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Irene Dingel: Die Reformation in Gestaltungen und Wirkungen (Leseprobe)

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

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<strong>Die</strong> Ausbreitung der <strong>Reformation</strong> 51<br />

Verbesserungen erfuhren. <strong>Die</strong>s war die Initialzündung für e<strong>in</strong>e flächendeckende<br />

Verbreitung, die sich über die diversen verbesserten Auflagen <strong>und</strong> Druckorte<br />

nachverfolgen lässt. Ebenfalls für 1518 s<strong>in</strong>d zehn zusätzliche Nachdrucke<br />

nachweisbar, die aus Druckeroffiz<strong>in</strong>en stammen, die <strong>in</strong> Leipzig, Nürnberg,<br />

Augsburg <strong>und</strong> Basel arbeiteten. Fünf weitere Nachdrucke <strong>in</strong>Leipzig, Basel <strong>und</strong><br />

Breslau datieren aus dem Jahr 1519, <strong>und</strong> im Jahr 1520 folgten noch e<strong>in</strong>mal vier,<br />

die von Druckern <strong>in</strong> Leipzig, Augsburg <strong>und</strong> wieder Wittenberg <strong>in</strong>s Werk gesetzt<br />

wurden. H<strong>in</strong>zu kommen e<strong>in</strong>e schon 1518 hergestellte Übersetzung <strong>in</strong>s Niederdeutsche,<br />

gedruckt bei Hans Dorn <strong>in</strong> Braunschweig, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Übersetzung <strong>in</strong>s<br />

Late<strong>in</strong>ische, die damalige <strong>in</strong>ternationale Hauptverkehrssprache. 6 In den Jahren<br />

1518 <strong>und</strong> 1519 seien – so Andrew Pettegree – 25 late<strong>in</strong>ische <strong>und</strong> 20 deutsche<br />

Schriften Luthers <strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt 291 Auflagen erschienen. 7 Nicht jede reformatorische<br />

Schrift Luthers hat so schnell e<strong>in</strong>en solch hohen Multiplikations- <strong>und</strong><br />

Verbreitungsgrad erfahren, wobei, <strong>in</strong> langfristiger Perspektive gesehen, die<br />

Schriften Philipp Melanchthons sicherlich geographisch breiter <strong>und</strong>nachhaltiger<br />

wirkten als jene se<strong>in</strong>es Fre<strong>und</strong>es <strong>und</strong> Kollegen. Auch die Institutio Christianae<br />

Religionis Calv<strong>in</strong>s rangiert <strong>in</strong> der Hitliste <strong>in</strong>ternationaler Verbreitung sehr weit<br />

oben. Wichtig für unseren Zusammenhang aber ist zu sehen, wie schnell – gestützt<br />

durch das Medium des Buchdrucks – e<strong>in</strong>e europäische Verbreitung des<br />

reformatorischen Gedankenguts e<strong>in</strong>setzte. Dass diese auch die Grenzen des<br />

damaligen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation überschritt, belegt e<strong>in</strong><br />

Brief des Basler BuchdruckersJohannes Froben an Luther vom 14. Februar 1519.<br />

Froben berichtete dar<strong>in</strong>, dass er durch den Leipziger Buchhändler Blasius Salomon<br />

mehrere Schriften des Wittenberger Reformatorserhalten<strong>und</strong> sie allesamt<br />

schnell nachgedruckt habe. »Sechsh<strong>und</strong>ert Exemplare haben wir nach Frankreich<br />

geschickt <strong>und</strong> nach Spanien«, so teilte Froben Luther mit, »nun werden sie<br />

zu Paris verkauft <strong>und</strong> von Professoren der Sorbonne gelesen <strong>und</strong> gebilligt […].<br />

Auch hat Calvus, der Buchhändler zu Pavia, e<strong>in</strong> sehr gebildeter <strong>und</strong> der Gelehrsamkeit<br />

zugetaner Mann, e<strong>in</strong> gut Teil solcher Büchle<strong>in</strong> nach Italien h<strong>in</strong>abgeschafft,<br />

um sie <strong>in</strong> allen Städten auszustreuen. […] Außerdem haben wir de<strong>in</strong>e<br />

Bücher«, so richtete er das Wort an Luther, »nach Brabant <strong>und</strong> England geschickt.<br />

[…] Unsere Exemplare s<strong>in</strong>d bis auf zehn alle verkauft; e<strong>in</strong>en glücklicheren<br />

Verkauf haben wir noch niemals bei irgende<strong>in</strong>em Buche erlebt«. 8 Reformatori-<br />

6<br />

Vgl. Claud<strong>in</strong>e Moul<strong>in</strong>, E<strong>in</strong> Sermon von Ablass <strong>und</strong> Gnade (1518) – Materialität: Dynamik<br />

<strong>und</strong> Transformation, <strong>in</strong>: <strong>Irene</strong> <strong>D<strong>in</strong>gel</strong>/Henn<strong>in</strong>g P. Jürgens (Hrsg.), Meilenste<strong>in</strong>e der<br />

<strong>Reformation</strong>. Schlüsseldokumente der frühen Wirksamkeit Luthers, Gütersloh 2014, 113–<br />

119. 265f.<br />

7<br />

Vgl. Pettegree, Brand Luther (s. Anm. 3), 23.<br />

8<br />

Johannes Froben an Luther, Basel, 14. Februar 1519, <strong>in</strong>: WA.B 1, Nr. 146, 331–335; das<br />

Zitat S. 332,4–333,37: »Sexcentos <strong>in</strong> Galliam misimus et <strong>in</strong> Hispaniam, venduntur Parisiis,<br />

leguntur etiam aSorbonicis et probantur […] Calvus quoque bibliopola Papiensis, vir eru-

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