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traVeLLer’s<br />
März 2023 - Mai 2023<br />
d 8,- € / a 9,- € / i 10,- € / L 9,50 € / e 10,- € / cH 15,50 sfr<br />
travellersworld.de<br />
in GOOd we trust<br />
California Dreamin’<br />
Auf der Traumstraße 101<br />
nördlich von San Francisco<br />
Das grüne Wunder<br />
Staunen im Naturparadies<br />
Costa Rica<br />
Trüffel, Wein, Oliven<br />
… und Milch und Honig<br />
fließen in Istrien auch<br />
Manhattan<br />
Transfer<br />
New Yorks beste alte und neue Adressen
Cyan Magenta Yellow Black
Cyan Magenta Yellow Black
check in<br />
In sechzig Ausgaben um die Welt<br />
Tosende Wasserfälle und tropische Regenwälder, knallbunte Aras, winzige Glasfrösche<br />
und gewaltige Buckelwale – die Ticos, die Einwohner Costa Ricas, sind stolz auf den<br />
Reichtum ihrer Natur. Das grüne Paradies zwischen Nicaragua und Panama ist aber auch<br />
ein Musterknabe in Sachen Nachhaltigkeit – und traumhafte Lodges, Tented Camps und<br />
Boutique-Resorts ziehen mit (ab Seite 24).<br />
Madonna, Jude Law, Meryl Streep, die Beckhams – die Liste der prominenten Fans von<br />
Apulien ist lang. Weil sie den italienischen Stiefelabsatz als Quelle puren Glücksgefühls erleben.<br />
Wer nicht gerade im Hochsommer kommt, genießt entspannten, mediterranen Lebensstil:<br />
800 teils spektakuläre Küstenkilometer, pittoreske weiße Dörfer, Felder mit tausendjährigen<br />
Olivenbäumen und eine Küche, die italienisch, aber doch ganz eigenständig ist (ab Seite 36).<br />
Wohnen wie Kennedy, Bob Dylan, Arthur Miller oder neuerdings wie ein Aman-Junkie?<br />
New York, nach der Pandemie lebendiger denn je, bietet für jede Klientel das passende Hotel.<br />
Den grandiosen Neueröffnungen im Big Apple stellen wir ab Seite 78 Hotel-Ikonen wie das<br />
The Carlyle oder das Chelsea gegenüber. Wobei der Vergleich nicht ganz fair ist. Für eine<br />
Nacht im Aman New York (2620 Euro) könnte man neunmal im Chelsea übernachten.<br />
Drei Reiseziele in einer Ausgabe, die die Jubiläums-Nummer <strong>60</strong> trägt. Seit 16 Jahren<br />
(ent)führt dieses Magazin seine Leser in Reportagen und opulenten Bildern, mit News und<br />
Tipps zu den schönsten Flecken dieser Erde. Entdeckt die exklusivsten Hotels, weist den Weg<br />
zu den entlegensten Hideaways, nimmt sie mit auf die schnittigsten Cruiseliner. Wir danken –<br />
gerade in Zeiten, in denen Magazine kräftig unter Druck stehen – allen Lesern, die uns über all<br />
die Jahre die Treue halten. Und allen, die Traveller’s <strong>World</strong> gerade schätzen lernen.<br />
Herzlich, Ihr<br />
Reinhard Modritz<br />
rm@travellersworld.de<br />
PS: Aktuelle News und die besten Storys aus vergangenen Ausgaben<br />
finden Sie auf unserer Website. Schauen Sie doch mal rein.<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
11
inside<br />
travel<br />
style<br />
24 Origins Luxury Lodge, Costa Rica<br />
24 La Pura Vida<br />
In Costa Rica tummelt sich –<br />
auf einer Fläche kleiner als<br />
Bayern – eine der größten Tiervielfalten<br />
der Welt. Und eine<br />
überschaubare Menge Besucher<br />
36 aPuLinaris<br />
Der italienische Stiefelabsatz ist<br />
eine Quelle puren mediterranen<br />
Ferienglücks, mit pittoresken<br />
Stränden, fantastischen Hotels<br />
und einer eigenständigen Küche<br />
46 One OH! One<br />
Die zweite Etappe auf dem Highway<br />
101, die Traumstraße des<br />
amerikanischen Westens, führt<br />
von der kalifornischen Grenze<br />
zur Golden Gate Bridge<br />
<strong>60</strong> ¡MaGnÍficO!<br />
Im schicksten Viertel der<br />
spanischen Metropole fasziniert<br />
das Rosewood Villa<br />
Magna als modernistische<br />
Stadtoase<br />
66 Lecces LicHtPaLast<br />
Eine Mailänderin hat einen<br />
Palast in der apulischen<br />
Barockstadt in ein erlesenes<br />
Design museum verwandelt<br />
72 Mitten iM Leben<br />
Zwei Schweizer Galeristen<br />
erweitern den Kunstbegriff<br />
auf Pubs, Hotels und die<br />
britische Countryside<br />
52 if YOu’re GOinG …<br />
… to San Francisco, you may<br />
leave the flowers behind. But in<br />
its mindblowing museums or<br />
outstanding restaurants, you will<br />
still meet some gentle people<br />
im Netz travellersworld.de<br />
Foto: Origins Luxury Lodge by Mantis<br />
12<br />
Traveller‘s <strong>World</strong>
inside<br />
stay<br />
new york<br />
36 Polignano, Apulien<br />
78 besucH der aLten daMe<br />
Die Geschichten aus dem<br />
Hotel Chelsea füllen Bände.<br />
Jetzt kommt die einer gelungenen<br />
Renovierung hinzu<br />
84 die institutiOn<br />
Promis wie George Clooney,<br />
Sofia Coppola oder Wes<br />
Anderson checken „Always<br />
at the Carlyle“ ein<br />
90 new kids in tOwn<br />
Clevere developer beziehen<br />
frische Betten. Wir haben<br />
uns vier aufregende neue<br />
Hotels angeschaut<br />
<strong>60</strong> Villa Magna, Madrid<br />
stay<br />
94 PerLbOOt<br />
Das Gehäuse dieses Kopffüßlers<br />
wurde in der Renaissance<br />
für Prunkgefäße genutzt.<br />
Sein Name jetzt für<br />
eines der schönsten Resorts<br />
der Malediven: The Nautilus<br />
100 dOMaines deLuxe<br />
„Überraschungen, Emotionen,<br />
Authentizität“ – mehr<br />
wollen die Schöpfer einer<br />
Gruppe individueller<br />
Retreats gar nicht erreichen<br />
106 in anderen sPHären<br />
Das Wellness-Retreat einer<br />
Investment-Bankerin auf<br />
dem Peloponnes stimmt<br />
einen ganz euphorisch<br />
taste<br />
112 essen Mit aussicHt<br />
Immer mehr Feinschmecker<br />
pilgern nach Istrien. Insider<br />
vergleichen das Potenzial<br />
der adriatischen Halbinsel<br />
mit der Toskana<br />
126 scHwarze MaGie<br />
Über das Talent des jungen<br />
Exil-Ivorers Mory Sacko<br />
spricht tout Paris. Und die<br />
Modewelt umschwärmt ihn<br />
Standards<br />
11 check in<br />
16 impressum<br />
130 check out<br />
Kennedy im Carlyle, 1962<br />
14 Traveller‘s <strong>World</strong><br />
100 Domaines de Fontenille<br />
112 Villa Meneghetti, Istrien<br />
Fotos: Luigi Vaccarella/Huber Images (1), Michael Hannwacker (1), Primard (1), Villa Meneghetti (1)
traVeLLer’s<br />
travellersworld.de<br />
Chefredakteur/ Reinhard Modritz<br />
Stv. Chefredakteur/ Dr. Michael Hannwacker<br />
Art Director/ Willi Marcel Müller<br />
Autoren/ Claudia Bette-Wenngatz, Patricia Bröhm, Stefan Elfenbein, Patricia Engelhorn, R.G. Falkner, Mathias Forster, Michael Hannwacker,<br />
Katharina Hesedenz, Charlotte Mann, Christine von Pahlen, Clara Silberstein<br />
Style Consultant/ Katharina Hesedenz<br />
Fotografen/ Guy Bourdin, Stefan Braun, Simon Brown, Felix Brueggemann, Sim Canetti-Clark, Katie Falkenberg, Fautre/Greg Lecoeur/Le Firago<br />
Magazine, Virginie Garnier, Michael Hannwacker, Aristide Mazzarella, Annie Schlechter, The Estate of David Gahr/getty immages<br />
Grafik/ Antje Bachmaier<br />
Illustrationen/ Kera Till, Chelsey McLaren<br />
Bildredaktion/ Birgitt Greim<br />
Schlussredaktion/ Achim Klede<br />
Postproduction/ Tini Van Ghemen, Lothar Hellmuth<br />
<strong>Travellers</strong>world.de/ Reinhold Zwiebler, Kristina Erhard<br />
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Verlag/ TRAVELLER’S WORLD Verlag GmbH<br />
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80538 München<br />
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Druck/<br />
Mayr Miesbach GmbH<br />
V. i. S. d. P./ Reinhard Modritz<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die<br />
Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Nachdruck,<br />
auch auszugsweise, bedarf der Zustimmung des Verlags.<br />
Cover: Illustration Kera Till,<br />
The Carlyle/ Assouline.com<br />
TRAVELLER’S WORLD<br />
finden Sie an folgenden<br />
exklusiven Plätzen:<br />
AN BOrD<br />
lUFTHaNsa First & Business<br />
lUFTHaNsa Private Jet / Frankfurt<br />
Ms europa 2<br />
sWIss / Zürich<br />
TUrKIsH Business<br />
LOuNges<br />
Ba / Berlin, München<br />
eMIraTes / DUS / FRA / MUC<br />
NeTJeT / MUC<br />
sWIss / Zürich<br />
vIP loUNGe / MUC / FRA / DUS<br />
stOres - MÜNCHeN<br />
BUCHerer<br />
erMeNeGIldo ZeGNa<br />
FeINKosT KÄFer<br />
KIToN<br />
HOteLs - DeutsCHLAND<br />
adloN KeMPINsKI, Berlin<br />
alTHoFF ColleCTIoN<br />
BaYerIsCHer HoF, München<br />
BreIdeNBaCHer, Düsseldorf<br />
BreNNers ParK-HoTel & sPa,<br />
Baden-Baden<br />
BÜloW PalaIs, Dresden<br />
HoTel de roMe, Berlin<br />
HoTel PalaCe, München<br />
KeMPINsKI aTlaNTIC, Hamburg<br />
KeMPINsKI BerCHTesGadeN<br />
KeMPINsKI TasCHeNBerG<br />
PalaIs, Dresden<br />
laNserHoF, Tegernsee<br />
MaNdarIN orIeNTal, München<br />
ParK HIlToN, München<br />
ParK-HoTel eGeNer HÖFe,<br />
Tegernsee<br />
GUT sTeINBaCH, Reit im Winkl<br />
soFITel, München<br />
THe CHarles, München<br />
vIlla KeNNedY, Frankfurt<br />
WeIsseNHaUs GraNd<br />
vIllaGe resorT & sPa, Ostsee<br />
HOteLs iNterNAtiONAL<br />
BaUr aU laC, Zürich<br />
CasTell soN ClareT, Mallorca<br />
GraNd HoTel KroNeNHoF,<br />
Pontresina<br />
FINCa CorTesIN, Marbella<br />
GraNd HoTel des BaINs<br />
KeMPINsKI, St. Moritz<br />
KaMeHa GraNd, Zürich<br />
KeMPINsKI HoTel das TIrol,<br />
Jochberg<br />
KeMPINsKI PalaIs HaNseN, Wien<br />
KUlM HoTel, St. Moritz<br />
laNserHoF, Tirol<br />
THe dolder GraNd, Zürich<br />
vIlla d’esTe, Lago di Como<br />
DiVers<br />
rIsToraNTe Gallo Nero,<br />
Hamburg<br />
16 Traveller‘s <strong>World</strong>
shorts<br />
Wenn die Gondeln Bauer tragen …<br />
… werden Objekte, die das Auktionshaus Artcurial binnen fünf Tagen versteigert<br />
hat, ihr bisheriges Heim verlassen. Das Hotel Bauer Palazzo am Canal<br />
Grande, Gastgeber unter anderem von Prinz Charles und Camilla, wird<br />
bis 2025 renoviert, die alte Ausstattung muss raus. Wenn die Taxen halten,<br />
könnten einzelne Positionen, wie die drei Bergères-Gondoles-Sessel auf<br />
unserem Bild, günstiger zugeschlagen werden, als die Nacht in dem<br />
ikonischen Hotel gekostet hat. 24. bis 29. April, Hotel Bauer Palazzo, artcurial.com<br />
L’été est là<br />
Für Louis Vuitton ist der Sommer schon da. Passend zu den lauen<br />
Nächten und strahlenden Tagen präsentiert das französische Modehaus<br />
die kultigen Modelle seiner Taiga Collection – darunter die<br />
Outdoor Messenger Tasche (1750 Euro), die Keepall 50B (2550 Euro)<br />
oder der Discovery Rucksack (2100 Euro) – in optimistischen Farben<br />
wie Neongelb, MiamiGrün und optischem Weiß. louisvuitton.com<br />
Fotos: Louis Vuitton, Hotel Bauer Palazzo, Artcurial<br />
Unter ferner riechen<br />
Das Duftkonzept<br />
Les Destinations entführt<br />
mit seinen Parfüms<br />
zu fernen Zielen. Etwa<br />
in den Oman (rechter<br />
Flakon) oder nach Costa<br />
Rica (links). Empfehlen<br />
wir als Begleitung zu<br />
unserer Destinationsgeschichte<br />
ab Seite 24.<br />
Je 50 ml, 120 euro, les-destinations.de<br />
18 Traveller‘s <strong>World</strong>
shorts<br />
Flacher fliegen<br />
Zwölf Jahre ist es her, dass die Airline mit dem Kranich ihre erste Klasse das<br />
letzte Mal überarbeitet hat. Nun will die Lufthansa Ende des Jahres mit<br />
ihrer neuen Allegris First Class an den Start gehen. Zunächst auf den Airbus<br />
A350 beschränkt, hat das Londoner Designbüro PriestmanGoode Suiten mit<br />
180 Zentimeter hohen Wänden, fast einen Meter breiten Sitzen, verschließbaren<br />
Türen und einem Esstisch entworfen, an dem der Passagier auch einen Gast<br />
empfangen kann. Fast schon ein Privatflugzeug. lufthansa.com<br />
Wasser und Wein<br />
Easy Rider<br />
Surfin’ USA? Nein, mit dem Fliteboard<br />
Ultra L auch gern am Bondi Beach. Dank<br />
einer extraleichten Lithiumbatterie wiegt<br />
das in Byron Bay an der Gold Coast konzipierte<br />
Ding nur 22,5 Kilo, ist mit seinen<br />
in maxi maler Nähe zum Mast platzierten<br />
Akkus schon für beginners erstaunlich leicht<br />
über die Wellen zu lenken und kann sich<br />
45 aufregende Minuten über Wasser halten.<br />
Um 12300 Euro, fliteboard.com<br />
Für die Oenophilen unter den Windjammer-Fans ist es seit Jahren ein Fixtermin.<br />
