157_StadtBILD_August_2016
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Vorwort<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Görlitz-ART? Man fragt sich, was die Erfinder des<br />
Begriffs meinen.Görlitzer Lebensart? Aber das würde<br />
das hiesige „Culture-Management“ doch gewiß<br />
„Görlywood-Lifestyle“ nennen. Also „Art“ für „Kunst“?<br />
Aus dem Französischen wohl nicht. Also wieder eine<br />
Verbeugung vor dem Gelobten Land westlicher Globalisierungsmissionare<br />
hinterm großen Teich. Unter dem<br />
Motto „Görlitz-ART“ sehen wir seit Wochen Arbeiten<br />
polnischer Kunststudenten aus der Kulturhauptstadt<br />
Breslau/Wroclaw im Görlitzer Stadtraum. Beschädigungen<br />
einzelner Objekte nach dem Muster „autonomer“<br />
Verwüstungen lehnen wohl fast alle Görlitzer ab.<br />
Selbstverständlicher Anstand gebietet aufgeschlossene<br />
und höfliche Aufmerksamkeit für diese Gastausstellung<br />
von Kunstobjekten. Beigefügte Erklärungstafeln<br />
erleichtern den Zugang zu den Absichten der jungen<br />
Künstler, die nur das versuchen, was sie von ihren<br />
Kunstprofessoren als „Kunst der Postmoderne“ vermittelt<br />
bekommen haben. Den meisten ausgestellten<br />
Arbeiten, etwa am Neißeufer, auf der Elisabethstraße<br />
und dem Wilhelmsplatz, kann man durchaus etwas abgewinnen.<br />
Und über Kunst ließ sich schon immer streiten.<br />
Fragen gibt es nur, weil nun wohl doch aus städtischen<br />
Mitteln einiges zugeschustert wurde, während<br />
es gleichzeitig Kinderarmut gibt. Kunst im öffentlichen<br />
Raum bleibt heute ohnehin ein Reizthema. Meine ersten<br />
Begegnungen mit heute Maßstab gebenden Mustern<br />
am Anfang der 1990er Jahre waren bedrückend,<br />
etwa die großformatigen Rohre, zu stählernen Darmverschlingungen<br />
zusammengewürgt, auf Straßen oder<br />
vor Regierungsgebäuden in Bonn oder Berlin- West,<br />
ein Haufen kleinteiliger Metallschrott, als „Kunstinstallation“<br />
in der Goethepassage (!) in Jena ausgeschüttet<br />
oder eine Pyramide aus Pappkartons, die damals in einer<br />
von mir betreuten Ausstellung eines jungen Künstlers<br />
im Kaisertrutz auch als „Installation“ aufgetürmt<br />
wurde. Man gewinnt den Eindruck, daß Maler, Grafiker<br />
oder Bildhauer nicht mehr für ein breites Kunstpublikum<br />
schaffen und dies als volksbildnerische Mission<br />
begreifen, sondern eher für Kunsthändler und die von<br />
diesen beratenen zahlungskräftigen Sammler. Andere<br />
verstehen ihr Schaffen als eine Form der Selbstfindung<br />
in der Zurückgezogenheit. In unserer Jugend lebten<br />
wir mit den Überlieferungen realistischer Kunst der<br />
Antike und Renaissance, des l9. Jahrhunderts und der<br />
1920er Jahre. Es waren Porträts und Landschaften, Figuren<br />
von Mensch und Tier, geschichtliche Szenen, die<br />
unseren Blick auf Mitmenschen und Umwelt schärften.<br />
Wir liebten Leonardo, Michelangelo und Raffael, Dürer<br />
und Cranach, Menzel und Liebermann, Kollwitz und<br />
Barlach. In den Wohnungen unserer Eltern und Bekannten,<br />
in unseren Klassenräumen und Amtsstuben<br />
umgaben uns gerahmte Kunstdrucke von Reproduktionen<br />
solcher Kunstwerke. Wir fanden sie in unseren Lesebüchern<br />
oder als Illustrationen zu Werken der Weltliteratur<br />
aus bedeutenden Verlagen. Kunsterziehung<br />
hatte noch einen zentralen Platz im Lehrplan. Als Studenten<br />
versäumten wir keine bedeutende Ausstellung<br />
in Berlin oder Dresden. Etliche von uns versuchten sich<br />
selbst im Zeichnen und Malen, manche fanden so Beruf<br />
und Berufung. So fällt es meiner Generation schwer,<br />
an einen endgültigen Abschied von diesen Traditionen<br />
zu glauben. Als Fußgänger freue ich mich immer wieder,<br />
wenn Touristen Plastiken im öffentlichen Raum in<br />
Görlitz fotografieren, etwa den sinnenden Engel und<br />
den kleinen Kobold der Dresdener Künstlerin von Appen<br />
an der Annenkapelle, den Brunnen mit dem älteren<br />
Ehepaar an der Ostseite des Klosterplatzes von<br />
Gisela Mauermann und den Muschelminnabrunnen von<br />
Toberentz auf dem Postplatz. Gern spielen die Kinder<br />
am Brunnen mit der Tänzerin und dem Hund in der<br />
Nähe von Schwerdtners Café Central, auch wenn empörte<br />
Ästheten die Nase darüber rümpfen. Vor allem<br />
verdienen einheimische Künstler mehr Aufmerksamkeit<br />
und Aufträge seitens der Stadtoberen. Daß die Gespräche<br />
über „Görlitz-ART“ zum Selbstverständnis der<br />
Stadtbevölkerung beitragen, wünscht sich<br />
Ihr Ernst Kretzschmar<br />
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Einleitung<br />
3
Rudolf<br />
120 Jahre Firmentradition<br />
Hoinkes–<br />
Alter Firmensitz am Demianiplatz 3<br />
Ein jeder kennt wohl die Liebesperlen,<br />
die kleinen, bunten und<br />
süßen Kügelchen, die gern von<br />
jung und alt vernascht werden.<br />
Doch nur die wenigsten wissen<br />
auch, wie es zur Entstehung der<br />
berühmten Perlen kam, wie und<br />
wo sie produziert wurden und<br />
noch werden. Zwei aktuelle Anlässe<br />
geben uns Gelegenheit, uns<br />
mit diesem Thema näher zu befassen.<br />
Am 16. <strong>August</strong> feiert die<br />
weit über die Grenzen von Görlitz<br />
und Deutschland hinaus bekannte<br />
Firma Hoinkis zwei Jubiläen.<br />
Am 16. <strong>August</strong> 1896 wurde die<br />
„Chokoladen- und Zuckerwaren-<br />
Fabrik Rudolf Hoinkis“ durch<br />
Herrn Rudolf Hoinkis, den Urgroßvater<br />
des jetzigen Inhabers,<br />
gegründet. Der ursprüngliche<br />
Firmensitz befand sich am Demianiplatz<br />
31. Ebenfalls an einem<br />
16. <strong>August</strong>, 6 Jahre nach der politischen<br />
Wende in Deutschland,<br />
nämlich 1996, wurde der moderne<br />
Firmensitz im Görlitzer Gewer-<br />
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4<br />
Geschichte
Rudolf<br />
Süßwarenfabrik<br />
Hoinkes<br />
Hoinkis Görlitz<br />
Ansichtskarte um 1900<br />
begebiet am Flughafen durch den Enkel<br />
des Firmengründers, Christian Hoinkis,<br />
neu eröffnet. Damit war die Görlitzer Süßwarenfabrik<br />
GmbH das einzige deutsche<br />
Unternehmen der Süßwarenindustrie, das<br />
aus der sozialistischen Planwirtschaft erfolgreich<br />
in die Marktwirtschaft überführt<br />
wurde.<br />
Mit Gründung der Firma wurden weitgehend<br />
noch manuell Frucht-Bonbons,<br />
verschiedene Malz-Präparate und Husten-Bonbons<br />
hergestellt. Für besondere<br />
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Geschichte<br />
5
Rudolf<br />
120 Jahre Firmentradition<br />
Hoinkes–<br />
