PDF - Siedlung Eichkamp

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Stolpersteine in Berlin-Eichkamp www.siedlung-eichkamp.de/stolpersteine www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/bezirk/lexikon/stolpersteine.html In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts wohnten in mehr als siebzig Häusern im Ortsteil Eichkamp von Berlin-Charlottenburg Bürgerinnen und Bürger, die als Juden verfolgt wurden, darunter die Schriftsteller Arnold Zweig (Zikadenweg 59) und Elisabeth Langgässer (Eichkatzweg 33), der Philosoph Ludwig Marcuse (Eichkatzweg 25) und der Gewerkschafter Siegfried Aufhäuser (Zikadenweg 72). Viele von ihnen konnten unter z.T. schwierigsten Umständen rechtzeitig fliehen. Um die Lebensgeschichte der oft namenlosen Opfer des nationalsozialistischen Regimes in Erinnerung zu rufen, haben Mitglieder des Siedlervereins Eichkamp e.V., Abiturienten der Wald-Oberschule unter Begleitung ihrer Geschichtslehrerin und Schülerinnen der Rudolf-Steiner-Schule an Recherchen über 23 Eichkamper mitgewirkt, die wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt wurden. Die meisten von ihnen wurden in Konzentrationslagern ermordet. Für 21 von ihnen wurden Stolpersteine verlegt; für zwei weitere nicht, weil sich die Nachfahren dagegen aussprachen. Stolpersteine sind in den Bürgersteig eingelassene 10 x 10 cm große Messingtafeln, die an Wohnorten der von den Nationalsozialisten Verfolgten auf deren Schicksal aufmerksam machen. Das Kunstprojekt Stolpersteine wurde 2003 von dem Künstler Gunther Demnig (www.stolpersteine.com) ins Leben gerufen. Der Dank für die Unterstützung des Projekts gilt Wolfgang Haney für seine umfangreichen Hinweise zur Eichkamper Geschichte, Herrn Wolfgang Knoll, dem Koordinator für die Stolpersteine in Berlin-Charlottenburg, den Eichkampern, die 19 Stolpersteine finanzierten und dem Kulturamt des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, das den Druck des Faltblatts finanziell unterstützt hat. Literatur: Manuela Goos& Brigitte Heyde, EICHKAMP – Eine Siedlung am Rande mitten in Berlin; Hrsg. Siedlerverein Eichkamp e.V., 1999. ISBN 3-00-005125-2 S-Bahnhof Grunewald: Mahnmal Gleis 17 Aus Berlin wurden von Oktober 1941 bis Kriegsende über 50.000 Juden deportiert. Die Transporte gingen vom Bahnhof Grunewald, vom Güterbahnhof Moabit und vom Anhalter Bahnhof ab. Der erste Deportationszug verließ den Bahnhof Grunewald am 18. Oktober 1941 mit 1.013 Juden. Mit diesem Tag begann die systematische Deportation der Juden aus Berlin. Allein in die „Todesfabrik Auschwitz“ fuhren etwa 35 Züge mit 17.000 Juden vom Bhf Grunewald ab. Beidseits des Gleises 17 wurden als „ Bahnsteigkanten“ Stahlplatten verlegt, auf denen alle Fahrten vom Bahnhof-Grunewald mit dem Zielort und der Anzahl der Deportierten dokumentiert sind. Hans und Anna Magud 1 Waldschulallee 7 Das Ehepaar stammte aus Oberschlesien. Hans Magud, *12.03.1862 in Rudy Piekar, Anna Magud, *02.05.1878, geb. Steinitz, in Katowice, waren beide evangelisch. Hans Magud kam zum Studium nach Berlin, doch brach er dieses wegen der antisemitischen Strömungen an der Friedrich-Wilhelm-Universität ab. Danach arbeitete er in der Kohlen- und Außenhandelsreederei Caesar Wollheim. Die Familie Magud bewohnte das Haus Waldschulallee 7 von 1934 bis 1940. Tochter Kaethe konnte nach Großbritannien emigrieren, Tochter Annemarie war durch eine sog. „privilegierte Mischehe“ geschützt. In ihr Haus nahmen sie andere Verfolgte auf: Eva Baruch und Clara Grau.1940 wurden sie gezwungen, ihr Haus an die „Gemeinnützige Wohnungs- und Heimstätten GmbH Dachau“ (SS-Organisation) zu verkaufen. Sie mußten dann zunächst in einer Wohnung in der Fregestraße (Friedenau) leben, später zur Untermiete in einer möblierten Wohnung in der Rosenheimer Straße 27. Im November 1942 verhaftete die Gestapo das Ehepaar Magud und brachte sie in ein Durchgangslager. Am 16.12. 1942 wurden beide mit dem „77. Altentransport“ in das 1 Blatt 1