Auch in diesem Spätsommer startet die Sea Cloud II unter dem Motto „Wellen, Wein<br />
und Winzer” zu großer Fahrt. Diesmal wird hart am Wind und entlang der kroatischen<br />
und italienischen Adria gesegelt. Mit an Bord ist der Weinexperte und Publizist<br />
Eberhard Spangenberg von Garibaldi München. Vom 31. August bis 8. September<br />
besuchen die Bacchus-Jünger ausgewählte Winzer und können ihr Wissen bei<br />
Weinproben an Bord vertiefen. Nach einem Besuch im idyllischen Trani lichtet der<br />
elegante Dreimaster in Bari die Anker und segelt über die Bucht von Kotor, Dubrovnik,<br />
Split, Zadar und Ravenna bis nach Venedig. Salute! buchung@garibaldi.de<br />
Alpenklassiker<br />
Die eine Voraussetzung: ein Automobil mit<br />
Baujahr vor 1975 (das man sich zur Not<br />
für die Südtirol Classic Schenna auch leihen<br />
kann). Die zweite: Bombenwetter, dass die<br />
300-Sonnentage-im-Jahr-Region allerdings<br />
nahezu garantieren kann. Aussichtsreiche<br />
Etappen führen hinauf aufs aussichtsreiche<br />
Sellajoch in den Dolomiten oder entlang<br />
der Südtiroler Weinstraße. Nicht umsonst<br />
freuen sich regelmäßige Teilnehmer auf<br />
eine der renommiertesten Oldtimer-Rallyes<br />
im Alpenraum. Teilnahme ab 2300 Euro,<br />
2. bis 9. Juli, suedtirolclassic.com<br />
Foto: Südtirol Classic Schenna/Klaus Peterlin<br />
20 Traveller‘s <strong>World</strong>
shorts<br />
Weiter, Bildung!<br />
Eine großartige Ausstellung ist ein ausgezeichneter Anlass für<br />
eine Reise. In den nächsten Wochen zum Beispiel diese drei:<br />
Drei Tage nur hat es gedauert, da waren die 450 000 Tickets ausverkauft.<br />
Kunstfreunde aus aller Welt wollten die einmalige Gelegenheit nicht versäumen,<br />
28 der nur 37 bekannten Gemälde Jan Vermeers zusammenzusehen,<br />
die das Rijksmuseum (bis 4. Juni, rijksmuseum.nl) in Amsterdam<br />
in seiner Jahrhundertausstellung versammelt hat. Wer leer ausgegangen<br />
ist, hofft auf die guten Verbindungen eines Spitzenhotels wie des Conservatorium<br />
(thesetcollection.com), eines von nur drei Häusern (die anderen<br />
beiden stehen in London und Paris) der exklusiven Set Collection.<br />
Keine Frage, Rovereto zählt nicht zu den bedeutendsten Kunststädten<br />
Italiens. Einen Zwischenstopp aber rechtfertigt das vom Tessiner<br />
Stararchitekten Mario Botta konzipierte Museo d’arte moderna e contemporanea<br />
MART (bis 18. Juni, mart.tn.it) in diesem Frühling mit einer<br />
Konfrontation des österreichischen Jugendstilmeisters Gustav Klimt mit<br />
italienischen Antipoden wie Felice Casorati oder Vittorio Zecchin. Und<br />
wegen der Küche des Lokalmatadors Alfio Ghezzi im Museumsrestaurant „Senso“.<br />
Auch nach Norditalien, aber in eine ganz andere<br />
Epoche, führen die Fotografien von Guy Bourdin<br />
(1928–1991) in den Armani Silos (bis 31. August,<br />
armanisilos.com) in Mailand. Der grellfarbige, cinematografische<br />
Ansatz des als Luftfotograf<br />
bei der französischen Armee in Senegal<br />
gestarteten, früh von der französischen<br />
„Vogue“ entdeckten Talents macht ihn<br />
zu einem frühen Geistesverwandten<br />
Helmut Newtons. „Bourdin ist nicht<br />
der Masse gefolgt und hat keine Kompromisse<br />
gemacht, und damit kann<br />
ich mich identifizieren“, kommentiert<br />
Gior gio Armani. „Ich glaube nicht,<br />
dass es einen anderen Weg gibt, um<br />
der kollektiven Vorstellungskraft einen<br />
Stempel aufzudrücken.“<br />
Fotos: Jan Vermeer: Girl with a Pearl Earring, Mauritshuis, The Hague (1), Gustav Klimt, Giuditta II, 1909 © Fondazione Musei Civici di Venezia, Galleria Internazionale d’ Àrte Moderna di Ca`Pesaro (1), MART ©Christian Kerber (1), Charles Jourdan, 1972 ©The Guy Bourdin Estate (1)<br />
22 Traveller‘s <strong>World</strong>
travel<br />
Aufsteiger<br />
Wer kann, leistet sich eine Masseria<br />
in apulien. viele andere machen<br />
zumindest Urlaub dort. ab Seite 36<br />
reich und schön<br />
Besuch in Costa Rica, das<br />
Paradies Mittelamerikas<br />
rocking down the Highway<br />
Von Norden Richtung<br />
San Francisco, auf dem<br />
grandiosen 101<br />
Foto: Masseria Torre Coccaro<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
23
costa rica<br />
26 Traveller‘s <strong>World</strong>
freier BliCK, freier KOPf Die wildromantische Origins luxury lodge<br />
by Mantis an einem Berghang im norden von Costa rica bietet nicht nur<br />
von den resorteigenen Pferden Panoramablicke hinüber nach nicaragua.<br />
Der nauyaca-Wasserfall bei Uvita fällt freie 45 Meter<br />
Text KaTharina hesedenz<br />
der Tag ist jung, die Stimmung entrückt, die Lage unwirklich schön. Vor meinen<br />
Füßen fallen bewaldete Berghänge steil ab ins Meer. Die Villa im costa-ricanischen<br />
Hotel Kurà (ab 7<strong>60</strong> Euro, kuracostarica.com) bietet einen Blick, für den man sonst<br />
in einen Heißluftballon steigen muss. Kurà bedeutet in der Sprache des indigenen<br />
Boruca-Volkes Jaguar und verkörpert den Lebenstraum eines einheimischen Biologen- und<br />
Architektenpaares. Alejandra Umana und Martin Wells haben das Haupthaus und acht Minimal-<br />
Chic-Glasvillen so schwebend leicht in der Wildnis platziert, dass sich ein Gefühl von Unwirklichkeit<br />
einstellt. Als jetzt auch noch zwei ausgewachsene Scharlacharas mit Regenbogenschweifen vorüberziehen,<br />
scheinen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit zu verschwimmen. Und weil das<br />
Handy außer Griffweite liegt, gibt es auch keinen Beweis für die Begegnung. Zum Glück knabbern<br />
drei Tukane immerzu und besonders fotogen am Beerenbaum vor der Terrasse …<br />
Auch auf dem Weg zum Hauptgebäude – er schlängelt sich die Bergflanke entlang durch einen<br />
Garten, dessen Schönheit europäische Landschaftsarchitekten demütig machen müsste – möchte<br />
man pausenlos Bilder machen. Im Pool treibend, sehe ich Affen beim Spielen zu und handtellergroßen<br />
Morpheus-Schmetterlingen beim Flirten – und entdecke am späten Nachmittag weit<br />
unterhalb im Ozean einen einsamen Wal. Alejandra erzählt später, dass Buckelwale an Costa Ricas<br />
Pazifik küste vorbeischwimmen, um sich im warmen Wasser zu paaren und Babys zur Welt zu<br />
bringen. Dieser scheint ein Nachzügler zu sein, der den Anschluss verloren hat.<br />
Die Ticos (wie die Einwohner sich selber nennen) sind stolz auf den einzigartigen<br />
Naturreichtum, über den ihr kleines Land verfügt. Mit einer halben<br />
Million Arten tummelt sich auf einer Fläche kleiner als Bayern eine der größten<br />
Tiervielfalten der Welt; nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Mikroklimata.<br />
Das liegt auch an der geologischen Vergangenheit. Vor etwa drei Millionen<br />
Jahren schoben zwischen Nord- und Südamerika zwei tektonische Platten<br />
gegeneinander und formten eine schma le, zerklüftete Landbrücke voller Berge.<br />
Der höchste heißt Chirripó und ragt fast 4000 Meter auf. Dank der tropischen<br />
Lage zehn Grad nördlich des Äquators fanden viele der durchziehenden Tierarten<br />
in den Schluchten und Tälern ideale Bedingungen, um die letzte Eiszeit<br />
zu überstehen. Bis heute kann man hier zehn Prozent der weltweiten Schmetterlingspopulation<br />
sehen und 112 Vulkane, deren jüngster und aktivster, Arenal,<br />
einem düsteren Hexenkessel gleicht.<br />
Christoph Kolumbus, der 1502 an der Karibikküste landete, konnte<br />
sein Glück kaum fassen, als er den prächtigen Gold- und Jadeschmuck der<br />
einheimischen Frauen sah. Voreilig nannte er das Land „die reiche Küste“,<br />
dabei gab es für Conquistadores nichts zu holen. Der Habenichts unter den<br />
spanischen Kolonien konnte weder Edelmetall noch Bodenschätze liefern,<br />
wurde fortan in Ruhe gelassen und driftete 1821 entspannt als Teil des<br />
Generalkapitanats Guatemala in die Selbstständigkeit. Während der Rest der<br />
Welt 1948 noch mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zu tun hatte,<br />
schaffte der nur 150 Kilometer breite und 500 Kilometer lange Zwergstaat sein<br />
stehendes Heer ab. Die frei gewordenen Gelder wurden und werden so erfolgreich in Schulen<br />
und Kliniken gesteckt, dass das Land heute gemeinsam mit Mexiko den höchsten Sozialstandard<br />
in Lateinamerika besitzt. Im „Happy Planet Index“ liegt es aktuell zum vierten Mal<br />
auf Platz eins.<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
27
style costa rica<br />
fAUlTiere Wie DU UnD iCh im nayara Tented Camp machen pelzige<br />
experten vor, wie entspannung geht. im Kurà an der Pazifikküste könnte<br />
man Whale Watching sogar von der eigenen Terrasse aus betreiben<br />
28 Traveller‘s <strong>World</strong>
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
29
apulien<br />
Strahlkraft<br />
das winzige Fischerdorf san vito ist bei sonnenuntergang am schönsten. seine schmucke<br />
sandbucht lagert zu Füßen einer abtei aus dem 10. Jahrhundert<br />
36<br />
Traveller‘s <strong>World</strong>
A P<br />
U<br />
L I<br />
Luxus-Farmen, unverbaute<br />
Landschaften, schicke<br />
Beach Clubs, gute Küche<br />
– Italiens Stiefelabsatz<br />
sprudelt als Quell für<br />
verwöhnte Urlaube.<br />
Wer nicht gerade im<br />
Hochsommer kommt,<br />
erlebt zudem einen höchst<br />
entspannten mediterranen<br />
Lebensstil<br />
N ARI<br />
S<br />
Text paTricia ENGELHOrN<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
37
apulien<br />
wie viele Seeigel<br />
soll ich<br />
bringen? 20?<br />
50? 100?“<br />
Signora Giusi<br />
hat den Tisch<br />
gedeckt: ein helles Baumwolltuch und<br />
Stoffservietten, schlichte Teller und<br />
leichte, langstielige Weingläser. Die grob<br />
geschnittenen Weißbrotscheiben sind in<br />
einer Papiertüte verpackt, für den sanft<br />
perlenden Rosé gibt es einen Weinkühler.<br />
Vom Meer, das nur ein paar Meter weiter<br />
auf die Klippen schwappt, kommt eine<br />
leichte Brise, trotzdem haben die Gäste<br />
ihre Jacken ausgezogen, denn in der<br />
Mittagssonne ist es bereits jetzt wohlig<br />
warm. An den Tischen, die neben einer<br />
weiß lackierten Holzhütte im Freien<br />
stehen, sitzen ausschließlich Menschen<br />
aus der Umgebung. Sie wissen, dass es im<br />
„Principe del Mare“ die besten Spaghetti<br />
alle vongole und einen zarten Oktopussalat<br />
gibt. Doch jetzt im Frühjahr haben<br />
Seeigel Hochsaison, und in den Mülleimern<br />
türmen sich die stacheligen Schalen.<br />
Echte Liebhaber schaffen bis zu 150 Stück,<br />
erzählt Giuseppina Cardone, Inhaberin<br />
des kleinen Familienbetriebs mit dem<br />
fürstlichen Namen, der irgendwo an der<br />
Küste bei Savelletri steht. „Allora, wie<br />
viele möchten Sie?“<br />
Süditalien, die Adria, eine Fischbude<br />
am Meer – Apulien ist nicht nur im<br />
Sommer schön. Bevor die große Hitze<br />
und die vielen Urlauber kommen, hat<br />
man hier noch Zeit für ein Schwätzchen:<br />
Signora Giusi erzählt, dass sie das<br />
Principe del Mare“ von ihrem Vater<br />
übernommen und klammheimlich peu à<br />
peu aufgehübscht hat. Dass der Vater<br />
heute am liebsten auf einem verwitterten<br />
Plastikstuhl beim Parkplatz sitzt und den<br />
langsam anrollenden Autos „ricci, ricci“<br />
(Seeigel) entgegenruft und „venite a<br />
mangiare“ (kommt essen) – als ob nicht<br />
ohnehin jeder Tisch besetzt wäre. Dass im<br />
vergangenen Sommer Madonna unangemeldet<br />
mit ein paar Freunden in der Tür<br />
stand und dass ihr andere Gäste erst mal<br />
erklären mussten, wer das ist.<br />
Madonna, Jude Law, Mick Jagger,<br />
Meryl Streep, Emmanuel Macron, die<br />
Madonna,<br />
Mick Jagger,<br />
Meryl Streep,<br />
Macron, die<br />
Promi-Liste<br />
ist ellenlang<br />
Beckhams … die Promi-Liste ist ellenlang. Kein Wunder: Die Region im<br />
Absatz des Stiefels punktet mit 800 teils spektakulären Küstenkilometern,<br />
tausendjährigen Olivenbäumen, fruchtbaren Feldern und weißen Dörfern,<br />
die wie Adlerhorste auf Hügelkuppen thronen. Wer die Landstraße nach<br />
Cisternino fährt, kommt an graugrün schimmernden Olivenhainen und<br />
putzigen Trulli – den landestypischen Rundhäuschen mit Kegelsteindach –<br />