Briefkopf von Rudolf Hoinkis<br />
Anlässe und die vornehme Gesellschaft<br />
stellte die Firma Hoinkis ihre berühmten<br />
„Creme-Chokoladen“, Pralinen, Dessert-<br />
Confect und zu den hohen Festen Weihnachts-<br />
und Oster-Marzipanfiguren her.<br />
Rudolf Hoinkis arbeitete ständig an der<br />
Verbesserung der Rezepturen und der<br />
Entwicklung neuer süßer Produkte. Am 3.<br />
April 1908, einem Freitag, gelingt Rudolf<br />
Hoinkis die Herstellung von kleinen, festen<br />
Zuckerperlen. Er nimmt sie stolz mit nach<br />
Hause, um sie seiner Familie zu präsentieren.<br />
Bei der üblichen Verkostung sprach<br />
er zu seiner Frau und seinem Sohn: „Ich<br />
liebe Euch wie diese Perlen, für die ich<br />
noch keinen Namen habe.“ Spontan soll<br />
seine Frau Emilie geäußert haben: „Dann<br />
nenne sie doch Liebesperlen!“<br />
Damit war der Name für eine Süßwarenspezialität<br />
geboren, die mittlerweile ihren<br />
Siegeszug um die ganze Welt angetreten<br />
hat. Ob in China, Japan, Australien oder<br />
im fernen Amerika: Liebesperlen aus Görlitz<br />
sind überall ein Begriff. Obwohl zwischenzeitlich<br />
viele Nachahmer auf dem<br />
Markt erschienen, werden die beliebten<br />
Liebesperlen und andere Süßwaren heute<br />
in mehr als 22 Länder exportiert.<br />
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6<br />
Geschichte
Rudolf<br />
Süßwarenfabrik<br />
Hoinkes<br />
Hoinkis Görlitz<br />
Neues Firmengebäude im Gewerbegebiet am Flughafen<br />
Die Liebesperlen werden aus einer Mischung<br />
von Traubenzucker, Zuckerwasser<br />
und Farbstoffen hergestellt. Das zu Grunde<br />
liegende Dragierverfahren wird bereits<br />
seit 1500 angewandt. Rudolf Hoinkis geniale<br />
Idee bestand darin, um den Kern eines<br />
einzelnen Zuckerkristalls, das sorgsam herausgesiebt<br />
werden muss, in schräg rotierenden<br />
Kupferkesseln bis zu 70 Schichten<br />
aufzubauen. Die Schichten werden ständig<br />
mit einer feinen Traubenzuckerlösung<br />
sowie verschiedenen Farbstoffen besprüht<br />
und benötigen rund 100 Stunden bis zur<br />
Fertigstellung. Wer die süßen Kügelchen<br />
verzehrt, macht sich sicher keine Gedanken<br />
über den aufwendigen Herstellungsprozess.<br />
Sie, liebe Leser, kennen nun das<br />
Geheimnis der Liebesperlen.<br />
Dadurch, dass Görlitz im Krieg kaum<br />
Zerstörungen erlitt, kam auch die Firma<br />
Hoinkis unbeschadet durch den Krieg und<br />
wurde, nachdem es genügend Rohstoffe<br />
gab, auch sogleich weiter geführt. Im<br />
Zuge der Kollektivierung der gesamten<br />
Volkswirtschaft der DDR wurde auch der<br />
Druck auf die Firma Hoinkis immer stärker,<br />
so dass 1960 das Unternehmen in einen<br />
halbstaatlichen Betrieb überführt wurde.<br />
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Geschichte<br />
7
Rudolf<br />
120 Jahre Firmentradition<br />
Hoinkes–<br />
Kesselreihen für die Liebesperlenproduktion<br />
Aber bereits 1972 war diese Zeit<br />
der scheinbaren Selbständigkeit<br />
endgültig vorbei, und die Firma<br />
wurde komplett verstaatlicht<br />
und Bestandteil der „VEB Görlitzer<br />
Süßwaren“. Gleich nach dem<br />
Zusammenbruch der DDR wurde<br />
am 1. <strong>August</strong> 1990 das Unternehmen<br />
reprivatisiert und in<br />
die Hände von Christian Hoinkis,<br />
dem Sohn des Gründungsvaters,<br />
übergeben.<br />
Von nun an ging es mit der Firma<br />
Hoinkis steil bergauf, die<br />
Produkte waren ob ihrer Qualität<br />
und Vielseitigkeit nunmehr weltweit<br />
wieder gefragt. 1994 erhielt<br />
die „Rudolf Hoinkis GmbH“<br />
die begehrte „Goldene Uhr“, die<br />
höchste Auszeichnung der deutschen<br />
Süßwarenbranche. Die<br />
gestiegene Nachfrage nach den<br />
süßen Produkten konnte im alten<br />
Firmensitz nur noch schwerlich<br />
erfüllt werden. Ein größeres<br />
Werk musste her, so dass am 16.<br />
<strong>August</strong> 1996 der neue Firmensitz<br />
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8 Geschichte
Rudolf<br />
Süßwarenfabrik<br />
Hoinkes<br />
Hoinkis Görlitz<br />
Manuelle Farbzugabe in die Kessel<br />
im Görlitzer Gewerbegebiet am<br />
Flughafen feierlich eingeweiht<br />
werden konnte.<br />
Die Innovationsfreudigkeit des<br />
Firmengründers Rudolf übertrug<br />
sich auf seinen Sohn und seine<br />
Enkel. Fünf Monate probierte der<br />
Geschäftsführer Mathias Hoinkis<br />
verschiedenste Mischungen aus<br />
Traubenzucker, Koffein, Taurin,<br />
Guarana, Farbstoffen, Aromen<br />
und Vitaminen aus, um eine stabile<br />
Rezeptur zu erhalten.Das Ergebnis<br />
sind rote und grüne Drops<br />
in der Geschmacksrichtung Gummibärchen.<br />
Damit entwickelte<br />
Mathias Hoinkis eine Weltneuheit,<br />
die Energy Drops, die im Oktober<br />
2011 auf der weltgrößten Fachmesse<br />
der Ernährungswirtschaft<br />
und Nahrungs- sowie Genussmittelindustrie<br />
„Anuga“ in Köln<br />
erstmals der Öffentlichkeit präsentiert<br />
wurden. Auf dieser Ausstellung<br />
präsentierten 6.596 Unternehmen<br />
aus 100 Ländern ihre<br />
Produkte und Neuheiten. Doch<br />
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Geschichte<br />
9
Rudolf<br />
120 Jahre Firmentradition<br />
Hoinkes–<br />
Sortimentauswahl der neuen Produktion<br />
die Firma Hoinkis errang mit ihrer Weltneuheit,<br />
die dem Trend der Getränkeindustrie<br />
zu Energy Drinky folgte, die größte<br />
Aufmerksamkeit. Mit diesen und einigen<br />
anderen neuen Produkten wendet sich<br />
die Firma an die jungen Konsumenten.<br />
Die süßen Kügelchen schafften es sogar<br />
ins Guinessbuch der Rekorde. Das berühmte<br />
Gemälde „Kaiserin Theodora mit<br />
Hofstaat“ in der Kirche San Vitale, Ravenna,<br />
aus dem 6. Jahrhundert wurde im<br />
Jahre 2000 vom Künstler Erhard Rommer<br />
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10<br />
Geschichte
Rudolf<br />
Süßwarenfabrik<br />
Hoinkes<br />
Hoinkis Görlitz<br />
aus Heilbronn mit 33.000 Liebesperlen<br />
nachgestaltet.<br />
Im heutigen Sortiment der Firma<br />
Hoinkis sind sowohl Industrieprodukte<br />
wie Kugeln, Linsen,<br />
Liebesperlen, Streusel und Nonpareilles<br />
enthalten, als auch<br />
Handelsprodukte, wie Sweet<br />
Cars. Travelmints, Mr. Trix Wundertüte,<br />
Trucks, Babyflaschen<br />
mit Liebesperlen (das wohl bekannteste<br />
Produkt), Fläschchen<br />
mit Colaperlen, Trompeten und<br />
Schirmchen zu finden, die allesamt<br />
mit den süßen Perlen gefüllt<br />
sind. Beliebt sind auch der<br />
3 D Magic-Springball sowie weitere<br />
für Kinder entwickelte Formen,<br />
