68_Ausgabe Februar 2009
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Vorwort<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
ist Ihnen das neue Modewort in den Medien<br />
schon aufgefallen? Man ist neuerdings<br />
“gut aufgestellt”. Das beteuern die krisengeschüttelten<br />
Großbanken ebenso wie die<br />
Schulden auftürmende Regierungskoalition.<br />
Die aus dem Militärischen entlehnte<br />
Wendung soll wohl hier bedeuten, man<br />
sehe noch Chancen. Modewörter kommen<br />
und gehen. Andere sind zäh, etwa “kids”,<br />
womit deutsche Kinder verhohnepipelt<br />
werden; das geistert noch immer durch<br />
den Werbungsmüll der Kaufhausketten<br />
und die Überschriften hiesiger Anzeigenblättchen.<br />
Und diese “kids” müssen immer<br />
noch als “cheersleaders” auf Dorffesten<br />
zum Gewummer der Lautsprecher zappeln<br />
und kreischen. Auch Vornamen haben ihre<br />
modischen Seiten. Vor 100 Jahren nannte<br />
man seine Kinder Karl oder Artur, Wilhelmine<br />
oder Anna; auf dem Spielplatz wurden<br />
daraus Kalle und Atze, Minchen und<br />
Anneken. Vor 70 Jahren hießen meine<br />
Spielkameraden Manfred oder Wolfgang,<br />
Kriemhild oder Gertrud. Vor 30 Jahren<br />
rief man in Sachsen “Schaggelienäh” zum<br />
Mittagessen. Aber heute? Jeder freut sich<br />
über diese Pressefotos der eben geborenen<br />
neuen Mitbürger und wünscht ihnen<br />
Glück. Aber liest man die Vornamen, die<br />
originalitätssüchtige und ehrvergessene Eltern<br />
ihren Kleinen verpaßt haben, oft aus<br />
den entlegensten Zonen der Erde oder<br />
Besetzungslisten von Hollywoodfilmen<br />
herbeigesucht, schütteln viele Leute den<br />
Kopf. Oft erkennt man nicht einmal, ob<br />
es Namen für Jungen oder Mädchen sind.<br />
Später werden die Mitschüler ihre Witze<br />
über die exotischen Namen reißen und sie<br />
gnadenlos zu Spitznamen verhunzen. Denken<br />
die Eltern bei der Namenwahl wirklich<br />
an die Kinder und nicht nur an das Eindruckschinden<br />
im Freundeskreis? In Frankreich<br />
heißt man immer noch Pierre oder<br />
Claudine, in Polen Marek oder Elzbieta, in<br />
Rußland Wladimir oder Ljudmila. Man wird<br />
dort diese Deutschen belächeln, die schon<br />
die Globalisierungs–NomadInnen der gewünschten<br />
Zukunft benennen, überall und<br />
nirgends zu Hause. Ist es nicht würdelos,<br />
bei den Vornamen unsere gemeinsamen<br />
germanischen, römischen und slawischen<br />
Familienwurzeln zu verleugnen?<br />
Blättern wir lieber im <strong>Februar</strong>heft Stadt-<br />
BILD, wo Beiträge unserer Leser für Unterhaltung<br />
und Kenntnisgewinn sorgen!<br />
Ihnen allen Dank für die Mitarbeit! Lesevergnügen<br />
wünscht Ihnen Ihr<br />
Ernst Kretzschmar<br />
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Einleitung<br />
3
„Alte Herren“<br />
Herren“<br />
organisierten sich in Görlitz –<br />
Als Kämpfer in den Befreiungskriegen<br />
1813/1815 gegen Napoleon und beim<br />
Wartburgfest deutscher Studenten 1817<br />
auf der Wartburg hatte die akademische<br />
Jugend ihren Willen bekundet, für<br />
deutsche Einheit und eine Verfassung zu<br />
kämpfen. Die Regierungen der europäischen<br />
Großmächte (insbesondere Rußland,<br />
Österreich-Ungarn und Preußen)<br />
hatte ihre Macht gefestigt und wollten die<br />
Zustände vor der Französischen Revolution<br />
wiederherstellen. Die Zensurbestimmungen<br />
wurden verschärft, Wortführer<br />
der Patrioten (wie Arndt, Jahn, die Brüder<br />
Grimm) verfolgt, die Burschenschaften<br />
der Studenten als politisch gefährlich<br />
verboten. Auch in dem 1909 in Berlin erschienenen<br />
Buch “Schulgeschichten aus<br />
dem Alten Görlitzer Kloster”, herausgegeben<br />
von Bernhard Meth, ist davon die<br />
Rede. Die Aufzeichnungen der Primanerjahrgänge<br />
des Gymnasium Augustum<br />
von 1810 bis 1865 berichten, “daß 1838<br />
die Behörde verordnete, daß Mitglieder<br />
einer Verbindung streng zu bestrafen seien”,<br />
und “war der Zweck der Verbindung<br />
politischer Art, so wurde Gefängnisstra-<br />
fe bis 6 Jahre angedroht, die auch noch<br />
erhöht werden konnte.” Der Abiturient<br />
und spätere Arzt Meerfurth (Abitur 1829)<br />
wurde nach seinem Studium “wegen Verdachts<br />
der Teilnahme an der verbotenen<br />
Verbindung zur Untersuchung gezogen<br />
und...zu 20 Jahren Festungshaft verurteilt”<br />
(und erst 1840 begnadigt). Der Abiturient<br />
Schäfer (Abitur 1830) starb 1832<br />
bei seinen Eltern in Markersdorf, wurde<br />
unter Polizeiaufsicht exhumiert, und man<br />
suchte und fand an seinem Leichnam das<br />
verdächtige schwarz-rot-goldene Band.<br />
Nach 1850 fand diese “Demagogenriecherei”<br />
ein Ende. 1856 rief der “Görlitzer<br />
Anzeiger” in einer lateinischen Anzeige<br />
für den 24. Januar alle ehemaligen<br />
Corpsstudenten der Jahrgänge 1836 bis<br />
1855 zu einer Zusammenkunft. In der<br />
Gaststätte Mebes, Ecke Brüderstraße 13<br />
und Schwarze Gasse 4, sollte eine Societas<br />
Commilitonum entstehen. Näheres ist<br />
nicht bekannt. 1878 gab es einen zweiten<br />
Commers mit 51 namentlich überlieferten<br />
Teilnehmern, darunter Oberbürgermeister<br />
Gobbin, Landrat von Seydewitz und<br />
Diakon Kosmehl. Die Gründung einer Alt-<br />
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4<br />
Titel |
„Alte<br />
Vereinsleben<br />
Herren“<br />
1887 bis 1936<br />
Karl Emil Georg Müller, Kgl. Krim. Inspektor, verdienter<br />
Chronist der Altherren in Görlitz und der Guestphalia<br />
Marburg (geb.: 9.8.1859 in Kreuzburg Ob.-Schles.,<br />
gest.: 9.6.1941 in Görlitz)<br />
herren-Vereinigung ehemaliger<br />
Corpsstudenten folgte am 1.<br />
Juli 1887 mit 18 Teilnehmern,<br />
überwiegend Juristen, Ärzte,<br />
Gymnasiallehrer sowie ein Pastor<br />
und ein Chemiker. Die weitere<br />
Entwicklung beschreibt<br />
faktenreich die 1922 in Görlitz<br />
veröffentlichte “Geschichte des<br />
Görlitzer AH.-SC. 1887-1922”.<br />
Verfasser war der Kriminalinspektor<br />
a.D. Georg Müller, der<br />
als junger Referendar zu den<br />
Gründern gehört hatte. Die<br />
Mitglieder kamen überwiegend<br />
aus Görlitz, aber auch aus Zittau<br />
und Penzig. Der erste Commers<br />
im Restaurant “Zur Krone”<br />
am Obermarkt 1888 vereinte<br />
46 Teilnehmer und klang aus<br />
mit einem Frühschoppen im<br />
Englischen Garten Konsulstraße.<br />
Die Vereinslokale wechselten<br />
mehrmals zwischen der<br />
“Krone” am Obermarkt, “Spatenbräu”<br />
und “Kaiserhof”, beide<br />
Berliner Straße, sowie dem<br />
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Titel |<br />
5
„Alte Herren“<br />
Herren“<br />
organisierten sich in Görlitz –<br />
Handelskammerhaus am Mühlweg. 1896<br />
trat der Görlitzer Altherren-Verein mit 47<br />
Mitgliedern dem Verband alter Corpsstudenten<br />
mit Sitz in Kösen bei. Neben den<br />
monatlichen Zusammenkünften “in Farben”,<br />
also mit Mützen und Bändern der<br />
Corporationen der Studienzeit, gab es<br />
Sonderveranstaltungen wie Commerse,<br />
Kegelabende, Ausflüge mit Damen, Stiftungsfeste<br />
und Weihnachtskneipen. Unter<br />
den besonders aktiven Mitgliedern<br />
waren Landgerichtsdirektor Mantell und<br />
die Stadträte Hertzog und Wallis und der<br />
Arzt Dr. Mehlhose.<br />
Politisch waren die Altherren nach ihrer<br />
Herkunft und Erziehung überzeugte Konservative<br />
oder Nationalliberale, standen<br />
also für “Kaiser und Reich”. Im I. Weltkrieg<br />
kam das Vereinsleben weitgehend<br />
zum Erliegen. Zum Jahr 1918 vermerkt<br />
die Chronik von 1922 lediglich: “Es kam<br />
am 9. November zur Staatsumwälzung,<br />
dann zum Beginn der Knechtschaft des<br />
deutschen Volkes, zum Waffenstillstand”.<br />
Unter Stadtrat Wallis wurde die Arbeit<br />
wieder aufgenommen. Der Görlitzer Verband<br />
war wohl eine Zuflucht für deutschnational<br />
eingestellte Akademiker, die der<br />
Weimarer Republik wenig abgewinnen<br />
konnten. In der Chronik heißt es: “Die<br />
erste nach dem Kriege am 20. Dezember<br />
1919 im Kaiserhof veranstaltete Weihnachtsfeier<br />
mit Geschenken in Gestalt<br />
eines Päckchens Pfefferkuchen, das zusammen<br />
mit einer Brühwurst, mit Tannenreis<br />
und schwarz-weiß-rotem Bändchen<br />
sinnig verschnürt, auf dem Platze<br />
eines jeden lag, vereinte 46 Mitglieder<br />
unter dem strahlenden Weihnachtsbaum”.<br />
Bismarckfeiern im Handelskammerhaus<br />
brachten es 1921 auf 180 und<br />
1922 gar 230 Teilnehmer. Vor allem aber<br />
wurde das Vereinsleben wohl als eine<br />