vorbei. Die engen Altstadtgassen im ummauerten Dorfkern winden sich wie<br />
ein Schneckenhaus, das labyrinthische Zentrum ist autofrei, und auf der<br />
wunderschönen Piazza Vittorio Emanuele stehen die Tische der „Bar FOD“,<br />
wo man zum Cappuccino einen mit Quarkcreme gefüllten Cannolo bekommt.<br />
an der Küste locken barocke Städtchen wie<br />
Monopoli mit großartiger Basilika und einem<br />
Knäuel schmaler Gassen, die oft völlig überraschend<br />
an idyllischen Plätzen enden – etwa<br />
dem Largo San Giovanni mit der lässigen Wine Bar „Baldovino“, der Piazza<br />
Palmieri mit gleichnamigem Terrassenrestaurant oder der Piazza Garibaldi,<br />
dem Salon des Städtchens. Die hoch über dem Meer gelegene Uferpromenade<br />
führt dagegen zum alten Hafen mit seiner gut erhaltenen Festung aus<br />
dem 16. Jahrhundert oder, in die andere Richtung, zum Strand oder zu einer<br />
Folge zauberhafter Buchten, an denen sich zuletzt immer mehr schicke Beach<br />
Clubs etabliert haben. Zu den besonders angesagten zählen der von steilen<br />
Klippen flankierte Lido Marzà, der hippe Cala Cerasa und der sichelförmige<br />
Strand von Porto Ghiacciolo zu Füßen einer mächtigen Küstenfestung.<br />
„Noch vor zehn Jahren waren solche Etablissements an unserer Küste<br />
eine Seltenheit“, sagt Vittorio Muolo, der mit seinem eigenen, 2005 eröffneten<br />
„Coccaro Beach Club“ Pionierarbeit leistete. Und nicht nur damit: Ihm gehört<br />
auch die Masseria Torre Coccaro, die vor gut 20 Jahren als eine der ersten<br />
Luxus-Masserien zahlende Gäste empfing und bis heute zu den romantischsten<br />
und elegantesten Herbergen weit und breit gehört. Vittorio Muolo und<br />
dem inzwischen verstorbenen Unternehmer Sergio Melpignano, Gründer<br />
der vornehmen Masseria San Domenico und des exklusiven Hoteldorfs<br />
38 Traveller‘s <strong>World</strong>
IntImSphäre<br />
der kleine Privatpool im Hof der villa Jasmine, der wohl schönsten Unterkunft<br />
der Masseria Torre Coccaro, ist nur für die vögel einsehbar<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
39
apulien<br />
40 Traveller‘s <strong>World</strong>
„Ein größeres<br />
Anwesen kostet<br />
jetzt leicht<br />
ein paar<br />
Millionen“<br />
Borgo Egnazia, ist es zu verdanken, dass zwischen dem Küstennest Savelletri<br />
und dem angenehm untouristischen Städtchen Fasano eine Art Edel-Enklave<br />
entstanden ist, die Apulien auf den Radar anspruchsvoller Individualreisender<br />
katapultiert hat.<br />
„Als ich so um 2002 ein kleines Bed & Breakfast in Cisternino eröffnete,<br />
bekam ich die Lizenznummer 136“, erzählt Caroline Groszer, die sich<br />
im Urlaub in die Region verliebt hatte, „vor mir gab es in der ganzen Region<br />
nur 135 Hotels, B&Bs oder Ferienresidenzen.“ Damals war Apulien noch<br />
ein echter Geheimtipp, Land und Häuser kosteten nicht viel. Auch als die<br />
unternehmungslustige Schweizerin ein paar Jahre später nach einem<br />
größeren Objekt suchte, genau genommen nach einer Masseria, also einem<br />
jener alten, meist kubisch gebauten und fast arabisch wirkenden Bauernhöfe,<br />
gab es noch Auswahl: „Ich habe mir bestimmt 50 Stück angesehen. Ich wollte<br />
unbedingt in die Nähe der beiden Big Player, denn das sind Einheimische,<br />
die wissen, weshalb sie genau hier Unsummen investieren.“<br />
Schließlich fand sie eine seit 30 Jahren leer stehende Masseria, die vor<br />
lauter Pflanzen kaum noch zu sehen war, und kaufte sie, für 400 000 Euro,<br />
mithilfe eines EU-Programms für Jungunternehmer. Kurz vor Ostern 2008<br />
waren die neun Gäste-Studios und Suiten fertig. „Von Anfang an wollte ich<br />
die alten Mauern mit jungem Design füllen und mich dadurch von anderen,<br />
mal rustikal, mal antik gestalteten Masserie der Mitbewerber unterscheiden“,<br />
erzählt sie. So hängt hier eine Flos-Pendelleuchte von der gewölbten<br />
Decke, der runde Esstisch darunter ist von Saarinen, der Schaukelstuhl von<br />
Charles und Ray Eames, die Zitronenpresse von Philippe Starck, und die<br />
Ganz In weISS<br />
In der altstadt von Monopoli wähnt man sich fast in Griechenland (links oben, weiter im<br />
Uhrzeigersinn). der kleine Concept store Galleria valencienne in ostuni gehört laurence<br />
Pineau valencienne aus Paris. die drolligen Trulli sind längst Wahrzeichen apuliens. der<br />
Pizzabäcker von Calderisi, der jüngsten luxus-Masseria, hat sichtlich spaß<br />
abstrakten Kunstwerke an den weiß<br />
gekalkten Wänden stammen von Raffaele<br />
Quida aus Lecce. Jede Wohneinheit hat eine<br />
Privatterrasse, die große „Romantica“-<br />
Suite sogar eine mit Meerblick. Um die<br />
Masseria herum stehen Feigen-, Zitronenund<br />
Mandelbäume, Kapern- und Rosmarinbüsche<br />
sowie über 1500 Olivenbäume,<br />
aus denen das unglaublich aromatische<br />
Alchimia-Olivenöl entsteht.<br />
Der Masseria-Markt ist in den<br />
letzten Jahren explodiert, die alten Landgüter<br />
sind gefragt wie nie zuvor. „Ein<br />
größeres Anwesen kostet jetzt leicht ein<br />
paar Millionen – wenn man überhaupt<br />
eines findet“, sagt Vittorio Muolo. Er<br />
selbst hat sein zweites Hotel, die intime,<br />
edel gestylte und gleich neben Torre<br />
Coccaro gelegene Masseria Torre Maizza<br />
vor wenigen Jahren an Sir Rocco Forte<br />
ver pachtet, der es ausbaute, umgestaltete<br />
und zum wohl teuersten Urlaubsresort<br />
der Region machte. Mit den Rocco Forte<br />
Hotels betrat die erste international aktive<br />
Luxus-Hotelgruppe apulischen Boden –<br />
andere folgten: Die majestätische Masseria<br />
Le Taverne unweit von Ostuni wird gerade<br />
in ein Belmond-Hotel verwandelt, unweit<br />
davon an der Küste baut Four Seasons ein<br />
Hoteldorf. J.K.-Place-Group-Gründer Ori<br />
Kafri schaut sich in der Gegend um, Hyatt<br />
sucht angeblich nach einem Standort, und<br />
man munkelt, dass sich Mandarin Oriental<br />
für die perfekt restaurierte Masseria<br />
La ma coppa der Verleger-Familie Mondadori<br />
interessiert.<br />
dass Ostuni und Umgebung<br />
in den Fokus<br />
rücken, ist kein Wunder:<br />
Dort gibt es noch kaum<br />
Luxushotels, aber viele alte, halb verlassene<br />
Dörfer, leer stehende Landgüter und,<br />
ja, ein paar prächtige Masserie. Außerdem<br />
ist Ostuni wunderschön. Schon von<br />
Weitem strahlt das strahlend weiße<br />
30 000-Einwohner-Städtchen Besuchern<br />
entgegen. Keine hässlichen Bauten<br />
verschandeln die Peripherie und schon<br />
gar nicht das Zentrum mit der weitläufigen<br />
Piazza della Libertà, dem imposanten<br />
Dom, den kopfsteingepflasterten<br />
Altstadtgassen und der mächtigen<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
41
west coast<br />
Ninth Day Acht Tage hat unser Chevrolet Suburban,<br />
ein Modell, das seit 1934 auf US-Highways<br />
unterwegs ist, und den uns Individualreise-Spezialist<br />
America Unlimited für die über 2000 Kilometer lange<br />
Strecke bei Alamo gebucht hat (ab ca. 3599 Euro p. P.<br />
im DZ inkl. Flügen und Mietwagen, T. 0511.37 44 47 50,<br />
america-unlimited.de), bereits hinter sich. Und kaum<br />
hat er die kalifornische Grenze überquert, will er sich<br />
unter die Riesen des Sunshine State mischen. Der<br />
Jedediah Smith Redwoods State Park (benannt nach<br />
einem Pelzjäger, der sich als einer der Ersten zur kalifornischen<br />
Küste durchschlug), ist, von Norden kommend,<br />
die erste Gelegenheit für eine Begegnung mit<br />
den Mammutbäumen. Überwältigt schlängeln wir uns<br />
dann entlang der wild zerklüfteten Küste nach Eureka.<br />
46<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
„Take it easy / Take it easy /
one oh! one<br />
Auch auf der zweiten Etappe (die erste haben wir in TW 59<br />
vorgetragen), die entlang der kalifornischen Küste bis zum Golden<br />
Gate führt, bestätigt sich unsere These: Aufregender (und<br />
deutlich einsamer) als die Big Sur ist die legendäre U.S. Route 101 –<br />
und später der Highway 1 – nördlich von San Francisco<br />
Text und Fotos MicHaEL HaNNwackEr<br />
Don’t let the sound of your own wheels drive you crazy‘“ EaglEs<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
47
west coast<br />
Tenth Day Die U.S. Route 101 schneidet mitten<br />
durch Eureka, mit rund 27 000 Einwohnern größte<br />
Stadt an der Pazifikküste zwischen Portland und San<br />
Francisco. Ihr historisches Zentrum versammelt die<br />
wahrscheinlich höchste Dichte viktorianischer Bausubstanz<br />
in den USA. Ein strahlendes Beispiel ist<br />
unsere Unterkunft, das Carter House Inns (301 L St,<br />
T. +1.707.444 80 62, carterhouse.com). Es handelt sich<br />
um den originalgetreuen Nachbau eines vom führenden<br />
Architekten der Ära, Samuel Newsom, entworfenen<br />
Hauses, das dem großen Feuer in San Francisco<br />
1906 zum Opfer gefallen war. Unsere großzügige<br />
Suite gibt eine Ahnung von dem Luxus, den die hiesigen<br />
Holzbarone dank des Handels mit den Mammutbäumen<br />
genossen. In dem Raster der Old Town,<br />
in der nummerierte Straßen solche mit Buchstaben<br />
kreuzen, geben die geschnitzten und gedrechselten<br />
Fassaden eine Kulisse, vor der sich suspens-reiche<br />
Netflix-Serien abspielen könnten, allen voran das<br />
wahrzeichenhafte Carson Mansion, über das der Pazifik<br />
am Abend Nebelschwaden schickt. Kurz darauf<br />
kehren wir bei „Humboldt Bay Provisions“ ein, das<br />
tagesfrische Muscheln von der für die Qualität seiner<br />
Austernbänke berühmten Bucht und dazu schneidige<br />
kalifornische Weißweine vorrätig hält (205 G<br />
St, T. +1.707.672 38 50, keine Website). Und in der<br />
herrlich schrägen Bar „Phatsy Kline’s“ (129 2nd St,<br />
T. +1.707.407 06 34, historiceaglehouse.com) gibt es einen<br />
„Trouble Maker“ als nightcup.<br />
48<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
48 „I’m going up the country / Baby, don’t you wanna go? /
Eleventh Day Der Manager des Carter House Inns empfiehlt, dass wir uns<br />
zunächst nordwärts wenden; der Agate Beach sei einer der unberührtesten<br />
weit und breit. Also verbringen wir einen Vormittag als beachcomber – und<br />
entdecken erneut keinen Krume Plastik. Dann kehren wir zurück auf unsere<br />
Route 101. Ab einem Weiler namens Stafford folgen wir ihrem alten Verlauf,<br />
der spektakulären Avenue of the Giants. 32 Meilen fahren wir unter den Kronen<br />
der gigantischen Sequoia Trees und spüren, wie unser Suburban auf Matchbox-<br />
Format schrumpft. Später biegen wir auf den Highway 1, der sich in oft haarsträubender<br />
Linie entlang der schroffen Küste Richtung Mendocino windet.<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
I’m going to some place / Where I’ve never been before“ cannEd hEat<br />
49
west coast<br />
Twelfth Day Wir haben himmlisch geschlafen im Brewery<br />
Gulch Inn (9401 North Highway One, T. +1.707.937 47 52,<br />
brewerygulchinn.com), eine Anfang des Jahrtausends hoch über<br />
der Smuggler’s Cove errichtete, ganz und gar bezaubernde<br />
Zehn-Zimmer-Lodge, die aus sinker wood gebaut wurde. Das<br />
ist Mammutbaumholz, das nach 150 Jahren in einem nahen<br />
Flussbett entdeckt wurde. Nach einem vom Küchenchef persönlich<br />
zubereiteten Gourmet-Breakfast lenken wir unseren<br />
Suburban auf die Straße nach Mendocino und spazieren den<br />
ganzen Tag durch das auf einer kleinen Halbinsel gelegene,<br />
von den Zeitläuften vergessene Bohemianville.<br />
50<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
„And I can’t stop / Gotta keep movin’ /
Thirteenth Day Auf unserer<br />
letzten Etappe läuft der Pacific Coast<br />
Highway 1 noch einmal zu Höchstform<br />
auf und macht seiner historischen<br />
Bezeichnung als Shoreline<br />
Highway alle Ehre. Die Straßenbaumeister,<br />
die ihn vor etwa 70 Jahren in<br />
das Steilufer gekratzt haben, müssen<br />
schwindelfrei gewesen sein. Und auch<br />
wir wagen bei unserer Fahrt oftmals<br />
nur zögerlich den dann allerdings berauschenden<br />
Blick nach unten. Unser<br />
