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BIBER 03_23 Ansicht (1)

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In „Ivanas Welt“ berichtet die biber-Kolumnistin Ivana Cucujkić-Panić<br />

über ihr Leben - Glamour zwischen Balkan und Baby<br />

IVANAS WELT<br />

Foto: Igor Minić<br />

GEKOMMEN, UM ZU SPEIBEN<br />

Seit wann, bitte, ist Mehrsprachigkeit eine Bereicherung? … in Österreich?<br />

„Es wäre toll, wenn die Eltern aus einem Buch in ihrer<br />

Muttersprache vorlesen.“ Huch, was ist denn da<br />

los? Die Erzieherin meines Fünfjährigen hat sich bestimmt<br />

vertippt in ihrer Rundmail an die Eltern. Ja,<br />

wo samma denn. Im Betreff: ‚Fest der Bücher‘. Sie<br />

hat sich nicht vertippt. Sie stiftet sogar weiter an: Es<br />

sei „eine Bereicherung, multikulturelle Familien an<br />

unserer Schule zu haben“, und sie möchten, dass alle<br />

Kinder davon profitieren. Spoiler: Der Spross besucht<br />

einen französischen Kindergarten mit internationalem<br />

Umfeld. Das feine Kontrastprogramm zu unserem Brigittenauer<br />

Ghetto.<br />

Eine Woche später saß ich mit Lampenfieber auf<br />

einem kleinen Hocker vor der versammelten Gruppe<br />

und trug ein berühmtes Gedicht meiner Kindheit vor.<br />

Auf Serbisch. Zwanzig kleine Hände klatschten Beifall<br />

und verlangten nach einem Sternchen in ihrem Buchfest-Heft.<br />

Von den gegenwärtigen Pädagoginnen gab<br />

es ein würdigendes „Merci, wunderbar.“ Mein Muttersprachen-Trauma<br />

war geheilt.<br />

GUTE SPRACHE – SCHLECHTE SPRACHE<br />

Von der Krabbelstube bis zum Uniabschluss habe<br />

ich 25 Jahre im österreichischen Bildungssystem<br />

verbracht. Nicht ein einziges Mal sollte meine Muttersprache<br />

dabei eine Rolle spielen. In einem wertschätzenden<br />

Kontext schon gar nicht. Und Serbisch<br />

erst recht nicht. Am besten ich erwähne nicht einmal,<br />

dass zu Hause so gesprochen wird. Zu sehr liegen<br />

mir die Worte meiner Mutter in den Ohren: „Schhhht.<br />

Sprich Deutsch!“ In der Straßenbahn sollte uns niemand<br />

als Serben entlarven.<br />

ABER WOHER KOMMST DU WIRKLICH?<br />

In den 1990er-Jahren war das rein imagetechnisch<br />

bestimmt die bessere Wahl und einfach nur gut gemeint.<br />

Die zehnjährige Ivana hat das unter Scham<br />

und wertlos abgespeichert. Einem ‚Woher kommst<br />

du? Aber woher kommst du wirklich?‘ bin ich deswegen<br />

nicht entkommen. „Aus Wien“ reichte den wenigsten.<br />

Auch heute noch. Sie brauchen die genaue<br />

Ortung für ihre kleinkarierten Diskriminierungsschubladen,<br />

das kulturelle Google-Maps verliert sonst die<br />

Route. Eine scharfe Grenze möchte gezogen werden<br />

zwischen ihr und mir. Als Neugier und weltoffenes<br />

Interesse am Gegenüber getarnt steckt doch hinter<br />

jedem „aber woher kommst du wirklich“ ein „na, von<br />

hier aber sicher nicht“.<br />

EINE RUNDE KOTZEN<br />

Man darf sich für diese Frage durchaus ein bisschen<br />

schämen. Wir haben 20<strong>23</strong>. Österreich ist nicht seit<br />

gestern, nicht seit den 90ern und auch nicht erst seit<br />

1961 ein Einwanderungsland. Also können wir bitte<br />

aufhören, so peinlich zu sein und von „Österreicherinnen<br />

und Österreichern und allen, die hier leben“<br />

zu reden. Da will ich einfach nur in einem Strahl erbrechen.<br />

Ja, wer begrenzt ist, der will Grenzen ziehen.<br />

Festungen errichten. Gäbe es diese, „dann wäre<br />

Wien noch Wien“, skandieren provinzielle Rassisten.<br />

Tschulligung, österreichische Politiker. Andere veranstalten<br />

Bücher-Feste und zitieren internationale<br />

Poeten. Ironischerweise eben nicht in einer österreichischen<br />

Bildungseinrichtung. Aber bleiben wir in unserer<br />

Bubble. Damit Wien noch Wien ist. ●<br />

cucujkic@dasbiber.at, Instagram: @ivanaswelt<br />

8 / MIT SCHARF /

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