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FINE - Das Festivalmagazin

Magazin zum 26. Rheingau Gourmet & Wein Festival

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Wer sind Ihre Weinfreunde?<br />

Was sind Ihre ältesten Flaschen?<br />

Warum Pétrus? Wegen des berühmten Namens?<br />

Ach, ich hab’ damals herumgefragt, und viele haben gesagt: Den musst du<br />

probieren! Also hab’ ich was gekauft, dazu Lafleur, aber auch L’Évangile, Le<br />

Pin, L’Eglise-Clinet und ein paar mehr. Bei Touren durchs Bordelais hab’ ich<br />

später auch die Winzer kennen gelernt. <strong>Das</strong> gehört für mich dazu. Wenn ich<br />

einen Wein trinke, muss ich auch wissen: Wie sieht’s da aus? Was leben da für<br />

Menschen?<br />

Sie sind also gleich zum Start mit der Spitze eingestiegen.<br />

Ja. Ich hab’ die besten Châteaux gekauft und eingelagert. Damals habe ich oft<br />

nur eine Flasche oder eine Magnum nehmen können. Die kosteten viel Geld –<br />

aber die Relation war ja eine ganz andere als heute.<br />

Sammeln Sie systematisch?<br />

<strong>Das</strong> habe ich von Anfang gemacht, halb schwanger gibt’s bei mir nicht. Und<br />

das war damals ja auch einfach: Ich hab’ die alten Weine, die ich gekauft habe,<br />

einfach nicht getrunken.<br />

Ist Ihnen Genuss wichtiger oder Wertsteigerung?<br />

Genuss! Von der Wertsteigerung habe ich doch nichts. Der Wert ist schön,<br />

wenn ich ihn erfahre, aber ich verkaufe nichts, und was anderen Leuten die<br />

Weine wert sind, sind sie mir längst wert. Obwohl ich ein paar richtig seltene<br />

Flaschen im Keller liegen habe.<br />

Mit wem genießen Sie solche Weine?<br />

Ich habe mir einen kleinen Kreis sehr interessanter Menschen aufgebaut, die<br />

mehr oder weniger das gleiche Verständnis und die gleiche Anerkennung des<br />

Weins mitbringen. Mein Geburtsjahr war ein sehr guter Jahrgang, und mit<br />

meiner Weintruppe habe ich inzwischen schon mehrmals Pétrus aus diesem<br />

Jahr getrunken.<br />

Mit einer solchen Erfahrung: Wie hat sich Ihre Wahrnehmung dieses<br />

Weins über die Jahre verändert?<br />

Früher habe ich oft Lafleur gegen Pétrus verkostet, wie das ja so üblich ist. <strong>Das</strong><br />

ist der größte Fehler, den Sie machen können! Mir tun heute alle Flaschen<br />

leid, die ich dabei aufgemacht habe. <strong>Das</strong> Körperbetonte, Kraftvolle des Pétrus<br />

dominiert die Probe, die Eleganz des Lafleur geht völlig unter. Es war für mich<br />

ein einmaliges Erlebnis, als ich ihn separat in einer Verkostung genießen konnte.<br />

Diese Seidigkeit – sensationell! Ein großes Erlebnis.<br />

Was ist für Sie das Wichtigste bei Ihren Proben?<br />

Jeder macht Flaschen nach seinen Möglichkeiten auf. <strong>Das</strong> ist für mich ganz<br />

wichtig. Wer in seinem Rahmen sein Bestes gibt, gehört genauso dazu wie<br />

jemand, der wohlhabend ist. Jeder trägt etwas auf seine Weise dazu bei, so<br />

habe ich viele Weine kennengelernt, die ich sonst wohl nie angepackt hätte.<br />

<strong>Das</strong> ist das Schönste beim Wein: Die Weine stellen erst etwas dar, wenn man<br />

sie in einem Kreis mit gutem Austausch wirklich genießt.<br />

Gibt es dazu Regeln?<br />

Wer zu einer Probe von mir eingeladen wird und Weine wegschüttet, ist beim<br />

nächsten Mal nicht mehr dabei. <strong>Das</strong> sage ich allen Gästen vorab ganz offen. Da<br />

bin ich auch konsequent, so was gibt’s bei mir nicht. Jeder kann sagen: Bitte<br />

weniger. Oder er setzt einen Flight aus. Oder er reicht das Glas an den Nachbarn<br />

weiter. Alles kein Problem. Aber einfach einen reifen Wein stehen lassen<br />

oder ausgießen? <strong>Das</strong> ist, als würde mir jemand ein Messer ins Herz stechen.<br />

