MachEt 266: Tempo für die Verkehrswende
Der Verkehrssektor hinkt bei der Erreichung der Klimaziele massiv hinterher: Auf deutschen Straßen wird weiterhin sehr viel CO2 ausgestoßen – und Besserung ist kaum in Sicht. Die Verkehrswende muss her: Wir wünschen uns die einfachere Einrichtung von Tempo-30-Zonen für Kommunen und appellieren an Bundesverkehrsminister Volker Wissing, die Straßenverkehrsordnung zu ändern!
Der Verkehrssektor hinkt bei der Erreichung der Klimaziele massiv hinterher: Auf deutschen Straßen wird weiterhin sehr viel CO2 ausgestoßen – und Besserung ist kaum in Sicht. Die Verkehrswende muss her: Wir wünschen uns die einfachere Einrichtung von Tempo-30-Zonen für Kommunen und appellieren an Bundesverkehrsminister Volker Wissing, die Straßenverkehrsordnung zu ändern!
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<strong>Tempo</strong> <strong>für</strong>s <strong>Tempo</strong>:<br />
Köln soll selbst entscheiden dürfen!<br />
Im Münchner Millionär*innen-Vorort<br />
Grünwald kann man gar nicht <strong>Tempo</strong> 30<br />
fahren. Denn viele Leuten hätten große<br />
Autos. „Wenn man da aufs Gas trete, sei<br />
man gleich bei <strong>Tempo</strong> 50. Mit <strong>die</strong>sen Autos<br />
kann man gar nicht 30 fahren“, hatte<br />
der CSU-Gemeinderat Anfang März in<br />
der Gemeinderatssitzung gesagt, nachdem<br />
auf der Bürger*innenversammlung<br />
ein Antrag zur flächendeckenden Einrichtung<br />
von <strong>Tempo</strong> 30 in einer der<br />
reichsten Gemeinden Deutschlands eingegangen<br />
war.<br />
In Köln dagegen darf man meist nicht<br />
<strong>Tempo</strong> 30 fahren. Nicht, weil <strong>die</strong> Stadt<br />
das so möchte oder ein Gemeinderat<br />
ganz besondere Ingenieurs-Kenntnisse<br />
hat, sondern weil Köln nicht selbst über<br />
<strong>die</strong> Einrichtung von <strong>Tempo</strong> 30 entscheiden<br />
kann. Kommunen dürfen zwar nach<br />
intensiver Prüfung einzelne Straßen<br />
oder sensible Bereiche etwa um Schulen,<br />
Kitas oder Altenheime herum zu<br />
<strong>Tempo</strong>-30-Zonen erklären, aber weiträumig,<br />
das dürfen sie nicht. Da<strong>für</strong> müsste<br />
das Bundesverkehrsministerium erst <strong>die</strong><br />
Straßenverkehrsordnung ändern.<br />
Aber Volker Wissing hat es nicht eilig.<br />
Auch seine Vorgänger Alexander Dobrindt<br />
und Andreas Scheuer (beide CSU)<br />
machten bisher keine Anstalten.<br />
Aus 7 wird 517<br />
Auch deshalb hat sich im Juli 2021 eine<br />
bundesweite Initiative gegründet, <strong>die</strong><br />
seitdem <strong>für</strong> eine Reform der <strong>Tempo</strong>-<br />
30-Regeln wirbt. Gestartet mit sieben<br />
Städten gehören nun bereits 517 Kommunen,<br />
<strong>die</strong> etwa 30 Millionen Menschen<br />
umfassen, dem parteiübergreifenden<br />
Bündnis Lebenswerte Städte durch angepasste<br />
Geschwindigkeit an. Auch Köln<br />
schloss sich bereits Ende 2021 der<br />
Städte initiative an. „Wir unterstützen<br />
<strong>die</strong> Initiative <strong>für</strong> angepasste Geschwindigkeiten,<br />
also <strong>Tempo</strong> 30, aus voller<br />
Überzeugung. Unser übergeordnetes<br />
Ziel ist es, Köln klima- und menschenfreundlicher<br />
zu machen. Und das bedeutet<br />
auch, mehr Raum und Sicherheit <strong>für</strong><br />
den Fuß- und Radverkehr sowie neue<br />
Mobilitätsangebote zu schaffen“, sagte<br />
Ascan Egerer, Beigeordneter <strong>für</strong> Mobilität<br />
der Stadt Köln.<br />
Die Städte der Initiative fordern das<br />
Bundesverkehrsministerium auf, umgehend<br />
<strong>die</strong> rechtlichen Voraussetzungen<br />
zu schaffen, dass Städte und Kommunen<br />
<strong>Tempo</strong> 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts<br />
anordnen können, wo sie das <strong>für</strong><br />
notwendig halten.<br />
Nachdem ein Brief an Volker Wissing<br />
im April 2022 erfolglos geblieben<br />
war, sendeten <strong>die</strong> sieben Bürger meister*innen<br />
der Initiativstädte Aachen,<br />
Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig,<br />
Münster und Ulm im vergangenen September<br />
erneut ein Schreiben an den<br />
Bundesminister und erinnerten ihn an<br />
den Koalitionsvertrag. Darin heißt es:<br />
