Jürgen Belgrad D 4 Szenisches Spiel
Jürgen Belgrad D 4 Szenisches Spiel
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<strong>Jürgen</strong> <strong>Belgrad</strong><br />
Oppositionen von „real-fiktiv“, „simuliert-echt“ usw. ebd. 41 und <strong>Belgrad</strong>,<br />
1992, 194).<br />
Anz fasst Caillois’ Nachahmungs- und Verwandlungsspiele so zusammen:<br />
„Caillois führt als Beispiele der ‚mimikry’ neben relativ ungeregelten<br />
Formen von Imitations-, Puppen-, Masken- oder Verkleidungsspielen<br />
(Travestien) die höherentwickelten ludischen <strong>Spiel</strong>e des Theaters und der<br />
Schaukünste an“ (1998,53). Szenische <strong>Spiel</strong>e haben Simulationscharakter,<br />
die <strong>Spiel</strong>er tun so, „als-ob“ sie diese oder jene Person wären und verwandeln<br />
sich dabei in Figuren. Dabei vermischen sich reale mit fiktiven, auch<br />
klischierten Formen und Inhalten (Anz, 1998, 41). Hier könnte der<br />
Nachahmungsbegriff als Mimesis von Aristoteles Anschluss finden<br />
(Aristoteles, 1982, 7). In der Simulation steckt immer auch eine Art<br />
Erprobung, es ist ein versuchsweises Ertasten neuer Formen tatsächlicher,<br />
zukünftiger, auch unrealistischer Lebensweltgestaltung. Dabei wissen alle<br />
Beteiligten, dass sie nur so tun, „als-ob“ sie real handeln. Protagonisten und<br />
Zuschauer halten sich an den Fiktionsvertrag, ähnlich dem zwischen Autor<br />
und Leser (vgl. Eco, 1994, 103). Die <strong>Spiel</strong>er orientieren sich an der<br />
Abmachung der Fiktion. Sie tun so, als ob sie nicht spielten, sondern als sei<br />
alles tatsächlich so, wohl wissend, dass es eine Simulation ist. Auch die<br />
Zuschauer halten sich an den Fiktionsvertrag und greifen nur durch Applaus<br />
und Zurufe in das Geschehen ein, meist die Person und nicht die Figur<br />
bestätigend oder ablehnend. Das kleine Kind hingegen, das beim Kasperl-<br />
<strong>Spiel</strong> nach vorne geht und das Krokodil empört angreift, verletzt den<br />
Fiktionsvertrag.<br />
Da sich das <strong>Spiel</strong> immer auf eine reale oder fiktionale Lebenswelt bezieht<br />
und diese darstellend inszeniert, verweist der <strong>Spiel</strong>begriff auf die Szene, ist<br />
<strong>Spiel</strong>en szenisches <strong>Spiel</strong>en. Im <strong>Spiel</strong> werden Lebenswelten erprobend<br />
gestaltet und verpönte, utopische, schablonisierte, kreative Lebensentwürfe<br />
in Szene gesetzt. Dabei bezieht sich das <strong>Spiel</strong> immer auf äußere Realitäten<br />
(Lebenswelten) und innere Realitäten (Wünsche und Fantasien)<br />
gleichermaßen, inszeniert im Vollzug sowohl fantasierte Realitäten als auch<br />
reale Fantasien. In der Szene bilden die <strong>Spiel</strong>er, d. h. die Protagonisten und<br />
die Zuschauer, ein Interaktionsgeflecht, seien es textbasierte Szenen oder<br />
improvisierte, situative Szenengestaltungen. Wenn nicht nur einzelne Szenen<br />
gespielt werden, bestimmt die Szenenabfolge den Rhythmus, wobei die<br />
Gestaltungsformen wie beim Drama von traditionell geschlossen bis offen,<br />
collagenartig frei wechseln können. Die <strong>Spiel</strong>-Szene ist gleichzeitig der<br />
Raum, in dem sich die szenische Kommunikation vollzieht, wobei die<br />
„Bühne“ in der Schule oft eine kaum abgetrennte Fläche vom<br />
„Zuschauerraum“ darstellt. Immer handelt es sich um eine zeitlich begrenzte<br />
Abfolge von Als-ob-Handlungen der Protagonisten und der Reaktionen der