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Irene Dingel: Die Reformation in Gestaltungen und Wirkungen (Leseprobe)

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

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52 »Außerdem haben wir de<strong>in</strong>e B8cher nach Brabant geschickt ...«<br />

sche Ideen waren auf dem Wege, sich zu e<strong>in</strong>em Verkaufsschlager zu entwickeln,<br />

<strong>und</strong> die Drucker wussten dies auch unter ökonomischem Gesichtspunkt zu<br />

nutzen. 9 <strong>Die</strong> Verbreitung blieb ke<strong>in</strong>eswegs auf den deutschen Sprachraum beschränkt.<br />

Der Brief des Basler Buchdruckers Froben belegt, dass bereits vor 1520<br />

e<strong>in</strong>e europäische Rezeption der von Luther <strong>und</strong> Wittenberg ausgehenden <strong>Reformation</strong><br />

begann. <strong>Die</strong>se Entwicklung wurde durch die 1520 erschienenen reformatorischen<br />

Programmschriften Luthers, die Schrift An den christlichen Adel<br />

deutscher Nation, die Abhandlung De captivitate Babylonica ecclesiae <strong>und</strong> vor<br />

allem durch den Traktat Vonder Freiheite<strong>in</strong>es Christenmenschen noch verstärkt. 10<br />

Vorallem die Freiheitsschrift erfuhr durch Übersetzungen <strong>in</strong> verschiedene europäische<br />

Volkssprachen e<strong>in</strong>e hohe Aufmerksamkeit. 11 <strong>Die</strong>ser Trend wurde allerd<strong>in</strong>gs<br />

durch die Veröffentlichung der Bannbulle Decet Pontificem Romanum<br />

vom 3. Januar 1521 <strong>und</strong> des Wormser Edikts aus demselben Jahr modifiziert.<br />

Zwar trugen sie dazu bei, auf den nunmit Kirchenbann <strong>und</strong> Reichsacht belegten<br />

Wittenberger Mönch aufmerksam <strong>und</strong> ihn allseits bekannt zumachen, aber sie<br />

unterbrachen die bis dah<strong>in</strong> überwiegend positive Rezeption der reformatorischen<br />

Ideen Luthers. Denn nun hatten sich sowohl die römische Kirche als auch der<br />

Kaiser, die maßgebliche politische Macht im Reich, von der <strong>Reformation</strong>sbewegung<br />

distanziert <strong>und</strong> rechtliche Schritte gegen deren Urheber, se<strong>in</strong>e Anhänger,<br />

ihre Kirchenkritik <strong>und</strong> alle begonnenen Veränderungen <strong>in</strong> Lehre <strong>und</strong> Praxis<br />

e<strong>in</strong>geleitet. Nun war es nicht mehr möglich, dievon Wittenberg ausgehenden <strong>und</strong><br />

auch andernorts durchgeführten reformatorischen Veränderungen <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>en<br />

kirchenkritischen Geist e<strong>in</strong>zuordnen, der sich schon im Spätmittelalter<br />

auf den Reichstagen <strong>in</strong> Form von Gravam<strong>in</strong>a oder sodann <strong>in</strong> den reformerischen<br />

Initiativen des Humanismus geäußert hatte. Denn mit der Bannbulle <strong>und</strong><br />

der mit dem Wormser Edikt verhängten Acht war Luthers Lehre als Häresie<br />

gebrandmarkt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e scharfe Abgrenzung vollzogen worden. Nun wurden<br />

mancherorts drastische Maßnahmen gegen die <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> ihre jeweiligen<br />

dissimus et Musis sacer, bonam lobellorum partem <strong>in</strong> Italiam deportavit, per omnes civitates<br />

sparsurus […] Praeterea libellos tuos <strong>in</strong> Brabantiam et Angliam misimus. […] Exemplaria<br />

nostra nos usque ad decem vendidimus omnia, haud feliciorem venditionem <strong>in</strong> aliquo libro<br />

sumus unquam experti.« Vgl. auch <strong>Irene</strong> <strong>D<strong>in</strong>gel</strong>, Luther <strong>und</strong> Europa, <strong>in</strong>: Albrecht Beutel<br />

(Hrsg.), Luther Handbuch, Tüb<strong>in</strong>gen i2017, 240–252, bes. 240.<br />

9<br />

Vgl. Pettegree,Brand Luther (s. Anm. 3), 24: »Luther was atheologian of great <strong>in</strong>sight, a<br />

charismatic leader and preacher, awriter of great passion and skill. But he was also, without<br />

any doubt, the chief motor of the Wittenberg economy. Noth<strong>in</strong>g else could have this small,<br />

peripheral city <strong>in</strong>to the pr<strong>in</strong>t capital of Gutenberg’s homeland; but this, for aro<strong>und</strong> eighty<br />

years after 1517, was Wittenberg’s unlikely fate«.<br />

10<br />

Vgl. WA 6, 381–469; WA 6, 484–573 <strong>und</strong> WA 7, 12–38. 39–73.<br />

11<br />

Vgl. Henn<strong>in</strong>g P. Jürgens, Von der Freiheit e<strong>in</strong>es Christenmenschen (1520) – Zur<br />

Druckgeschichte, <strong>in</strong>: <strong>D<strong>in</strong>gel</strong>/Jürgens (Hrsg.), Meilenste<strong>in</strong>e (s. Anm. 6), 132–138. 269 f.

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