mal
drauf auf Handbremsen-Abdeck-Polster und Hahnentritt-Bettbezüge.
Wir hatten bisher noch nie, aber beim
entscheidenden Mal, bei dem alles passte – Parkplatz,
Liegekomfort, Vollmondatmosphäre – ausgerechnet
auf die Kondome vergessen. Wir waren vernünftig genug,
es dann doch nicht zu machen. Wir waren sogar so
vernünftig, dass wir es noch wochenlang nicht machten
und dann war plötzlich Winter und es zu kalt für heiße
Liebe im Kofferraum.
Der Winter machte uns zu gefallenen Eiswürfeln, zu
hilflosen Eiszapfen und Gletscherspalten in Schneehosen,
die zueinander nicht fanden. Wir waren der Meinung,
dass es einen Arthouse-Softporno mit dem Titel
»Eiszapfen und Gletscherspalten in Schneehosen« geben
An dieser Stelle wird jetzt die Hose runtergelassen.
Markus Köhle und The Gap haben eine
gemeinsame Vergangenheit, eine Geschichte
sozusagen. Etliche Ausgaben fern rezensierte
der gebürtige Tiroler Romane der anderen.
Aber Leben und Magazine entwickeln sich
weiter. Markus war maßgeblich daran beteiligt,
Poetry-Slams in Österreich zu etablieren und
avancierte zum Literaturveranstalter, der nach
wie vor viel schreibt, rezensiert und analysiert.
Jetzt gibt’s mit »Das Dorf ist wie das Internet,
es vergisst nichts« (Sonderzahl) laut Klappentext
sein Romandebüt. Das ist nicht ganz richtig,
nur liegt Köhles letzter Roman sehr, sehr
weit zurück. So oder so, der Otto-Grünmandl-
Preisträger erzählt schnell, greift tief in die
Neologismuskiste und erzählt mit Sprachwitz
die Story von Lukas, einem Texter für die
Österreich Werbung, der bei seinen stundenlangen
Zugreisen intensiv mit Land und Leuten
in Kontakt kommt. Und dann macht ihm auch
noch seine Heimatgemeinde ein unmoralisches
Angebot. Ein lustiger Blick in die Berg-und-Tal-
Abgründe der österreichischen Seele.
sollte. Unsere Liebe kühlte ab, fror ein, erstarrte. Unsere
Liebe wurde begraben von Unmengen von Schnee und
war noch vor dem Frühling Schnee von gestern.
Im Frühling blühten wir erneut auf. Wir hatten immer
noch Herz. Unsere Herzen aber schlugen nicht mehr füreinander,
sie schlugen sich gegenseitig. Wir waren nicht
mehr ein Herz und eine Hose. Wir waren einen Schritt
weiter. Wir waren reif für andere Herzen, Hosen und Erfahrungen.
Aber wir nahmen uns fest vor, uns bei der Aufnahmeprüfung
für die Filmakademie wiederzusehen, um
ein gemeinsames Romcom-Drehbuch einzureichen, mit
dem Titel: »Das Herz in den Hosen der anderen«.
039
WHICH
SIDE
ARE
YOU
ON?
Rajkamal
Kahlon
Gewinnen
thegap.at/gewinnen
1
4
2
3
5
Bis 9/4 2023!
1 »Rubikon«
Mit ihrem Spielfilmdebüt »Rubikon« wusste Magdalena Lauritsch im Vorjahr zu überraschen
und beeindrucken. Sie traue sich, groß zu denken, heißt es etwa in der Begründung
der Jury des Wiener Filmpreises, die ihr den Spezialpreis zusprach. Auf hohem
technischem Niveau erzählt ihr Science-Fiction-Film von der Besatzung einer Raumstation,
die den Kontakt zur Erde verliert und sich in der Folge große moralische Fragen
stellen muss. Höchst spannend! Wir verlosen drei Blu-Rays.
2 Falco »Einzelhaft (Deluxe Edition)«
Anlässlich Falcos 25. Todestages wurde sein Debütalbum »Einzelhaft« in einer Spezialausgabe
neu aufgelegt – als Dreifach-Vinyl, Doppel-CD (inklusive Pop-Krone-Konzert
in der Wiener Stadthalle, Falcos allererstem Auftritt mit Liveband als Solokünstler)
sowie MC. Ein unkaputtbarer Klassiker der österreichischen Musikgeschichte, der mit
»Der Kommissar« Falcos erste Nummer eins auf der Tracklist stehen hat. Es sollte nicht
die einzige bleiben. Wir verlosen drei Doppel-CDs.
3 Daniel Kalt »Staat tragen«
Daniel Kalt, ausgewiesener Modeexperte sowie Chefredakteur des Schaufensters, der
Lifestyle- und Kulturbeilage der Tageszeitung Die Presse, entschlüsselt in seinem
Buch die Modecodes der Mächtigen – von der Handtasche Margaret Thatchers über
die Bade-Shorts Barack Obamas bis hin zu den Slim-Fit-Anzügen von Kern, Kurz & Co.
Und was, wenn die modische Message-Control einmal versagt? Aufschlussreich und
sehr unterhaltsam. Wir verlosen drei Bücher.
4 »The Raw Stuff Vol. 2«
302 Artworks. 252 Seiten. 26 Künstler*innen. 1 Buch. Das ist mal eine Ansage. Für Fans
von Heavy Music aller Subgenres oder einfach für Menschen, die auf coole Illustrationen
stehen, versammelt »The Raw Stuff« zum zweiten Mal die Crème de la Crème der
europäischen Illustrator*innen und Grafiker*innen. Von Gig-Postern über Street-Art,
Merch-Designs und Vinyl-Covers bis hin zu Action-Figuren reicht die Bandbreite der
abgebildeten Arbeiten. Wir verlosen zwei Bücher.
5 »Jim Jarmusch Complete Collection«
Ob »Night on Earth«, »Ghost Dog« oder »Broken Flowers« – die US-amerikanische
Regielegende Jim Jarmusch erzählt in seinen Filmen gerne in lakonischem Ton von
skurrilen Charakteren. Anlässlich seines 70. Geburtstags kommen zwei neue Editionen
in den Handel – die »Jim Jarmusch Complete Collection« (Blu-Ray) sowie die »Jim
Jarmusch Collection« (Blu-Ray und DVD). Letztere umfasst elf seiner 15 Filme. Beide
sind ab 23. März im Handel erhältlich. Wir verlosen je ein Exemplar.
Rezensionen
Musik
Various Artists
Schnitzelbeat Vol. 3 – Ready for Take Off!
Trash Rock Archives
09
Kapperl statt Fedora, schwarze Scheiben aus Schellack,
Vinyl oder Polystyrol-Mischung statt kristallene Schädel:
Wenn es so etwas wie einen österreichischen Indiana Jones
gibt, dann ist das Al Bird Dirt – seines Zeichens Plattensammler,
Novelty-DJ und Kurator der auch international
höchstgeachteten Reihe »Schnitzelbeat«, die einen Blick
wirft auf die Geschichte des alternativen österreichischen Undergrounds in
der Findungsphase moderner Popmusik. Einen Blick, der ansonsten durch
mangelnde mediale Aufbereitung und wegen dubioser Messkategorien für
Erfolg und Massenkompatibilität wohl für immer verstellt geblieben wäre.
Nach zwei famosen Samplern – von Exotica bis Garage-Rock – steht für die
dritte Ausgabe das große Thema des österreichischen Psychedelic Rock im
Fokus, auch der artverwandte und hierzulande – natürlich zu – spät angekommene
Space-Rock kommt nicht zu kurz.
Die Namen sind dieses Mal tatsächlich mitunter etwas klingender, wir
befinden uns hier schließlich zwischen 1967 und 1973. Die Medien wissen
mittlerweile, dass es heimische Musik gibt – Karl Ratzer (Charles Ryder
Corporation), Jack Grunsky und The Beatniks aus Kärnten könnte man
kennen, Letzteren wurde im Vorjahr sogar eine Reissue ihrer einzigen LP
spendiert. Aber lass dich da mal nicht täuschen, selbst der größte Name,
jener der Beat-Superstars Novaks Kapelle, zeigt den Anspruch Dirts, der
tatsächlich deren bislang verschollen geglaubte erste Single ausgegraben
hat. Auch alles andere als schlecht: »Brother« der Austrian Brothers,
von der es nur zehn gepresste Exemplare gibt. Oder der Holy Grail österreichischer
7-Inch-Sammler: »Ready for Take Off«, der gleichsam würdige
Titelsong und absolute Banger von Rocky F. Holicke, der zumindest
die nächste Monatsmiete wert ist. Oder auch »War History« von The Cop
Stigh, deren einziger Google- Eintrag zu »Schnitzelbeat Vol. 3« führt. Oder
die Ministrantenband The Hush. Oder die Casting-
Band The Wallflowers. Oder dieses und jenes Stück.
Es gäbe über jedes dieser Lieder eintausend Geschichten
zu erzählen, Al Bird tut dies in den Liner-
Notes. So viel vorab: Jede davon kann deinen Blick
verändern – auf eine längst vergangene Wirklichkeit.
