Taxi Times München - 1. Quartal 2023
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FLUGHAFEN<br />
VOM BLAUEN KASTEN<br />
ZUM FINGERDRUCK<br />
Die Entwicklung des <strong>Taxi</strong>verkehrs am Münchner Flughafen ist eng mit den<br />
digitalen Fortschritten verknüpft. Nirgendwo wird das deutlicher als bei der<br />
Kurzfahrtenregelung.<br />
2004 wurden zur<br />
Abwicklung der Kurzfahrten<br />
noch solche<br />
Kästen installiert und<br />
programmiert.<br />
Sind Sie ein für Abenteuer und Extremsituationen offener<br />
Mensch? Dann habe ich eine Empfehlung für Sie: Eine<br />
<strong>Taxi</strong>fahrt vom Flughafen nach Neufahrn.“ Mit diesen Worten<br />
beginnt ein ausführlicher Leserbrief, der im Dezember 2005<br />
im Freisinger Tagblatt erschienen ist. Darin schildert ein in Neufahrn<br />
– und damit in Flughafennähe - wohnender Fahrgast die<br />
Erlebnisse seiner <strong>Taxi</strong>fahrten vom Flughafen nach Hause, bei<br />
denen massive Geschwindigkeitsüberschreitungen und gefährliche<br />
Überholmanöver keine Ausnahme, sondern die Regel waren.<br />
Dieses Massenphänomen der sinnlosen Raserei nach Erding,<br />
Freising und zu anderen nahegelegenen Orten war der ungewollte<br />
Nebeneffekt der so genannten Kurzfahrtenregelung. Sie erlaubte<br />
dem <strong>Taxi</strong>fahrer, dass er sich noch einmal vorne einreihen<br />
durfte, wenn er innerhalb eines Zeitfensters von 20 Minuten wieder<br />
am Flughafen eintraf. Für die Fahrer*innen konnte damit ein<br />
Ausgleich zur stundenlangen Wartezeit geschaffen werden. Bei<br />
kurzen Strecken im Bereich des Flughafengeländes und den unmittelbar<br />
angrenzenden Ortschaften war dieses Zeitfenster ausreichend.<br />
Strecken nach Freising, Erding, Neufahrn und Co., die schon<br />
2005 rund 25 Euro ausmachten, waren in einem 20-Minuten-<br />
Zeitfenster bei regelkonformer Fahrweise dagegen nicht zu<br />
bewerkstelligen.<br />
Trotzdem gab es viel zu viele MUC-<strong>Taxi</strong>fahrer, die bei diesen<br />
Fahrten die physikalischen Gesetze von Zeit und Raum zu durchbrechen<br />
versuchten und damit von vornherein als Verlierer endeten.<br />
Selbst dann, wenn sie vereinzelt den Wettlauf gegen die Zeit<br />
gewannen, hatten sie mit solch einer Fahrt doch zumeist einen<br />
bis dahin treuen <strong>Taxi</strong>fahrgast verloren – spätestens seit 2016, als<br />
Uber als „lebenssicherere“ Alternative auf den Markt kam. Und<br />
wer weiß, ob nicht manches Hotel darauf verzichtet hätte, einen<br />
eigenen Flughafen-Shuttle für die Gäste anzubieten, wenn die<br />
Kollegen gesittet gefahren wären.<br />
Trotzdem ist die Kurzstreckenregelung eine gute Sache, zum<br />
einen, weil die große Mehrheit der Flughafentaxler vernünftig<br />
damit umgeht, zum anderen, weil es IsarFunk durch verschiedene<br />
Maßnahmen gelungen ist, die Nutzung transparent und manipulationssicher<br />
darzustellen.<br />
Im Frühjahr 2004 hatte man an den ersten Positionen der<br />
Modulspuren Automaten installiert. Deren Bedienung war ähnlich<br />
einfach wie die damalige Schrankennutzung: Vor dem Wegfahren<br />
musste man den Startknopf drücken und die Fahrerkarte durchziehen,<br />
bei der Rückankunft den „Stoppknopf“ drücken und die<br />
Karte abermals durchziehen. War der oder die <strong>Taxi</strong>fahrer*in innerhalb<br />
der berechtigten, auf 20 Minuten eingestellten Zeit eingetroffen,<br />
blinkte die grüne Lampe, bei Nichtberechtigung<br />
(Zeitüberschreitung) blinkte die rote Lampe. Das war auch deutlich<br />
für die anderen Kolleg*innen zu erkennen, sodass diese genau<br />
wussten, ob sich der Kollege zurecht ganz vorne einreiht.<br />
Doch keine Technik ohne Tücken bzw. ohne die Raffinesse<br />
mancher Kollegen, die meinten, sie könnten den Automaten austricksen,<br />
indem sie beispielsweise bei der Rückkehr von einer<br />
Kurzfahrt nach mehr als zwanzig Minuten durch gleichzeitiges<br />
Drücken der Start- und Stopp-Taste grünes Licht bekamen. Ein<br />
umfangreiches Software-Update setzte diesem Treiben aber schnell<br />
ein Ende. Die neue Software musste damals noch an jedem Automaten<br />
einzeln aufgespielt werden.<br />
VOM LANDKREIS ABGESEGNET<br />
Die Kurzfahrtenregelung war übrigens keine willkürliche Bestimmung<br />
von IsarFunk, sondern über eine Allgemeinverfügung<br />
vom Landkreis Erding abgesegnet: Darin war genau geregelt,<br />
dass sie nur der- oder diejenige in Anspruch nehmen konnte,<br />
der einen Fahrgast am Modul aufnahm oder einen Auftrag über<br />
das Standplatztelefon im Zentralbereich bzw. durch den TSP<br />
erhalten hatte. Für Aufträge, die über Funk von den Zentralen<br />
aus Freising oder <strong>München</strong> angenommen wurden, galt keine<br />
Heute läuft alles<br />
über eine App.<br />
FOTOS: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
10 <strong>1.</strong> QUARTAL <strong>2023</strong> TAXI