Stolpersteine in Berlin-<strong>Eichkamp</strong> www.siedlung-eichkamp.de/stolpersteine<br />

www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/bezirk/lexikon/stolpersteine.html<br />

In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts wohnten in mehr als siebzig Häusern im<br />

Ortsteil <strong>Eichkamp</strong> von Berlin-Charlottenburg Bürgerinnen und Bürger, die als Juden verfolgt<br />

wurden, darunter die Schriftsteller Arnold Zweig (Zikadenweg 59) und Elisabeth Langgässer<br />

(Eichkatzweg 33), der Philosoph Ludwig Marcuse (Eichkatzweg 25) und der Gewerkschafter<br />

Siegfried Aufhäuser (Zikadenweg 72). Viele von ihnen konnten unter z.T. schwierigsten<br />

Umständen rechtzeitig fliehen. Um die Lebensgeschichte der oft namenlosen Opfer des<br />

nationalsozialistischen Regimes in Erinnerung zu rufen, haben Mitglieder des Siedlervereins<br />

<strong>Eichkamp</strong> e.V., Abiturienten der Wald-Oberschule unter Begleitung ihrer Geschichtslehrerin<br />

und Schülerinnen der Rudolf-Steiner-Schule an Recherchen über 23 <strong>Eichkamp</strong>er mitgewirkt,<br />

die wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt wurden. Die meisten von ihnen wurden in<br />

Konzentrationslagern ermordet. Für 21 von ihnen wurden Stolpersteine verlegt; für zwei<br />

weitere nicht, weil sich die Nachfahren dagegen aussprachen. Stolpersteine sind in den<br />

Bürgersteig eingelassene 10 x 10 cm große Messingtafeln, die an Wohnorten der von den<br />

Nationalsozialisten Verfolgten auf deren Schicksal aufmerksam machen. Das Kunstprojekt<br />

Stolpersteine wurde 2003 von dem Künstler Gunther Demnig (www.stolpersteine.com) ins<br />

Leben gerufen. Der Dank für die Unterstützung des Projekts gilt Wolfgang Haney für seine<br />

umfangreichen Hinweise zur <strong>Eichkamp</strong>er Geschichte, Herrn Wolfgang Knoll, dem<br />

Koordinator für die Stolpersteine in Berlin-Charlottenburg, den <strong>Eichkamp</strong>ern, die 19<br />

Stolpersteine finanzierten und dem Kulturamt des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, das<br />

den Druck des Faltblatts finanziell unterstützt hat.<br />

Literatur: Manuela Goos& Brigitte Heyde, EICHKAMP – Eine <strong>Siedlung</strong> am Rande mitten in<br />

Berlin; Hrsg. Siedlerverein <strong>Eichkamp</strong> e.V., 1999. ISBN 3-00-005125-2<br />

S-Bahnhof Grunewald: Mahnmal Gleis 17<br />

Aus Berlin wurden von Oktober 1941 bis Kriegsende über 50.000 Juden deportiert. Die<br />

Transporte gingen vom Bahnhof Grunewald, vom Güterbahnhof Moabit und vom Anhalter<br />

Bahnhof ab. Der erste Deportationszug verließ den Bahnhof Grunewald am 18. Oktober<br />

1941 mit 1.013 Juden. Mit diesem Tag begann die systematische Deportation der Juden aus<br />

Berlin. Allein in die „Todesfabrik Auschwitz“ fuhren etwa 35 Züge mit 17.000 Juden vom Bhf<br />

Grunewald ab. Beidseits des Gleises 17 wurden als „ Bahnsteigkanten“ Stahlplatten verlegt,<br />

auf denen alle Fahrten vom Bahnhof-Grunewald mit dem Zielort und der Anzahl der<br />