(VÖ: 3. März) Dominik Oswald
041
Rezensionen Musik
042
Bulbul
Silence! — Rock is Hell Records
07
»Ich bin hier – und es gibt nichts zu sagen. Wenn unter Ihnen
die sind, die irgendwo hingelangen möchten, sollen sie
gehen, jederzeit. Was wir brauchen, ist Stille.« Das Press-
Release zu Bulbuls neuer Platte eröffnen ein paar Zitate
des Stille-Meisters John Cage, der ausdrücklich nicht Inspirationsgeber
für das 13. Album des österreichischen
Noise-Rock-Trios ist. Eigentlich naheliegend, denn viel Stille ist in den rund
49 Minuten nicht zu finden. Vielleicht bezieht sich diese Referenz auf die
Abwesenheit von Bulbuls vokalem Teil, denn bis auf ein paar mikroskopische
Ausnahmen befindet sich auf dem Album kein Gesang.
1996 erschien die erste LP von Bulbul, damals noch als Soloprojekt
von Manfred »Raumschiff« Engelmayr, dessen Partie mittlerweile durch
Roland Rathmair (Bass) und Didi Kern (Drums) komplettiert wird. Alle drei
darf – besser: muss – man guten Gewissens als »umtriebig« bezeichnen.
Die wissen, was sie tun. Und das hört man. Wo Produktionen mit Prä- oder
Suffix »Noise« gut und gerne zum Matschen oder Übersteuern neigen, ist
»Silence!«, dessen Tracklist in kryptischer Noise-Manier aus unterschiedlich
langen Strichen besteht, knackig und klar. Verantwortlich dafür ist
Nik Hummer. Ebenfalls einer, der weiß, was er tut. Das Stück A2 – oder:
»–––––––––––––––––––« (ja, abgezählt!) – erweckt etwa den Eindruck, als
säße man zum Zuhören während der Aufnahme im Studio. Was zusätzlichen
Eindruck hinterlässt, ist das Erscheinungsbild des Albums. Die 104.
Katalog nummer des Grazer Labels Rock Is Hell kommt wie gewohnt ausgefuchst
und handgemacht daher. Für das siebgedruckte Artwork zeichnet
Inga Hehn verantwortlich. Und weil auf einer 12-Inch-Vinyl bei ca. 40 Minuten
Schluss ist, wurde in das Cover eine 7-Inch eingearbeitet, die man für
C1 herauslösen muss. Grandios! Trotz aller Soundgewalt und DIY-Liebe ist
»Silence!« allerdings doch eher eine Platte, die mehr Hintergrund-Ambience
als Deep-Listening-Kandidatin ist. Soll heißen: Bulbul
muss man sich live reinziehen, damit’s richtig wirkt.
(VÖ: 28. Februar) Sandro Nicolussi
Live: 17. Februar, Graz, Forum Stadtpark —
18. Februar, Wels, Alter Schlachthof — 28. Februar,
Wien, WUK
Le Charmant Rouge
Winzer — Konkord
08
»Winzer« weckt bei seiner Wiederveröffentlichung viele
Erinnerungen und funktioniert 2023 ziemlich genau so,
wie bei seiner Erstveröffentlichung vor 20 Jahren. Die
Musik steht heute wie damals für sich und das, obwohl
– und davon zeugen nicht nur die ausführlichen Liner-Notes
– es eigentlich viel drum herum zu erzählen gibt. Das
Album war der konzentrierte Neubeginn einer bereits seit einigen Jahren
umtriebigen Band, deren Mitglieder auch sonst äußert aktiv waren.
Die noisigen, krachigen Elemente wurden für »Winzer« zurückgelassen,
der durchaus dekonstruierende Zugang blieb. Er ist dem internationalen
musikalischen Schaffen zwischen Kraut- und Postrock, auf das sich Le
Charmant Rouge musikalisch beziehen, per se immanent und konnte hier
weiter gepflegt werden. Der Rhythmus treibt unaufgeregt voran, die Melodien
und die Instrumentierung sind so verspielt wie konzentriert. Zum
Album wurde damals angemerkt, dass es sich vom musikalischen Kontext
nicht genug emanzipiere, mit den Referenzen zu US-Bands wie Tortoise
und – immer wieder – den deutschen Klassikern des 1970er-Krautrocks.
Aber: »Winzer« ist ganz bewusst so, will und soll so ein.
Entschieden haben das Thomas Pronai, heute Musiker (The New
Mourning) und viel gebuchter Produzent im Burgenland, Andreas Berger,
Komponist und Sound-Artist bei Liquid Loft, und Robert Pinzolits, der mit
dem Label Karate Joe gut zehn Jahre lang Teilen der heimischen Musiklandschaft
eine internationale Ausrichtung gab. Bandmitglied David Kleinl,
später unter anderem erfolgreich mit Tanz Baby!, hat auf »Winzer« pausiert.
Die Anzahl der weiteren möglichen Assoziationen und Stichwörter bleibt
groß – nicht ungenannt bleiben darf die Cselley Mühle
als zentraler Schaffensort von (Le) Charmant Rouge.
All dieses Wissen und die Kontexte können und
sollen Freude bereiten. »Winzer« ist aber auch einfach
nur die Musik. Hochpräzise geschrieben und
umgesetzt. Und das ist gut so und macht 2023 so
viel Spaß wie 2002. (VÖ: 3. März) Martin Mühl
Rezensionen Musik
Klaus Pichler, Konkord, Tim Cavadini, Paul Vincenth Schütz
Lil Julez
It Was a Hoax — Fabrique Records
08
Lil Julez gilt als heißer Geheimtipp: Mit seinen ersten
beiden Singles stürmte er unter anderem in die Top 10
der FM4-Charts und er überzeugte dann auch als Liveact.
Der Musiker selbst rechnet sich der Bedroom-Pop-Bewegung
zu. Dort, an der Peripherie der Popularmusik hisst
er die Flagge der Generation Z. Und diese weht stramm
im Wind der jungen Emotionen, ganz so, wie die Generation des 23-jährigen
Wieners lebt und empfindet. Nichts Neues, schon gar nicht in der
Musik. Doch im Kontext ihrer Zeit ist der Ausdruck einer jeden Generation
ein anderer. Hier ist es das DIY der Digital Natives. Selbst ist der Musiker:
Pop aus dem Schlafzimmer in die Welt befördert, während sich diese
Welt jedoch wieder mal am Weg ins Souterrain befindet. Dem begegnet
Lil Julez, indem er auf »It Was a Hoax« popartige Kleinode auffädelt. Ganz
auf der Höhe der Zeit, süffig im Abgang. Und weil’s am absteigenden Ast,
zwischen Sesselklebern und Straßenpickern, immer ungemütlicher wird,
drapiert das Wiener Talent sein Debüt mit ironischem Humor.
Selbstbewusst, frech, etwas britisch und die 90er reanimierend, so
klingt »It Was a Hoax«. Von nachdenklich bis anregend, von glitzernd bis
dunkelblau. Stimme und Melodien von Lil Julez sind indes mit hohem
Wiedererkennungswert ausgestattet. Sie erzählen von Caroline, Hunden
und Pinguinen. Die Basslines grooven fast unverschämt, die Drums tun,
was Drums tun müssen, um Tanzbein und Seele zu stimulieren. Und während
Indie-Pop backstage heimlich mit Hip-Hop schmust, treffen unter
der Discokugel Beatles-Gitarren auf kreischende Synthesizer. Darüber
hinaus bedient sich Lil Julez noch beim Funk und zitiert die 60er-Jahre.
Eine brisante Wiener Melange ist das Resultat. Der rote Faden auf dem
Debütalbum ist dabei so stramm wie dessen Beats. Lil Julez besitzt die
Gabe, einer absurden Welt mit absurden Geschichten
zu begegnen, Geschichten, die er musikalisch
intelligent vertont und inszeniert. »Ladidada, ladidada«,
schunkelt das Album seinem Ende entgegen.
(VÖ: 24. März) Tobias Natter
Live: 30. März, Wien, Rhiz
Mynth
Four — Assim Records
08
Dinge verlaufen hin und wieder abseits geordneter Bahnen.
Das ist kein Geheimnis, sondern eine in eine bekannte
sprachliche Wendung verpackte Tatsache. So weit, so
»ja eh«. Was diesem Zustand in vielen Fällen folgt, lässt
sich paradoxerweise aus der Wendung selbst herauslesen:
Man verläuft oder verliert sich auf einem Weg, dessen
ausgefranstes Ende kaum noch sichtbar ist. Das muss jedoch nicht
unbedingt etwas Schlechtes sein, finden Giovanna und Mario Fartacek,
die uns auf »Four«, dem vierten Album ihrer gemeinsamen Band Mynth,
auf eine Irrfahrt mitnehmen, bei der jede Flussschlinge lieber zelebriert
wird, anstatt sie als mühsame Verzögerung wahrzunehmen. Ein gemeinsames
Mäandern als Möglichkeit, unabsichtlich über etwas Schönes zu
stolpern und eine gute Gelegenheit, um Vorwärtskommen neu zu definieren.
Vielleicht aber auch so etwas wie das sanfte Umspülen eines Hindernisses,
mit dem man sich gerade einfach nicht konfrontieren möchte,
weil ohnehin schon alles viel zu viel ist. Oder wie es in »Wandering«, der
im Dezember erschienenen Single, heißt: »I need a night to loose myself
again / Anywhere I lost my mind on site.«
Musikalisch haben sich Mynth auf »Four« nicht verloren. In Sachen
Reduktion knüpft die Band an ihr 2020 veröffentlichtes Album »Shades«
an, gleichzeitig werden akustische Elemente in den Vordergrund gerückt.
