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Irene Dingel: Die Reformation in Gestaltungen und Wirkungen (Leseprobe)

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

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74 <strong>Die</strong> <strong>Reformation</strong> im Bild<br />

Residenzstadt Wittenberg zu e<strong>in</strong>em Bildersturm. 5 Karlstadt <strong>und</strong> die etwa zeitgleich<br />

auftretenden sogenannten Zwickauer Propheten waren der Me<strong>in</strong>ung, die<br />

<strong>Reformation</strong>, die bisher vorwiegend auf das Wort, d. h. auf die Verkündigung<br />

des Evangeliums gesetzt hatte, sei auf halbem Wege stecken geblieben. Nun, so<br />

me<strong>in</strong>ten sie, müssten Taten folgen, die die reformatorische Lehre <strong>in</strong> die Praxis<br />

umsetzten, vor allem durch die Abschaffung der alten kirchlichen Ordnungen<br />

<strong>und</strong> Zeremonien <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>führung neuer, der reformatorischen Lehre adäquaterGebräuche.<br />

<strong>Die</strong>s betraf <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie den Zölibat der Geistlichen, sodann<br />

den Messgottesdienst, aber auch die Bilderverehrung. In der angeheizten Atmosphäre<br />

Anfang 1522 kam es zu regelrecht tumultuarischen Ausschreitungen<br />

<strong>in</strong> Wittenberg. Seitenaltäre <strong>in</strong> den Kirchen wurden abgebrochen, Bilder, Heiligenstatuen<br />

<strong>und</strong> Marienfiguren von den Wänden bzw. Podesten heruntergeholt,<br />

zerschlagen <strong>und</strong> verbrannt. 6 Oft waren die e<strong>in</strong>stigen Bilderstifter die heftigsten<br />

Bilderstürmer. Erhard Schön hat dies auf e<strong>in</strong>em proreformatorischen Flugblatt<br />

dargestellt – e<strong>in</strong> Bild gegen die Bilder <strong>und</strong> deren Verehrung (Abb. 1). Damit<br />

begann das Nachdenken über den Stellenwert der Bilder imevangelischen Bereich.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung, die später sogar <strong>in</strong> <strong>in</strong>nerprotestantisch konfessionell<br />

unterschiedliche Positionierungen mündete, 7 wäre es wert, an anderer Stelle<br />

weiterverfolgt zu werden. Hier ist lediglich festzuhalten, dass die <strong>Reformation</strong><br />

Heiligen- <strong>und</strong> Bilderverehrung dezidiert ablehnte. Zugleich aber nutzte sie das<br />

Bild, d. h. Holzschnitte <strong>und</strong> Kupferstiche, zur Illustration von Texten oder auch als<br />

selbstständige Gebrauchskunst. Gemälde <strong>und</strong> bildhauerischeReliefs dientenals<br />

Andachtsbilder oder Epitaphien, <strong>und</strong> damit war die <strong>Reformation</strong> gar nicht so weit<br />

von dem altgläubigen Erbe im Umgang mit Bildern entfernt. Nicht zuletzt aber<br />

setzte die <strong>Reformation</strong> Bilder als effektives Kommunikationsmedium zur Verbreitung<br />

<strong>und</strong> Darstellung der reformatorischen Lehre e<strong>in</strong>.<br />

<strong>Die</strong>ses Phänomen, nämlich die Indienstnahme des Bildes für Anliegen der<br />

<strong>Reformation</strong>, wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dreischritt genauer betrachtet. Zunächst kommen die<br />

5<br />

Zu Karlstadt vgl. Hermann Barge, Andreas Bodenste<strong>in</strong> von Karlstadt, 2Bde., Leipzig<br />

1905, Nachdr. Nieuwkoop 1968. Zur Wittenberger Bewegung vgl. Nikolaus Müller, <strong>Die</strong><br />

Wittenberger Bewegung 1521 <strong>und</strong> 1522. <strong>Die</strong> Vorgänge <strong>in</strong> <strong>und</strong> um Wittenberg während<br />

Luthers Wartburgaufenthalt. Briefe, Akten u. dgl. <strong>und</strong> Personalien, Leipzig h1911; Natalie<br />

Krentz, Ritualwandel <strong>und</strong> Deutungshoheit. <strong>Die</strong> frühe <strong>Reformation</strong> <strong>in</strong> der Residenzstadt<br />

Wittenberg (1500–1533), SMHR 74, Tüb<strong>in</strong>gen 2014. Vgl. darüber h<strong>in</strong>aus die derzeit ersche<strong>in</strong>ende<br />

Kritische Gesamtausgabe der Schriften <strong>und</strong> Briefe Andreas Bodenste<strong>in</strong>s von<br />

Karlstadt, hrsg. v. Thomas Kaufmann, Bd. 1ff., QFRG 90 ff., Gütersloh 2017 ff.<br />

6<br />

Vgl. Margarete Stirm, <strong>Die</strong> Bilderfrage <strong>in</strong> der <strong>Reformation</strong>, QFRG 45, Gütersloh 1977.<br />

7<br />

Vgl. dazu <strong>Irene</strong> <strong>D<strong>in</strong>gel</strong>, »Daß wir Gott <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise verbilden.« <strong>Die</strong> Bilderfrage<br />

zwischen Calv<strong>in</strong>ismus <strong>und</strong> Luthertum, <strong>in</strong>: Andreas Wagner/Volker Hörner/Günter<br />

Geisthardt (Hrsg.), Gott im Wort – Gott im Bild. Bilderlosigkeit als Bed<strong>in</strong>gung des Monotheismus?,<br />

Neukirchen-Vluyn 2005, h2008, 97–111.

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