Zeitung Vinschgerwind 3-23 vom 09.02.2023 Bezirk Vinschgau Südtirol

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22.02.2023 Aufrufe

48 /NATIONALPARK/Vinschgerwind 3-23 09.02.23Nationalpark StilfserjochKlimaskeptiker, Klimaleugner undunser ReptiliengehirnGedanken aus dem Buchbestseller von Frank SchätzingFoto: Wolfgang PlatterDurch die Erderwärmung fällt immermehr winterlicher Niederschlag alsRegen anstelle von Schnee. Das winterlicheLaas im November 2019.Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Thomas von Aquin,28. Jänner 2023Skepsis ist besonders in Zeiten derNachrichtenflut an sich eine guteSache. Ein Mehr an Skepsis hätte inder Geschichte etwa des 20. Jahrhundertsvielleicht Hitler und den Holocaust verhindert.Im Skeptizismus geht es nicht darum,etwas strikt abzulehnen, sondern Aussagenso lange zu hinterfragen, bis sie widerlegtoder allerletzte Zweifel ausgeräumt sind.So ist Skepsis das wichtigste Werkzeug seriöserForschung. Jede Erkenntnis ist durchpersönliche und subjektive Wahrnehmungbegrenzt. Selbst Naturgesetze sind strenggenommen nur darum Gesetze, weil sämtlicheBeobachtungen ihre Gültigkeit bestätigen.Von Albert Einstein stammt der Satz„Zwei Dinge sind unendlich, das Universumund die menschliche Dummheit, aber beimUniversum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“Mittlerweile gilt ein unendliches Universumals wissenschaftlich konsolidierteErkenntnis. Im Gegensatz zum Glaubengründet Wissenschaft darauf, Sachverhaltedurch fortlaufende Beobachtungen, Experimente,Hochrechnungen und Neubewertungenso zu untermauern, dass sie mit großerWahrscheinlichkeit als geklärt gelten.Insbesondere die Klimaforschung, die wiekaum eine andere Wissenschaft diskreditiertwird, nimmt diese Aufgabe des Hinterfragensüberaus ernst. Der menschlichbedingte Klimawandel gilt als faktisch belegt,dennoch ist es gut, kritisch zu bleiben.Allerdings entscheiden viele selbsternannteKlimaskeptiker, die Idee eines menschengemachtenKlimawandels trotz aller Beweisdoch eher abzulehnen. „Damit werden sie(allzuleicht) zu Klimaleugnern. Und sindArgumenten nicht länger zugänglich. Klimaleugnersind zu einer regelrechten Branchezusammengewachsen, einer Lügner-Industrie,in der Blogger, erzkonservative Thinktanks(Denkfabriken), Wirtschaftslobbyistenund bezahlte Gegenexperten bienenfleißigam Mythos der Klimalüge basteln“. Diesescharfe Formulierung wählt Frank Schätzingin seinem Bestseller-Sachbuch „Was,wenn wir einfach die Welt retten? Handel inder Klimakrise“ (Verlag Kiepenheuer undWitsch 2022).Klimaleugner„Das Nicht-wahrhaben-Wollen der faktenstrotzendenWirklichkeit hindert Generäle,ihre Chancen realistisch einzuschätzen, Politiker,Niederlagen zu akzeptieren, Kreationisten,der Vorstellung Raum zu geben, Menschenund Saurier seien nicht Seite an Seiteübers Erdenrund geschritten, hindert Kirchenoberedaran, Männer und Frauen, He-

