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Ihre<br />
Ansprechpartner:<br />
Inh. Frau<br />
Mag. Danuta Fröhlich<br />
Apothekerin<br />
Geschäftsführer:<br />
"Pro Senior"<br />
Reinhard W. Fröhlich<br />
Lageplan:<br />
FORTUNA APOTHEKE
Vorwort Liebe Leserinnen, - Editorial<br />
liebe Leser,<br />
Die Weihnachtstage liegen nun hinter<br />
uns und ein neues und hoffentlich erfolgreiches<br />
Jahr <strong>2008</strong> vor uns. Ich wünsche<br />
Ihnen, liebe Leser des StadtBILDes, im<br />
neuen Jahr in erster Linie Gesundheit<br />
und Schaffenskraft.<br />
Der <strong>Januar</strong> (v. lat. ianua „Tür, Zugang“)<br />
ist der erste Monat des Jahres im<br />
Gregorianischen Kalender. Der Name<br />
Jänner/Jenner ist bis heute im süddeutschen<br />
Sprachraum üblich, in Österreich<br />
und Südtirol heißt dieser Monat offiziell<br />
Jänner. Auch auf Schweizerdeutsch<br />
nennt man den <strong>Januar</strong> gelegentlich<br />
Jänner.<br />
Er hat 31 Tage und ist nach dem<br />
römischen Gott Ianus benannt, der laut<br />
der Sage zwei Gesichter hat. Bezogen auf<br />
die heutige (temporale) Lage des<br />
<strong>Januar</strong>s sieht ein Gesicht in das neue und<br />
eines in das alte Jahr (Gute Vorsätze zum<br />
Jahreswechsel).<br />
Alte deutsche Namen sind Hartung,<br />
Eismonat, Schneemonat und Wintermonat.<br />
Die letzte Bezeichnung wurde von<br />
Karl dem Großen im 8. Jh. eingeführt. In<br />
Osteuropa wurde der <strong>Januar</strong> früher auch<br />
Wolfsmonat genannt, da in dieser Zeit die<br />
Wölfe ihre Ranzzeit haben und leichter zu<br />
jagen waren.<br />
Im römischen Kalender war der <strong>Januar</strong><br />
bzw. Jänner ursprünglich der elfte Monat,<br />
und erst mit der Umstellung des<br />
Jahresbeginns vom 1. März auf den 1.<br />
<strong>Januar</strong> im Jahre 153 v. Chr. wurde er zum<br />
Beginn des Kalenderjahres. In der Silvesternacht<br />
ist ein alter Brauch, sich gute<br />
Vorsätze für das neue Jahr vorzunehmen.<br />
Auch wir wollen unseren Teil dazu<br />
tun, um Sie im neuen Jahr weiterhin mit<br />
interessanten Geschichten, Anekdoten<br />
und Beiträgen rund um Görlitz, die Oberlausitz<br />
und Niederschlesien zu unterhalten.<br />
Den Anfang für das neue Jahr bilden<br />
sehr interessante Abhandlungen über<br />
den Görlitzer Starfotografen Robert<br />
Scholz und den "Mundwerker" Werner<br />
Finck.<br />
Außerdem widmen wir uns dem Thema<br />
"Schlaraffia", einer Organisation, die<br />
heute schon fast 150 Jahre alt ist.<br />
Wissenswertes über den Görlitzer Paul<br />
Mühsam rundet diese <strong>Ausgabe</strong> im neuen<br />
Jahr ab. Auf unserem Streifzug durch die<br />
Oberlausitz sind wir diesmal zu Gast in<br />
Königshain. Den Abschluss bildet ein<br />
Wintermärchen. Lassen Sie sich überraschen<br />
und halten Sie auch <strong>2008</strong> Ihrem<br />
Regionalmagazin die Treue!<br />
Ihr Andreas Ch. Oertel<br />
Wohnungsgenossenschaft Görlitz eG<br />
Einleitung<br />
Ein gutes neues Jahr <strong>2008</strong>!<br />
Gesundheit, Glück und Erfolg!<br />
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3
Robert Starfotograf Scholz<br />
Robert Scholz (1843-1926)<br />
Am 6. Juli 1843 kam Robert Scholz in<br />
Bunzlau in der preußischen Provinz<br />
Schlesien zur Welt. Sein Vater, eigentlich<br />
Porzellanmaler, erkannte frühzeitig die<br />
neuen Möglichkeiten der fotografischen<br />
Abbildungstechnik. Sohn Robert besuchgeszeitung<br />
"Neuer Görlitzer Anzeiger":<br />
"Er gehörte zu den Menschen, deren<br />
Arbeit bei unzähligen anderen die Freude<br />
an der Heimat erweckt und erhalten hat.<br />
Das bleibt ihm unvergessen!"<br />
Wie viele andere nachmals bekannte<br />
Görlitzer Persönlichkeiten wurde er anderswo<br />
geboren. Er ließ sich durch den<br />
Zauber dieses aufblühenden Zentrums<br />
der preußischen Oberlausitz hierher ziehen.<br />
Für mehr als ein halbes Jahrhundert<br />
prägte er das öffentliche Leben in der<br />
Stadt maßgeblich mit und genoß Ansehen<br />
in allen Kreisen der Bevölkerung.<br />
Sein bahnbrechendes Schaffen wirkt<br />
deutlich wahrnehmbar fort bis in unsere<br />
Tage. Mit Sonderausstellungen im Barockhaus<br />
Neißstraße 30 (1993) und im<br />
Fotomuseum Löbauer Straße (2005)<br />
wurde damit begonnen, dieses Lebenswerk<br />
angemessen zu würdigen.<br />
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Porträtaufnahme Robert Scholz um 1880<br />
Als 1926 der bekannte Görlitzer Fotograf<br />
Robert Scholz starb, würdigte ihn die Ta-<br />
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4<br />
Titel
Robert<br />
Vor 165 Jahren Scholz<br />
geboren<br />
Abbildungstechnik. Sohn Robert besuchte<br />
die Bürgerschule und durchlief ab<br />
1857 die Fotografenlehre im Geschäft<br />
des Vaters in Bunzlau. 1861 ging er zur<br />
Weiterbildung nach Hamburg (Fotoatelier<br />
Siegmund), 1862 nach Nordhausen<br />
(Fotoatelier Belitzki). 1863 trat er in das<br />
Atelier und Fachgeschäft des Vaters in<br />
Robert Scholz mit seiner Familie im Hof des Atelierhauses Bismarckstraße 9, 1881<br />
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Titel<br />
5
Robert Starfotograf Scholz<br />
Robert Scholz (1843-1926)<br />
Bunzlau mit ein, um schließlich 1867 sein<br />
eigenes Unternehmen in Görlitz, Bismarckstraße<br />
9 (damals noch Klosterstraße),<br />
zu gründen. Im Jahr darauf heiratete<br />
er Bertha Besser aus Bunzlau. Die<br />
Eheleute hatten fünf Kinder: Alfred (geb.<br />
1869), Felix (1871), Erich (1872), Bruno<br />
(1875) und Elisabeth (1881).<br />
Wie auch die damals in Görlitz bereits<br />
bestehenden fünf fotografischen Ateliers<br />
erledigte er Kundenaufträge und fertigte<br />
vorzugsweise Porträtaufnahmen, die damals<br />
als volkstümlicher Ersatz für die<br />
teuren Ölporträts sehr geschätzt waren.<br />
Aber bald erschloß er sich mit Architekturaufnahmen<br />
(Görlitz, Berlin, Potsdam),<br />
mit Landschaftsbildern (Riesengebirge,<br />
Zittauer Gebirge) und Aufnahmen<br />
in Industriebetrieben (Waggonbau, Maschinenbau,<br />
Tuchfabrikation) einen neuen<br />
Markt. Landschaftsmaler besorgten<br />
sich seine Aufnahmen mit Wolkengebilden,<br />
um sie dann im Atelier in ihre Gemälde<br />
zu übertragen. Zunehmend fühlte<br />
er sich eins mit dieser Stadt und nach<br />
seiner vaterländischen Überzeugung<br />
auch als treuer Bürger des preußischen<br />
Königreiches. Er dokumentierte, zumeist<br />
ohne öffentlichen oder privaten Auftrag,<br />
die rege Bautätigkeit in der Stadt (zum<br />
Abriß bestimmte Bauwerke, Grundsteinlegungen,<br />
Bauphasen, Richtfeste, Fassaden<br />
und Innenräume). Als erster Fotoreporter<br />
in Görlitz überlieferte er bedeutende<br />
Ereignisse (Kaiserbesuche 1893,<br />
1896, 1902; Militärparaden, Denkmalenthüllungen,<br />
Kirchweihen, Schlesische<br />
Musikfeste, Schützentreffen). Mit Weitblick<br />
und Unternehmungsgeist schuf er<br />
zugleich Möglichkeiten, die Fotos vielfältig<br />
auf den Markt zu bringen. 1893<br />
eröffnete er eine Anstalt für Lichtdruck<br />
und Zinkätzung. Aus dem eigenen Verlag<br />
kamen Ansichtskarten von Straßen, Plätzen<br />
und Bauwerken, von Denkmälern<br />
und Ereignissen in hohen Auflagen und<br />
immer hochaktuell in die Geschäfte und<br />
fanden dann auf dem Postweg ihre Ziele<br />
in aller Welt. Das war die erste weltweite<br />
Werbung für Görlitz durch die Bürger<br />
selbst, ohne kostspielige Agenturen und<br />
überspannte Multimediaaktionen wie<br />
heute. Alte Sammelalben mit Ansichts-<br />
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6<br />
Titel
Robert<br />
Vor 165 Jahren Scholz<br />
geboren<br />
Treppenhaus und Galerie in der Ruhmeshalle,<br />
Ansichtskarte 1902<br />
karten erzählen dem heutigen<br />