Deportierten dokumentiert sind.<br />

Hans und Anna Magud 1<br />

Waldschulallee 7<br />

Das Ehepaar stammte aus Oberschlesien. Hans Magud, *12.03.1862 in Rudy Piekar, Anna<br />

Magud, *02.05.1878, geb. Steinitz, in Katowice, waren beide evangelisch. Hans Magud<br />

kam zum Studium nach Berlin, doch brach er dieses wegen der antisemitischen Strömungen<br />

an der Friedrich-Wilhelm-Universität ab. Danach arbeitete er in der Kohlen- und Außenhandelsreederei<br />

Caesar Wollheim. Die Familie Magud bewohnte das Haus Waldschulallee 7<br />

von 1934 bis 1940. Tochter Kaethe konnte nach Großbritannien emigrieren, Tochter Annemarie<br />

war durch eine sog. „privilegierte Mischehe“ geschützt. In ihr Haus nahmen sie andere<br />

Verfolgte auf: Eva Baruch und Clara Grau.1940 wurden sie gezwungen, ihr Haus an die<br />

„Gemeinnützige Wohnungs- und Heimstätten GmbH Dachau“ (SS-Organisation) zu verkaufen.<br />

Sie mußten dann zunächst in einer Wohnung in der Fregestraße (Friedenau) leben,<br />

später zur Untermiete in einer möblierten Wohnung in der Rosenheimer Straße 27. Im<br />

November 1942 verhaftete die Gestapo das Ehepaar Magud und brachte sie in ein<br />

Durchgangslager. Am 16.12. 1942 wurden beide mit dem „77. Altentransport“ in das<br />

1<br />

Blatt 1


Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Aus den Mitteln des Zwangsverkaufs des<br />

Hauses mussten sie die Kosten der Deportation bezahlen. Der 80-jährige Hans Magud<br />

starb bereits nach einem Monat, am 26.01.1943. Anna Magud überlebte das<br />

Konzentrationslager schwer krank und starb 75-jährig am 26.09.1953.<br />

Die Töchter überlebten. Anna Maguds Bruder, Eugen Steinitz, konnte nach Brasilien<br />

emigrieren.<br />

Eva Susanne Baruch 1<br />

Waldschulallee 7<br />

Eva Susanne Baruch, *11.01.1923 in Köslin, wohnte als Untermieterin im Haus der Familie<br />

Magud und war Schwesternschülerin im Jüdischen Krankenhaus. Ihr Vater, Vertreter der<br />

Firma Bleyle, Kinderkleidung, war mit der Familie wegen der antisemitischen Strömungen<br />

1938 nach Berlin gezogen. Sie wurde mit 19 Jahren am 26.10.1942 zusammen mit ihren<br />

Eltern (Stolpersteine in Charlottenburg, Roscherstr.7) nach Riga deportiert und dort in den<br />

Wäldern von Bikernieki am 28.10.1942 ermordet. Ihr Bruder Lothar (später Leslie), der 1938<br />

mit einem Kindertransport nach England fliehen konnte, hat die Verlegung dieses<br />

Stolpersteins veranlasst. Das Schicksal seiner Familie beschrieb er in seiner Biographie.<br />

(Leslie Baruch Brent, Sunday’s Child? A Memoir, Bank House Books, East Grinstead, UK<br />

2009; dt. Leslie Baruch Brent, Ein Sonntagskind? Vom jüdischen Waisenhaus zum<br />

weltbekannten Immunologen, Berliner Wissenschafts-Verlag 2009)<br />

Foto: Eva Susanne Baruch 1939<br />

Clara Grau 1<br />

Waldschulallee 7<br />

Clara Grau, *06.12.1859 in Rastenburg bei Königsberg, war in Berlin lange Zeit zusammen<br />

mit ihrer Schwester Margarethe, die 1928 verstarb, als Lehrerin an der Vogelschen Schule,<br />

einem Mädchenseminar, tätig. Die Schwestern lebten zu dieser Zeit in der Marchstraße und<br />

hatten freundschaftlichen Umgang mit der Bankiersfamilie Ebeling. Ab 1936 ist die 77jährige<br />