Form gehobener bürgerlicher Geselligkeit<br />
empfunden, zu der sich die in die<br />
Jahre gekommenen früheren Corpsstudenten<br />
zusammenfanden. Die Chronik<br />
von 1922 schloß mit der Hoffnung: “Die<br />
Gartenstadt Görlitz beherbergt in ihren<br />
Mauern bekanntlich eine große Zahl von<br />
pensionierten Beamten und Offizieren,<br />
darunter auch zahlreiche alte Corpsstudenten,<br />
welche in den Sitzungen, besonders<br />
wenn keine Farben getragen<br />
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6<br />
Titel |
„Alte<br />
Vereinsleben<br />
Herren“<br />
1887 bis 1936<br />
Vereinschronik 1922, Umschlag<br />
werden, den ruhenden Pol in der<br />
Erscheinungen Flucht bilden...Wie<br />
aus der Geschichte des AH.-SC.,<br />
welcher in diesem Jahre mit 75<br />
Mitgliedern den bisher höchsten<br />
Stand erreicht hat, hervorgeht, ist<br />
das Interesse für die corpsstudentischen<br />
Ideale hier in Görlitz stets<br />
ein reges gewesen, und es ist zu<br />
erwarten, daß es so bleiben wird”.<br />
Allerdings gab es bereits vor 1933<br />
von verschiedenen Seiten Gegenwind.<br />
Künstler, Schriftsteller<br />
und Journalisten aus dem linksliberalen<br />
und sozialistischen Lager<br />
nahmen das Corpsstudentum polemisch<br />
aufs Korn, stellten es als<br />
Sammelbecken der Reaktion und<br />
volksfremden Säuferverein hin.<br />
Radikale Akademiker der jüngeren<br />
Generation fanden sich in politischen<br />
Parteien zusammen, der<br />
Deutschen Demokratischen Partei<br />
und bei den Sozialdemokraten,<br />
aber auch bei den Kommunisten<br />
und den Nationalsozialisten. In<br />
der Spätzeit der Republik kämpf-<br />
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Titel |<br />
7
„Alte Herren“<br />
Herren“<br />
organisierten sich in Görlitz –<br />
Studentencorporationen bei der Totenehrung am<br />
3.10.1991 auf dem Friedhof Görlitz<br />
ten sie mit um Veränderungen nach links<br />
oder rechts. Andere schlossen sich den<br />
Freimauerlogen oder den Rotariern<br />
an uns suchten dort nach zeitgemäßen<br />
Idealen und Betätigungen.<br />
Nach 1933 und vor allem nach<br />
dem Tode Hindenburgs gerieten<br />
die alten Studentenverbände einschließlich<br />
der Altherren zunehmend<br />
in Schwierigkeiten. Trotz der<br />
radikalen Gleichschaltung der Verbände<br />
(Führerprinzip statt Wahl,<br />
Ausschluß der jüdischen und politisch<br />
mißliebigen Mitglieder) hatte<br />
das alte Corpsstudententum keine<br />
Zukunft. Zunächst gab es Angriffe<br />
wegen der Exklusivität, die sich<br />
nicht mit dem Ziel einer nationalsozialistischen<br />
Volksgemeinschaft<br />
vertrug, dann auch wegen des<br />
Trinkzwanges, der Biercommerse,<br />
der unzureichenden Sorge für<br />
Sport und Gesundheit. 1936 wurde<br />
allen Mitgliedern der NSDAP und<br />
ihrer Gliederungen die Mitgliedschaft<br />
in Studentencorporationen<br />
untersagt. Der “Nationalsozialistische<br />
Deutsche Studenten-Bund” wurde zum<br />
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8<br />
Titel |
„Alte<br />
Vereinsleben<br />
Herren“<br />
1887 bis 1936<br />
einzigen Vertreter der Studentenschaft.<br />
Das bedeutete auch das Ende des Görlitzer<br />
Vereins ehemaliger Corpsstudenten.<br />
(Auch aus den höheren Schulen, nämlich<br />
dem Gymnasium Augustum, der Schlageterschule<br />
und der Luisenschule, und<br />
aus den Fachschulen verschwanden die<br />
traditionellen Schülermützen).<br />
Nach 1945 blieben in der Sowjetischen<br />
Besatzungszone und der DDR die alten<br />
Corporationen verboten. Auch für die<br />
Studenten war die “Freie Deutsche Jugend”<br />
einzige Vertretung. In der alten<br />
Bundesrepublik wurde es nach dem heftigen<br />
Linksruck unter den Studenten,<br />
namentlich 19<strong>68</strong>, für die Corporationen<br />
schwieriger, sich in der Öffentlichkeit zu<br />
behaupten. Traditionen jugendlicher Gemeinschaften<br />
werden heute mehr bei Abituriententreffen<br />
oder Absolvententreffen<br />
gepflegt. Ältere Akademiker finden sich<br />
nach US-amerikanischem Vorbild bei den<br />
Freimaurern, den Rotariern oder in den<br />
Lions-Clubs zusammen.<br />
Die noch bestehenden Corporationen sehen<br />
sich heute gar dem Verdacht verfassungsfeindlicher<br />
rechtsradikaler Bestrebungen<br />
ausgesetzt, werden beobachtet<br />
und ausgegrenzt wie in ihren Anfängen.<br />
Eine vielhundertjährige abendländische<br />
Universitätstradition wird derweil unterwürfig<br />
nach US-amerikanischem Muster<br />
umgemodelt zum “Campus” mit fremden<br />
akademischen Graduierungen.<br />
In Görlitz setzten Corpsstudenten aus<br />
Deutschland und Österreich zum letzten<br />
Male ein Zeichen, als sie am 3. Oktober<br />
1991 am Ehrenmal von 1926 auf<br />
dem Städtischen Friedhof der deutschen<br />
Kriegsopfer aus zwei Weltkriegen gedachten.<br />
Selbst damals empfand man<br />
ihr Auftreten mit Mützen und Bändern<br />
als befremdlich. Es war schon zu lange<br />
her, daß angesehene Bürger von Görlitz<br />
als „Alte Herren“ ungestört ihr Vereinsleben<br />
gestaltet hatten. Was zählen heute<br />
schon noch deutsche Traditionen? Was<br />
„deutsche Treue, deutscher Wein und<br />
deutscher Sang”, die in der unerwünschten<br />
zweiten Strophe der Nationalhymne<br />
besungen werden? Oh, alte Burschenherrlichkeit...<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
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Titel | 9
Das Haus Löbauer<br />
Straße7<br />
7 –<br />
Alle Häuser haben Geschichte und Geschichten.<br />
Alte Häuser längere Geschichte,<br />
jüngere Häuser kürzere Geschichte,<br />
manchmal aber auch umgekehrt. Häuser<br />
erzählen vom Werden und Vergehen,<br />
vom Tod und vom Leben, und vor<br />
allen Dingen erzählen sie vom Menschen,<br />
der in den Häusern gelebt hat<br />
oder noch lebt.<br />
Das Haus bzw. Grundstück Görlitz,<br />
Löbauer Straße Grundbuchnummer<br />
889/90, später Löbauer Straße 7, im<br />
Jahre 1893 fertiggestellt, hat schon<br />
eine bewegte Geschichte zu erzählen.<br />
Wollen wir die Geschichte von Anfang<br />
an erzählen, müssen wir in die Zeit um<br />
1880 gehen. Drei Brüder kommen aus<br />
Schlesien, genauer Ottag bei Ohlau, das<br />
ist ein Vorort von Breslau, nach Görlitz.<br />
Ernst Herbst und Carl Herbst sind Tischler,<br />
Kunsttischler, und Wilhelm ist Stellmacher.<br />
Sie stammen aus einer kinderreichen<br />
Großfamilie eines Bauern und<br />
Landarbeiters, haben noch weitere 7<br />
Geschwister, wovon ein Bruder nachweislich<br />
um die gleiche Zeit nach Amerika<br />
ausgewandert ist. Es ist überliefert,<br />
Firmenlogo 1893<br />
Firmenmarke<br />
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10<br />
Geschichte |
Löbauer<br />
Versuch einer Beschreibung<br />
Straße<br />
(Teil<br />
7I)<br />
dass Ernst Herbst von 1875 bis ca. 1880<br />
in der Kunsttischlerei von Oswald Moh in<br />
der Augustastraße 23 gearbeitet hatte.<br />
Oswald Moh war zu dieser Zeit Teilhaber<br />
an der Firma Koppe & Moh. In späterer<br />
Zeit beschäftigte Moh sich mit der<br />
Herstellung von Photoplatten und Photopapieren.<br />
Ernst und Carl führten ihre<br />
Tätigkeit als Tischler in der Heiligen-<br />
Grab-Straße 22 weiter. Danach zogen<br />
sie um in die Krölstraße 8. Inwieweit<br />
sich beide Brüder schon mit dem Bau<br />
von Kameras beschäftigt hatten, ist leider<br />
nicht überliefert. Aus den Quellen ist<br />
aber ersichtlich, daß mit dem Bau von<br />
Kameras zwischen 1887 und 1889 in der<br />
Mittelstraße 33 mit einem Gesellen die<br />
Gründung der Firma „Kunsttischlerei für<br />
photographische Apparate & Utensilien“<br />
von Ernst und Carl Herbst vollzogen<br />
wurde. In diesen Werkstätten siedelte<br />
sich später der Mechaniker und Kamera-Beschlägehersteller<br />
Paul Strobach<br />
an. Bedingt durch Streitigkeiten, wahrscheinlich<br />
in der Betriebsführung, trennten<br />
sich die Brüder im Jahre 1891, Ernst<br />
Herbst bezog eine Werkstatt in der Bautzener<br />
Straße 30, und Carl Herbst siedelte<br />
sich mit einer eigenen Firma zuerst in<br />
der Dresdener Straße 3 und danach in<br />
der Rauschwalder Straße 67 an. Ernst<br />
Herbst hatte sich zwischenzeitlich mit<br />
dem Kaufmann Heinrich Firl zusammengetan,<br />
um die Geschäfte effektiver gestalten<br />
zu können. Zu diesem Zeitpunkt<br />
gab es im sogenannten Gründerzeitviertel<br />
eine rege Bautätigkeit, und so entschloss<br />
sich Ernst Herbst, ein eigenes<br />
Grundstück mit Wohnhaus, Vorderhaus<br />