die nach dem Genuss der<br />
Liebesperlen weiterhin als Spielzeug<br />
Verwendung finden. Unvermindert<br />
beliebt ist aber weiterhin<br />
die bekannte kleine Babyflasche<br />
mit den vielen bunten Perlen,<br />
und das nun schon seit über 100<br />
Jahren.<br />
Bertram Oertel, Görlitz<br />
Liebesperlenmosaik “Kaiserin Theodora”<br />
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Geschichte<br />
11
1090er<br />
Görlitzer Rückbesinnung<br />
Jahre<br />
auf Schlesien –<br />
Das waren turbulente Zeiten zwischen<br />
Zusammenbruch und Neubeginn in Görlitz<br />
in den frühen 1990er Jahren. Man<br />
suchte nach Ursachen, nach neuen Wegen,<br />
wollte die Zukunft der Stadt in einem<br />
vereinigten Deutschland sichern. Mit der<br />
Grenzziehung an Oder und Neiße hatten<br />
die Besatzungsmächte 1945 Tatsachen<br />
geschaffen, die Görlitz schwer trafen. In<br />
seiner verdienstvollen Veröffentlichung<br />
„Die Stadt der Vertriebenen - Görlitz<br />
1945-1953“ (Görlitz 2012) hat Markus<br />
Lammert die damalige Lage faktenreich<br />
und treffend dargestellt, darunter auch<br />
das Weiterleben schlesischer Traditionen<br />
im Alltagsbewußtsein der Bevölkerung.<br />
Leider gibt es bis heute keine<br />
unvoreingenommene wissenschaftliche<br />
Untersuchung und Veröffentlichung zu<br />
diesem Bereich der Stadtgeschichte in<br />
den frühen 1990er Jahren, als Görlitz<br />
auf ein Ende der Denkverbote hoffte.<br />
Die Siegermächte zwangen beide deutschen<br />
Regierungen, die Endgültigkeit<br />
der Ostgrenze anzuerkennen, obwohl<br />
das Potsdamer Abkommen von l945<br />
die verbindliche Festlegung durch einen<br />
Dr. Herbert Hupka (rechts) besichtigt die<br />
Baustelle Schönhof, 1993<br />
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12<br />
Geschichte
1090er<br />
Anfang der 1990er Jahre<br />
Schriftstellerin Rotraud Schöne (links) zu<br />
Besuch in Görlitz 1990<br />
Friedensvertrag vorsah, den es bis heute<br />
nicht gibt. Die 2 + 4 -Festlegungen von<br />
1990 können nicht ernsthaft als Ersatz<br />
dafür angesehen werden. Auch die im<br />
Grundgesetz vorgesehene gesamtdeutsche<br />
Verfassung nach der Vereinigung<br />
der Reststaaten Deutschlands steht immer<br />
noch aus. Die Sowjetunion wollte<br />
innerhalb ihres Herrschaftsbereichs keinen<br />
Grenzstreit; die DDR mußte 1950<br />
mit dem Görlitzer Abkommen die Grenze<br />
als endgültig anerkennen, damals noch<br />
unter Protest der Bundesrepublik. Auch<br />
die Regierungen der alten BRD mußten<br />
unter Brandt und Kohl, obwohl man<br />
nach 1945 noch die Grenzen von 1937<br />
gefordert hatte, die Oder-Neiße-Grenze<br />
akzeptieren. Denn die USA wollten Polen,<br />
den erhofften Vorposten im Kalten<br />
Krieg, nicht verprellen. Auch die Vertriebenenverbände<br />
wurden schrittweise<br />
zum Einlenken genötigt und im Weigerungsfalle<br />
mit Entzug von Fördermitteln<br />
bedroht. Die Görlitzer, darunter fast<br />
40% Heimatvertriebene und ihre Nachkommen,<br />
wollten nun 1990 durchaus<br />
keine Grenzrevision, aber immerhin ihre<br />
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Geschichte<br />
13
1090er<br />
Görlitzer Rückbesinnung<br />
Jahre<br />
auf Schlesien –<br />
regionale Eigenständigkeit innerhalb des<br />
neuen Freistaates Sachsen gewürdigt<br />
wissen. Zu lange waren sie als leistungsfähiger<br />
Industriestandort mit hohem<br />
Exportanteil willkommen gewesen, aber<br />
als Stiefkind an weitgehend geschlossener<br />
Grenze vernachlässigt worden. Von<br />
den jahrzehntelangen Einmischungen<br />
und Vorschriften der Dresdener Behörden<br />
hatte man die Nase voll. Man wollte<br />
als Partner, nicht als Untertan wahrgenommen<br />
werden. Das brachte Vertreter<br />
einer radikalen Unabhängigkeit auf den<br />
Plan. Es ging beiden Seiten trotz aller<br />
Wortklauberei kaum um Schlesien, sondern<br />
um Eigenständigkeit oder Unterordnung.<br />
Meine erhalten gebliebenen<br />
Terminkalender der frühen 1990er Jahre<br />
enthalten hunderte Ereignisse, die<br />
in außerordentlich konzentrierter Form<br />
den Wunsch nach einem Sonderweg<br />
bezeugen und eine widerspruchlose<br />
Vereinnahmung durch Sachsen ablehnen.<br />
Auch eine völlige Loslösung schien<br />
einigen denkbar. Als Stadthistoriker im<br />
städtischen Museum bekam ich nun im<br />
Auftrag der städtischen Behörden viel<br />
zu tun. Fast alle Ereignisse zum Thema<br />
„Görlitz und Schlesien“ erlebte ich<br />
als Augenzeuge und Referent mit, also<br />
nicht privat, sondern im städtischen<br />
Dienst. Ich gehörte zum (heute noch<br />
bestehenden) „Kuratorium Schlesische<br />
Lausitz“, das damals, teils mehrmals<br />
wöchentlich, zusammenkam, um Aktivitäten<br />
zu bündeln, mit vorzubereiten und<br />
mit zu gestalten. Aus der Bevölkerung<br />
heraus bildete sich aus vorwiegend jungen<br />
Mitgliedern die „Unabhängige Initiativgruppe<br />
Niederschlesien“ (UIN). Ihre<br />
öffentlichen Versammlungen bekamen<br />
viel Zulauf in immer größeren Räumlichkeiten,<br />
so am 21. März 1990 im Jugendklub<br />
Königshufen, am 25.April im<br />
Kulturhaus des Waggonbau hinter dem<br />
Kaufhaus und am 7. Juni im großen Saal<br />
der Stadthalle, wo ich jeweils zu historischen<br />
Zusammenhängen sprach. Die<br />
Leitung hatte der junge Arbeiter Detlef<br />
Rauh. Das Kuratorium traf sich regelmäßig<br />
in den Büros der Oberbürgermeister<br />
Eichberg und Lechner oder seines Präsidenten<br />
Franz Erward (Stadtverordnetenvorsteher).<br />
Dann kamen wir immer<br />
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14<br />
Geschichte
1090er<br />
Anfang der 1990er Jahre<br />
Talkrunde Niederschlesien beim “Tag der Sachsen” in Görlitz 1993<br />
in der Stadthalle zusammen, deren Direktor<br />
Jürgen Michel zu den wichtigsten<br />
Mitgliedern zählte und die Stadthalle<br />
(samt „Schlesischem Biergarten“) zum<br />
Zentrum der Schlesienaktivitäten machte.<br />
Bei der Kohl-Kundgebung am 26.<br />
September auf dem Obermarkt sprach<br />
der Bundeskanzler unter Jubel die Görlitzer<br />
als „seine lieben Niederschlesier“<br />
an, während der weiträumige Platz von<br />
zahlreichen weißgelben Schlesienfahnen<br />
umsäumt war. Ein zeittypischer „Runder<br />
Tisch“ im Rathaus befaßte sich am 19.<br />
April mit der Länderstruktur. Die UIN<br />
entsandte zwei Mitglieder in die neue<br />
Stadtverordnetenversammlung. Sie hat-<br />
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Geschichte<br />
15
1090er<br />
