Treptow-Köpenick

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Der Berlin-Roman der Nullerjahre
Er wollte weg aus der Provinz: Ziemlich planlos kommt der 20-jährige Westfale
Wolfgang Schneider 2003 nach Berlin. Wir schauen ihm zu, wie er, irgendwas studierend,
sich in der großen Stadt treiben lässt und sich verliert: Wolfgang „Wolfo“
Schneider wird Statist auf der Bühne, obwohl er nur an der Theaterkasse sitzen
wollte. Er gerät zufällig in die revolutionäre Hochschulgruppe und entwirft absurde
Texte, wird auf wundersame Art als Performance-Künstler gebucht: alles
ungeplant, alles scheint möglich, alle sind ein bisschen verrückt. Zwischen Kiezkneipe
und Theaterbühne nimmt der Roman die Schwingungen der Stadt der
Nullerjahre auf. Das ist komisch bis absurd, oberflächlich wie tiefgründig: ein
Berlin-Roman der Nullerjahre mit Anfang und offenem Ende, direkt und verschroben
wie die Stadt und ihre Milieus, ein Roman übers Erwachsenwerden,
über Lebenszufälle und glückliche Fügungen. Es wäre unmöglich, die Frage: „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“
für Wolfgang „Wolfo“ Schneider zu beantworten. Vielleicht erfahren wir es in der Fortsetzung. (BN)
• Tilmann Birr: Wie sind Sie hier reingekommen?
SATYR Verlag | 250 Seiten | ISBN: 9783910775008 | 22,- €
Wenn sich Buch liebhaber verlieben
Als erfolgreiche Literaturagentin kennt Nora das Klischee von gängigen Liebesgeschichten
nur zu gut: Ein Karrieremensch aus der City landet durch Umstände
in einer verschlafenen Kleinstadt, wo er sich in einen Einheimischen verliebt
und sein Leben verändert. Auch auf Noras Leben trifft dies zu, doch ihre Partner
sind diejenigen, die Nora für eine Andere in einer Kleinstadt verlassen. Als ihre
schwangere Schwester Libby sie bittet, mit ihr an den Schauplatz ihres Lieblingsromans
zu reisen, lässt sie sich ihr zuliebe darauf ein. So landen sie in der
idyllischen Kleinstadt Sunshine Falls, wo WLAN eine Rarität ist, sie dafür ständig
denselben Leuten begegnen – so auch Charlie, ebenfalls in der Literaturszene
tätig, mit dem Nora vor zwei Jahren ein unangenehmes Geschäftsessen hatte.
Es knistert gewaltig zwischen den beiden. Während Nora halbherzig versucht,
professionell zu bleiben, bemerkt sie, dass Libby etwas verheimlicht... Die humorvollen Wortgefechte zwischen
Nora und Charlie, der Kleinstadt-Charme gepaart mit einem lockeren Schreibstil gönnen in diesem
Gute-Laune-Liebesroman auch dem Lesenden eine kleine Auszeit in Sunshine Falls. (SL)
• Emily Henry: Book Lovers – Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Knaur Taschenbuch Verlag | 448 Seiten | EAN: 9783426529409 | 12,99 €
Familienleben im Patriarchat
Ist das vermeintliche Übergewicht der Mutter wirklich der Grund, dass der Vater
nicht befördert wird? Oder ist er in Wahrheit ein Tyrann, der seine Ehepartnerin
täglich erniedrigt? In diesem autobiografisch angehauchten Roman erzählt das
kindliche Alter Ego der Autorin Daniela Dröscher von ihrem Familienleben im
Hunsrück der 1980er. Während der Vater sein verdientes Geld für eigene Hobbys
oder Reisen ausgibt, finanziert die Mutter die Haushaltskasse, unterwirft eigene
Bedürfnisse dem Wohlergehen der Familie und erprobt für ihren Mann verschiedene
Diäten. Tochter Ela steht zwischen den Eltern, ihr Blick auf die Mutter wird
zunehmend beeinflusst vom Vater. Die Autorin reflektiert über Geschehnisse in
ihrer Familie und setzt der Mutter ein gefühlvolles Denkmal. Trotz der Schilderung
dieser schwierigen Ehesituation gelingt Daniela Dröscher eine tragikomische Erzählung,
die es schwermacht, das Buch aus der Hand zu legen. Daniela Dröschers
vierter Roman wurde für den Deutschen Buchpreis 2022 nominiert. Die Autorin lebt in Berlin. (SL)
• Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter
Kiepenheuer & Witsch | 448 Seiten | EAN: 9783462001990 | 24,- €