mit Ladengeschäft und Hinterhaus, offensichtlich<br />
für seine Angestellten, und<br />
ein großes Fabrikgebäude zu errichten.<br />
Vom Bauamt der Stadt Görlitz wurde<br />
dem Kamerahersteller Ernst Herbst das<br />
o.g. Grundstück verkauft. 1892 wurde<br />
mit dem Bau begonnen, das Vorderhaus<br />
in der zweiten Hälfte des Jahres 1893<br />
fertiggestellt und das Fabrikgebäude<br />
im Dezember 1893 seiner Bestimmung<br />
übergeben. Mit der Gründung der Handelsgesellschaft<br />
Ernst Herbst & Firl „Fabrik<br />
photographischer Apparate und<br />
Utensilien sowie Centralmagazin für<br />
Photobedarf“ begann die Produktion,<br />
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Geschichte | 11
Das Haus Löbauer<br />
Straße7<br />
7 –<br />
wert ist die Gestaltung der Fassade des<br />
Vorderhauses. Hier wurden im 1. Stock<br />
die Steinbüsten der Pioniere der Photojetzt<br />
schon mit 26 Mitarbeitern, in den<br />
neuen Räumen.<br />
In diesem Zusammenhang bemerkens-<br />
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12<br />
Geschichte |
Löbauer<br />
Versuch einer Beschreibung<br />
Straße<br />
(Teil<br />
7I)<br />
Löbauer Straße 7, vor der Sanierung um 1960<br />
grafie, links William Henry Fox Talbot,<br />
Mitte Louis Jacques Mandé Daguerre<br />
und rechts Joseph Nicephore Niepce,<br />
eingefügt. Leider ist es bisher noch<br />
nicht gelungen, den Künstler der<br />
drei Büsten ausfindig zu machen.<br />
Die Anbringung der drei Büsten<br />
zeugt jedenfalls von einer großen<br />
Verbundenheit zur Photographie<br />
der damaligen Zeit und der Überzeugung<br />
der Werbewirksamkeit<br />
der Fassadengestaltung.<br />
Der Bau der Kamerafabrik sprach<br />
sich offensichtlich schnell herum.<br />
Der aus Rathenow stammende<br />
Optiker und Objektivhersteller Oskar<br />
Simon bezog 1893/94 mit seiner<br />
Mannschaft Gewerberäume im<br />
Vorderhaus der Löbauer Straße 7.<br />
Zur Belegschaft von Oskar Simon<br />
zählte auch der Optikermeister<br />
Hugo Meyer, der in Prenzlau die<br />
Volksschule besucht und von 1878<br />
bis 1882 eine Lehre als Optiker bei<br />
der Firma B. Halle in Potsdam absolviert<br />
hatte. 1882 trat er dann in<br />
die Firma von Oskar Simon, der damals<br />
noch in Potsdam arbeitete, und studierte<br />
bei der Firma Dr. Steeg & Reuter<br />
in Homburg sowie bei der Firma Ernst<br />
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Geschichte |<br />
13
Das Haus Löbauer<br />
Straße7<br />
7 –<br />
Leitz in Wetzlar, bevor er 1889 wieder in<br />
die Firma O. Simon eintrat. Oskar Simon<br />
erkannte das Potential, welches in der<br />
Photographie vorhanden war, und wechselte<br />
nach Dresden über. Hugo Meyer<br />
dagegen blieb in Görlitz und gründete<br />
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14<br />
Geschichte |
Löbauer<br />
Versuch einer Beschreibung<br />
Straße<br />
(Teil<br />
7I)<br />
1896, eben in der Löbauer Straße 7 am<br />
1. April, seine „Optisch-Mechanische Industrieanstalt“,<br />
eingetragen im Gesellschaftsregister<br />
des königlichen Amtsgerichts<br />
zu Görlitz unter der Nummer 477.<br />
Es wurden vornehmlich Aplanate, Anastigmate<br />
und unverkittete Aristostigmate<br />
hergestellt. Bis zum Jahre 1905 blieb die<br />
Firma Hugo Meyer in der Löbauer Straße<br />
7. 1905 bezog die Firma eigene Betriebsräume<br />
in der Biesnitzer Straße 22.<br />
Ernst Herbst beschäftigte sich vor allen<br />
Dingen mit der Anfertigung von Kameratypen<br />
für den beruflichen und professionellen<br />
Bereich, von Hand-, Stativund<br />
Atelierkameras. Trotz aller Euphorie<br />
und positiver Geschäftsabschlüsse begannen<br />
1898/99 die Verkaufsverhandlungen<br />
mit der Heinrich Ernemann AG<br />
Dresden. Zwischenzeitlich war auch der<br />
langjährige Geschäftspartner von Ernst<br />
Herbst, der Kaufmann Heinrich Firl, am<br />
2.4.1897 verstorben. Am 20. Juli 1899<br />
ging der Betrieb, die Firma Ernst Herbst<br />
& Firl, in den Besitz der Heinrich Ernemann<br />
AG Dresden über.<br />
Der Verkauf des Unternehmens erbrachte<br />
einen Erlös von 355 472 RM in 220 Aktien<br />
der Heinrich Ernemann AG sowie 38<br />
139 RM Bargeldes, welches ausgezahlt<br />
wurde. Firmengründer Ernst Herbst<br />
übernahm die Leitung der Görlitzer Niederlassung<br />
und trat zudem als Prokurist<br />
in die AG ein. Von 1904 bis 1919 übernahm<br />
der Sohn von Ernst Herbst, Alfred<br />
Herbst, dessen Geschäfte.<br />
Anlässlich des Besuches Sr. Majestät<br />
König Friedrich August von Sachsen am<br />
13.3.1905 wurden die Werkstätten von<br />
Ernst Herbst, mit 70 Mitarbeitern, als<br />
„größte deutsche Firma für den Bau von<br />
Cameras für Atelier und Kunstanstalten“<br />
bezeichnet.<br />
Einen ganz großen Erfolg konnte die Firma<br />
Heinrich Ernemann, vormals Ernst<br />
Herbst & Firl Görlitz, 1911 verbuchen.<br />
Für ihre „Globus“-Apparaturen für die<br />
wissenschaftliche Photographie sowie<br />
Einrichtungen für kriminal- und medizintechnische<br />
Aufnahmen erhielten sie auf<br />
der „Internationalen Hygiene-Ausstellung<br />
Dresden 1911“ die höchste Auszeichnung,<br />
den „STAATSPREIS“, zuerkannt.<br />
Ein Meisterwerk handwerklicher<br />
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Geschichte | 15
Das Haus Löbauer<br />
Straße7<br />
7 –<br />
Tischlerkunst ist seit 2007 im<br />
Görlitzer Fotomuseum zu betrachten.<br />
Es handelt sich dabei<br />
um einen kompletten GLOBUS-<br />
Reproduktions-Apparat Modell<br />
B mit Schwing-Stativ Modell B<br />
aus dem Jahre 1900/1901.<br />
Unter der Leitung der Heinrich<br />
Ernemann AG Dresden wurde<br />
in Görlitz das Sortiment der<br />
Firma Ernst Herbst & Firl weitergebaut<br />
und der Angebotskatalog<br />
erweitert. Besonderen<br />
Wert legte die Firma, unter der<br />
Leitung von Ernst und später<br />
Alfred Herbst, auf die Aktualisierung<br />
der „Globus“-Apparaturen<br />
und hier besonders auf<br />
die „Globus“-Spiegeleinrichtung<br />
nach einem Reichspatent<br />
von Moecke. Auch wurde<br />
schon über den großen Teich<br />
geschielt und für Apparate zur<br />
Herstellung von „Globus“-Miniaturbildern<br />
nach der „American-Automatic-Photographie“<br />
geworben. Diese Apparate,<br />
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16<br />
Geschichte |
Löbauer<br />
Versuch einer Beschreibung<br />
Straße<br />
(Teil<br />
7I)<br />
hieß es, „... sind ausländischen<br />
Apparaturen weit überlegen.<br />
Jeder Raum, jeder Laden genügt.<br />
Eine Goldquelle bei einfachsten<br />
Mitteln.“! Die Mitarbeiterzahl<br />
war bis zum Jahresende<br />
1899/1900 auf 100 gestiegen<br />
und wurde konstant gehalten.<br />
Neben Reisekameras, großformatigen<br />
Atelier- und Salonkameras<br />
für Berufsphotographen<br />
wurden auch Photogeräte für<br />
den sogenannten „ernsthaften<br />
Amateur“ gefertigt. Dazu kamen<br />
aus dem Ernemannprogramm<br />
Photoapparaturen für<br />
den wissenschaftlichen Bereich<br />
sowie für die gerichtliche und<br />
kriminaltechnische Photographie<br />
sowie für klinische und<br />
reprotechnische Aufnahmen.<br />
Damit sicherte sich die Firma<br />
das alleinige Fabrikations- und<br />
Vertriebsrecht für Deutschland<br />
und seine Kolonien für Einrichtungen<br />
zur gerichtlichen Photographie<br />
nach dem Bertilli-<br />
Festzeitung für die 24. Wanderversammlung und<br />
Ausstellung des Deutschen Photographen-Vereins<br />
Görlitz 1895<br />
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Geschichte |<br />
17
Das Haus Löbauer<br />
Straße7<br />
7 –<br />
on-Verfahren. Die Entwicklung<br />
und Herstellung dieser Geräte<br />
erforderte erstmals den Einsatz<br />
wissenschaftlich ausgebildeter<br />
Mitarbeiter. Aus Quellen ist ersichtlich,<br />
daß im Spätsommer<br />
1903 die 20000ste Kamera die<br />
Görlitzer Niederlassung verlassen<br />
hatte. Diese Kamera, eine<br />
Jugendstil-Salon-Kamera, ging<br />
als Ausstellungsstück nach<br />
London.<br />
Im Jahre 1914 zog sich Ernst<br />
Herbst aus den Geschäften zurück<br />
und lebte als Privatier in<br />
Görlitz. Wann Ernst Herbst verstarb,<br />
ist bisher unbekannt geblieben.<br />
1914 bis 1918, der 1. Weltkrieg<br />
tobte in Europa. Reise- und Salonkameras<br />
und Kameras für<br />
den „ernsthaften Amateur“ waren<br />
nicht mehr gefragt bzw. der<br />
Absatz solcher Geräte ging steil<br />
nach unten. Aus diesem Grunde<br />
entschloss sich die Heinrich<br />
Ernemann AG, zum Ende des<br />
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18<br />