„Wir werden Straßenverkehrsgesetz und<br />
Straßenverkehrsordnung so anpassen,<br />
dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit<br />
des Verkehrs <strong>die</strong> Ziele des Klimaund<br />
Umweltschutzes, der Gesundheit<br />
und der städtebaulichen Entwicklung<br />
berücksichtigt werden, um Ländern und<br />
Kommunen Entscheidungsspielräume<br />
zu eröffnen.“ Diesmal antwortete der<br />
FÜR<br />
SICHERHEIT<br />
UND KLIMA<br />
gruenekoeln.de/tempo30<br />
Diese Forderungen wollen wir GRÜNE<br />
unterstützen und appellieren an Volker<br />
Wissing, Köln und den Städten, <strong>die</strong><br />
es wollen, <strong>die</strong> Freiheit zu geben, selbst<br />
zu entscheiden! Im Frühjahr werden wir<br />
dazu Aktionen veranstalten, wir haben<br />
eigenes Material erstellt und der Kreisvorstand<br />
wird auf der Kreismitgliederversammlung<br />
einen Antrag stellen, um<br />
<strong>die</strong> Unterstützung <strong>für</strong> <strong>Tempo</strong> 30 zu unterstreichen.<br />
Postkarten-<br />
Flyer A6<br />
30<br />
<strong>Tempo</strong><br />
<strong>für</strong> Köln<br />
Par la mentarische Staatssekretär Oliver<br />
Luksic, das Straßenverkehrsrecht biete<br />
den Straßenverkehrsbehörden bereits<br />
heute zahlreiche Möglichkeiten,<br />
den Straßenverkehr im Interesse der<br />
Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs,<br />
aber auch aus anderen Gründen<br />
(wie z. B. dem Lärmschutz), zu lenken<br />
oder zu beschränken. Tatsächlich muss<br />
um jeden Straßenabschnitt gerungen<br />
werden.<br />
Dabei liegen <strong>die</strong> Vorteile von <strong>Tempo</strong> 30<br />
auf der Hand: mehr Klima- und Umweltschutz,<br />
weniger Lärm und Unfälle und<br />
sogar besserer Verkehrsfluss, also weniger<br />
Stau! Niedrige Geschwindigkeiten<br />
sollen darüber hinaus <strong>für</strong> mehr Gleichgewicht<br />
unter den Verkehrsteilnehmenden<br />
sorgen und unsere Städte lebenswerter<br />
machen.<br />
WARUM WIR INNERORTS*<br />
TEMPO 30 WOLLEN…<br />
Gut <strong>für</strong>s Klima<br />
<strong>Tempo</strong> 30 reduziert im Stadtverkehr<br />
<strong>die</strong> Luftschadstoffbelastung.<br />
Seit Madrid <strong>Tempo</strong> 30 eingeführt<br />
hat, ist der CO 2-Ausstoß<br />
in der Stadt um etwa 15 Prozent<br />
zurückgegangen. Aber auch der<br />
Stick oxid-Ausstoß geht zurück,<br />
weil <strong>die</strong> besonders schadstofflastigen<br />
Beschleunigungsvorgänge<br />
deutlich verringert werden.<br />
Rettet Leben<br />
Unser Ziel ist <strong>die</strong> Vision Zero,<br />
d. h. keine Toten und Schwer verletzten<br />
mehr im Straßen verkehr.<br />
Unfallzahl und Unfall schwere<br />
nehmen mit sinkenden Geschwindigkeiten<br />
ab. Helsinki hat 2018<br />
<strong>Tempo</strong> 30 eingeführt, 2019<br />
kamen in der finnischen Hauptstadt<br />
keine Fußgänger*innen und<br />
Fahrradfahrer*innen ums Leben.<br />
…UND WORAN ES SCHEITERT<br />
Kommunen können nicht selbst darüber entscheiden,<br />
wann und wo welche Geschwindigkeiten gelten sollen.<br />
Wir fordern das Verkehrsministerium dazu auf, umgehend<br />
<strong>die</strong> rechtlichen Voraussetzungen da<strong>für</strong> zu schaffen, dass<br />
Kommunen <strong>Tempo</strong> 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts<br />
anordnen können, wo sie <strong>für</strong> notwendig halten.<br />
*nicht überall, aber großflächig<br />
Weniger Stau<br />
Untersuchungen widerlegen <strong>die</strong><br />
weitverbreitete Annahme, dass<br />
eine Höchstgeschwindigkeit<br />
von 30 km/h den Verkehrsfluss<br />
beein trächtigen und somit<br />
Fahrten erheblich länger dauern<br />
könnten. Messfahrten in Berlin<br />
ergaben tagsüber in <strong>Tempo</strong>-<br />
30-Abschnitten eine deutlich<br />
bessere Homogenität des Verkehrsflusses.<br />
Weniger Lärm<br />
<strong>Tempo</strong> 30 führt zu wahrnehmbaren<br />
Lärmentlastungen. Eine<br />
Reduzierung von <strong>Tempo</strong> 50 auf<br />
<strong>Tempo</strong> 30 führt zu einer Halbierung<br />
des wahrgenommenen<br />
Lärms. Dazu tragen vor allem<br />
nachts auch <strong>die</strong> geringeren<br />
Lärmspitzen bei.<br />
4<br />
MACH ET • NR. <strong>266</strong> • MÄRZ 2023