Die bereits angesprochene Schönheit des vermeintlichen Irrweges wird
musikalisch nur angedeutet, ansonsten regieren subtile Verspieltheit
und klare Raffiniertheit – wobei letztere auf »Four« von elektronischen
Beats über Gitarrenklänge bis hin zu Folk-Momenten (»Mystery«) reicht.
Kurz: ein Album, das nicht nur dazu einlädt, einzutauchen, sondern von
dem man sich für etwas mehr als 30 Minuten getrost verschlingen lassen
kann. Im besten Sinne des Wortes. (VÖ: 31. März)
Sarah Wetzlmayr
Live: 6. April, Wien, Fluc Wanne — 20. April, Graz,
Orpheum Extra — 21. April, Salzburg, Rockhouse —
22. April, Linz, Stadtwerkstatt — 13. Mai, Klagenfurt,
Kammerlichtspiele
043
Rezensionen Musik
Sharktank
»Acting Funny« — Humming Records
Sophie Lindinger
Sophie Lindinger
044
06
Die Glitzerbadekugel von Lush zergeht langsam im heißen
Badewasser. Farbschlieren bilden wobbly Muster
auf der Oberfläche, bunter Schaum auf deiner Haut und
ein undefinierbarer, zuckersüßer Duft breiten sich langsam
aus. Sharktank vertonen mit ihrem zweiten Album
»Acting Funny« den perfekten Self-Care-Abend. Nach
ihrem ex trem erfolgreichen Debüt »Get It Done« wartet Sharktanks zweites
Album zwar nicht mit neuem, aber doch mit gefestigtem Sound auf:
Dreamland-Synths, verzerrte Gitarrenriffs im Seventies-Style und der dialogische
Pingpong-Gesang zwischen Katrin Paucz, die man als Gitarristin
von Bilder buch kennt, und Mile Lechner prägen auch diese LP. Die 15
Titel wirken wie auf Zuckerwatte gebettet: Paucz’ und Lechners Stimmen
gleiten auf einem Meer aus blubbernden Synths, die von Marco Kleebauer
(Leyya) stammen, und verspielten Gitarrenriffs dahin. Als Topping kommt
hie und da ein bisserl Autotune zum Einsatz, eingängige Melodien laden
zum Mitsingen, die Lyrics zum Sinnieren ein.
Rap und Rock reichen sich, wie schon auf dem Debüt, die Hand. Bei
Titeln wie »Never Ever Ever« oder »Sleeping« offenbart sich aber eine
neue Richtung: Es wird poppiger. Die Drums geben den Viervierteltakt
vor, catchy Tunes sichern den Wiedererkennungswert und auch die Lyrics
sind mit Mental-Health-Issues und Empowerment am Puls der Zeit.
Es geht um Selbstzweifel und Orientierungslosigkeit: »I was questioning
myself lately.« Aber auch um Emanzipation: »You don’t have to take care
of me / I’m doing pretty good on my own.« Mit »Acting Funny« im Ohr fällt
es leicht, sich aus dem eintönigen Alltagsgrau hinein in schönere Realities
zu träumen: Afterwork-Aperol im Palmenschatten. Einzig die drei Interludes,
die wie persönliche Sprachmemos aus dem Alltag
erzählen, reißen einen aus dem Tagtraum heraus.
(VÖ: 24. März) Helena Peter
Live: 2. Mai, Salzburg, Rockhouse — 3. Mai, Linz,
Posthof — 4. Mai, Graz, PPC — 17. Mai, Wien, Flex —
18. Mai, Innsbruck, Die Bäckerei
07
WSophie Lindinger, die Österreichs Musiklandschaft seit
Jahren mit Projekten wie Leyya (mit Marco Kleebauer)
oder der Supergroup My Ugly Clementine prägt, veröffentlicht
ihr selbstbetiteltes Debütalbum als Solokünstlerin.
Es fällt nicht schwer, sich Sophie Lindinger mit der
Gitarre auf den Knien auf der Bettkante sitzend vorzustellen,
während sich diese zehn Songs ihren Weg nach draußen bahnen:
Die Akkorde lösen sich von den sechs Saiten, die Töne entwischen den
Stimmbändern und langsam füllt sich das Schlafzimmer mit »Sophie Lindinger«.
Reduziert auf Gitarre, dezente Percussion und Lindingers unverstellten
Gesang, kommt dieses Solodebüt mit ruhiger Intimität daher. Denn
viel mehr braucht die Multiinstrumentalistin nicht, um eine Album mit zehn
Liedern zu füllen. Hie und da mischen sich ein paar verspielte Synths, ein
gezupfter Kontrabass oder eine E-Gitarre darunter, all das ist aber nur Beiwerk
zu Lindingers mal kräftig-heller, dann wieder brüchiger Stimme, die
das gesamte Album trägt.
Gespielt, nicht geprobt – das Album klingt fast so, als wären die Lieder
anfänglich nicht für ein größeres Publikum, sondern vielmehr als Bewältigungsstrategie
entstanden. So authentisch und unmittelbar, dass man
sich beim Zuhören fast ein bisschen voyeuristisch vorkommt. Als würde
Lindinger direkt aus ihrem Tagebuch singen, erzählen die Lieder von Herzschmerz,
Depression, Liebe und Sehnsucht nach einem anderen und sich
selbst. Dabei wird auf »Coffee Maker« die Tasse Kaffee in der Früh zum
Sinnbild für eine vergangene Liebe, während »Familiy Tree« mit fast magisch
anmutendem Pizzicato träumerisch von den Schwierigkeiten erzählt,
sich selbst zu lieben: »It’s hard to give myself what I’ve been told to get
from someone else.« Es sind Zeilen wie diese, die ganz nebenbei Lindingers
lyrisches Feingefühl offenbaren. »These are the days
that teach me who I’ll be«, singt sie mit brüchiger
Stimme. Anders das Schlussstück »The Winner«, das
– mit Ukulele statt Gitarre – geradezu beschwingt
daherkommt. Upbeat Percussions und dezente
Synths lassen so etwas wie Leichtigkeit durchblitzen.
(VÖ: 10. Februar) Helena Peter
Hanna Fasching (2), Florian Pochlatko
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Yukno
Alles ist Vergangenheit — Humming Records
07
Sie gestalten sich nicht ganz friktionsfrei, die Interdependenzen
zwischen dem, was war, dem, was ist, und dem,
was sein wird. Oder, wie es auf den gestickten Wandteppichen
in Hunderten oststeirischen Herrgottswinkeln geschrieben
steht: »Aus der Vergangenheit für die Zukunft
lernen.« Das Brüderduo Georg und Nikolaus Nöhrer steht
nicht im Verdacht, ins plüschene Exil der Nostalgie zu flüchten oder gar
ranziger Patina anheimzufallen. Das Gegenteil scheint der Fall: Unter ihrem
Projektnamen Yukno – du weißt eh – haben sie sich zu heimischen Opinionleadern
in Sachen inhaltlichem Future-Pop gemausert. Egal, ob im »Tomorrowland«
oder im »Digital Playground« oder ganz allgemein »Im Stream
der Zeit«, Yukno sind Chronisten eines nicht allzu weit entfernten Morgen.
Auch ihr 2022 in der EP »Mixtape Eins« veröffentlichter Track »Metaverse«,
der von der Zerstörung des Selbst an diesem mittlerweile untergehenden
Ort handelt, ist Beweis für topaktuelle Inhalte mit langer Halbwertszeit.