Clara Grau in der Waldschulallee 7 als Haushälterin bei der Familie Magud<br />

gemeldet. Aufgrund ihres Alters und ihrer früheren Tätigkeit wird es sich hierbei um eine<br />

notwendige Legalisierung ihres Wohnens gehandelt haben. Im März 1942 musste Clara<br />

Grau in die Rosenheimer Straße umziehen, wo sie wieder bei der Familie Magud wohnte.<br />

Danach lebte sie in der Wohnung ihres Neffen, dem RA Walter Grau, in der Wilhelm-<br />

Gustloff-Straße 51, der heutigen Dernburgstraße, am Lietzensee (Charlottenburg). Die<br />

Deportation der 82-jährigen war auf den 28.09.1942 festgesetzt. Einen Tag davor begingen<br />

beide Selbstmord. Ein weiterer Neffe, Richard Grau (später Richard Graw), überlebte die<br />

Shoah in der Emigration (USA).<br />

Berthold, Charlotte und Alice Pulvermann 2<br />

Lärchenweg 33<br />

Der Kaufmann Berthold Pulvermann, *15.02.1867, lebte mit seiner Frau Charlotte,<br />

*31.05.1877, geb. Radlauer, von 1929 bis 1940 im Lärchenweg 33, zeitweise mit den<br />

Töchtern Alice und Minna (1). Alice Pulvermann, *30.07.1907, von Beruf Schneiderin, war<br />

verwitwet und wohnte seit 1936 wieder bei ihren Eltern. Nach dem Zwangsverkauf des<br />

2<br />

Blatt 2


Hauses 1940 lebte sie bei Bekannten in der Wielandstr.17 (Charlottenburg). Mit 35 Jahren<br />

wurde sie am 29.01.1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Berthold und<br />

Charlotte Pulvermann mussten nach dem Verlust ihres Hauses in die Landhausstr. 25a<br />

(Charlottenburg) ziehen. Ihre letzte Berliner Adresse war das Sammellager Jüdisches<br />

Altersheim in der Gerlachstr. 18-21. Nachdem ihr restliches Vermögen am 01.09.1942<br />

eingezogen worden war, sollte die Deportation nach Theresienstadt erfolgen. 4 Tage später<br />

starb Bertold Pulvermann 75-jährig jedoch noch in Berlin. Charlotte wurde am 14.09.1942<br />

nach Theresienstadt deportiert. Sie war 65 Jahre, als sie am 2.12.1942 ermordet wurde.<br />

Minna Loewy, geb. Pulvermann, Studienrätin, emigrierte mit ihrem Mann Rudolf 1935 nach<br />

Palästina.<br />

Jenny Stock 3<br />

Zikadenweg 51<br />

Jenny Stock, *07.05.1869, geb. Gradnauer, entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie<br />

aus Magdeburg. Nach dem Besuch einer „Höheren Töchterschule“, in der sie die<br />

Haushaltsführung erlernte, zog sie nach Frankfurt/O. um. Dort heiratete sie am 03.01.1891<br />

den Kaufmann Paul Stock. Das Ehepaar war konfessionslos. Kurz nach der Eheschließung<br />

wurde die Firma „Herrengarderobe nach Maß“, in der Paul Stock tätig war, nach Berlin<br />

verlegt; damit siedelte auch das Ehepaar um. 1893 wurde der Sohn Georg geboren, benannt<br />

nach Jennys Bruder Georg Gradnauer, der seit 1919 sächsischer Ministerpräsident, 1921<br />

kurz sächsischer Innenminister und danach Gesandter Sachsens bei der Reichsregierung<br />

war. In den zwanziger Jahren zog sich Paul Stock aus dem Geschäftsleben zurück.<br />

Seit1926 bewohnte das Ehepaar das Haus Zikadenweg 51. 1927 starb Paul Stock; er wurde<br />

auf dem Friedhof Heerstraße (Charlottenburg) beerdigt. Bei den vorgezogenen Neuwahlen<br />

1933 wurde Jenny Stock für die SPD in die Bezirksverordnetenversammlung Wilmersdorf<br />

gewählt. Nach dem SPD-Verbot und der „Verordnung zur Sicherheit der Staatsführung“ vom<br />

Juli 1933 wurde ihr jedoch das Mandat entzogen. Nach dem Zwangsverkauf ihres Hauses<br />

am 19.11.1938 an eine „arische“ Familie wohnte Jenny Stock noch eine Zeitlang in der<br />

