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Irene Dingel: Die Reformation in Gestaltungen und Wirkungen (Leseprobe)

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

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Verfolgung <strong>und</strong> Aneignung der <strong>Reformation</strong> 53<br />

Akteure ergriffen. Dazu gehörten Bücherverbote <strong>und</strong> Bücherverbrennungen,<br />

die zwar spektakulär waren, aber die Ausbreitung der reformatorischen Ideen<br />

kaum verh<strong>in</strong>derten. Schon im Anschluss an das Bekanntwerden der Bannandrohungsbulle<br />

Exsurge Dom<strong>in</strong>e, die am 15. Juni 1520 ausgefertigt worden war,<br />

kam es zu solchen Verbrennungen reformatorischer Bücher z. B. <strong>in</strong> der Stadt<br />

Cambridge, die zusammen mit Oxford <strong>und</strong> London für die Verbreitung der <strong>Reformation</strong><br />

<strong>in</strong> England e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielte. Im Oktober 1520 wanderten<br />

ebenfalls im niederländischen Löwen <strong>und</strong> <strong>in</strong> LüttichSchriften Luthers <strong>in</strong>s Feuer.<br />

Als es im Jahre 1521 <strong>in</strong>Thorn <strong>in</strong> Polen zu e<strong>in</strong>er öffentlichen Verbrennung von<br />

Luther-Schriften durch den päpstlichen Legaten kam, reagierten die Bürger allerd<strong>in</strong>gs<br />

mit Ste<strong>in</strong>würfen. Dennoch: Langfristig konnte sich die <strong>Reformation</strong> <strong>in</strong><br />

Polen nicht behaupten. 12<br />

Verfolgung <strong>und</strong> Aneignung der <strong>Reformation</strong> –<br />

europEische Entwicklungen<br />

Während sich die <strong>Reformation</strong> im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation<br />

unter dem Schutz vieler Landesherren <strong>und</strong> Städte, die sich im Schmalkaldischen<br />

B<strong>und</strong> zur Verteidigung ihrer reformatorischen Interessen zusammengeschlossen<br />

hatten, zunächst nahezu ungeh<strong>in</strong>dert entfalten konnte, verhielt sich dies<br />

<strong>in</strong> Ländern, die unter der Oberhoheit starker, zentral regierender Obrigkeiten<br />

standen, anders. E<strong>in</strong> Blick auf die verschiedenen europäischen Regionen macht<br />

deutlich, wie sehr der Erfolg der <strong>Reformation</strong> e<strong>in</strong>erseits von e<strong>in</strong>er bereits vorhandenen<br />

reformerischen Stimmung <strong>und</strong> andererseits von den politischen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

abhängig war.<br />

In den Niederlanden, das zu den habsburgischen Erblanden gehörte, hatte<br />

die Devotio moderna <strong>und</strong> der von Erasmus von Rotterdam beförderte Humanismus<br />

den Wegfür die <strong>Reformation</strong> bereitet, auch wenn sich Erasmus letzten<br />

Endes entschieden von Luther <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Theologie abgrenzte. 13 Aber der August<strong>in</strong>er-Eremiten-Orden,<br />

dem Luther ursprünglich angehört hatte, vor allem<br />

der Prior des zur sächsischen Kongregation gehörenden August<strong>in</strong>erklosters <strong>in</strong><br />

Antwerpen (Jacobus Praepositus), sorgte dafür, dass ausgewählte Luther-<br />

12<br />

Vgl. <strong>D<strong>in</strong>gel</strong>, <strong>Reformation</strong> (s. Anm. 2), 257–260. Zur <strong>Reformation</strong> <strong>in</strong> Polen vgl. Janusz<br />

Ma ek, Opera Selecta, Bd. 1: Polen <strong>und</strong> Preußen vom 15. bis zum 18. Jahrh<strong>und</strong>ert. Bestandsaufnahme<br />

<strong>und</strong> Perspektiven, Toru 2011, 235–371.<br />

13<br />

Das Folgende wie <strong>D<strong>in</strong>gel</strong>, <strong>Reformation</strong> (s. Anm. 2), 251–253. Zu Erasmus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Haltung Luther gegenüber vgl. Ernst-Wilhelm Kohls, Luther oder Erasmus. Luthers<br />

Theologie <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Erasmus, 2Bde., Basel 1972 <strong>und</strong> 1978; Volker<br />

Lepp<strong>in</strong>, Luther <strong>und</strong> der Humanismus, Jacob-Burckhardt-Gespräche auf Castelen 35, Basel<br />

2019.

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