Betrachter ganze Geschichten<br />
über Görlitz vor 100 Jahren.<br />
Buchautoren, Zeitungsredaktionen<br />
und Reiseandenkenhändler<br />
nutzten ausgiebig diesen<br />
reichen Schatz an Fotografien.<br />
So konnte das Atelier Robert<br />
Scholz rasch alles Neue in<br />
Görlitz aufspüren und zeigen<br />
und so das Unternehmen mit<br />
Gewinn modernisieren und<br />
ausbauen. Auf zentralen Ausstellungen<br />
gewann man Preise,<br />
so auf den Görlitzer Industrieund<br />
Gewerbe-Ausstellungen<br />
(1885, 1905), auf der Jahrhundertausstellung<br />
Breslau<br />
(1913), aber auch in Wien, Berlin,<br />
Philadelphia und Kalkutta.<br />
Fest in der Region und im Vaterland<br />
verwurzelt und zugleich<br />
weltoffen durch die erfolgreiche<br />
eigene Arbeit, war<br />
das Görlitzer Unternehmen<br />
ganz dem kühnen Geist der Zeit verpflichtet.<br />
Nach der eigenen Berufserfahrung<br />
wollte Robert Scholz Solidität<br />
und Experimentierfreude, Traditionstreue<br />
und Mut zum Neuen verschmelzen.<br />
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Titel<br />
Der Tradition verpflichtet<br />
7
Robert Starfotograf Scholz<br />
Robert Scholz (1843-1926)<br />
treue und Mut zum Neuen verschmelzen.<br />
Seine Arbeitsmethoden, seine Geschäftspraxis<br />
und vor allem seine Fotos<br />
bezeugten dies.<br />
Werbeanzeige 1893<br />
1920 übergab Robert Scholz die Unternehmensleitung<br />
an seine Söhne Alfred<br />
(gest. 1939) und Felix (gest. 1949). Er<br />
starb am 21. Oktober 1926 in Görlitz. Der<br />
jüngste Sohn Bruno unterhielt Blumenstraße<br />
8 eine eigene Fotowerkstatt, die<br />
er dann während des Krieges in das Gartenhaus<br />
Bismarckstraße 10 verlegte; er<br />
starb 1950. Fotografenmeister Kühn<br />
führte das Ladengeschäft noch einige<br />
Zeit für die Erbengemeinschaft weiter.<br />
Nur ein Teil der Negativsammlung und<br />
des Ansichtskartenarchivs wurde durch<br />
die Städtischen Kunstsammlungen unter<br />
Ernst-Heinz Lemper vor der Vernichtung<br />
gerettet und befindet sich heute in guter<br />
Obhut im Ratsarchiv. Anderes bewahrten<br />
private Sammler wie Otto Zimmermann<br />
bis zur Übernahme durch die Stadt. Die<br />
Erschließung und digitale Dokumentation<br />
sind im Gange, werden sich jedoch<br />
bei dem Personalmangel noch hinziehen.<br />
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Titel
Robert<br />
Vor 165 Jahren Scholz<br />
geboren<br />
V i<br />
eles fiel in den 1950er Jahren fach-licher<br />
Unbedarftheit und ideologischer<br />
Verbohrtheit zum Opfer, insbesondere<br />
Bildzeugnisse der Orte und Landschaften<br />
jenseits der Neiße und Ansichtskarten<br />
mit den alten Straßennamen.<br />
Standardwerke zur Görlitzer Geschichte<br />
Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Obermarkt, Foto Robert Scholz 1893<br />
Auf Schusters Rappen durch das historische Görlitz.<br />
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... aus Freude am Laufen<br />
Titel<br />
9
Robert Starfotograf Scholz<br />
Robert Scholz (1843-1926)<br />
Einweihungs-Konzert Stadthalle Görlitz, Ansichtskarte 1910<br />
F<br />
otos. Das wußten schon Ludwig Feyerabend<br />
(Alt-Görlitz einst und jetzt, 1927/<br />
28), Ratsarchivar Richard Jecht (Geschichte<br />
der Stadt Görlitz I,2, 1927/34),<br />
die Städtischen Kunstsammlungen (Gör-<br />
litzer Bildchronik in acht Heften 1978/92)<br />
und Architekturhistoriker Andreas Bednarek<br />
(Görlitz, so wie es war, 1993).<br />
Denkmalpflege und Stadtbildpflege wären<br />
in der Denkmalstadt Görlitz ohne die<br />
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10<br />
Titel
Robert<br />
Vor 165 Jahren Scholz<br />
geboren<br />
D<br />
as Atelier Robert Scholz war ein Familienunternehmen<br />
im klassischen Sinn.<br />
Gegründet durch Robert Scholz aus<br />
Bunzlau, mit getragen durch dessen Bruder<br />
Bruno und durch seine Söhne Alfred,<br />
Felix und Bruno, war es das Markenzeichen<br />
für die Görlitzer Fotografie, nicht<br />
weniger als die Görlitzer Kamerahersteller<br />
und optischen Betriebe mit ihren<br />
Pionierleistungen. In diesem Sinne, nicht<br />
als eitler Selbstdarsteller, war Robert<br />
Scholz ein Starfotograf für Görlitz - wie<br />
nach ihm auch Alfred Jäschke, Walter<br />
Wolff, Werner Hahn, Helmut Vogt, Rainer<br />
Kitte und Thomas Fiedler. Um dieses<br />
kostbare Erbe zu bewahren und zu<br />
würdigen, bleibt dem Fotomuseum im<br />
Aufbau noch reichlich zu tun.<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
Erinnerungsfoto vom Stadthalleneinsturz, Ansichtskarte 1908<br />
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11
Oybin Mit Robert Scholz und Holger Stein<br />
„Fotoimpressionen gestern und<br />
heute vom Oybin“<br />
….so haben wir unsere Ausstellung genannt,<br />
die einen Bogen über fast ein<br />
Jahrhundert spannt.<br />
Unterkirche Burg und Kloster Oybin<br />
2001-2003<br />
Zunächst zum Inhalt der Ausstellung<br />
selbst:<br />
Burg und Kloster Oybin - in der Zeit der<br />
Gotik geprägt durch das Wirken Kaiser<br />
Karls IV., in der Zeit der Romantik durch<br />
das der Maler wie Caspar David Friedrich,<br />
Carl Gustav Carus und vieler anderer<br />
- ist ein einzigartiges Ensemble von<br />
Natur und Architektur.<br />
Etwa 100.000 Besucher im Jahr sprechen<br />
für die Faszination, die diese Anlage heute<br />
noch ausübt.<br />
Der Zittauer Advocat Andreas Oppermann<br />
beschrieb den Oybin im 19. Jh. wie<br />
folgt:<br />
„Es war im Junimonate des Jahres 1868.<br />
Nach den bewegten Tagen des Lutherfestes<br />
zu Worms war es ein eigentümlicher<br />
Zufall, der mich nach dem Oybin<br />
führte. Die Meinigen hatten dort Sommeraufenthalt<br />
genommen, und ich eilte,<br />
sie zu begrüßen und frohe Tage mit ihnen<br />
zusammen zu sein.<br />
So reihte sich wie von selbst zu den Bildern<br />
der beiden merkwürdigsten Ruinen<br />
Deutschlands - Schloss Heidelberg und<br />
Paulinzelle - das Bild der dritten Ruine,<br />
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Geschichte
Oybin auf Wanderschaft<br />
welche würdig ist, jenen beiden zur Seite<br />
gestellt zu werden, des Oybin, an. Die<br />
Klosterruine Oybin mit den alten Trümmern<br />
eines Raubritterschlosses ergänzt<br />
die herrliche Dreigestalt auch nach der<br />
Richtung der Kunst hin:<br />
Denn wenn uns in Paulinzelle die schlichte<br />
Großartigkeit des romanischen Baustils<br />
entgegentritt, wenn in Schloss Heidelberg<br />
unsere Phantasie von der Fülle<br />
sinnlicher Gestaltungen des Renaissance-<br />
Zeitalters gefangen wird, so umgibt<br />
uns im Rauschen der Tannen auf dem<br />
Oybin der vollste Zauber gotischer Kunst,<br />
ein Hauch lebensvoller Romantik des<br />
späten Mittelalters…“<br />
Natürlich waren und sind es auch und<br />
gerade die Fotografen, die sich den<br />
reizvollen Motiven des Oybin in allen Jahreszeiten<br />
nicht entziehen konnten und<br />
können, und es lag immer an ihnen<br />
selbst, ob ihre Momentaufnahmen der<br />
Realität zu einem Kunstwerk wurden.<br />
Wir zitieren in unserer Ausstellung den<br />
Fotografen Robert Scholz, den Vertre-<br />
Bibliotheksfenster mit Aufgang zur<br />
Klosterkirch- Ruine, Robert Scholz um 1890<br />
ter einer ganzen Dynastie von Fotografen,<br />
die im 19. und zu Beginn des 20. Jh.<br />
vor allem im Görlitzer Raum gewirkt hat.<br />
Neben dem interessanten Gegenstand<br />
waren es verwandtschaftliche Beziehungen,<br />
die ihn nach Oybin brachten, wo seine<br />
Schwester, Marie Engelmann, mit ihrem<br />
Ehemann das damalige „Kurhaus“<br />
führte.<br />
Robert Scholz hinterließ dem Ratsarchiv<br />
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13
Oybin Mit Robert Scholz und Holger Stein<br />
Klosterkirch- Ruine und Bergfriedhof, Colorierter Kupferstich von Johann P. Veith und<br />
