GL&Lev kontakt - GL VERLAGS GmbH
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46<br />
Im Blickpunkt <strong>GL</strong>&<strong>Lev</strong> <strong>kontakt</strong> Recht<br />
<strong>GL</strong>&<strong>Lev</strong> <strong>kontakt</strong> 05/09<br />
Managerhaftung im Fadenkreuz der Justiz:<br />
Wird der Besuch des Staatsanwalts<br />
zum Normalfall?<br />
Von FRANK NEUMANN<br />
die Managerhaftung ist nicht<br />
nur ein Modethema, sondern<br />
geradezu ein dauerbrenner des<br />
deutschen Gesellschaftsrechts.<br />
Es vergeht kaum ein Monat, in dem<br />
Zivil-, Finanz- oder strafgerichte<br />
dem organschaftlichen Verantwortlichkeitsrecht<br />
keine neuen Facetten<br />
hinzufügen.<br />
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber<br />
sich gerade bei diesem Thema aktiv<br />
zeigt und den Organmitgliedern,<br />
also Geschäftsführern oder Vorständen<br />
ständig neue Organisations- und Überwachungspflichten<br />
auferlegt. In diesem Artikel<br />
werden aktuelle Entscheidungen aus dem<br />
Bereich der Managerhaftung vorgestellt.<br />
Nicht erst im Rahmen der Weltwirtschaftskrise<br />
ertönt nach spektakulären Unternehmensskandalen<br />
der Ruf nach einer<br />
schärferen Managerhaftung. Mit diesen<br />
Vorbemerkungen ist zugleich der Rahmen<br />
für den folgenden Streifzug durch das Feld<br />
der Managerhaftung abgesteckt.<br />
neuere rechtsprechung<br />
1. Verhaltenspflichten<br />
1.1 Interne Pflichtenbindung<br />
Zunächst hat sich der BGH im Hinblick auf<br />
die interne Pflichtenbindung geäußert: Im<br />
Rahmen der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung<br />
verstößt ein Geschäftsführer,<br />
der die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung<br />
(§ 46 <strong>GmbH</strong>G) missachtet,<br />
gegen seine Legalitätspflicht. Denn zu den<br />
Kardinalpflichten eines Geschäftsleiters<br />
gehört zunächst die Pflicht, sich bei seiner<br />
Amtsführung gesetzestreu zu verhalten.<br />
Diese Legalitätspflicht besteht aus zwei<br />
Teilstücken: der internen Pflichtenbindung,<br />
die durch das Gesetz, die Satzung und die<br />
Geschäftsordnung näher ausgeformt wird<br />
und der externen Pflichtenbindung, die sich<br />
aus den gesetzlichen Verpflichtungen ergibt.<br />
Frank Neumann<br />
Fachanwalt<br />
für Arbeitsrecht<br />
in der Kanzlei Winter,<br />
Jansen, Lamsfuß<br />
Was die externe Pflichtenbindung anbelangt,<br />
kann sich ein Geschäftsführer nicht<br />
darauf berufen, dass Kartellverstöße oder<br />
Schmiergeldzahlungen subjektiv im Interesse<br />
der Gesellschaft oder gar objektiv<br />
zu ihrem Nutzen erfolgten. Dies hat der 2.<br />
Strafsenat des BGH in seiner so genannten<br />
Siemens-Entscheidung aus dem Jahre<br />
2008 unmissverständlich klargestellt: schon<br />
das Entziehen und Vorenthalten erheblicher<br />
Vermögenswerte unter Einrichtung von verdeckten<br />
Kassen durch leitende Angestellte<br />
eines Wirtschaftsunternehmens führe<br />
zu einem endgültigen Vermögensnachteil<br />
im Sinne der Vorschriften der Unterschlagung.<br />
Auch die „gute“ Absicht, durch Bestechungszahlungen<br />
Aufträge zu erlangen und<br />
dem Unternehmen so mittelbar zu einem<br />
Vermögensgewinn zu verhelfen, sei hierfür<br />
ohne Belang („Siemens-Entscheidung“).<br />
1.2 Sorgfaltspflicht im engeren Sinne<br />