<strong>Siedlung</strong> <strong>Eichkamp</strong>. Ab 1940 musste sie zusammen mit ihrem Bruder in einem Zimmer in<br />

Kleinmachnow leben. Von dort wurde sie mit 73 Jahren am 20.11.1942 in das<br />

Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 24.03.1943. Ihr Sohn<br />

Georg, der in Berlin als promovierter Landgerichtsrat tätig war und in einer „Mischehe“ lebte,<br />

konnte1936 nach Großbritannien emigrieren. Dort wurde er Geistlicher der anglikanischen<br />

Hochkirche. Der Stolperstein wurde vom Verein Aktives Museum e.V. verlegt.<br />

Karl, Margarete, Marlies und Peter Marx 4<br />

Zikadenweg 49<br />

Karl Marx, *30.03.1890 in Landau, war Kaufmann. Er vertrat die Handelsfirma Marx & Co.<br />

Von 1934 bis 1938 wohnte er mit seiner Frau Margarete, *23.07.1895, geb. Straus,<br />

Individual-Psychologin, und den Kindern Peter, *10.07.1921, und Marlies, *7.6.1925, im<br />

Zikadenweg 49. Die Kinder besuchten die private jüdische Waldschule Kaliski im<br />

benachbarten Stadtteil Grunewald. 1938 zog die Familie wegen schwieriger wirtschaftlicher<br />

Lage in die Schrammstr. 8 (Wilmersdorf) um, und von dort 1939 in die Sybelstr. 30<br />

(Charlottenburg). Karl Marx, seine Frau Margarete und Marlies flüchteten nach Frankreich,<br />

wo sie in Drancy interniert wurden. Peter war Übersetzer, flüchtete nach Belgien, wurde im<br />

Lager Malines, Caserne Dossin, interniert, 1942 mit 21 Jahren nach Auschwitz deportiert<br />

und dort ermordet. Zwei Jahre später, am 27.03 1944, wurden seine Eltern und Marlies mit<br />

dem 70. Transport nach Auschwitz deportiert . Dort wurde Karl Marx im Alter von 54 Jahren<br />

ermordet. Margarete Marx überlebte und übersiedelte nach Frankreich. Sie klagte lange<br />

Jahre um Entschädigung wegen ihres Gesundheitszustandes (Erfrierungen an den Beinen).<br />

Die Tochter Marlies überlebte Auschwitz ebenfalls, wanderte nach Canada aus.<br />

3<br />

Blatt 3


Vor der Familie Marx gehörte das Haus dem Ingenieur Martin Dosmar, der mit seiner Frau<br />

Elisabeth, seinem Sohn Hans und seiner Tochter Eva bis zur Emigration nach Frankreich<br />

(1933) dort lebte und später unter schwierigen Bedingungen in die Schweiz flüchtete. Hans<br />

Dosmar schildert dies ausführlich im <strong>Eichkamp</strong>buch.<br />

Kurt und Nelly Kaliski 5<br />

Zikadenweg 39<br />

Nelly Kaliski, *05.09.1895 in Berlin, geb. Wolfsohn, war 11 Jahre alt, als ihr Vater starb. Ihre<br />

Mutter zog sie und ihren Bruder Alfred Wolfsohn ,*23. 09.1896, allein groß. Etwa seit 1928<br />

lebte Nelly Kaliski im Zikadenweg 39. Von 1932 bis ca. 1941 war sie Eigentümerin des<br />

Hauses. Zuletzt wohnte Nelly mit ihrem Ehemann Kurt Kaliski, *17.12.1896, den sie Ende<br />

der 30er Jahre geheiratet hatte, in der Solinger Straße 7 in Berlin Moabit. Von dort wurden<br />

beide am 17.03.1943 nach Theresienstadt und am 04.10.1944 nach Auschwitz deportiert.<br />

Nelly Kaliski war 49 Jahre und Kurt Kaliski 48 Jahre, als sie am 15.10.1944 ermordet<br />

wurden. Alfred Wolfsohn, der sich zum Gesangslehrer und Stimmexperimentator<br />

herangebildet hatte, konnte 1939 nach England emigrieren. Nach dem Krieg unterrichtete er<br />

dort seine Art der Stimmentwicklung und gelangte in den 50er Jahren auch zu internationaler<br />