Carl. G. Hammer<br />
Robert Scholz hinterließ dem Ratsarchiv<br />
zu Görlitz Fotoplatten mit Oybin- Motiven<br />
als Teil einer Sammlung von ca. 5.500<br />
Platten.<br />
Einem glücklichen Umstand ist es zu danken,<br />
dass in den Jahren 1998/99 - als der<br />
Fotograf Holger Stein aus Dresden eine<br />
bildkünstlerische Dokumentation des<br />
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14<br />
Geschichte
Oybin auf Wanderschaft<br />
Oybin fertigte, der<br />
Kontakt zum Robert-<br />
Scholz- Archiv Görlitz<br />
hergestellt wurde.<br />
Dank der unbürokratischen<br />
Zusammenarbeit<br />
konnten die<br />
historischen Aufnahmen<br />
durch Digitalisierung<br />
im Ingenieurund<br />
Vermessungsbüro<br />
Dresden „wieder<br />
belebt“ werden.<br />
Es war damals ein Experiment,<br />
das selbst<br />
Experten überraschte.<br />
Vernissage im Regierungspräsidium Dresden, Holger Stein mit<br />
der Initiatorin des Aisstellungsprojektes, Elke Manke<br />
Holger Stein, geboren 1963 in Freital<br />
bei Dresden, fand erst Mitte der 80er<br />
Jahre zu seiner Bestimmung als Fotograf.<br />
Zunächst beeinflusst von den konstruktivistischen<br />
Ideen des Bauhauses, entdeckte<br />
er mehr und mehr sein Interesse<br />
für Menschen und die sie umgebenden<br />
Landschaften. Seine Arbeiten sind nicht<br />
für eilige Betrachter geschaffen, sondern<br />
wollen zu Besinnung und zu eigenen<br />
Entdeckungen verführen.<br />
So bot der Oybin ihm über 1 Jahr Raum<br />
für seine ganz eigene Zwiesprache …<br />
In unserer Ausstellung stehen die Sichten<br />
beider Fotografen in einem spannenden<br />
Dialog miteinander.<br />
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Geschichte<br />
15
Oybin Mit Robert Scholz und Holger Stein<br />
Nun zum Anliegen unserer Ausstellung:<br />
Von Anbeginn als Wanderausstellung<br />
konzipiert, soll sie deutschlandweit und<br />
Holger Stein 1998<br />
Chor der Klosterkirch- Ruine<br />
international den sagenumwobenen Fels<br />
Oybin mit seiner Burg- und Klosteranlage<br />
(Station der „Via Sacra“) als kulturhistorisches<br />
Kleinod in der Mitte Europas bekannter<br />
machen und damit Besucher in<br />
unsere Region führen, in eine grenzübergreifende<br />
Kulturlandschaft mit ihren<br />
zahlreichen Schönheiten und ihren gastfreundlichen<br />
Menschen. Sie soll damit<br />
auch ein kleiner Beitrag zum Zusammenwachsen<br />
in Deutschland und in Europa<br />
sein. Deshalb wird die Präsentation immer<br />
von vielfältigen, auch fremdsprachigen,<br />
Informationsmaterialien begleitet.<br />
Mit großem Erfolg wurde sie zunächst auf<br />
Burg und Kloster Oybin und seit 2004/05<br />
im Rathaus zu Görlitz, im Landratsamt<br />
Göppingen, im Klinikum Buchen, im Rathaus<br />
zu Lauf an der Pegnitz, in der<br />
Kreisparkasse Villingen- Schwenningen,<br />
im Regierungspräsidium Dresden, im<br />
Landratsamt Niesky, im Naturparkhaus<br />
Königswinter gezeigt.<br />
Im 750. Jubiläumsjahr von Oybin 2006<br />
gelang der „Sprung“ auf internationales<br />
Parkett. Die tschechische Metropole<br />
Prag,Galerie der Ledebour- Gärten unter<br />
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VOLKSSOLIDARITÄT KREISVERBAND GÖRLITZ/ZITTAU e.V.<br />
• Seniorenwohnanlage<br />
• Begegnungsstätte / Freizeitangebote<br />
• häusliche Alten- und Krankenpflege<br />
• stationärer Mittagstisch<br />
• Seniorenreisen<br />
16<br />
Wir sind immer für Sie da und helfen Ihnen gern!<br />
Kommen Sie zu uns, informieren Sie sich bei der Volkssolidarität Görlitz/Zittau e.V.<br />
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Geschichte
Oybin auf Wanderschaft<br />
Prag,Galerie der Ledebour - Gärten unter<br />
dem Hradschin, das größte Burgmuseum<br />
Schlesiens, Burg Bolków/Pl, das Gymnasium<br />
der Partnergemeinde Rudna/Pl ,<br />
das Erzdiözesanmuseum in Wroclaw<br />
waren Stationen.<br />
2007 waren wir im Internationalen Zentrum<br />
für geistliche Erneuerung an der<br />
Wallfahrtskirche Hejnice/ Isergebirge, im<br />
Heimathaus Traunreut/ Chiemgau, in der<br />
Dominikanerkirche zu Münster/ Westfalen<br />
und im Rathaus Vaterstetten bei<br />
München zu Gast. Viele interessante Begegnungen<br />
brachte unsere Wanderschaft,<br />
doch die letztere Station hatte<br />
ihre ganz eigene Geschichte, denn kein<br />
anderer als der Urenkel von Robert<br />
Scholz, Herr Hans- Eckart Scholz, der mit<br />
seiner Familie in Vaterstetten lebt, hatte<br />
uns den Weg dorthin bereitet, nachdem<br />
er schon zuvor die Verbindung nach<br />
Traunreut hergestellt hatte.<br />
Die Vernissage war ein ganz besonderer<br />
Höhepunkt. Selbst betagte ehemalige<br />
Oybiner und Jonsdorfer, die seit Jahrzehnten<br />
in oder bei München leben, waren<br />
dank seiner Initiative der Einladung<br />
Vernissage in Vaterstetten, Hans-Eckhart<br />
Scholz, Ureunkel von Robert Scholz<br />
gefolgt!<br />
Im Jahr <strong>2008</strong> stehen bisher Landshut<br />
und - auf Einladung des Kulturbeauftragten<br />
im Generalkonsulat Breslau,<br />
Herrn Rainer Sachs, - Kloster Lubiaz<br />
(Leubus), Olesnica (Oels), Czestochowa<br />
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Geschichte<br />
17
Oybin Mit Robert Scholz und Holger Stein<br />
(Tschenstochau) und Grebocin auf dem<br />
Programm.<br />
Bisher hatten mehr als 250.000 Besucher<br />
die Möglichkeit, unsere Ausstellung<br />
zu sehen, und das Schönste ist,<br />
zunehmend trifft man sie hier in unserer<br />
Region und natürlich auch auf dem Oybin<br />
… auf Spurensuche.<br />
Dazu laden wir Sie, liebe Leser, ebenfalls<br />
sehr herzlich ein!<br />
An dieser Stelle möchten wir uns bei allen bedanken,<br />
die auf unserer Wanderschaft Weggefährten waren<br />
und uns mit Fördermitteln, Spenden und mit ihrer<br />
fleißigen Arbeit unterstützt und ermutigt haben.<br />
Stellvertretend seien genannt: der Kulturraum Oberlausitz-<br />
Niederschlesien, die Sparkasse Löbau- Zittau,<br />
Frau Gudrun Steitz Bad Homburg, die Städtischen<br />
Sammlungen für Geschichte und Kultur Görlitz,<br />
Herr Dr. Gunter Oettel, das Ingenieur- und Vermessungsbüro<br />
Dresden, AM-Design Herr Rolf Hartmann<br />
und Frau Elke Neumann, Herr Rainer Sachs Autohaus<br />
Strauss GmbH, Kulturbeauftragter im Generalkonsulat<br />
Wroclaw, Herr Dr. Richard Nemec, Frau Rebecca Smith,<br />
Frau Ewelina Bigus, Herr Hans-Eckart Scholz, das<br />
Autohaus Strauss Zittau.<br />
Darüber hinaus sei allen Gastgebern und fleißigen<br />
Helfern herzlich gedankt!<br />
Elke Manke<br />
Öffnungszeiten Burg und Kloster Oybin:<br />
ganzjährig ohne Ruhetag geöffnet<br />
November - März von 10.00 Uhr - 16.00 Uhr<br />
April - Oktober von 9.00 Uhr - 18.00 Uhr<br />
www.burgundkloster-oybin.de<br />
Vernissage in Breslau<br />
1.v.l. Museumsdirektor Dr. hab. Józef Pater<br />
3.v.r. Generalkonsul Dr. Helmut Schöps<br />
2.v.r. Kulturbeauftragter im Generalkonsulat<br />
Rainer Sachs<br />
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Öffnungszeiten:<br />
April-Oktober<br />
9.00-18.00 Uhr<br />
November-März<br />
10.00-16.00 Uhr<br />
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Herzlich willkommen auf<br />
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Ein einmaliges Ensemble von Natur und Architektur;<br />
ein Kleinod europäischer Geschichte,<br />
eine Begegnung mit Gotik und Romantik.<br />
Entdecken Sie die romantischen Ruinen von Burg, Kaiserhaus<br />
und Cölestinerkloster auf dem Berg Oybin, das<br />
durch Kaiser Karl IV. im 14.Jh. gestiftet wurde, sowie die<br />
Klosterkirche mit Aussichtsturm und den einmaligen<br />
Bergfriedhof, der schon Maler der Romantik im 19.Jh.<br />
wie Carl Gustav Carus oder Caspar David Friedrich<br />
faszinierte.<br />
Tel. 0049(0)35844 - 7340<br />