Görlitzer Rückbesinnung<br />
Jahre<br />
auf Schlesien –<br />
ten die Zielvorstellung, Görlitz mit seinem<br />
Umland zu einem selbstständigen<br />
Bundesland von der Größe des Saarlandes<br />
zu machen und von Sachsen loszulösen.<br />
Bei einem Besuch der SPD-Kanzlerkandidatin<br />
Anke Fuchs versuchten sie<br />
diese für den Plan zu interessieren. Unterstützung<br />
kam von der Kulturabteilung<br />
des Landratsamtes mit der Gründung<br />
eines „Schlesischen Kulturvereins“. Versammlungen<br />
und Kundgebungen trugen<br />
das Anliegen in die Umgebung, so<br />
nach Weißwasser, Rothenburg, Niesky<br />
und in die Kirchgemeinden Markersdorf<br />
und Kodersdorf sowie zur katholischen<br />
Jugend und zur Studentengemeinde.<br />
Bei Vorträgen im Haus Schlesien<br />
in Königswinter bei Bonn erreichte ich<br />
zahlreiche ehemalige Görlitzer. In Görlitz<br />
gab es lebhafte Diskussionen über<br />
Straßennamen. Am 30.0ktober gründete<br />
sich die Ortsgruppe der Schlesischen<br />
Jugend, und am 24 November erlebten<br />
und gestalteten wir ein gesamtdeutsches<br />
schlesisches Jugendtreffen in der<br />
Stadthalle. Dort sprach auch Professor<br />
Dr. Franz Scholz, Verfasser des „Görlitzer<br />
Tagebuches 1945/46“, aus dem er<br />
dann im Museum Neißstraße 30 las. Rotraud<br />
Schöne stellte bereits am 10. Februar<br />
im Deutschlandhaus in Berlin-West<br />
ihren neuen Roman „Schlesisches Himmelreich“<br />
vor und kam dann zu mehreren<br />
Lesungen nach Görlitz, Vertreter<br />
mehrerer Jugendorganisationen trafen<br />
sich bei mir zu Konsultationen zum<br />
Thema Schlesien (Junge Union, Jung-<br />
Sozialisten, Guttemplerjugend, Schlesische<br />
Jugend, Junge Republikaner).<br />
Sehr stark war das Medieninteresse an<br />
diesem neuen Phänomen., und man<br />
wurde häufig zu Interviews gebeten<br />
(Radio DDR, Deutschlandsender, ARD,<br />
ZDF, WDR, MDR, Süddeutscher Rundfunk,<br />
Deutsche Welle). Auch ausländische<br />
Interessenten kamen, so Christian<br />
Sciance Monitor (USA-Fernsehen), Morgemanisen<br />
(Dänemark) und TV Holland,<br />
dazu Zeitungen wie FAZ und Lausitzer<br />
Rundschau.<br />
Eine hochrangige Abordnung der Landsmannschaft<br />
Schlesien kam noch in der<br />
Endzeit der DDR nach Görlitz, um sich<br />
vor Ort zu informieren. Dazu gehörten<br />
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16 Geschichte
1090er<br />
Anfang der 1990er Jahre<br />
Dr.Klaus Ullmann, Direktor des Hauses<br />
Schlesien in Königswinter, Prinz von<br />
Schönaich-Carolath, der hochbetagte<br />
Fürst Hatzfeld und die Leitungsmitglieder<br />
der bundesweiten Schlesischen Jugend<br />
Koschyk und Leuschner. Vor dem<br />
Eintreffen der örtlichen Politprominenz<br />
durfte ich den Gästen einige Hintergründe<br />
der aktuellen Lage darlegen, um<br />
unsere Anliegen einzuordnen. Wenig<br />
später gab es mehrere dezente Informationsbesuche<br />
durch den Vorsitzenden<br />
der Landsmannschaft Dr. Herbert<br />
Hupka, den ich mehrmals zu längeren<br />
vertraulichen Gesprächen traf. Es ging<br />
dabei vor allem um Görlitzer Kulturgeschichte,<br />
die Beziehungen der Stadt zu<br />
Gerhart Hauptmann und um zeitgemäße<br />
Informationsformen. Vorher gab es<br />
eine Pressenotiz, es gebe den Plan, „am<br />
16.April in Görlitz ein revanchistisches<br />
Treffen der Schlesier unter Teilnahme<br />
des Chefs der Revanchistenverbände<br />
Herbert Hupka zu organisieren“. Das<br />
polnische Außenministerium habe dagegen<br />
protestiert, und zwar bei der neuen<br />
DDR-Regierung, die ihrerseits den Rat<br />
des Bezirkes beauftragte, das zu klären.<br />
Ich war dabei, als beim klärenden Gespräch<br />
mit den Dresdnern im Rathaus<br />
die Ente aufflog. Eines Tages klingelte<br />
der Prinz von Schönaich-Carolath an<br />
meiner Wohnungstür und schleppte zwei<br />
schwere Stoffballen aus seinem Auto<br />
hoch, eine Rolle weiß und die andere<br />
gelb. Fleißige Görlitzer Frauen nähten in<br />
Windeseile daraus Schlesienfahnen, die<br />
nun von zahlreichen Wohnungsfenstern<br />
wehten. Der neue Theaterintendant<br />
Wolf-Diether Ludwig, selbst gebürtiger<br />
Schlesier, ließ etliche Monate lang die<br />
Schlesierfahne über dem Theater wehen.<br />
In den folgenden Jahren setzten sich<br />
die Aktivitäten in verschiedenen Formen<br />
fort. Zu nennen wäre die Anhörung zur<br />
Sächsischen Verfassung in Chemnitz, in<br />
der auch Görlitzer Jugendliche auftraten<br />
(20. Juli 1991). Es gab Vorgespräche in<br />
Dresden in der Museumsverwaltung des<br />
Landes (Herr Duffé) und bei Staatssekretär<br />
Nowak über die Ansiedlung eines<br />
Schlesischen Museums in Görlitz am 12.<br />
<strong>August</strong> 1991. Zur Auswahl des Objekts<br />
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Geschichte<br />
17
1090er<br />
Görlitzer Rückbesinnung<br />
Jahre<br />
auf Schlesien –<br />
Regimentstreffen 1994, Kranzniederlegung<br />
zog ich mit Duffé durch Görlitz, um unter<br />
den vorgeschlagenen Gebäuden eines<br />
auszuwählen (Untermarkt, Biesnitzer<br />
frühere Hohenzollernburg, Schönhof).<br />
Die Wahl fiel auf das hochrangige Baudenkmal<br />
Schönhof, dessen umfassende<br />
Sanierung damit gesichert war, zumal<br />
Bund, Land, Stadt und Landsmann-<br />
schaft zu Trägern werden sollten. Unter<br />
den weiteren Höhepunkten wäre vieles<br />
zu nennen, darunter die Mundarttagung<br />
mit Erle Bach am 28. Mai 1993, eine<br />
Talkshow im MDR-Fernsehen am 27. Juli<br />
1993 und eine MDR-Talkrunde zum Tag<br />
der Sachsen in Görlitz („Niederschlesien<br />
oder Ostsachsen?“) am 4. September<br />
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18<br />
Geschichte
1090er<br />
Anfang der 1990er Jahre<br />
1993. Das Regimentstreffen des ehemaligen<br />
Infanterie-Regimentes 30 Görlitz-Lauban<br />
am 29.5.1994 enthüllte die<br />
restaurierte Gedenkstele am Ständehaus<br />
mit den hinzugefügten Namen der<br />
ehemaligen Garnisonsorte der schlesischen<br />
18. Infanteria-Division. Es folgten<br />
die Bildung eines Gründungskreises für<br />
die Wiederaufnahme der Schlesischen<br />
Musikfeste am 28.Juli 1994, das Symposium<br />
„Kulturpflege in Schlesien“ am<br />
26.März 1994 mit dem Hauptreferat<br />
von Professor Dr. Menzel, Mainz, und<br />
das Treffen der Schlesischen Genossenschaft<br />
der Johanniter im Wichernhaus<br />
am 26.5.1995.<br />
Am Rande dieser Entwicklung gab es<br />
auch heftige Störversuche. Sie reichten<br />
von primitiven Pöbeleien über ganzseitige<br />