Die Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung<br />
ist des Weiteren eine Vorgabe,<br />
die exakt erfüllt werden muss. Für<br />
Merger&Acquisition-Transaktionen hat das<br />
OLG Oldenburg kürzlich die Pflicht eines<br />
<strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers zur vorherigen<br />
Durchführung einer Due Diligence bejaht.<br />
Es ist den Geschäftsleitern somit anzuraten,<br />
bei M&A-Transaktionen eine Unternehmensbewertung<br />
vorzunehmen.<br />
1.3 Überwachungspflicht (Compliance)<br />
Hinter diesem weit gefassten Oberbegriff<br />
der organschaftlichen Überwachungspflicht<br />
verbergen sich zwei ganz unterschiedliche<br />
Kontrollpflichten: die horizontale Überwa-<br />
chungspflicht gegenüber den Geschäftsleiterkollegen<br />
bei organinterner Arbeitsteilung<br />
und die vertikale Überwachungspflicht über<br />
die nachgeordneten Unternehmensebenen.<br />
Der Geschäftsleiter hat somit dafür zu<br />
sorgen, dass es eine geordnete und systematische<br />
Überwachung der Geschäftsleiterkollegen<br />
und der nachgeordneten Ebenen<br />
gibt. Dies hebt Ziffer 4.1.3 des deutschen<br />
Corporate Governance Kodex nunmehr<br />
ausdrücklich hervor: „Der Vorstand hat für<br />
die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen<br />
und der unternehmensinternen<br />
Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren<br />
Beachtung durch die Unternehmen hin.“<br />
1.4 Treuepflicht<br />
Die organschaftliche Treuepflicht hält den<br />
Geschäftsleiter an, in allen Angelegenheiten,<br />
die das Interesse der Gesellschaft<br />
berühren, alleine deren Wohl im Auge zu<br />
behalten. Hiernach verletzt ein <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführer<br />
seine Treuepflicht nicht nur<br />
beim unmittelbaren „Griff in die Kasse“,<br />
sondern auch dann, wenn er darauf hinwirkt,<br />
sich eine nach dem Anstellungsvertrag<br />
nicht zustehende Vergütung von der<br />
Gesellschaft anweisen zu lassen.<br />
2. Liquiditätsüberwachung<br />
Von entscheidender Bedeutung für die<br />
Geschäftsleiter-Haftung bilden die neu eingeführten<br />
Paragraphen 64 S. 3 <strong>GmbH</strong>G, 92<br />
II 3 AKtG. Hiernach sind die Geschäftsleiter<br />
zum Ersatz von Zahlungen an Gesellschafter<br />
verpflichtet, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit<br />
der Gesellschaft führen mussten. Die<br />
Geschäftsführer werden somit als Wächter<br />
über die Liquidität der Gesellschaft in die<br />
Pflicht genommen und bei Pflichtverstößen<br />
als „Anstifter oder Gehilfe“ einer existenzbedrohenden<br />
Vermögensverschiebung zur<br />
Verantwortung gezogen. Zahlungen an Gesellschafter<br />
können daher nur dann freigegeben<br />
werden, wenn ausreichend „Masse“<br />
vorhanden ist.<br />
Zusammenfassung:<br />
Es ist gegenwärtig durchaus die Tendenz zu<br />
erkennen, dass die Rechtsprechung wieder<br />
in die Richtung einer schärferen Organhaftung<br />
tendiert. Eine ständige Überprüfung<br />
der Rechte und Pflichten des Geschäftsführers<br />
bzw. Vorstandes ist daher anzuraten. Im<br />
Übrigen wird die Einschaltung eines externen<br />
oder internen Compliance-Beauftragten<br />
auch für Mittelständler unausweichlich bleiben,<br />
damit eine persönliche Haftung des Geschäftsleiters<br />
unterbunden werden kann.