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Travellers World Heft 60

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traVeLLer’s<br />

März 2023 - Mai 2023<br />

d 8,- € / a 9,- € / i 10,- € / L 9,50 € / e 10,- € / cH 15,50 sfr<br />

travellersworld.de<br />

in GOOd we trust<br />

California Dreamin’<br />

Auf der Traumstraße 101<br />

nördlich von San Francisco<br />

Das grüne Wunder<br />

Staunen im Naturparadies<br />

Costa Rica<br />

Trüffel, Wein, Oliven<br />

… und Milch und Honig<br />

fließen in Istrien auch<br />

Manhattan<br />

Transfer<br />

New Yorks beste alte und neue Adressen


Cyan Magenta Yellow Black


Cyan Magenta Yellow Black


check in<br />

In sechzig Ausgaben um die Welt<br />

Tosende Wasserfälle und tropische Regenwälder, knallbunte Aras, winzige Glasfrösche<br />

und gewaltige Buckelwale – die Ticos, die Einwohner Costa Ricas, sind stolz auf den<br />

Reichtum ihrer Natur. Das grüne Paradies zwischen Nicaragua und Panama ist aber auch<br />

ein Musterknabe in Sachen Nachhaltigkeit – und traumhafte Lodges, Tented Camps und<br />

Boutique-Resorts ziehen mit (ab Seite 24).<br />

Madonna, Jude Law, Meryl Streep, die Beckhams – die Liste der prominenten Fans von<br />

Apulien ist lang. Weil sie den italienischen Stiefelabsatz als Quelle puren Glücksgefühls erleben.<br />

Wer nicht gerade im Hochsommer kommt, genießt entspannten, mediterranen Lebensstil:<br />

800 teils spektakuläre Küstenkilometer, pittoreske weiße Dörfer, Felder mit tausendjährigen<br />

Olivenbäumen und eine Küche, die italienisch, aber doch ganz eigenständig ist (ab Seite 36).<br />

Wohnen wie Kennedy, Bob Dylan, Arthur Miller oder neuerdings wie ein Aman-Junkie?<br />

New York, nach der Pandemie lebendiger denn je, bietet für jede Klientel das passende Hotel.<br />

Den grandiosen Neueröffnungen im Big Apple stellen wir ab Seite 78 Hotel-Ikonen wie das<br />

The Carlyle oder das Chelsea gegenüber. Wobei der Vergleich nicht ganz fair ist. Für eine<br />

Nacht im Aman New York (2620 Euro) könnte man neunmal im Chelsea übernachten.<br />

Drei Reiseziele in einer Ausgabe, die die Jubiläums-Nummer <strong>60</strong> trägt. Seit 16 Jahren<br />

(ent)führt dieses Magazin seine Leser in Reportagen und opulenten Bildern, mit News und<br />

Tipps zu den schönsten Flecken dieser Erde. Entdeckt die exklusivsten Hotels, weist den Weg<br />

zu den entlegensten Hideaways, nimmt sie mit auf die schnittigsten Cruiseliner. Wir danken –<br />

gerade in Zeiten, in denen Magazine kräftig unter Druck stehen – allen Lesern, die uns über all<br />

die Jahre die Treue halten. Und allen, die Traveller’s <strong>World</strong> gerade schätzen lernen.<br />

Herzlich, Ihr<br />

Reinhard Modritz<br />

rm@travellersworld.de<br />

PS: Aktuelle News und die besten Storys aus vergangenen Ausgaben<br />

finden Sie auf unserer Website. Schauen Sie doch mal rein.<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

11


inside<br />

travel<br />

style<br />

24 Origins Luxury Lodge, Costa Rica<br />

24 La Pura Vida<br />

In Costa Rica tummelt sich –<br />

auf einer Fläche kleiner als<br />

Bayern – eine der größten Tiervielfalten<br />

der Welt. Und eine<br />

überschaubare Menge Besucher<br />

36 aPuLinaris<br />

Der italienische Stiefelabsatz ist<br />

eine Quelle puren mediterranen<br />

Ferienglücks, mit pittoresken<br />

Stränden, fantastischen Hotels<br />

und einer eigenständigen Küche<br />

46 One OH! One<br />

Die zweite Etappe auf dem Highway<br />

101, die Traumstraße des<br />

amerikanischen Westens, führt<br />

von der kalifornischen Grenze<br />

zur Golden Gate Bridge<br />

<strong>60</strong> ¡MaGnÍficO!<br />

Im schicksten Viertel der<br />

spanischen Metropole fasziniert<br />

das Rosewood Villa<br />

Magna als modernistische<br />

Stadtoase<br />

66 Lecces LicHtPaLast<br />

Eine Mailänderin hat einen<br />

Palast in der apulischen<br />

Barockstadt in ein erlesenes<br />

Design museum verwandelt<br />

72 Mitten iM Leben<br />

Zwei Schweizer Galeristen<br />

erweitern den Kunstbegriff<br />

auf Pubs, Hotels und die<br />

britische Countryside<br />

52 if YOu’re GOinG …<br />

… to San Francisco, you may<br />

leave the flowers behind. But in<br />

its mindblowing museums or<br />

outstanding restaurants, you will<br />

still meet some gentle people<br />

im Netz travellersworld.de<br />

Foto: Origins Luxury Lodge by Mantis<br />

12<br />

Traveller‘s <strong>World</strong>


inside<br />

stay<br />

new york<br />

36 Polignano, Apulien<br />

78 besucH der aLten daMe<br />

Die Geschichten aus dem<br />

Hotel Chelsea füllen Bände.<br />

Jetzt kommt die einer gelungenen<br />

Renovierung hinzu<br />

84 die institutiOn<br />

Promis wie George Clooney,<br />

Sofia Coppola oder Wes<br />

Anderson checken „Always<br />

at the Carlyle“ ein<br />

90 new kids in tOwn<br />

Clevere developer beziehen<br />

frische Betten. Wir haben<br />

uns vier aufregende neue<br />

Hotels angeschaut<br />

<strong>60</strong> Villa Magna, Madrid<br />

stay<br />

94 PerLbOOt<br />

Das Gehäuse dieses Kopffüßlers<br />

wurde in der Renaissance<br />

für Prunkgefäße genutzt.<br />

Sein Name jetzt für<br />

eines der schönsten Resorts<br />

der Malediven: The Nautilus<br />

100 dOMaines deLuxe<br />

„Überraschungen, Emotionen,<br />

Authentizität“ – mehr<br />

wollen die Schöpfer einer<br />

Gruppe individueller<br />

Retreats gar nicht erreichen<br />

106 in anderen sPHären<br />

Das Wellness-Retreat einer<br />

Investment-Bankerin auf<br />

dem Peloponnes stimmt<br />

einen ganz euphorisch<br />

taste<br />

112 essen Mit aussicHt<br />

Immer mehr Feinschmecker<br />

pilgern nach Istrien. Insider<br />

vergleichen das Potenzial<br />

der adriatischen Halbinsel<br />

mit der Toskana<br />

126 scHwarze MaGie<br />

Über das Talent des jungen<br />

Exil-Ivorers Mory Sacko<br />

spricht tout Paris. Und die<br />

Modewelt umschwärmt ihn<br />

Standards<br />

11 check in<br />

16 impressum<br />

130 check out<br />

Kennedy im Carlyle, 1962<br />

14 Traveller‘s <strong>World</strong><br />

100 Domaines de Fontenille<br />

112 Villa Meneghetti, Istrien<br />

Fotos: Luigi Vaccarella/Huber Images (1), Michael Hannwacker (1), Primard (1), Villa Meneghetti (1)


traVeLLer’s<br />

travellersworld.de<br />

Chefredakteur/ Reinhard Modritz<br />

Stv. Chefredakteur/ Dr. Michael Hannwacker<br />

Art Director/ Willi Marcel Müller<br />

Autoren/ Claudia Bette-Wenngatz, Patricia Bröhm, Stefan Elfenbein, Patricia Engelhorn, R.G. Falkner, Mathias Forster, Michael Hannwacker,<br />

Katharina Hesedenz, Charlotte Mann, Christine von Pahlen, Clara Silberstein<br />

Style Consultant/ Katharina Hesedenz<br />

Fotografen/ Guy Bourdin, Stefan Braun, Simon Brown, Felix Brueggemann, Sim Canetti-Clark, Katie Falkenberg, Fautre/Greg Lecoeur/Le Firago<br />

Magazine, Virginie Garnier, Michael Hannwacker, Aristide Mazzarella, Annie Schlechter, The Estate of David Gahr/getty immages<br />

Grafik/ Antje Bachmaier<br />

Illustrationen/ Kera Till, Chelsey McLaren<br />

Bildredaktion/ Birgitt Greim<br />

Schlussredaktion/ Achim Klede<br />

Postproduction/ Tini Van Ghemen, Lothar Hellmuth<br />

<strong>Travellers</strong>world.de/ Reinhold Zwiebler, Kristina Erhard<br />

Bildbearbeitung und Litho/ High-End dtp-Service Hellmuth<br />

Sales und Marketing/ Insa R. Bell<br />

Verlag/ TRAVELLER’S WORLD Verlag GmbH<br />

Adelgundenstraße 21<br />

80538 München<br />

Tel. +49.89.23 68-40 50<br />

Fax +49.89.23 68-40 <strong>60</strong><br />

info@travellersworld.de<br />

www.travellersworld.de<br />

Anzeigenleitung/ Siehe Verlag, Anzeigenpreisliste Nr. 14 vom 1. Januar 2019<br />

Anzeigen/ NIELSEN I, IIIb, IV, V, VI, VII: Anzeigenleitung Tel. 089.2368-4050 daten@travellersworld.de<br />

NIELSEN II: Medien.Service Ernst-Werner Hofmann Tel. 0211.66 20 50 hofmann_duesseldorf@t-online.de<br />

NIELSEN IIIa: Hofer Verlagsvertretungen Ingolf Hofer Tel. 069.78 70 26 79 ihofer@t-online.de<br />

Vertrieb/ IPS Pressevertrieb GmbH, Postfach 12 11, 53334 Meckenheim, ips-pressevertrieb.de<br />

Einzelpreis/ D: 8,- Euro, A: 9,- Euro, L: 9,50 Euro, I: 10,- Euro, E: 10,- Euro, CH: 15,50 SFR<br />

Abo-Bestellung beim Verlag, unter abo@travellersworld.de und www.travellersworld.de<br />

Druck/<br />

Mayr Miesbach GmbH<br />

V. i. S. d. P./ Reinhard Modritz<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Nachdruck,<br />

auch auszugsweise, bedarf der Zustimmung des Verlags.<br />

Cover: Illustration Kera Till,<br />

The Carlyle/ Assouline.com<br />

TRAVELLER’S WORLD<br />

finden Sie an folgenden<br />

exklusiven Plätzen:<br />

AN BOrD<br />

lUFTHaNsa First & Business<br />

lUFTHaNsa Private Jet / Frankfurt<br />

Ms europa 2<br />

sWIss / Zürich<br />

TUrKIsH Business<br />

LOuNges<br />

Ba / Berlin, München<br />

eMIraTes / DUS / FRA / MUC<br />

NeTJeT / MUC<br />

sWIss / Zürich<br />

vIP loUNGe / MUC / FRA / DUS<br />

stOres - MÜNCHeN<br />

BUCHerer<br />

erMeNeGIldo ZeGNa<br />

FeINKosT KÄFer<br />

KIToN<br />

HOteLs - DeutsCHLAND<br />

adloN KeMPINsKI, Berlin<br />

alTHoFF ColleCTIoN<br />

BaYerIsCHer HoF, München<br />

BreIdeNBaCHer, Düsseldorf<br />

BreNNers ParK-HoTel & sPa,<br />

Baden-Baden<br />

BÜloW PalaIs, Dresden<br />

HoTel de roMe, Berlin<br />

HoTel PalaCe, München<br />

KeMPINsKI aTlaNTIC, Hamburg<br />

KeMPINsKI BerCHTesGadeN<br />

KeMPINsKI TasCHeNBerG<br />

PalaIs, Dresden<br />

laNserHoF, Tegernsee<br />

MaNdarIN orIeNTal, München<br />

ParK HIlToN, München<br />

ParK-HoTel eGeNer HÖFe,<br />

Tegernsee<br />

GUT sTeINBaCH, Reit im Winkl<br />

soFITel, München<br />

THe CHarles, München<br />

vIlla KeNNedY, Frankfurt<br />

WeIsseNHaUs GraNd<br />

vIllaGe resorT & sPa, Ostsee<br />

HOteLs iNterNAtiONAL<br />

BaUr aU laC, Zürich<br />

CasTell soN ClareT, Mallorca<br />

GraNd HoTel KroNeNHoF,<br />

Pontresina<br />

FINCa CorTesIN, Marbella<br />

GraNd HoTel des BaINs<br />

KeMPINsKI, St. Moritz<br />

KaMeHa GraNd, Zürich<br />

KeMPINsKI HoTel das TIrol,<br />

Jochberg<br />

KeMPINsKI PalaIs HaNseN, Wien<br />

KUlM HoTel, St. Moritz<br />

laNserHoF, Tirol<br />

THe dolder GraNd, Zürich<br />

vIlla d’esTe, Lago di Como<br />

DiVers<br />

rIsToraNTe Gallo Nero,<br />

Hamburg<br />

16 Traveller‘s <strong>World</strong>


shorts<br />

Wenn die Gondeln Bauer tragen …<br />

… werden Objekte, die das Auktionshaus Artcurial binnen fünf Tagen versteigert<br />

hat, ihr bisheriges Heim verlassen. Das Hotel Bauer Palazzo am Canal<br />

Grande, Gastgeber unter anderem von Prinz Charles und Camilla, wird<br />

bis 2025 renoviert, die alte Ausstattung muss raus. Wenn die Taxen halten,<br />

könnten einzelne Positionen, wie die drei Bergères-Gondoles-Sessel auf<br />

unserem Bild, günstiger zugeschlagen werden, als die Nacht in dem<br />

ikonischen Hotel gekostet hat. 24. bis 29. April, Hotel Bauer Palazzo, artcurial.com<br />

L’été est là<br />

Für Louis Vuitton ist der Sommer schon da. Passend zu den lauen<br />

Nächten und strahlenden Tagen präsentiert das französische Modehaus<br />

die kultigen Modelle seiner Taiga Collection – darunter die<br />

Outdoor Messenger Tasche (1750 Euro), die Keepall 50B (2550 Euro)<br />

oder der Discovery Rucksack (2100 Euro) – in optimistischen Farben<br />

wie Neongelb, Miami­Grün und optischem Weiß. louisvuitton.com<br />

Fotos: Louis Vuitton, Hotel Bauer Palazzo, Artcurial<br />

Unter ferner riechen<br />

Das Duftkonzept<br />

Les Destinations entführt<br />

mit seinen Parfüms<br />

zu fernen Zielen. Etwa<br />

in den Oman (rechter<br />

Flakon) oder nach Costa<br />

Rica (links). Empfehlen<br />

wir als Begleitung zu<br />

unserer Destinationsgeschichte<br />

ab Seite 24.<br />

Je 50 ml, 120 euro, les-destinations.de<br />

18 Traveller‘s <strong>World</strong>


shorts<br />

Flacher fliegen<br />

Zwölf Jahre ist es her, dass die Airline mit dem Kranich ihre erste Klasse das<br />

letzte Mal überarbeitet hat. Nun will die Lufthansa Ende des Jahres mit<br />

ihrer neuen Allegris First Class an den Start gehen. Zunächst auf den Airbus<br />