Fax 0049(0)35844-73427<br />
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Geschichte
Werner Der Mundwerker Finck aus Görlitz<br />
“Denn, Fremdling, lasse dich<br />
nicht täuschen: Die Stadt ist halb<br />
so aufgeregt, als sie mit den Verkehrsgeräuschen<br />
den Eindruck<br />
zu erwecken pflegt.” So spöttelte<br />
er 1926 mit seinem Gedicht “In<br />
Görlitz” - der Werner Finck aus<br />
eben dieser Stadt.<br />
Auf dem Wege von Sehenswürdigkeit<br />
zu Sehenswürdigkeit<br />
kommen Touristengruppen heute<br />
mitunter am Hause Struvestraße<br />
11 vorüber. Und fragt der<br />
Stadtführer, ob jemand noch den<br />
Namen Werner Finck kenne, lächeln<br />
Ältere verständnisinnig.<br />
Ja, das war doch der berühmte<br />
Kabarettist aus dem Berlin der<br />
frühen 1930er Jahre, Mitbegründer<br />
der “Katakombe”, die zum<br />
Kulturleben der Hauptstadt gehörte<br />
wie der Wintergarten und<br />
der Admiralspalast, das Deutsche<br />
Theater und die Nationalgalerie.<br />
Fincks Autobiographie<br />
“Alter Narr, was nun?”, so be-<br />
Autogramm - Postkarte von Werner Finck<br />
mit Gruß nach Görlitz 1977<br />
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Geschichte<br />
19
Werner Der Mundwerker Finck aus Görlitz<br />
kommt der Stadtführer zu hören, die habe<br />
man schon lange im Bücherschrank,<br />
und in der Münchner “Lach- und Schießgesellschaft”<br />
habe man ihn einst selbst<br />
erlebt. Aber man staunt doch, daß der<br />
aus Görlitz kommt.<br />
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Görlitz<br />
20<br />
Geschichte
Werner Finck Finck starb vor 30 Jahren<br />
Ja, es stimmt, hier wurde er am 2.<br />
Mai 1902 geboren. Vater Botho Finck<br />
führte die Apotheke am Demianiplatz.<br />
“Ich bin ein Görlitzer”, so betont<br />
er im Eingangskapitel seiner Autobiographie.<br />
Liebevoll-ironisch und<br />
zugleich unbekümmert ungenau<br />
schildert er dort seine Kindheit und<br />
Jugend, die Stadt Görlitz mit ihren<br />
Stärken und Absonderlichkeiten. (Die<br />
Satire dürfe alles, meinte damals Kurt<br />
Tucholkski.) Die Schulzeit am<br />
Gymnasium Augustum kommt dabei<br />
gar nicht gut weg, der Schüler freilich<br />
auch nicht. Jacob Böhme dagegen ist<br />
ein Weltstar. Als eine Art Gegenentwurf<br />
zur schwärmerischen Werbung<br />
des Görlitzer Fremdenverkehrsvereins<br />
nimmt Finck manche Bauwerke,<br />
Denkmäler und Spießbürger seiner<br />
Heimatstadt aufs Korn. Und doch ist<br />
das Heimatliebe (auch wenn dieser<br />
Begriff heute bei den Globalisierern<br />
als altmodisch und anrüchtig gilt).<br />
Gemessen an seinem späteren Ruhm<br />
hat er es leicht, seine mißratenen<br />
frühen schulischen und beruflichen<br />
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Geschichte<br />
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21
Werner Der Mundwerker Finck aus Görlitz<br />
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Anläufe zu bespötteln. Und das dürfte<br />
sich auch für junge Leute heute als<br />
aufschlußreicher und vergnüglicher Lesestoff<br />
eignen, wenn sie etwas mehr als<br />
im Geschichtsunterricht über den Zeitgeist<br />
in Deutschland um 1930 erfahren<br />
möchten. (Ähnlichkeiten sind, wie gewöhnlich,<br />
rein zufällig.) Eine lesenswerte<br />
Auswahl von Gedichten (auch aus der<br />
Görlitzer Zeit) und satirischen Kurztexten<br />
brachten 1991 Hansjörg Schneider und<br />
Wolfgang Wessig (Görlitz) im Berliner<br />
Henschel-Verlag heraus (”Spaßvogel -<br />
vogelfrei). Für Kenner und Liebhaber gibt<br />
es sogar ein Hörbuch, mit dem man den<br />
Meister des Wortspiels auch akustisch<br />
mit seinem unverwechselbaren Mundwerk<br />
erleben kann. Mancher erinnert<br />
sich an Episodenrollen in Unterhaltungsfilmen<br />
der Nachkriegsjahre oder an<br />
einen umwerfend komischen Jahresrückblick<br />
in einer damaligen Filmwochenschau.<br />
Zeitzeugen seiner Auftritte in Görlitz<br />
sind rar geworden. Wer erinnerte sich<br />
nicht an den Dialog zwischen Finck und<br />
Otto Gebühr im Film “Der Choral von<br />
Leuthen” (1933), wo die durch unterschiedliche<br />
eigene Görlitzer Lebensabschnitte<br />
verbundenen Berühmtheiten<br />
den König und den Kandidaten der Theologie<br />
darstellten? (Was die Goebbels-<br />
Presse veranlaßte, Finck als “eine der<br />
verheerendsten Gestalten der Berliner<br />
Asphaltkultur” zu bezeichnen.)<br />
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Geschichte
Werner Finck Finck starb vor 30 Jahren<br />
Es lohnt sich, den “Mundwerker” wiederzuentdecken.<br />
(So nannte er sich stolz,<br />
nachdem die Versuche der Mutter, ihn<br />
auf den Tugendpfad eines soliden Handwerkers<br />
zu bringen, gescheitert waren.)<br />
Freche kabarettistische Seitenhiebe zum<br />
Zeitgeschehen kommen auch heute noch<br />
an, soweit das Publikum durch den Fernsehalltag<br />
nicht schon total verblödet ist.<br />
Schon in der Antike galt ja: “Es fällt<br />
schwer, keine Satire zu schreiben.” Wer<br />
erinnerte sich da nicht an die Kinderzeit<br />
der Bundesrepublik, als Finck den Wiederbewaffnungs-Bundeskanzler<br />
lobte:<br />
“Hut ab vor dem Mann - und Helm auf!”<br />
Und als er die Ohne-uns-Bewegung ermutigte:<br />
“Rührt euch, sonst werdet ihr<br />
weggetreten!” Eingeweihte Görlitzer<br />
wußten es, wenn Werner Finck gelegentlich<br />
seine Görlitzer Verwandten (an der<br />
Berliner Straße) besuchte, und Hotelangestellte<br />
zeigten stolz sein Autogramm<br />
mit dem Text “Ein ferner Wink von<br />
Werner Finck!”<br />
Schon vor seinem Abschied von dieser<br />
Welt (er starb am 31.Juli 1978 in München)<br />
schlug er als Grabstein-Inschrift<br />
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Geschichte<br />
23
Werner Der Mundwerker Finck aus Görlitz<br />
Buchtitel Ullsteinverlag 1992<br />
vor: “Noch stehst du hier, und ich<br />
bin hin, bald bist du dort, wo ich<br />
schon bin.” Mag ja sein. Aber<br />
auch 30 Jahre danach bleibt er<br />
uns nahe in Görlitz. Danke für die<br />
Überzeugungstreue, für den<br />
Mut, für das Bekenntnis zur<br />
Heimatstadt! Seine Erfahrungen<br />
mit einer selbstgerechten bundesdeutschen<br />
Gesellschaft, wo<br />
die Politiker "das Wort Regierungsgeschäfte<br />
sehr wörtlich"<br />
nahmen, ließen ihn jedoch befürchten,<br />
dass Kabarett zur einer<br />
harmlosen Lachnummer verkommen<br />
könne. "Haben wir verdient,...<br />
dass wir euch pausenlos<br />
zur Sau machen? Eure korrupte<br />
Gesinnung, euren nackten Interessenegoismus,<br />
eure Protzgier,<br />
eure herausfordernde Sattheit?<br />
Euren einfallslosen Konformismus?<br />
Und dass ihr nicht im geringsten<br />
sauer reagiert, sondern<br />
mit stürmischem Beifall und ausgelassenem<br />
Lachen?"<br />
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24<br />
Geschichte
Schlaraffia -<br />
-<br />
In den Jahren vor 1885 tagte in der alten<br />
Gaststätte „Zum braunen Hirsch“ in Görlitz<br />
ein Stammtisch, der sich aus Bürgern<br />
der Stadt Görlitz zusammensetzte. Sie<br />
trafen sich wöchentlich mit dem Ziel, alle<br />
2-3 Jahre Heimatfestspiele zu veranstalten,<br />
welche nur von Einwohnern der<br />
Stadt durchgeführt wurden. Am Stammtisch<br />
nahmen auch Mitglieder des Stadttheaters<br />
teil, die beratend mitwirkten.<br />
Unter ihnen waren auch Schlaraffen aus<br />
Frankfurt/Oder und Dessau. Es war also<br />
kein Wunder, dass sich häufig ein Gespräch<br />
über „Schlaraffia“ entwickelte,<br />
das bei einigen Mitgliedern des Stammtisches<br />
freundliche Aufnahme fand. So<br />
beschloss man denn, am 10. Oktober<br />
1885 eine Colonie „Schlaraffia“ zu gründen.<br />
Doch erst einmal, was ist „Schlaraffia“<br />
und wie fing alles an? Es war in Prag, am<br />
10. Oktober 1859. Aus „Freund´s Restauration“<br />