Geschichte |
Löbauer<br />
Versuch einer Beschreibung<br />
Straße<br />
(Teil<br />
7I)<br />
Geschäftsjahres 1919 sich von der Niederlassung<br />
Görlitz zu trennen, d.h. den<br />
Betrieb zu schließen. Alfred Herbst, der<br />
Direktor der Görlitzer Niederlassung,<br />
wurde entlassen, die Prokura erlosch<br />
und das Firmengrundstück wurde verkauft.<br />
Aufgrund der bestehenden Geschäftsverbindungen<br />
errichtete Alfred<br />
Herbst im Jahre 1919 das „Photokontor<br />
Alfred Herbst, Beratungs- und Versandhaus<br />
für Photographie“. Und noch<br />
ein bekannter Görlitzer Kamerahersteller,<br />
Robert Reinsch, „profitierte“ von<br />
der Firmenschließung. Robert Reinsch<br />
arbeitete seit 1897 bei Ernst Herbst &<br />
Firl, zuerst als Tischlermeister und unter<br />
Heinrich Ernemann als Werkmeister.<br />
Nach der Schließung des Betriebes<br />
schied auch Robert Reinsch aus und ging<br />
für ein Jahr nach München, um dort die<br />
Kamerafertigung zu studieren. 57jährig,<br />
1920 zurückgekehrt aus der Ferne,<br />
gründete Robert Reinsch die „Neuen<br />
Görlitzer Kamerawerke Robert Reinsch“.<br />
Nach mehreren Werkstattwechseln fand<br />
Robert Reinsch in der Krölstraße 19<br />
die richtige Werkstatt. Reinsch fertigte<br />
das gesamte Sortiment, welches auch<br />
Herbst & Firl im Programm hatte. 1945<br />
verstarb Robert Reinsch, und der Betrieb<br />
wurde unter der Leitung seines Sohnes<br />
Paul Reinsch in „Neue Görlitzer Kamera-Werke<br />
Reinsch, Globus-Stella“ umbenannt.<br />
Der Betrieb produzierte dann<br />
noch bis zum Jahre 1991.<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
Hans Brettschneider<br />
Quellen:<br />
Archiv Fotomuseum Görlitz<br />
Helmut Thiele: Die Fotoindustrie in Görlitz<br />
Werner Hahn: Kameras aus der Tischlerei,<br />
Görlitzer Kameraproduktion 1881<br />
bis 1991<br />
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Geschichte |<br />
19
Die Schmalspurbahn –<br />
Im November 1890 wurde die Zittauer<br />
Schmalspurbahn als Privatbahn der Zittau-<br />
Oybin- Jonsdorfer Eisenbahngesellschaft<br />
eröffnet. Sie war die einzige private<br />
schmalspurige Nebenbahnlinie in<br />
Sachsen. Die große Bedeutung der Bahn,<br />
die als schmalspurige Privatbahn gebaut<br />
und anfänglich als Sekundärbahn der Königlich-Sächsischen<br />
Staatseisenbahn betrieben<br />
wurde, lag und liegt auch heute<br />
noch im Personenverkehr, wenn auch<br />
zeitweise der Güterverkehr eine bedeutende<br />
Rolle spielte. Obwohl die damalige<br />
Zittauer Stadtverwaltung diesen Bahnbau<br />
nicht sonderlich förderte, war die Bahn<br />
bei dem größten Teil der Bevölkerung von<br />
Anfang an beliebt. Von der Eröffnung bis<br />
zum Jahre 1905 hatte sich die Zahl der<br />
beförderten Personen verdoppelt. Nach<br />
Übernahme der Bahn durch den Staat<br />
trat jährlich eine weitere<br />
Steigerung ein.<br />
Da auch der Güterverkehr<br />
eine wichtige Rolle spielte,<br />
wurden auch zusätzlich<br />
Güterzüge eingesetzt.<br />
Nach vielen Kritiken in der<br />
örtlichen Presse und einer<br />
im Jahr 1909 einberufenen<br />
öffentlichen Einwohnerversammlung<br />
in<br />
Zittau waren die Verantwortlichen<br />
der Königlich<br />
- Sächsischen Staatseisenbahnen<br />
genötigt, zur<br />
Abstellung der unleidlichen<br />
Beförderungsver-<br />
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20<br />
Geschichte |
Erlebniswelt in Zittau und Umgebung<br />
Schmalspurbahn<br />
hältnisse entsprechende<br />
Schritte einzuleiten.<br />
Die Zahl der Reisenden<br />
war inzwischen auf über<br />
eine Million jährlich gestiegen.<br />
Die gewünschte<br />
Elektrifizierung der Strecken<br />
oder der regelspurige<br />
Ausbau wurden jedoch<br />
von der Regierung<br />
abgelehnt. Deshalb entschloss<br />
man sich zur personellen<br />
Besetzung aller<br />
Stationen, zum Bau<br />
erforderlicher Stationsgebäude<br />
und vor allem<br />
zum zweigleisigen Ausbau der Strecke<br />
von Zittau- Vorstadt bis Oybin. Der Bau<br />
der zweigleisigen Strecke führte besonders<br />
in der Ortslage von Olbersdorf zu<br />
größeren baulichen Veränderungen. Außer<br />
der knapp 6 Meter langen Eisenbahnbrücke<br />
am Kohleviebig erforderte<br />
die neue Streckenführung eine 124 Meter<br />
lange Talbrücke über den Goldbach<br />
und die Dorfstrasse, die vom Eisenwerk<br />
Lauchhammer gebaut wurde. Die vergleichsweise<br />
größte bauliche Veränderung<br />
erfuhr die Station Zittau Vorstadt.<br />
Am 15. April 1913 wurde der zweigleisige<br />
Betrieb zwischen Zittau Vorstadt und Oybin<br />
aufgenommen, für Schmalspurbahnen<br />
an sich eine Besonderheit.<br />
Der Güterverkehr wurde im Eröffnungsjahr<br />
der Bahn nur mit 5 gedeckten und<br />
zehn offenen Güterwagen sowie zwei<br />
Langholzwagen aufgenommen. Diese<br />
zweiachsigen Schmalspurgüterwagen<br />
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Geschichte |<br />
21
Die Schmalspurbahn –<br />
hatten nicht nur ein niedriges Eigengewicht<br />
und einen Radstand<br />
von nur 3,80 Meter, sondern auch<br />
das geringe Ladegewicht von<br />
5 Tonnen. Alle Güter aus dem<br />
Schmalspurwagen mussten beim<br />
Übergang auf die Regelspur in Zittau<br />
umgeladen werden und umgekehrt.<br />
Nach dem 1. Weltkrieg stieg der<br />
Güterverkehr auf den Strecken<br />
sehr stark an.<br />
Zur schnellen Abfertigung der<br />
Züge waren 1938 auf den Bahnhöfen<br />
Bertsdorf , Zittau Süd und<br />
Kurort Jonsdorf die Weichen auf<br />
Fernbedienung umgebaut worden.<br />
In den sechziger Jahren erfolgte<br />
im Stadtbereich von Zittau<br />
eine Verbesserung der Wegübergangssicherung<br />
durch Blinkanlagen<br />
und den Einbau von Lichtsignalen.<br />
Zittauer Bimmelbahn<br />
Seit 1890 verkehren täglich nach Fahrplan<br />
Züge zwischen der Stadt Zittau und<br />
den seit jeher beliebten Ausflugsorten<br />
Jonsdorf und Oybin. Die Planungen für<br />
diese Strecke durch das Zittauer Gebirge<br />
reichen bis in das Jahr 1873 zurück.<br />
Doch erst 15 Jahre später gründete sich<br />
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22<br />
Geschichte |
Erlebniswelt in Zittau und Umgebung<br />
Schmalspurbahn<br />
die Zittauer - Oybin - Jonsdorfer - Eisenbahn<br />
(ZOJE). Der Volksmund interpretierte<br />
diese Abkürzung auf seine Art: Zug<br />
ohne jede Eile!<br />
Aufgrund des steigenden Ausflugverkehrs<br />
wurde 1913 die Strecke zwischen<br />
Zittau-Vorstadt und Oybin sogar zweigleisig<br />
aufgebaut. 30 Jahre später begann<br />
der Abbau dieses zweiten<br />
Gleises. Bis in die 80er Jahre hinein<br />
wurde neben dem Personen-<br />
auch ein reger Güterverkehr<br />
betrieben. Dafür wurden auf dem<br />
Zittauer Bahnhof Regelspurgüterwagen<br />
auf Schmalspur - Rollfahrzeuge<br />
geladen. Liebevoll restaurierte<br />
Fahrzeuge sind auch heute<br />
noch betriebsbereit und werden<br />
auf Anfrage eingesetzt.<br />
Im normalen Tagesbetrieb verkehren<br />
4-achsige modernisierte<br />
Reisezugwagen auf einer Spurweite<br />
von 750 mm.<br />
StadtBILD<br />
Aus dem Jahresbuch Zittau 2004<br />
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Geschichte |<br />
23
Erholungsort Waltersdorf –<br />
Im Naturpark Zittauer Gebirge<br />
gibt es auf kleinem<br />
Raum viel zu entdecken<br />
– von der bizarren winterlichen<br />
Felslandschaft<br />
über das gepflegte Netz<br />
an Skiwanderwegen bis<br />
zu Rodelhängen und Liftanlagen<br />
finden Winterurlauber<br />
alles, was ihr Herz<br />
begehrt: vor allem der Erholungsort<br />
Waltersdorf in<br />
der Gemeinde Großschönau<br />
bietet umfangreiche<br />
Wintersportmöglichkeiten.<br />
Die verschneiten<br />
Landschaften um die<br />
Lausche eignen sich hervorragend<br />
zum Skiwandern,<br />
Rodeln, Abfahrtsski<br />
(mit insgesamt 4 Liften)<br />
und Skilanglauf. In den<br />
Kammlagen des kleinsten<br />
deutschen Mittelgebirges<br />
erstrecken sich auf 40 Kilometern<br />
gut beschilderte<br />
und gespurte Skilanglauf-<br />
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24<br />
Geschichte |
Waltersdorf<br />
zur Winterzeit ein lohnendes Reiseziel<br />
strecken. Zahlreiche Ski- und Wanderwege<br />
werden länderübergreifend präpariert.<br />
Winterliche Bergwälder und die<br />
kristallklare Luft machen es leicht, die<br />
kalte Jahreszeit von seiner schönsten<br />
Seite zu entdecken. Eine Einkehr in den<br />
umliegenden Bauden und Gaststätten<br />
ist immer zu empfehlen.<br />
An der Lausche, mit 793m der höchste<br />