A350 beschränkt, hat das Londoner Designbüro PriestmanGoode Suiten mit<br />

180 Zentimeter hohen Wänden, fast einen Meter breiten Sitzen, verschließbaren<br />

Türen und einem Esstisch entworfen, an dem der Passagier auch einen Gast<br />

empfangen kann. Fast schon ein Privatflugzeug. lufthansa.com<br />

Wasser und Wein<br />

Easy Rider<br />

Surfin’ USA? Nein, mit dem Fliteboard<br />

Ultra L auch gern am Bondi Beach. Dank<br />

einer extraleichten Lithiumbatterie wiegt<br />

das in Byron Bay an der Gold Coast konzipierte<br />

Ding nur 22,5 Kilo, ist mit seinen<br />

in maxi maler Nähe zum Mast platzierten<br />

Akkus schon für beginners erstaunlich leicht<br />

über die Wellen zu lenken und kann sich<br />

45 aufregende Minuten über Wasser halten.<br />

Um 12300 Euro, fliteboard.com<br />

Für die Oenophilen unter den Windjammer-Fans ist es seit Jahren ein Fixtermin.<br />

Auch in diesem Spätsommer startet die Sea Cloud II unter dem Motto „Wellen, Wein<br />

und Winzer” zu großer Fahrt. Diesmal wird hart am Wind und entlang der kroatischen<br />

und italienischen Adria gesegelt. Mit an Bord ist der Weinexperte und Publizist<br />

Eberhard Spangenberg von Garibaldi München. Vom 31. August bis 8. September<br />

besuchen die Bacchus-Jünger ausgewählte Winzer und können ihr Wissen bei<br />

Weinproben an Bord vertiefen. Nach einem Besuch im idyllischen Trani lichtet der<br />

elegante Dreimaster in Bari die Anker und segelt über die Bucht von Kotor, Dubrovnik,<br />

Split, Zadar und Ravenna bis nach Venedig. Salute! buchung@garibaldi.de<br />

Alpenklassiker<br />

Die eine Voraussetzung: ein Automobil mit<br />

Baujahr vor 1975 (das man sich zur Not<br />

für die Südtirol Classic Schenna auch leihen<br />

kann). Die zweite: Bombenwetter, dass die<br />

300-Sonnentage-im-Jahr-Region allerdings<br />

nahezu garantieren kann. Aussichtsreiche<br />

Etappen führen hinauf aufs aussichtsreiche<br />

Sellajoch in den Dolomiten oder entlang<br />

der Südtiroler Weinstraße. Nicht umsonst<br />

freuen sich regelmäßige Teilnehmer auf<br />

eine der renommiertesten Oldtimer-Rallyes<br />

im Alpenraum. Teilnahme ab 2300 Euro,<br />

2. bis 9. Juli, suedtirolclassic.com<br />

Foto: Südtirol Classic Schenna/Klaus Peterlin<br />

20 Traveller‘s <strong>World</strong>


shorts<br />

Weiter, Bildung!<br />

Eine großartige Ausstellung ist ein ausgezeichneter Anlass für<br />

eine Reise. In den nächsten Wochen zum Beispiel diese drei:<br />

Drei Tage nur hat es gedauert, da waren die 450 000 Tickets ausverkauft.<br />

Kunstfreunde aus aller Welt wollten die einmalige Gelegenheit nicht versäumen,<br />

28 der nur 37 bekannten Gemälde Jan Vermeers zusammenzusehen,<br />

die das Rijksmuseum (bis 4. Juni, rijksmuseum.nl) in Amsterdam<br />

in seiner Jahrhundertausstellung versammelt hat. Wer leer ausgegangen<br />

ist, hofft auf die guten Verbindungen eines Spitzenhotels wie des Conservatorium<br />

(thesetcollection.com), eines von nur drei Häusern (die anderen<br />

beiden stehen in London und Paris) der exklusiven Set Collection.<br />

Keine Frage, Rovereto zählt nicht zu den bedeutendsten Kunststädten<br />

Italiens. Einen Zwischenstopp aber rechtfertigt das vom Tessiner<br />

Stararchitekten Mario Botta konzipierte Museo d’arte moderna e contemporanea<br />

MART (bis 18. Juni, mart.tn.it) in diesem Frühling mit einer<br />

Konfrontation des österreichischen Jugendstilmeisters Gustav Klimt mit<br />

italienischen Antipoden wie Felice Casorati oder Vittorio Zecchin. Und<br />

wegen der Küche des Lokalmatadors Alfio Ghezzi im Museumsrestaurant „Senso“.<br />

Auch nach Norditalien, aber in eine ganz andere<br />

Epoche, führen die Fotografien von Guy Bourdin<br />

(1928–1991) in den Armani Silos (bis 31. August,<br />

armanisilos.com) in Mailand. Der grellfarbige, cinematografische<br />

Ansatz des als Luftfotograf<br />

bei der französischen Armee in Senegal<br />

gestarteten, früh von der französischen<br />

„Vogue“ entdeckten Talents macht ihn<br />

zu einem frühen Geistesverwandten<br />

Helmut Newtons. „Bourdin ist nicht<br />

der Masse gefolgt und hat keine Kompromisse<br />

gemacht, und damit kann<br />

ich mich identifizieren“, kommentiert<br />

Gior gio Armani. „Ich glaube nicht,<br />

dass es einen anderen Weg gibt, um<br />

der kollektiven Vorstellungskraft einen<br />

Stempel aufzudrücken.“<br />

Fotos: Jan Vermeer: Girl with a Pearl Earring, Mauritshuis, The Hague (1), Gustav Klimt, Giuditta II, 1909 © Fondazione Musei Civici di Venezia, Galleria Internazionale d’ Àrte Moderna di Ca`Pesaro (1), MART ©Christian Kerber (1), Charles Jourdan, 1972 ©The Guy Bourdin Estate (1)<br />

22 Traveller‘s <strong>World</strong>


travel<br />

Aufsteiger<br />

Wer kann, leistet sich eine Masseria<br />

in apulien. viele andere machen<br />

zumindest Urlaub dort. ab Seite 36<br />

reich und schön<br />

Besuch in Costa Rica, das<br />

Paradies Mittelamerikas<br />

rocking down the Highway<br />

Von Norden Richtung<br />

San Francisco, auf dem<br />

grandiosen 101<br />

Foto: Masseria Torre Coccaro<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

23


costa rica<br />

26 Traveller‘s <strong>World</strong>


freier BliCK, freier KOPf Die wildromantische Origins luxury lodge<br />

by Mantis an einem Berghang im norden von Costa rica bietet nicht nur<br />

von den resorteigenen Pferden Panoramablicke hinüber nach nicaragua.<br />

Der nauyaca-Wasserfall bei Uvita fällt freie 45 Meter<br />

Text KaTharina hesedenz<br />

der Tag ist jung, die Stimmung entrückt, die Lage unwirklich schön. Vor meinen<br />

Füßen fallen bewaldete Berghänge steil ab ins Meer. Die Villa im costa-ricanischen<br />

Hotel Kurà (ab 7<strong>60</strong> Euro, kuracostarica.com) bietet einen Blick, für den man sonst<br />

in einen Heißluftballon steigen muss. Kurà bedeutet in der Sprache des indigenen<br />

Boruca-Volkes Jaguar und verkörpert den Lebenstraum eines einheimischen Biologen- und<br />

Architektenpaares. Alejandra Umana und Martin Wells haben das Haupthaus und acht Minimal-<br />

Chic-Glasvillen so schwebend leicht in der Wildnis platziert, dass sich ein Gefühl von Unwirklichkeit<br />

einstellt. Als jetzt auch noch zwei ausgewachsene Scharlacharas mit Regenbogenschweifen vorüberziehen,<br />

scheinen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit zu verschwimmen. Und weil das<br />

Handy außer Griffweite liegt, gibt es auch keinen Beweis für die Begegnung. Zum Glück knabbern<br />

drei Tukane immerzu und besonders fotogen am Beerenbaum vor der Terrasse …<br />

Auch auf dem Weg zum Hauptgebäude – er schlängelt sich die Bergflanke entlang durch einen<br />

Garten, dessen Schönheit europäische Landschaftsarchitekten demütig machen müsste – möchte<br />

man pausenlos Bilder machen. Im Pool treibend, sehe ich Affen beim Spielen zu und handtellergroßen<br />

Morpheus-Schmetterlingen beim Flirten – und entdecke am späten Nachmittag weit<br />

unterhalb im Ozean einen einsamen Wal. Alejandra erzählt später, dass Buckelwale an Costa Ricas<br />

Pazifik küste vorbeischwimmen, um sich im warmen Wasser zu paaren und Babys zur Welt zu<br />

bringen. Dieser scheint ein Nachzügler zu sein, der den Anschluss verloren hat.<br />

Die Ticos (wie die Einwohner sich selber nennen) sind stolz auf den einzigartigen<br />

Naturreichtum, über den ihr kleines Land verfügt. Mit einer halben<br />

Million Arten tummelt sich auf einer Fläche kleiner als Bayern eine der größten<br />

Tiervielfalten der Welt; nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Mikroklimata.<br />

Das liegt auch an der geologischen Vergangenheit. Vor etwa drei Millionen<br />

Jahren schoben zwischen Nord- und Südamerika zwei tektonische Platten<br />

gegeneinander und formten eine schma le, zerklüftete Landbrücke voller Berge.<br />

Der höchste heißt Chirripó und ragt fast 4000 Meter auf. Dank der tropischen<br />

Lage zehn Grad nördlich des Äquators fanden viele der durchziehenden Tierarten<br />

in den Schluchten und Tälern ideale Bedingungen, um die letzte Eiszeit<br />

zu überstehen. Bis heute kann man hier zehn Prozent der weltweiten Schmetterlingspopulation<br />

sehen und 112 Vulkane, deren jüngster und aktivster, Arenal,<br />

einem düsteren Hexenkessel gleicht.<br />

Christoph Kolumbus, der 1502 an der Karibikküste landete, konnte<br />

sein Glück kaum fassen, als er den prächtigen Gold- und Jadeschmuck der<br />

einheimischen Frauen sah. Voreilig nannte er das Land „die reiche Küste“,<br />

dabei gab es für Conquistadores nichts zu holen. Der Habenichts unter den<br />

spanischen Kolonien konnte weder Edelmetall noch Bodenschätze liefern,<br />

wurde fortan in Ruhe gelassen und driftete 1821 entspannt als Teil des<br />

Generalkapitanats Guatemala in die Selbstständigkeit. Während der Rest der<br />

Welt 1948 noch mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zu tun hatte,<br />

schaffte der nur 150 Kilometer breite und 500 Kilometer lange Zwergstaat sein<br />

stehendes Heer ab. Die frei gewordenen Gelder wurden und werden so erfolgreich in Schulen<br />

und Kliniken gesteckt, dass das Land heute gemeinsam mit Mexiko den höchsten Sozialstandard<br />

in Lateinamerika besitzt. Im „Happy Planet Index“ liegt es aktuell zum vierten Mal<br />

auf Platz eins.<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

27


style costa rica<br />

fAUlTiere Wie DU UnD iCh im nayara Tented Camp machen pelzige<br />

experten vor, wie entspannung geht. im Kurà an der Pazifikküste könnte<br />

man Whale Watching sogar von der eigenen Terrasse aus betreiben<br />

28 Traveller‘s <strong>World</strong>


Traveller‘s <strong>World</strong><br />

29


apulien<br />

Strahlkraft<br />

das winzige Fischerdorf san vito ist bei sonnenuntergang am schönsten. seine schmucke<br />