Ecke Wassergasse und Grube<br />
ertönte lauter Jubel. In der Gaststube<br />
fand soeben die Gründung eines Vereins<br />
statt, von dem die Gründer damals noch<br />
nicht wissen konnten, welche Bedeutung<br />
er einmal haben würde und wie viel<br />
Freude er vielen Menschen auf der ganzen<br />
Welt bringen würde. Die Gründungsmitglieder<br />
waren Musiker, Sänger, Komponisten,<br />
Schauspieler, Literaten und<br />
Kunstfreunde. Sie machten aus ihrem<br />
Stammtisch einen Verein, den sie „Schlaraffia“<br />
nannten. Es waren zunächst 23<br />
Mitglieder. Vereinzweck sollte sein: Pflege<br />
der Kunst und des Humors.<br />
Prag war also die Keimzelle der Organisation,<br />
die heute „Allschlaraffia“ heißt,<br />
inzwischen fast 150 Jahre alt ist, zwei<br />
Weltkriege, das „Dritte Reich“ und den<br />
Kommunismus überstanden hat und<br />
heute weit über 10 000 Mitglieder zählt.<br />
Die Gründer (von den heute spielenden<br />
Schlaraffen „Urschlaraffen“ genannt)<br />
betteten ihren Vereinszweck, Pflege von<br />
Kunst und Humor, in Spielregeln ein, die<br />
noch heute ihre Gültigkeit haben und<br />
stets Freude bereiten. Es zeigt sich der<br />
große Geist der Urschlaraffen, dass sie<br />
ihre Erholung nicht in der Gegenwart<br />
finden wollten. Der Zeitgeist schritt damals<br />
zurück. Daher sollte der Verein<br />
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Geschichte<br />
25
Schlaraffia-<br />
Hippo, First von Scheernhausen<br />
soweit zurück sein in der Zeit, dass er<br />
sich hinter dem Zeitgeiste hielt. - Und<br />
man versetzte sich für die Abendstunden<br />
gleich um ganze drei Jahrhunderte zu-<br />
rück - und darauf basieren die Spielregeln.<br />
Dieses freudige Geschehen in Prag<br />
sprach sich auch in anderen Städten herum<br />
und fand Nachahmer, die sich aber<br />
an der „Praga“ ausrichteten. So entstanden<br />
laufend neue Vereine, Schlaraffenreyche<br />
genannt, nach Prager Muster, die<br />
nach der Reihenfolge ihrer Entstehung<br />
nummeriert wurden. Also trug Prag Praga<br />
die Reychsnummer 1, Berlin Berolina<br />
2, Leipzig Lipsia 3, Görlitz Gorlicia die<br />
Reychsnummer 92.<br />
Es gibt heute, im Jahr 2007, nach schlaraffischer<br />
Zeitrechnung anno Uhui (a. U.)<br />
148 (Jahr 1 = Gründungsjahr 1859) 266<br />
Reyche in rund 20 Ländern auf allen fünf<br />
Kontinenten.<br />
Die Urschlaraffen haben deutsch gesprochen<br />
und in ihrer Satzung Deutsch<br />
als Sprache der Schlaraffen bestimmt.<br />
Deshalb werden auch in fremdsprachigen<br />
Ländern wie z.B. in USA, Südafrika<br />
usw. die Sippungen (Zusammenkünfte)<br />
in deutscher Sprache durchgeführt.<br />
Bis in das dritte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts<br />
wurde Allschlaraffia vom Grün-<br />
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26<br />
Geschichte
Stammtisch zu Görlitz!<br />
zu Görlitz!<br />
dungsreych der Schlaraffia, der „Allmutter<br />
Praga“, geführt.<br />
In den politischen Wirren der Vorkriegsund<br />
Kriegszeit wurden die Praga und alle<br />
anderen Reyche in den totalitär regierten<br />
Ländern verboten. Seit dem Verbot der<br />
Praga „regiert“ der „Allschlaraffenrat“<br />
das „Uhuversum“ (die allschlaraffische<br />
Welt). Seine Mitglieder sind die Vertreter<br />
aller Landesverbände.<br />
Jedes einzelne<br />
Schlaraffenreych<br />
ist unabhängig<br />
und souverän. Der<br />
Allschlaraffenrat<br />
überwacht aber<br />
das Einhalten der<br />
Spielregeln des<br />
„Schlaraffischen<br />
Spiels“, die damals<br />
von den Urschlaraffen<br />
entwickelt<br />
und bis heute in<br />
ihrem Sinne fortgeschrieben<br />
wurden.<br />
Diese Spiel-<br />
regeln sind in straffer, einleuchtender<br />
und humorvoller Form festgelegt im sogenannten<br />
„Schlaraffen-Spiegel und Cermoniale“.<br />
Zur Gründerzeit der Praga herrschte eine<br />
große Begeisterung für das (scheinbar)<br />
romantische Mittelalter, speziell für die<br />
Ritterzeit. Da lag es nahe, sich der damaligen<br />
Rituale zu bedienen. Durch<br />
"Alte Neisseburg", Hotel Stadt Dresden<br />
Eng verbunden mit dem Denkmalschutz ...<br />
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Geschichte<br />
27
und Schmach im spaßigen Duell gesühnt.<br />
Das schlaraffische Spiel, ein Geben und<br />
Nehmen mit Kunst und Humor im Ritterspiel<br />
unter Hochhaltung der Freundschaft,<br />
hat nun 148 Jahre Bestand. Als<br />
Stammtisch geboren, als Schlaraffia weitergeführt,<br />
eine Gemeinschaft von Männern,<br />
denen Kunst, Humor und Freundschaft<br />
hohe Werte sind. Nährboden für<br />
eine Gemeinschaft, die alle Kontinente<br />
umfasst. Der Samen der hohen Praga,<br />
der Geist der Urschlaraffen, fiel in Görlitz<br />
auf fruchtbaren Boden, und so kam es<br />
vor 122 Jahren zur Gründung des Reyches<br />
Nummer 92, zur Gründung des<br />
hohen Reyches „Gorlicia“! Hier ist der<br />
große Wurf gelungen. Mit Eifer wurden<br />
das „Schlaraffenland des Geistes“ gepflegt,<br />
herrliche Sippungen und große<br />
Feste celebriert. Als Sippungslokal wurde<br />
der kleine Speisesaal des Hotels Stadt<br />
Dresden gewählt. Die Burg erhielt den<br />
Namen „Neißeburg“ Der Verkauf des Hotels<br />
Stadt Dresden zwang die Gorlicia, die<br />
Burg zu verlassen. Zunächst wurde sie in<br />
den gepachteten Teil des Ratskellers ver-<br />
Schlaraffia-<br />
dieses Rittertum entstand auch die Spielhierarchie<br />
Knappe, Junker, Ritter. Diese<br />
Entwicklung führte dazu, dass die Schlaraffen<br />
heute in „Burgen“ sippen und<br />
„Rüstungen“ tragen, dass sie eine eigene<br />
pseudo-mittelalterliche Sprechweise annahmen,<br />
dass sich ein gravitätisch-gespreiztes<br />
Hofzeremoniell, auch die gegenseitige<br />
Anrede mit dem altertümlichen<br />
„Ihr“ statt „Sie“ oder „Du“, entwickelte.<br />
In den Sippungen hat jeder die Möglichkeit,<br />
seine Fähigkeiten ins Spiel zu bringen.<br />
Es ist ein gegenseitiges Geben und<br />
Nehmen. Jeder, der Lust hat, der es sich<br />
zutraut, geht in die Rostra, zeigt seine<br />
Malerei, macht Musik, singt, trägt etwas<br />
vor, hält Vorträge über ein interessantes<br />
Wissensgebiet oder erfreut auf andere<br />
Weise die Sassen und erweitert so deren<br />
Geist und Wissen und erfreut so ihr Gemüt.<br />
Dabei werden Themen der Bereiche<br />
Politik, Religion oder Geschäft ausgespart.<br />
Keiner muss, doch jeder darf zur<br />
Erheiterung und Erbauung beitragen.<br />
Doch es wäre kein Spiel von Rittern, würde<br />
nicht Respekt gezollt, Disziplin geübt<br />
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28<br />
Geschichte
Stammtisch zu Görlitz!<br />
zu Görlitz!<br />
legt. Nach einigen Jahren konnten herrliche<br />
Räume im jetzigen Humboldt-Haus<br />
bezogen werden. Die neue Burg wurde<br />
wunderbar von Ritter Monumental<br />
künstlerisch ausgestaltet und bekam daher<br />
den Namen „Montalburg“.<br />
Noch heute zeigt ein Glasbild über dem<br />
Burgtor den Wahlspruch der Schlaraffen:<br />
„In arte voluptas“ = In der Kunst liegt das<br />
Vergnügen. Das Ganze gekrönt mit einem<br />
großen UHU. Auch an den Säulen im<br />
Inneren der Burg sind in Stein gehauene<br />
UHU zu sehen. UHU, als symbolisch-humorvoller<br />
Inbegriff aller schlaraffischen<br />
Uhu in der Burg<br />
Tugend und Weisheit. Schönste Stunden,<br />
Jubel- und Stiftungsfeste, feierte fortan<br />
die Gorlicia in ihrer Montalburg.<br />
(Fortsetzung folgt) Hermann Trabold<br />
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Geschichte<br />
29
Paul Mühsam<br />
2. Paul Mühsams Sinnsuche nach<br />
den Fragen des Lebens<br />
"Viele Wege bin ich Gott nach dir gegangen..."<br />
Hinter diesen lebensfüllenden<br />
Worten aus dem dichterischen Werk Paul<br />