Soundtrack ist die starrköpfig gegen<br />
die felsige Küste anrennende Brandung.<br />
Hin und wieder stoppen wir,<br />
etwa beim Point Arena Lighthouse,<br />
dem höchsten der US-Westküste,<br />
oder für eine clam chowder in Bodega<br />
Bay, wo Hitchcocks Vögel einst<br />
Schrecken verbreiteten. Als wir dann<br />
ein Stückchen nördlich von Sausalito<br />
wieder auf den 101 treffen, macht<br />
sich freudige Erregung in unserem<br />
Suburban breit: Gleich geht es über<br />
eine der ikonischsten aller Brücken<br />
nach San Francisco …<br />
Weitere Infos: VisitTheUSA.de<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
or I’ll lose my mind! / oh, rockin’ down the highway“ doobiE brothErs<br />
51
san francisco<br />
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52<br />
Traveller‘s <strong>World</strong>
Nein, Sie müssen keine Blumen<br />
mehr im Haar tragen, wenn Sie nach<br />
San Francisco reisen. Aber Sie<br />
sollten Kondition mitbringen für die<br />
vielen Höhenmeter, Zeit für<br />
einzigartige Museen – und Appetit<br />
Texte und Fotos MicHaEL HaNNwackEr<br />
lIcht und Schatten<br />
Überfallartig breitet sich fast<br />
täglich der vom Pazifik hereinziehende<br />
Nebel aus. Und während<br />
im Financial district (linke seite)<br />
noch die sonne strahlt, mag die<br />
ehemalige subkultur-enklave<br />
Haight-ashbury schon im dunst<br />
versinken. das Tech-Money hat<br />
die stadt in die Höhe wachsen<br />
und die Preise steigen lassen.<br />
aber an manchen Manifestationen<br />
ihrer bunten und manchmal<br />
schrulligen vergangenheit hält<br />
sie eisern fest. Und so wird die<br />
san Francisco Municipal railway<br />
ihre Cable Cars auch weiterhin<br />
straßen wie die Powell street<br />
hinauf und die Hyde street<br />
wieder hinunter schicken. Und<br />
Traveller‘s <strong>World</strong>umgekehrt.<br />
53
san francisco<br />
54 Traveller‘s <strong>World</strong>
many upS, no downS<br />
der sich über dem ältesten erhaltenen<br />
Bauwerk der von Beben<br />
und Bränden gebeutelten stadt<br />
erhebende Mission dolores Park<br />
ist die oase im diversen-Mekka<br />
The Castro. die straßen von san<br />
Francisco lassen sich auf zwei<br />
rädern ohne elektrische Hilfe<br />
kaum bewältigen (help.baywheels.<br />
com). das san Francisco Museum<br />
of Modern art begeistert mit<br />
Installationen wie olafur eliassons<br />
„one-way colour tunnel” (151 Third<br />
St, T. +1.415.357 40 00, sfmoma.org).<br />
aus der üppigen vegetation des<br />
Golden Gate Park wächst der von<br />
den Basler architekten Herzog &<br />
de Meuron errichtete kupferverkleidete<br />
Turm des de Young Museum<br />
(50 Hagiwara Tea Garden Drive,<br />
T. +1.415.750 36 00, famsf.org), das zweite<br />
Museumshighlight der stadt.<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
55
san francisco<br />
56 Traveller‘s <strong>World</strong>
heat of the nIGht<br />
Nach Jahren als executive Chef<br />
der legendären Hakkasan-Gruppe<br />
lenkt Ho Chee Boon nun das führende<br />
kantonesische restaurant<br />
der stadt, „empress by Boon”, hoch<br />
über Chinatown (838 Grant Ave.,<br />
T. +1.415.757 07 28, theempresssf.com). Im<br />
„angler” verlässt sich sterne-Koch<br />
Joshua skenes auf die hitzigen<br />
aromen seines Holzfeuergrills (132<br />
The Embarcadero, T. +1.415.872 94 42,<br />
anglerrestaurants.com/san-francisco). Nur<br />
nicht langweilen gilt selbst für<br />
Floristen wie How’s It Hanging<br />
(548 Castro St, T. +1.415.812 02 55,<br />
howsithangingcastro.com). die Celebrity-Fotografen<br />
und Post-Popartisten<br />
der Gefen Gallery sind<br />
sowieso eyecatcher (315 Grant Ave.,<br />
T. +1.415.323 40 80, gefengallery.com).<br />
info: sftravel.com<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
57
style<br />
Mitten im<br />
Leben<br />
MAN KENNT SIE ALS GLOBAL PLAyER IM<br />
WELTWEITEN KUNSTMARKT – DIE GALERISTEN<br />
Manuela HauSeR UND Iwan wIRtH<br />
HANDELN ABER NICHT NUR MIT BILDERN UND<br />
SKULPTUREN, SONDERN AUCH MIT<br />
ERLEBNISSEN<br />
Text paTricia ENGELHOrN<br />
72<br />
Traveller‘s <strong>World</strong>
Ein Somerset-Effekt ist auch auf Menorca zu erwarten. Dort,<br />
kunst im öffentlichen raum<br />
Im „The audley”, einem 125 Jahren alten Pub im feinsten<br />
Mayfair, gibt es Fassbier und klassische Pub-snacks<br />
unter einer von Phyllida Barlow gestalteten decke und<br />
freundlicher Neon-Kunst von Martin Creed über der Bar<br />
Zu den sympathischen Gepflogenheiten der Briten<br />
zählt ihr Feierabendbier im Pub. Genau genommen<br />
vor dem Pub, denn egal, wie nasskalt es auch sein<br />
mag, der Pint schmeckt offenbar am besten draußen<br />
auf dem Gehweg. So auch im „The Audley“, einem<br />
weit über 100-jährigen Lokal im Erdgeschoss eines prächtigen viktorianischen<br />
Backsteingebäudes. Ab dem späten Nachmittag schwillt die<br />
Menschentraube vor der Tür, wobei die vorfahrenden Limousinen<br />
hier etwas länger sind und die Gäste noch schicker als sonst in Mayfair.<br />
Kein Wunder: „The Audley“ befindet sich direkt an der Mount Street,<br />
einer der feinsten Adressen der britischen Kapitale. Zwischen Läden<br />
von Marni und Christian Louboutin stehen die Tische des traditionsreichen<br />
Fischrestaurants „Scott‘s“, Mailands edle Pasticceria Marchesi<br />
hat hier einen Ableger, und oben am Carlos Place empfängt das ultraluxuriöse<br />
Hotel The Connaught seine Gäste.<br />
Im „The Audley“ trifft sich die Geschäftswelt der Umgebung,<br />
dazu kommt, wer sonst noch Lust auf ein gepflegtes Pub-Ambiente<br />
hat. Hinter dem langen Holztresen herrscht jeden Abend Hochbetrieb;<br />
das durchweg junge Personal leistet Akkordarbeit und behält dabei<br />
die Ruhe, die gute Laune und den Überblick. Tätowierte Arme reichen<br />
Gläser mit Hells Lager aus Camden, Fuller’s London Pride aus Chiswick<br />
oder Pumphouse Pale Ale aus der Sambrook’s-Brauerei im Süden<br />
der Themse über den Tresen, dazu können klassische Pub-Snacks wie<br />
Cockle Popcorn (knusprig frittierte Herzmuscheln), herzhafter Beef<br />
and Ale Pie, Fish & Chips oder St. Gallen Sausage bestellt werden.<br />
Schweizer Bratwurst? In London?<br />
Der Barkeeper lacht. „Die Pub-Besitzer sind aus Sankt Gallen.<br />
Offenbar ist das eine Spezialität aus ihrer Gegend“, vermutet er.<br />
In der Tat. „The Audley“ gehört den Schweizern Manuela Hauser<br />
und Iwan Wirth, die zu den wichtigsten und einflussreichsten Kunsthändlern<br />
der Welt zählen. Das Paar hat jede Menge prominenter<br />
Künstler unter Vertrag, darunter Pipilotti Rist und Annie Leibovitz,<br />
Subodh Gupta und Cindy Sherman, Isa Genzken und Mark Bradford.<br />
Bei einschlägigen Kunstrankings spielt Hauser & Wirth stets ganz<br />
vorn mit, ihr Handel ist mit rund 15 Galerien zwischen Hongkong,<br />
Zürich und Los Angeles präsent, demnächst werden neue Ausstellungshallen<br />
in London und Paris eröffnet.<br />
Parallel zu ihrem weltumspannenden Kunstimperium wächst<br />
das Portfolio von Artfarm. Das Hospitality-Business des umtriebigen<br />
Duos will Kunstwerke in einem entspannten, dynamischen und spannenden<br />
Freizeitrahmen präsentieren. „Mit unseren Restaurants und<br />
Hotelprojekten feiern wir Kunst, Natur, Architektur und Essen als<br />
wesentliche Elemente des Lebens“, erklärt Iwan Wirth.<br />
Wie das geht, zeigt auch das von Artfarm übernommene und im<br />
vergangenen Herbst nach einer umfangreichen Renovierung neu eröffnete<br />
„The Audley“. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein ganz normales<br />
Pub – doch wer genau hinschaut, entdeckt neben handpolierten Holzvertäfelungen,<br />
grünen Leder-Banketten und original erhaltenen antiken<br />
Handbierpumpen Martin Creeds sonnengelben Neonschriftzug<br />
Fotos: Katie Falkenberg /los angeles Times /Contour by Getty images (1), Simon Brown (2), Sim Canetti-Clarke (1), martin Creed, FrieNDS /vG-Bild-Kunst, Bonn 2023<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
73
style<br />
auf der kleinen Isla del Rey im Hafenbecken vor der Inselhauptstadt, entstand<br />
74<br />
Traveller‘s <strong>World</strong>
2021 der jüngste der hybriden Hauser & Wirth-Veranstaltungsorte, die sowohl<br />
„Friends“ über der Bar leuchten oder Rodney Grahams<br />
Gemälde „A Glass of Beer“ an einer der Wände. Als<br />
Highlight gilt die kaleidoskopisch bunte Deckencollage,<br />
die die britische Künstlerin Phyllida Barlow vor<br />
Ort zugeschnitten und angebracht hat.<br />
essensbegleitung<br />
Im „Mount street restaurant” über dem Pub zeigen die<br />
schweizer Galeristen unter anderem Werke von Frank<br />
auerbach („Primrose Hill, summer”, 1968, oben links) oder<br />
rashid Johnson („Broken Floor”, 2022)<br />
Einen Stock höher zeigt das schicke „Mount<br />
Street Restaurant“ noch mehr großartige<br />
Kunst. Man betritt es über das begehbare<br />
Werk „Broken Floor“ des Amerikaners<br />
Rashid Johnson – eine Art Fußboden-Gemälde aus<br />
bunten Marmor-Bruchstücken. An den Wänden sind<br />
unter anderem Andy Warhols „Lobster“, Lucian<br />
Freuds „A Plate of Prawns“ und Henri Matisses „Éperlans“<br />
zu sehen, die Tischlampen erinnern an die Pu -<br />
derdose von Sophie Taeuber-Arp, die Salz- und Pfefferstreuer<br />
an den Tannenbaum von Paul McCarthy.<br />
Dazu kommen urbritische Köstlichkeiten aus der<br />
Küche: geräucherter Aal mit Kartoffelsalat und Kaviar,<br />
gebratene Dover-Seezunge und eine fantastische<br />
Lemon Tart. In den Etagen über dem Restaurant<br />
wurden vier „private dining rooms“ eingerichtet,<br />
darunter ein Schweizer Zimmer mit Gemälden von<br />
Ferdinand Hodler und ein Spielzimmer mit bunten<br />
Deckenlampen, Pokertisch und einem Türmchen mit<br />
blutroter Samtbank und einem erotischen Fresko der<br />
britischen Künstlerin Anj Smith.<br />
Ihr Mixed-Use-Konzept haben Manuela Hauser<br />
und Iwan Wirth mehrfach erprobt: 2016 eröffneten sie<br />
in Los Angeles’ dynamischem Downtown Art District<br />
einen modernistischen, gut 10.000 Quadratmeter gro -<br />
ßen Kunst-Campus mit Restaurant, Ateliers und<br />
Event-Räumen in einer ehemaligen Getreidemühle,<br />
2019 das mit hochkarätiger Kunst gefüllte Luxushotel The Fife Arms<br />
in einer imposanten, 1836 errichteten Poststation in den schottischen<br />
Highlands. Ihre überraschendste (und erfolgreichste) Kunstlandschaft<br />
aber dürfte ihr Besitz in der sanften Hügellandschaft der<br />
englischen Grafschaft Somerset sein.<br />
2006 kam das Paar auf der Suche nach einem Wochenendhaus<br />
nach Bruton, kaufte ein Bauernhaus mitsamt den Feldern drum herum<br />
und meldete seine vier Kinder in den örtlichen Schulen an. „Es war<br />
in der Preisspanne und in der Entfernung von London, die wir<br />
gesucht hatten – und es gefiel uns“, erinnert sich Iwan Wirth. „Dann<br />
fiel uns dieses Projekt in den Schoß.“ Mit „diesem Projekt“ ist die<br />
unter Denkmalschutz stehende Durslade Farm aus dem 18. Jahrhundert<br />
gemeint, deren restaurierte Bauernhäuser heute diverse Galerien,<br />
einen Hofladen mit Bioprodukten vom eigenen Hof, ein Restaurant<br />
und ein Sechs-Zimmer-Gästehaus beherbergen und die mit<br />
Ausstellungen von Bharti Kher, Louise Bourgeois, Martin Creed oder<br />
Henry Moore den winzigen Ort Bruton fast über Nacht auf die Welt-<br />
Fotos: Simon Brown (3), Sim Canetti-Clarke (2), Keith Tyson, Still life with White Carbs, 2011 /vG BilD-KUNST, Bonn 2023<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
75
stay<br />
new york<br />
besuch der<br />
AlTen dAMe<br />
Wilde Partys,<br />
exzentrische<br />
Besucher und<br />
Auswüchse jeder<br />
Art – New Yorks<br />
libertinärste<br />
Herberge<br />
kannte weder<br />
Regeln noch<br />
falsche Moral.<br />
Jetzt sind<br />
wieder Gäste im<br />
New Yorker<br />
Chelsea Hotel<br />
Text cHarLOTTE MaNN<br />
chelSea GIrl 1<br />
Für Patti smith, die vor gut 50 Jahren mit ihrem<br />
Freund robert Mapplethorpe hier lebte, war das<br />
Chelsea Hotel „wie ein Puppenhaus in der Twilight<br />
