Hygiene Report 1/2023

schädlingsbekämpfung
1·23
Mit Plasma Kornkäfer im Schüttgut
und Pilzsporen im Silo bekämpfen
Projekt „PHYSICS FOR FOOD“ entwickelt chemiefreie Alternative
Forschende aus Neubrandenburg machen wertvolle Ernten länger haltbar. Im Rahmen des
Das Schüttgut wird mit Plasma behandelt.
Fotos: INP Greifswald
vom Bundesforschungsministerium geförderten Bündnisses „PHYSICS FOR FOOD – EINE
REGION DENKT UM!“ werden Kornkäfer und Schimmelpilze auf Getreide bekämpft: Mithilfe
von Plasma werden Kornkäfer im Erntegut direkt auf einem extra konstruierten Förderband behandelt und unschädlich
gemacht. Pilzsporen werden bei der Lagerhaltung von Getreide im Silo mittels plasmabehandelter Luft eliminiert. Beide
Verfahren sichern Ernteerträge und sind eine Alternative zu einer chemischen Behandlung im Schüttgutbereich.
Kornkäfer gehören zu den
häufigsten Schädlingen im
Nachernte-Bereich. Sie können
im Extremfall für einen Totalausfall
der Ernte sorgen. Sie fressen
sich durch die Getreidehülle
und legen im Korn ihre Eier ab.
Laut dem Internet-Portal „Ökolandbau“
sorgt ein Kornkäfer-
Weibchen allein in einem Jahr
für 250.000 Nachkommen. Die
gleiche Zahl an Getreidekörner
geht verloren und entspricht
einem Gewicht von 6 kg.
In massenhaft befallenem
Erntegut entstehen zudem
sogenannte „Wärmenester“, die
Luftfeuchtigkeit steigt und damit
Das Förderband ist etwa drei Meter lang und
wiegt mehrere hundert Kilogramm.
das Risiko, dass das Getreide
von Pilzsporen befallen wird.
Der Schaden, der durch Pilze
und Schädlinge verursacht wird,
geht weltweit in die Millionen.
Schrittweise wird der Einsatz
chemischer Pestizide zur
Bekämpfung der Insekten wie
in der gesamten Land- und
Ernährungswirtschaft immer
weiter beschränkt bzw. untersagt.
Extreme Witterungsverhältnisse
mit Hitze, Dürre oder
Überschwemmung nehmen
aber zu und damit auch der
Schädlingsbefall. Das Bündnis
PHYSICS FOR FOOD, das mit
der Hochschule Neubrandenburg,
dem Leibniz-Institut für
Plasmaforschung und Technologie
e.V. (INP) in Greifswald und
Wirtschaftspartnern der Region
initiiert wurde, forscht an umweltfreundlichen
physikalischen
Methoden, um eine
alternative Antwort auf
die Herausforderungen
zu finden.
Neues Förderband
Im Teilprojekt PHYSICS
FOR FOOD & FEED
und ist nun nach gut
zweijähriger gemeinsamer
Planung und
Forschung ein Förderband
durch den Projektpartner
automation
& software Günther
Tausch (autosoft) aus Neubrandenburg
modifiziert worden. Sebastian
Glaß, Projektleiter und
Mitarbeiter im Zentrum für Ernährung
und Lebenstechnologie
gGmbH (ZELT), ist vom Prototyp
begeistert: In Laborversuchen
mit kaltem Atmosphärendruck-
Ziel ist es, den verstärkt auftretenden
Kornkäfer unschädlich zu machen.
Plasma konnte der Kornkäfer zu
99 % inaktiviert werden. In den
nächsten Wochen und Monaten
sollen Experimente mithilfe
des Förderbandes – eines der
größten weltweit mit einer Plasmaeinrichtung
– die Ergebnisse
bestätigen. In Versuchen wird
getestet, mit welcher Durchsatzmenge
an Körnern oder auch
welcher Fördergeschwindigkeit
der größte Nutzen erzielt wird.
Alfred Bligenthal vom Projektpartner
Hafen Vierow GmbH,
einer der Projektsprecher, blickt
gespannt auf die Entwicklung:
„Die gesellschaftliche Relevanz
ist von immenser Bedeutung.
Für Landwirte wie für Lagerhalter
ist es wichtig zu wissen,
dass sie die Technik in einigen
Jahren einsetzen können und
sie sich für großtechnische
Anwendung eignet.“
Silo mit Luft-Umströmung
Für die Forschung im Teilprojekt
wurde zudem ein gut 3 m hohes
Silo aufgestellt und ein ausgeklügeltes
Plasma-Belüftungssystem
verbaut. Eingelagertes
Ge treide soll mit plasmabehandelter
Luft umströmt werden, so
dass Pilze und Bakterien keine
Chance haben. Pilzsporen wurden
in Versuchen um 99,99 %,
also 4 log-Stufen, reduziert.
Die Silo-Entwicklung war ebenso
aufwendig wie die des Förderbandes
und dauerte 1,5 Jahre.
Besonders ist die Kombination
eines gasdichten Schüttgut-Silos
(wie für Futtermittel) mit der
innovativen Plasma-Technologie
zur Schädlingsbekämpfung. Zu
Forschungszwecken integriert
ist die Möglichkeit, klimatische
Bedingungen und Gaszusammensetzung
im Innenraum zu
erfassen, das Schüttgut während
der Lagerung zu be handeln
und Proben zu entnehmen.
Leibniz-Institut für Plasmaforschung
und Technologie e.V.
Felix-Hausdorff-Straße 2
D-17489 Greifswald
http://physicsforfood.org
14 www.hygiene-report-magazin.de