Berg der Oberlausitz, betreibt der Alpine<br />
Skiverein Lausche e.V. ein Skigebiet mit<br />
2 Schleppliften und mehreren Abfahrten.<br />
Die beliebtesten Pisten sind mit einer<br />
modernen Flutlichtanlage ausgerüstet.<br />
In den Skischulen im Erholungsort<br />
Waltersdorf erhalten Skineulinge jeder<br />
Altersklasse das Rüstzeug, um sich auch<br />
in höheren Gebirgen zu bewähren.<br />
Der Skiverein Lausche e.V. schaut auf<br />
eine lange Tradition zurück. Schon Mitte<br />
des 19. Jh. gab es im örtlichen Turnverein<br />
eine Sektion Ski. 1928 gründete sich<br />
daraus der „Ski-Klub Lausche Waltersdorf<br />
“, der sich der Pflege und Förderung<br />
des Skilaufes an der Lausche verschrieb.<br />
Im Laufe der Jahre entwickelten sich die<br />
Disziplinen Langlauf, Skispringen sowie<br />
alpiner Skilauf. In den Jahren 1956/57<br />
wurde die damals größte 60m Sprungschanze<br />
Ostsachsens mit einem riesigen<br />
Arbeitsaufwand (ca. 40.000 Arbeitsstunden,<br />
Erdbewegungen von ca. 20.000m³<br />
zur Profilierung des Aufsprunghanges)<br />
gebaut. In den Folgejahren wurde der<br />
Schanzenturm errichtet und ausgebaut.<br />
Anfang der sechziger Jahre erlebte<br />
das Skispringen seinen Höhepunkt mit<br />
Sprungveranstaltungen vor bis zu 1.000<br />
Zuschauern. 1972 wurde die Schanze<br />
wegen Baufälligkeit abgerissen.<br />
Wettkämpfe spielen im Vereinsleben damals<br />
wie heute eine große Rolle. Der<br />
wohl prominenteste Sohn des Skivereins,<br />
Rochus Wagner, viele Jahre als<br />
Vereins- und Stützpunkttrainer tätig,<br />
nahm 1956 an den Olympischen Spielen<br />
in Cortina d’ Ampezzo teil und belegte<br />
dort den 34. Platz im Slalom.<br />
Von 1961 bis 1969 war Waltersdorf Trainingszentrum<br />
für den alpinen Skisport<br />
in der DDR. 1966/67 wurde der Slalomhang<br />
(Steilhang bis kurz unterhalb<br />
des Lauschegipfels) seiner Bestimmung<br />
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Geschichte | 25
Erholungsort Waltersdorf –<br />
übergeben. Der Leistungssport nahm<br />
damit den größten Teil des Sektionslebens<br />
ein, und es gab zahlreiche Erfolge<br />
bis hin zu DDR-Meistertiteln. Mit einer<br />
politischen Entscheidung lösten 1969<br />
die Funktionäre der DDR das Trainingszentrum<br />
auf und besiegelten damit das<br />
Ende der Leistungssportförderung.<br />
Dennoch: mit 90<br />
Mitgliedern in der<br />
Sektion wurde diese<br />
1970 zum Ausrichter<br />
der DDR-<br />
Meisterschaften.<br />
Es wurden viele<br />
Erfolge der Trainingsgruppen<br />
bei<br />
den Rennen verbucht.<br />
Nach einem Brand<br />
im Domizil des<br />
Vereins wurde<br />
1973 das Skiheim<br />
wieder aufgebaut.<br />
1984 wurde die<br />
erste Hangbeleuchtung installiert und<br />
1986 der Trainingslift am Slalomhang<br />
gebaut.<br />
Nach der politischen Wende gründete<br />
sich 1990 der „Alpine Skiverein Lausche<br />
e.V.“ als Nachfolgeorganisation der Sektion<br />
Ski mit ca. 220 Mitgliedern.<br />
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26<br />
Geschichte |
Waltersdorf<br />
zur Winterzeit ein lohnendes Reiseziel<br />
Ab 1996 wurden zahlreiche Umbau- und<br />
Rekonstruktionsarbeiten an den Liften<br />
und im Skigebiet notwendig. Es begann<br />
mit der Erneuerung des Schanzenliftes,<br />
der fortan auch der Öffentlichkeit zugänglich<br />
wurde, setzte sich über die Erweiterung<br />
der Beleuchtungsanlage fort<br />
und gipfelte 2003/04 in der größten Investition<br />
der Vereinsgeschichte mit der<br />
Errichtung eines Technikgebäudes, dem<br />
Komplettumbau des Lauscheliftes, der<br />
Errichtung einer Beschneiungsanlage<br />
an der Hubertusbaudenabfahrt mit 2<br />
Schneekanonen und einem Wasserspeicher<br />
sowie der Anschaffung einer neuen<br />
Pistenraupe und eines Kassensystems.<br />
Der Verein zählt heute fast 300 Mitglieder.<br />
Es bildeten sich neue Trainingsgruppen,<br />
vor allem im Kinderbereich.<br />
Die Nachwuchsgruppen feiern sachsenweit<br />
beachtliche Erfolge, so zum Beispiel<br />
beim Skitty Cup: die Schüler bis Altersklasse<br />
14 fahren in der deutschlandweiten<br />
Konkurrenz des Schülercups.<br />
Seit Jahren besteht eine grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit mit tschechischen<br />
Partnern in Horní Podluzi und<br />
im angrenzenden Horni Svetla – Gemeinden<br />
mit Liftanlagen und Skihängen<br />
auf gleichem Niveau wie an der Lausche.<br />
Die vorhandenen natürlichen und technischen<br />
Bedingungen zu nutzen und der<br />
Öffentlichkeit in breitem Maße zur Verfügung<br />
zu stellen, darauf liegt heute das<br />
Hauptaugenmerk. Der Verein investiert<br />
viel in den Kinder- und Jugendsport und<br />
sichert sich damit auch die Gäste von<br />
morgen.<br />
Für einen Kurzurlaub mit der Familie<br />
bietet der Wintersport- und Erholungsort<br />
Waltersdorf beste Bedingungen. Der<br />
Weg auf die Bretter ist kurz, und schon<br />
beginnt der Spaß im Schnee – Kurzweil<br />
für schöne Stunden.<br />
Für die Bevölkerung aus der Umgebung<br />
bietet sich Skivergnügen quasi vor der<br />
Haustür. Durch den Flutlichtbetrieb ist<br />
auch für Berufstätige eine spontane Abfahrt<br />
nach Feierabend möglich.<br />
Aufgrund der natürlichen Bedingungen<br />
liegen Abfahrts- und Rodelhänge sowie<br />
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Geschichte | 27
Erholungsort Waltersdorf –<br />
die Skiloipen dicht beieinander, und es<br />
können ohne große Distanz unterschiedliche<br />
Sportarten betrieben werden, z.B.<br />
wenn die Interessen innerhalb der Familie<br />
voneinander abweichen oder einfach<br />
mal etwas anders ausprobiert werden<br />
möchte.<br />
Denn vor allem<br />
für Familien mit<br />
kleineren Kindern<br />
ist Waltersdorf<br />
der ideale Wintersportort.<br />
Die Pisten<br />
sind überschaubar,<br />
von<br />
leicht bis anspruchsvoll<br />
eingestuft,<br />
die Fahrzeiten<br />
mit dem<br />
Lift sind kurz, und<br />
man ist schnell<br />
wieder oben am<br />
Hang. Die Pisten<br />
werden mit einer<br />
modernen Pistenraupe<br />
optimal<br />
gepflegt, und mit<br />
der Beschneiungsanlage können ungünstige<br />
Witterungseinflüsse kompensiert<br />
werden. Für Erwachsene und Kinder<br />
gibt es Skikurse am Lehrhang an der<br />
„Rübezahlbaude“. Im Januar und <strong>Februar</strong><br />
gibt es zudem für Kinder jeden Samstagvormittag<br />
den „Winterrodelspaß mit<br />
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28<br />
Geschichte |
Waltersdorf<br />
zur Winterzeit ein lohnendes Reiseziel<br />
Trixi“ am Rodelhang<br />
Neu Sorge<br />
mit Wett- und<br />
Reifenrodeln, Iglu<br />
bauen, Schneeballschlacht,<br />
winterlichen<br />
Spielen<br />
mit dem Walross<br />
Trixi sowie Grillen<br />
und Glühwein.<br />
Sollte das Wetter<br />
mal nicht mitspielen,<br />
bieten sich<br />
in der Umgebung<br />
vielfältige Möglichkeiten<br />
wie z.B.<br />
Schwimmen und<br />
Saunieren im TRI-<br />
XI-Park in Großschönau,<br />
ein Besuch<br />
in den drei Museen der Gemeinde,<br />
dem Schmetterlingshaus und der Eishalle<br />
in Jonsdorf oder ein Besuch der Sommerrodelbahn<br />
in Oderwitz.<br />
Diese Attraktionen kann man aber auch<br />
in einer anderen Jahreszeit erkunden,<br />
denn nicht nur der Winter lockt Urlau-<br />
ber sowie Tagesausflügler in den Erholungsort<br />
Waltersdorf in der Gemeinde<br />
Großschönau. Auch in den sommerlichen<br />
Monaten ist das idyllisch gelegene<br />
Bergdorf auf jeden Fall eine Reise wert.<br />
Bis zu einer Höhe von 570m schlängelt<br />
sich Waltersdorf zu einem Gebirgspass<br />
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Geschichte | 29
Erholungsort Waltersdorf –<br />
hinauf. Für den Aufstieg auf die Lausche<br />
wird man mit einem wundervollen Ausblick<br />
belohnt. Eine Vielzahl touristischer<br />
Angebote erwarten den Gast sowohl<br />
kulturell als auch aktiv:<br />
Das Ortsbild der Gemeinde wird durch<br />
über 650 überwiegend denkmalgeschützte<br />
Umgebindehäuser geprägt.<br />
Der Denkmalpfad entlang der Dorf- und<br />
Hauptstraße im Ortsteil Waltersdorf gibt<br />
interessante Details über die Volksarchitektur<br />
der Umgebindehäuser preis,<br />
in denen bis ins 19. Jahrhundert Webstühle<br />
klapperten. An zehn markanten<br />
Stellen befinden sich dazu informative<br />
Tafeln. Die vielen Umgebindehäuser in<br />
einem intakten Umfeld an ihrem angestammten<br />
Platz sind mehr als ein Freiluftmuseum,<br />
sie verkörpern lebendige<br />
Geschichte. Ein Spaziergang durch Großschönau<br />