Nun also zumindest vordergründig die inhaltliche Kehrtwende: »Alles
ist Vergangenheit«. Der Albumtitel sowie der gleichnamige Opener sind
nur geschickte Fassade, anachronistische Ornamente für die Entbehrungen
des Hier, des Jetzt und des Sehr-bald. So bietet etwa im ersten Stück
gleich angewandte kontrafaktische Historie (»Nero blickt auf Rom und
fragt: Wenn alles brennt, wo soll ich wohnen?«) das Setting für das textliche
Leitmotiv des gesamten Albums, das ein zurecht dystopisches Zukunftsbild
untermalt. Kernzeile: »Wir haben uns einen Turm gebaut, jetzt steht er
ganz allein.« Ob die »Gestalten ohne Form« (aus: »Hohle Menschen«) oder
das Fehlen jeglicher Gravitation, wenn die Liebe stirbt (in: »Schwerkraft«)
oder das Abschalten jeglichen kritischen Denkens als Grundbedingung für
vorsichtige Euphorie (in: »Goldener Tag«): Yukno sind sich den Gegebenheiten
ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Umwelt bewusst, mit ihrem
charakteristischen chillhousigen Indie-Wave erweisen
sie sich erneut als Kritiker der emotionellen Technisierung,
deren Mittel und Möglichkeiten sie dennoch
spürbar schätzen. Auch das ist also nicht ganz frei
von Friktion. (VÖ: 3. März) Dominik Oswald
Live: 30. März, Wien, Flex — 31. März, Graz, PPC
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045
Termine Musik
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046
ÖSTERREICHS CLUBSZENE
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ZELDA WEBER
07.03.2022
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Elevate Festival
Anfang März steht Graz unter dem Motto »(Unlikely) Alliances«. Zwischen Musik und Diskurs bietet das Elevate
einige Highlights. Nicht zuletzt Straight-Edge-Autorin Sybille Berg und Enfant terrible der Nuschelphilosophie
Slavoj Žižek. Musikalisch ist ein Showcase des afrikanischen Elektronik-Labels Nyege Nyege bemerkenswert,
etwa mit energiegeladenem Afrobeat von Catu Diosis (Bild). Sonst so? Techno-Legende Luke Slater, Trance-
Artist Courtesy und Akkordeon-Komponist Yegor Zabelov. 1. bis 5. März Graz, diverse Locations
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14.–16. April 2023
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Sinnesrauschen
Viel zu lange – eine ganze Pandemie! – ist es her, dass das Sinnesrauschen im Haus der Musik über die
Bühne gegangen ist. Schön, dass sich das bald ändert. Die 2023er-Ausgabe setzt auf eine feine Auswahl
heimischer Acts, die von Indie-Gitarren über Anti-Folk bis hin zu soulful Pop reicht. Zu sehen sind: Please
Madame, Good Wilson, Cousines Like Shit und Christl (Bild), deren Debütalbum übrigens für heuer angekündigt
ist. Noch so ein Grund zur Vorfreude. 25. März Wien, Haus der Musik
Termine Musik
Molly
Im Jänner erschien das zweite Album des Innsbrucker Shoegaze-Duos
Molly – wie schon sein Debüt bei Sonic Cathedral
Recordings, den Londoner Expert*innen für erhaben-schönen
Gitarrenlärm. »Picturesque« spiegelt Sänger Lars Anderssons
Faible für die Kunst der Romantik wider: Es ist überbordende,
hypnotische, einnehmende Musik. 18. Februar Innsbruck, Die
Bäckerei — 23. Februar Wien, Chelsea
highlights
Bernhard Frena, Manuel Fronhofer Elevate Festival, Marko Mestrovic, Niko Havranek, Sophie Garcia, David Prokop, Ben Rayner, Goodlive Artists
José González
Wenn der Singer-Songwriter aus
Göteborg die Finger über die Saiten
seiner akustischen Gitarre wandern
lässt, ist’s im Publikum für gewöhnlich
mucksmäuschenstill. Grübelnde, berückende,
einfach schöne Musik. Bei
aller Zurückhaltung brodelt es dabei
aber oft unter der Oberfläche. 7. März
Wien, Konzerthaus
Struma + Iodine
Zehn Jahre Struma + Iodine, wir gratulieren! Bei dem Mini-Festival
gibt es wieder zeitgenössische Musik und Clubkultur zu
entdecken. Dieses Jahr treffen 15 internationale und lokale Acts
sowie Genres von Noise und Dark Ambient über Techno, Trance
und Hardcore bis Post-Hyper-Pop aufeinander. Unter anderem
mit: Buttechno, Elvin Brandhi (Bild), Battle-AX und Alpha Tracks.
24. Februar Wien, Das Werk
Affine Records Night
Der Autor dieser Zeilen kann eine Affinität zu Affine Records
nicht leugnen. Zu sympathisch ist der Mix aus Innovation und
Groove, aus Kollektiv und Label sowie aus den resultierenden
Acts. Drei davon gibt’s bald im Rockhouse kondensiert: Dorian
Concept, Kenji Araki (Bild) und Zanshin. Eine Empfehlung an alle,
die elektronische Musik mit Herz und Hirn schätzen. 10. März
Salzburg, Rockhouse
Dry Cleaning
Florence Shaws nüchtern vorgetragener Sprechgesang steht
im Zentrum der Musik von Dry Cleaning. Drum herum sind ihre
Bandkollegen mit mal quengelnden, mal jammernden Post-Punk-
Gitarren um ein bisschen Nachdruck bemüht. Synth- und Saxofon-Schlieren
bringen Farbe ins graue Bild. Nach »New Long Leg«
lässt es sich auch ins vielschichtigere zweite Album »Stumpwork«
gut reinkippen. 24. März Wien, Flex
Alina Pash
Beim Song Contest 2022 wurde die Ukrainerin Alina Pash quasi
in letzter Sekunde von ihrem Land ersetzt. Der Grund: 2015 reiste
sie auf falschem Weg, sprich nicht über die Ukraine, auf die Krim.
Mittlerweile hat sich der Sturm gelegt. Die Musikerin befindet
sich auf Europa-Tour und macht mit ihrem Genre-Mix aus Hip-
Hop, Pop und traditioneller Musik auch in Wien Station. 7. April
Wien, Das Werk
Marc Almond
Als eine Hälfte des Duos Soft Cell
(»Tainted Love«) hat sich Marc Almond
schon in den frühen 80ern
einen Platz in den Musikgeschichtsbüchern
gesichert. Solo versteht er
sich darauf, Kitsch zu großer Kunst
zu erheben – irgendwo zwischen
Pop und Pomp. Greatest-Hits-Show!
2. April Wien, Volkstheater
Pomme
Unaufgeregt, unaufdringlich und
doch mitunter überraschend ist der
Pop der Französin Pomme. Vor allem
ihre Stimme trägt die Performance.
Chanson-Vergleiche kann und sollte
sie nicht scheuen, vor allem nicht
bezüglich Emotionalität, sie klingt
jedoch sphärischer, verträumter, moderner.
8. April Wien, Theater Akzent
04.03. Oskar Haag
08.03. Silbermond
09.03. Christof Spörk
10.03. Dota
13.03. Kibbutz
Contemporary
Dance Company 2
15.03. Sophie Lindinger
18.03. Saxon / Rage
21.03. Jools Holland &
Guests
22.03. Delinquent Habits
22.03. Sofia Nappi &
Compania Komoco
23.03. Nadja Maleh
23.03. Antilopen Gang
25.03. Christian Dolezal
29.03. Thomas Maurer
30.03. Raphael Miro
Holzer
01.04. Pöbel MC
07.04. Kreiml & Samurai
13.04. Chris Jagger
15.04. Catt
17.04. Science Busters
20.04. Geschwister
Pfister
21.04. Rosalie Wanka
24.04. Ana Marwan &
Cvetka Lipuš
27.04. Louise Lecavalier
30.04. Gravity &
Other Myths
29.04. Maria Clara
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Weiterer VVK: LIVA Service center
im Brucknerhaus, Thalia Linz,
oeticket und alle oberösterreichischen
Raiffeisenbanken.
Bild: Michelle Rassnitzer
Termine Festivals
3 Fragen an
Eva Fischer
Künstlerische Leitung
Civa Festival
048
Civa steht für »Contemporary Immersive Virtual
Art«. Wie macht ihr dazu ein Festival?
Es ist uns über die drei Jahre hinweg darum
gegangen, einen Ort zu schaffen, an dem Leute zusammenkommen,
um Neues zu sehen, zu hören und
multi-perspektivisch Themen zu diskutieren – ob
virtuell oder im physisch. Zwischen Analogem und
Digitalem wollen wir immersive Räume gestalten,
in die wir eintauchen können und die uns inhaltlich,
emotional oder körperlich voll einnehmen. Als
Medienkunstfestival beschäftigen wir uns mit aktuellen
gesellschaftspolitischen Themen und tun
das vor allem in Hinblick auf zeitgenössische Medien,
wie Social Media, Internet, Extended Realities,
Künstliche Intelligenz oder Blockchain.
Was erwartet uns beim diesjährigen Civa Festival?
Was sind die Schwerpunkte?
Wir sind diesmal an zwei physischen Orten und
natürlich auch wieder online vertreten. Die Ausstellung
»Intangible Care« im Belvedere21 ist das
Herzstück des Festivals, um das sich ein Programm
aus Tours, Screenings, Diskursen und Live-Performances
spinnt. Während der Woche zeigen unsere
Ambassadors ihre persönlichen Sichtweisen auf die
Civa-Ausstellung. An den beiden Wochenenden findet
unser Live-Programm statt, das aus Workshops,
Social Sessions, einem Filmprogramm und audiovisuellen
Live-Performances besteht.
Ist dasheurige Thema »Intangible« eine Replik auf
das oft harte, kantige und harsche Internet?
Wir sind ständig mit diesen harten, kantigen und
harschen Themen konfrontiert – Krieg, Rassismus,
Frauenhass, Hate Speech, Klassismus, um nur ein
paar aufzuzählen. Unsere Gesellschaft ist überfordert,
gespalten und verängstigt. Doch dem gegenüber
steht eine Kraft: Care. Auf Wienerisch: »sich um
etwas scheren«. Viele der Künstler*innen des Civa
Festivals kümmern sich um Themen und machen
durch detaillierte Recherchearbeit und tiefes Einfühlungsvermögen
aktuelle gesellschaftspolitische
Probleme wie Misogynie, kulturelle Aneignung/Zerstörung,
Identitätsfindung oder den ambivalenten
Hype um Self-Care ein wenig greifbarer.
