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Taxi Times München - 1. Quartal 2023

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vielfach auf das Trinkgeld angewiesen, weil der Lohn allein nicht<br />

zum Überleben reichte und das Trinkgeld einkalkuliert wurde.<br />

Kritiker erkannten so schon damals das Trinkgeld als Symbol der<br />

Entfremdung und Entmenschlichung der Arbeit, „es fördere eine<br />

knechtische Gesinnung, degradiere den Kellner zum Sklaven“.<br />

Gerade der Austausch zwischen männlichen Gästen und weiblichen<br />

Bedienungen im Gastgewerbe wurde zusätzlich als besonders<br />

heikler Punkt empfunden. Die juristische und moralische Debatte<br />

über das Trinkgeld, das formal zwar freiwillig geleistet wurde,<br />

de facto inzwischen aber unausweichlich war, erreichte um 1900<br />

einen ersten Höhepunkt und führte sogar zur Gründung einer<br />

bürgerlichen „Anti-Trinkgeld-Liga“.<br />

TRINKGELD FÜR ANGESTELLTE STEUERFREI<br />

Diese Initiative blieb jedoch wie auch andere Gesetzesinitiativen<br />

zum Trinkgeldverbot bis in die Weimarer Republik erfolglos.<br />

Allerletzte Reste staatlicher Regelungsbedürfnisse zeigten sich in<br />

Deutschland allerdings noch bis in die 1990er-Jahre. Wer schon ein<br />

paar Jahre länger am <strong>Taxi</strong>lenkrad dreht, erinnert sich vielleicht<br />

daran, dass noch unter Helmut Kohl ein Maximalbetrag festgelegt<br />

war, bis zu dem Trinkgeldeinnahmen tatsächlich steuer- und sozialversicherungsfrei<br />

blieben. Ausgerechnet der Sozialdemokrat Gerhard<br />

Schröder schaffte diese Begrenzung dann ersatzlos ab, und<br />

inzwischen müssen lediglich selbstständige Trinkgeldempfänger<br />

solche Einnahmen beim Finanzamt angeben und als Einkommen<br />

ordentlich versteuern.<br />

Die Auseinandersetzung mit der Historie der Trinkgeldkultur<br />

macht deutlich, dass es sich beim Trinkgeldgeben nicht bloß um<br />

den Austausch materieller Werte handelt. Vielmehr berührt dieses<br />

„Ritual tiefere Fragen von gesellschaftlichem Status, Prestige und<br />

Ehre“, wie der Gießener Historiker Winfried Speitkamp in seiner<br />

kurzweiligen Geschichte des Trinkgeldes „Der Rest ist für Sie!“<br />

vor Augen führt. Rational jedenfalls lässt sich kaum erklären,<br />

warum der „homo oeconomicus gegen seine eigenen Interessen<br />

handelt und für eine bereits erbrachte Dienstleistung Geld zahlt –<br />

selbst wenn er den Empfänger niemals wiedersehen wird“.<br />

International herrscht im Übrigen oftmals eine sehr unterschiedliche<br />

Trinkgeldkultur. In Europa gelten fünf bis zehn Prozent<br />

als „richtig“. In den USA sind 15 Prozent „tip“ heute sogar<br />

eher Minimum, nachdem das Trinkgeldgeben bis zum Bürgerkrieg<br />

gänzlich unüblich und zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts<br />

in einigen Bundesstaaten als antidemokratisch und „unamerikanisch“<br />

sogar strafbar war. In vielen Ländern des arabischen Raums<br />

wird heute noch regelmäßig auch schon für kleinere Handreichungen<br />

ein Bakschisch erwartet. In Südostasien kann man sich<br />

allerdings sogar sehr unbeliebt machen, da ein perfekter Service<br />

dort als selbstverständlich angesehen wird.<br />

D-MARK ZU EURO<br />

Interessant ist dabei, dass diese Prozentzahlen dann auch den<br />

Wechsel von der D-Mark zum Euro relativ unbeschadet überstanden<br />

haben und zumindest solche Gäste, die häufiger Dienstleistungen<br />

wie <strong>Taxi</strong> oder Gastronomie in Anspruch nehmen, diese<br />

Kultur auch ins Zeitalter digitaler Zahlungsarten hinüberretteten.<br />

Lediglich Menschen, die eher seltener als Dienstleistungsempfänger<br />

dieser Art unterwegs sind, „vergessen“ das Trinkgeld schon<br />

mal und machen so gerade Krankenfahrten bei vielen Chauffierenden<br />

eher unbeliebt. Ebenfalls interessant ist auch eine weitere<br />

Erkenntnis: Vielleicht ist es dem Ursprung des Trinkgeldes als<br />

ergänzende Entlohnung für den Kutscher geschuldet, ein Teilen<br />

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des Trinkgeldes innerhalb des Teams ist jedenfalls in der Gastronomie<br />

heute durchaus gang und gäbe, bei <strong>Taxi</strong>chauffierenden<br />

aber wohl die absolute Ausnahme.<br />

Letztendlich muss wohl jede und jeder, egal ob Trinkgeld<br />

gebend oder empfangend, für sich selbst entscheiden, wie er sich<br />

zu diesem Kulturgut positionieren will, und die Fragen von „Status,<br />

Prestige und Ehre“ für sich selbst bewerten. Ein entspannter<br />

Umgang mit dem Thema hilft dabei in jedem Fall, denn erfahrungsgemäß<br />

bekommen dann doch diejenigen das meiste Trinkgeld,<br />

die es gar nicht drauf anlegen, und ein lockerer Umgang beim<br />

Aufrunden der Zahlung macht einfach glücklicher, oder? rw<br />

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TAXI <strong>1.</strong> QUARTAL <strong>2023</strong><br />

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