DER COP UND DER TSCHETSCHENE Über 2,5 Millionen Klicks haben die beiden mittlerweile auf TikTok: Der Cop Uwe und der Tschetschene Ahmad beantworten Fragen rund um Strafen, Cannabisgebrauch, Motorradtuning und Polizeigewalt: Alles, was Jugendliche in Wien und Umgebung eben so beschäftigt. Aber wie sieht es ‚Behind the scenes‘ aus? Wie kam dieses Duo zustande, wie sieht die Dynamik zwischen den beiden aus, wie ist die Resonanz im jeweiligen Umfeld und wieso kommen die Videos so gut an? Hier geht‘s zu den Videos: Von Aleksandra Tulej, Fotos: Zoe Opratko 30 / RAMBAZAMBA /
Ab wann geht man maya mit Cannabis?“, möchte der User „alex“ wissen. „Salam Aleikum, darf die Polizei einfach dein Handy wegnehmen und dich zwingen, es zu entsperren?“, beschäftigt User „ichkeria“. Alles Fragen, die die Jugendlichen einem Polizisten von Angesicht zu Angesicht wohl nicht stellen würden – auch weil sie erst gar nicht die Möglichkeit dazu hätten. Deshalb fragt Ahmad für sie: Ahmad ist <strong>23</strong> Jahre alt, Jugendarbeiter und tschetschenischer Aktivist mit bis dato negativen Erfahrungen mit der Polizei. Er steht gemeinsam mit dem 59-jährigen Polizisten Uwe in der Wiener Milleniumcity und liest vom Handy laut die Fragen der Jugendlichen vor, die Uwe dann beantwortet. Ahmad im Hoodie, Grätzlpolizist Uwe in Polizeiuniform – beiden ist es wichtig, nicht verstellt rüberzukommen. Sie stehen hier aus Überzeugung. Wusstet ihr, dass es für „Beamtenbeleidigung“ in Österreich gar kein Delikt gibt? Oder, dass für Cannabis keine Toleranzmengen existieren, wie oft behauptet wird? Das Format „Der Cop und der Tschetschene“ erfreut sich auf TikTok gerade bei Jugendlichen großer Beliebtheit – Ahmad und Uwe bekommen täglich Fragen gestellt, ihre Videos wurden über 2,5 Millionen Mal geklickt. Die häufigsten Fragen werden in folgende Richtung gestellt: „Was passiert, wenn ich dies oder jenes mache? Was darf ich? Was darf die Polizei?“ Die Antworten darauf hätte Ahmad selbst gerne in seiner Jugend bekommen. Ahmad hatte in seiner Jugend Probleme mit dem Gesetz, saß sogar eine Zeit lang im Gefängnis - daraus macht er kein Geheimnis. „Ich hatte in meiner Vergangenheit ein paar Probleme mit der Polizei – oder die Polizei mit mir, das weiß ich nicht – aber es ist für mich einfacher geworden, einige Sachen zu verstehen, seitdem ich Uwe kennengelernt habe,“ beginnt Ahmad das erste Video auf seinem Kanal. „Wir beantworten eure Fragen zum Thema Polizei – stellt uns die Fragen in die Kommentare“, ergänzt Uwe. Sie versuchen, das ungleiche Machtverhältnis zumindest auf dieser Ebene zu brechen: durch TikTok. „AHMAD, WIE VIEL BEZAHLEN SIE DIR? BIST DU JETZT EIN BULLENFREUND?“ Die Themen, die die Jugendlichen beschäftigten, sind breit gefächert, man liest etwa Fragen wie: „Warum kontrolliert ihr immer die Jugendlichen?“, „Was für eine Strafe kriege ich, wenn ich Gokart auf der Autobahn fahre?“, „Wie lange bleibt man im Knast, wenn man mit 15 bei einem Raubüberfall dabei war?“, „Wird meine Strafe höher, wenn ich von der Polizei weglaufe?“, „Darf ich unter meinem Niqab eine Maske tragen?“ All diese Fragen stellt Ahmad, und Uwe beantwortet sie ausführlich. Er trifft sich einmal die Woche mit Ahmad, in einem Café in einem Wiener Gemeindebau im 20. Bezirk - das Lokal ist irgendwie so zu ihrem Treffpunkt geworden - und sie besprechen, wie die Resonanz auf die letzten Videos war, welche Fragen sie beantworten werden, wie die Gesetzeslage zu einzelnen Fragen ist und wie man am besten auf einzelne Themengebiete eingeht. Unterstützt werden sie dabei von Sozialarbeiter Fabian Reicher und Dominik Grabner, Social-Media-Manager der Wiener Polizei. Die Entstehungsgeschichte des Formats ist doch eher untypisch: Aus einem ursprünglichen Streitgespräch zwischen Uwe und Ahmad heraus beschlossen sie, gemeinsame Sache zu machen. ZIEMLICH BESTE FEINDE „Das ist doch safe gespielt, wie viel bezahlen sie dir, Ahmad?“ – so lautet schon einer der ersten Kommentare unter dem Video. Das wollen wir auch gleich zu Beginn wissen. „Die bezahlen mir gar nichts“, stellt Ahmad gleich am Anfang klar, als wir uns zum Interview in ihrem Stammlokal in Brigittenau treffen. „Ich mag die Polizei genauso wenig wie vorher. Ich bin immer noch kein Bullenfreund, damit das klar ist“, das ist ihm wichtig. „Wenn ich die Polizei von 1–10 bewerten müsste, würde ich ihnen eine minus 4000 geben. Aber ich kann die Polizei als Struktur kritisieren, aber einzelne Menschen mögen, oder?“ So wie Uwe, der mit ihm am Tisch sitzt. Mit ihm versteht er sich gut. Ihre Kennenlerngeschichte war aber etwas holprig, um es milde auszudrücken. Im Rahmen der Initiative „Gemeinsam Sicher mit unserer Polizei“ veranstaltete die Polizei im Sommer mit Mitgliedern des Rates für Tschetschenen und Inguschen (Anm. d. Red.: Inguschetien ist eine autonome Republik in Russland) in Wien einen Workshop im Amtshaus Brigittenau. Das Treffen war als Pilotprojekt von Projektleiter Oberst Johann Golob und seinen Kolleg:innen initiiert und die Initiative als proaktive Zusammenarbeit mit der tschetschenischen Community erdacht. Das Ziel war es, gemeinsam Ideen zu sammeln und über Integration und Zusammenarbeit zu sprechen. Ahmad war auch vor Ort. Als er hörte, dass die Erwachsenen davon sprachen, ein Werbe-Video für Facebook aufzunehmen und gemeinsame Schach-Turniere mit tschetschenischen Jugendlichen zu planen, musste er laut lachen, wie er selbst sagt. „Ich habe dann ehrlich gefragt: Wen erreicht ihr so? Schaut’s euch mal an, uns erreicht ihr so sicher nicht.“ Außerdem nervte es ihn, dass immer nur die Erwachsenen miteinander sprachen, und die Jugendlichen „die Schnauze halten mussten.“ Dabei sind sie es, um die es hier vorrangig geht. Ahmad schlug dann vor, doch ein Treffen mit Polizist:innen und tschetschenischen Jugendlichen im Park zu vereinbaren, um dort Videos zu drehen, auf denen man sich miteinander austauscht. Die anwesenden Jugendlichen hielten das für eine sehr gute Idee – der Rest, also die Erwachsenen, reagierten eher zögerlich. Doch dann kam Ahmad mit Uwe ins Gespräch. „Ihr Polizisten in Österreich habt doch eh nix zu tun, außer irgendwelche Kaugummidi- / RAMBAZAMBA / 31