und den Erholungsort Waltersdorf<br />
wird ein Erlebnis beim Entdecken<br />
dieser einzigartigen Bauweise und ihrer<br />
kulturellen Schätze. Von der Lebensweise<br />
früherer Zeiten, der Entwicklung der<br />
Hausweberei und dem Einzug der Damastweberei<br />
sowie der Frottierwarenherstellung<br />
erzählen unsere Museen in<br />
Großschönau und Waltersdorf. Einen<br />
Einblick in die Herstellungstechnik der<br />
Neuzeit bieten die zwei ortsansässigen<br />
Textilbetriebe. Ein umfangreiches Netz<br />
gut markierter Wander- und Radwanderwege<br />
bietet Raum für aktive Erholung.<br />
Auch Trendsportarten wie Nordic<br />
Walking oder Mountainbiking finden hier<br />
ihre Ausführung.<br />
Veranstaltungen der unterschiedlichsten<br />
Art finden ganzjährig in der Gemeinde<br />
Großschönau statt: so zum Beispiel Kinder-<br />
und Familienfeste im Trixi-Park,<br />
am Rodelhang Am Butterberg oder im<br />
Kleinen Bad Großschönau oder Konzerte<br />
und Theatervorführungen im Niederkretscham<br />
Waltersdorf und auf der<br />
Waldbühne Neu Sorge. Veranstaltungshöhepunkt<br />
bildet dabei der über 180-<br />
jährige und zweitgrößte Rummel der<br />
Oberlausitz, das Grußschinner Schiss’n,<br />
welches jedes Jahr am 3. Juliwochenende<br />
stattfindet.<br />
Komfortabel und gemütlich nächtigen<br />
lässt es sich nicht nur in den Hotels,<br />
Pensionen und Privatunterkünften<br />
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30<br />
Geschichte |
Waltersdorf<br />
auch zur Sommerzeit ein lohnendes Reiseziel<br />
des Ortes: auf den Campingplätzen im<br />
Trixi-Park und dem Bauernhof Sell lädt<br />
das Landleben zum Entdecken ein. „Der<br />
Natur ganz nah“ – unter diesem Motto<br />
finden Gäste vom Erholungsort Waltersdorf<br />
sowohl Ruhe und Entspannung als<br />
auch aktive Erholung.<br />
Tourist-Information Großschönau/ Erholungsort Waltersdorf<br />
Souvenirverkauf, Zimmervermittlung, geführte Wanderungen,<br />
Reiseangebote, Veranstaltungsservice<br />
Hauptstraße 28, 02799 Großschönau/ OT Waltersdorf<br />
Tel.: 03 58 41/ 21 46, touristinfo@grossschoenau.de<br />
www.grossschoenau.de, www.erholungsort-waltersdorf.de<br />
Schnee- und Skitelefon: 03 58 41/ 3 57 45<br />
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Geschichte |<br />
31
Leserbrief<br />
Isolde von der Emmerichstraße –<br />
Ich bin eine Görlitzerin und liebe meine<br />
Heimatstadt auch nach mehr als 55 Jahren<br />
Abwesenheit. Ich bin 1933 Emmerichstraße<br />
8 geboren. Dort lebte ich mit<br />
meiner 11 Monaten älteren Schwester<br />
und meinen Eltern in einer kleinen, bescheidenen<br />
Wohnung im 4. Stock. Mein<br />
Vater Erwin Mährdel war Friseur und arbeitete<br />
im Friseursalon im Hauptbahnhof.<br />
Zur Mittagszeit kam er nach Hause,<br />
immer die lange Emmerichstraße<br />
entlang. Wir hatten eine unbeschwerte<br />
Kindheit, spielten viel auf der Straße<br />
und im Hof, am liebsten Nachttopf-<br />
Vogelverkauf, Länderball und Versteck<br />
in den Häusern. Später sammelten wir<br />
Filmschauspieler-Karten und Stammbuchbilder.<br />
Auf unserer Straße kannte<br />
ich jeden Laden. Nebenan in der 9 war<br />
unser Schuster Max Rotter. Im Lebensmittelhaus<br />
von Kurt Lippert gingen wir<br />
einkaufen. In Nummer 11 ging meine<br />
Mutter zum Wäschemangeln. Die große<br />
Mangel beeindruckte uns immer wieder.<br />
Ein paar Häuser weiter war der Friseur<br />
Bruno Hirsch, gegenüber das Tabakwarengeschäft.<br />
An der Ecke Moltkestraße<br />
war der Fleischer Paul Ernst, gegenüber<br />
an jeder Ecke ein Bäcker. Dort holten<br />
wir uns oft für 10 Pfennige Kuchenrändel.<br />
Auch brachte meine Mutter die Kuchen<br />
hin zum Backen und um die Weihnachtszeit<br />
die Stollen. An der anderen<br />
Ecke der Moltkestraße war das Schreibwarengeschäft<br />
von Fräulein Ida Hensel.<br />
Dann kam der Lebensmittelladen vom<br />
Wareneinkaufsverein, dann die Molkerei.<br />
Es war alles so vertraut.<br />
Im Winter hatten wir viel Schnee, und<br />
an den Rändern der Bürgersteige türmten<br />
sich die Schneeberge, auf denen wir<br />
natürlich gelaufen sind. Wir fuhren mit<br />
dem Schlitten den Blockhausberg hinunter,<br />
fast bis an das “Tivoli”, ein Restaurant<br />
mit schönem Garten. Gegenüber<br />
war das Freisebad mit einer kleinen<br />
Schwimmhalle und abgetrennten Räumen,<br />
wo man sich baden oder duschen<br />
konnte, denn Bäder gab es damals in<br />
den wenigsten Häusern. Es gab keine<br />
Kühlschränke, keine Waschmaschinen,<br />
keine Geschirrspüler, keine Fernseher<br />
oder Musikanlagen. Als Radio besaßen<br />
wir einen kleinen “Volksempfänger”. Un-<br />
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32<br />
Leserbriefe |
Aus einem Leserbrief, Teil I<br />
Görlitz, Emmerichstraße, um 1920<br />
ser Wasserhahn war draußen auf dem<br />
Flur und wurde auch von unseren Nachbarn,<br />
der Familie Anders, benutzt. Unsere<br />
gemeinsame Toilette war eine halbe<br />
Treppe tiefer. Unser Toilettenpapier<br />
schnitten wir uns aus Zeitungen zu<br />
handlichen Blättern. Windeln wurden im<br />
Eimer eingeweicht und dann ausgewaschen<br />
und wieder benutzt, denn sie wa-<br />
ren aus Stoff. Zum Kochen und Heizen<br />
hatten wir einen Kachelofen.<br />
Auf dem Hof gab es eine große Aschengrube,<br />
in die von allen Mietern Asche<br />
und andere Abfälle geworfen wurden.<br />
Glas wurde daneben abgestellt. Ab und<br />
zu kamen die Aschemänner mit dem<br />
Pferdefuhrwerk und leerten die Grube<br />
und machten viel Dreck und Staub. Sie<br />
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Leserbriefe |<br />
33
Leserbrief<br />
Isolde von der Emmerichstraße –<br />
trugen alte Säcke auf Kopf und Schultern,<br />
füllten die Körbe vor Ort und trugen<br />
diese durchs Haus auf den Wagen.<br />
Wenn große Wäsche war, mußte die<br />
Waschküche angemietet werden. Diese<br />
befand sich im Hinterhaus im Erdgeschoß.<br />
Dort stand ein großer Kessel, in<br />
dem Wäsche gekocht wurde, also mußte<br />
immer Feuer darunter sein. Mit dem<br />
Waschbrett wurde dann gewaschen und<br />
in zwei großen Zinkbadewannen gespült.<br />
Wenn wir am Waschtag aus der<br />
Schule kamen, konnten wir meine Mutter<br />
in der Waschküche vor lauter Dampf<br />
nicht erkennen. Abends kamen wir dann<br />
noch in die Wanne.<br />
Meine Schule war an der Schulstraße.<br />
Diese besuchte ich bis zur 8. Klasse. Die<br />
Knabenschule war direkt nebenan. In<br />
der Pause mußten wir in den Hof. Dort<br />
gingen wir getrennt, auf der einen Seite<br />
die Mädchen, auf der anderen die Jungs.<br />
Es gab auch noch Schläge mit dem dünnen<br />
Rohrstock auf die Finger der offenen<br />
Innenseite der Hand. Die Finger<br />
schwollen an, und man konnte die Hand<br />
nicht mehr schließen. Ich ging aber<br />
gern in die Schule. Wir lernten Gedichte<br />
auswendig, die ich noch heute mit 75<br />
Jahren kann. Wir mußten Kopfrechnen<br />
beherrschen, da gab es keine elektronischen<br />
Hilfsmittel. Schönschreiben war<br />
angesagt. In der Handarbeitsstunde<br />
lernten wir stricken und stopfen. Später<br />
war ich in der Volkstanzgruppe und<br />
im Schwimmverein “Otto Weddigen”. Im<br />
Helenenbad wurde trainiert. Noch heute<br />
kann man meinen Schwimmstil bewundern.<br />
Die Weinlache war unsere Badeanstalt.<br />
Da ging der Weg immer an der<br />
Neiße entlang, vorbei an der Eiskellerbaude,<br />
die es ja auch nicht mehr gibt.<br />
Görlitz war auch bekannt für seine Boxstaffel,<br />
und die Görlitzer waren ein tolles<br />
Boxpublikum.<br />
Görlitz hatte schöne Ausflugsziele. Auf<br />
der Neiße gab es Kahnpartien, oder man<br />
wurde mit dem Stoßkahn zum anderen<br />
Ufer zur Milchkuranstalt gefahren – mit<br />
Garten und einer großen Spielanlage für<br />
uns Kinder. An der “Ruhmeshalle” am<br />
Ostufer gingen wir zum Schlittschuhlaufen.<br />
Auf dem Friedrichsplatz gastierte<br />
manchmal ein Zirkus. Am Töpferberg<br />
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34<br />
Leserbriefe |
Aus einem Leserbrief, Teil I<br />
Bootsverkehr an der Neißeinsel um 1930<br />
in der Gaststätte “Stadt Breslau” gab es<br />
einen kleinen Zoo, der besonders bei<br />
uns Kindern beliebt war. Zum Schenckendorffplatz<br />
zog es meinen Vater zu<br />
den Fußballspielen. Unsere Schulferien<br />
verbrachten wir bei unseren Großeltern<br />
mütterlicherseits in Löwenberg.<br />
Lustig fanden wir es immer, wenn der<br />
Schaffner auf der Bummelzugstrecke<br />
