Getränke! Technologie & Marketing 1/2023

ROH- UND INHALTSSTOFFE |
Geschmackswelten
BELIEBTE FRÜCHTEPARTNER
„Respekt, der schmeckt“
Als der große Philosoph Ludwig Wittgenstein in seiner Schrift „Logisch-philosophische
Abhandlung“ den berühmten Satz prägte: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die
Grenzen meiner Welt“, hatte er zunächst ein in sich geschlossenes sprachphilosophisches
System vor Augen. Und doch entwickelte dieses Zitat auch im Alltag ein bildliches
Eigenleben: Das, was ich mit meiner Sprache erfassen kann, erklärt mir meine Welt und
weist mir gleichzeitig meine Grenzen innerhalb dieser Welt auf.
J
enen Gedanken macht sich – in
übertragener Weise – auch die
Werbesprache zunutze, indem
sie mit den für ihre Produkte verwendeten
sprachlichen Begriffe und
Wörter das Interesse von Kunden
wecken will und dieses dann im Sinne
der Kundenbindung fortdauernd
pflegen möchte. Gerade das Internet
und Social-Media-Kanäle bilden
etwa für das Marketing heutzu tage
geschätzte Helfer, um sprachlich das
„gewisse Extra“ für den Kunden
herauszuarbeiten. Denn während
ein Unternehmen mit gelungener
Kundenbindung seine Käuferschichten
anlocken kann, macht sich die
geglückte Antwort der Kunden wiederum
in punkto Treue und Zufriedenheit
bemerkbar. Und: Sprachlich
geglückte Kommunikation führt am
Ende zu den für das wirtschaftliche
Überleben dringend notwendigen
positiven Bilanzzahlen.
22 | Getränke! 01 | 2023
Goethe & Getränk
Und so zeigt sich die Sprach-Welt
der Werbung als buntes Sammelsurium,
zusammengesetzt aus verschiedenen
Teilgebieten: hierbei
tummeln sich Elemente aus Alltags-,
Fach- und Jugendsprache
oder auch regionalspezifisch aus
Dia lekten. Aus den verschiedenen
Aspekten der Kundenbindung heraus
– „situa tive Bindung“, „rechtliche
Bindung“, „technische Bindung“,
„ökonomische Bindung“
und „emotionale Bindung“ – bildet
der Sprach- Aspekt also einen
gewichtigen Teil der emotionalen
Kundenbindung. Hier entstehen
mithin die Narrative, die den Kunden
gefühlsgeleitet zum Griff ins
Getränke regal bewegen. So bewirbt
die Dörrwerk GmbH aus Berlin
ihre Produktlinie „Rettergut“ mit
dem griffigen und von einer Alliteration
zusätzlich „schmackhaft“
gemachten Slogan: „Rettergut –
Respekt, der schmeckt!“, worunter
auch die Rettergut-Erfrischungsgetränke
fallen. Mit den Sorten
„Apfel & Ingwer“, „Apfel & Schlehe“
sowie „Gurke & Minze“ treffen
sie förmlich „des Sprudels Kern“.
Denn genau mit dieser kleinen Modifikaton
des Sprichworts „Des Pudels
Kern“ auf dem Etikett der
Getränke flasche bewirbt das Unternehmen
seine Getränkesorten.
Der potenzielle Käufer liest die Abwandlung
des bekannten Sprichworts
und tritt schon beim Nachdenken
darüber, „woher ihm der
Satz ‚des Sprudels Kern‘ wohl bekannt
vorkommt“, in einen inneren
Dialog mit dem Produkt. Seine psychologische
Aufmerksamkeit ist auf
dieses Getränk hin geweckt und somit
hebt sich die Marke Rettergut
Foto: Dörrwerk GmbH
aus der anonymen Masse hervor
und hat bereits in der Vorstellung
der Kunden ein eigenes Bild entwickelt
– ein Narrativ kann sich also
entspinnen. Redewendungen bilden
somit ebenfalls dankbare Ansatzpunkte
in den Sprachspielen
der Marketingwelt. Und auch wenn
von Seiten der Marketing-Strategen
nicht davon ausgegangen werden
kann, dass jeder potentielle Käufer
den Hintergrund der Redewendung
kennt – ein Pudel schließt sich
der Figur von Goethes „Faust“ auf
einem Spaziergang an und in dessen
Studierzimmer verwandelt sich
dieser Hund in Mephisto, sodass
Faust ausruft: „Das also war des Pudels
Kern“ –, so ist die Redewendung
doch inzwischen so sehr zum
Allgemeingut geworden, dass sie
glänzend in ein Marketingkonzept