Pressebeiträge bis zu hemmungslosen<br />
Haßausbrüchen in Streitgesprächen.<br />
Schlesien war dabei nur ein Vorwand. In<br />
Wirklichkeit ging es um die Befürchtung,<br />
Sachsen könne an Territorium einbüßen.<br />
In Kalkreuth bildete sich ein „Kuratorium<br />
unteilbares Sachsen, Unabhängige<br />
Initiativgruppe Wiedervereinigung aller<br />
ehemals sächsischen Gebiete“ mit Eingaben<br />
an den Sächsischen Landtag. Die<br />
Historische Kommission der Sächsischen<br />
Akademie der Wissenschaften sammelte<br />
Stellungnahmen einzelner Mitglieder,<br />
in denen es von ideologischen Entgleisungen<br />
nur so wimmelte („preußischer<br />
Imperialismus“, „Wiener Diktatfrieden“,<br />
„Wiedervereinigung mit dem sächsischen<br />
Stammland“) Aber darauf und auf<br />
andere immer wieder verbreitete Entstellungen<br />
historischer Zusammenhänge<br />
müsste bei nächster Gelegenheit eingegangen<br />
werden. Die „Schlesienwelle“<br />
Anfang der 1990er Jahre mag eine Episode<br />
gewesen sein. Vergessen werden<br />
sollte sie nicht. Noch erinnern in Görlitz<br />
„Schlesisches Museum“, „Schlesische<br />
Straße“, „Schlesischer Tippelmarkt“ und<br />
„Schlesischer Christkindelmarkt“ daran,<br />
das Viertel mit den Straßennamen nach<br />
schlesischen Dichtern sowieso. Der Umgang<br />
damit verlangt Sachlichkeit, Kenntnisse<br />
und Heimattreue.<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
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Geschichte<br />
19
Kurt Junge<br />
Junge<br />
starb vor 20 Jahren –<br />
Kurt Junge (1910 - 1996)<br />
Es sind jetzt 20 Jahre her, dass der Görlitzer<br />
Mundartschriftsteller Kurt Junge in<br />
Görlitz für immer seine Augen schloss.<br />
Geboren ist er am 19. März 1910 in seiner<br />
Heimatstadt Görlitz. Seine Eltern<br />
stammten aus Dörfern der Umgebung,<br />
sein Vater aus Ebersbach und seine<br />
Mutter aus Holtendorf. Gelernt hat er<br />
den Beruf eines Drehers, den er bis zu<br />
seiner Berentung im Jahre 1975 ausgeübt<br />
hat. Mit seiner Frau Lotte lebte er<br />
bis zu seinem Tode im Jahre 1996 in<br />
Görlitz.<br />
Wir wissen, dass Kurt Junge am 9. <strong>August</strong><br />
1996 verstorben und auf einem<br />
anonymen Urnenfeld in Görlitz beigesetzt<br />
worden ist. Der Arbeitskreis „Archiv<br />
für schlesische Mundart“ ist nach<br />
der sogenannten politischen Wende<br />
auf Kurt Junge aufmerksam geworden,<br />
und man plante eine Mundarttagung in<br />
Görlitz. Für diese „Mundartschnuppertagung“,<br />
man wollte vor Ort den schlesischen<br />
Sprachenlaut wieder einmal in<br />
Original im Ohr hören, wurde auch Kurt<br />
Junge mit seiner Frau eingeladen. Ich<br />
darf vorweg nehmen, das Pfingsttreffen<br />
war sehr erfolgreich, und es entwickelte<br />
sich eine Freundschaft zwischen<br />
dem Dichter, der er nicht sein wollte,<br />
und dem Schreiber dieser Zeilen. ln<br />
einem seiner Briefe schrieb mir Kurt<br />
Junge. „lch bin von Beruf Dreher, also<br />
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20 Geschichte
Kurt<br />
als Görlitzer<br />
Junge<br />
Mundartschriftsteller<br />
Arbeiter, bin Görlitzer, und meine Eltern<br />
stammen vum Durfe. Früher waren die<br />
verwandschaftlichen Bindungen enger<br />
als heute, doch trafen wir uns häufig.<br />
Als Schuljunge fand ich Gefallen an die<br />
„Schnaken“ der Runde und schrieb sie<br />
auf. Mundart war für mich ein wertvoller<br />
Teil meines Lebens, und Mitte der fünfziger<br />
Jahre fasste ich den Entschluß,<br />
meine Aufzeichnungen als Buch herauszubringen“.<br />
Kurt Junge hat Kurzgeschichten<br />
in der Oberlausitzer Mundart<br />
geschrieben, die er neben seiner Tätigkeit<br />
als Dreher aufgegriffen hatte. Für<br />
Gedichte hatte er keinen Zugang. So<br />
waren für viele seine Geschichten, bis<br />
auf seine Kurzgeschichten, zu lang und<br />
ausführlich. Seine Vorlesungen, u.a. in<br />
den Krankenhäusern zu Görlitz und Umgebung,<br />
brachten ihm in Mundart aber<br />
große Erfolge ein. „Bald schon wurde<br />
ich ermahnt, politisch zu schreiben, weil<br />
man mit mir mundartlich nicht zufrieden<br />
war“, berichtete Junge einmal. Als<br />
er der Mundart treu blieb, war es das<br />
„Aus“ in dem DDR-Schriftsteller-Bereich,<br />
äußerte er sich einmal im kleinen Kreis.<br />
Vor der Wende passierte für Kurt Junge<br />
noch einiges. Die Cambridge Universität<br />
hatte ihm eine Menge Fragen gestellt.<br />
Er fragte für die Beantwortung beim Ministerium<br />
an und bekam „Grünes Licht“.<br />
Trotz mehrmaliger Einschreiben kam<br />
die Post nie in England an, und so war<br />
klar, dass die Briefe abgefangen waren,<br />
ebenso der Briefwechsel mit der Universität<br />
Bonn. Trotzdem wurde dem Mundartschriftsteller<br />
eine besondere Ehrung<br />
zuteil. Er durfte die Verdiensturkunde<br />
der italienischen Universität Salsomaggiore<br />
in Empfang nehmen. Lassen wir<br />
aber noch einmal Kurt Junges Werke<br />
sprechen. Seine Geschichten handeln<br />
von alltäglichen Begebenheiten. Ob<br />
vom morgendlichen Aufstehen, Kirmes<br />
oder alltäglichen Nicklichkeiten, aber<br />
immer versehen mit dem schlesischen<br />
Humor und seinen Spitzfindigkeiten<br />
wie z. B. mit den Paternosterfahrten im<br />
Görlitzer Rathaus. Er sagte immer „lich<br />
wiil Freede bringa, wo Freude besonders<br />
gebraucht wird“, und so möchte<br />
er es auch in seinen Büchern rüberbringen.<br />
Sein erstes Buch unter dem Titel<br />
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Geschichte<br />
21
Kurt Junge<br />
Junge<br />
starb vor 20 Jahren<br />
Sammelband Viaduktverlag 1995<br />
„Wie‘s de Goarbe gibt‘ erschien 1959<br />
im Hofmeisterverlag Leipzig in einer<br />
Erstausgabe in Kleinstauflage. Es folgten<br />
weitere Neuauflagen, teilweise mit<br />
gleichen Geschichten und unterschiedlichen<br />
Herausgebern. Erst im März 1992<br />
kamen die inzwischen vergriffenen Bücher<br />
als Neuauflage in stark veränderten<br />
Inhalten im Sachsenbuch-Verlag<br />
neu heraus. An einem weiteren Buch<br />
arbeitete Kurt Junge viele Jahre. Sein<br />
Verleger, der Sachsenbuch-Verlag, der<br />
das Manuskript bereits hatte und nicht<br />
drucken wollte, weigerte sich, dieses<br />
wieder herauszugeben. So zog es sich<br />
hin, bis endlich der Viadukt-Verlag Görlitz<br />
im Jahre 1995 sein zweites Buch unter<br />
dem Titel „Kratschmers Frieder uf‘n<br />
Moaskenboail“ auf den Markt bringen<br />
konnte.<br />
Am 6. Dezember 1995 wurde er wieder<br />
ins Krankenhaus eingewiesen, erholte<br />