Zone, mit Hunderten von Zimmern, von denen jedes<br />
ein eigenes kleines Universum barg”. von einer<br />
ausstattung wie in diesem deluxe Two-Bedroom<br />
Pied-À-Terre war ihr Zimmer weit entfernt<br />
78 Traveller‘s <strong>World</strong>
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
79
stay<br />
new york<br />
80 Traveller‘s <strong>World</strong>
susanne Bartsch erinnert sich noch gut an ihren Einzug: „Es war Valentinstag,<br />
1981. Ich betrat das imposante Gebäude und dachte: wow,<br />
was für ein cooler Ort.“ Sie kam aus London, im Schlepptau ihres damaligen Lovers.<br />
„Damals lebten hier Musiker, Maler, Designer, Schriftsteller. Alles war etwas schäbig und<br />
abgewetzt, aber sauber, freundlich und gemütlich. Ich habe mich sofort wohlgefühlt.“<br />
Der Freund zog aus, die gebürtige Schweizerin blieb. Sie wurde Designerin, Autorin, Kuratorin,<br />
Showgirl und New Yorks berühmteste Partyveranstalterin – ein Kunstwesen, das<br />
mit Paradiesvogel-Outfits und hausgemachtem Pflaumenkuchen glänzte. Nach und nach<br />
mietete sie zwei weitere Studios im Chelsea Hotel und residiert heute in einer labyrinthischen<br />
Eckwohnung mit Balkon und Blick auf den Hudson River und die Spitze des Empire<br />
State Building. Zusammen mit anderen Langzeitmietern hat sie die über zehnjährige Totalrenovierung<br />
des denkmalgeschützten Gebäudes überstanden. „Lustig war das nicht, aber<br />
ausziehen wollte ich auf keinen Fall“, sagt sie. „Ich habe die mit Abstand beste Adresse<br />
Manhattans.“<br />
Das Chelsea Hotel eröffnete 1884 an New Yorks 23. Straße als Apartmenthaus. Mit<br />
seinen zwölf Etagen dominierte es ein paar Jahre lang die Skyline der Stadt, die rote Backsteinfassade<br />
und gusseisernen Balkone sicherten den Status als Landmark. Es gab schalldichte<br />
Wände, damit Musiker und Schriftsteller ungestört arbeiten konnten, einen kunstvoll<br />
angelegten Dachgarten für Sternenbeobachtung und Tanzaufführungen, exquisite Glasmalereien<br />
und ein spektakuläres zentrales Treppenhaus mit Oberlicht.<br />
Damals war der Stadtteil Chelsea das Epizentrum der New Yorker Theaterszene und Treffpunkt<br />
der Schickeria. Dann verschob sich der Theater District nach Norden, Chelsea blieb irgendwie<br />
auf der Strecke und mit dem Viertel auch das Apartmenthaus. 1905 ging es Konkurs und<br />
wurde in ein 250-Zimmer-Hotel/Wohnhaus verwandelt. Je nach Gästebudget gab es eine winzige<br />
Kammer ohne eigenes Bad oder eine großzügige Suite mit poliertem Holzboden und Kamin.<br />
Obwohl er es wirklich nicht nötig hatte, führte der exzentrische Hauptanteilseigner Stanley<br />
Bard das Hotel über 50 Jahre lang höchstpersönlich. Menschen, die er mochte, bekamen Rabatt oder<br />
wohnten umsonst, er nahm Kunstwerke in Zahlung und sah großzügig darüber hinweg, wenn seine<br />
Gäste weitere Gäste mitbrachten. Bald logierte das Who’s who der Künstlerszene im Chelsea,<br />
von Schriftstellern wie Mark Twain, Jack Kerouac oder William S. Burroughs über Schauspieler<br />
wie Humphrey Bogart und Isabella Rossellini oder<br />
Künstler wie Yves Klein, Niki de Saint Phalle und<br />
Christo bis zu Musikern wie Jimi Hendrix, Joni<br />
Mitchell oder Patti Smith.<br />
die Aufarbeitung ihrer Erlebnisse machte<br />
das Hotel noch berühmter. Andy Warhol<br />
drehte hier den Film „Chelsea Girls“, Ethan<br />
Hawke „Chelsea Walls“. Arthur Miller zog nach<br />
seiner Trennung von Marilyn Monroe in Suite Nr.<br />
614, schrieb dort mehrere Theaterstücke und den<br />
Essay „The Chelsea Affect“. Darin brachte er das<br />
Ambiente des Ortes so genau wie gnadenlos auf<br />
den Punkt: „Dieses Hotel gehört nicht zu Amerika.<br />
Es gibt keine Staubsauger, keine Regeln, keine<br />
Scham.“ Er schrieb aber auch: „Das Chelsea vermittelt<br />
das Gefühl einer großen, altmodischen,<br />
beschützenden Familie“ – der er selber rund sechs<br />
Jahre lang angehörte.<br />
In Zimmer 211 komponierte Bob Dylan sein<br />
Album „Blonde on Blonde“, in Zimmer 424 lebte<br />
ein noch völlig unbekannter Leonard Cohen seine<br />
kurze Liaison mit Janis Joplin aus, die er im<br />
chelSea GIrl 2<br />
seit 42 Jahren bewohnt die<br />
schweizerin susanne Bartsch,<br />
„schutzpatronin der lGBTQ-<br />
Gemeinde, Ikone der Halbwelt<br />
und Celebrity der haute monde”<br />
(NZZ) in New York, ein apartment<br />
in dem zwölfstöckigen<br />
Haus an der 23. straße. Hin<br />
und wieder zeigt sie sich auch<br />
in der „lobby Bar” (linke seite).<br />
die ausstattung der Hotelzimmer<br />
(unten ein studio King)<br />
lehnt sich an die Bauzeit ende<br />
des 19. Jahrhunderts an<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
81
stay<br />
new york<br />
chelSea GIrl 3<br />
Im Frühling 1968 hatte Bluessängerin<br />
Janis Joplin leonard Cohen im Fahrstuhl<br />
getroffen, der später einen song<br />
darüber schrieb: „I remember you<br />
well in the Chelsea Hotel / You were<br />
famous, your heart was a legend<br />
/ You told me again you preferred<br />
handsome men / But for me you<br />
would make an exception”.<br />
1966 drehte andy Warhol hier seinen<br />
experimentalfilm „Chelsea Girls”<br />
Fahrstuhl getroffen hatte und im Song „Chelsea Hotel #2“ verewigte.<br />
Von Leonard Cohen stammt auch diese interessante Bemerkung:<br />
„Ich liebe Hotels, in die man nachts um vier Uhr einen Zwerg, einen<br />
Bären und vier Damen mit auf sein Zimmer nehmen kann, ohne dass<br />
sich jemand darum schert.“<br />
diese Zeiten sind vorbei. Leider, sagen viele, vor<br />
allem jene, die das Chelsea lange kennen. Der<br />
viel zu freundliche und grenzenlos tolerante Stanley Bard hatte offenbar<br />
über zu viele Zwerge, Bären und Damen hinweggesehen.<br />
In den 1970er-Jahren streiften Dealer durch die Gänge, Junkies besetzten<br />
die Toiletten, Punkbands zogen ein. Graffitis bedeckten die<br />
Wände, Buntglasscheiben verschwanden, was kaputtging, blieb<br />
kaputt. 2007 hatten die anderen Anteilseigner genug: Sie zwangen<br />
die Bards, „New Yorks most illustrious third-rate hotel“ („Life Magazine“)<br />
zu verkaufen.<br />
Wieder gibt es ein Hin und Her. 2016 endlich übernehmen<br />
die erfolgsverwöhnten New Yorker Hoteliers Sean MacPherson,<br />
Richard Born und Ira Drukier. Es wird eine der längsten und umstrittensten Renovierungsarbeiten<br />
der Stadt, die unzählige Gerichtsverfahren, einen Baustopp und eine<br />
Pandemie übersteht.<br />
Doch schließlich, im Frühjahr letzten Jahres, erlaubt sich das berühmt-berüchtigte<br />
Hotel, das seit 2011 weitgehend geschlossen war, aber immer noch von ein paar Dutzend<br />
Mietern mit Langzeitverträgen bewohnt wird, ein fast lautloses Soft Opening – zu<br />
reduzierten Preisen, denn Teile davon sind noch immer eine Baustelle: die Zimmer der<br />
ersten Etage, der linke Flügel, das Spa auf dem Dach – alles nicht fertig. „Dieses Gebäude<br />
ist seit seiner Eröffnung vor bald 150 Jahren nicht renoviert worden. Es wurde mit<br />
Klebeband und Büroklammern instand gehalten“, sagt Sean MacPherson, und: „Wir<br />
haben getan, was wir konnten, um den Originalzustand wiederherzustellen.“<br />
tatsächlich ist die Lobby mit Kunstwerken von ehemaligen und aktuellen Bewohnern<br />
geschmückt, in den Fluren hängen Fotografien von Menschen, die<br />
hier leben und arbeiten. Erhalten blieben viele alte Kamine, Glasmalereien, Mosaikböden<br />
und holzvertäfelte Wände. Nach wie vor gibt es sehr kleine und sehr große<br />
Zimmer sowie Suiten und Apartments mit zwei Schlafzimmern und top ausgestatteten<br />
Küchen. „Wir bieten bewusst verschieden bemessene Räume an“, erklärt Sean<br />
MacPherson, „wir hoffen, dass sich dadurch die für das Chelsea typische Gästemischung<br />
wieder einfindet, also Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebensläufen.“<br />
Die neuen Inhaber sind auch den alten Mietern entgegengekommen, niemand wurde<br />
zum Auszug gedrängt. „Wir haben kein Interesse daran, die früheren Bewohner zu<br />
vertreiben“, sagt Ian Drukier, „ganz im Gegenteil. Sie halten den besonderen Charakter<br />
und Charme dieses Ortes am Leben, unsere Hotelgäste finden das cool.“<br />
Cool sind auch der lässige Vintage-Look der Einrichtung, der Retro-Stil der<br />
Marmorbäder und das wiedereröffnete opulent dekorierte spanische Restaurant<br />
„El Quijote“, in dem schon Patti Smith und Robert Mapplethorpe gebratene Hummerschwänze<br />
verspeisten. In diesem Jahr sollen noch ein franko-amerikanisches<br />
Bistro dazukommen und ein Lokal mit japanischer Küche. „Wir haben jetzt sogar<br />
Room Service“, freut sich Susanne Bartsch, die davon regen Gebrauch macht, „und<br />
eine fantastische neue Cocktailbar, I love it.“ Wenn sie abends in einem ihrer unglaublichen<br />
Stylings durch die Lobby stolziert, hier und dort Bekannte begrüßt und<br />
schließlich in die New Yorker Nacht entschwindet, folgen ihr sämtliche Blicke. In<br />
diesen Momenten ist das Chelsea wieder so schräg, exzentrisch und einzigartig<br />
wie früher – nur weniger chaotisch und deutlich komfortabler.<br />
TW<br />
dZ ab 295 dollar, 222 W 23rd st, new york, t. +1.212.483 10 10, hotelchelsea.com<br />
82 Traveller‘s <strong>World</strong>
künStlerhauS<br />
der monumentale Backsteinbau, eine<br />
Zeitlang höchstes Haus der stadt, hat<br />
die elite der Us-Kulturgeschichte<br />
beherbergt, von Tennessee Williams<br />
über dennis Hopper und Jimi Hendrix bis<br />
Julian schnabel. die „lobby Bar” oder<br />
das seit 1930 operierende restaurant „el<br />
Quijote” atmen diese Historie<br />
Fotos: The estate of David Gahr/Getty images (2), annie Schlechter (5), Patricia engelhorn (1), Santi visalli/Getty images (1), michael Sherer/Polaris/laif (1)<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
83
stay<br />
new york<br />
84 Traveller‘s <strong>World</strong><br />
dIe GroSSe Bühne<br />
„Guests departing The Carlyle to attend the Met Gala“
De<br />
i nstitution<br />
Vor 93 Jahren öffnete The Carlyle auf der<br />
Upper West Side, eine erste Adresse<br />
spätestens, seit es unter Kennedy<br />
zum „New York White House“ aufstieg<br />
Text cHriSTiNE VON paHLEN<br />
meet me at ,Bemelmans‘ for a drink“ – auf diese<br />
Einladung habe ich Jahre gewartet. Und<br />
tatsächlich, als ich New Yorks berühmteste Bar<br />
– am frühen Abend eines normalen Wochentags<br />
– betrete, umfängt mich eine Aura aus Grandezza<br />
und Geschichte. Auf die Wandmalerei,<br />
nach deren Schöpfer die Bar benannt ist, bin ich<br />
vorbereitet, nicht aber auf das illustre Publikum,<br />
das in den ledergepolsterten Nischen und an runden Cocktail-Tischen<br />
weit mehr als nur Großstadtflair verbreitet. Earl Rose, ein Grandseigneur<br />
des Jazz-Pianos, interpretiert – wie könnte es anderes sein – unsterbliche<br />
Cole-Porter-Klassiker, und es würde nicht wundern, wenn Dorothy<br />
Parker oder Truman Capote durch die Tür marschierten, um den angeregten<br />
Small Talk mit ihren spitzen Zungen zu veredeln.<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
85
stay<br />
new york<br />
In Erinnerung an den schwarzen Pianisten Bobby<br />
Short, der über 40 Jahre im „Café Carlyle“ seine<br />
Fangemeinde faszinierte, bestelle ich einen „Bobby’s<br />
Manhattan“ (Santa Teresa 1796 Rum, Carpano Antica,<br />
Cherry Heering Scrappy’s Orange Bitters, Angos tura<br />
Bitters, Dried Gypsophila), dazu drei herzhafte Mini<br />
Lobster Tacos. Ich betrachte die blattgoldver zierte<br />
Decke, den massiven Art-déco-Tresen und natürlich<br />
Ludwig Bemelmans’ murals.<br />
thank you,<br />
mrS. preSIdent<br />
Jacqueline Kennedy war, in<br />
Begleitung ihres Mannes, stammgast<br />
im Carlyle, Woody trat regelmäßig mit<br />
der eddy davis New orleans Jazz<br />
Band in Café Carlyle auf. die Gala<br />
nach der verleihung der Tony awards<br />
wird oft im Hotel ausgerichtet<br />
sie sind das Ergebnis eines Deals, den der<br />
österreich-ungarische Zeichner und Kinderbuchautor<br />
Ende der 1940er-Jahre mit dem<br />