Civa Festival 17. bis 26. Februar Wien,
Belvedere 21, Aux Gazelles und online
Imagetanz
Beim »Festival für Neues aus Choreografie und Performance«, das alljährlich vom Brut veranstaltet
wird, bieten heuer 17 lokale und internationale Künstler*innen bzw. Kollektive (Österreich-)
Premieren und Studio Visits. Im Zentrum stehen Fragen wie: Wem gehört welcher Raum? Welche
Räume sind zugänglich? Mit wem teilen wir sie oder wie können wir sie einnehmen? Und vor allem:
Wie lassen sich Grenzen überwinden? Wobei die Räume, um die es hier geht, reale, metaphorische
oder gesellschaftliche sein können. Im Rahmen der Eröffnung führt uns Annamaria Ajmone zur
Sinnesschärfung in einen finsteren Wald. Beim Voguing-Ball von Kiki House of Dive wird das
Performance-Programm auf den Dancefloor verlagert. 2. bis 25. März Wien, diverse Locations
Termine Festivals
Bernhard Frena, Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann Elodie Grethen, Charlie Engman, Signe Baumane, Elsa Okazaki
Tricky Women / Tricky Realities
Mit mehr als 150 Kurzfilmen feiert das Festival Tricky Women / Tricky Realities
heuer wieder das »emanzipatorische Potenzial und die gesellschaftspolitische
Reflexionskraft des Animationsfilms von Frauen und / oder genderqueeren
Künstler*innen«. Zu sehen ist auch der preisgekrönte Langfilm »My Love Affair
with Marriage« (Bild), in dem sich die aus Lettland stammende Filmemacherin
Signe Baumane mit viel Humor Themen wie Liebe, Sex und Geschlechterrollen
widmet. In Ergänzung zum Filmprogramm gibt es – wie gewohnt –
Künstler*innengespräche und Lectures. 8. bis 12. März Wien, diverse Locations
Diagonale
Es ist die letzte Diagonale unter der Leitung von Sebastian Höglinger und Peter
Schernhuber – und es dürfte wieder eine sehr spannende werden. Bei der
Eröffnung ist mit Patric Chihas Spielfilm »Das Tier im Dschungel« (Bild) eine
Ode an die Clubkultur zu sehen. Die Programmreihe »Zur Person« ist Goran
Rebić gewidmet, der in frühester Kindheit mit seinen Eltern von Jugoslawien
nach Wien kam. Und die beiden historischen Specials tragen die vielversprechenden
Titel »Finale« respektive »Aktion! Action!«. Das komplette Programm
gibt’s ab 10. März. 21. bis 26. März Graz, diverse Locations
Mehr als 200 Filme hat der Ausnahmeregisseur Jess
Franco gedreht, immer wieder arbeitete er sich darin
an denselben Obsessionen ab. Anlässlich seines
zehnten Todestages widmet ihm das Filmarchiv nun
ein »Wild Weekend«, an dem sich die spezielle Handschrift
des »Autorenfilmers des Bahnhofkinos« zeigt.
Unter anderem mit den Filmen »Der Hexentöter von
Blackmoor«, »Downtown – Die nackten Puppen
der Unterwelt« und »Sadomania – Hölle der Lust«.
23. bis 26. Februar Wien, Metro Kinokulturhaus
Vinyl & Music Festival
Anfang März steht die Ottakringer Brauerei wieder
ganz im Zeichen der Musik – mit besonderem
Fokus auf das »schwarze Gold«. Neben Unmengen
Vinyl werden die rund 150 Aussteller*innen aus
dem In- und Ausland auch wieder Hi-Fi-Equipment
und Instrumente auf die Verkaufstische hieven.
Eine Jukebox könnte man sich bei der Gelegenheit
auch kaufen. Oder vielleicht ein Siebdruckposter
des Lieblings-Artists? Konzerte, DJ-Sets und
Foodtrucks runden das Angebot ab. 4. und 5. März
Wien, Ottakringer Brauerei
Mit alles
Das »Kulinarikfest für moderne Gourmets und
Gourmands« regt mit Schlagwörtern wie Naturwein,
Delikatessen, Kaffee und Spirituosen sowie einem
Fokus auf lokale Produzent*innen den Appetit
an. Man sei »auf der Pirsch nach den Ursprüngen,
den Exoten und den Highlights«, heißt es auf der
Website der Veranstalter*innen, die man zumindest
teilweise auch aus dem Feschmarkt-Team kennen
könnte. Ausgabe Nummer drei der genussvollen Zusammenkunft.
31. März bis 1. April Wien, Brick-15
Craft Bier Fest
Wer das geschmacklich nivellierte Industriebier
internationaler Großkonzerne langweilig findet,
kann schon mal das Verkostungsglas vorspülen.
Ob IPA oder Stout, Sour oder Wit – die Vielfalt
handwerklich gebrauter Biere ist groß. Und dank
50 teilnehmender Brauereien aus Österreich und
dem Ausland kann man am Craft Bier Fest an die
400 davon probieren. Wobei die Quantität vor
allem deshalb beeindruckt, weil auch die Qualität
hoch ist. 14. und 15. April Wien, Marx Halle
049
Termine Kunst
The New African Portraiture
Obgleich sich die Ausstellung »New African Portraiture« auf die Gattung der Malerei und das Genre des Porträts beschränkt geht dabei weder Vielfalt noch Selbstbewusstsein der ausgestellten Arbeiten
verloren. »African« wird dabei über den afrikanischen Kontinent hinaus auch auf Künstler*innen in der Diaspora ausgedehnt. Gerade bei den teilnehmenden Künstler*innen jüngerer Jahrgänge bis Mitte der
80er-Jahre wird die Verstrickung von Identitäten und die Schwierigkeit, sie bildlich zu fassen, deutlich. Produktiv wird es da, wo der Komplexität Fläche und Raum gegeben und sich einiges von der diebischen
Kunstgeschichte zurückgeholt wird. bis 10. April Kunsthalle, Krems
050
Termine Kunst
Valie Export
Valie Export – die schillernde, subversive, ewige Pionierin Valie Export – interveniert
im Erdgeschoß des Kunsthauses Bregenz mit der Installation »Oh Lord, Don’t Let
Them Drop That Atomic Bomb on Me«. Dafür greift sie auf die Kirchenorgel ihres
Heimatortes Pöstlingberg bei Linz zurück und stellt ihr die Jazzklänge von Charles
Mingus entgegen. Ein Kunstgriff über Raum und Zeit hinweg, der mit ganz wenig
ganz viel erreichen kann – so kennt man Valie Export. Eine gute Gelegenheit, die
Bekanntschaft mit ihrem Werk aufzufrischen, denn es erschöpft sich nicht und
nicht. bis 10. April Kunsthaus, Bregenz
Heinrich Dunst: Sink
»Sink« von Heinrich Dunst (»der österreichische Konzeptkünstler«) zeugt von
einer intensiven Lektüre Foucaults. Zweck und Voraussetzung von Kunst sind
die Kernthemen der installativen Ausstellung, die Dunst spezifisch für das
Haus als Gesamtwerk erarbeitet hat. Im Zentrum stehen dabei der Dialog
zwischen Werken und Betrachter*innen, die Transformationen von und durch
Kunst, sowie das Verhältnis von skulpturalem (Bild-)Objekt zu (poetischer)
Sprache. All dies wird von Dunst gekonnt in der Schwebe und damit virulent
gehalten. bis 30. April Halle für Kunst Steiermark, Graz
Victor Cos Ortega Cornelius Annor »Barima Katakyie«, 2022; Foto: Jorit Aust / The Shariat Collections;
Kunsthaus Bregenz, Markus Wörgötter, Judith Huemer / Bildrecht, Violetta Wakolbinger, Optics Division of the Metabolic Studio
Falten
Jeder hat sie, die wenigsten wollen sie. Sie sind Motor einer ganzen Sparte der
Kosmetikindustrie. Sie sind Alleinstellungsmerkmale, mit Emotionen verbunden
und zeichnen Charaktere aus. Sie sind ewiger Begleiter der Künste und
sogar eigene Kunstform. Falten! Von Fächern und Papier über Kleider bis hin
zu Masken und Gesichtern zeigt die Mak-Sammlung Asien das weite Spektrum
von Falten und beleuchtet es von der kulturellen und künstlerischen Seite.
bis 21. Mai Mak, Wien
What the Fem?
Wie hat sich der Feminismus seit den 1950er-Jahren verändert? Und wie sehen
die künstlerischen Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Feminismen
aus? Die bewusst offen gestaltete Ausstellung zu diesem Megathema integriert
theoretisierende Ansätze genauso wie solche, die gelebte Erfahrungen in den
Mittelpunkt stellen – ganz nach dem Motto »under de / construction«. Besonderes
Augenmerk wird auf Österreich, genauer, Linz gelegt und ein historischkünstlerischer
Abriss geboten. bis 28. Mai Nordico Stadtmuseum, Linz
Mining Photography
Die Abhängigkeit von seltenen Erden sind verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit
gelangt. Wir benötigen sie für scheinbar Notwendiges (Smartphones),
Überflüssiges (Elektrosportwägen) und … Fotografie! Fotografie? Echte Klimakiller
sind Fotos nicht erst, seit man auf energiefressenden Clouds speichert,
sondern schon seit man für ihre Verfahren Kupfer, Kohle und Silber abbauen
musste. »Mining Photography« macht das Medium zum Thema und zeigt die
Auswirkungen des Knipsens auf die Umwelt. bis 29. Mai Kunst Haus, Wien
Skulpturenpark Cobenzl
Der Frühling naht! Wer seine Neujahrsvorsätze in die Tat umsetzen und mal
wieder was für die Seele tun möchte, kann mit einem Ausflug zum Cobenzl
am Rande Wiens gleich zwei Sachen miteinander verbinden: Kunst schauen
und Waldluft schnuppern. Ein frischer Wind weht durch den Skulpturenpark
der Parallel Vienna – mit Arbeiten von Erwin Wurm, Bruno Gironcoli,
Eva Schlegel und weiteren. Städter*innen, raus in die Natur! bis 31. Oktober
Wien, Weitsicht Cobenzl
051
Termine Filme & Serien
3 Fragen an
Katharina Mückstein
Regisseurin von »Feminism WTF«
052
In deinem neuen Dokumentarfilm »Feminism WTF«
sprichst du mit unterschiedlichen Expert*innen
und Aktivist*innen. Was war dir bei der Auswahl
deiner Gesprächspartner*innen wichtig?