sich aber nicht von diesem Aufenthalt<br />
und schloss am 9. <strong>August</strong> 1996 für<br />
immer seine Augen. Es ist zu hoffen,<br />
dass ihm seine Vaterstadt ein würdiges<br />
Denkmal setzt.<br />
Friedrich-Wilhelm Preuß;<br />
Leiter des Arbeitskreises<br />
„Archiv für schlesische Mundart“<br />
in Baden Würtemberg<br />
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22 Geschichte
Stadthallengarten<br />
Im Garten der Görlitzer Konzertpause 1911<br />
In über 100 Jahren ist in dem Bereich zwischen<br />
Stadthalle, Neißeufer und Stadtpark<br />
viel geschehen. Man könnte sicherlich ein<br />
kurzweiliges Buch darüber schreiben. Vor<br />
allem war die Stadthalle mit großem Saal<br />
und Kammermusiksaal/ Bankettsaal für die<br />
Schlesischen Musikfeste an andere Konzertveranstaltungen<br />
gedacht, dann auch<br />
für Kongresse, Vereinsvergnügen, Sportvorführungen<br />
und Massenkundgebungen.<br />
Die Gaststätte sollte die Saalgäste betreuen.<br />
Der Garten war anfangs vorrangig<br />
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Geschichte<br />
23
Stadthallengarten<br />
Im Garten der Görlitzer –<br />
einem lebhaften Eigenbetrieb. Im Garten<br />
wurden nun Tische, Stühle und Laternen<br />
aufgestellt, und an den Nachmittagen und<br />
Wochenenden kamen Familien mit Kindern<br />
Auftritt der Gruppe RENFT 2015<br />
zum Promenieren in den Konzertpausen<br />
gedacht. Dort gab es Blumenbeete und<br />
eine Konzertmuschel. Fotos von den Musikfesten<br />
1911 und 1913 zeigen sich begegnende<br />
lange Reihen festlich gekleideter<br />
Damen und Herrn, die sich offensichtlich<br />
ihre teuren Roben gegenseitig vorführen<br />
wollten und dafür anerkennende oder hämische<br />
Kommentare kassierten. In den<br />
zwei Jahrzehnten zwischen den Weltkriegen<br />
entwickelte sich die Gaststätte auch<br />
zwischen den Saalveranstaltungen mit<br />
sowie Gäste von auswärts, vor allem in den<br />
Ferienwochen oder an Feiertagen. Kaffeetrinken<br />
im Stadthallengarten war auch bei<br />
Damenkränzchen angesagt. Bald war statt<br />
der Blumenbeete auch eine Tanzfläche<br />
angelegt, die vor allem jüngere Leute an<br />
Sommerabenden und Wochenenden zum<br />
Ausprobieren der alten und modernen<br />
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24<br />
Geschichte
Stadthallengarten<br />
Einst und wieder beliebter Treffpunkt<br />
Tänze anlockte (Walzer, Rheinländer, Fox,<br />
langsamer Walzer und Tango). So manche<br />
Ehe bahnte sich hier an. Einheimische<br />
Tanzkapellen spielten dazu auf, ab und zu<br />
auch Gastensembles. Auch dezente Unterhaltungsmusik<br />
war gefragt, mitunter<br />
auch von der hiesigen Regimentskapelle.<br />
Links hinter dem Garteneingang befand<br />
sich eine ovale Brunnenschale mit einer<br />
auf einem Sockel ruhenden Frauenfigur,<br />
die Musik darstellend. Unter ungeklärten<br />
Umständen verschwand das Kunstwerk<br />
irgendwann; ein Farbdia von Fotograf Alfred<br />
Jäschke etwa 1938 ist die letzte Spur.<br />
Das Werk stammte, ebenso wie eine Büste<br />
von Graf Hochberg im Rangfoyer, von<br />
dem jüdischen Bildhauer Richard Engelmann.<br />
Die weitverzweigte schlesische<br />
Großunternehmer-Familie von Hochberg<br />
wurde wegen ihrer Verbindungen nach<br />
England während des Krieges verfolgt.<br />
Die Büste verschwand aus der Stadthalle<br />
ebenso wie der Name Hochbergstraße<br />
für den Bereich zwischen Stadthallengarten<br />
und Neißeufer. Der Stadthallengarten<br />
tauchte dann auf einem Plakat auf, das<br />
zu einem Kinderfest einlud; nur 12 Tage<br />
nach Kriegsende wurden dort vom sowjetischen<br />
Stadtkommandanten und vom<br />
Magistrat (Stadträtin Dreyer) Kinder und<br />
Eltern betreut, und einige damalige Teilnehmer<br />
leben noch unter uns. Bald jedoch<br />
lagerten hinter der Stadthalle und auf den<br />
Wiesen im Stadtpark tausende Heimatvertriebene,<br />
die eine neue Bleibe suchten.<br />
Daran erinnert ein erschütternder Augenzeugenbericht<br />
des Penziger Glasgestalters<br />
Richard Süßmuth. In den Nachkriegsjahrzehnten<br />
wurde der Stadthallengarten wieder<br />
durch den Gaststättenbetrieb betreut<br />
und war beliebter Treffpunkt der tanzfreudigen<br />
Jugend. Der 100. Geburtstag der<br />
Stadthalle mußte dann mit dem Garten als<br />
Festort auskommen, weil das Haus selbst<br />
schon geschlossen war. Der Förderverein<br />
Stadthalle Görlitz kümmert sich seitdem<br />
im ehrenamtlichen Einsatz um den Garten.<br />
Schrittweise wird er schon mit gutem<br />
Erfolg genutzt. Das diesjährige Sommertheater<br />
setzte dafür ein zuversichtlich<br />
stimmendes Zeichen an die Zauderer im<br />
Rathaus und belebt das Bürgergespräch<br />
über die Zukunft der Stadthalle.<br />
Dr. Ernst Kretzschmar,<br />
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Geschichte<br />
25
Sonderausstellung<br />
Barockes Glas Schlesien –<br />
Anzeige<br />
An<br />
In den Glashütten des Riesengebirges<br />
entstanden einst gläserne Kunstwerke,<br />
die bis heute mit ihrer Feinheit, dem<br />
Detailreichtum und der Motivvielfalt die<br />
Menschen faszinieren. Ihr ästhetischer<br />
Reiz, aber auch ihre wirtschaftliche Bedeutung<br />
für Schlesien im 17. und 18.<br />
Jahrhundert sind Anlass, ihnen eine Ausstellung<br />
zu widmen. In einer gemeinsam<br />
erarbeiteten Präsentation zeigen das<br />
Muzeum Karkonoskie w Jeleniej Górze<br />
(Riesengebirgsmuseum Hirschberg) und<br />
das Schlesische Museum zu Görlitz ihre<br />
wertvollen Bestände, ergänzt um Leihgaben<br />
aus weiteren polnischen Museen<br />
und deutschen Sammlungen. Die üppige<br />
Schau wurde zunächst in Hirschberg gezeigt<br />
und ist nun vom 20. <strong>August</strong> bis 20.<br />
November <strong>2016</strong> im Görlitzer Schönhof zu<br />
sehen.<br />
Im Raum Hirschberg entstand bis 1700<br />
Fotos: Seite 28 und Seite 29<br />
Becher mit Bacchantenzug, Schreiberhau, Preussler<br />
Glashütte Weißbach, Schnitt Friedrich Winter,<br />
Hermsdorf, um 1700<br />
© Foto: Arkadiusz Podstawka, SMG<br />
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26<br />
Sonderausstellung
ge<br />
Anzeige<br />
Sonderausstellung<br />
Schlesisches Museum zu Görlitz<br />
ein Zentrum der Glasproduktion und der<br />
Glasveredlung von europäischem Rang.<br />
Die Erzeugnisse zeichnen sich durch<br />
aufwändige Schliffe und Schnitte aus,<br />
die von den zahlreichen Edelstein- und<br />
Glasschneidern mit hoher Kunstfertigkeit<br />
gearbeitet wurden. Großen Einfluss auf<br />