die Station “Niederschmottseiffen - Mittelschmottseiffen<br />
- Oberschmottseiffen”<br />
ausrief.<br />
Isolde Gatzke, geb. Mährdel<br />
Karlsruhe<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
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Leserbriefe |<br />
35
Der Klostermarkt<br />
St.<br />
–<br />
Marienthal<br />
Im Vordergrund stehen dabei die vorzüglichen<br />
und begehrten Backwaren der<br />
Klosterbäckerei und die großartigen und<br />
besonderen Handarbeiten (z.B.: Tisch-<br />
-Promotion-<br />
Der Besucher vom Kloster St. Marienthal<br />
wird ihn schnell entdecken, den Klostermarkt<br />
auf dem Klosterhof, denn schon<br />
nach dem unteren Klostertor und beim<br />
Betreten vom Klosterhof fallen die großen<br />
Buchstaben und die weit öffnenden<br />
Flügel der Eisengitter-Tür auf.<br />
Ein Markt vom Kloster – das ist dieser<br />
Klostermarkt im<br />
wortwörtlichen<br />
Sinne – bietet vordergründig<br />
die eigenen<br />
und selbst<br />
hergestellten Erzeugnisse<br />
an . . .<br />
und diese dominieren<br />
im Klostermarkt<br />
neben<br />
den kirchlichen<br />
und weltlichen<br />
Angeboten, den<br />
regionalen und<br />
oberlausitzer Souvenirs,<br />
einer Auswahl<br />
an sakraler<br />
Kunst, Devotionalien<br />
und religiösen<br />
Geschenken, oberlausitzer Geschenkartikeln,<br />
ausgewählten Büchern und Musikerzeugnissen.<br />
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36<br />
Geschichte |
vom Kloster St.<br />
St.<br />
Marienthal<br />
Marienthal<br />
decken, Läufer,<br />
Deckchen, Karten,<br />
Seidenmalerei,..)<br />
der Schwestern<br />
und der Paramentenwerkstatt.<br />
-Promotion-<br />
Auch das Klosterbier<br />
(als Einzelflasche,<br />
als 6er-<br />
Pack, als Kasten),<br />
der Klosterlikör,<br />
die verschiedenen<br />
Kräuterwein-Sorten<br />
und der Biokräutertrunk,<br />
die<br />
Kräuter- und Gewürzmischungen,<br />
Honig vom regionalen<br />
Imker, die Kräutertees, die selbst<br />
hergestellten Kerzen mit beachtenswerten<br />
Verzierungen (z.B.: für besondere<br />
Anlässe, Geburtstage, Taufen…), Krüge,<br />
Gläser, Porzellan und das Kloster-Video<br />
finden dort ihren besonderen Platz. Erwähnenswert<br />
sind auch die saisonalen<br />
Angebote zur Oster- und zur Adventszeit.<br />
Diese klostereigenen und klostertypischen<br />
Erzeugnisse werden durch Bücher<br />
und Kalender aus der Oberlausitz,<br />
einer Auswahl von Sachbüchern, religiösen<br />
Büchern („Bibel“, „Gebete mit<br />
Kindern“,... ), Büchern zu den Themen<br />
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Geschichte |<br />
37
Der Klostermarkt<br />
St. Marienthal<br />
-Promotion-<br />
Online-Shop vom<br />
Kloster St. Marienthal“<br />
präsentiert.<br />
Selbstverständlich<br />
können<br />
die Bestellungen<br />
auch per Telefon,<br />
per Fax, per Brief<br />
oder per E-Mail<br />
erfolgen.<br />
Gesundheit und Kräuter, ausgewählten<br />
Kinderbüchern, diversen Land- / Wander-<br />
/ Radwanderkarten ergänzt.<br />
Auf der Homepage vom Kloster St. Marienthal<br />
www.kloster-marienthal.de ist<br />
auch der Klostermarkt online erreichbar<br />
– und entsprechende Angebote werden<br />
im Online-Shop „KLOSTER-SHOP - der<br />
KONTAKT:<br />
Klostermarkt St.<br />
Marienthal,<br />
St. Marienthal 1,<br />
02899 Ostritz<br />
Telefon:(03 58 23)<br />
7 73 67<br />
Fax: (03 58 23)<br />
7 73 01<br />
E-Mail: kloster-marienthal@t-online.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Montag - Samstag: 09.00 - 17.00 Uhr<br />
Sonn- und Feiertage: 10.30 - 16.00 Uhr<br />
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38<br />
Geschichte |
Die Klosterschenke<br />
St. Marienthal<br />
-Promotion-<br />
Unmittelbar vor dem Kloster St. Marienthal<br />
gelegen, finden Sie in der Klosterschenke<br />
St. Marienthal eine hervorragende<br />
und zuverlässige Möglichkeit,<br />
den Aufenthalt im Kloster St. Marienthal<br />
auch zu einem kulinarischen Erlebnis<br />
werden zu lassen. Vom Einzelgast<br />
bis hin zu Reisegruppen können unterschiedliche<br />
Leistungen angeboten werden.<br />
Als traditionelle Ausflugs-, Familien- und<br />
Vereinsgaststätte mit rustikalem Ambiente<br />
können dabei die Gaststube, der<br />
Saal und die Vereinszimmer genutzt<br />
werden. Im Sommer laden vor der Klosterschenke<br />
der Kastaniengarten und die<br />
Kaffeeterrasse zum Verweilen ein.<br />
Um 1740 wurde die historische Klosterschenke<br />
vom Kloster erbaut. Davon zeugen<br />
das beeindruckende Fachwerk in der<br />
Außenfassade, die freigelegten Holzkonstruktionen<br />
im Innern, die dezente Farbgebung<br />
der einzelnen Gasträume und<br />
nicht zuletzt der hundertjährige Kastaniengarten.<br />
Seit dem Himmelfahrtstag 1998 lädt die<br />
historische Klosterschenke in alter Tradition<br />
wieder Spaziergänger, Fuß- und<br />
Radwanderer, Besucher des Klosters,<br />
des Internationalen Begegnungszentrums<br />
sowie Familien, Vereine und Reisegruppen<br />
zu gemütlicher Gastlichkeit mit<br />
Oberlausitzer Küche und Spezialitäten<br />
aus verschiedensten Klosterküchen ein.<br />
Die vielfältigen gastronomischen Leistungen<br />
spiegeln sich unter anderem in<br />
den angebotenen Oberlausitzer Spezialitäten,<br />
den St. Marienthaler Klosterspezialitäten,<br />
in den Backwaren und Kuchen<br />
der Klosterbäckerei, in den sächsischen<br />
Weinen und in anspruchsvollen und<br />
schmackhaften Mahlzeiten und Gerichten<br />
wider.<br />
In den Räumen der Klosterschenke wird<br />
Ihre Feier ein besonderes Erlebnis. Gern<br />
können Sie ganz nach Ihrem Geschmack<br />
und Ihren Wünschen aus den unterschiedlichen<br />
Gasträumen auswählen,<br />
in denen Ihre Feierlichkeit stattfinden<br />
soll. Die Mitarbeiter der Klosterschenke<br />
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Geschichte |<br />
39
Die Klosterschenke<br />
St.<br />
–<br />
Marienthal<br />
-Promotion-<br />
St. Marienthal sind Ihnen bei Ihrer Wahl<br />
gern behilflich.<br />
Und entsprechende Möglichkeiten für<br />
Ihre Feierlichkeiten gibt es zuhauf: Ostern,<br />
Himmelfahrt und Pfingsten, Weihnachtsfeiern,<br />
Silvesterfeier, Geburtstage,<br />
Hochzeiten . . . aber auch zu allen<br />
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40<br />
Geschichte |
vom Kloster St.<br />
St.<br />
Marienthal<br />
Marienthal<br />
-Promotion-<br />
anderen Gelegenheiten empfiehlt sich<br />
die Klosterschenke St. Marienthal zu einem<br />
Besuch bei gepflegter Gastlichkeit<br />
in rustikalem Ambiente mit Oberlausitzer<br />
Küche und Spezialitäten aus der<br />
Klosterschenke.<br />
Aber auch Reisegruppen, Gesellschaften,<br />
Vereine, Tagesgäste, Urlauber, Besucher<br />
können in der Klosterschenke<br />
St. Marienthal vortrefflich speisen und<br />
feiern. Die unterschiedlichen Räumlichkeiten<br />
lassen eine individuelle und<br />
nach den Vorstellungen durchführbare<br />
Belegung zu. Das Thema Gruppentourismus<br />
ist ebenso kein Fremdwort und<br />
wird gern im Zusammenhang mit einem<br />
Gastaufenthalt im Kloster verbunden.<br />
Der Aufenthalt im St. Marienthal lädt<br />
zum Besuch in die Klosterschenke ein<br />
– und verspricht in gemütlicher Atmosphäre,<br />
bei hervorragenden kulinarischen<br />
Klosterschenken-Spezialitäten<br />
und mit ausgezeichneten Weinen ein<br />
einzigartiges und besonderes Erlebnis<br />
zu werden.<br />
Ob Sie nun zu Beginn oder als Abschluss<br />
Ihres Aufenthaltes die Klosterschenke<br />
besuchen – mit den typischen Spezialitäten<br />
der Klosterschenke oder mit der<br />
Oberlausitzer Küche wird ein angenehmer<br />
Eindruck bei Ihnen zurückbleiben.<br />
KONTAKT:<br />
Klosterschenke St. Marienthal, Klosterstraße<br />
138, 02899 Ostritz<br />
Telefon: (03 58 23) 8 77 15<br />
Fax: (03 58 23) 8 77 17<br />
E-Mail:<br />
klosterschenke-st.marienthal@t-online.<br />
de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mo bis So 11.00 bis 22.00 Uhr<br />
Für Ihre Feier sind andere Öffnungszeiten<br />
nach Absprache möglich.<br />
Kloster St. Marienthal<br />
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Geschichte |<br />
41
Die Kirche<br />
Kirche<br />
nach 1715nach 1715<br />
Das Geleucht, bestehend aus drei vom<br />
Gewölbe herabhängenden Messingkronen,<br />
ist für die festliche Wirkung des<br />
Raumes von maßgebendem Charakter.<br />
Der dem Altar am nächsten hängende<br />
Kronleuchter ist eine Renaissanceschöpfung<br />
des 16. Jahrhunderts. Charakteristisch<br />
ist der stilisierte Löwenkopf<br />