Anerkennung. Er starb am 05.02.1962 in London; sein Vermächtnis wird von seinen<br />

Schülern weitergeführt.(Nachlass im Jüdischen Museum Berlin)<br />

Foto: Kurt und Nelly Kaliski 1939<br />

Cordelia Edvardson 6<br />

Eichkatzweg 33<br />

Cordelia Edvardson, *01.01.1929 in München als Tochter der katholischen Schriftstellerin<br />

Elisabeth Langgässer und des jüdischen Staatsrechtlers Hermann Heller (2). Sie wurde mit<br />

15 Jahren trotz eines Rettungsversuchs durch ihre Mutter (Adoption durch ein spanisches<br />

Ehepaar) am 10.03.1944 nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz deportiert.<br />

Schwer an Tuberkulose erkrankt, gelangte sie im Mai 1945 nach Schweden, wo sie eine<br />

erfolgreiche Journalistin wurde. Sie lebte dreißig Jahre lang als Auslandskorrespondentin in<br />

Israel und wohnt jetzt wieder in Stockholm. Ihr Schicksal schildert sie in dem<br />

autobiografischen Roman „Gebranntes Kind sucht das Feuer“ (dtv München 2005)<br />

Foto Cordelia Edvarson 1940<br />

4<br />

Blatt 4


Gertrud Löwenson 7<br />

Kiefernweg 8<br />

Gertrud Löwenson, *15.12.1880 in Tilsit, geb. Weinberg, war seit 1932 Eigentümerin des<br />

Hauses Kiefernweg 8 (3). Nachdem ihr Mann Louis Löwenson ca. 1939 gestorben war,<br />

versuchte sie 1941 ihr Haus auf den Namen ihrer „nichtjüdischen“ Schwägerin Else<br />

Weinberg und deren Töchter umzuschreiben, damit diese nach dem Tod des Vaters versorgt<br />

seien. Gertrud Löwenson wurde jedoch enteignet. Mit 61 Jahren wurde sie am 19.01.1942<br />

nach Riga deportiert und dort im Lager ermordet. Ihr Bruder Martin Weinberg starb 1941 als<br />

Zwangsarbeiter bei Siemens. Seine Frau Else und die zwei Töchter überlebten. Erst 1956<br />

wurde das Grundstück auf die Familie Weinberg rückübertragen<br />

Dr. Max Spittel und Berta Spittel 8<br />

Im Hornisgrund 17<br />

Eigentümer und Bewohner des Grundstücks Im Hornisgrund 17 war seit 1929 der Richter<br />

Dr. jur. Max Spittel, *21.11.1876 (4). Dr. Spittel war Senatspräsident am Kammergericht<br />

und verheiratet mit Berta Spittel, geb. Goldmann, *20.5.1884. Das Ehepaar hatte zwei<br />

Söhne: Hans (Harold), *1909, und Helmut (Paul), *1911. Dr. Max Spittel wurde als Jude im<br />

April 1933 zwangsweise beurlaubt und im September 1933 in eine niedrigere Richterfunktion<br />

am Landgericht Berlin versetzt. 1935 wurde er aus dem Richterdienst entlassen. 1941<br />

übernahm die "Gemeinnützige Wohnungs- und Heimstätten-GmbH Dachau" das<br />

Grundstück. Familie Spittel hatte das Haus bereits zuvor verlassen müssen. Mit dem 18.<br />

Transport vom 15.08.1942 wurden Max und Berta Spittel nach Riga deportiert, wo sie nach<br />

ihrer Ankunft am 18.08.1942, ermordet wurden.<br />

Alice Joel 9<br />

Falterweg 11<br />

Der Kammergerichtsrat i.R. Dr. Ernst Joel, * 26.05.1874, kaufte noch 1939 mit seiner Frau<br />

Alice, *30.09.1883, geb. Moll, das Haus Falterweg 11. Im Nachbarhaus, Nr. 13, wohnte die<br />

Schwester von Dr. Ernst Joel. Die Kinder der Joels, Gerhard und Marlene, waren bereits<br />

nach Lima/Peru geflüchtet. Kurz nach dem Einzug starb Dr. Ernst Joel 65-jährig am<br />