09.02.23 Vinschgerwind 3-23 /NATIONALPARK/ 49Foto: Giancarlo GiudiciMit der Klimaänderung nehmen die Extremereignisse zu: die Rückhaltesperre imLaaser Untertal nach dem Unwetter vom 3. August 2018.Das Reptiliengehirn oder Stammhirn begünstigtauch in uns Menschen als Säugerden Egoismus gegenüber dem Altruismus.teros, Transgender, Lesben und Schwule alsGleiche unter Gleichen zu akzeptieren undsexuellen Missbrauch aufzuarbeiten. Es gibtMenschen, die leugnen um des Leugnens willen:den Holocaust, den Klimawandel, Corona,die Mondlandung…“ (Frank Schätzing,S. 183). Klimaleugner nennen sich gerneSkeptiker. Tatsächlich sind sie das genaueGegenteil. Der Skeptiker sucht Wahrheit.Der Klimaleugner arbeitet der Wahrheitsfindungentgegen. Und das macht ihn gefährlich.Denn dabei richtet er beträchtlichenSchaden an. Nicht nur leugnet er denanthropogenen Klimawandel, er verbreitetzudem Fake News, verzerrt Forschungsergebnisseund hintertreibt Bemühungen,künftige Generationen zu schützen.Das ReptilienhirnObwohl viele Erkenntnisse zum Klimawandeldurch wissenschaftliche Daten längstabgesichert sind, zögern wir als Einzelindividuender Säuger Homo sapiens, alsmenschliche Gemeinschaft im Großen derWeltgemeinschaft und die Politiker alsEntscheidungsträger noch in viel zu vielenLändern mit der Umsetzung von Maßnahmen,Taten und Verhaltensänderungen,um entschieden genug gegen die Klimakatastrophevorzugehen. Von den 198 Unterzeichnerstaatendes Klimaabkommens vonParis 2015 hat bisher kein einziges Land dasZiel erreicht, die Erderwärmung auf +1,5°C einzugrenzen. Eine nicht uninteressanteErklärung unseres zögerlichen Verhaltensliegt in der evolutionären Entwicklung unseresmenschlichen Gehirns begründet. Derevolutionär älteste Teil unseres Gehirns ist500 Millionen Jahre alt und kennzeichnetsämtliche Wirbeltiere von den Kriechtierenbis zu den Säugern: das Reptiliengehirn.Dieses Reptiliengehirn, besser bekanntunter dem Namen Stammhirn, verhilft unsnicht zum Lesen und Schreiben. Dafür aberregelt es verlässlich vitale Grundfundfunktionenwie Herzschlag, Atmung, Nahrungsaufnahme,Verdauung. Das Stammhirnkann unfassbar vieles gleichzeitig. Es ist dieperfekte Steuerungsanlage für Tausendeautomatisierter Prozesse und verfügt überdrei Notfallknöpfe: Erstarren, Flucht undKampf. Das Stammhirn reagiert auf Sinneseindrücke.Wittert oder sieht es Nahrung,lautet sein Kommando: Jagen, Fressen.Ganz oben auf seiner Prioritätenliste steht,sich unmittelbare Vorteile zu verschaffen.Nicht durch Verhandeln, sondern durchZuschlagen. Im evolutionären Überlebenskampfhaben wir als Spezies Homo sapiensvon diesen Instinktreaktionen profitiert.Andererseits drängt sich das Reptil in unsoft in den Vordergrund, wenn wir es amwenigsten gebrauchen können. Etwa, wennes darum geht, unser persönliches Handelnweitsichtig auf die Bedürfnisse derAllgemeinheit abzustimmen, Ressourcenzu schonen und kurzfristige Vorteile gegenlangfristig negative Folgen abzuwägen. Darumhaben wir eine Klimakrise, hatten wirden Kolonialismus oder führten und führenKriege. „Wir können nicht ändern werwir sind. Aber wir können unser Verhaltenzum Besseren wenden, wenn wir verstehen,warum wir sind, wer wir sind.“ (Frank Schätzing)An der winterlichen Sonnenscheindauer wird der Klimaunterschied zwischen Nörderberg und Sonnenberg besonders auffällig: linksTschengls rechts Tanas jeweils am 17. November 2020.

09.02.23 Vinschgerwind 3-23 /NATIONALPARK/ 49

Foto: Giancarlo Giudici

Mit der Klimaänderung nehmen die Extremereignisse zu: die Rückhaltesperre im

Laaser Untertal nach dem Unwetter vom 3. August 2018.