sandbucht lagert zu Füßen einer abtei aus dem 10. Jahrhundert<br />

36<br />

Traveller‘s <strong>World</strong>


A P<br />

U<br />

L I<br />

Luxus-Farmen, unverbaute<br />

Landschaften, schicke<br />

Beach Clubs, gute Küche<br />

– Italiens Stiefelabsatz<br />

sprudelt als Quell für<br />

verwöhnte Urlaube.<br />

Wer nicht gerade im<br />

Hochsommer kommt,<br />

erlebt zudem einen höchst<br />

entspannten mediterranen<br />

Lebensstil<br />

N ARI<br />

S<br />

Text paTricia ENGELHOrN<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

37


apulien<br />

wie viele Seeigel<br />

soll ich<br />

bringen? 20?<br />

50? 100?“<br />

Signora Giusi<br />

hat den Tisch<br />

gedeckt: ein helles Baumwolltuch und<br />

Stoffservietten, schlichte Teller und<br />

leichte, langstielige Weingläser. Die grob<br />

geschnittenen Weißbrotscheiben sind in<br />

einer Papiertüte verpackt, für den sanft<br />

perlenden Rosé gibt es einen Weinkühler.<br />

Vom Meer, das nur ein paar Meter weiter<br />

auf die Klippen schwappt, kommt eine<br />

leichte Brise, trotzdem haben die Gäste<br />

ihre Jacken ausgezogen, denn in der<br />

Mittagssonne ist es bereits jetzt wohlig<br />

warm. An den Tischen, die neben einer<br />

weiß lackierten Holzhütte im Freien<br />

stehen, sitzen ausschließlich Menschen<br />

aus der Umgebung. Sie wissen, dass es im<br />

„Principe del Mare“ die besten Spaghetti<br />

alle vongole und einen zarten Oktopussalat<br />

gibt. Doch jetzt im Frühjahr haben<br />

Seeigel Hochsaison, und in den Mülleimern<br />

türmen sich die stacheligen Schalen.<br />

Echte Liebhaber schaffen bis zu 150 Stück,<br />

erzählt Giuseppina Cardone, Inhaberin<br />

des kleinen Familienbetriebs mit dem<br />

fürstlichen Namen, der irgendwo an der<br />

Küste bei Savelletri steht. „Allora, wie<br />

viele möchten Sie?“<br />

Süditalien, die Adria, eine Fischbude<br />

am Meer – Apulien ist nicht nur im<br />

Sommer schön. Bevor die große Hitze<br />

und die vielen Urlauber kommen, hat<br />

man hier noch Zeit für ein Schwätzchen:<br />

Signora Giusi erzählt, dass sie das<br />

Principe del Mare“ von ihrem Vater<br />

übernommen und klammheimlich peu à<br />

peu aufgehübscht hat. Dass der Vater<br />

heute am liebsten auf einem verwitterten<br />

Plastikstuhl beim Parkplatz sitzt und den<br />

langsam anrollenden Autos „ricci, ricci“<br />

(Seeigel) entgegenruft und „venite a<br />

mangiare“ (kommt essen) – als ob nicht<br />

ohnehin jeder Tisch besetzt wäre. Dass im<br />

vergangenen Sommer Madonna unangemeldet<br />

mit ein paar Freunden in der Tür<br />

stand und dass ihr andere Gäste erst mal<br />

erklären mussten, wer das ist.<br />

Madonna, Jude Law, Mick Jagger,<br />

Meryl Streep, Emmanuel Macron, die<br />

Madonna,<br />

Mick Jagger,<br />

Meryl Streep,<br />

Macron, die<br />

Promi-Liste<br />

ist ellenlang<br />

Beckhams … die Promi-Liste ist ellenlang. Kein Wunder: Die Region im<br />

Absatz des Stiefels punktet mit 800 teils spektakulären Küstenkilometern,<br />

tausendjährigen Olivenbäumen, fruchtbaren Feldern und weißen Dörfern,<br />

die wie Adlerhorste auf Hügelkuppen thronen. Wer die Landstraße nach<br />

Cisternino fährt, kommt an graugrün schimmernden Olivenhainen und<br />

putzigen Trulli – den landestypischen Rundhäuschen mit Kegelsteindach –<br />

vorbei. Die engen Altstadtgassen im ummauerten Dorfkern winden sich wie<br />

ein Schneckenhaus, das labyrinthische Zentrum ist autofrei, und auf der<br />

wunderschönen Piazza Vittorio Emanuele stehen die Tische der „Bar FOD“,<br />

wo man zum Cappuccino einen mit Quarkcreme gefüllten Cannolo bekommt.<br />

an der Küste locken barocke Städtchen wie<br />

Monopoli mit großartiger Basilika und einem<br />

Knäuel schmaler Gassen, die oft völlig überraschend<br />

an idyllischen Plätzen enden – etwa<br />

dem Largo San Giovanni mit der lässigen Wine Bar „Baldovino“, der Piazza<br />

Palmieri mit gleichnamigem Terrassenrestaurant oder der Piazza Garibaldi,<br />

dem Salon des Städtchens. Die hoch über dem Meer gelegene Uferpromenade<br />

führt dagegen zum alten Hafen mit seiner gut erhaltenen Festung aus<br />

dem 16. Jahrhundert oder, in die andere Richtung, zum Strand oder zu einer<br />

Folge zauberhafter Buchten, an denen sich zuletzt immer mehr schicke Beach<br />

Clubs etabliert haben. Zu den besonders angesagten zählen der von steilen<br />

Klippen flankierte Lido Marzà, der hippe Cala Cerasa und der sichelförmige<br />

Strand von Porto Ghiacciolo zu Füßen einer mächtigen Küstenfestung.<br />

„Noch vor zehn Jahren waren solche Etablissements an unserer Küste<br />

eine Seltenheit“, sagt Vittorio Muolo, der mit seinem eigenen, 2005 eröffneten<br />

„Coccaro Beach Club“ Pionierarbeit leistete. Und nicht nur damit: Ihm gehört<br />

auch die Masseria Torre Coccaro, die vor gut 20 Jahren als eine der ersten<br />

Luxus-Masserien zahlende Gäste empfing und bis heute zu den romantischsten<br />

und elegantesten Herbergen weit und breit gehört. Vittorio Muolo und<br />

dem inzwischen verstorbenen Unternehmer Sergio Melpignano, Gründer<br />

der vornehmen Masseria San Domenico und des exklusiven Hoteldorfs<br />

38 Traveller‘s <strong>World</strong>


IntImSphäre<br />

der kleine Privatpool im Hof der villa Jasmine, der wohl schönsten Unterkunft<br />

der Masseria Torre Coccaro, ist nur für die vögel einsehbar<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

39


apulien<br />

40 Traveller‘s <strong>World</strong>


„Ein größeres<br />

Anwesen kostet<br />

jetzt leicht<br />

ein paar<br />

Millionen“<br />

Borgo Egnazia, ist es zu verdanken, dass zwischen dem Küstennest Savelletri<br />

und dem angenehm untouristischen Städtchen Fasano eine Art Edel-Enklave<br />

entstanden ist, die Apulien auf den Radar anspruchsvoller Individualreisender<br />

katapultiert hat.<br />

„Als ich so um 2002 ein kleines Bed & Breakfast in Cisternino eröffnete,<br />

bekam ich die Lizenznummer 136“, erzählt Caroline Groszer, die sich<br />

im Urlaub in die Region verliebt hatte, „vor mir gab es in der ganzen Region<br />

nur 135 Hotels, B&Bs oder Ferienresidenzen.“ Damals war Apulien noch<br />

ein echter Geheimtipp, Land und Häuser kosteten nicht viel. Auch als die<br />

unternehmungslustige Schweizerin ein paar Jahre später nach einem<br />

größeren Objekt suchte, genau genommen nach einer Masseria, also einem<br />

jener alten, meist kubisch gebauten und fast arabisch wirkenden Bauernhöfe,<br />

gab es noch Auswahl: „Ich habe mir bestimmt 50 Stück angesehen. Ich wollte<br />

unbedingt in die Nähe der beiden Big Player, denn das sind Einheimische,<br />

die wissen, weshalb sie genau hier Unsummen investieren.“<br />

Schließlich fand sie eine seit 30 Jahren leer stehende Masseria, die vor<br />

lauter Pflanzen kaum noch zu sehen war, und kaufte sie, für 400 000 Euro,<br />

mithilfe eines EU-Programms für Jungunternehmer. Kurz vor Ostern 2008<br />

waren die neun Gäste-Studios und Suiten fertig. „Von Anfang an wollte ich<br />

die alten Mauern mit jungem Design füllen und mich dadurch von anderen,<br />

mal rustikal, mal antik gestalteten Masserie der Mitbewerber unterscheiden“,<br />

erzählt sie. So hängt hier eine Flos-Pendelleuchte von der gewölbten<br />

Decke, der runde Esstisch darunter ist von Saarinen, der Schaukelstuhl von<br />

Charles und Ray Eames, die Zitronenpresse von Philippe Starck, und die<br />

Ganz In weISS<br />

In der altstadt von Monopoli wähnt man sich fast in Griechenland (links oben, weiter im<br />

Uhrzeigersinn). der kleine Concept store Galleria valencienne in ostuni gehört laurence<br />

Pineau valencienne aus Paris. die drolligen Trulli sind längst Wahrzeichen apuliens. der<br />

Pizzabäcker von Calderisi, der jüngsten luxus-Masseria, hat sichtlich spaß<br />

abstrakten Kunstwerke an den weiß<br />

gekalkten Wänden stammen von Raffaele<br />

Quida aus Lecce. Jede Wohneinheit hat eine<br />

Privatterrasse, die große „Romantica“-<br />

Suite sogar eine mit Meerblick. Um die<br />

Masseria herum stehen Feigen-, Zitronenund<br />

Mandelbäume, Kapern- und Rosmarinbüsche<br />

sowie über 1500 Olivenbäume,<br />

aus denen das unglaublich aromatische<br />

Alchimia-Olivenöl entsteht.<br />

Der Masseria-Markt ist in den<br />

letzten Jahren explodiert, die alten Landgüter<br />

sind gefragt wie nie zuvor. „Ein<br />

größeres Anwesen kostet jetzt leicht ein<br />

paar Millionen – wenn man überhaupt<br />

eines findet“, sagt Vittorio Muolo. Er<br />

selbst hat sein zweites Hotel, die intime,<br />

edel gestylte und gleich neben Torre<br />

Coccaro gelegene Masseria Torre Maizza<br />

vor wenigen Jahren an Sir Rocco Forte<br />

ver pachtet, der es ausbaute, umgestaltete<br />

und zum wohl teuersten Urlaubsresort<br />

der Region machte. Mit den Rocco Forte<br />

Hotels betrat die erste international aktive<br />

Luxus-Hotelgruppe apulischen Boden –<br />

andere folgten: Die majestätische Masseria<br />

Le Taverne unweit von Ostuni wird gerade<br />

in ein Belmond-Hotel verwandelt, unweit<br />

davon an der Küste baut Four Seasons ein<br />

Hoteldorf. J.K.-Place-Group-Gründer Ori<br />

Kafri schaut sich in der Gegend um, Hyatt<br />

sucht angeblich nach einem Standort, und<br />

man munkelt, dass sich Mandarin Oriental<br />

für die perfekt restaurierte Masseria<br />

La ma coppa der Verleger-Familie Mondadori<br />

interessiert.<br />

dass Ostuni und Umgebung<br />

in den Fokus<br />

rücken, ist kein Wunder:<br />

Dort gibt es noch kaum<br />

Luxushotels, aber viele alte, halb verlassene<br />

Dörfer, leer stehende Landgüter und,<br />

ja, ein paar prächtige Masserie. Außerdem<br />

ist Ostuni wunderschön. Schon von<br />

Weitem strahlt das strahlend weiße<br />

30 000-Einwohner-Städtchen Besuchern<br />

entgegen. Keine hässlichen Bauten<br />

verschandeln die Peripherie und schon<br />

gar nicht das Zentrum mit der weitläufigen<br />

Piazza della Libertà, dem imposanten<br />

Dom, den kopfsteingepflasterten<br />

Altstadtgassen und der mächtigen<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

41


west coast<br />

Ninth Day Acht Tage hat unser Chevrolet Suburban,<br />

ein Modell, das seit 1934 auf US-Highways<br />

unterwegs ist, und den uns Individualreise-Spezialist<br />

America Unlimited für die über 2000 Kilometer lange<br />

Strecke bei Alamo gebucht hat (ab ca. 3599 Euro p. P.<br />

im DZ inkl. Flügen und Mietwagen, T. 0511.37 44 47 50,<br />

america-unlimited.de), bereits hinter sich. Und kaum<br />

hat er die kalifornische Grenze überquert, will er sich<br />

unter die Riesen des Sunshine State mischen. Der<br />

Jedediah Smith Redwoods State Park (benannt nach<br />

einem Pelzjäger, der sich als einer der Ersten zur kalifornischen<br />

Küste durchschlug), ist, von Norden kommend,<br />

die erste Gelegenheit für eine Begegnung mit<br />

den Mammutbäumen. Überwältigt schlängeln wir uns<br />

dann entlang der wild zerklüfteten Küste nach Eureka.<br />

46<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

„Take it easy / Take it easy /


one oh! one<br />

Auch auf der zweiten Etappe (die erste haben wir in TW 59<br />

vorgetragen), die entlang der kalifornischen Küste bis zum Golden<br />

Gate führt, bestätigt sich unsere These: Aufregender (und<br />

deutlich einsamer) als die Big Sur ist die legendäre U.S. Route 101 –<br />

und später der Highway 1 – nördlich von San Francisco<br />

Text und Fotos MicHaEL HaNNwackEr<br />

Don’t let the sound of your own wheels drive you crazy‘“ EaglEs<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

47


west coast<br />

Tenth Day Die U.S. Route 101 schneidet mitten<br />

durch Eureka, mit rund 27 000 Einwohnern größte<br />

Stadt an der Pazifikküste zwischen Portland und San<br />

Francisco. Ihr historisches Zentrum versammelt die<br />

wahrscheinlich höchste Dichte viktorianischer Bausubstanz<br />

in den USA. Ein strahlendes Beispiel ist<br />

unsere Unterkunft, das Carter House Inns (301 L St,<br />

T. +1.707.444 80 62, carterhouse.com). Es handelt sich<br />

um den originalgetreuen Nachbau eines vom führenden<br />

Architekten der Ära, Samuel Newsom, entworfenen<br />

Hauses, das dem großen Feuer in San Francisco<br />

1906 zum Opfer gefallen war. Unsere großzügige<br />

Suite gibt eine Ahnung von dem Luxus, den die hiesigen<br />

Holzbarone dank des Handels mit den Mammutbäumen<br />

genossen. In dem Raster der Old Town,<br />

in der nummerierte Straßen solche mit Buchstaben<br />

kreuzen, geben die geschnitzten und gedrechselten<br />

Fassaden eine Kulisse, vor der sich suspens-reiche<br />

Netflix-Serien abspielen könnten, allen voran das<br />

wahrzeichenhafte Carson Mansion, über das der Pazifik<br />

am Abend Nebelschwaden schickt. Kurz darauf<br />

kehren wir bei „Humboldt Bay Provisions“ ein, das<br />

tagesfrische Muscheln von der für die Qualität seiner<br />

Austernbänke berühmten Bucht und dazu schneidige<br />

kalifornische Weißweine vorrätig hält (205 G<br />

St, T. +1.707.672 38 50, keine Website). Und in der<br />

herrlich schrägen Bar „Phatsy Kline’s“ (129 2nd St,<br />

T. +1.707.407 06 34, historiceaglehouse.com) gibt es einen<br />

„Trouble Maker“ als nightcup.<br />

48<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

48 „I’m going up the country / Baby, don’t you wanna go? /


Eleventh Day Der Manager des Carter House Inns empfiehlt, dass wir uns<br />

zunächst nordwärts wenden; der Agate Beach sei einer der unberührtesten<br />

weit und breit. Also verbringen wir einen Vormittag als beachcomber – und<br />

entdecken erneut keinen Krume Plastik. Dann kehren wir zurück auf unsere<br />

Route 101. Ab einem Weiler namens Stafford folgen wir ihrem alten Verlauf,<br />

der spektakulären Avenue of the Giants. 32 Meilen fahren wir unter den Kronen<br />

der gigantischen Sequoia Trees und spüren, wie unser Suburban auf Matchbox-<br />

Format schrumpft. Später biegen wir auf den Highway 1, der sich in oft haarsträubender<br />

Linie entlang der schroffen Küste Richtung Mendocino windet.<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