Direktor des Carlyle machte: Bemelmans<br />
durfte mit seiner Familie für anderthalb Jahre<br />
kostenfrei in einem der Hotel-Apartments<br />
wohnen und im Gegenzug den Central Park zu<br />
verschiedenen Jahreszeiten an den Wänden der Bar<br />
verewigen. Was ihm die Zeit gab, auch einige Zimmer<br />
und Suiten sowie private Salons mit den für ihn<br />
typischen leicht skurrilen Landschaftsmotiven zu<br />
veredeln.<br />
Das genau war die „understated opulence“, die<br />
der aus Polen stammende, schwerreiche Grundstückspekulant<br />
Moses Ginsberg im Sinn hatte, als er<br />
sich gegen Ende der Roaring Twenties entschloss,<br />
86 Traveller‘s <strong>World</strong>
einen gesamten Block an der Ostseite der Madison<br />
Avenue, zwischen 76th und 77th Street, mit einem 35<br />
Stockwerke hohen Hotelgebäude und einem angrenzenden<br />
elfstöckigen Apartment House zu bebauen.<br />
Dafür waren der auf Art déco geeichte österrei chische<br />
Architekt Sylvan Bien und die für ihre neoklassizistischen<br />
Prachtinterieurs bekannte Society-Lady<br />
Dorothy Draper echte Glücksgriffe. Seit ihrer Eröffnung<br />
im Jahr 1930 steht die Hotelikone der Upper<br />
East Side für alles, was ein Leben im Hotel angenehm<br />
macht.<br />
das beginnt täglich im „The Gallery“, wenn<br />
die betuchten Stammgäste aus der<br />
Nachbarschaft ihr zweites Wohnzimmer<br />
in Beschlag nehmen, die ersten Martinis<br />
vor dem Warmwerden bewahren, zum<br />
Power Lunch einen Jumbo Shrimp<br />
Cocktail ordern oder wie ich zum Afternoon Tea<br />
aufschlagen. Ich wähle einen rauchigen Lapsang<br />
Souchong zu Scones, Clotted Cream und Erdbeerkonfitüre.<br />
Nach den Vorstellungen des legendären<br />
italienischen Deko-Papstes Renzo Mongiardino soll<br />
„The Gallery“ mit handgemalten, ornamentalen<br />
Tapeten und leuchtend bunten Kelim-Kissen an einen<br />
orientalischen Sultanspalast erinnern – eine der vielen<br />
bühnenreifen Locations des Hotels, zu denen auch das<br />
„Café Carlyle“ zählt. Filmfans erinnern sich gerne an<br />
die Montagabende, an denen der heute in Ungnade<br />
gefallene Woody Allen in der Eddy Davis New<br />
Orleans Jazz Band die Klarinette blies.<br />
in den letzten Jahren hat sich viel getan. Der<br />
Hongkong-Milliardär Cheng Yu-tung<br />
übernahm 2011 mit den Rosewood Hotels<br />
& Resorts auch die Hotellegende an der<br />
Madison Avenue. Zum 90. Geburtstag<br />
bestellte das Haus beim Edel-Verlag<br />
Assouline eine neue, besonders edle Edition des<br />
Coffee Table Book „The Carlyle“ – voller Fotodokumente<br />
und mehr als 200 Illustrationen und Bildern der<br />
in den letzten zwei Jahren unter Regie von Tony Chi<br />
neu gestalteten Zimmer und Suiten. Sie wollen<br />
bewegte Bilder? 2018 drehte Matthew Miele den<br />
Dokumentarfilm „Always at the Carlyle“, mit kostenloser<br />
Unterstützung von Stammgästen wie George<br />
Clooney, Jeff Goldblum, Sofia Coppola und Wes<br />
Anderson.<br />
Eine kleine Sensation: Vor einem Jahr übernahm<br />
die erste weibliche GM in der Geschichte des Carlyle<br />
das Zepter. „Es war der ausdrückliche Wunsch von<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
87
stay<br />
new york<br />
„Ich liebe es, im Carlyle zu wohnen, es gibt mir das Gefühl, jung zu sein.“<br />
CARINE RoITFELd, Ex-Chefredakteurin der französischen „Vogue“<br />
Sonia Cheng, der Tochter unseres Investors“, erklärt<br />
die in Australien aufgewachsene Marlene Poynder,<br />
die im schlichten schwarzen Business-Outfit mit<br />
wenig Schmuck und Make-up die neue Generation<br />
der Upper-East-Side-Ladys demonstriert.<br />
Ihre Wohnung in Tribecca hat sie aufgegeben und<br />
ist mit Mann und Hund in eines der 30 Hotel-Apartments<br />
gezogen. „Hunde waren im Carlyle schon<br />
immer willkommen“, berichtet sie. „Sie dürfen zwar<br />
nicht in unser Fine-Dining-Lokal Dowling’s und auch<br />
nicht ins Café Carlyle, wo wir zu den Shows mehrgängige<br />
Menüs servieren. Aber überall sonst hin.“<br />
(Stimmt. Ich sehe täglich Hunde mit Hotelangestellten<br />
als Gassi-Geher.) Das Café Carlyle, das während der<br />
Sommermonate geschlossen bleibt, liegt Poynder<br />
besonders am Herzen: „Es ist unser Aushängeschild,<br />
lebt vom schönen Ambiente, von der tollen Küche,<br />
aber vor allem von seinem anspruchsvollen<br />
Programm. In letzter Zeit konnten wir bekannte<br />
Broadway-Stars verpflichten.“<br />
seit 2021 ist Sylvain Delpique für das<br />
kulinarische Konzept des Hotels verantwortlich.<br />
Er leitete die letzten sechs Jahre<br />
die Küche des „21 Club“, bevor die<br />
legendäre New Yorker Institution im<br />
Dezember 2020 geschlossen wurde. Dass<br />
er Franzose ist, kommt dem Carlyle zugute: „Unsere<br />
Gäste lieben offensichtlich Steak Tartare und Escargot<br />
auf der Speisekarte.“ Wenn es um seine Interpretation<br />
der New American Cuisine geht, stehen ihm Chef de<br />
Cuisine Michael Haug und Pastry Chef Ikuma Motoki,<br />
die er beide vom „21“ mitgebracht hat, zur Seite. „Der<br />
All-Time-Klassiker Steak Diane ist hierfür ein gutes<br />
Beispiel. Ich hebe das Gericht auf einen neuen Level,<br />
indem ich den First Cut vom Filet Mignon à la minute<br />
am Tisch zubereite.“ Ich darf seine Küche am letzten<br />
Abend im Dowling’s genießen. Und träume immer<br />
noch von den feinen Geschmacksexplosionen, die<br />
Wild Burgundy Escargot, Maryland Crab Cake, Dover<br />
Sole und Crêpes Suzette an meinem Gaumen ausgelöst<br />
haben …<br />
TW<br />
the carlyle, a rosewood hotel, dZ ab 790 euro,<br />
rosewoodhotels.com<br />
madison milestones<br />
Ausgehtipps von Concierge Jeffrey Thoennes:<br />
Bar italia Feine italienische Küche, 100 Weine<br />
unter 100 Dollar, 768 Madision Ave.<br />
caviar russe Tasting-Menus, sonntags Caviar-<br />
Brunch, 538 Madison Ave.<br />
daniel Fine-Dining auf Spitzen-Niveau,<br />
<strong>60</strong> East 65th St.<br />
la Goulue Ikone unter den französischen Brasserien,<br />
seit 2018 mit neuer Adresse, 29 East 61st St.<br />
the Polo Bar Hotspot der Upper East Side,<br />
rechtzeitig online reservieren, 1 East 55th St.<br />
eleven madison Park Einziges veganes Drei-<br />
Sterne-Lokal – weltweit – unter Regie von<br />
Daniel Humm, 11 Madison Ave.<br />
annäherUnG ans carlyle<br />
singapore airlines fliegt täglich ab Frankfurt nach<br />
JFK Airport. Vor dem Abflug um 8.30 Uhr verbringen<br />
auswärtige Passagiere die Nacht am angenehmsten<br />
im 2020 eröffneten Frankfurt Airport Marriott<br />
Hotel, das sich „The Eatery Kitchen & Bar“, „The Bar“<br />
und „Davidoff Lounge“ mit dem benachbarten Sheraton<br />
teilt. An Bord des A380 genießen die Gäste den<br />
Komfort einer neuen Sitzgeneration in allen vier<br />
Buchungsklassen.<br />
singaporeair.com, marriott.com<br />
wish you<br />
were here<br />
mit exklusiven interviews und nie<br />
zuvor gezeigten Fotografien aus<br />
den frühesten archiven bis hin zu<br />
den exklusivsten Partys von heute<br />
ist dieses schwergewichtige Coffeetable<br />
Book eine Hommage an die<br />
reiche vergangenheit und lebendige<br />
Gegenwart dieses einzigartigen,<br />
weltberühmten Hotels.<br />
einführung: James reginato, vorwort:<br />
lenny Kravitz, 208 Seiten, 120 euro,<br />
assouline.com<br />
illustrationen: Kera Till (2), Chelsey mclaren (4)<br />
88 Traveller‘s <strong>World</strong>
auSSIchtS-reIch<br />
„a couple takes in the view of Central Park from The Carlyle“<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
89
stay<br />
new york<br />
90 Traveller‘s <strong>World</strong>
a man’S world<br />
ein zwei stockwerke<br />
einnehmendes<br />
spa,<br />
das neben einem<br />
Indoor-Pool auch<br />
ein Freiluftbecken<br />
bereithält, flackernde<br />
Kamine in<br />
jeder suite und eine<br />
Terrasse hoch über<br />
der 5th avenue<br />
gehören zur Grundausstattung<br />
des<br />
aman New York,<br />
das kein stadthotel,<br />
sondern ein Cityresort<br />
sein will<br />
new Kids<br />
in Town<br />
In New York gibt<br />
es genug Hotels?<br />
Finden developer<br />
nicht.<br />
Neue Häuser<br />
bereichern<br />
die Stadt,<br />
die niemals<br />
schläft<br />
Text MicHaEL HaNNwackEr<br />
Der Russe hat ein Auge für jedes Detail“, sagt<br />
Norbert Niederkofler 14 Stockwerke über der<br />
5th Avenue. Beim Breakfast auf der Terrasse des<br />
Aman New York (Steel-cut oatmeal, Mocha Java)<br />
sitzen wir zufällig neben dem Südtiroler Drei-Sterne-Koch, der bei<br />
der aus der Schweiz geführten Luxusgruppe als kulinarischer Berater<br />
angeheuert hat. Und erzählt, wie er Vladislav Doronin mehrfach bei der<br />
Neupositionierung von Lichtquellen oder Kunstwerken erlebt hat. 500 Millionen<br />
Dollar sollen den Immobilienentwickler die oberen 20 (von insgesamt<br />
26) Stockwerke des vor über 100 Jahren an der Ecke zur 57. Straße errichteten<br />
Crown Building gekostet haben, das in seinem Vorleben unter anderem die<br />
ersten Ausstellungsräume des MoMa, Diors New Yorker Niederlassung und die<br />
Redaktion des „Playboy“ beherbergte. In den mindestens 75 Quadratmeter großen,<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
91
stay<br />
new york<br />
von asiatischer Ästhetik inspirierten und fast zurückhaltend luxuriösen 84 Suiten, im zweigeschossigen<br />
Spa (mit Indoor- und Outdoor-Pool), in der verschwenderisch großen Lobby und<br />
den beiden exquisiten Restaurants stecken dem Vernehmen nach nochmals 1,4 Milliarden<br />
Dollar. Die Doronin verständlicherweise mittelfristig wiedersehen möchte.<br />
Das Aman New York mag deshalb die derzeit kostspieligsten Zimmer<br />
der Stadt haben, günstig wird die Nacht ab einem gewissen Niveau<br />
aber auch anderswo nicht. Fast zeitgleich hat mitten in Manhattans<br />
neuer hot hood das Ritz-Carlton New York, NoMad eröffnet. Der<br />
schlanke Stahl-und-Glas-Turm gönnt dem Gast in den nach Süden ausgerichteten<br />
Zimmern ab der 25. Etage aufwärts aus bodentiefen Fenstern überwältigendere<br />
Downtown-Blicke als das fünf Blocks nördlich aufragende Empire<br />
State Building. Und überrascht habituées des Marriott-Nobel-Brands mit<br />
einer konsequenten Abkehr von seinen gewohnten, im wahrsten Sinne<br />
alt-modischen Stilprinzipien.<br />
Zwei Meilen südlich, an der Südost-Ecke des ewig trendigen<br />
SoHo, befindet sich das Blink-and-you-will-miss-it-Entree des geheimtipp-schicken<br />
ModernHaus SoHo. Die schmale Lobby entließ uns<br />
in ein mit der hochkarätigen Kunstsammlung des Eigentümers<br />
dekoriertes, 18-stöckiges Hotel. Zwei der vier Wände unseres<br />
Zimmers waren aus Glas und unterhielten uns mit einem<br />
270-Grad-Tribeca-Panorama. Noch schöner: der Splash-Pool<br />
auf dem Dach und die angrenzende Rooftop-Bar „Jimmy“.<br />
Mindestens ebenso weitblickend ist ihr Pendant auf<br />
dem Graduate NYC, jüngstes Hotel einer aufregenden,<br />
sich vorwiegend auf amerikanische Universitätsstätten<br />
konzentrierenden Kette. In New York besetzt es die<br />
vielleicht ungewöhnlichste Location für begehrenswerte<br />
Gästebetten: Roosevelt Island, eine Insel im<br />
East River zwischen Manhattan und Queens.<br />
Der am Rande des dort errichteten Campus<br />
der Cornell Tech vom angesagten US-norwegischen<br />
Architekturbüro Snøhetta realisierte<br />
Aluminiumturm wirkt zwar eher ernst.<br />
Doch mit einer Fülle studentischer Anspielungen<br />
im Interior Design ist dieses<br />
Hotel sicher das amüsanteste der<br />
new kids in town.<br />
TW<br />
das Aman mag kostspielig<br />
sein, günstig<br />
wird die Nacht<br />
ab einem gewissen<br />
Niveau aber auch<br />
anderswo nicht<br />
a Star IS Born<br />
aman New York, ab<br />
2620 euro,<br />
The Crown Building,<br />
730 5th avenue,<br />
T. +1.212.970 26 26,<br />
aman.com/hotels/<br />
aman-new-york<br />
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Graduate NYC, ab 208 euro, roosevelt Island, 22 North loop road,<br />
T. +1.929.447 47 00, graduatehotels.com/new-york/<br />
92 Traveller‘s <strong>World</strong>
flat GlaSS BuIldInG<br />