die Entwicklung hatten die Grafen Schaffgotsch<br />
als Territorialherren und Auftraggeber.<br />
Andere Abnehmer waren Adlige in<br />
Schlesien, Böhmen und Österreich sowie<br />
Hirschberger Kaufleute, die durch den<br />
Handel mit Leinen und Spitzen zu großem<br />
Reichtum gelangt waren.<br />
Die Motive der Gläser sind vielfältig. Für<br />
adelige Kunden wurden Wappen auf die<br />
Wandung der Gläser geschliffen. Genreund<br />
Jagdszenen zeigen die Vergnügungen<br />
der Adligen und des Hirschberger<br />
Geldadels. Der Zeit entsprechend sind<br />
auch allegorische und mythologische<br />
Szenen recht häufig anzutreffen. Sehr<br />
populär waren außerdem Orts- und<br />
Landschaftsdarstellungen: Neben An-<br />
anzeige<br />
Sonderausstellung<br />
27
Sonderausstellung<br />
Barockes Glas Schlesien –<br />
Anzeige<br />
An<br />
sichten von Breslau werden Hirschberg,<br />
Warmbrunn und das Panorama des Riesengebirges<br />
mit der Schneekoppe immer<br />
wieder dargestellt. Eine weitere wichtige<br />
Motivgruppe bilden die Handels- und<br />
Kaufmannsmotive.<br />
Bis heute beeindrucken besonders die<br />
Gläser aus der Werkstatt und dem Umkreis<br />
von Friedrich Winter (1652–1708),<br />
der einen eigenen Stil entwickelte und<br />
höchste Qualität erreichte. Hervorzuheben<br />
ist ebenso Christian Gottfried Schneider<br />
(1710–1772) aus Warmbrunn, von<br />
dem zahlreiche gläserne Werke erhalten<br />
sind.<br />
Die Ausstellung und der Katalog vereinen<br />
über 150 Gläser aus der Zeit von 1617<br />
bis 1800. Erstmals dokumentieren ein<br />
Fotos: Seite 30 und Seite 31<br />
Pokal mit Landschaftspanorama, Schreiberhau,<br />
Preußler Glashütte Weißbach, um 1760,<br />
Leihgabe der Ernst von<br />
Siemens Stiftung an SMG<br />
(Sammlung Zoedler)<br />
© Foto: Arkadiusz Podstawka, SMG<br />
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28<br />
Sonderausstellung
ge<br />
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Sonderausstellung<br />
Schlesisches Museum zu Görlitz<br />
polnisches und ein deutsches Museum<br />
gemeinsam in einer Publikation einen bestimmten<br />
Teil ihrer Bestände. Zu diesem<br />
Zweck wurden von sämtlichen Exponaten<br />
hochwertige Fotoaufnahmen gefertigt. Es<br />
entstanden zahlreiche faszinierende Panoramaufnahmen<br />
von einzelnen Gläsern,<br />
die aus 35 Einzelaufnahmen zusammengesetzt<br />
sind. Sie ermöglichen eine Rundumansicht<br />
der vielfältigen, detaillierten<br />
Schliff- und Schnittdekore und lassen so<br />
die Darstellungen weit besser erkennen,<br />
als es bisher bei Abbildungen von Gläsern<br />
möglich war. Diese Fotos können auch in<br />
Medienstationen der Ausstellung bewundert<br />
werden.<br />
Gefördert wird das Gesamtprojekt von<br />
der Beauftragten der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien aufgrund eines<br />
Beschlusses des Deutschen Bundestages,<br />
dem Sächsischen Staatsministerium<br />
für Wissenschaft und Kunst, dem Sächsischen<br />
Staatsministerium des Innern,<br />
der Ernst von Siemens Kunststiftung und<br />
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Sonderausstellung<br />
29
Sonderausstellung<br />
Barockes Glas Schlesien<br />
Anzeige<br />
Barocke Glaskunstwerke, Foto: © Foto: Arkadiusz Podstawka, SMG<br />
der Kulturreferentin für Schlesien, auf<br />
polnischer Seite von der Stadt Szklarska<br />
Poręba, Tauron Dystrybucja S.A. und Zamek<br />
Karpniki.<br />
Schlesisches Museum zu Görlitz<br />
Dr. Martin Kügler<br />
Der zweisprachige Katalog<br />
(deutsch-polnisch) für 17,00 € ist<br />
im Museumsladen erhältlich.<br />
Termine:<br />
19.8., 19.00 Uhr, Ausstellungseröffnung<br />
7.9., 15.00 Uhr, „Barockes Glas“ in der Reihe<br />
„Kaffee & Kultur – natürlich schlesisch“<br />
8.10. Aktionstag „Barockes Glas“ mit<br />
Glaswerkstatt und Führungen (SZ-Card-Tag),<br />
öffentliche Führungen auch am 21.8., 31.10. und<br />
20.11., jeweils 15.00 Uhr<br />
Schlesisches Museum zu Görlitz<br />
Schönhof, Brüderstraße 8<br />
www.schlesisches-museum.de<br />
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30<br />
Sonderausstellung
ge<br />
Heimattreue<br />
Jugend gestaltet Veranstaltungsfolge<br />
Im Januar dieses Jahres<br />
entstand bei einer Tischrunde<br />
die Idee, mit einer<br />
regelmäßigen Folge von<br />
Vorträgen, Führungen<br />
und Gesprächen Kenntnisse<br />
über unsere Heimatgeschichte<br />
auf lebendige<br />
und volkstümliche<br />
Weise zu vermitteln. Als<br />
Zuhörer und Mitgestalter<br />
sollten Alt-Görlitzer und<br />
Neubürger, Menschen aus<br />
der umliegenden Region,<br />
insbesondere aber auch<br />
Jugendliche gewonnen<br />
werden. Auch an Besucher<br />
der Stadt war gedacht. Im<br />
Mittelpunkt sollten Ereignisse<br />
und Persönlichkeiten<br />
unserer Regionalgeschichte,<br />
Bauwerke, Stadtviertel<br />
stehen, auch heimatliches<br />
Brauchtum und kulturelle<br />
Leistungen der Vergangenheit.<br />
Diese fröhliche Runde<br />
der Ideenfinder bestand<br />
Thema im März: Görlitzer Stadtwappen<br />
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Geschichte<br />
31
Heimattreue<br />
Jugend gestaltet Veranstaltungsfolge –<br />
Thema im April: Görlitzer Brücken<br />
aus mehr oder weniger bekannten<br />
Leuten aus Görlitz,<br />
neben Schülern einem<br />
Gebirgsschlesisch sprechenden<br />
Eisenbahnfreund,<br />
Stadtführern, einem Dichter<br />
und einem Historiker.<br />
Mit der Zeit nahm die Idee<br />
Form an unter dem Motto<br />
„Spaziergänge durch den<br />
Garten unserer Geschichte“.<br />
In der ersten Veranstaltung<br />
in der „Kochwerkstatt“<br />
am Demianiplatz<br />
ging es um Görlitz in seiner<br />
Urzeit, um die Görlitzer<br />
Stadtwappen und um die<br />
Görlitzer Eisenbahnanbindungen,<br />
wobei zahlreiche<br />
Bilddokumente verwendet<br />
wurden. Die zweite Veranstaltung<br />
am 15. April, zu<br />
der bereits 42 Besucher<br />
gezählt wurden, stellte<br />
die früheren Neißebrücken<br />
in Görlitz vor, und in dem<br />
dritten Treffen konnte man<br />
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32<br />
Geschichte
Heimattreue<br />
Görlitzer Stadtgeschich te im Gespräch<br />
Im Gespräch im Mai: Görlitzer Inflations-Notgeld<br />
sich über das Görlitzer Notgeld der Inflationsjahre<br />
informieren. Referenten waren<br />
St. Fabian Bonig, Oliver Rettig, Dr.<br />
Ernst Kretzschmar und Heinz Schnabel<br />
(Numismatischer Club Görlitz). Weitere<br />
Mitgestalter dieser Informations- und<br />
Diskussionsveranstaltungen sind immer<br />