I’m going to some place / Where I’ve never been before“ cannEd hEat<br />

49


west coast<br />

Twelfth Day Wir haben himmlisch geschlafen im Brewery<br />

Gulch Inn (9401 North Highway One, T. +1.707.937 47 52,<br />

brewerygulchinn.com), eine Anfang des Jahrtausends hoch über<br />

der Smuggler’s Cove errichtete, ganz und gar bezaubernde<br />

Zehn-Zimmer-Lodge, die aus sinker wood gebaut wurde. Das<br />

ist Mammutbaumholz, das nach 150 Jahren in einem nahen<br />

Flussbett entdeckt wurde. Nach einem vom Küchenchef persönlich<br />

zubereiteten Gourmet-Breakfast lenken wir unseren<br />

Suburban auf die Straße nach Mendocino und spazieren den<br />

ganzen Tag durch das auf einer kleinen Halbinsel gelegene,<br />

von den Zeitläuften vergessene Bohemianville.<br />

50<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

„And I can’t stop / Gotta keep movin’ /


Thirteenth Day Auf unserer<br />

letzten Etappe läuft der Pacific Coast<br />

Highway 1 noch einmal zu Höchstform<br />

auf und macht seiner historischen<br />

Bezeichnung als Shoreline<br />

Highway alle Ehre. Die Straßenbaumeister,<br />

die ihn vor etwa 70 Jahren in<br />

das Steilufer gekratzt haben, müssen<br />

schwindelfrei gewesen sein. Und auch<br />

wir wagen bei unserer Fahrt oftmals<br />

nur zögerlich den dann allerdings berauschenden<br />

Blick nach unten. Unser<br />

Soundtrack ist die starrköpfig gegen<br />

die felsige Küste anrennende Brandung.<br />

Hin und wieder stoppen wir,<br />

etwa beim Point Arena Lighthouse,<br />

dem höchsten der US-Westküste,<br />

oder für eine clam chowder in Bodega<br />

Bay, wo Hitchcocks Vögel einst<br />

Schrecken verbreiteten. Als wir dann<br />

ein Stückchen nördlich von Sausalito<br />

wieder auf den 101 treffen, macht<br />

sich freudige Erregung in unserem<br />

Suburban breit: Gleich geht es über<br />

eine der ikonischsten aller Brücken<br />

nach San Francisco …<br />

Weitere Infos: VisitTheUSA.de<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

or I’ll lose my mind! / oh, rockin’ down the highway“ doobiE brothErs<br />

51


san francisco<br />

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52<br />

Traveller‘s <strong>World</strong>


Nein, Sie müssen keine Blumen<br />

mehr im Haar tragen, wenn Sie nach<br />

San Francisco reisen. Aber Sie<br />

sollten Kondition mitbringen für die<br />

vielen Höhenmeter, Zeit für<br />

einzigartige Museen – und Appetit<br />

Texte und Fotos MicHaEL HaNNwackEr<br />

lIcht und Schatten<br />

Überfallartig breitet sich fast<br />

täglich der vom Pazifik hereinziehende<br />

Nebel aus. Und während<br />

im Financial district (linke seite)<br />

noch die sonne strahlt, mag die<br />

ehemalige subkultur-enklave<br />

Haight-ashbury schon im dunst<br />

versinken. das Tech-Money hat<br />

die stadt in die Höhe wachsen<br />

und die Preise steigen lassen.<br />

aber an manchen Manifestationen<br />

ihrer bunten und manchmal<br />

schrulligen vergangenheit hält<br />

sie eisern fest. Und so wird die<br />

san Francisco Municipal railway<br />

ihre Cable Cars auch weiterhin<br />

straßen wie die Powell street<br />

hinauf und die Hyde street<br />

wieder hinunter schicken. Und<br />

Traveller‘s <strong>World</strong>umgekehrt.<br />

53


san francisco<br />

54 Traveller‘s <strong>World</strong>


many upS, no downS<br />

der sich über dem ältesten erhaltenen<br />

Bauwerk der von Beben<br />

und Bränden gebeutelten stadt<br />

erhebende Mission dolores Park<br />

ist die oase im diversen-Mekka<br />

The Castro. die straßen von san<br />

Francisco lassen sich auf zwei<br />

rädern ohne elektrische Hilfe<br />

kaum bewältigen (help.baywheels.<br />

com). das san Francisco Museum<br />

of Modern art begeistert mit<br />

Installationen wie olafur eliassons<br />

„one-way colour tunnel” (151 Third<br />

St, T. +1.415.357 40 00, sfmoma.org).<br />

aus der üppigen vegetation des<br />

Golden Gate Park wächst der von<br />

den Basler architekten Herzog &<br />

de Meuron errichtete kupferverkleidete<br />

Turm des de Young Museum<br />

(50 Hagiwara Tea Garden Drive,<br />

T. +1.415.750 36 00, famsf.org), das zweite<br />

Museumshighlight der stadt.<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

55


san francisco<br />

56 Traveller‘s <strong>World</strong>


heat of the nIGht<br />

Nach Jahren als executive Chef<br />

der legendären Hakkasan-Gruppe<br />

lenkt Ho Chee Boon nun das führende<br />

kantonesische restaurant<br />

der stadt, „empress by Boon”, hoch<br />

über Chinatown (838 Grant Ave.,<br />

T. +1.415.757 07 28, theempresssf.com). Im<br />

„angler” verlässt sich sterne-Koch<br />

Joshua skenes auf die hitzigen<br />

aromen seines Holzfeuergrills (132<br />

The Embarcadero, T. +1.415.872 94 42,<br />

anglerrestaurants.com/san-francisco). Nur<br />

nicht langweilen gilt selbst für<br />

Floristen wie How’s It Hanging<br />

(548 Castro St, T. +1.415.812 02 55,<br />

howsithangingcastro.com). die Celebrity-Fotografen<br />

und Post-Popartisten<br />

der Gefen Gallery sind<br />

sowieso eyecatcher (315 Grant Ave.,<br />

T. +1.415.323 40 80, gefengallery.com).<br />

info: sftravel.com<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

57


style<br />

Mitten im<br />

Leben<br />

MAN KENNT SIE ALS GLOBAL PLAyER IM<br />

WELTWEITEN KUNSTMARKT – DIE GALERISTEN<br />

Manuela HauSeR UND Iwan wIRtH<br />

HANDELN ABER NICHT NUR MIT BILDERN UND<br />

SKULPTUREN, SONDERN AUCH MIT<br />

ERLEBNISSEN<br />

Text paTricia ENGELHOrN<br />

72<br />

Traveller‘s <strong>World</strong>


Ein Somerset-Effekt ist auch auf Menorca zu erwarten. Dort,<br />

kunst im öffentlichen raum<br />

Im „The audley”, einem 125 Jahren alten Pub im feinsten<br />

Mayfair, gibt es Fassbier und klassische Pub-snacks<br />

unter einer von Phyllida Barlow gestalteten decke und<br />

freundlicher Neon-Kunst von Martin Creed über der Bar<br />

Zu den sympathischen Gepflogenheiten der Briten<br />

zählt ihr Feierabendbier im Pub. Genau genommen<br />

vor dem Pub, denn egal, wie nasskalt es auch sein<br />

mag, der Pint schmeckt offenbar am besten draußen<br />

auf dem Gehweg. So auch im „The Audley“, einem<br />

weit über 100-jährigen Lokal im Erdgeschoss eines prächtigen viktorianischen<br />

Backsteingebäudes. Ab dem späten Nachmittag schwillt die<br />

Menschentraube vor der Tür, wobei die vorfahrenden Limousinen<br />

hier etwas länger sind und die Gäste noch schicker als sonst in Mayfair.<br />

Kein Wunder: „The Audley“ befindet sich direkt an der Mount Street,<br />

einer der feinsten Adressen der britischen Kapitale. Zwischen Läden<br />

von Marni und Christian Louboutin stehen die Tische des traditionsreichen<br />

Fischrestaurants „Scott‘s“, Mailands edle Pasticceria Marchesi<br />

hat hier einen Ableger, und oben am Carlos Place empfängt das ultraluxuriöse<br />

Hotel The Connaught seine Gäste.<br />

Im „The Audley“ trifft sich die Geschäftswelt der Umgebung,<br />

dazu kommt, wer sonst noch Lust auf ein gepflegtes Pub-Ambiente<br />

hat. Hinter dem langen Holztresen herrscht jeden Abend Hochbetrieb;<br />

das durchweg junge Personal leistet Akkordarbeit und behält dabei<br />

die Ruhe, die gute Laune und den Überblick. Tätowierte Arme reichen<br />

Gläser mit Hells Lager aus Camden, Fuller’s London Pride aus Chiswick<br />

oder Pumphouse Pale Ale aus der Sambrook’s-Brauerei im Süden<br />

der Themse über den Tresen, dazu können klassische Pub-Snacks wie<br />

Cockle Popcorn (knusprig frittierte Herzmuscheln), herzhafter Beef<br />

and Ale Pie, Fish & Chips oder St. Gallen Sausage bestellt werden.<br />

Schweizer Bratwurst? In London?<br />

Der Barkeeper lacht. „Die Pub-Besitzer sind aus Sankt Gallen.<br />

Offenbar ist das eine Spezialität aus ihrer Gegend“, vermutet er.<br />

In der Tat. „The Audley“ gehört den Schweizern Manuela Hauser<br />

und Iwan Wirth, die zu den wichtigsten und einflussreichsten Kunsthändlern<br />

der Welt zählen. Das Paar hat jede Menge prominenter<br />

Künstler unter Vertrag, darunter Pipilotti Rist und Annie Leibovitz,<br />

Subodh Gupta und Cindy Sherman, Isa Genzken und Mark Bradford.<br />

Bei einschlägigen Kunstrankings spielt Hauser & Wirth stets ganz<br />

vorn mit, ihr Handel ist mit rund 15 Galerien zwischen Hongkong,<br />

Zürich und Los Angeles präsent, demnächst werden neue Ausstellungshallen<br />

in London und Paris eröffnet.<br />

Parallel zu ihrem weltumspannenden Kunstimperium wächst<br />

das Portfolio von Artfarm. Das Hospitality-Business des umtriebigen<br />

Duos will Kunstwerke in einem entspannten, dynamischen und spannenden<br />

Freizeitrahmen präsentieren. „Mit unseren Restaurants und<br />

Hotelprojekten feiern wir Kunst, Natur, Architektur und Essen als<br />

wesentliche Elemente des Lebens“, erklärt Iwan Wirth.<br />

Wie das geht, zeigt auch das von Artfarm übernommene und im<br />

vergangenen Herbst nach einer umfangreichen Renovierung neu eröffnete<br />

„The Audley“. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein ganz normales<br />

Pub – doch wer genau hinschaut, entdeckt neben handpolierten Holzvertäfelungen,<br />

grünen Leder-Banketten und original erhaltenen antiken<br />

Handbierpumpen Martin Creeds sonnengelben Neonschriftzug<br />

Fotos: Katie Falkenberg /los angeles Times /Contour by Getty images (1), Simon Brown (2), Sim Canetti-Clarke (1), martin Creed, FrieNDS /vG-Bild-Kunst, Bonn 2023<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

73


style<br />

auf der kleinen Isla del Rey im Hafenbecken vor der Inselhauptstadt, entstand<br />

74<br />

Traveller‘s <strong>World</strong>


2021 der jüngste der hybriden Hauser & Wirth-Veranstaltungsorte, die sowohl<br />

„Friends“ über der Bar leuchten oder Rodney Grahams<br />

Gemälde „A Glass of Beer“ an einer der Wände. Als<br />

Highlight gilt die kaleidoskopisch bunte Deckencollage,<br />

die die britische Künstlerin Phyllida Barlow vor<br />

Ort zugeschnitten und angebracht hat.<br />

essensbegleitung<br />

Im „Mount street restaurant” über dem Pub zeigen die<br />

schweizer Galeristen unter anderem Werke von Frank<br />

auerbach („Primrose Hill, summer”, 1968, oben links) oder<br />

rashid Johnson („Broken Floor”, 2022)<br />

Einen Stock höher zeigt das schicke „Mount<br />

Street Restaurant“ noch mehr großartige<br />

Kunst. Man betritt es über das begehbare<br />

Werk „Broken Floor“ des Amerikaners<br />

Rashid Johnson – eine Art Fußboden-Gemälde aus<br />

bunten Marmor-Bruchstücken. An den Wänden sind<br />

unter anderem Andy Warhols „Lobster“, Lucian<br />

Freuds „A Plate of Prawns“ und Henri Matisses „Éperlans“<br />

zu sehen, die Tischlampen erinnern an die Pu -<br />

derdose von Sophie Taeuber-Arp, die Salz- und Pfefferstreuer<br />

an den Tannenbaum von Paul McCarthy.<br />

Dazu kommen urbritische Köstlichkeiten aus der<br />

Küche: geräucherter Aal mit Kartoffelsalat und Kaviar,<br />

gebratene Dover-Seezunge und eine fantastische<br />

Lemon Tart. In den Etagen über dem Restaurant<br />

wurden vier „private dining rooms“ eingerichtet,<br />

darunter ein Schweizer Zimmer mit Gemälden von<br />

Ferdinand Hodler und ein Spielzimmer mit bunten<br />

Deckenlampen, Pokertisch und einem Türmchen mit<br />

blutroter Samtbank und einem erotischen Fresko der<br />

britischen Künstlerin Anj Smith.<br />

Ihr Mixed-Use-Konzept haben Manuela Hauser<br />

und Iwan Wirth mehrfach erprobt: 2016 eröffneten sie<br />

in Los Angeles’ dynamischem Downtown Art District<br />

einen modernistischen, gut 10.000 Quadratmeter gro -<br />

ßen Kunst-Campus mit Restaurant, Ateliers und<br />

Event-Räumen in einer ehemaligen Getreidemühle,<br />

2019 das mit hochkarätiger Kunst gefüllte Luxushotel The Fife Arms<br />

in einer imposanten, 1836 errichteten Poststation in den schottischen<br />

Highlands. Ihre überraschendste (und erfolgreichste) Kunstlandschaft<br />

aber dürfte ihr Besitz in der sanften Hügellandschaft der<br />

englischen Grafschaft Somerset sein.<br />

2006 kam das Paar auf der Suche nach einem Wochenendhaus<br />

nach Bruton, kaufte ein Bauernhaus mitsamt den Feldern drum herum<br />

und meldete seine vier Kinder in den örtlichen Schulen an. „Es war<br />

in der Preisspanne und in der Entfernung von London, die wir<br />

gesucht hatten – und es gefiel uns“, erinnert sich Iwan Wirth. „Dann<br />

fiel uns dieses Projekt in den Schoß.“ Mit „diesem Projekt“ ist die<br />

unter Denkmalschutz stehende Durslade Farm aus dem 18. Jahrhundert<br />

gemeint, deren restaurierte Bauernhäuser heute diverse Galerien,<br />

einen Hofladen mit Bioprodukten vom eigenen Hof, ein Restaurant<br />

und ein Sechs-Zimmer-Gästehaus beherbergen und die mit<br />

Ausstellungen von Bharti Kher, Louise Bourgeois, Martin Creed oder<br />

Henry Moore den winzigen Ort Bruton fast über Nacht auf die Welt-<br />

Fotos: Simon Brown (3), Sim Canetti-Clarke (2), Keith Tyson, Still life with White Carbs, 2011 /vG BilD-KUNST, Bonn 2023<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