Das Reptiliengehirn oder Stammhirn begünstigt

auch in uns Menschen als Säuger

den Egoismus gegenüber dem Altruismus.

teros, Transgender, Lesben und Schwule als

Gleiche unter Gleichen zu akzeptieren und

sexuellen Missbrauch aufzuarbeiten. Es gibt

Menschen, die leugnen um des Leugnens willen:

den Holocaust, den Klimawandel, Corona,

die Mondlandung…“ (Frank Schätzing,

S. 183). Klimaleugner nennen sich gerne

Skeptiker. Tatsächlich sind sie das genaue

Gegenteil. Der Skeptiker sucht Wahrheit.

Der Klimaleugner arbeitet der Wahrheitsfindung

entgegen. Und das macht ihn gefährlich.

Denn dabei richtet er beträchtlichen

Schaden an. Nicht nur leugnet er den

anthropogenen Klimawandel, er verbreitet

zudem Fake News, verzerrt Forschungsergebnisse

und hintertreibt Bemühungen,

künftige Generationen zu schützen.

Das Reptilienhirn

Obwohl viele Erkenntnisse zum Klimawandel

durch wissenschaftliche Daten längst

abgesichert sind, zögern wir als Einzelindividuen

der Säuger Homo sapiens, als

menschliche Gemeinschaft im Großen der

Weltgemeinschaft und die Politiker als

Entscheidungsträger noch in viel zu vielen

Ländern mit der Umsetzung von Maßnahmen,

Taten und Verhaltensänderungen,

um entschieden genug gegen die Klimakatastrophe

vorzugehen. Von den 198 Unterzeichnerstaaten

des Klimaabkommens von

Paris 2015 hat bisher kein einziges Land das

Ziel erreicht, die Erderwärmung auf +1,5°

C einzugrenzen. Eine nicht uninteressante

Erklärung unseres zögerlichen Verhaltens

liegt in der evolutionären Entwicklung unseres

menschlichen Gehirns begründet. Der

evolutionär älteste Teil unseres Gehirns ist

500 Millionen Jahre alt und kennzeichnet

sämtliche Wirbeltiere von den Kriechtieren

bis zu den Säugern: das Reptiliengehirn.

Dieses Reptiliengehirn, besser bekannt

unter dem Namen Stammhirn, verhilft uns

nicht zum Lesen und Schreiben. Dafür aber

regelt es verlässlich vitale Grundfundfunktionen

wie Herzschlag, Atmung, Nahrungsaufnahme,

Verdauung. Das Stammhirn

kann unfassbar vieles gleichzeitig. Es ist die

perfekte Steuerungsanlage für Tausende

automatisierter Prozesse und verfügt über

drei Notfallknöpfe: Erstarren, Flucht und

Kampf. Das Stammhirn reagiert auf Sinneseindrücke.

Wittert oder sieht es Nahrung,

lautet sein Kommando: Jagen, Fressen.

Ganz oben auf seiner Prioritätenliste steht,

sich unmittelbare Vorteile zu verschaffen.

Nicht durch Verhandeln, sondern durch

Zuschlagen. Im evolutionären Überlebenskampf

haben wir als Spezies Homo sapiens

von diesen Instinktreaktionen profitiert.

Andererseits drängt sich das Reptil in uns

oft in den Vordergrund, wenn wir es am

wenigsten gebrauchen können. Etwa, wenn

es darum geht, unser persönliches Handeln

weitsichtig auf die Bedürfnisse der

Allgemeinheit abzustimmen, Ressourcen

zu schonen und kurzfristige Vorteile gegen

langfristig negative Folgen abzuwägen. Darum

haben wir eine Klimakrise, hatten wir

den Kolonialismus oder führten und führen

Kriege. „Wir können nicht ändern wer

wir sind. Aber wir können unser Verhalten

zum Besseren wenden, wenn wir verstehen,

warum wir sind, wer wir sind.“ (Frank Schätzing)

An der winterlichen Sonnenscheindauer wird der Klimaunterschied zwischen Nörderberg und Sonnenberg besonders auffällig: links

Tschengls rechts Tanas jeweils am 17. November 2020.

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