Mühsams verbirgt sich nicht nur ein gelungenes<br />
literarisches Bild, sondern in<br />
umfassendem Maße die Grundhaltung<br />
des einstigen Görlitzer Rechtsanwalts<br />
und Schriftstellers.<br />
Am 17. Juli 1876 in Brandenburg an der<br />
Havel geboren, verbrachte er die Kindheit<br />
in Chemnitz, seine Jugendjahre in<br />
Zittau. Im 17. Lebensjahr schrieb er in<br />
sein Tagebuch: "Ich verscheuche die Gedanken<br />
über das Böse, das ich von so<br />
vielen Menschen, die mich nicht kennen,<br />
zu erleiden habe..." Paul Mühsam war Jude<br />
und spürte schon in jungen Jahren<br />
manche Vorbehalte, die als latenter Antisemitismus<br />
im wilhelminischen Deutschland<br />
an der Tagesordnung waren.<br />
Die Vorfahren väterlicherseits lebten zur<br />
Zeit des Siebenjährigen Krieges in Oberschlesien.<br />
Unter ihnen gab es nicht nur<br />
den bärenstarken ersten Namensträger<br />
Paul Mühsam mit seinen Eltern 1889<br />
der Mühsams, sondern eine Reihe von<br />
Persönlichkeiten, die der Kunst und der<br />
Wissenschaft zugetan waren. Aus der<br />
mütterlichen Linie lassen sich im Rheinland<br />
bis ins 16. Jahrhundert Menschen<br />
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30<br />
Geschichte
Kapitel II<br />
II<br />
Paul Mühsam als junger Jurist um 1900<br />
mit philosophischen und dichterischen<br />
Interessen nachweisen.<br />
Zum Kreis der späteren Generationen<br />
gehörte der Cousin Erich Mühsam, der,<br />
in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts<br />
politisch links engagiert, einen<br />
ganz anderen Weg ging und dessen<br />
volle Größe von der Familie erst<br />
nach dessen Märtyrertod im Konzentrationslager<br />
Oranienburg begriffen<br />
wurde.<br />
Mit dem Abitur am Zittauer Johanneum<br />
eröffnete sich für Paul Mühsam<br />
der Weg zum Juristen. Aber das blieb<br />
Zeit seines Lebens ein ungeliebter Beruf,<br />
ein Brot- und Notberuf, wie er<br />
sagte. Seine eigentliche Neigung gehörte<br />
den Naturwissenschaften, die er<br />
bis ins hohe Alter im engsten Zusammenhang<br />
mit der ewigen Frage nach<br />
dem Sinn des Lebens sah.<br />
1905 eröffnete Paul Mühsam nach langer<br />
Referandarzeit eine Anwaltspraxis<br />
in Görlitz, für ihn "eine wunderschöne<br />
Stadt mit viel Grün in Anlagen und<br />
Parks und bis in die Umgebung sich<br />
hinziehenden Promenaden, zudem eine<br />
Musikstadt, in der es auch an regem<br />
geistigem Leben nicht fehlte".<br />
“Und zum Feste werden Sie bei uns verwöhnt auf’s Beste!”<br />
• Gesellschaftsraum (50 Personen) für Betriebsfeiern,<br />
Familienfeiern, ect.<br />
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31
Paul Mühsam<br />
Paul Mühsam mit seiner Frau Irma 1940 in Haifa<br />
1909 heiratete er Irma Kaufmann, die,<br />
gebürtig aus Aachen, in Bautzen aufgewachsen<br />
war. Mehr als tausend Briefe,<br />
die zwischen Paul und Irma Mühsam hin<br />
und her gegangen waren, ein ununterbrochenes<br />
Gespräch zwischen beiden,<br />
konnten 1933 als wertvolles Gut aus der<br />
Ehe der beiden Emigranten hinüber nach<br />
Palästina gerettet werden. Sie haben<br />
heute ihren Platz im Deutschen Literaturarchiv<br />
in Marbach am Neckar. Paul Mühsam<br />
nannte seine Frau "ein aufgeschlossenes<br />
Wesen, temperamentvoll,<br />
die alles Große und Edle liebte, empfänglich<br />
für alles Schöne in Kunst und<br />
Natur, und ihre vielleicht hervorstechendste<br />
Eigenschaft war neben der<br />
Güte und Wärme und der Vornehmheit<br />
ihrer Gesinnung ihre Begeisterungsfähigkeit..."<br />
So ist es kein Wunder, dass<br />
sich die junge Frau während<br />
der großen Ereignisse<br />
der Schlesischen<br />
Musikfeste in Görlitz jedesmal<br />
zu einem nie gekannten<br />
Taumel überschwänglichen<br />
Höhenfluges<br />
hinreißen ließ, wie<br />
sie einmal in einem ihrer<br />
Briefe bekannte. Irma<br />
Mühsam starb 1956 in<br />
Jerusalem und fand dort<br />
ihre letzte Ruhestätte.<br />
Im Ersten Weltkrieg Pazifist<br />
aus tiefster innerer<br />
Überzeugung, schloss<br />
sich Paul Mühsam der<br />
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32<br />
Geschichte
Kapitel II<br />
II<br />
Deutschen Friedensgesellschaft an,<br />
lehnte aber alle politische Mitarbeit ab.<br />
Seine Antworten auf die brennenden Fragen<br />
der Zeit konnte man fortan in seinen<br />
Büchern lesen. Wichtige Titel aus den<br />
zwanziger Jahren sind: "Gespräche mit<br />
Gott" (1919), "Aus dem Schicksalsbuch<br />
der Menschheit" (1919), "Mehr Mensch"<br />
(1921), "Der ewige Jude" (1924), "Sonette<br />
aus der Einsamkeit" (1926), "TAO.<br />
Der Sinn des Lebens" (1931) und<br />
manche andere.<br />
Diese Werke wuchsen ihm meist auf der<br />
Flucht vor dem täglichen Einerlei seiner<br />
Anwaltspraxis zu - von 1921 an in jedem<br />
Frühjahr vorwiegend in der stillen Abgeschiedenheit<br />
der thüringischen Waldtäler,<br />
eine Zeit tiefsten Glückes für ihn,<br />
Schaffenswochen in mönchisch einfacher<br />
Lebensweise, "in denen er den Aktenstaub<br />
von sich tun und zu sich selbst<br />
finden konnte". Dabei erkannte er, dass<br />
die Stärke seiner Begabung in jener Zeit<br />
in der Lyrik lag. Was er entdeckte, fasste<br />
er in seinen letzten Lebensjahren in folgender<br />
Weise zusammen: "Die göttliche<br />
Schöpferkraft und ihre Auswirkung ist<br />
Umschlag der Erstausgabe 1921<br />
absolut... Nur wer eines Tages das große<br />
Staunen erfährt und mit Erschütterung<br />
feststellt, dass alles, was ihm bisher<br />
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Geschichte<br />
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33
Paul Mühsam<br />
selbstverständlich erschien - vom Sonnenaufgang<br />
bis zum Klopfen des Herzens<br />
- ein großes Wunder ist, hat den<br />
Weg zur Erkenntnis gefunden".<br />
1933, nach einem Vierteljahrhundert<br />
vielfältiger und öffentlichkeitswirksamer<br />
kultureller Arbeit in Görlitz, verließ er<br />
Deutschland unter dem Zwang nie dagewesener<br />
Verhältnisse - ein neuer<br />
Ahasver: " So schüttle ich den Staub von<br />
meinen Füßen / und gehe, wie ich kam,<br />
ganz unerkannt. / Ich grüße dich mit einem<br />
letzten Grüßen, / mein armes, mein<br />
verirrtes Abendland". (Aus: "Der Ewige<br />
Jude").<br />
Als deutscher Dichter lebte er nun für<br />
drei Jahrzehnte in einem fremden<br />
Sprachraum, eines der schwersten<br />
Schicksale für einen Menschen, dem die<br />
Muttersprache fundamentales Lebenselixier<br />
ist - nicht wenige seiner Schicksalsgefährten<br />
sind in jener Zeit daran<br />
zerbrochen, Stefan Zweig etwa oder Kurt<br />
Tucholsky. Fortan war die Hafenstadt<br />
Haifa Paul Mühsams neue Heimat, später<br />
in hohem Alter Jerusalem. Er schlug sich<br />
als Zimmervermieter oder auch mit ei-<br />
nem kleinen Briefmarkenhandel durch,<br />
saß aber immer wieder am Schreibtisch,<br />
um die Fülle seiner Gedanken zu Papier<br />
zu bringen, nicht zuletzt seine Lebenserinnerungen,<br />
die als eine der letzten<br />
Buchausgaben des Union-Verlages der<br />
DDR kurz vor der Wende von 1989 erschienen,<br />
in verdienstvoller Weise ediert<br />
von Dr. Ernst Kretzschmar in Görlitz.<br />
In jener Zeit des schwersten Existenzkampfes<br />
flüchtete sich Paul Mühsam immer<br />
wieder in das ständige Ringen mit<br />
dem Wort, jetzt aber der Prosa verschworen,<br />
um die Flut seiner Gedanken<br />
zu bändigen. Über zehn lange Jahre arbeitete<br />
er an den Aufzeichnungen seines<br />
Lebens. Ein letzter Abschnitt wurde 19<strong>55</strong><br />
angefügt. Anfang der 50er Jahre fasste<br />
er sein Denken und Sein noch einmal in<br />
der Schrift "Mein Weltbild" zusammen. In<br />
seinem 83. Lebensjahr schließlich gab er<br />
seinen Freunden in Israel und Deutschland<br />
eine letzte Rechenschaft in "Erinnerungen,<br />
