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Irene Dingel: Die Reformation in Gestaltungen und Wirkungen (Leseprobe)

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

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1520 als Entscheidungsjahr der <strong>Reformation</strong> 37<br />

e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Lichtenburg – veranlassten Luther, e<strong>in</strong>en Brief anPapst Leo X. zu<br />

schreiben. Er hatte ihn sowohl auf Late<strong>in</strong> als auch auf Deutsch abgefasst, was<br />

deutlich macht, dass er die nicht akademische Öffentlichkeit gezielt <strong>in</strong> diesen<br />

Austausch e<strong>in</strong>beziehen wollte. In diesem Sendbrief 9 sicherte Luther zu, künftig<br />

schweigen zu wollen, sofern se<strong>in</strong>e Gegner,die ihn <strong>in</strong> Rom der Ketzerei bezichtigt<br />

hatten, ebenfalls schweigen <strong>und</strong> nichts mehr gegen ihn unternehmen würden.<br />

Beigelegt hatte der mit Gefangensetzung Bedrohtese<strong>in</strong>en Traktat Vonder Freiheit<br />

e<strong>in</strong>es Christenmenschen. <strong>Die</strong> hier entfalteten 30 Thesen waren e<strong>in</strong>e Reaktion auf<br />

die Bannandrohungsbulle, die dem Reformator <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Anhängern Fesseln<br />

anlegen <strong>und</strong> ihre Lehre e<strong>in</strong>dämmen wollte. <strong>Die</strong> Thesen postulierten dagegen<br />

Freiheit: Freiheit von kirchenrechtlichen Zwängen <strong>und</strong> Freiheit für Glauben<br />

<strong>und</strong> Leben. Das änderte allerd<strong>in</strong>gs nichts daran, dass die Bannandrohungsbulle<br />

weitere Verbreitung fand, wenn auch nicht <strong>in</strong> allen Regionen des damaligen<br />

Reichs. Luther glaubte, dar<strong>in</strong> den Antichrist am Werke zu sehen, was ihn dazu<br />

provozierte, <strong>in</strong>zwei Streitschriften, ebenfalls aus dem Jahr 1520, das Papsttum<br />

mit dem Antichrist zu identifizieren. 10 Außerdem appellierte er noch im November<br />

1520, kurz vor Ablauf der <strong>in</strong> der Bulle genannten offiziellen Widerrufsfrist,<br />

an e<strong>in</strong> christliches, der Heiligen Schrift verpflichtetes Konzil <strong>und</strong> bat<br />

Kaiser, Fürsten <strong>und</strong> Städte des Reichs um Unterstützung, da er sich bisher nicht<br />

vor unparteiischen Richtern habe verantworten können.<br />

Das Jahr 1520 war also e<strong>in</strong> ausgesprochen turbulentes <strong>und</strong> zugleich theologisch<br />

produktives Jahr. Kirchenrechtlich waren die Wege zur Exkommunikation<br />

Luthers geebnet worden; die Konfrontation brachte Luther dazu, die seit<br />

dem Spätmittelalter herrschenden Antichristvorstellungen auf das Papsttum zu<br />

übertragen, 11 <strong>und</strong> zugleich formulierte er <strong>in</strong> deutschen <strong>und</strong> late<strong>in</strong>ischen Schriften<br />

die gr<strong>und</strong>legenden Lehren der <strong>Reformation</strong> <strong>in</strong> prägnanter <strong>und</strong>e<strong>in</strong>prägsamer<br />

Weise.<br />

Arm<strong>in</strong> Kohnle,Reichstag <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>. Kaiserliche <strong>und</strong> ständische Religionspolitik von<br />

den Anfängen der Causa Lutheri bis zum Nürnberger Religionsfrieden, QFRG 72, Gütersloh<br />

2001, 31–41.<br />

9<br />

Vgl. WA 7, 3–11 <strong>und</strong> 42–49.<br />

10<br />

Vgl. Mart<strong>in</strong> Luther,Adversus execrabilem Antichristi bullam, <strong>in</strong>: WA 6, 597–612, <strong>und</strong><br />

ders., Wider die Bulle des Endchrists, <strong>in</strong>: WA 6, 614–629.<br />

11<br />

Zur Entwicklung von Luthers E<strong>in</strong>schätzung des Papsttums vgl. Scott H. Hendrix,Luther<br />

and the Papacy. Stages <strong>in</strong> a<strong>Reformation</strong> Conflict, Philadelphia 1981.

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