Wie haben Sie sich diesen Freundeskreis erschlossen?<br />

Ich hab’ sehr viele Bücher und Zeitschriften gelesen, zu Proben eingeladen und<br />

mir einen Kreis aufgebaut. So wurde ich auch eingeladen. <strong>Das</strong> entwickelte sich für<br />

mich sehr einfach: Wer nicht passte, fiel durch den Rost. Nur die sympathischsten<br />

und nettesten Menschen sind dabei geblieben, und deswegen sind wir heute<br />

eine hervorragende Truppe.<br />

Die leben über ganz Europa verteilt. Jeder lädt ein, und jeder öffnet seine besten<br />

Flaschen. So kann jeder immer wieder auch Weine kosten, die in seinem eigenen<br />

Keller lagern. <strong>Das</strong> ist das Schöne an unserer Runde. Niemand bezahlt etwas.<br />

Daraus haben sich ganz intensive Freundschaften entwickelt. Seit den 70er-<br />

Jahren treffe ich mich regelmäßig mit vier Freunden. Die sind inzwischen alle<br />

vom guten Wein verwöhnt, weil ich sie herangeführt habe. Jeder übernimmt<br />

bei diesen Proben sein Spezialgebiet, ich bin beispielsweise derzeit fürs rechte<br />

Ufer zuständig.<br />

Wann haben sie zum ersten Mal über Bordeaux hinausgeschaut?<br />

1986 haben meine Ehefrau und ich angefangen, uns Burgund zu erschließen.<br />

<strong>Das</strong> haben wir wieder recht systematisch gemacht, doch auch da sind mir Fehler<br />

unterlaufen. Ende der 80er hab’ ich mit Romanée-Conti angefangen. Ich habe<br />

dort aber nur gereifte Weine gekauft. Die Flaschen sind noch heute in Top-Verfassung.<br />

Da waren Weine aus den 50er-, 60er- und viele aus den 70er-Jahren<br />

dabei. Die wurden mir damals zu Top-Preisen angeboten, das lief aber ohne<br />

jedes Tamtam ab.<br />

Wer hat Ihnen Großflaschen gefüllt?<br />

Vom 1989 Mouton habe ich eine 15-Liter-Flasche, und eine stammt vom verstorbenen<br />

André Ramonet in Burgund. Er war ein riesiger Pétrus-Fan, also<br />

habe ich ihm habe ich bei jedem Besuch eine gute Flasche mitgebracht. Und<br />

er hat mir eine 15-Liter-Flasche 1990 Le Montrachet gefüllt. Davon gibt’s nur<br />

zwei Flaschen – eine hat er in seinen Keller gelegt und die andere mir gegeben.<br />

Zu welchem Anlass werden Sie sie öffnen?<br />

Ach, ich suche nun seit 30 Jahren nach einem Grund. Ich dachte, vielleicht zu<br />

einem runden Geburtstag. Aber zu solchen Anlässen kommen so viele Gäste,<br />

die keine Ahnung vom Wein haben – dafür mache ich nicht mein Herzblut auf.<br />

<strong>Das</strong> müsste eine Sause sein, bei der Gäste mit Weinkenntnissen den ganzen<br />

Abend lang nur aus dieser Flasche trinken.<br />

Wenn wir von solchen Schätzen sprechen: Wie sieht es in Ihrem Keller aus?<br />

Ich habe einen sehr kühlen Keller mit zehn Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit,<br />

da dort viele Flaschen aus dem 19. Jahrhundert lagern. Daher darf ich im<br />

Keller keinen intensiven Reifeprozess mehr aufbauen. Mein Latour 1961 ist deswegen<br />

erst seit zwei, drei Jahren am Höhepunkt, vorher war mir das Tannin<br />

noch zu unrund.<br />

Einige Flaschen stammen noch aus dem 19. Jahrhundert. Die meisten kommen<br />

aus dem Bordelais, aber ich habe auch so alte aus Burgund.<br />

Wie sind Sie zu solchen Raritäten gekommen?<br />

Ich hatte von zwei Jahrgängen Romanée-Conti aus dem 19. Jahrhundert jeweils<br />

eine komplette Kiste mit sechs Flaschen, die hatte ich vor vielen Jahren vom<br />