Betrachtungen, Gestalten."<br />
Darin heißt es: "Ihm, dem Schöpfer der<br />
Welt, vertraue ich mich an in alle Ewigkeit"<br />
- ein ergreifendes Credo über allen<br />
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34<br />
Geschichte
Kapitel II<br />
II<br />
Wirrnissen der Lebenszeit dieses aufrechten<br />
Mannes.<br />
Am 11. März 1960 wurde Dr. Paul Mühsam,<br />
als Schriftsteller mit der Kraft glutvoller<br />
Sprache begnadet, in Jerusalem<br />
aus dem Leben gerufen. Seine Tochter,<br />
Else Levi-Mühsam, als gebürtige Görlitzerin<br />
"ein Görlitzer Kind", wie sie in nahezu<br />
kindlicher Freude zu betonen niemals<br />
müde wurde, betreute nach dem<br />
Tod des Vaters in selbstloser Weise dessen<br />
Werk. Anerkennenswerte Unterstützung<br />
fand sie dabei durch das Deutsche<br />
Literaturarchiv in Marbach, so dass Paul<br />
Mühsams Lyrik und Prosa im deutschen<br />
Sprachraum infolge dieser vielfältigen<br />
Bemühungen wieder heimisch werden<br />
konnten.<br />
Für diese unbestreitbaren Verdienste<br />
wurde Else Levi-Mühsam als erste Frau<br />
nach der Wende 1992 die Ehrenbürgerschaft<br />
der Stadt Görlitz zugesprochen.<br />
"Mit der ungewöhnlichen Ausstrahlungskraft<br />
Ihrer Persönlichkeit vermochten Sie<br />
Unkenntnis und Vorurteile abzubauen.<br />
So leisteten Sie einen unverwechselbaren<br />
Beitrag zur Verständigung der Völker<br />
1989 erschien eine Auswahl aus den<br />
Lebenserinnerungen<br />
und zur Achtung der Weltreligionen",<br />
hieß es damals in der Laudatio für die<br />
Geehrte. Die Jubilarin verstarb hochbetagt,<br />
94-jährig, im Juni 2004 in Jerusalem.<br />
An ihren Vater aber und dessen<br />
Werk erinnert seit einigen Jahren die<br />
Paul-Mühsam-Straße am äußersten Südrand<br />
von Görlitz. Horst Wenzel<br />
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Geschichte<br />
35
Königshain<br />
Der Königshainer Schlosskomplex ist eine<br />
der regional bedeutendsten Schlossanlagen<br />
in der Oberlausitz, vereinigt er<br />
doch als ehemalige Rittergutsanlage Gebäude<br />
aus unterschiedlichen Baustilen.<br />
Markant im älteren westlichen Gelände<br />
sind das Wasserschloss aus der Renaissance<br />
und der Steinstock. Die ältesten<br />
Gebäude auf dem Schlossgelände waren<br />
ursprünglich von einem Wassergraben<br />
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36<br />
Geschichte
und seine seine<br />
Schönheit<br />
Schönheit<br />
umgeben, dessen Reste noch zu erkennen<br />
sind. Seine wuchtigen Mauern lassen<br />
auf eine Nutzung als Verteidigungsanlage<br />
schließen.<br />
Das zweigeschossige barocke Hauptschloss<br />
im östlichen Bereich wird flankiert<br />
von eingeschossigen Nebengebäuden,<br />
die mit viertelkreisförmigen Gängen<br />
verbunden sind.<br />
Das eine Nebengebäude war Küche, das<br />
andere ein Kavaliershaus.<br />
Vom Schlosspark gelangt man durch eine<br />
Pforte auf eine kleine Brücke, die zur<br />
Dorfkirche führt. Der gotische Bau der<br />
Kirche von 1436 mit einer Annenkapelle<br />
von 1510 erhielt 1814 eine barocke Ausstattung<br />
und den Turm.<br />
Thüringen und Franken an. Der Rittersitz<br />
war im Mittelalter im Besitz der Familie<br />
von Gersdorf, die seit 1383 in Königshain<br />
ansässig war.<br />
Das Dorf Königshain wurde im Jahre<br />
1298 erstmals urkundlich als Kunigshain<br />
erwähnt. Die böhmischen Könige unterhielten<br />
in Königshain ein großes Jagdrevier.<br />
Das Königshainer Dorfwappen besteht<br />
deshalb aus drei Eichenblättern<br />
und einer Krone.<br />
Entlang des Dorfbaches von Königshain<br />
siedelten sich Kolonisten aus Sachsen,<br />
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Geschichte<br />
37
Königshain<br />
1507 erwarb der Großkaufmann Hans<br />
Frenzel das Rittergut. Hans Frenzel errichtete<br />
in Königshain dann, wegen<br />
Platzmangels innerhalb des Wassergrabens,<br />
mit Abstand von nur zwei Metern<br />
zum Steinstock den Renaissancebau.<br />
1660 kaufte die aus Breslau stammende<br />
Familie Schachmann das Rittergut Königshain.<br />
Wenig später brannte der Renaissancebau<br />
aus und erhielt beim Wiederaufbau<br />
die heutige Gestalt mit zwei<br />
turmähnlichen Vorbauten an der Nordseite.<br />
Der 1725 geborene Carl Adolph Gottlob<br />
von Schachmann übernahm 1752 das<br />
Rittergut. Von 1764 bis 1766 ließ er nach<br />
eigenen Plänen das Barockschloß erbauen.<br />
Carl Adolph Gottlob von Schachmann<br />
gehörte zu den Mitbegründern der<br />
Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften,<br />
die als eine der ersten Gesellschaften<br />
adlige und bürgerliche Forscher<br />
vereinte. Schachmann beschäftigte<br />
sich mit physikalischen Forschungen,<br />
in deren Folge er 1783 die erste Blitzschutzanlage<br />
in der Lausitz baute, war<br />
auch Altertumsforscher, Kunstsammler<br />
und Kupferstecher. Seine wichtigste Leistung<br />
vollbrachte Carl Adolph Gottlob von<br />
Schachmann als Sozialreformer. Schon<br />
10 Jahre vor der Französischen Revolution<br />
hob Carl Adolph Gottlob von Schachmann<br />
aus freien Stücken und innerer<br />
Überzeugung die Erbuntertänigkeit und<br />
die damit verbundenen Frondienste seiner<br />
Bauern auf. In seinen letzten Lebensjahren<br />
fühlte sich Carl Adolph Gottlob<br />
von Schachmann verstärkt dem Pietismus<br />
verbunden, in dessen Hauptort<br />
Herrnhut er 1789 verstarb. Im Königshainer<br />
Park errichtete seine Witwe einen<br />
großen, noch heute erhaltenen "Stein als<br />
Denkmal zärtlicher, dankbarer Liebe".<br />
Nach weiteren zehn Jahren gelangten<br />
Schloss und Rittergut Königshain in den<br />
Besitz der Familie von Heynitz, wo es bis<br />
zu ihrer Vertreibung 1945 blieb. Ende des<br />
2. Weltkrieges wurde im Schloss Königshain<br />
ein Hauptverbandsplatz eingerichtet,<br />
an den noch heute zwei Friedhöfe im<br />
Schlosspark erinnern. Über 300 Soldatengräber<br />
mahnen, das Leid und das<br />
sinnlose Sterben nicht zu vergessen. In<br />
der DDR waren Schloss und Gut<br />
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38<br />
Geschichte
und seine seine<br />
Schönheit<br />
Schönheit<br />
Der Königshainer Park entstand zusammen<br />
mit dem Barockschloss von<br />
1760 bis 1770. Im Königshainer Park sind<br />
die Elemente französischer Gartenkunst<br />
mit einem Landschaftspark verknüpft.<br />
Östlich vom Schloss liegt das große Rasenparterre<br />
mit Brunnenanlage, eingefasst<br />
von einer Hainbuchenhecke. Nördlich<br />
vom Schloss führt ein Laubengang zu<br />
dem Gedenkstein. Im Rhododendronpark<br />
findet man eine seit 1996 aus privaten<br />
Gärten aus Görlitz und Dresden-<br />
Wachwitz zusammengestellte Sammlung.<br />
Königshain Zentrum eines landwirtschaftlichen<br />
Betriebes, der die prächtigen<br />
Gebäude stark herunterwirtschaftete.<br />
Ab 1992 wurden Steinstock, Renaissancebau,<br />
Orangerie und Barockschloss<br />
aufwendig saniert.<br />
Königshainer Berge mit dem Granitabbaumuseum.<br />
Die Königshainer Berge sind das kleinste<br />
deutsche Mittelgebirge.<br />
1840 entstand in den Königshainer Bergen<br />
eines der ältesten deutschen Naturschutzgebiete.<br />
Der preußische König<br />
Friedrich Wilhelm IV. kaufte den Totenstein,<br />
eine Granitklippe, und schenkte sie<br />
der Gemeinde Königshain mit der Auflage,<br />
nichts daran zu verändern.<br />
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39
Königshain<br />
Das Granitabbaumuseum vermittelt einen<br />
Einblick in die Arbeits- und Lebensbedingungen<br />
der Steinarbeiter in den<br />
Königshainer Bergen. Von 1844 bis 1975<br />
brach die Steinbruchindustrie in Königshain<br />
Granitgestein. Der Granit wurde<br />
beim Bau des Görlitzer Neißeviadukts<br />