75


stay<br />

new york<br />

besuch der<br />

AlTen dAMe<br />

Wilde Partys,<br />

exzentrische<br />

Besucher und<br />

Auswüchse jeder<br />

Art – New Yorks<br />

libertinärste<br />

Herberge<br />

kannte weder<br />

Regeln noch<br />

falsche Moral.<br />

Jetzt sind<br />

wieder Gäste im<br />

New Yorker<br />

Chelsea Hotel<br />

Text cHarLOTTE MaNN<br />

chelSea GIrl 1<br />

Für Patti smith, die vor gut 50 Jahren mit ihrem<br />

Freund robert Mapplethorpe hier lebte, war das<br />

Chelsea Hotel „wie ein Puppenhaus in der Twilight<br />

Zone, mit Hunderten von Zimmern, von denen jedes<br />

ein eigenes kleines Universum barg”. von einer<br />

ausstattung wie in diesem deluxe Two-Bedroom<br />

Pied-À-Terre war ihr Zimmer weit entfernt<br />

78 Traveller‘s <strong>World</strong>


Traveller‘s <strong>World</strong><br />

79


stay<br />

new york<br />

80 Traveller‘s <strong>World</strong>


susanne Bartsch erinnert sich noch gut an ihren Einzug: „Es war Valentinstag,<br />

1981. Ich betrat das imposante Gebäude und dachte: wow,<br />

was für ein cooler Ort.“ Sie kam aus London, im Schlepptau ihres damaligen Lovers.<br />

„Damals lebten hier Musiker, Maler, Designer, Schriftsteller. Alles war etwas schäbig und<br />

abgewetzt, aber sauber, freundlich und gemütlich. Ich habe mich sofort wohlgefühlt.“<br />

Der Freund zog aus, die gebürtige Schweizerin blieb. Sie wurde Designerin, Autorin, Kuratorin,<br />

Showgirl und New Yorks berühmteste Partyveranstalterin – ein Kunstwesen, das<br />

mit Paradiesvogel-Outfits und hausgemachtem Pflaumenkuchen glänzte. Nach und nach<br />

mietete sie zwei weitere Studios im Chelsea Hotel und residiert heute in einer labyrinthischen<br />

Eckwohnung mit Balkon und Blick auf den Hudson River und die Spitze des Empire<br />

State Building. Zusammen mit anderen Langzeitmietern hat sie die über zehnjährige Totalrenovierung<br />

des denkmalgeschützten Gebäudes überstanden. „Lustig war das nicht, aber<br />

ausziehen wollte ich auf keinen Fall“, sagt sie. „Ich habe die mit Abstand beste Adresse<br />

Manhattans.“<br />

Das Chelsea Hotel eröffnete 1884 an New Yorks 23. Straße als Apartmenthaus. Mit<br />

seinen zwölf Etagen dominierte es ein paar Jahre lang die Skyline der Stadt, die rote Backsteinfassade<br />

und gusseisernen Balkone sicherten den Status als Landmark. Es gab schalldichte<br />

Wände, damit Musiker und Schriftsteller ungestört arbeiten konnten, einen kunstvoll<br />

angelegten Dachgarten für Sternenbeobachtung und Tanzaufführungen, exquisite Glasmalereien<br />

und ein spektakuläres zentrales Treppenhaus mit Oberlicht.<br />

Damals war der Stadtteil Chelsea das Epizentrum der New Yorker Theaterszene und Treffpunkt<br />

der Schickeria. Dann verschob sich der Theater District nach Norden, Chelsea blieb irgendwie<br />

auf der Strecke und mit dem Viertel auch das Apartmenthaus. 1905 ging es Konkurs und<br />

wurde in ein 250-Zimmer-Hotel/Wohnhaus verwandelt. Je nach Gästebudget gab es eine winzige<br />

Kammer ohne eigenes Bad oder eine großzügige Suite mit poliertem Holzboden und Kamin.<br />

Obwohl er es wirklich nicht nötig hatte, führte der exzentrische Hauptanteilseigner Stanley<br />

Bard das Hotel über 50 Jahre lang höchstpersönlich. Menschen, die er mochte, bekamen Rabatt oder<br />

wohnten umsonst, er nahm Kunstwerke in Zahlung und sah großzügig darüber hinweg, wenn seine<br />

Gäste weitere Gäste mitbrachten. Bald logierte das Who’s who der Künstlerszene im Chelsea,<br />

von Schriftstellern wie Mark Twain, Jack Kerouac oder William S. Burroughs über Schauspieler<br />

wie Humphrey Bogart und Isabella Rossellini oder<br />

Künstler wie Yves Klein, Niki de Saint Phalle und<br />

Christo bis zu Musikern wie Jimi Hendrix, Joni<br />

Mitchell oder Patti Smith.<br />

die Aufarbeitung ihrer Erlebnisse machte<br />

das Hotel noch berühmter. Andy Warhol<br />

drehte hier den Film „Chelsea Girls“, Ethan<br />

Hawke „Chelsea Walls“. Arthur Miller zog nach<br />

seiner Trennung von Marilyn Monroe in Suite Nr.<br />

614, schrieb dort mehrere Theaterstücke und den<br />

Essay „The Chelsea Affect“. Darin brachte er das<br />

Ambiente des Ortes so genau wie gnadenlos auf<br />

den Punkt: „Dieses Hotel gehört nicht zu Amerika.<br />

Es gibt keine Staubsauger, keine Regeln, keine<br />

Scham.“ Er schrieb aber auch: „Das Chelsea vermittelt<br />

das Gefühl einer großen, altmodischen,<br />

beschützenden Familie“ – der er selber rund sechs<br />

Jahre lang angehörte.<br />

In Zimmer 211 komponierte Bob Dylan sein<br />

Album „Blonde on Blonde“, in Zimmer 424 lebte<br />

ein noch völlig unbekannter Leonard Cohen seine<br />

kurze Liaison mit Janis Joplin aus, die er im<br />

chelSea GIrl 2<br />

seit 42 Jahren bewohnt die<br />

schweizerin susanne Bartsch,<br />

„schutzpatronin der lGBTQ-<br />

Gemeinde, Ikone der Halbwelt<br />

und Celebrity der haute monde”<br />

(NZZ) in New York, ein apartment<br />

in dem zwölfstöckigen<br />

Haus an der 23. straße. Hin<br />

und wieder zeigt sie sich auch<br />

in der „lobby Bar” (linke seite).<br />

die ausstattung der Hotelzimmer<br />

(unten ein studio King)<br />

lehnt sich an die Bauzeit ende<br />

des 19. Jahrhunderts an<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

81


stay<br />

new york<br />

chelSea GIrl 3<br />

Im Frühling 1968 hatte Bluessängerin<br />

Janis Joplin leonard Cohen im Fahrstuhl<br />

getroffen, der später einen song<br />

darüber schrieb: „I remember you<br />

well in the Chelsea Hotel / You were<br />

famous, your heart was a legend<br />

/ You told me again you preferred<br />

handsome men / But for me you<br />

would make an exception”.<br />

1966 drehte andy Warhol hier seinen<br />

experimentalfilm „Chelsea Girls”<br />

Fahrstuhl getroffen hatte und im Song „Chelsea Hotel #2“ verewigte.<br />

Von Leonard Cohen stammt auch diese interessante Bemerkung:<br />

„Ich liebe Hotels, in die man nachts um vier Uhr einen Zwerg, einen<br />

Bären und vier Damen mit auf sein Zimmer nehmen kann, ohne dass<br />

sich jemand darum schert.“<br />

diese Zeiten sind vorbei. Leider, sagen viele, vor<br />

allem jene, die das Chelsea lange kennen. Der<br />

viel zu freundliche und grenzenlos tolerante Stanley Bard hatte offenbar<br />

über zu viele Zwerge, Bären und Damen hinweggesehen.<br />

In den 1970er-Jahren streiften Dealer durch die Gänge, Junkies besetzten<br />

die Toiletten, Punkbands zogen ein. Graffitis bedeckten die<br />

Wände, Buntglasscheiben verschwanden, was kaputtging, blieb<br />

kaputt. 2007 hatten die anderen Anteilseigner genug: Sie zwangen<br />

die Bards, „New Yorks most illustrious third-rate hotel“ („Life Magazine“)<br />

zu verkaufen.<br />

Wieder gibt es ein Hin und Her. 2016 endlich übernehmen<br />

die erfolgsverwöhnten New Yorker Hoteliers Sean MacPherson,<br />

Richard Born und Ira Drukier. Es wird eine der längsten und umstrittensten Renovierungsarbeiten<br />

der Stadt, die unzählige Gerichtsverfahren, einen Baustopp und eine<br />

Pandemie übersteht.<br />

Doch schließlich, im Frühjahr letzten Jahres, erlaubt sich das berühmt-berüchtigte<br />

Hotel, das seit 2011 weitgehend geschlossen war, aber immer noch von ein paar Dutzend<br />

Mietern mit Langzeitverträgen bewohnt wird, ein fast lautloses Soft Opening – zu<br />

reduzierten Preisen, denn Teile davon sind noch immer eine Baustelle: die Zimmer der<br />

ersten Etage, der linke Flügel, das Spa auf dem Dach – alles nicht fertig. „Dieses Gebäude<br />

ist seit seiner Eröffnung vor bald 150 Jahren nicht renoviert worden. Es wurde mit<br />

Klebeband und Büroklammern instand gehalten“, sagt Sean MacPherson, und: „Wir<br />

haben getan, was wir konnten, um den Originalzustand wiederherzustellen.“<br />

tatsächlich ist die Lobby mit Kunstwerken von ehemaligen und aktuellen Bewohnern<br />

geschmückt, in den Fluren hängen Fotografien von Menschen, die<br />

hier leben und arbeiten. Erhalten blieben viele alte Kamine, Glasmalereien, Mosaikböden<br />

und holzvertäfelte Wände. Nach wie vor gibt es sehr kleine und sehr große<br />

Zimmer sowie Suiten und Apartments mit zwei Schlafzimmern und top ausgestatteten<br />

Küchen. „Wir bieten bewusst verschieden bemessene Räume an“, erklärt Sean<br />

MacPherson, „wir hoffen, dass sich dadurch die für das Chelsea typische Gästemischung<br />

wieder einfindet, also Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebensläufen.“<br />

Die neuen Inhaber sind auch den alten Mietern entgegengekommen, niemand wurde<br />

zum Auszug gedrängt. „Wir haben kein Interesse daran, die früheren Bewohner zu<br />

vertreiben“, sagt Ian Drukier, „ganz im Gegenteil. Sie halten den besonderen Charakter<br />

und Charme dieses Ortes am Leben, unsere Hotelgäste finden das cool.“<br />

Cool sind auch der lässige Vintage-Look der Einrichtung, der Retro-Stil der<br />

Marmorbäder und das wiedereröffnete opulent dekorierte spanische Restaurant<br />

„El Quijote“, in dem schon Patti Smith und Robert Mapplethorpe gebratene Hummerschwänze<br />

verspeisten. In diesem Jahr sollen noch ein franko-amerikanisches<br />

Bistro dazukommen und ein Lokal mit japanischer Küche. „Wir haben jetzt sogar<br />

Room Service“, freut sich Susanne Bartsch, die davon regen Gebrauch macht, „und<br />

eine fantastische neue Cocktailbar, I love it.“ Wenn sie abends in einem ihrer unglaublichen<br />

Stylings durch die Lobby stolziert, hier und dort Bekannte begrüßt und<br />

schließlich in die New Yorker Nacht entschwindet, folgen ihr sämtliche Blicke. In<br />

diesen Momenten ist das Chelsea wieder so schräg, exzentrisch und einzigartig<br />

wie früher – nur weniger chaotisch und deutlich komfortabler.<br />

TW<br />

dZ ab 295 dollar, 222 W 23rd st, new york, t. +1.212.483 10 10, hotelchelsea.com<br />

82 Traveller‘s <strong>World</strong>


künStlerhauS<br />

der monumentale Backsteinbau, eine<br />

Zeitlang höchstes Haus der stadt, hat<br />

die elite der Us-Kulturgeschichte<br />

beherbergt, von Tennessee Williams<br />

über dennis Hopper und Jimi Hendrix bis<br />

Julian schnabel. die „lobby Bar” oder<br />

das seit 1930 operierende restaurant „el<br />

Quijote” atmen diese Historie<br />

Fotos: The estate of David Gahr/Getty images (2), annie Schlechter (5), Patricia engelhorn (1), Santi visalli/Getty images (1), michael Sherer/Polaris/laif (1)<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

83


stay<br />

new york<br />

84 Traveller‘s <strong>World</strong><br />

dIe GroSSe Bühne<br />

„Guests departing The Carlyle to attend the Met Gala“


De<br />

i nstitution<br />

Vor 93 Jahren öffnete The Carlyle auf der<br />

Upper West Side, eine erste Adresse<br />

spätestens, seit es unter Kennedy<br />

zum „New York White House“ aufstieg<br />

Text cHriSTiNE VON paHLEN<br />

meet me at ,Bemelmans‘ for a drink“ – auf diese<br />

Einladung habe ich Jahre gewartet. Und<br />

tatsächlich, als ich New Yorks berühmteste Bar<br />

– am frühen Abend eines normalen Wochentags<br />

– betrete, umfängt mich eine Aura aus Grandezza<br />

und Geschichte. Auf die Wandmalerei,<br />

nach deren Schöpfer die Bar benannt ist, bin ich<br />

vorbereitet, nicht aber auf das illustre Publikum,<br />

das in den ledergepolsterten Nischen und an runden Cocktail-Tischen<br />

weit mehr als nur Großstadtflair verbreitet. Earl Rose, ein Grandseigneur<br />

des Jazz-Pianos, interpretiert – wie könnte es anderes sein – unsterbliche<br />

Cole-Porter-Klassiker, und es würde nicht wundern, wenn Dorothy<br />

Parker oder Truman Capote durch die Tür marschierten, um den angeregten<br />

Small Talk mit ihren spitzen Zungen zu veredeln.<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