Ich wusste, dass meine eigene Perspektive
einer weißen, europäischen cis Frau mit gewissen
Privilegien eine eingeschränkte ist, daher war mir
Folgendes klar: Ich werde keinen Film produzieren
können, der alles abbildet, was Feminismus ist. Ich
habe also viele Personen kontaktiert und sie gefragt,
was ihrer Ansicht nach im Film enthalten sein muss.
Das ist für mich auch eine feministische Art, Filme
zu machen: Ich habe die Mittel und das Handwerk,
aber ich bin auf die Perspektive anderer angewiesen.
Ich wollte dem Feminismusbild der Massenmedien
einen Film entgegensetzen, der mit Leichtigkeit,
Freude und Stolz zeigt, wie großartig Feminismus ist.
Stams – Österreichs Kaderschmiede
Regie: Bernhard Braunstein ———— Ein Jahr begleitete Regisseur Bernhard Braunstein
seine Protagonist*innen in Stams, Österreichs erfolgreichstem Eliteinternat
für Wintersport. Das Training ist hart – physisch wie psychisch. Nicht alle sind dem
Druck gewachsen. Kraft und Durchhaltevermögen sind gefragt, Hoffnungen und
Rückschläge stehen an der Tagesordnung. Wer das berühmte Schigymnasium besucht,
will hoch hinaus, doch nur ein bis zwei Prozent aller Schüler*innen schaffen
es, sich im Spitzensport durchzusetzen. Seine Weltpremiere feierte der Film auf
der Berlinale. »Ich wollte keinen klassischen Sportfilm machen, nicht das klassische
Held*innen-Narrativ bedienen, sondern mit einem genauen und empathischen Blick
den Alltag der heranwachsenden Jugendlichen beschreiben«, so Braunstein im
Regie-Statement. Er begegnet seinen Protagonist*innen voller Respekt und zeigt
Licht- und Schattenseiten ihres Alltags. Start: 3. März
Der Film zeichnet sich durch seine harmonische
Optik aus: Wieso war dir dieser Aspekt wichtig?
Mir ist es wichtig, Filme zu drehen, die gut aussehen.
Ich hatte die Idee, den Film in verlassener
kapitalistischer Architektur zu drehen. Meine Vorstellung
von Feminismus ist immer eine Kritik des
Kapitalismus. Ich wünsche mir, dass Feminismus
auf den Ruinen des Kapitalismus erblühen kann. An
unserem Set mochte ich auch, dass ein Haus ein
Symbol für Community ist, ein Ort, an dem alle zusammenkommen.
Alle Menschen, die an »Feminism
WTF« mitgewirkt haben, vereint ein feministisches
Grundverständnis, und alle kamen dann in dieses
Haus, um den Film zu drehen.
Du selbst kritisierst auf deinem Instagram-Profil
die österreichische Filmbranche und verschaffst
Betroffenen von Sexismus Gehör. Hat die Filmbranche
ein besonders großes Problem damit?
In der Filmbranche geht es um viel Geld und
Anerkennung. Wo Geld wartet, ist die Männerdominanz
meist nicht weit. Die Arbeitshierarchie am Set
führt dabei oft zu Machtmissbräuchen und Übergriffen.
Betroffene können sich schlecht wehren,
ohne die eigene Existenz gefährdet zu wissen. Die
Frage, was eine feministische Filmsprache ist und
wie ein feministisches Arbeiten – also Kooperation
auf Augenhöhe – aussehen kann, das steht aktuell
sehr stark im Raum.
»Feminism WTF« Start: 31. März
Sisi & ich
Regie: Frauke Finsterwalder ———— Nach »Corsage« und »Sisi« widmet sich ein
weiteres Projekt der Figur Elisabeth von Österreich-Ungarn. In »Sisi & ich« wird die
Geschichte aus der Sicht der Gräfin Irma (Sandra Hüller) erzählt. Sie ist fasziniert
von Sisi (Susanne Wolff); die Kaiserin zieht Irma in ihren Bann. Irma verliebt sich
schließlich in Sisi – und unterstützt sie bei einer folgenschweren Entscheidung.
Frauke Finsterwalder hat für ihren zweiten Spielfilm das Drehbuch gemeinsam
mit Christian Kracht verfasst. Die bisherigen Darstellungen von Sisi empfindet
die Regisseurin als unfair: »Sie war eine Frau, die im späteren Alter sagte, was sie
dachte, und tat, was sie wollte. Ihr wurde immer angekreidet, dass sie schwierig
und auch psychisch krank sei. Unter dem heutigen Aspekt würde man eine starke
Frau wie sie gar nicht mehr so verurteilen«, so die Regisseurin gegenüber dem
Österreichischen Filminstitut. Start: 31. März
Barbara Fohringer Elsa Okazaki, Panama Film, DCM / Bernd Spauke, Sky Studios, Amazon Prime
NEU
jetzt probieren!
Wo ist Anne Frank?
Regie: Ari Folman ———— Anne Franks Tagebuch ist Zeitgeschichte und Weltliteratur zugleich.
Zwei Jahre lang versteckte sie sich mit ihrer Familie vor den Nazis, sie wurde schließlich aber
doch ermordet. Dieser Animationsfilm geht einen etwas anderen Weg als frühere Verfilmungen:
Während des Kriegs schreibt Anne hier an ihre imaginäre Freundin Kitty, die 75 Jahre später auf
magische Weise zum Leben erwacht und sich auf die Suche nach Anne macht. Start: 24. Februar
Sterne unter der Stadt
Regie: Chris Raiber ———— Alexander (Thomas Prenn) hat in seiner Kindheit versprochen,
sich niemals zu verlieben, da er nicht das Schicksal seines Vaters teilen möchte. Er kümmert
sich um diesen und arbeitet zudem im Fundbüro der Wiener U-Bahn. Als er dort auf Caro
(Verena Altenberger) trifft, wird es jedoch immer schwieriger, sein Versprechen zu halten.
Gedreht wurde unter anderem im Netz der Wiener U-Bahn. Start: 3. März
Zusammenleben
Regie: Thomas Fürhapter ———— Thomas Fürhapter wirft nach »Die dritte Option« (2017) nun
in seiner neuen Doku einen Blick auf die Vielfalt, die sich in der Bundeshauptstadt Österreichs
auftut: Mit seiner Kamerafrau Judith Benedikt besuchte er das Core Zentrum im 15. Bezirk, in
dem es Integrationsangebote für Menschen mit Fluchterfahrung gibt. So entsteht nicht nur ein
Bild dieser Menschen, sondern auch eines der Wiener*innen. Start: 10. März
Lass mich fliegen
Regie: Evelyne Faye ———— In ihrem Debütfilm präsentiert Evelyne Faye vier Menschen mit
Down-Syndrom. Sie alle kämpfen um Inklusion und um ein selbstbestimmtes Leben. Raphael
und Johanna etwa sind beide Teil der Tanzgruppe »Ich bin o. k.«. Sie wollen heiraten und später
auch Kinder bekommen. Andrea wiederum sucht eine Stelle als Altenpflegerin und Magdalena
ist künstlerisch sowie politisch aktiv. Eine Begegnung auf Augenhöhe. Start: 17. März
The Ordinaries
Regie: Sophie Linnenbaum ———— Ein Film über die Welt des Films. In dieser gibt es Hauptund
Nebenrollen – für die 16-jährige Paula (Fine Sendel) steht fest: Sie will eine Hauptfigur sein.
Daher besucht sie eine Schule für Hauptfiguren und muss bei der Abschlussprüfung beweisen,
dass sie das nötige Potenzial hat. Die Kritik zeigt sich angetan von diesem Mix aus Science-Fiction
und Satire und beschreibt ihn als ungewöhnlich sowie experimentierfreudig. Start: 14. April
SO LÖFFELT
ÖSTERREICH!
vegetarisch
Funny Woman
Idee: Morwenna Banks ———— Basierend
auf Nick Hornbys Roman »Funny Girl« erzählt
diese Serie die Geschichte von Barbara Parker
(Gemma Arterton), die 1964 den »Miss
Blackpool«-Schönheitswettbewerb gewinnt.
Sie verlässt daraufhin ihren Ehemann und
startet eine Karriere im Showgeschäft. Eigentlich
war die Schauspielerei ihr erstes Ziel,
doch schnell stellt sich ihr Talent für die Komik
heraus. Fans von »The Marvelous Mrs. Maisel«
dürften bei dieser Produktion auf ihre Kosten
kommen. Start: 9. Februar Sky
The Consultant
Idee: Tony Basgallop ———— Christoph Walz
zeigt wieder sein Können: In der düsteren Serie
»The Consultant« spielt er einen Berater,
der nach der gescheiterten Fusion die Firma
Compware übernimmt. Seine Methoden sind
unorthodox und zwischen ihm und den Angestellten
entwickelt sich eine finstere Beziehung.