Eigner eines Restaurants bei Paris gekauft. Der hätte viel mehr Geld bekommen,<br />

hätte er sie versteigern lassen, er wollte sie aber in gute Hände geben. Nach jeder<br />

Flasche, die wir geöffnet haben, habe ich ihm einen ausführlichen Bericht und<br />

eine Bewertung des Weins geschickt. Er war total happy, und mir hat es eine<br />

riesige Freude gemacht, ihn daran teilhaben zu lassen.<br />

Was reizt Sie an alten Weinen?<br />

Alles, was vor der Reblaus-Katastrophe produziert wurde, ist eine Welt für sich.<br />

Die sind heute alle gut. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln, wie jung<br />

diese Weine schmecken. Ich hatte mal eine Probe mit ausgewiesenen Experten.<br />

Da habe ich blind eine Magnum 1870 Lafite eingeschenkt, die ich von Michael<br />

Broadbent gekauft hatte. Die Fragen lauteten: Was ist das für ein Wein, und<br />

wie alt ist er? Einige waren sich sehr schnell sicher: Der ist aus den 70ern. Und<br />

so schmeckte er auch! Ich habe sie dann aufgeklärt, dass sie sich um ein Jahrhundert<br />

verschätzt hatten.<br />

Diese Flaschen offenbaren eine Weinkultur, die es heute nicht mehr gibt.<br />

Ich habe mit Eigentümern einiger großer Châteaux vor einiger Zeit Weine der<br />

Jahre 1789, 1815 sowie viele weiter aus dem 19. Jahrhundert verkostet, etwa<br />

Magnums von 1858 und 1870. Da konnte man gut beobachten, wie die alte<br />

und die neue Weinkultur aufeinanderprallten. Die jungen Weinmacher aus<br />

den Châteaux, die auch dabei waren, legten regelrecht die Ohren an. Die verstanden<br />

gar nicht, was da mit ihnen passierte.<br />

Welche sind heute Ihre Favoriten?<br />

Da gibt’s viele, und sie stammen alle aus der Magnum: Lafleur 1947, Lafite 1789<br />

und 1815, Yquem 1785 und 1847, Romanée-Conti 1875 und 1899, Margaux und<br />

Ausone 1900. Vom Jahrgang 1900 können Sie jede Flasche nehmen – es ist ein<br />

Wahnsinn, was dieses Jahr noch heute zu bieten hat. Da spricht aber kaum noch<br />

jemand drüber. Außerdem Mouton und Lafite 1929, Mouton, Latour und Haut-<br />

Brion 1945, Pétrus 1947.<br />

Der Fine-Wine-Markt hat sich in den letzten 40 Jahren komplett verändert.<br />

Würden Sie jetzt noch einmal mit dem Sammeln anfangen?<br />

Wäre ich noch mal jung, würde ich mich heute genauso für Wein interessieren<br />

wie damals. Was andere darüber denken, wäre mir völlig egal. Ich war damals<br />

ein Exot und wäre es eben heute wieder. Nur sind die Maßstäbe durch die wahnsinnigen<br />

Preissprünge ganz andere geworden.<br />

Die Preise haben keine Sprünge gemacht, die sind durch die Decke<br />

gegangen…<br />

<strong>Das</strong> stimmt, vieles könnte man heute kaum mehr öffnen. Mit wem soll ich<br />

die trinken, ohne aufzufallen? Ich habe nur meinen Freundeskreis, bei dem<br />

ich mich darauf verlassen kann, dass niemand auch nur einen Ton über diese<br />

Weine erzählt. Ich habe dafür kein Vermögen ausgegeben – und ich würde sie<br />

auch nicht verkaufen, nur weil mir jemand in China oder Russland einen noch<br />

so horrenden Preis bietet. Für mich gilt als Wert, was ich dafür bezahlt habe.<br />

War manchmal auch viel Geld, aber niemals solche Summen, die heute aufgerufen<br />

werden. Wenn ich eine besondere Flasche aufmache, stört es mich<br />

nicht im geringsten, dass irgendein Etikettentrinker dafür irgendwo anders zu<br />

viel Geld hinlegt.<br />

52 <strong>FINE</strong> DAS FESTIVALMAGAZIN | INTERVIEW INTERVIEW | <strong>FINE</strong> DAS FESTIVALMAGAZIN<br />

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