85


stay<br />

new york<br />

In Erinnerung an den schwarzen Pianisten Bobby<br />

Short, der über 40 Jahre im „Café Carlyle“ seine<br />

Fangemeinde faszinierte, bestelle ich einen „Bobby’s<br />

Manhattan“ (Santa Teresa 1796 Rum, Carpano Antica,<br />

Cherry Heering Scrappy’s Orange Bitters, Angos tura<br />

Bitters, Dried Gypsophila), dazu drei herzhafte Mini<br />

Lobster Tacos. Ich betrachte die blattgoldver zierte<br />

Decke, den massiven Art-déco-Tresen und natürlich<br />

Ludwig Bemelmans’ murals.<br />

thank you,<br />

mrS. preSIdent<br />

Jacqueline Kennedy war, in<br />

Begleitung ihres Mannes, stammgast<br />

im Carlyle, Woody trat regelmäßig mit<br />

der eddy davis New orleans Jazz<br />

Band in Café Carlyle auf. die Gala<br />

nach der verleihung der Tony awards<br />

wird oft im Hotel ausgerichtet<br />

sie sind das Ergebnis eines Deals, den der<br />

österreich-ungarische Zeichner und Kinderbuchautor<br />

Ende der 1940er-Jahre mit dem<br />

Direktor des Carlyle machte: Bemelmans<br />

durfte mit seiner Familie für anderthalb Jahre<br />

kostenfrei in einem der Hotel-Apartments<br />

wohnen und im Gegenzug den Central Park zu<br />

verschiedenen Jahreszeiten an den Wänden der Bar<br />

verewigen. Was ihm die Zeit gab, auch einige Zimmer<br />

und Suiten sowie private Salons mit den für ihn<br />

typischen leicht skurrilen Landschaftsmotiven zu<br />

veredeln.<br />

Das genau war die „understated opulence“, die<br />

der aus Polen stammende, schwerreiche Grundstückspekulant<br />

Moses Ginsberg im Sinn hatte, als er<br />

sich gegen Ende der Roaring Twenties entschloss,<br />

86 Traveller‘s <strong>World</strong>


einen gesamten Block an der Ostseite der Madison<br />

Avenue, zwischen 76th und 77th Street, mit einem 35<br />

Stockwerke hohen Hotelgebäude und einem angrenzenden<br />

elfstöckigen Apartment House zu bebauen.<br />

Dafür waren der auf Art déco geeichte österrei chische<br />

Architekt Sylvan Bien und die für ihre neoklassizistischen<br />

Prachtinterieurs bekannte Society-Lady<br />

Dorothy Draper echte Glücksgriffe. Seit ihrer Eröffnung<br />

im Jahr 1930 steht die Hotelikone der Upper<br />

East Side für alles, was ein Leben im Hotel angenehm<br />

macht.<br />

das beginnt täglich im „The Gallery“, wenn<br />

die betuchten Stammgäste aus der<br />

Nachbarschaft ihr zweites Wohnzimmer<br />

in Beschlag nehmen, die ersten Martinis<br />

vor dem Warmwerden bewahren, zum<br />

Power Lunch einen Jumbo Shrimp<br />

Cocktail ordern oder wie ich zum Afternoon Tea<br />

aufschlagen. Ich wähle einen rauchigen Lapsang<br />

Souchong zu Scones, Clotted Cream und Erdbeerkonfitüre.<br />

Nach den Vorstellungen des legendären<br />

italienischen Deko-Papstes Renzo Mongiardino soll<br />

„The Gallery“ mit handgemalten, ornamentalen<br />

Tapeten und leuchtend bunten Kelim-Kissen an einen<br />

orientalischen Sultanspalast erinnern – eine der vielen<br />

bühnenreifen Locations des Hotels, zu denen auch das<br />

„Café Carlyle“ zählt. Filmfans erinnern sich gerne an<br />

die Montagabende, an denen der heute in Ungnade<br />

gefallene Woody Allen in der Eddy Davis New<br />

Orleans Jazz Band die Klarinette blies.<br />

in den letzten Jahren hat sich viel getan. Der<br />

Hongkong-Milliardär Cheng Yu-tung<br />

übernahm 2011 mit den Rosewood Hotels<br />

& Resorts auch die Hotellegende an der<br />

Madison Avenue. Zum 90. Geburtstag<br />

bestellte das Haus beim Edel-Verlag<br />

Assouline eine neue, besonders edle Edition des<br />

Coffee Table Book „The Carlyle“ – voller Fotodokumente<br />

und mehr als 200 Illustrationen und Bildern der<br />

in den letzten zwei Jahren unter Regie von Tony Chi<br />

neu gestalteten Zimmer und Suiten. Sie wollen<br />

bewegte Bilder? 2018 drehte Matthew Miele den<br />

Dokumentarfilm „Always at the Carlyle“, mit kostenloser<br />

Unterstützung von Stammgästen wie George<br />

Clooney, Jeff Goldblum, Sofia Coppola und Wes<br />

Anderson.<br />

Eine kleine Sensation: Vor einem Jahr übernahm<br />

die erste weibliche GM in der Geschichte des Carlyle<br />

das Zepter. „Es war der ausdrückliche Wunsch von<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

87


stay<br />

new york<br />

„Ich liebe es, im Carlyle zu wohnen, es gibt mir das Gefühl, jung zu sein.“<br />

CARINE RoITFELd, Ex-Chefredakteurin der französischen „Vogue“<br />

Sonia Cheng, der Tochter unseres Investors“, erklärt<br />

die in Australien aufgewachsene Marlene Poynder,<br />

die im schlichten schwarzen Business-Outfit mit<br />

wenig Schmuck und Make-up die neue Generation<br />

der Upper-East-Side-Ladys demonstriert.<br />

Ihre Wohnung in Tribecca hat sie aufgegeben und<br />

ist mit Mann und Hund in eines der 30 Hotel-Apartments<br />

gezogen. „Hunde waren im Carlyle schon<br />

immer willkommen“, berichtet sie. „Sie dürfen zwar<br />

nicht in unser Fine-Dining-Lokal Dowling’s und auch<br />

nicht ins Café Carlyle, wo wir zu den Shows mehrgängige<br />

Menüs servieren. Aber überall sonst hin.“<br />

(Stimmt. Ich sehe täglich Hunde mit Hotelangestellten<br />

als Gassi-Geher.) Das Café Carlyle, das während der<br />

Sommermonate geschlossen bleibt, liegt Poynder<br />

besonders am Herzen: „Es ist unser Aushängeschild,<br />

lebt vom schönen Ambiente, von der tollen Küche,<br />

aber vor allem von seinem anspruchsvollen<br />

Programm. In letzter Zeit konnten wir bekannte<br />

Broadway-Stars verpflichten.“<br />

seit 2021 ist Sylvain Delpique für das<br />

kulinarische Konzept des Hotels verantwortlich.<br />

Er leitete die letzten sechs Jahre<br />

die Küche des „21 Club“, bevor die<br />

legendäre New Yorker Institution im<br />

Dezember 2020 geschlossen wurde. Dass<br />

er Franzose ist, kommt dem Carlyle zugute: „Unsere<br />

Gäste lieben offensichtlich Steak Tartare und Escargot<br />

auf der Speisekarte.“ Wenn es um seine Interpretation<br />

der New American Cuisine geht, stehen ihm Chef de<br />

Cuisine Michael Haug und Pastry Chef Ikuma Motoki,<br />

die er beide vom „21“ mitgebracht hat, zur Seite. „Der<br />

All-Time-Klassiker Steak Diane ist hierfür ein gutes<br />

Beispiel. Ich hebe das Gericht auf einen neuen Level,<br />

indem ich den First Cut vom Filet Mignon à la minute<br />

am Tisch zubereite.“ Ich darf seine Küche am letzten<br />

Abend im Dowling’s genießen. Und träume immer<br />

noch von den feinen Geschmacksexplosionen, die<br />

Wild Burgundy Escargot, Maryland Crab Cake, Dover<br />

Sole und Crêpes Suzette an meinem Gaumen ausgelöst<br />

haben …<br />

TW<br />

the carlyle, a rosewood hotel, dZ ab 790 euro,<br />

rosewoodhotels.com<br />

madison milestones<br />

Ausgehtipps von Concierge Jeffrey Thoennes:<br />

Bar italia Feine italienische Küche, 100 Weine<br />

unter 100 Dollar, 768 Madision Ave.<br />

caviar russe Tasting-Menus, sonntags Caviar-<br />

Brunch, 538 Madison Ave.<br />

daniel Fine-Dining auf Spitzen-Niveau,<br />

<strong>60</strong> East 65th St.<br />

la Goulue Ikone unter den französischen Brasserien,<br />

seit 2018 mit neuer Adresse, 29 East 61st St.<br />

the Polo Bar Hotspot der Upper East Side,<br />

rechtzeitig online reservieren, 1 East 55th St.<br />

eleven madison Park Einziges veganes Drei-<br />

Sterne-Lokal – weltweit – unter Regie von<br />

Daniel Humm, 11 Madison Ave.<br />

annäherUnG ans carlyle<br />

singapore airlines fliegt täglich ab Frankfurt nach<br />

JFK Airport. Vor dem Abflug um 8.30 Uhr verbringen<br />

auswärtige Passagiere die Nacht am angenehmsten<br />

im 2020 eröffneten Frankfurt Airport Marriott<br />

Hotel, das sich „The Eatery Kitchen & Bar“, „The Bar“<br />

und „Davidoff Lounge“ mit dem benachbarten Sheraton<br />

teilt. An Bord des A380 genießen die Gäste den<br />

Komfort einer neuen Sitzgeneration in allen vier<br />

Buchungsklassen.<br />

singaporeair.com, marriott.com<br />

wish you<br />

were here<br />

mit exklusiven interviews und nie<br />

zuvor gezeigten Fotografien aus<br />

den frühesten archiven bis hin zu<br />

den exklusivsten Partys von heute<br />

ist dieses schwergewichtige Coffeetable<br />

Book eine Hommage an die<br />

reiche vergangenheit und lebendige<br />

Gegenwart dieses einzigartigen,<br />

weltberühmten Hotels.<br />

einführung: James reginato, vorwort:<br />

lenny Kravitz, 208 Seiten, 120 euro,<br />

assouline.com<br />

illustrationen: Kera Till (2), Chelsey mclaren (4)<br />

88 Traveller‘s <strong>World</strong>


auSSIchtS-reIch<br />

„a couple takes in the view of Central Park from The Carlyle“<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

89


stay<br />

new york<br />

90 Traveller‘s <strong>World</strong>


a man’S world<br />

ein zwei stockwerke<br />

einnehmendes<br />

spa,<br />

das neben einem<br />

Indoor-Pool auch<br />

ein Freiluftbecken<br />

bereithält, flackernde<br />

Kamine in<br />

jeder suite und eine<br />

Terrasse hoch über<br />

der 5th avenue<br />

gehören zur Grundausstattung<br />

des<br />

aman New York,<br />

das kein stadthotel,<br />

sondern ein Cityresort<br />

sein will<br />

new Kids<br />

in Town<br />

In New York gibt<br />

es genug Hotels?<br />

Finden developer<br />

nicht.<br />

Neue Häuser<br />

bereichern<br />

die Stadt,<br />

die niemals<br />

schläft<br />

Text MicHaEL HaNNwackEr<br />

Der Russe hat ein Auge für jedes Detail“, sagt<br />

Norbert Niederkofler 14 Stockwerke über der<br />

5th Avenue. Beim Breakfast auf der Terrasse des<br />

Aman New York (Steel-cut oatmeal, Mocha Java)<br />

sitzen wir zufällig neben dem Südtiroler Drei-Sterne-Koch, der bei<br />

der aus der Schweiz geführten Luxusgruppe als kulinarischer Berater<br />

angeheuert hat. Und erzählt, wie er Vladislav Doronin mehrfach bei der<br />

Neupositionierung von Lichtquellen oder Kunstwerken erlebt hat. 500 Millionen<br />

Dollar sollen den Immobilienentwickler die oberen 20 (von insgesamt<br />

26) Stockwerke des vor über 100 Jahren an der Ecke zur 57. Straße errichteten<br />

Crown Building gekostet haben, das in seinem Vorleben unter anderem die<br />

ersten Ausstellungsräume des MoMa, Diors New Yorker Niederlassung und die<br />

Redaktion des „Playboy“ beherbergte. In den mindestens 75 Quadratmeter großen,<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

91


stay<br />

new york<br />

von asiatischer Ästhetik inspirierten und fast zurückhaltend luxuriösen 84 Suiten, im zweigeschossigen<br />

Spa (mit Indoor- und Outdoor-Pool), in der verschwenderisch großen Lobby und<br />

den beiden exquisiten Restaurants stecken dem Vernehmen nach nochmals 1,4 Milliarden<br />

Dollar. Die Doronin verständlicherweise mittelfristig wiedersehen möchte.<br />

Das Aman New York mag deshalb die derzeit kostspieligsten Zimmer<br />

der Stadt haben, günstig wird die Nacht ab einem gewissen Niveau<br />

aber auch anderswo nicht. Fast zeitgleich hat mitten in Manhattans<br />

neuer hot hood das Ritz-Carlton New York, NoMad eröffnet. Der<br />

schlanke Stahl-und-Glas-Turm gönnt dem Gast in den nach Süden ausgerichteten<br />

Zimmern ab der 25. Etage aufwärts aus bodentiefen Fenstern überwältigendere<br />

Downtown-Blicke als das fünf Blocks nördlich aufragende Empire<br />

State Building. Und überrascht habituées des Marriott-Nobel-Brands mit<br />

einer konsequenten Abkehr von seinen gewohnten, im wahrsten Sinne<br />

alt-modischen Stilprinzipien.<br />

Zwei Meilen südlich, an der Südost-Ecke des ewig trendigen<br />

SoHo, befindet sich das Blink-and-you-will-miss-it-Entree des geheimtipp-schicken<br />

ModernHaus SoHo. Die schmale Lobby entließ uns<br />

in ein mit der hochkarätigen Kunstsammlung des Eigentümers<br />

dekoriertes, 18-stöckiges Hotel. Zwei der vier Wände unseres<br />

Zimmers waren aus Glas und unterhielten uns mit einem<br />

270-Grad-Tribeca-Panorama. Noch schöner: der Splash-Pool<br />

auf dem Dach und die angrenzende Rooftop-Bar „Jimmy“.<br />

Mindestens ebenso weitblickend ist ihr Pendant auf<br />

dem Graduate NYC, jüngstes Hotel einer aufregenden,<br />

sich vorwiegend auf amerikanische Universitätsstätten<br />

konzentrierenden Kette. In New York besetzt es die<br />

vielleicht ungewöhnlichste Location für begehrenswerte<br />

Gästebetten: Roosevelt Island, eine Insel im<br />

East River zwischen Manhattan und Queens.<br />

Der am Rande des dort errichteten Campus<br />

der Cornell Tech vom angesagten US-norwegischen<br />

Architekturbüro Snøhetta realisierte<br />

Aluminiumturm wirkt zwar eher ernst.<br />

Doch mit einer Fülle studentischer Anspielungen<br />

im Interior Design ist dieses<br />

Hotel sicher das amüsanteste der<br />

new kids in town.<br />

TW<br />

das Aman mag kostspielig<br />

sein, günstig<br />

wird die Nacht<br />

ab einem gewissen<br />

Niveau aber auch<br />

anderswo nicht<br />

a Star IS Born<br />

aman New York, ab<br />

2620 euro,<br />

The Crown Building,<br />

730 5th avenue,<br />

T. +1.212.970 26 26,<br />

aman.com/hotels/<br />

aman-new-york<br />

explorer’S lounGe<br />

Graduate NYC, ab 208 euro, roosevelt Island, 22 North loop road,<br />

T. +1.929.447 47 00, graduatehotels.com/new-york/<br />

92 Traveller‘s <strong>World</strong>


flat GlaSS BuIldInG<br />

The ritz-Carlton New York, NoMad, ab 885 euro, 25 West 28th street,<br />

T. +1.212.404 84 00, ritzcarlton.com/en/hotels/new-york/nomad#Hotel<br />

Soho houSe<br />

ModernHaus, ab 373 euro, 27 Grand street, T. +1.212.465 20 00,<br />

preferredhotels.com/hotels/united-states/modernhaus-soho<br />

Fotos: michael Kleinberg (1), Nikolas Koenig (1)<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