willkommen. Gedacht ist dabei auch<br />
an Hobbyforscher zur Schulgeschichte,<br />
Handwerksgeschichte, Betriebsgeschichte,<br />
Sportgeschichte, Theatergeschichte,<br />
an Ortschronisten der Vororte<br />
und Dörfer, aber auch an Schüler, die<br />
in Form von Projektarbeiten regionalge-<br />
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Geschichte<br />
33
Heimattreue<br />
Jugend gestaltet Veranstaltungsfolge –<br />
Einer der Initiatoren: Robin Adam<br />
schichtliche Erkenntnisse sammelten,<br />
oder an Senioren, die Interessantes aus<br />
der Familiengeschichte berichten könnten.<br />
Dabei wissen wir, dass in uns als<br />
junge Generation große Erwartungen<br />
gesetzt werden. Wir sollen und wollen<br />
hier in der Heimat unsere Zukunft gestalten,<br />
Geschichte, Traditionen, Sprache<br />
und denkmalgeschütztes Erbe bewahren.<br />
Die Älteren sollen gewiß sein,<br />
daß ihr Erbe bei uns in guten Händen<br />
ist und weitergeführt wird. Gerade in<br />
diesen unruhigen Zeiten ist uns das<br />
wichtig. Ich weiß aus Erfahrung, daß<br />
Heimatkunde in den Grundschulen und<br />
Heimatbezug in den Oberschulen und<br />
Gymnasien heute viel zu kurz kommen,<br />
weil die Lehrpläne das kaum zulassen.<br />
Für die kommenden Monate gibt es bereits<br />
feste Vorstellungen für die weiteren<br />
Themen und Termine, jeweils freitags<br />
ab 18 Uhr. Am 19. <strong>August</strong> geht es um<br />
Görlitzer Gaststätten in früheren Zeiten,<br />
am 2. September um die Ankunft des<br />
Griechenkorps vor 100 Jahren, am 7.<br />
0ktober um die Zeppelinlandungen und<br />
Flugtage in Görlitz, am 11. November<br />
um Görlitz als Garnisionstadt und am<br />
16.12. um Weihnachten im alten Görlitz.<br />
Über die Örtlichkeiten wird rechtzeitig in<br />
der Presse informiert werden. Wir jun-<br />
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34 Geschichte
Heimattreue<br />
Görlitzer Stadtgeschich te im Gespräch<br />
Thema am 7. Oktober: Zeppeline über Görlitz (Foto:1930)<br />
gen Heimatfreunde wünschen uns, daß<br />
unsere Vorhaben von vielen Besuchern<br />
unserer Veranstaltungen mit Teilnahme<br />
und Themenvorschlägen unterstützt<br />
werden, unabhängig von Lebensalter,<br />
Vorbildung und politischer Ausrichtung,<br />
aber vereint in tätiger Heimatliebe.<br />
Wir freuen uns auf Ihren Besuch in<br />
den angekündigten Veranstaltungen<br />
und sind für weitere Themenhinweise<br />
dankbar.<br />
Robin Adam, Girbigsdorf<br />
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Geschichte<br />
35
Görlitzer<br />
Geschichten vom Görlitzer Stadtverkehr –<br />
Werbewagen, Seitenfront<br />
Werbewagen, Heckansicht<br />
Anders als von einzelnen Görlitzer<br />
Straßenbahnfans dargestellt, spielt die<br />
Städtepartnerschaft im öffentlichen Leben<br />
der Stadt Wiesbaden durchaus eine<br />
nicht unwichtige Rolle.<br />
Die Stadt Wiesbaden unterhält Partnerschaften<br />
zu 18 Städten (darunter<br />
Görlitz) und begeht <strong>2016</strong> das Jahr der<br />
Städtepartnerschaften mit einer Reihe<br />
unterschiedlicher Veranstaltungen. Seit<br />
einigen Wochen ist dies auch erkennbar<br />
durch eine an einem ESWE- Bus<br />
angebrachte Vollreklame. Der vorliegende<br />
Bilderbogen aber soll einen Blick<br />
auf die neue Busgeneration in Wiesbaden<br />
werfen. Seit 2012 werden Omnibusse<br />
angeschafft, die der Euronorm<br />
6 entsprechen. 2012 kamen zunächst<br />
drei Mercedes Citaro- Gelenkwagen<br />
(Nr. 120-122), denen zwei Jahre später<br />
mit den Nummern 128-142 weitere<br />
fünfzehn baugleiche Busse folgten. 2014<br />
begann die Beschaffung der Solo- Citaro-<br />
LE C 2 Euro 6 mit den Wagen 11 bis<br />
14, zu denen sich 2015 die Wagen 15-<br />
25 und <strong>2016</strong> die Wagen 26-46 gleicher<br />
Bauart gesellten. Schließlich ergänzten<br />
2015 die Lion City-MAN Gelenkzüge in<br />
Euro 6, Nr. 143-153 den Fuhrpark, denen<br />
<strong>2016</strong> noch die Nummern 354-357<br />
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36<br />
Geschichte
Görlitzer<br />
Neues aus der Partnerstadt<br />
Stadtverkehr<br />
Wiesbaden<br />
Neue LE vorn Nr. 30<br />
Nr. 121, Coulinstraße<br />
Wg.40 am Dernschen Gelände<br />
folgten. Seit 2014 sind nur noch Euro 6-<br />
Fahrzeuge neu angeschafft worden, und<br />
Wg.357 Luisenforum<br />
anstelle der deutlich teureren Solo- Citaro<br />
sind nur noch die LE- Fahrzeuge in<br />
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Geschichte<br />
37
Görlitzer<br />
Geschichten vom Görlitzer Stadtverkehr<br />
Wagen 20 am Römertor<br />
Wg. 152, Kirchgasse<br />
den Fuhrpark gekommen, welche über<br />
einen niederflurigen Vorderwagen und<br />
Wg. 36, Schwalbacher Straße<br />
einen konventionell aufgebauten Hinterwagen<br />
ab der mittleren Einstiegstür<br />
verfügen und deshalb nach hinten höher<br />
aufbauen. Inzwischen entsprechen<br />
bereits 69 der 244 ESWE- Linienbusse<br />
der Euro 6. Von den einst gebraucht aus<br />
Hamburg für die inzwischen nicht mehr<br />
existierende Wibus GmbH übernommenen<br />
Wagen sind nur noch die Gelenkzüge<br />
Nr. 587 und 588 vorhanden. Bis zur<br />
Ablösung aller ESWE- Busse durch Euro<br />
6- Fahrzeuge werden noch einige Jahre<br />
vergehen.<br />
Andreas Riedel, Wiesbaden<br />
(wird fortgesetzt)<br />
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Impressum:<br />
Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />
incaming media GmbH<br />
Geschäftsführer:<br />
Andreas Ch. de Morales Roque<br />
Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />
02826 Görlitz<br />
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Fax: (03581) 40 13 41<br />
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Mo. - Fr. von 9.00 bis 17.00 Uhr<br />
Druck:<br />
Graphische Werkstätten Zittau GmbH<br />
Verantw. Redakteur:<br />
Andreas Ch. de Morales Roque<br />
(Mitglied im Deutschen<br />
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Redaktion:<br />
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Dipl. - Ing. Eberhard Oertel,<br />
Dr. Ingrid Oertel<br />
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Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />
Mobil: 0174 - 31 93 525<br />
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Anzeigenschluss für die September-<br />
Ausgabe: 15. <strong>August</strong> <strong>2016</strong><br />
Redaktionsschluss: 20. <strong>August</strong> <strong>2016</strong><br />
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