unterhalb der Kugel mit einem ziselierten<br />
Griffring im Maul. Die beiden anderen<br />
Kronen sind offenbar mit dem<br />
Barockinventar um 1718 beschafft worden.<br />
Die Rokokoausstattung wurde zwischen<br />
1766 und 1774 beschafft und<br />
teilweise bis 1781 farblich gestaltet. Sie<br />
bereichert das Raumbild ganz bedeutend.<br />
Die Ausmalung des Kirchenraumes, erst<br />
1801 archivalisch belegt, erstreckt sich<br />
in reichen Rokokoformen über das ganze<br />
Gewölbe, bis in die Trichteransätze.<br />
Sie ist in der Art ihrer Ausführung bestrebt,<br />
plastische Wirkung zu erzielen.<br />
Die inneren, wandseitigen Fensterumrahmungen<br />
sind schlicht in die malerische<br />
Raumgestaltung einbezogen. Die<br />
Gewölbemalerei wurde1951/52 erneuert.<br />
Die zu beiden Seiten des Altarraumes<br />
zu je zwei übereinander angeordneten<br />
Patronatslogen für die vier ortsansässigen<br />
Gutsherrschaften (meist waren das<br />
Görlitzer Bürger) von 1766/67 mit reich<br />
geschnitzten und vergoldeten Rokokoformen,<br />
Vasenaufsätzen, Kartuschen<br />
und Gitterrocaillen wurden 1781 „staffiert“.<br />
Diese Logen verleihen dem Raum<br />
den Charakter einer kleinen Hofkirche.<br />
Die Substanz ist durchgängig original<br />
und gut erhalten, einschließlich der antik<br />
verglasten und kleinteilig durch Holzsprossen<br />
gegliederten Fenster. Original<br />
erhalten ist auch die Logenausstattung<br />
mit Fayencekachelöfen und gußeisernen<br />
Feuerkästen. Ihre Beheizung erfolgte<br />
von den Logenvorräumen aus. Bereichert<br />
wird die Ausstattung dieser Logen<br />
durch gezogene Stuckdecken, die barocke<br />
Bestuhlung und den an der Fensterwand<br />
angebrachten Nummernkästchen<br />
für die Gesangbuchhinweise.<br />
Eine Logenfassung in der östlichen Turmöffnung<br />
gegen das Langhaus zu ebener<br />
Erde mit altgefaßter Girlandenschnitze-<br />
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42<br />
Geschichte |
Deutsch-Ossig<br />
rei ist als Beschaffung von 1766/67 „für<br />
die Herrschaft von Klein-Neundorf“ bezeugt.<br />
Der Orgelprospekt im Rokokostil ist<br />
mit der Orgel 1774 entstanden. Er hat<br />
im zweiten Weltkrieg leider seine Pfeifen<br />
eingebüßt. Das Werk wurde bereits<br />
1935 gegen ein neues ersetzt. Die ihrer<br />
Pfeifen beraubten Prospektfelder sind<br />
hinter ihrer reich vergoldeten Schnitzerei<br />
mit braunem Tuch bespannt. Der<br />
Prospekt bildet das westliche Gegenstück<br />
zur Logen- und Altararchitektur<br />
des Chorraumes und trägt ganz bedeutend<br />
zum festlichen Charakter des Raumes<br />
bei.<br />
Angepasst an die 1715/17 eingebrachten<br />
äußeren Gewände von Westportal und<br />
Seiteneingängen wurden 1877 westlich<br />
der Logenanbauten Seitenvorhallen errichtet,<br />
die sich mit ihren Steinkreuzen<br />
in die schlichte Außenarchitektur der<br />
Kirche bereichernd einfügen. Spätere<br />
Ausstattungsteile im Inneren der Kirche<br />
unterwarfen sich dem einheitlichen<br />
Hoch- und Spätbarockcharakter der originalen<br />
Ausstattung. Mit der Renovation<br />
von 1892 entstanden reich geschnitzte<br />
Torflügelpaare der Seiteneingänge. Die<br />
Türflügel blieben seit 1951/53 ungefaßt<br />
im Naturholzton. Die beiden Ostfenster<br />
gleichfalls von 1892 zeigen in ihrer<br />
Buntverglasung Barockformen als rahmende<br />
Bordüren. Ihre Felder sind einheitlich<br />
neutral ornamental gerautet.<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
Dieter Liebig, Volker Richter, zusammengestellt<br />
durch Dr. Ingrid Oertel<br />
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Geschichte |<br />
43
Görlitzer<br />
Geschichten aus dem Görlitzer Stadtverkehr –<br />
Arbeitswagen 101 ex. TW. 14 (III) mit Salzloren 73 und 74<br />
Oft bekommt man zu hören, es gäbe<br />
heute nicht mehr so schneereiche Winter<br />
wie früher. Die Antwort darauf muß<br />
ich offen lassen, darf aber versichern,<br />
dass man zu meiner Jugendzeit genauso<br />
sprach, und wenige Jahre später erlebte<br />
ich, der ich ab 1974 ja oft nur besuchsweise<br />
für einige Tage in Görlitz weilte, in<br />
unserer Stadt mehrmals eine unvorstell-<br />
bar üppige Schneepracht. Hierzu wird in<br />
späteren Folgen noch zu berichten sein.<br />
Wahr indes aber ist, dass seit den frühen<br />
dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />
in fast allen Straßenbahnbetrieben<br />
ein strukturierter Winterdienst mit<br />
eigens dafür vorgehaltenen Fahrzeugen<br />
bestand. Da machte<br />
Görlitz keine<br />
Ausnahme. Die drei<br />
Aufnahmen gewähren<br />
einen Blick in<br />
die Wintertage zu<br />
Beginn des Jahres<br />
1959. Bereits um<br />
1930 sind neben<br />
anderen Güterwagen<br />
in der Görlitzer<br />
Straßenbahnwerkstatt<br />
auch zwei<br />
halbgeschlossene<br />
Salztransport- und<br />
Streufahrzeuge gebaut<br />
worden. Sie<br />
trugen die Nummern<br />
73 und 74 und waren bis zum Beginn<br />
des Jahres 1962 eingesetzt. Gezo-<br />
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44<br />
Geschichte |
Görlitzer<br />
Winterdienstfahrzeuge<br />
Stadtverkehr<br />
vor fünfzig Jahren<br />
Arbeitswagen 101 ex. TW. 14 (III) mit Salzloren 73 und 74<br />
gen wurden sie anfangs von normalen<br />
Personentriebwagen, später generell<br />
von Arbeitswagen, die der Gleisunterhaltung<br />
oder dem Fahrleitungsbau dienten.<br />
Dies waren ausschließlich ehemalige<br />
Personenfahrzeuge, welche meist<br />
nach wenigen Jahren durch andere ersetzt<br />
werden mussten.<br />
Das Tausalz schippte man bei diesen<br />
Salzanhängern manuell über ein Sieb<br />
auf den darunter liegenden Gleiskörper.<br />
Dazu wurde vorher die Plane seitlich<br />
hochgebunden. Nach demselben einfachen<br />
Prinzip arbeiteten auch die später<br />
aus Personenbeiwagen errichteten insgesamt<br />
fünf Salzanhänger, deren letzter<br />
Vertreter 1993 verschrottet<br />
worden<br />
ist.<br />
1940 ist der 1905<br />
von der Hoerder<br />
Kreisbahn bei Dortmund<br />
übernommene<br />
und seit 1930<br />
als Arbeitswagen<br />
genutzte Triebwagen<br />
Nr. 31 zu einem<br />
kombinierten Winterdienstfahrzeug<br />
mit geschlossenen<br />
Perrons umgebaut<br />
worden. Er verfügte<br />
über Räumvorrichtungen<br />
unter<br />
dem Wagenboden (welche einen Winter<br />
lang - nämlich 19<strong>68</strong>-1969 - unter<br />
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Geschichte |<br />
45
Görlitzer<br />
Geschichten aus dem Görlitzer Stadtverkehr<br />
TW. 38 der WUMAG- Reihe Verwendung<br />
fanden) und war auch als Salzstreufahrzeug<br />
verwendbar. Spätestens seit dieser<br />
Zeit trug dieses Fahrzeug die Betriebsnummer<br />
4 (II) und seit Ende 1956 die<br />
Nummer 104 . Die nach innen klappbaren<br />
Einstiegstüren waren in dieser Form<br />
in Görlitz einzigartig und dienten ganz<br />
sicher der Beladung des Fahrzeuges mit<br />
Tausalz mittels Förderband, da nirgendwo<br />
äußerlich eine alternative Möglichkeit<br />
hierfür erkennbar ist. Im Spätsommer<br />
1970 ist dieses interessante Gefährt,<br />
welches man relativ selten außerhalb<br />
des Depots antraf, zerlegt worden. Einen<br />
direkten Nachfolger gab es nicht.<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
Impressum:<br />
Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />
StadtBILD-Verlag<br />
Inh. Thomas Oertel<br />
Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />
02826 Görlitz<br />
Ruf: 03581/ 87 87 87<br />
Fax: 03581/ 40 13 41<br />
Mail: info@stadtbild-verlag.de<br />
www.StadtBILD.GR<br />
Verantw. Redakteur:<br />
Kathrin Drochmann<br />
Redaktion:<br />
Dr. Ernst Kretzschmar, Dipl. Ing. Eberhard Oertel<br />
Layout:<br />
Andreas Ch. Oertel, Kathrin Drochmann, Marion Schneider,<br />
Marnie Willig<br />
Druck: www.print-mania.de<br />
Teile der Auflage werden auch kostenlos verteilt, um eine größere<br />
Verbreitungsdichte zu gewährleisten.<br />
Für eingesandte Texte & Fotos übernimmt der Herausgeber<br />
keine Haftung. Artikel, die namentlich gekennzeichnet sind,<br />
spiegeln nicht die Auffassung des Herausgebers wider. Anzeigen<br />
und redaktionelle Texte können nur nach schriftlicher<br />
Genehmigung des Herausgebers verwendet werden.<br />
Andreas Riedel, Wiesbaden<br />
Anzeigenschluss für die März-<strong>Ausgabe</strong>: 15. <strong>Februar</strong><br />
<strong>2009</strong> - Redaktionsschluss: 15. <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong><br />
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46<br />
Geschichte |