Die Serie basiert auf dem gleichnamigen
Roman des Autors Bentley Little und vereint
Comedy- mit Thriller-Elementen. Der zweifache
Oscar-Preisträger Waltz produzierte die
Serie auch. Start: 24. Februar Amazon Prime
mit extra viel
österreichischem
Rindfleisch
Hergestellt in
Österreich
www.inzersdorfer.at
Natürlich
ohne:
... Palmöl
... Zusatz von Konservierungsstoffen
... Geschmacksverstärker
Christoph Prenner
bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium
zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber
Screen Lights
Takt mit dem Teufel?
Cate Blanchett füllt »Tár« und ihre Rolle vollends aus.
054
Jetzt ist es mir also tatsächlich passiert. Es
geschah ohne Vorsatz, sogar unbewusst, war
letztlich aber nicht zu vermeiden. Dies hier ist
also, wenn man denn so will, die erste Kolumne,
die unmittelbar an die letzte anknüpft, die den
seinerzeit ausgelegten Faden sozusagen geradeswegs
aufnimmt, um ihn direkt weiterzuspinnen.
»Ein Film, der es nicht bloß anregt, sondern
nachgerade einfordert: das retrospektive Reflektieren,
Räsonieren, Diskutieren«, war in der
vergangenen Ausgabe am Ende der Betrachtungen
zu »The Banshees of Inisherin«, einem
»der größten Filme der Spielzeit 2022«, zu lesen.
Berühmte letzte Worte? Von wegen.
Denn in der Zwischenzeit hat sich nicht nur
ein Werk gefunden, das der besagten Glanztat
von/mit dem Trio McDonagh / Farrell / Gleeson
auf Augenhöhe zu begegnen versteht, nein,
selbiges ist auch mindestens genauso gut geeignet,
im Nachklang für hitzige Debatten zu
sorgen. Wobei das noch eine Untertreibung ist:
So wie »Tár« (Kinostart: 2. März) angelegt und
umgesetzt ist, zielt er nachgerade darauf ab, es
sich im Minenfeld kontemporärer Diskurse ungemütlich
zu machen.
Fixstern Cate Blanchett
Mit nicht geringer Lust an Konfrontation und Irritation
pirscht sich Regisseur Todd Field an heikle
Themen des Kulturbetriebs heran, die längst
auch weit über dessen innere Kreise hinaus
mächtig Wellen schlagen: Geniekult, Hybris und
Missbrauch, Bubble-Betriebsblindheit und Konsequenzen-Kultur.
»Tár« betreibt jenes Pirschen
jedoch mit Konsequenz und Eleganz beharrlich
aus Richtungen, aus denen man es nicht vermutet
hätte, und führt uns dabei, volle Aufmerksamkeit
abverlangend, zu häufig ebenso unerwarteten,
unter Garantie lohnenden Reflexionen.
Er ist damit gleichwohl ein Film, wie er kaum
besser in unsere Zeit passen könnte. Aber auch
ein Film, der einen stets von Neuem herausfordert,
der verunsichert und dazu geeignet ist, allfällige
blinde Flecken in der eigenen Weltwahrnehmung
anzuzeigen. Ein Film, pickepackevoll
mit Szenen, die zunächst vollkommen eindeutig
und erklärbar erscheinen, deren komplette Bedeutung
aber zunächst oft nur schwer zu greifen
ist. Ein Film, der sich dabei dennoch so real
anfühlt, dass man sich nach dem Abspann kaum
noch eine Welt vorstellen kann, in der Lydia Tár,
also jene Person, die dieser schattenhaften Story
als Fixstern und unmoralisches Zentrum dient,
nicht auch tatsächlich existiert.
Eine bemerkenswerte Leistung, die ihren
Ursprung freilich nicht allein in Fields nüchterner
wie elektrisierender Inszenierung hat.
Denn nicht nur ob ihrer Präsenz in so gut
wie jeder einzelnen Einstellung des Films ist
»Tár« mehr oder minder ein einziger großer
Schauspiel-Showcase für Cate Blanchett und
ihre Fertigkeiten. Diese vermochten noch selten
so gleißend hell zu strahlen wie in dieser
Verkörperung einer bahnbrechenden, charismatischen,
lesbischen Dirigentin, die eine der
einflussreichsten Positionen einzunehmen verstand,
die ihre Profession zu bieten hat.
Mit großen Dosen von Talent, Intelligenz
und Selbstbewusstsein brachte es Lydia Tár zu
Rang und Namen. Die Rollenmodelle ihrer Helden
(nach -innen sucht man lang und vergeblich) zu
diesem Behufe zum Vorbild nehmend, beschreitet
sie kühl und kontrolliert den vorgezeichneten
Weg eines Genies in die Geschichtsbücher – leider
auch mit all den gängigen, unerfreulichen
Nebeneffekten. Bemisst Tár doch, wie so viele
ungute Typen vor ihr, alles Zwischenmenschliche
rein nach dem transaktionalen Mehrwert
– und macht dabei vor reichlich unangemessenen
Beziehungen zu weit weniger mächtigen Menschen
noch lange nicht Halt. Wo ein solches Vorgehen
in der Vergangenheit ihrer Vorbilder meist
noch stillschweigend geduldet wurde, kann es
in einer hyperalerten Gegenwart jedoch nur im
Untergang kulminieren. Selbst oder gerade dann,
wenn man sich für unantastbar hält.
Die schwelende Panik der Protagonistin
davor, dass Details jener Übertretungen publik
werden, durchzieht diesen polymorphen
Film, der zwischen Thriller, Hochkultursatire,
Charakterstudie, mitunter Horror die unterschiedlichsten
Klänge und Rhythmen anzuwenden
vermag, ohne es sich je in einem
einzigen durchgängigen Modus Operandi
behaglich einzurichten. Und behaglich will es
sich Field entsprechend auch bei den Antworten
auf die brennenden Fragen nicht machen:
So kompliziert, vielschichtig und faszinierend
undurchdringbar wie die Kunst, die Lydia mit
allen Kollateralschäden mehr als alles andere
liebt, präsentiert sich auch dieses nahezu
Kubrick’sche Epos, das den alleraufgelegtesten
Impulsen widerstehend seine Protagonistin weder
als Monster noch als Opfer zeichnen will.
Kunst als Selbstauslöschung?
Die nuanciert trügerische Manier, mit der Field
und Blanchett uns das immer noch ein wenig
übler entgleisende Geschehen durch den hochgradig
subjektiven Tunnelblick der Protagonistin
erleben und erfühlen lassen, legt stark
nahe, dass sie Substanzielleres im Sinne hatten,
als zu allzu wohlfeilen Schlussfolgerungen zu
gelangen. Vielmehr stellt »Tár« lieber die Mechaniken
der Macht und ihrer Missbrauchsmöglichkeiten
infrage – ohne Sympathien einzufordern:
Was macht Macht mit einem, mit der
eigenen Psyche? Und was ihr Verschwinden?
Was, wenn die Reaktion auf den angekündigten
Verlust von Kontrolle und Privileg in der radikalen
Variation des Paradigmas von der Trennung
von Kunst und Künstlerin läge – in der
Trennung der kreativen Persona vom Rest-Ich,
in der Selbstauslöschung im Sinne der Kunst?
Eine Zuspitzung, eine Zumutung. Es sind genau
diese seltsamen, irritierenden, faszinierenden
Töne, die »Tár« zu einem Erlebnis machen, das
man noch lange über die nächste akute Empörung
hinaus mit sich herumtragen wird.
prenner@thegap.at • @prennero
Christoph Prenner plaudert mit Lillian
Moschen im Podcast »Screen Lights« zweimal
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Seriengeschehen.
Luca Senoner, Focus Features
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Termine Bühne
056
Bones and Stones
Oür die neue Performancearbeit von Künstlerin und Choreografin Claudia Bosse
wird die Halle G zu einer begehbaren Landschaft, in der sich das Publikum
frei durch den Raum bewegt. Sechs Tänzerinnen verschiedenen Alters graben
hier durch die vielen Schichten der Zeit. Auf der Suche nach Erinnerungen in
Steinen und Knochen wird ein Raum geöffnet, in dem Material, Leiber in ihren
Prozessen, Transformationen und Zerfall verflochten werden. Im Anschluss an
die Performance am 24. Februar findet ein Artist-Talk zwischen Kulturhistorikerin
Felicitas Thun-Hohenstein und der Choreografin Claudia Bosse statt.
Die Bewegung hinein in die Körper und in die Erde soll sich zudem im Sommer
2023 aus dem Bühnenraum in die Landschaft verlagern. 23. bis 25. Februar
Wien, Tanzquartier, Halle G
GI3F (Gott ist drei Frauen)
Die drei Göttinnen in »GI3F« sind sich angesichts
des Zustandes der Welt unsicher: Was ist zu tun
und sollte das Zeitalter der Menschheit vielleicht
besser zu Ende gehen? Zu Seite gestellt wird den drei
Akteurinnen ein Mann, Jens, der als Vertreter des Patriarchats
bei der Frage danach, was eigentlich los ist,
hoffentlich nachhelfen kann. Autorin Miru Miroslava
Svolikova entwirft mit »GI3F« ein modernes Mysterienspiel,
in dem drei Darstellerinnen humorvoll und
kritisch das allgemeine Weltgeschehen verhandeln.
6. März bis 1. April Wien, Theater Drachengasse
Sons of Sissy
Der österreichische Choreograf Simon Mayer lässt in
der Arbeit »Sons of Sissy« ritualistische Gruppentänze
– in ihrer Geschichte verwoben mit Konservativismus
und Konventionen – auf zeitgenössischem Tanz
prallen. Mehr als acht Jahre nach der Uraufführung
wird das Tanzstück in Wien wiederaufgeführt. Alpine
Livemusik trifft hier auf verspielte Tanzkombinationen
und -formationen, die traditionelle, männliche
Rollenbilder im Brauchtum mit Humor unterlaufen.