93


stay<br />

The Nautilus ist nicht viel größer als ein paar Fußballfelder.<br />

Binnen zehn Minuten hat man sie umrundet<br />

96 Traveller‘s <strong>World</strong>


Text rEiNHarD MODriTZ<br />

wir kuscheln uns in die Kissen unseres Daybeds, die Abendsonne färbt den Himmel<br />

leicht rosa. Mira hat gerade zwei Cocktails gezaubert, das Plätschern des Indischen<br />

Ozeans an die Pfähle unserer Wasservilla liefert den Soundtrack zu diesem idyllischen<br />

Moment. Besser geht’s nicht. Oder doch? Denn Villa und Sonnenuntergang<br />

gehören nicht zu irgendeiner der 180 Hotelinseln auf den Malediven. Und Mira ist<br />

nicht irgendein Butler. Für die Leser des „Condé Nast Traveller“, haben wir im Vorfeld gelesen, ist The Nautilus<br />

im Baa-Atoll schlicht das beste Resort im Indischen Ozean. Entsprechend hoch sind die Erwartungen.<br />

Aber was genau macht das kleine Eiland und das Boutique-Resort darauf so besonders? Einen ersten<br />

Eindruck gibt bereits der Empfang am Flughafen Malé: Während die meisten Ankömmlinge bei Passkontrolle<br />

und Sicherheitscheck Schlange stehen, werden wir direkt in die Arrival Lounge geleitet. Ein Held des<br />

Alltags kümmert sich um Gepäck und Einreiseformalitäten, während man uns einen belebenden Fruchtcocktail<br />

anbietet. Und die Wasserflugzeug-Minuten auf die Mini-Insel im Baa-Atoll legen wir höchstkomfortabel<br />

in der resorteigenen Twin Otter mit üppiger Business-Class-Ausstattung zurück.<br />

Am nächsten Morgen klingelt Mira an der Türe unserer Ocean Villa. Er bringt Schnorchel- und Tauchausrüstung<br />

für die nächsten Tage. Und hat eine Frage: Wann und wo wir unser Frühstück einnehmen wollen?<br />

In einem der vier Restaurants? In der Villa? Oder doch lieber ein Brunch auf der Sandbank? Wir entscheiden<br />

uns für frühes Sushi im „Ocaso“, dem vielleicht besten Japaner der Malediven.<br />

Ist dieser Fächer von Angeboten das Erfolgsgeheimnis der Luxusinsel? Dass,<br />

wie Andre Miethig, der deutsche General Manager, bei der Begrüßung ankün digt,<br />

„The Nautilus ein Ort ist, an dem nichts festgeschrieben und alles möglich ist“?<br />

Damit dies nicht nur ein Slogan bleibt, kümmern sich 150 Mitarbeiter rund um die<br />

Uhr um die maximal <strong>60</strong> Gäste. Wie Mira. Er ist unser ganz persönlicher House Master<br />

und erinnert an den Geist aus der Lampe im Märchen. Kaum äußern wir einen<br />

Wunsch, ist er auch schon erfüllt. Mira kümmert sich um Spa-Termine, organisiert<br />

den Törn mit der hauseigenen Yacht, würde bei Bedarf den Weinkühlschrank auffüllen,<br />

bucht den Tauchlehrer und kutschiert den Nachtschwärmer nächtens zurück zu<br />

seiner Villa; er ist der Erste am Morgen und der Letzte am Abend. Vor allem aber ist<br />

Mira eines: wie das gesamte Nautilus-Team vom Wunsch beseelt, die maledivische<br />

Gastfreundschaft von ihrer besten Seite zu zeigen.<br />

Die Insel Thiladhoo ist winzig, gerade mal 250 Meter im Durchmesser, ein fast<br />

perfekter Kreis. Ein Spaziergang von zehn Minuten auf dem puderzuckerfeinen<br />

Sandstrand, und man ist einmal rum. Darauf: vier Restaurants, ein Spa, 26 Beachund<br />

Ocean-Villen. Die größte, The Nautilus Mansion, 922 Quadratmeter, hat drei<br />

Schlafzimmer über zwei Etagen und kostet zur High Season knapp 17000 Euro<br />

– pro Tag. Wir haben uns mit einem der zehn One Bedroom Ocean Houses beschieden,<br />

aufgereiht am Steg wie die Perlen an einer Schnur. Es hat zwei wunderschöne<br />

Zimmer, misst großzügige 290 Quadratmeter, mit Dachgiebeln hoch wie eine<br />

Kathedrale, das Badezimmer samt Außendusche so groß wie auf anderen Inseln die ganze Unterkunft.<br />

Die Panorama-Glasfront öffnet sich zum großzügigen Sonnendeck samt der bereits erwähnten Daybed-<br />

Schaukel und einem Süßwasser-Pool über der azurblauen Weite des Indischen Ozeans. Anders als in<br />

WIE ES EUCH<br />

GEFÄLLT<br />

Mal mit dem resort -<br />

eige­nen­Wasserflugzeugzum<br />

Picknick auf eine<br />

einsame Sandbank? Oder<br />

zum Schnorcheln mit<br />

den Mantas? Der zauberhafte<br />

Service der Insel<br />

erfüllt (fast) jeden Wunsch<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

97


stay<br />

Chill or grill? Für den vielleicht besten Teppanyaki-Tisch der<br />

Malediven sind die Gäste schnell mal Feuer und Flamme<br />

vielen der größeren Resorts des Inselstaates ragt der Steg mit den Wasservillen nicht weit in den Ozean<br />

hinaus. So spazieren wir in ein, zwei Minuten zu den Restaurants und Bars. Und natürlich auch zum<br />

Solasta Spa, das sich einen Steg mit dem Fine-Dining-Restaurant „Zeytoun“ teilt.<br />

Am nächsten Morgen wird der Tauchlehrer vorstellig. Wann wir denn gerne mit der Yacht in See<br />

stechen möchten? Auch hier gibt es keine festen Zeiten, der Gast bestimmt seinen Tagesablauf nach Lust<br />

und Laune (die schon bei Ankunft bestens ist und sich erst in der Stunde des Abschieds trübt). Wir möchten<br />

möglichst umgehend, schließlich liegt The Nautilus mitten im UNESCO-Biosphären-Reservat.<br />

eine WhatsApp später wartet eine schneeweiße Schönheit auf uns an der Pier. Die Nautilus<br />

One wird uns zur berühmten Hanifaru Bay bringen, in der von Juni bis November<br />

die Mantarochen Hochsaison haben. An guten Tagen versammeln sich dann bis zu<br />

zweihundert Mantas im planktonreichen Wasser der Bucht – einzigartige Gelegenheit,<br />

mit den sanften Riesen des Meeres zu schwimmen. Die gilt es zu nutzen. Keine fünfzehn Minuten später<br />

liegen wir im Wasser und schnaufen durch den dünnen Schlauch. Und erleben, wie die Mantas, trotz<br />

eines Gewichts von bis zu zwei Tonnen und einer Spannweite bis zu sieben Metern, mit unnachahmlicher<br />

Eleganz unvergessliche Pirouetten drehen, oft nicht mehr als eine Armeslänge entfernt von den<br />

staunenden Gästen dieses weltweit einmaligen Naturschauspiels. Es ist wie ein Besuch in einer anderen<br />

Welt. Doch eine Viertelstunde später sind wir zu Hause und trinken einen Saft aus der Minibar. Bevor<br />

das Spa-Team das trockene Salzwasser auf unseren Wangen mit feuchtigkeitsspendenden Ölen ersetzt.<br />

Eigentlich wären wir schon jetzt in der Stimmung, The Nautilus einen Pokal zu verleihen.<br />

TW<br />

Ab 2590 Euro, thenautilusmaldives.com<br />

98 Traveller‘s <strong>World</strong>


STEGE<br />

ZUM GLÜCK<br />

Auf dem Pier Richtung<br />

Westen stehen Nautilus-<br />

Gäste vor einer schweren<br />

Entscheidung: rechts<br />

abbiegen zu Wellness im<br />

Solasta Spa? Oder links<br />

zum Fine-Dining-Restaurant<br />

Zeytoun (kleine<br />

Entscheidungshilfe: Dort<br />

schlummert die größte<br />

Gin- und Whisky-Sammlung<br />

der Malediven …)


taste<br />

Jeffrey Vella kreiert im „Cap Aureo“<br />

genussreiche Kunstwerke, gern mit Gemüse<br />

aus der Region in der Hauptrolle:<br />

Topinambur richtet er mit würziger<br />

Bagna-Cauda-Sauce und edlem<br />

Sevruga-Kaviar an<br />

Wenn Jeffrey Vella hinaus in die blaue Weite deutet, die sich vor dem Küstenstädtchen Rovinj<br />

erstreckt, meint man, er zeige sein persönliches Eigentum: „Die Adria ist meine Schatzkammer.“<br />

Stundenlang könnte der Küchenchef des „Cap Aureo“ auf der großen Panoramaterrasse<br />

des Restaurants darüber philosophieren, wie Meerestiefe und Wassertemperatur die Qualität<br />

von Fisch und Seafood beeinflussen. „Vor der istrischen Küste gedeihen Jakobsmuscheln und<br />

Austern perfekt. Weiter südlich in Dalmatien beträgt die Tiefe bis über 100 Meter, von dort<br />

kommt der schmackhafteste St. Pierre.“ Die besten Scampi wiederum kauft er von Fischern aus<br />

der Kvarner Bucht: „Die sind mit ihrer leicht süßlichen Aromatik unerreicht.“ Warum das so ist?<br />

„Weil sich dort die Wassertemperatur am Meeresgrund wegen der Strömungen permanent<br />

ändert und die Krustentiere sich ständig anpassen müssen. Das macht ihr Fleisch so zart und<br />

geschmacklich intensiv.“<br />

Seit der Eröffnung vor vier Jahren kocht Vella im Gourmetrestaurant des Grand Park Hotel<br />

Rovinj, das wie ein Schwalbennest am höchsten Punkt des ultramodernen Bauwerks thront.<br />

Der Chef setzt auf Gerichte, in denen er die Schätze Istriens vereint – erstklassige Meeresfrüchte<br />

und bestes Öko-Gemüse aus dem grünen Hinterland. „Life at the bottom“ nennt er eine<br />

114 Traveller‘s <strong>World</strong>


Kreation rund um Oktopus von der Insel Rab. Er gart ihn butterzart und serviert ihn<br />

mit Aglio, Olio e Peperoncino, der traditionellen italienischen Pastasauce nachempfunden.<br />

Dazu gibt es ultrafrische Jakobsmuschel aus Novigrad, aufgeschnitten als<br />

Carpaccio mit geeisten Zitrusperlen und gegrillter Aubergine, glasiert mit einem<br />

Miso, das aus lokalem Fenchel zubereitet wurde.<br />

Für den gebürtigen Malteser Vella, der im Laufe seiner Karriere unter anderem<br />

für Alain Ducasse und Gordon Ramsay arbeitete, ist Rovinj Wahlheimat: „Das<br />

Hinterland ist wie die Toskana vor 30 Jahren, voller kulinarischer Schätze.“ Tatsächlich<br />

ist Istrien – die Halbinsel zwischen Triest und Rijeka, wo Weinberge und Olivenhaine<br />

die Landschaft prägen, wo in den Wäldern wilder Spargel, Kastanien und<br />

Trüffel wachsen – heute für viele Besucher zu einem Gourmetziel geworden, das es<br />

mit den schönsten Ecken des Nachbarlands aufnehmen kann.<br />

Wegen Spitzenkoch<br />

Emanuele Scarello,<br />

seiner Schwester<br />

Michela und ihres<br />

Restaurants „Agli<br />

Amici“ haben<br />

Gourmets die Hafenpromenade<br />

von<br />

Rovinj zum Anlaufpunkt<br />

erklärt<br />

Dafür spricht auch die Tatsache, dass zusehends italienische<br />

Spitzenköche selbst in der Region aktiv werden: Emanuele<br />

Scarello zum Beispiel, der im friaulischen Udine das Zwei-<br />

Sterne-Restaurant „Agli Amici“ führt, eröffnete im Sommer<br />

2021 direkt am Yachthafen von Rovinj eine Dependance. Auch hier, im rundum<br />

verglasten Bau an der Hafenpromenade, ist der Panoramablick aufs Meer inklusive.<br />

Traveller‘s <strong>World</strong> 115


taste<br />

BoDENSCHäTzE<br />

Die heilige Dreifaltigkeit des<br />

istrischen Hinterlands heißt: Trüffel<br />

Olivenöl, Wein. Es ist ein offenes<br />

Ge heimnis, dass die viel gepriesenen<br />

italienischen Alba-Trüffel oft in<br />

Wirklichkeit aus Istrien stammen, die<br />

Olivenöle werden im führenden<br />

Branchenguide „Flos Olei“ hoch<br />

bewertet, und auch Istriens Winzer<br />

haben in den vergangenen 20 Jahren<br />

einen wahren Qualitätssprung vollzogen.<br />

Wir stellen drei führende<br />

Produzenten vor:<br />

oliVen Von chiaValon<br />

Sandri Chiavalon war 15 Jahre alt, als er<br />

seine ersten 100 Olivenbäume pflanzte – zur<br />

Erinnerung an den früh verstorbenen Vater.<br />

Heute führt er mit seinem Bruder Tedi in<br />

Vodnjan eine moderne Manufaktur mit rund<br />

9000 Olivenbäumen, die Haine werden nach<br />

strikt ökologischen Kriterien bewirtschaftet.<br />

Auf der Terrasse können Besucher die<br />

geschmacklichen Unterschiede der sechs<br />

angebotenen Öle – alle aus heimischen<br />

Olivensorten – verkosten.<br />

chiavalon.hr<br />

WeinGUt koZloVic<br />

Antonella und Gianfranco<br />

Kozlovic engagieren sich speziell<br />

für die wichtigste weiße Rebsorte<br />

Istriens, den Malvazija: „Wir<br />

wollen zeigen, wie viel Potenzial<br />

in unseren autochthonen Sorten<br />

steckt.“ Ihr ultramodernes Weingut<br />

liegt unterhalb des Dorfes Momjan<br />

mitten im Grünen und ist einen<br />

Besuch wert. Im Schatten alter<br />

Bäume lassen sich die besten Weine verkosten,<br />

allen voran der Santa Lucia aus einer Einzellage,<br />

bepflanzt mit <strong>60</strong> Jahre alten Reben, den<br />

viele für den besten Malvazija Istriens<br />

halten.<br />

kozlovic.hr<br />

trüffelmanUfaktUr<br />

karlic<br />

Schon seit drei Generationen geht die<br />

Familie Karlic im Mirnatal auf Trüffeljagd.<br />

Mit speziell trainierten Hunden durchstreifen<br />

sie die eigenen Wälder und verarbeiten das<br />

„Gold Istriens“ auch zu Spezialitäten von<br />

Trüffelsalami bis -honig. Wer mag, kann sie<br />

bei der Suche begleiten oder die begehrten<br />

Knollen im Laden verkosten. Übrigens:<br />

Auch Istriens Spitzenköche arbeiten mit<br />

Trüffeln von Karlic.<br />

karlictartufi.hr<br />

Istrien für Genießer: Flanieren am<br />

Yachthafen von Porec und danach auf<br />

ein Glas ins Spitzenweingut Kozlovic<br />

Doch er ist schnell vergessen, wenn Scarello auftischen lässt: fein gearbeitete<br />