The ritz-Carlton New York, NoMad, ab 885 euro, 25 West 28th street,<br />
T. +1.212.404 84 00, ritzcarlton.com/en/hotels/new-york/nomad#Hotel<br />
Soho houSe<br />
ModernHaus, ab 373 euro, 27 Grand street, T. +1.212.465 20 00,<br />
preferredhotels.com/hotels/united-states/modernhaus-soho<br />
Fotos: michael Kleinberg (1), Nikolas Koenig (1)<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
93
stay<br />
The Nautilus ist nicht viel größer als ein paar Fußballfelder.<br />
Binnen zehn Minuten hat man sie umrundet<br />
96 Traveller‘s <strong>World</strong>
Text rEiNHarD MODriTZ<br />
wir kuscheln uns in die Kissen unseres Daybeds, die Abendsonne färbt den Himmel<br />
leicht rosa. Mira hat gerade zwei Cocktails gezaubert, das Plätschern des Indischen<br />
Ozeans an die Pfähle unserer Wasservilla liefert den Soundtrack zu diesem idyllischen<br />
Moment. Besser geht’s nicht. Oder doch? Denn Villa und Sonnenuntergang<br />
gehören nicht zu irgendeiner der 180 Hotelinseln auf den Malediven. Und Mira ist<br />
nicht irgendein Butler. Für die Leser des „Condé Nast Traveller“, haben wir im Vorfeld gelesen, ist The Nautilus<br />
im Baa-Atoll schlicht das beste Resort im Indischen Ozean. Entsprechend hoch sind die Erwartungen.<br />
Aber was genau macht das kleine Eiland und das Boutique-Resort darauf so besonders? Einen ersten<br />
Eindruck gibt bereits der Empfang am Flughafen Malé: Während die meisten Ankömmlinge bei Passkontrolle<br />
und Sicherheitscheck Schlange stehen, werden wir direkt in die Arrival Lounge geleitet. Ein Held des<br />
Alltags kümmert sich um Gepäck und Einreiseformalitäten, während man uns einen belebenden Fruchtcocktail<br />
anbietet. Und die Wasserflugzeug-Minuten auf die Mini-Insel im Baa-Atoll legen wir höchstkomfortabel<br />
in der resorteigenen Twin Otter mit üppiger Business-Class-Ausstattung zurück.<br />
Am nächsten Morgen klingelt Mira an der Türe unserer Ocean Villa. Er bringt Schnorchel- und Tauchausrüstung<br />
für die nächsten Tage. Und hat eine Frage: Wann und wo wir unser Frühstück einnehmen wollen?<br />
In einem der vier Restaurants? In der Villa? Oder doch lieber ein Brunch auf der Sandbank? Wir entscheiden<br />
uns für frühes Sushi im „Ocaso“, dem vielleicht besten Japaner der Malediven.<br />
Ist dieser Fächer von Angeboten das Erfolgsgeheimnis der Luxusinsel? Dass,<br />
wie Andre Miethig, der deutsche General Manager, bei der Begrüßung ankün digt,<br />
„The Nautilus ein Ort ist, an dem nichts festgeschrieben und alles möglich ist“?<br />
Damit dies nicht nur ein Slogan bleibt, kümmern sich 150 Mitarbeiter rund um die<br />
Uhr um die maximal <strong>60</strong> Gäste. Wie Mira. Er ist unser ganz persönlicher House Master<br />
und erinnert an den Geist aus der Lampe im Märchen. Kaum äußern wir einen<br />
Wunsch, ist er auch schon erfüllt. Mira kümmert sich um Spa-Termine, organisiert<br />
den Törn mit der hauseigenen Yacht, würde bei Bedarf den Weinkühlschrank auffüllen,<br />
bucht den Tauchlehrer und kutschiert den Nachtschwärmer nächtens zurück zu<br />
seiner Villa; er ist der Erste am Morgen und der Letzte am Abend. Vor allem aber ist<br />
Mira eines: wie das gesamte Nautilus-Team vom Wunsch beseelt, die maledivische<br />
Gastfreundschaft von ihrer besten Seite zu zeigen.<br />
Die Insel Thiladhoo ist winzig, gerade mal 250 Meter im Durchmesser, ein fast<br />
perfekter Kreis. Ein Spaziergang von zehn Minuten auf dem puderzuckerfeinen<br />
Sandstrand, und man ist einmal rum. Darauf: vier Restaurants, ein Spa, 26 Beachund<br />
Ocean-Villen. Die größte, The Nautilus Mansion, 922 Quadratmeter, hat drei<br />
Schlafzimmer über zwei Etagen und kostet zur High Season knapp 17000 Euro<br />
– pro Tag. Wir haben uns mit einem der zehn One Bedroom Ocean Houses beschieden,<br />
aufgereiht am Steg wie die Perlen an einer Schnur. Es hat zwei wunderschöne<br />
Zimmer, misst großzügige 290 Quadratmeter, mit Dachgiebeln hoch wie eine<br />
Kathedrale, das Badezimmer samt Außendusche so groß wie auf anderen Inseln die ganze Unterkunft.<br />
Die Panorama-Glasfront öffnet sich zum großzügigen Sonnendeck samt der bereits erwähnten Daybed-<br />
Schaukel und einem Süßwasser-Pool über der azurblauen Weite des Indischen Ozeans. Anders als in<br />
WIE ES EUCH<br />
GEFÄLLT<br />
Mal mit dem resort -<br />
eigenenWasserflugzeugzum<br />
Picknick auf eine<br />
einsame Sandbank? Oder<br />
zum Schnorcheln mit<br />
den Mantas? Der zauberhafte<br />
Service der Insel<br />
erfüllt (fast) jeden Wunsch<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
97
stay<br />
Chill or grill? Für den vielleicht besten Teppanyaki-Tisch der<br />
Malediven sind die Gäste schnell mal Feuer und Flamme<br />
vielen der größeren Resorts des Inselstaates ragt der Steg mit den Wasservillen nicht weit in den Ozean<br />
hinaus. So spazieren wir in ein, zwei Minuten zu den Restaurants und Bars. Und natürlich auch zum<br />
Solasta Spa, das sich einen Steg mit dem Fine-Dining-Restaurant „Zeytoun“ teilt.<br />
Am nächsten Morgen wird der Tauchlehrer vorstellig. Wann wir denn gerne mit der Yacht in See<br />
stechen möchten? Auch hier gibt es keine festen Zeiten, der Gast bestimmt seinen Tagesablauf nach Lust<br />
und Laune (die schon bei Ankunft bestens ist und sich erst in der Stunde des Abschieds trübt). Wir möchten<br />
möglichst umgehend, schließlich liegt The Nautilus mitten im UNESCO-Biosphären-Reservat.<br />
eine WhatsApp später wartet eine schneeweiße Schönheit auf uns an der Pier. Die Nautilus<br />
One wird uns zur berühmten Hanifaru Bay bringen, in der von Juni bis November<br />
die Mantarochen Hochsaison haben. An guten Tagen versammeln sich dann bis zu<br />
zweihundert Mantas im planktonreichen Wasser der Bucht – einzigartige Gelegenheit,<br />
mit den sanften Riesen des Meeres zu schwimmen. Die gilt es zu nutzen. Keine fünfzehn Minuten später<br />
liegen wir im Wasser und schnaufen durch den dünnen Schlauch. Und erleben, wie die Mantas, trotz<br />
eines Gewichts von bis zu zwei Tonnen und einer Spannweite bis zu sieben Metern, mit unnachahmlicher<br />
Eleganz unvergessliche Pirouetten drehen, oft nicht mehr als eine Armeslänge entfernt von den<br />
staunenden Gästen dieses weltweit einmaligen Naturschauspiels. Es ist wie ein Besuch in einer anderen<br />
Welt. Doch eine Viertelstunde später sind wir zu Hause und trinken einen Saft aus der Minibar. Bevor<br />
das Spa-Team das trockene Salzwasser auf unseren Wangen mit feuchtigkeitsspendenden Ölen ersetzt.<br />
Eigentlich wären wir schon jetzt in der Stimmung, The Nautilus einen Pokal zu verleihen.<br />
TW<br />
Ab 2590 Euro, thenautilusmaldives.com<br />
98 Traveller‘s <strong>World</strong>
STEGE<br />
ZUM GLÜCK<br />
Auf dem Pier Richtung<br />
Westen stehen Nautilus-<br />
Gäste vor einer schweren<br />
Entscheidung: rechts<br />
abbiegen zu Wellness im<br />
Solasta Spa? Oder links<br />
zum Fine-Dining-Restaurant<br />
Zeytoun (kleine<br />
Entscheidungshilfe: Dort<br />
schlummert die größte<br />
Gin- und Whisky-Sammlung<br />
der Malediven …)
taste<br />
Jeffrey Vella kreiert im „Cap Aureo“<br />
genussreiche Kunstwerke, gern mit Gemüse<br />
aus der Region in der Hauptrolle:<br />
Topinambur richtet er mit würziger<br />
Bagna-Cauda-Sauce und edlem<br />
Sevruga-Kaviar an<br />
Wenn Jeffrey Vella hinaus in die blaue Weite deutet, die sich vor dem Küstenstädtchen Rovinj<br />
erstreckt, meint man, er zeige sein persönliches Eigentum: „Die Adria ist meine Schatzkammer.“<br />
Stundenlang könnte der Küchenchef des „Cap Aureo“ auf der großen Panoramaterrasse<br />
des Restaurants darüber philosophieren, wie Meerestiefe und Wassertemperatur die Qualität<br />
von Fisch und Seafood beeinflussen. „Vor der istrischen Küste gedeihen Jakobsmuscheln und<br />
Austern perfekt. Weiter südlich in Dalmatien beträgt die Tiefe bis über 100 Meter, von dort<br />
kommt der schmackhafteste St. Pierre.“ Die besten Scampi wiederum kauft er von Fischern aus<br />
der Kvarner Bucht: „Die sind mit ihrer leicht süßlichen Aromatik unerreicht.“ Warum das so ist?<br />
„Weil sich dort die Wassertemperatur am Meeresgrund wegen der Strömungen permanent<br />
ändert und die Krustentiere sich ständig anpassen müssen. Das macht ihr Fleisch so zart und<br />
geschmacklich intensiv.“<br />
Seit der Eröffnung vor vier Jahren kocht Vella im Gourmetrestaurant des Grand Park Hotel<br />
Rovinj, das wie ein Schwalbennest am höchsten Punkt des ultramodernen Bauwerks thront.<br />
Der Chef setzt auf Gerichte, in denen er die Schätze Istriens vereint – erstklassige Meeresfrüchte<br />
und bestes Öko-Gemüse aus dem grünen Hinterland. „Life at the bottom“ nennt er eine<br />
114 Traveller‘s <strong>World</strong>
Kreation rund um Oktopus von der Insel Rab. Er gart ihn butterzart und serviert ihn<br />
mit Aglio, Olio e Peperoncino, der traditionellen italienischen Pastasauce nachempfunden.<br />
Dazu gibt es ultrafrische Jakobsmuschel aus Novigrad, aufgeschnitten als<br />
Carpaccio mit geeisten Zitrusperlen und gegrillter Aubergine, glasiert mit einem<br />
Miso, das aus lokalem Fenchel zubereitet wurde.<br />
Für den gebürtigen Malteser Vella, der im Laufe seiner Karriere unter anderem<br />
für Alain Ducasse und Gordon Ramsay arbeitete, ist Rovinj Wahlheimat: „Das<br />
Hinterland ist wie die Toskana vor 30 Jahren, voller kulinarischer Schätze.“ Tatsächlich<br />
ist Istrien – die Halbinsel zwischen Triest und Rijeka, wo Weinberge und Olivenhaine<br />
die Landschaft prägen, wo in den Wäldern wilder Spargel, Kastanien und<br />
Trüffel wachsen – heute für viele Besucher zu einem Gourmetziel geworden, das es<br />
mit den schönsten Ecken des Nachbarlands aufnehmen kann.<br />
Wegen Spitzenkoch<br />
Emanuele Scarello,<br />
seiner Schwester<br />
Michela und ihres<br />
Restaurants „Agli<br />
Amici“ haben<br />
Gourmets die Hafenpromenade<br />
von<br />
Rovinj zum Anlaufpunkt<br />
erklärt<br />
Dafür spricht auch die Tatsache, dass zusehends italienische<br />
Spitzenköche selbst in der Region aktiv werden: Emanuele<br />
Scarello zum Beispiel, der im friaulischen Udine das Zwei-<br />
Sterne-Restaurant „Agli Amici“ führt, eröffnete im Sommer<br />
2021 direkt am Yachthafen von Rovinj eine Dependance. Auch hier, im rundum<br />
verglasten Bau an der Hafenpromenade, ist der Panoramablick aufs Meer inklusive.<br />
Traveller‘s <strong>World</strong> 115
taste<br />
BoDENSCHäTzE<br />
Die heilige Dreifaltigkeit des<br />
istrischen Hinterlands heißt: Trüffel<br />
Olivenöl, Wein. Es ist ein offenes<br />
Ge heimnis, dass die viel gepriesenen<br />
italienischen Alba-Trüffel oft in<br />
Wirklichkeit aus Istrien stammen, die<br />
Olivenöle werden im führenden<br />
Branchenguide „Flos Olei“ hoch<br />
bewertet, und auch Istriens Winzer<br />
haben in den vergangenen 20 Jahren<br />
einen wahren Qualitätssprung vollzogen.<br />
Wir stellen drei führende<br />
Produzenten vor:<br />
oliVen Von chiaValon<br />
Sandri Chiavalon war 15 Jahre alt, als er<br />
seine ersten 100 Olivenbäume pflanzte – zur<br />
Erinnerung an den früh verstorbenen Vater.<br />
Heute führt er mit seinem Bruder Tedi in<br />
Vodnjan eine moderne Manufaktur mit rund<br />
9000 Olivenbäumen, die Haine werden nach<br />
strikt ökologischen Kriterien bewirtschaftet.<br />
Auf der Terrasse können Besucher die<br />
geschmacklichen Unterschiede der sechs<br />
angebotenen Öle – alle aus heimischen<br />
Olivensorten – verkosten.<br />
chiavalon.hr<br />
WeinGUt koZloVic<br />
Antonella und Gianfranco<br />
Kozlovic engagieren sich speziell<br />
für die wichtigste weiße Rebsorte<br />
Istriens, den Malvazija: „Wir<br />
wollen zeigen, wie viel Potenzial<br />
in unseren autochthonen Sorten<br />
steckt.“ Ihr ultramodernes Weingut<br />
liegt unterhalb des Dorfes Momjan<br />
mitten im Grünen und ist einen<br />
Besuch wert. Im Schatten alter<br />
Bäume lassen sich die besten Weine verkosten,<br />
allen voran der Santa Lucia aus einer Einzellage,<br />
bepflanzt mit <strong>60</strong> Jahre alten Reben, den<br />
viele für den besten Malvazija Istriens<br />