16. bis 18. März Wien, Odeon
Herstory. No More Excuses …
… No More Abuses.« Es gehört zur traurigen österreichischen Realität, dass
im Jänner dieses jungen Jahres 2023 bereits drei Femizide zu vermelden waren.
Das Doku-Theaterstück von Sophie Benedikte Stocker nimmt verschiedene
Frauenbiografien in den Fokus. Sechs Darstellerinnen verhandeln auf
der Bühne patriarchale Rollenbilder und männliches Besitzdenken, basierend
auf Interviews mit Frauen verschiedener Generationen und unterschiedlicher
Backgrounds, mit Expertinnen aus den Bereichen Politik und Recht sowie aus
psychologischen Betreuungseinrichtungen und mit Aktivist*innen, die auf
Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. So entsteht ein feministisch-empowernder
Theaterabend, musikalisch unterstützt von Aggrepo-Punk-Sounds
der Livemusikerin Jana Schulz. 16. bis 25. März Wien, Werk X-Petersplatz
Absence
»Was geschieht, wenn sich dein eigener Körper plötzlich
gegen dich wendet?« In »Absence« werden die
psychischen und körperlichen Folgen einer Gehirnverletzung
thematisiert. Es werden Situationen aus dem
Alltag vor und nach einer Gehirnoperation durchgespielt
und es wird gefragt, was die Fähigkeit des
Erinnerns für die eigene Identität bedeutet. Der Theaterabend
verhandelt die veränderte Wahrnehmung
der Innen- und Außenwelt von Betroffenen sowie den
Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper und ist
eine Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit.
28. März bis 7. April Wien, Kosmos Theater
Café Populaire
Im Zentrum von »Café Populaire« steht Svenja, eine
Kulturschaffende, die eigentlich alles richtig machen
will. Mit ihrer Erfindung des »Humornismus«, einer Mischung
aus Humor und Humanismus, landet sie auf der
großen Internetbühne – den sozialen Medien – jedoch
keinen großen Coup. Don, ein böses neoliberales Alter
Ego, ist da schon erfolgreicher und scheint über ihren
Körper immer mehr Kontrolle zu gewinnen. In dem
satirischen Stück geht es um alltäglichen Klassismus,
um Vorurteile und Diskriminierung aufgrund sozialer
Herkunft. 6. April bis 28. Mai Linz, Landestheater
Oliver Maus Markus Gradwohl, Dušana Baltić
ATMOSPHERE
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5* HOTEL IN LEOGANG, SALZBURGER LAND
Lesen und Gewinnen
„Die Presse“ gratis lesen und mit etwas Glück
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Josef Jöchl
artikuliert hier ziemlich viele Feels
Sex and the Lugner City
Un-frack my brain
058
Ein Typ mit stechend blauen Augen und sonorer
Stimme bat mich, mir eine Tür vorzustellen.
Durch die sollte jeden Moment eine Person treten,
die mich liebt, und mir sagen, dass ich gut
wäre, so wie ich bin. Nichts leichter als das. Danach
schaute ich noch ein paar amerikanische
Rezeptvideos für Handfetischist*innen, bevor
ich mein Handy endgültig weglegte und versuchte
einzuschlafen. Wahrscheinlich war es
kontraproduktiv, ausgerechnet auf Tiktok nach
Entspannungstechniken zu suchen. Tiktok ist
schließlich wie Fracking für den präfrontalen
Cortex. Es wird einfach so tief gegrindet, bis
weite Areale deines Gehirns komplett vergiftet
sind. Dennoch verwies mich der Hashtag
»Mindfulness« auf ein paar alltagstaugliche
Tipps für tiefere Entspannung. Ich begann, auf
meinen Atem zu fokussieren, meine Sinne zu
schärfen, beendete das permanente Multitasking
und zündete immer mal wieder eine Kerze
an. Letzteres hatte ich, im übertragenen Sinn,
schon länger nicht mehr gemacht. Die vergangenen
Monate hatte ich eine sexuelle Trockenperiode
durchlaufen. Drei volle Monate hatte
ich keine Action gehabt, was sich zwar nicht
besonders lange anhört. In Hetero-Monaten
sprechen wir hier aber immerhin von 21. Ich war
mir sicher: Wollte ich meinen dry spell lüften,
musste ich mein Achtsamkeitsgame steigern.
Take my breath away
In Sachen Dating hatte ich zuletzt in der Vergangenheit
gelebt und dabei das Hier und Jetzt
aus den Augen verloren. Auch mein Alltag fühlte
sich zunehmend stressig an: morgens aufstehen,
zwei Liter Kaffee saufen, dann mehrere
Stunden auf verschiedene Endgeräte starren,
dazwischen in schwuler Geschwindigkeit durch
die Stadt hirschen. Es war einfach kein Platz für
magische Momente. Für eine Atemübung setzte
ich mich im Schneidersitz auf den Boden. Ich
atmete vier Sekunden durch die Nase ein, hielt
den Atem für weitere sieben Sekunden und ließ
die Luft dann durch die Lippenbremse langsam
entweichen, bevor ich das Ganze fünfmal wiederholte.
Dann lud ich mir Tinder runter. Ein Re-
Download von Tinder fühlt sich immer an wie
der Besuch in einer Kneipe, in der man länger
nicht mehr war. Man kennt sich ganz gut aus
und entdeckt vielleicht ein paar vertraute Gesichter.
Allerdings fällt einem auch sofort wieder
ein, warum man nicht öfter hingeht. Daran
konnten ein paar Atemübungen nichts ändern.
Free your mind and
the rest will follow
Viel zu oft versteift man sich beim Dating ja
auf eine App, einen gewissen Typ oder eine
gewisse Person. Dabei bedeutet Achtsamkeit
eigentlich, auf Weitwinkel zu stellen. Am nächsten
Abend wollte ich deshalb eine echte Kneipe
besuchen, um dort meine Wahrnehmung zu
öffnen. Als ich am Tresen saß, fiel mein Blick
immer wieder auf die kleinen Dinge des Lebens:
winzige Cocktailschirmchen, liebevoll aufgeschnittene
Zitronenscheiben, die Verschlüsse
von Jägermeister-Fläschchen, die man sich
nach dem Saufen auf die Nase steckt, und Typen
unter 170 Zentimeter, die unaufhörlich von
ihren Kunstprojekten sprachen. Achtsamkeit
ist eben immer auch ein bisschen anstrengend.
Ich verließ die Bar und schwor mir, künftig nicht
mehr in der Nähe von Kunstuniversitäten achtsam
zu sein. Außerdem war ich wenige Tage
später auf eine größere Homeparty eingeladen.
Eine gute Gelegenheit, alle Register der Mindfulness
zu ziehen.
Relax, when you want to come
Dort angekommen, entledigte ich mich meiner
Schuhe und begann sofort, die Gegenwart als
Geschenk und Möglichkeit zu betrachten. Jedes
Stück Knabbergebäck leckte ich von beiden
Seiten, während ich mit »Was machst du
so?«-Dialogen auf eine kleine Klangreise ging.
Irgendwann sorgte die Kohlensäure der sieben
Biere, die ich ausgetrunken hatte, für kleine
Sensationen in meinem Mundinnenraum, bis
meine Entspannungstechniken endlich die
volle Wirkung entfalteten. Maximal relaxed begann
ich, mit irgendeinem Typen zu schmusen.
Noch vor Mitternacht sollten wir vor allen anderen
Gästen auf der Couch dryhumpen, bevor
wir zu ihm nach Hause gingen. Der Bann war
gebrochen! Am nächsten Morgen rieben wir
uns die vorangegangene Nacht aus den Augen
und taten kurz so, als würden wir wir uns wiedersehen
wollen. Normalerweise deprimieren
mich One-Night-Stands, diesmal aber war ich
ganz gechillt. Es gibt Menschen, die sprechen
das Wort »Achtsamkeit« immer mit einem gewissen
Unterton, als wäre es besonders witzig.
Genauso machen sie es mit »Self Care« oder
»Body Positivity«. Meistens tun das Leute, die
von alledem noch nie zu wenig hatten. Zu denen
gehöre ich nicht. Ich hatte mir vorgenommen,
mich auch zukünftig weniger zu stressen
und zumindest zu versuchen, achtsamer zu leben.
Vielleicht steht ja irgendwann tatsächlich
jemand in der Tür, der mir sagt, dass ich gut
wäre, so wie ich bin.
joechl@thegap.at • @knosef4lyfe
Josef Jöchl ist Comedian. Sein Soloprogramm
heißt »Die kleine Schwester von Nett«. Aktuelle
Termine findest du auf www.knosef.at.
Ari Y. Richter
Diagonale’23
Festival des
österreichischen
Films
Graz, 21.— 26.
März 2023
diagonale.at
#Diagonale23
#FestivalOfAustrianFilm
12 MAI 2023
SOPHIE HUNGER
© Jerome Witz
03 MÄRZ 2023
15 APRIL 2023
MAKEDONISSIMO
Simon Trpčeski . Yutaka Sado
© Slavco Spirovski
WU TSANG
MOBY DICK; or, The Whale
© Greg Amgwerd