und beim Berliner Reichstage verwendet.<br />
Im ehemaligen Sozial- und Verwaltungsgebäude<br />
sieht der Besucher den gesamten<br />
Werdegang eines Steins vom Bruch<br />
bis zur Verarbeitung als Pflaster. Im Außengelände<br />
des Museums sind die Gleis-<br />
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40<br />
Geschichte
und seine seine<br />
Schönheit<br />
Schönheit<br />
anlagen und Transportloren zu sehen.<br />
Durch ein natürliches Gefälle sorgte die<br />
Bremsbahn für den Transport der Steine<br />
zum Verladebahnhof.<br />
Im Kompressorenhaus steht der tonnenschwere<br />
Luftverdichter für die Versorgung<br />
der Steinbrüche mit Druckluft.<br />
Der Natur- und Steinbruchlehrpfad führt<br />
durch das einstige Abbaugebiet um die<br />
Firstensteingruppe. Auf diesem Weg<br />
kann man sich über ehemalige Produk-<br />
tionsstätten und die Abbautechnik informieren<br />
und einen Einblick in Fauna und<br />
Flora des Landschaftsschutzgebietes erhalten.<br />
Um die Tiere und Pflanzen zu schützen,<br />
führt die Autobahn Dresden - Görlitz mit<br />
einem der längsten sächsischen Autobahntunnel<br />
unter den Königshainer Bergen<br />
hindurch.<br />
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Geschichte<br />
41
Lazne Libverda<br />
Libverda<br />
Mit dem Ausweis in der Hand komm ich<br />
schnell ins Nachbarland, dachte sich unsere<br />
Leserin und reiste von der Stadtbrücke<br />
in Görlitz nach Zgorzelec über<br />
Sawydow (Seidenberg) direkt nach<br />
Lazne Libverda (Bad Liebwerda) in die<br />
Tschechische Republik.<br />
Einmal einfach herrlich ausspannen - etwas<br />
für Körper und Geist tun und die<br />
Seele baumeln lassen. Die Möglichkeiten<br />
dafür sind im Kurparadies Libverda vielfältig.<br />
Der ehemalige Sitz des Adelsgeschlechtes<br />
Clam-Gallas ist heute ein ruhiges<br />
Kurheilbad. Es befindet sich in einem<br />
malerischen Talkessel am Nordauslauf<br />
des Isergebirges. Das dominierende<br />
Heijndorf (Heinice),<br />
Wallfahrtskirche<br />
Lazne Libverda,<br />
Gasthof "Waldsteyn"<br />
Vorgebirgsklima sichert trockene und<br />
warme Herbsttage, wie sie unsere Leserin<br />
während ihres Aufenthaltes in vollen<br />
Zügen geniessen konnte.<br />
In Bad Liebwerda kurierten sich schon im<br />
17. Jahrhundert der sächsische Kurfürst<br />
August I. und der spätere Besitzer dieser<br />
Herrschaft Albrecht von Waldstein.<br />
Ruhm und Blütezeit erlangte das Heilbad<br />
durch das Adelsgeschlecht Clam-Gallas.<br />
Aber auch so bedeutende Persönlichkeiten<br />
wie die russische Großfürstin Anna<br />
Fedorovna, der Komponist Carl Maria von<br />
Weber, Franz Kafka und Alexander von<br />
Humboldt , um nur einige Namen zu nennen,<br />
erholten sich hier. Der eigentliche<br />
Aufschwung geht aber auf das späte 19.<br />
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42<br />
Geschichte
Urlaub Lazne beim Libverda<br />
tschechischen Nachbarn<br />
und das frühe 20. Jahrhundert zurück.<br />
Die vorwiegend im Jugendstil erbauten<br />
Einrichtungen beherbergen noch heute<br />
die Bade- und Massageräume der Kurklinik.<br />
Nach ihren Urlaubseindrücken befragt,<br />
schildert unsere Leserin, dass sie nach<br />
nur einer knappen Autostunde an der Rezeption<br />
des „Novy Dum“ freundlich empfangen<br />
wurde. Vom Balkon ihres Zimmers<br />
eröffnete sich ihr ein Blick auf das<br />
von Mischwäldern umgebene Heilbad.<br />
Der Kurpark mit seinen alten Buchenbeständen<br />
ist wie geschaffen für kurze erholsame<br />
Spaziergänge. Die folgenden<br />
zwei Wochen waren vorwiegend mit Spaziergängen<br />
in der Umgebung und bis zu<br />
drei täglichen Heilanwendungen wie<br />
Massage, Fangopackungen oder Gymnastik<br />
ausgefüllt. Je nach Wunsch kann<br />
auch ein Arzt konsultiert werden, der<br />
dann Art und Weise sowie Häufigkeit der<br />
Behandlungen festlegt. Aber auch Saunabesuche<br />
und Wirbelbäder kamen nicht<br />
zu kurz. In der Nähe der Kureinrichtung<br />
befinden sich kleine Cafés und Restaurants.<br />
Eines der bekanntesten ist sicher<br />
die Fassbaude (Obri Sud). Zu Fuß<br />
erreichbar ist auch der Nachbarort<br />
Heijndorf (Heinice) mit seiner bekannten<br />
Fassbaude<br />
(Obri Sud)<br />
Wallfahrtskirche , in der oft Konzerte bekannter<br />
tschechischer Chöre und Ensembles<br />
stattfinden. Die einheimischen Biere<br />
und Küchenspezialitäten bieten jedem<br />
Gast eine Gaumenfreude. Nach Liberec<br />
sind es nicht mehr als 30 km, Jablonec<br />
und Frydlant sind nahe gelegene Ausflugsziele.<br />
Dr. I.O.<br />
Blick ins<br />
Isergebirge<br />
Wir machen das.<br />
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Geschichte<br />
und 31 28 50<br />
43
Die Geschichte der Görlitzer Straßenbahn<br />
Man merkt es heute meist nur bei einem<br />
Blick auf den Kalender - es ist tiefster<br />
Winter. Für uns als Kinder hieß das Rodeln,<br />
am Obermühlberg, im Sonnenland,<br />
an der Landeskrone oder bei der Kreuzkirche,<br />
Spaziergänge im hohen Schnee,<br />
An der Landeskrone 1962<br />
Schlittschuhlaufen auf der Neiße bei der<br />
Weinlache, Skilaufen oder das, was man<br />
davon bereits beherrschte, hinterher<br />
stets nasses Schuhwerk, das dann mit<br />
Zeitungen ausgestopft und am Ofen getrocknet<br />
wurde. Diese oft bitterkalte Zeit<br />
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44<br />
Serie
Ein Wintermärchen – die Straßenbahn im Schnee<br />
Endstation Weinhübel, <strong>Januar</strong> 1980<br />
war für uns aber immer auch eine Zeit, in<br />
der wir die Bindung zur Familie besonders<br />
intensiv spürten. Es waren Wochen<br />
voller Überraschungen, angenehmer<br />
Düfte, lieblicher Klänge, kurz eine Zeit<br />
zum Verharren und Besinnen. Eine winterweiße<br />
Kulisse - noch dazu in einer<br />
Stadt wie Görlitz - wusste diese Gefühle<br />
besonders eindrucksvoll zu transportie-<br />
ren. Die Straßenbahn kam in dieser Szenerie<br />
natürlich auch vor, auch wenn sie<br />
kaum jemand richtig wahrnahm. Man<br />
fuhr in den zumeist in dieser Jahreszeit<br />
verschmutzten Wagen ja oft auch zum<br />
Rodeln oder zu einem Ausflug auf die<br />
verschneite Landeskrone. Ab und zu begegneten<br />
wir einem Arbeitswagen mit einem<br />
Salzanhänger zum Abtauen der ver-<br />
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Serie<br />
Serie<br />
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45
Die Geschichte der Görlitzer Straßenbahn<br />
vereisten Schienen, welcher uns<br />
eigentlich nur aufgrund seiner<br />
grünen Lackierung auffiel, die<br />
zum Schnee einen besonderen<br />
Kontrast bildete. Wem fiel schon<br />
ein, mit frostklammen Fingern<br />
die Straßenbahnen zu fotografieren?<br />
Aber es gibt sie, die romantischen<br />
Alltagsaufnahmen<br />
aus jenen Tagen, von denen ich<br />
einige aus den sechziger bis<br />
achtziger Jahren ausgewählt habe,<br />
die ich hiermit präsentieren<br />
möchte. Aus ihnen wird die ganze Atmosphäre<br />
erlebbar, wie ich sie als Kind<br />
und Jugendlicher in unserer schönen<br />
Stadt bewusst erlebt habe und wie sie<br />
von Generationen mehr oder weniger bewusst<br />
in gleicher oder ähnlicher Weise<br />
wahrgenommen worden ist und (wenn<br />
auch zu selten) noch immer wird. Wünschen<br />
wir uns, dass die Straßenbahn<br />
auch in künftigen Zeiten Bestandteil ei-<br />
Salzanhänger im Depot, 1980<br />
ner solch romantischen Szenerie bleiben<br />
mag! Zunächst jedoch wünsche ich allen<br />
Lesern, dass sich ihre Wünsche für das<br />
Jahr <strong>2008</strong> erfüllen und dabei sie die Gesundheit<br />
und der Mut, an die eigene,<br />
glückliche Zukunft zu glauben, nie verlassen<br />
mögen.<br />
(Die nächste reguläre Folge im kommenden Heft)<br />
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