halten.<br />
kozlovic.hr<br />
trüffelmanUfaktUr<br />
karlic<br />
Schon seit drei Generationen geht die<br />
Familie Karlic im Mirnatal auf Trüffeljagd.<br />
Mit speziell trainierten Hunden durchstreifen<br />
sie die eigenen Wälder und verarbeiten das<br />
„Gold Istriens“ auch zu Spezialitäten von<br />
Trüffelsalami bis -honig. Wer mag, kann sie<br />
bei der Suche begleiten oder die begehrten<br />
Knollen im Laden verkosten. Übrigens:<br />
Auch Istriens Spitzenköche arbeiten mit<br />
Trüffeln von Karlic.<br />
karlictartufi.hr<br />
Istrien für Genießer: Flanieren am<br />
Yachthafen von Porec und danach auf<br />
ein Glas ins Spitzenweingut Kozlovic<br />
Doch er ist schnell vergessen, wenn Scarello auftischen lässt: fein gearbeitete<br />
Mousseline vom Wolfsbarsch mit Venusmuscheln und Meeräschenrogen,<br />
Steinbutt mit Mandelmilch, Kapern und Zitrone oder, nicht zu vergessen,<br />
Spaghetti mit Meereskräutern, fast schon ein Klassiker des Hauses. Die<br />
hausgemachte Pasta ist im Stil einer Carbonara mit sieben verschiedenen<br />
Strandgewächsen und Algen angemacht und schmeckt wie ein Mundvoll<br />
Meer.<br />
Die malerische Altstadt von Rovinj, die das wohl beliebteste Fotomotiv<br />
Istriens abgibt, steht wie kein anderer Ort an der Küste für den Aufschwung der<br />
Halbinsel zur gefragten Mittelmeerdestination. In den Gassen, die den Hügel<br />
hinaufführen, finden sich zahlreiche Feinschmeckeradressen. Ganz oben,<br />
direkt unterhalb der Basilika St. Euphemia, liegt etwa der rundum verglaste<br />
Wintergarten des „Monte“, 2020 das erste kroatische Restaurant überhaupt, das<br />
mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Noch stimmungsvoller sitzt man im<br />
unprätentiösen „Puntulina“ am Fuß des Altstadthügels, wo sich die Tische auf<br />
116 Traveller‘s <strong>World</strong>
Felsklippen direkt über dem Wasser drängen. Hier sind sogar Spitzenköche wie Tim<br />
Raue im Urlaub Stammgast, um sich zum Multicolor-Sonnenuntergang über dem Meer<br />
Wolfsbarsch für zwei am Tisch filetieren zu lassen. Oder sich eine große Serviette<br />
umzubinden und fangfrische Krebse mit den Händen zu zerlegen – am besten schmeckt<br />
das Corail, das Kenner aus den Körpern saugen.<br />
Wer Istrien noch mit den Cevapcici-Grillständen des letzten<br />
Jahrhunderts assoziiert, liegt definitiv falsch. Heute reicht<br />
das Spektrum von ländlichen Trattorien, die Gutes aus<br />
eigener Bio-Landwirtschaft servieren, bis zu jungen Spitzenköchen,<br />
die das kulinarische Erbe ihrer Heimat kreativ interpretieren. Man trifft sie zum<br />
Beispiel an der malerischen Uferpromenade des Städtchens Porec mit seinen ockerfarbenen<br />
und karminroten Altstadtfassaden. Hier macht Goran Hrastovcak im Restaurant<br />
„Spinnaker“ als junges Talent von sich reden.<br />
Der Kroate hat sich den Feinschliff im Drei-Sterne-Restaurant „La Pergola“ bei<br />
Heinz Beck geholt, dem besten Koch Roms. Dessen filigrane Pasta-Kunst inspirierte<br />
Hrastovcaks hauchzarte Ravioli, gefüllt mit Thunfisch aus lokalem Fang und gartenfrischen<br />
Zucchini mit fruchtbetonter Tomatensauce und Polentaschaum. Besonders stolz<br />
ist der junge Mann mit dem mächtigen Vollbart auf das Fleisch des heimischen Boskarin-Rinds<br />
– die schneeweißen Tiere mit den markant gebogenen Hörnern sieht man bei<br />
Genuss hoch zwei:<br />
fangfrische Krebse<br />
auf den Felsen im<br />
„Puntulina“ oder<br />
Goran Hrastovcaks<br />
Kreation aus Arabica-Kaffee,<br />
Haselnuss,<br />
Schokolade<br />
und Trüffel im<br />
„Spinnaker“<br />
Traveller‘s <strong>World</strong> 117
taste<br />
SCHWARZE<br />
MAGIE<br />
Er gilt als neues Wunderkind der französischen<br />
Spitzenküche und Darling der Pariser<br />
Modeszene, er modelt für Ralph Lauren und<br />
kocht für Louis Vuitton. Mory Sacko ist das<br />
gut gelaunte Gesicht des neuen Frankreich<br />
Text paTricia BröHM<br />
paris-tokio<br />
In sackos „Mosuke” treffen zwei kulinarische Welten<br />
kühn aufeinander, so wie der auf okonomiyaki (eine art<br />
japanische Pizza) servierte, leicht abgeflämmte bretonische<br />
Hummer an Teriyaki-Bisque<br />
126<br />
Traveller‘s <strong>World</strong>
Blindtext<br />
man musste schon ausgemachter<br />
Optimist sein, um im Corona-Jahr<br />
2020 ein Restaurant zu eröffnen. Mory<br />
Sacko ist einer. Im Frühjahr, während des ersten<br />
Lockdowns, war er durch die Koch-Show „Top<br />
Chef“ frankreichweit bekannt geworden, hatte mit<br />
schlaksiger Eleganz und breitem Lächeln die Herzen<br />
der Zuschauer erobert. Im Herbst eröffnete er sein<br />
eigenes Restaurant „MoSuke“ in Paris, zwei Monate<br />
vor dem nächsten Lockdown. Doch die wenigen<br />
Wochen hatten genügt, um dem jungen Talent<br />
hymnische Besprechungen in den wichtigsten<br />
Tageszeitungen zu sichern – und einen Michelin-<br />
Stern, der Anfang 2021 verliehen wurde. „Ich war<br />
völlig perplex“, sagt der heute 30-Jährige.<br />
Von da an geht es nur noch bergauf für den<br />
Sohn von Einwanderern aus Mali. Das Restaurant-<br />
Ranking „La Liste“ ruft ihn als eines der weltweit<br />
fünf größten Talente aus, das amerikanische „Time“-<br />
Magazin benennt ihn, in einer Reihe mit Greta Thunberg<br />
und der Blockbuster-Heldin Tessa Thompson,<br />
zum „next generation leader“ aus.<br />
Als der Sender France 3 ihm eine eigene Fernsehshow<br />
anträgt, bekommt Sacko Zweifel: Wird das<br />
TV-Publikum einen Zwei-Meter-Mann mit afrikanischen<br />
Wurzeln und Dreadlocks als Host akzeptieren?<br />
Er macht sich auf einen Shitstorm gefasst.<br />
Stattdessen wird das Format, in dem er die Rezepte<br />
und Spezialitäten von Frankreichs Regionen erkundet,<br />
mit bis zu 1,6 Millionen Zuschauern ein Riesenerfolg.<br />
„Es ist ein Zeichen, dass sich die Dinge in<br />
Frankreich ändern“, träumt Sacko.<br />
Sein kleines Restaurant in Montparnasse wird in<br />
kürzester Zeit nicht nur zu einem Symbol für die<br />
neue Offenheit der französischen Küche, sondern<br />
auch zum Hoffnungsträger für junge Menschen aus<br />
den Banlieues. Viele schreiben ihm Briefe. „Früher<br />
wollten dort, wo ich herkomme, alle Fußballer oder<br />
Popstar werden“, sagt er. „Heute träumen sie von<br />
einer Karriere als Chef.“ Das macht ihn stolz: „Ich<br />
hatte nie den Plan, ein Role Model zu werden. Aber<br />
genau das ist passiert.“<br />
Sein Küchenstil? Ein sehr persönlicher Mix aus<br />
französischen, afrikanischen und japanischen<br />
Einflüssen. Im „MoSuke“, dessen lichter Gastraum<br />
in Weiß und hellem Bambusholz gehalten ist, werden<br />
Gerichte serviert, die man so nirgendwo anders<br />
bekommt: bretonische Seezunge, im Bananenblatt<br />
auf den Punkt gegart und mit der japanischen<br />
Würzmischung Togarashi aromatisiert, dazu Attiéké,<br />
fermentierter Maniok, wie man ihn an der Elfenbeinküste<br />
isst. Und als Dessert marinierte Ananas mit<br />
Hibiskus-Sorbet und kandiertem Shiso-Blatt.<br />
Sehen und gesehen werden<br />
von ihrem Tempel auf der akropolis hat die<br />
Göttin der Weisheit zumindest das Treiben<br />
in den athener rooftop-Bars im Blick<br />
Traveller‘s <strong>World</strong><br />
127
taste<br />
Schattenspiele<br />
Mory sacko mixt einflüsse<br />
aus Frankreich,<br />
Japan und afrika zu<br />
seinem ganz eigenen,<br />
unverwechselbaren<br />
stil: Hochästhetisch<br />
angerichtet sind alle<br />
Teller im „Mosuke”<br />
(Bild rechts) – hier<br />
geräucherter aal, mit<br />
sepiatinte gefärbte<br />
Pasta, austernpilze,<br />
Tama-Miso und Foie<br />
gras. sein kleines<br />
restaurant in Montparnasse<br />
ist bewusst<br />
puristisch gehalten<br />
Für Sacko, der im Pariser Westen aufwuchs,<br />
bedeutet die Küche Afrikas Heimat. Jeden Abend<br />
versammelte sich in seiner Kindheit die Familie rund<br />
um den Tisch, und seine Mutter, eine begeisterte<br />
Köchin, servierte ihre scharf gewürzten Gerichte: „Wir<br />
waren neun Geschwister, das Abendessen war immer<br />
eine große Party.“ Es sind die Zutaten und Einflüsse<br />
aus Mali und dem Senegal, wo seine Mutter aufwuchs,<br />
die seine eigene Küche heute so unverwechselbar<br />
machen. Kochbananen, Maniok-Wurzeln oder<br />
Akpi-Nüsse aus Kamerun, die nach Schokolade<br />
duften, kauft er im 18. Arrondissement, wo Paris<br />
beinahe aussieht wie Dakar oder Bamako. Und wenn<br />
er mit einem afrikanischen Rezept nicht weiterkommt,<br />
ruft er einfach seine Mutter an.<br />
der Name „MoSuke“ steht nicht nur für<br />
Afrika, sondern auch für Japan als Inspiration<br />
der Küche. Zum Beispiel bei gegrilltem<br />
Hummer mit fermentierter Paprika, Tomate und<br />
Miso, dessen Umami-Power ein spannungsreiches<br />
Spiel mit der delikaten Süße des Krustentiers und der<br />
feinen Säure der Peperoni abgibt. Tatsächlich kombiniert<br />
„MoSuke“ seinen Namen mit „Yasuke“ – so hieß<br />
ein afrikanischer Sklave, der im Japan des 16. Jahrhunderts<br />
als „schwarzer Samurai“ zur Legende wurde<br />
und dessen Leben Stoff einer Netflix-Serie war. Schon<br />
als Teenager war Sacko fasziniert von japanischen<br />
Manga-Helden, verschlang die Abenteuer von<br />
„Dragon Ball“ oder „Nicky Larson“.<br />
Inspiriert von der Küche seiner Mutter und<br />
TV-Dokumentationen über französische Palasthotels,<br />
schreibt er sich mit 15 Jahren an der Hotelfachschule<br />
ein. Erst dort entdeckt er die kulinarische Welt jenseits<br />
von Poulet Yassa (mit Zitrone und Zwiebeln) oder<br />
Bœuf Mafé (mit Erdnusssauce), ist fasziniert von der<br />
großen französischen Küchentradition: „Ich hatte<br />
keine Großmutter, die Bœuf bourguignon kochte, für<br />
mich war das eine ganz neue Dimension.“ Er will alle<br />
Fertigkeiten und Finessen des Handwerks kennenlernen.<br />
Einige der besten Pariser Adressen zieren heute<br />
seinen Lebenslauf, vom Royal Monceau (bei Nobu<br />
Matsuhisa) über das Shangri-La bis zum Mandarin<br />
Oriental, wo er in Spitzenkoch und Japan-Liebhaber<br />
Thierry Marx seinen Mentor findet. Schnell steigt er in<br />
der Hierarchie auf. Als er sich bei „Top Chef“ bewirbt,<br />
ist er Marx’ Souschef – schon damals mit dem Traum<br />
vom eigenen Restaurant.<br />
Heute führt er nicht nur das „MoSuke“, sondern<br />
in Paris unter dem Label „MoSugo“ auch zwei<br />
tren dige Fastfood-Konzepte, weitere sind in Planung.<br />
Für Aufsehen sorgte im Sommer 2022 das Pop-up<br />
„Mory Sacko at Louis Vuitton“ in St. Tropez.<br />
Die Pariser Modeszene hatte den coolen Chef<br />
gleich zu Anfang für sich entdeckt, bald modelte<br />
er für Ralph Lauren und caterte für Emmanuel<br />
Macron. Die Dependance an der Côte d’Azur<br />
ergab sich quasi logisch aus der Zusammenarbeit<br />
mit Louis Vuitton. Thunfisch in Bissap-<br />
Vinaigrette mit geräucherter Paprika oder<br />
geröstete Seebrasse im Bananenblatt mit Kokosnuss,<br />
Curry und Limette schmeckten auch der<br />
It-Crowd an der Riviera. Die Fans hoffen darauf,<br />
dass das stylish inszenierte Lokal im Hotel White<br />
1921 diesen Sommer wieder aufpoppt.<br />
Die französische „GQ“ kürte den 30-Jährigen<br />
zum „Mann des Jahres 2022“. Wovon träumt einer,<br />
der scheinbar schon alles erreicht hat? „Irgendwann<br />
möchte ich ein Restaurant in Afrika eröffnen, vielleicht<br />
an der Elfenbeinküste oder im Senegal.“<br />
Vorläufig aber ist er vor allem auf eines stolz: Er hat<br />
bewiesen, dass man auch als Kind der Vorstadt mit<br />
afrikanischen Rezepten einen Stern erkochen kann.<br />
„Ich bin ein Franzose des 21. Jahrhunderts“, sagt<br />
Sacko. „Frankreich sieht heute auch ein Stück weit so<br />
aus wie ich.“<br />
TW<br />
„mosuke“, 11 rue raymond losserand,<br />
75014 Paris, t. 0033.1.43 20 21 39,<br />
mosuke-restaurant.com<br />
Fotos: virginie Garnier (2), Quentin Tourbez (5)<br />
128 Traveller‘s <strong>World</strong>
„IcH HATTE NIE DEN PLAN, EIN ROLE MODEL<br />
Zu WERDEN. IcH WOLLTE EINFAcH NuR GuT<br />
kOcHEN uND SPASS HAbEN“<br />
Traveller‘s <strong>World</strong> 129