15.08.1939. Alice Joel lebte noch einige Zeit dort, bis sie in die Cunostr. 58 zog. Mit 58<br />

Jahren wurde sie am 17.11.1941 ins Ghetto von Kowno/Litauen deportiert. Dort wurde sie<br />

am 25.11.1941 ermordet.<br />

Bis zu ihrer Emigration im Juli 1938 gehörte das Haus dem Schneidermeister Martin Moddel<br />

(Fabrikation für Damenmoden in der Neuen Friedrichstraße, Mitte). Er konnte mit seiner<br />

Frau Martha und den Kindern Hans und Peter nach Sydney/Australien fliehen.<br />

Nach den Joels bewohnte der Journalist und Sozialdemokrat Theodor Haubach,<br />

*15.09.1896, von 1943 bis 1944 das Haus. Er wurde wegen seiner Mitgliedschaft zum<br />

Kreisauer Kreis am 23.1.1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.<br />

Richard und Elsbeth Lehmann 10<br />

Falterweg 13<br />

Das Ehepaar Richard, * 22.4.1864 und Elsbeth Lehmann, * 11.2.1872, geb. Joel (5),<br />

wohnte hier seit1935 nach der Enteignung ihrer Villa in Niederschönweide. Richard<br />

Lehmann, war Direktor einer Wollfabrik und Besitzer des Theater-Kinos „Elysium“. Große<br />

Teile des Vermögens mussten als „Sühnesteuer“ an das Finanzamt bezahlt werden. Beide<br />

waren gebürtige Berliner, um die siebzig Jahre alt und „konfessionslos“, in der Sprache des<br />

Naziregimes „nichtarisch“. Tochter Edith konnte nach London fliehen. Die Lehmanns<br />

mussten das Haus vermutlich nach dem Verkauf 1939 verlassen, waren zunächst noch in<br />

5<br />

Blatt 5


Lankwitz, dann im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße 2 (Wedding) gemeldet.<br />

Mit dem „Altentransport“ kamen beide am 02.02.1943 nach Theresienstadt. Vier Monate<br />

später starb dort Richard Lehmann 79-jährig am 04.06.1943. Elsbeth Lehmann wurde<br />

weiter nach Auschwitz deportiert, wo sie mit 72 Jahren ermordet wurde.<br />

Vor den Lehmanns gehörte das Haus im Falterweg 13 dem Rechtsanwalt Louis (Ludwig)<br />

Hayn und seiner Frau Meta. Die Hayns, beide Anfang fünfzig, und ihr damals knapp<br />

10jähriger Sohn Rolf verließen das Land rechtzeitig 1933. Die Emigrations-Odyssee führte<br />

sie über Paris und Barcelona schließlich in die USA. 1939 wurde der übliche "Notverkauf"<br />

des Grundbesitzes aktenkundig.<br />

Foto Richard und Elsbeth Lehmann ca. 1938<br />

Hrsg. Stolperstein-Initiative Berlin-<strong>Eichkamp</strong>; Siedlerverein <strong>Eichkamp</strong> e. V.,Berlin.<br />

Falterweg 17, D-14055 Berlin, Germany, www.siedlerverein-eichkamp.de<br />

Bildnachweis: Titelseite (Piorkowski), Baruch (aus Privatbesitz), Edvardson (Langgässer-<br />

Gesellschaft Darmstadt), Kaliski (Bestand des Jüdischen Museums Berlin), Lehmann (Edition<br />

Hentrich, „Juden in Treptow“)<br />

Vgl.: <strong>Eichkamp</strong>buch (1) S. 215, (2) S. 237, (3) S. 217, (4) S. 216, (5) S. 209<br />

Redaktion: Wilhelm F. Schräder<br />

Realisation Axel Tschacher Freiberufler für Webdesign und SEO, Kaiserdamm 8, 14057 Berlin, Tel:<br />

030-31511477 www.ranking-doctor.de<br />

Spendenkonto: Siedlerverein <strong>Eichkamp</strong> e.V.<br />

Postbank Berlin (BLZ 100 100 10) Konto Nr.: 296 49-103<br />

Kennwort: Stolpersteine<br />

August 2010<br />

6<br />

Blatt 6


Gedenkspaziergang entlang der Stolpersteine<br />

7<br />

Blatt 7

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