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Irene Dingel: Die Reformation in Gestaltungen und Wirkungen (Leseprobe)

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

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72 <strong>Die</strong> <strong>Reformation</strong> im Bild<br />

stellten]«. 1 Alle diejenigen, die das alttestamentliche Bilderverbot auf die Bilder<br />

<strong>in</strong> der Kirche anwenden, werden sodann verdammt. <strong>Die</strong>se Aussage, die die<br />

Rechtmäßigkeit der Bilderverehrung bestätigte <strong>und</strong> betonte, führte dazu, dass<br />

man die Verwendung von Bildern weit über den kirchlichen Raum h<strong>in</strong>aus ausweitete.<br />

Sowurden sie ausdrücklich auch für den Privatgebrauch vorgesehen,<br />

z. B. im Haus oder <strong>in</strong> Kapellen am Rande der Wege. Auch ste<strong>in</strong>erne Bilder, d. h.<br />

Statuen, wurden freigegeben. <strong>Die</strong>ser Konzilsabschied war für den Umgang mit<br />

Bildern <strong>in</strong> der Kirche wegweisend. Er hat <strong>in</strong>sbesondere das äußere Ersche<strong>in</strong>ungsbild<br />

der östlichen Orthodoxien entscheidend bee<strong>in</strong>flusst, <strong>und</strong> zwar bis<br />

heute. Bilderschmuck<strong>und</strong> e<strong>in</strong> festes Bildprogramm wurden zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tegralen<br />

Bestandteil des Lebens der orthodoxen Kirchen. Aber auch die westliche, late<strong>in</strong>ische<br />

Christianitas wurde nachhaltig durch diese Bestimmung geprägt. H<strong>in</strong>zu<br />

kam die systematische Begründung der Bilderlehre, wie sie erstmals durch Johannes<br />

Damascenus (ca. 700–ca. 753) im 8. Jahrh<strong>und</strong>ert vorgenommen wurde.<br />

Johannes von Damaskus ordnete nämlich das Bilderverbot des Alten Testaments<br />

konsequent <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en historischen Zusammenhang e<strong>in</strong>. Er <strong>in</strong>terpretierte unter<br />

e<strong>in</strong>er historischen Perspektive <strong>und</strong> erwies es vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> als irrelevant<br />

für die Bilderfrage, d. h. als nicht tauglich für e<strong>in</strong> etwaiges Verbot der Bilder<br />

<strong>in</strong> den Kirchen. Für ihn waren Bilder <strong>in</strong> der Kirche gestattet. Zusätzlich betonte er<br />

das Bestehen e<strong>in</strong>er langen Bildertradition im Christentum. So entwickelte er e<strong>in</strong>e<br />

Def<strong>in</strong>ition, die den Zweck des Bildes dar<strong>in</strong> erkennt, etwas Verborgenes offenbar<br />

zu machen. »Das Bild«, so Johannes von Damaskus, »ist nun das Abbild (οοιωα)<br />

<strong>und</strong> das Beispiel (παραδειγα)<strong>und</strong> der Abdruck (εκτύπωα)von etwas, <strong>in</strong>dem es<br />

<strong>in</strong> sich das Abgebildete zeigt«. 2 Es gibt also – se<strong>in</strong>er Def<strong>in</strong>ition zufolge – e<strong>in</strong>e<br />

Ähnlichkeit zwischen Urbild <strong>und</strong> (Ab-)Bild. <strong>Die</strong> Ähnlichkeit zwischen Urbild <strong>und</strong><br />

(Ab-)Bild bezieht sich aber nur auf die äußere Gestalt, nicht etwa auf seelische<br />

Eigenschaften. Das menschliche Auge sieht deshalb nur das, was auch am Urbild<br />

äußerlich wahrnehmbar ist. Aber das Auge des Geistes vermag, durch das Bild<br />

h<strong>in</strong>durch zu dr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> das Urbild mit all se<strong>in</strong>en Eigenschaften zu f<strong>in</strong>den. Das<br />

bedeutet aber auch, dass der Abgebildete im Bild selbst anwesend ist, zwar nicht<br />

substanziell, d. h. wesensmäßig, aber doch geistig <strong>und</strong> nach se<strong>in</strong>er Wirkmög-<br />

1<br />

Vgl. Joannes Dom<strong>in</strong>icus Mansi,Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio XIII,<br />

Arnhem/Leipzig 1923, 377, C–E. <strong>Die</strong> deutsche Übersetzung ist zitiert nach: Carl Andresen<br />

u.a., <strong>Die</strong> christlichen Lehrentwicklungen bis zum Ende des Spätmittelalters, bearb. v. Adolf<br />

Mart<strong>in</strong> Ritter, Neuausg. Gött<strong>in</strong>gen 2011 (= durchges. Wiederaufl. von Handbuch der<br />

Dogmen- <strong>und</strong> Theologiegeschichte, Bd. 1: <strong>Die</strong> Lehrentwicklung im Rahmen der Katholizität,<br />

Gött<strong>in</strong>gen h1999), 315 f.<br />

2<br />

Vgl. Hans GeorgThümmel,Art. Bilder V/1, <strong>in</strong>: TRE Bd. 6, 1980, 532–540; Hans-<strong>Die</strong>ter<br />

Döpmann, <strong>Die</strong> Ostkirchen vom Bilderstreit bis zur Kirchenspaltung von 1054, KGE I/8,<br />

Leipzig 1991, 49–54. Das Zitat <strong>in</strong> Andresen u.a., <strong>Die</strong> christlichen Lehrentwicklungen<br />

(s. Anm. 1), 304.

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