Taxi Times München - 1. Quartal 2023

AUTONOMES FAHREN
DIE GEISTERAUTOS
VON DER ELBE
Im Hamburger Stadtteil Bergedorf werden demnächst
ferngesteuerte Fahrzeuge unterwegs sein. Die
Ausnahmegenehmigung erteilte der dortige
Verkehrssenator.
Das Fahrzeug befindet sich
tatsächlich auf der Straße,
die Dame allerdings, die
es lenkt, agiert von einem
Studio aus.
In Hamburg hat man sich ein großes Ziel
gesetzt: Bis zum Jahre 2030 sollen über
10.000 autonome Shuttles auf der Straße
sein und Privatfahrzeuge ersetzen.
Einen ersten Schritt in diese Richtung
macht das in Berlin gegründete Unternehmen
Vay. Es setzt ferngesteuerte Fahrzeuge
im Hamburger Stadtteil Bergedorf erstmalig
ohne Sicherheitsfahrer ein.
Klassische autonome Autos werden das
allerdings nicht sein, denn anders als beim
vollautonomen Fahren werden die Fahrzeuge
von Vay ferngesteuert. In Hamburg hat
man mit dem Konzept offene Türen eingerannt.
Als Geschäftsmodell wird eine Art
ferngesteuertes Car-Sharing angepriesen.
Die Fahrzeuge werden fremdgelenkt zum
Kunden gefahren und dort dann in dessen
Hände übergeben. Die Steuerung wird von
speziell geschulten Mitarbeitern – den
sogenannten Telefahrern – übernommen,
die das Fahrzeug dann an einem speziell
ausgerüsteten Arbeitsplatz bedienen.
Mittels mehrerer Monitore, eines Lenkrads
und Pedalen, die auch aus dem Gaming-
Bereich entliehen sein könnten, wird dann
das Fahrzeug durch den Verkehr gesteuert.
Ende vergangenen Jahres wurde von
Vay ein nächster Meilenstein erreicht,
denn der TÜV Süd hat in einem langen
Prozess nicht nur die Sicherheit
der Funktionen der Telefahrstationen
bescheinigt, sondern auch die Cybersicherheit
dahin gehend überprüft, ob das
System vor Angriffen von außen ausreichend
geschützt ist. Beispielsweise wurde
bescheinigt, dass alle Daten bei Vay an
allen Übertragungspunkten verschlüsselt
sind. Auch die Telefahrstationen sind entsprechend
abgesichert – sie sind nur für
autorisierte Telefahrer zugänglich.
GRÜNES LICHT VOM TÜV SÜD
In der Folge hat nun Vay die Weichen für
einen erweiterten Testbetrieb gestellt. Die
Stadt Hamburg hat auf der Grundlage des
Gutachtens des TÜV Süd grünes Licht für
eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Sie
erlaubt es Vay, auf den Straßen des Hamburger
Ortsteils Bergedorf zukünftig ohne
Sicherheitsfahrer zu testen.
Hinter diesem Schritt steht unter anderem
Anjes Tjarks, der in seiner Funktion
als Hamburgs Senator für Verkehr und
Mobilitätswende auch als ein Treiber des
„Projekts Zukunftstaxi“ gilt: „Intelligente
Mobilitätslösungen sind ein essenzieller
Baustein für die Mobilitätswende. Daher
freuen wir uns, dass Vay in unserer Stadt
einen hochmodernen Telefahr-Service
anbieten will und dieses innovative Modell
nun in Bergedorf ohne Sicherheitsfahrer
testet. Für uns in Hamburg sind moderne
Angebote für unsere Bürger ein großes politisches
Anliegen. Wir begleiten diese konstruktiv
bei höchsten Ansprüchen an die
Sicherheit.“
Vay setzt auf die gleichen Argumente
wie die Betreiber von Free-Floating-Carsharing.
Man will das private Auto ersetzen
und somit nicht nur Emissionen, sondern
auch Verkehrsraum einsparen.
Allerdings lässt die letzte Pressemitteilung
des Unternehmens ganz eindeutig
erkennen, dass Vay auch einen Blick auf
die individuelle Personenbeförderung
geworfen hat. Denn das Unternehmen hat
sich auf die Fahne geschrieben, „die vier
Hauptursachen für tödliche Unfälle in
Innenstädten durch Telefahren zu minimieren:
Fahren unter Alkohol- und Drogeneinfluss,
Geschwindigkeitsüberschreitung,
Ablenkung und Müdigkeit“.
Schon bald sind die ersten von Telefahrern
gesteuerten Kia e-Niro in Hamburg
unterwegs. Langfristig gesehen sollen auf
der Grundlage hochwertiger Telefahr-Daten
schrittweise autonome Funktionen in das
System einführt werden.
sg
FOTO: Vay
24 1. QUARTAL 2023 TAXI