Mousseline vom Wolfsbarsch mit Venusmuscheln und Meeräschenrogen,<br />

Steinbutt mit Mandelmilch, Kapern und Zitrone oder, nicht zu vergessen,<br />

Spaghetti mit Meereskräutern, fast schon ein Klassiker des Hauses. Die<br />

hausgemachte Pasta ist im Stil einer Carbonara mit sieben verschiedenen<br />

Strandgewächsen und Algen angemacht und schmeckt wie ein Mundvoll<br />

Meer.<br />

Die malerische Altstadt von Rovinj, die das wohl beliebteste Fotomotiv<br />

Istriens abgibt, steht wie kein anderer Ort an der Küste für den Aufschwung der<br />

Halbinsel zur gefragten Mittelmeerdestination. In den Gassen, die den Hügel<br />

hinaufführen, finden sich zahlreiche Feinschmeckeradressen. Ganz oben,<br />

direkt unterhalb der Basilika St. Euphemia, liegt etwa der rundum verglaste<br />

Wintergarten des „Monte“, 2020 das erste kroatische Restaurant überhaupt, das<br />

mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Noch stimmungsvoller sitzt man im<br />

unprätentiösen „Puntulina“ am Fuß des Altstadthügels, wo sich die Tische auf<br />

116 Traveller‘s <strong>World</strong>


Felsklippen direkt über dem Wasser drängen. Hier sind sogar Spitzenköche wie Tim<br />

Raue im Urlaub Stammgast, um sich zum Multicolor-Sonnenuntergang über dem Meer<br />

Wolfsbarsch für zwei am Tisch filetieren zu lassen. Oder sich eine große Serviette<br />

umzubinden und fangfrische Krebse mit den Händen zu zerlegen – am besten schmeckt<br />

das Corail, das Kenner aus den Körpern saugen.<br />

Wer Istrien noch mit den Cevapcici-Grillständen des letzten<br />

Jahrhunderts assoziiert, liegt definitiv falsch. Heute reicht<br />

das Spektrum von ländlichen Trattorien, die Gutes aus<br />

eigener Bio-Landwirtschaft servieren, bis zu jungen Spitzenköchen,<br />

die das kulinarische Erbe ihrer Heimat kreativ interpretieren. Man trifft sie zum<br />

Beispiel an der malerischen Uferpromenade des Städtchens Porec mit seinen ockerfarbenen<br />

und karminroten Altstadtfassaden. Hier macht Goran Hrastovcak im Restaurant<br />

„Spinnaker“ als junges Talent von sich reden.<br />

Der Kroate hat sich den Feinschliff im Drei-Sterne-Restaurant „La Pergola“ bei<br />

Heinz Beck geholt, dem besten Koch Roms. Dessen filigrane Pasta-Kunst inspirierte<br />

Hrastovcaks hauchzarte Ravioli, gefüllt mit Thunfisch aus lokalem Fang und gartenfrischen<br />

Zucchini mit fruchtbetonter Tomatensauce und Polentaschaum. Besonders stolz<br />

ist der junge Mann mit dem mächtigen Vollbart auf das Fleisch des heimischen Boskarin-Rinds<br />

– die schneeweißen Tiere mit den markant gebogenen Hörnern sieht man bei<br />

Genuss hoch zwei:<br />

fangfrische Krebse<br />

auf den Felsen im<br />

„Puntulina“ oder<br />

Goran Hrastovcaks<br />

Kreation aus Arabica-Kaffee,<br />

Haselnuss,<br />

Schokolade<br />

und Trüffel im<br />

„Spinnaker“<br />

Traveller‘s <strong>World</strong> 117


taste<br />

SCHWARZE<br />

MAGIE<br />

Er gilt als neues Wunderkind der französischen<br />

Spitzenküche und Darling der Pariser<br />

Modeszene, er modelt für Ralph Lauren und<br />

kocht für Louis Vuitton. Mory Sacko ist das<br />

gut gelaunte Gesicht des neuen Frankreich<br />

Text paTricia BröHM<br />

paris-tokio<br />

In sackos „Mosuke” treffen zwei kulinarische Welten<br />

kühn aufeinander, so wie der auf okonomiyaki (eine art<br />

japanische Pizza) servierte, leicht abgeflämmte bretonische<br />

Hummer an Teriyaki-Bisque<br />

126<br />

Traveller‘s <strong>World</strong>


Blindtext<br />

man musste schon ausgemachter<br />

Optimist sein, um im Corona-Jahr<br />

2020 ein Restaurant zu eröffnen. Mory<br />

Sacko ist einer. Im Frühjahr, während des ersten<br />

Lockdowns, war er durch die Koch-Show „Top<br />

Chef“ frankreichweit bekannt geworden, hatte mit<br />

schlaksiger Eleganz und breitem Lächeln die Herzen<br />

der Zuschauer erobert. Im Herbst eröffnete er sein<br />

eigenes Restaurant „MoSuke“ in Paris, zwei Monate<br />

vor dem nächsten Lockdown. Doch die wenigen<br />

Wochen hatten genügt, um dem jungen Talent<br />

hymnische Besprechungen in den wichtigsten<br />

Tageszeitungen zu sichern – und einen Michelin-<br />

Stern, der Anfang 2021 verliehen wurde. „Ich war<br />

völlig perplex“, sagt der heute 30-Jährige.<br />

Von da an geht es nur noch bergauf für den<br />

Sohn von Einwanderern aus Mali. Das Restaurant-<br />

Ranking „La Liste“ ruft ihn als eines der weltweit<br />

fünf größten Talente aus, das amerikanische „Time“-<br />

Magazin benennt ihn, in einer Reihe mit Greta Thunberg<br />

und der Blockbuster-Heldin Tessa Thompson,<br />

zum „next generation leader“ aus.<br />

Als der Sender France 3 ihm eine eigene Fernsehshow<br />

anträgt, bekommt Sacko Zweifel: Wird das<br />

TV-Publikum einen Zwei-Meter-Mann mit afrikanischen<br />

Wurzeln und Dreadlocks als Host akzeptieren?<br />

Er macht sich auf einen Shitstorm gefasst.<br />

Stattdessen wird das Format, in dem er die Rezepte<br />

und Spezialitäten von Frankreichs Regionen erkundet,<br />

mit bis zu 1,6 Millionen Zuschauern ein Riesenerfolg.<br />

„Es ist ein Zeichen, dass sich die Dinge in<br />

Frankreich ändern“, träumt Sacko.<br />

Sein kleines Restaurant in Montparnasse wird in<br />

kürzester Zeit nicht nur zu einem Symbol für die<br />

neue Offenheit der französischen Küche, sondern<br />

auch zum Hoffnungsträger für junge Menschen aus<br />

den Banlieues. Viele schreiben ihm Briefe. „Früher<br />

wollten dort, wo ich herkomme, alle Fußballer oder<br />

Popstar werden“, sagt er. „Heute träumen sie von<br />

einer Karriere als Chef.“ Das macht ihn stolz: „Ich<br />

hatte nie den Plan, ein Role Model zu werden. Aber<br />

genau das ist passiert.“<br />

Sein Küchenstil? Ein sehr persönlicher Mix aus<br />

französischen, afrikanischen und japanischen<br />

Einflüssen. Im „MoSuke“, dessen lichter Gastraum<br />

in Weiß und hellem Bambusholz gehalten ist, werden<br />

Gerichte serviert, die man so nirgendwo anders<br />

bekommt: bretonische Seezunge, im Bananenblatt<br />

auf den Punkt gegart und mit der japanischen<br />

Würzmischung Togarashi aromatisiert, dazu Attiéké,<br />

fermentierter Maniok, wie man ihn an der Elfenbeinküste<br />

isst. Und als Dessert marinierte Ananas mit<br />

Hibiskus-Sorbet und kandiertem Shiso-Blatt.<br />

Sehen und gesehen werden<br />

von ihrem Tempel auf der akropolis hat die<br />

Göttin der Weisheit zumindest das Treiben<br />

in den athener rooftop-Bars im Blick<br />

Traveller‘s <strong>World</strong><br />

127


taste<br />

Schattenspiele<br />

Mory sacko mixt einflüsse<br />

aus Frankreich,<br />

Japan und afrika zu<br />

seinem ganz eigenen,<br />

unverwechselbaren<br />

stil: Hochästhetisch<br />

angerichtet sind alle<br />

Teller im „Mosuke”<br />

(Bild rechts) – hier<br />

geräucherter aal, mit<br />

sepiatinte gefärbte<br />

Pasta, austernpilze,<br />

Tama-Miso und Foie<br />

gras. sein kleines<br />

restaurant in Montparnasse<br />

ist bewusst<br />

puristisch gehalten<br />

Für Sacko, der im Pariser Westen aufwuchs,<br />

bedeutet die Küche Afrikas Heimat. Jeden Abend<br />

versammelte sich in seiner Kindheit die Familie rund<br />

um den Tisch, und seine Mutter, eine begeisterte<br />

Köchin, servierte ihre scharf gewürzten Gerichte: „Wir<br />

waren neun Geschwister, das Abendessen war immer<br />

eine große Party.“ Es sind die Zutaten und Einflüsse<br />

aus Mali und dem Senegal, wo seine Mutter aufwuchs,<br />

die seine eigene Küche heute so unverwechselbar<br />

machen. Kochbananen, Maniok-Wurzeln oder<br />

Akpi-Nüsse aus Kamerun, die nach Schokolade<br />

duften, kauft er im 18. Arrondissement, wo Paris<br />

beinahe aussieht wie Dakar oder Bamako. Und wenn<br />

er mit einem afrikanischen Rezept nicht weiterkommt,<br />

ruft er einfach seine Mutter an.<br />

der Name „MoSuke“ steht nicht nur für<br />

Afrika, sondern auch für Japan als Inspiration<br />

der Küche. Zum Beispiel bei gegrilltem<br />

Hummer mit fermentierter Paprika, Tomate und<br />

Miso, dessen Umami-Power ein spannungsreiches<br />

Spiel mit der delikaten Süße des Krustentiers und der<br />

feinen Säure der Peperoni abgibt. Tatsächlich kombiniert<br />

„MoSuke“ seinen Namen mit „Yasuke“ – so hieß<br />

ein afrikanischer Sklave, der im Japan des 16. Jahrhunderts<br />

als „schwarzer Samurai“ zur Legende wurde<br />

und dessen Leben Stoff einer Netflix-Serie war. Schon<br />

als Teenager war Sacko fasziniert von japanischen<br />

Manga-Helden, verschlang die Abenteuer von<br />

„Dragon Ball“ oder „Nicky Larson“.<br />

Inspiriert von der Küche seiner Mutter und<br />

TV-Dokumentationen über französische Palasthotels,<br />

schreibt er sich mit 15 Jahren an der Hotelfachschule<br />

ein. Erst dort entdeckt er die kulinarische Welt jenseits<br />

von Poulet Yassa (mit Zitrone und Zwiebeln) oder<br />

Bœuf Mafé (mit Erdnusssauce), ist fasziniert von der<br />

großen französischen Küchentradition: „Ich hatte<br />

keine Großmutter, die Bœuf bourguignon kochte, für<br />

mich war das eine ganz neue Dimension.“ Er will alle<br />

Fertigkeiten und Finessen des Handwerks kennenlernen.<br />

Einige der besten Pariser Adressen zieren heute<br />

seinen Lebenslauf, vom Royal Monceau (bei Nobu<br />

Matsuhisa) über das Shangri-La bis zum Mandarin<br />

Oriental, wo er in Spitzenkoch und Japan-Liebhaber<br />

Thierry Marx seinen Mentor findet. Schnell steigt er in<br />

der Hierarchie auf. Als er sich bei „Top Chef“ bewirbt,<br />

ist er Marx’ Souschef – schon damals mit dem Traum<br />

vom eigenen Restaurant.<br />

Heute führt er nicht nur das „MoSuke“, sondern<br />

in Paris unter dem Label „MoSugo“ auch zwei<br />

tren dige Fastfood-Konzepte, weitere sind in Planung.<br />

Für Aufsehen sorgte im Sommer 2022 das Pop-up<br />

„Mory Sacko at Louis Vuitton“ in St. Tropez.<br />

Die Pariser Modeszene hatte den coolen Chef<br />

gleich zu Anfang für sich entdeckt, bald modelte<br />

er für Ralph Lauren und caterte für Emmanuel<br />

Macron. Die Dependance an der Côte d’Azur<br />

ergab sich quasi logisch aus der Zusammenarbeit<br />

mit Louis Vuitton. Thunfisch in Bissap-<br />

Vinaigrette mit geräucherter Paprika oder<br />

geröstete Seebrasse im Bananenblatt mit Kokosnuss,<br />

Curry und Limette schmeckten auch der<br />

It-Crowd an der Riviera. Die Fans hoffen darauf,<br />

dass das stylish inszenierte Lokal im Hotel White<br />

1921 diesen Sommer wieder aufpoppt.<br />

Die französische „GQ“ kürte den 30-Jährigen<br />

zum „Mann des Jahres 2022“. Wovon träumt einer,<br />

der scheinbar schon alles erreicht hat? „Irgendwann<br />

möchte ich ein Restaurant in Afrika eröffnen, vielleicht<br />

an der Elfenbeinküste oder im Senegal.“<br />

Vorläufig aber ist er vor allem auf eines stolz: Er hat<br />

bewiesen, dass man auch als Kind der Vorstadt mit<br />

afrikanischen Rezepten einen Stern erkochen kann.<br />

„Ich bin ein Franzose des 21. Jahrhunderts“, sagt<br />

Sacko. „Frankreich sieht heute auch ein Stück weit so<br />

aus wie ich.“<br />

TW<br />

„mosuke“, 11 rue raymond losserand,<br />

75014 Paris, t. 0033.1.43 20 21 39,<br />

mosuke-restaurant.com<br />

Fotos: virginie Garnier (2), Quentin Tourbez (5)<br />

128 Traveller‘s <strong>World</strong>


„IcH HATTE NIE DEN PLAN, EIN ROLE MODEL<br />

Zu WERDEN. IcH WOLLTE EINFAcH NuR GuT<br />

kOcHEN uND SPASS HAbEN“<br />

Traveller‘s <strong>World</strong> 129

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