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Die fünfzehnjährigen Mädchen Ewa<br />
und Jasmin zeigen sich schockiert<br />
über die grausamen Vorfälle und die<br />
immer weiter steigenden Zahlen. Die<br />
beiden Mädchen setzen sich wie Atilla<br />
und Adam bei dem Online-Filmprojekt<br />
ein. „Uns ist es wichtig, dass Gewalt an<br />
Frauen endlich aufhört. Ich bin überzeugt<br />
davon, dass sich in unserer Generation<br />
gerade etwas ändert. Wir Jüngeren sprechen<br />
viel offener über das Thema und<br />
auch durch unser Filmprojekt hoffen wir,<br />
vor allem Jungs zu erreichen, damit sie<br />
vielleicht ihre Denkweise ändern“, erzählt<br />
Jasmin. Sie ist der Meinung, dass alle<br />
Frauen dieselbe <strong>Ansicht</strong> teilen: Frauen<br />
verdienen keine Gewalt. Es liege an den<br />
Männern, ihre Denkweise zu ändern.<br />
GESCHLECHTERROLLEN,<br />
TOXISCHE MÄNNLICHKEIT<br />
UND TIKTOK<br />
Auch Ewa ist aufgebracht über die<br />
traditionellen Rollenbilder von Mann und<br />
Frau, die sie selbst noch immer miterlebt.<br />
„Wenn ich später Kinder habe,<br />
Toxische und gewalttätige<br />
Beziehungen<br />
werden in ihrer Generation<br />
vor allem auf<br />
TikTok verherrlicht<br />
und propagiert.<br />
werden beide Geschlechter die gleichen<br />
Rechte haben. Ich finde, kein Mensch hat<br />
mehr vom Leben verdient, nur weil er ein<br />
Mann ist. Eine Frau kann genauso stark<br />
sein."<br />
Das klischeehafte Bild des „starken“<br />
Mannes, der über der „schwachen“ Frau<br />
steht, ist gesellschaftlich noch immer<br />
fest verankert. Viele Männer sehen<br />
Frauen und Mädchen als ihren Besitz an.<br />
Durch traditionelle Rollenbilder werden<br />
Frauen aufgrund ihres Geschlechtes in<br />
vielen Aspekten vernachlässigt. Seinen<br />
Privilegien als Mann ist sich Atilla<br />
bewusst: „Wir leben in einer Welt, in<br />
der Männer stärker als Frauen gezeigt<br />
werden. Dadurch habe ich als Mann<br />
keine Angst. Ich wurde so sozialisiert,<br />
dass Männer immer stärker sein müssen.<br />
Aber es macht mich wütend. Wenn ich<br />
als Türke mitbekomme, dass ein anderer<br />
Türke seine Frau schlägt, finde ich das<br />
einfach nur scheiße. Sobald ich dazwischen<br />
gehe, reagiert mein Umfeld oft<br />
mit Unverständnis. Sie verstehen nicht,<br />
warum ich mich für sie einsetze, weil es<br />
„ja eh nur“ eine Frau ist. In meiner Kultur<br />
wird es oft noch normal gesehen, dass<br />
ein Mann über der Frau steht. Dahinter<br />
stehen wir als junge Generation gar nicht<br />
mehr.“ Atilla und Adam haben es satt,<br />
in eine Schublade gesteckt zu werden.<br />
Sie erzählen betroffen von rassistischen<br />
Lehrkräften und Arbeitskollegen, die<br />
ihnen wegen ihrer Herkunft unterstellten,<br />
Frauenschläger und -mörder zu<br />
sein. Dabei gab es in der Türkei, ihrem<br />
Herkunftsland, letztes Jahr über 300<br />
Femizide. „Mir wurde von klein auf beigebracht,<br />
dass ich respektvoll zu Frauen<br />
sein soll. Und dann kommt mein Lehrer<br />
und sagt mir, dass meine Herkunft mich<br />
zu einem Frauenschläger mache“, sieht<br />
Adam frustriert zu Boden.<br />
Aber selbst die junge, scheinbar so<br />
aufgeklärte Generation, entflieht den<br />
alten Rollenbildern nicht. Toxische und<br />
gewalttätige Beziehungen werden in<br />
ihrer Generation vor allem auf TikTok verherrlicht<br />
und propagiert. Diverse Trends<br />
und unkontrollierbare Inhalte beeinflussen<br />
die Denkweise vieler Jugendlicher.<br />
„Durch TikTok werden solche Werte stark<br />
verbreitet. Auf der Plattform sind Jungs,<br />
die Tipps geben, wie „schlecht“ man<br />
seine Freundin behandeln müsse. Sie<br />
behaupten dann, dass sie einem niemals<br />
von der Seite weichen würde. Es gibt<br />
natürlich auch Frauen, die eine toxische<br />
Art von Beziehung und krankhafte Eifersucht<br />
verherrlichen. Man bekommt das<br />
Gefühl, Frauen geht es nur noch um Geld<br />
und Status“, behauptet Adam. Sozialarbeiterin<br />
Pamina Gutschelhofer bestätigt,<br />
dass es an Aufklärung fehle und<br />
Jugendliche oft nicht wüssten, wohin sie<br />
sich wenden können. Aus diesem Grund<br />
möchten Atilla, Adam, Ewa und Jasmin<br />
ihr Online-Filmprojekt in den sozialen<br />
Medien verbreiten und ein Gegenpol zu<br />
toxischen Bewegungen bieten. ●<br />
Jasmin und Ewa setzen sich für mehr Aufklärung<br />
von Gewalt gegenüber Frauen ein.<br />
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