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Frühling 2023

N TERN

Erste Bilder von Jungtieren der

Rosada-Drusenköpfe

Wie ist der gesundheitliche Zustand

der Singvögel auf den Galápagos-Inseln?

Ein Leben für den Vogelschutz

Information

der Freunde

der Galápagos

Inseln (Schweiz)


Editorial

Die Galápagos-Inseln gehören zu den weltweit am

besten erforschten Inseln. Seit Charles Darwin die

Inseln im Jahr 1835 besuchte, erweckt die einzigartige

Flora und Fauna des Archipels das Interesse von

Forscherinnen und Forschern auf der ganzen Welt.

Man könnte daher meinen, dass es auf Galápagos nur

noch wenig Neues zu entdecken gibt.

Doch weit gefehlt! Wir freuen uns sehr, Ihnen in dieser

Ausgabe von «Galápagos Intern» die ersten Fotos

von jungen pinken Landleguanen zeigen zu können.

Diese Reptilien leben ausschliesslich in einem kleinen

Areal am Vulkan Wolf, dem höchsten Vulkan auf der

Insel Isabela. Dort wurde die Art erst im Jahr 2009 von

Dr. Gabriele Gentile entdeckt.

In dieser Ausgabe berichten wir zudem über die Fortschritte

der Studie zum Plastikmüll auf dem Archipel,

und ein weiterer Forscher, Dr. Enzo M. R. Reyes, lässt

uns an seiner Begeisterung für die Floreana Spottdrosseln

teilhaben. Er erläutert, wie er mit seiner

Forschung das Projekt der Renaturierung der Insel

Floreana unterstützt. Auch der Spendenaufruf dieser

Ausgabe erfolgt im Zusammenhang mit diesem

Renaturierungsprojekt, einem aktuellen und sehr

wichtigen Naturschutzprojekt in den Galápagos.

Dr. Birgit Fessl, Koordinatorin für Vogelschutz an der

Charles Darwin Research Station, musste feststellen,

dass auf den Inseln Floreana und Santa Cruz die Vogelbestände

stark abnehmen. Neben invasiven Insekten-

und Wirbeltierarten, welche die Eier und Küken

der Vögel bedrohen, können auch eingeschleppte

Vogelkrankheiten für den massiven Rückgang der

Tiere verantwortlich sein. Daher arbeitet Dr. Fessl

mit Ihrem Team daran, weit über 1200 Proben von

Sing- und Nutzvögeln der beiden Inseln auf Krankheitserreger

zu untersuchen. So soll ein Überblick

über die Verbreitung von Vogelkrankheiten unter den

Landvögeln gewonnen werden. Dieses Wissen ist für

das Projekt der Renaturierung der Insel Floreana von

grosser Bedeutung, denn als Teil des Renaturierungsprojekts

sollen lokal ausgestorbene Vogelarten wieder

auf Floreana angesiedelt werden. Um diese Tiere

bestmöglich schützen zu können, ist ein Verständnis

der Vogelkrankheiten in den Galápagos zentral.

Inhaltsübersicht

3 Hoffnung für eine neue Kolonie der

Galápagos-Albatrosse

4 Erste Bilder von Jungtieren der Rosada-Drusenköpfe

5 Haben Sie schon von den Reisratten

gehört?

6 Wie ist der gesundheitliche Zustand

der Singvögel auf den Galápagos-

Inseln?

7 Lösungen für das Plastik-Problem von

Galápagos

9 Die Geschichte der Galápagos-Landleguane

10 Ein Abend im Namen der Invasiven

Arten

11 Ein Leben für den Vogelschutz

12 Galápagos News

Impressum:

Freunde der Galápagos Inseln (Schweiz)

c/o Zoo Zürich AG, Zürichbergstrasse 221, 8044 Zürich

Telefon: 044 254 26 70

E-Mail: freunde.galapagos@zoo.ch

Homepage: www.galapagos-ch.org

Mitarbeit an dieser Ausgabe:

Lukas Keller, Patrick Schmitz, Claudia Haas, Veronika

Huebl, Doris Hölling, Karin Ramp. Gedruckt auf FSCzertifiziertem

Papier.

Die nächste Ausgabe des

Galápagos Intern

erscheint im Herbst 2023

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Trotz langjähriger Forschung verstehen wir viele Zusammenhänge

und Abläufe in Flora und Fauna der

Galápagos-Inseln noch nicht umfassend, auch weil

neu eingeschleppte Arten und Krankheiten die Situation

immer wieder verändern. Um die einzigartige

freundegalapagos

Natur des Archipels für spätere Generationen erhalten

zu können, müssen wir unser Verständnis

der für die Natur wichtigsten Prozesse laufend

verbessern. Ich danke Ihnen im Namen unseres

Vereins für Ihre grosszügige Unterstützung der

wichtigen Forschung auf den Galápagos-Inseln.

Titelbild

friendsofgalapagos

Ich wünsche Ihnen eine interessante und abwechslungsreiche

Lektüre.

2 Galápagos Intern

Dr. Lukas Keller, Präsident

Galápagosbussard,

© Amy McLeod


Hoffnung für eine neue Kolonie der Galápagos-Albatrosse

Wenn man in der Garúa-Zeit, also der kühleren, vom

Humboldtstrom geprägten klimatischen Phase zwischen

Mai und November, mit einem Schnellboot

zwischen den Inseln des Galápagos-Archipels unterwegs

ist, sieht man zahlreiche Seevögel auf und

über dem Wasser. Und wenn man genau hinsieht, ist

die Wahrscheinlichkeit gross, dass man zwischen all

den Sturmvögeln, Tölpeln und Möwen einen grösseren

Vogel in der Menge ausmacht, einen gelben

Schnabel leuchten sieht, einen geschmeidigen Segler

erkennt, der fast nie Flügelschläge braucht und

sich vornehm und elegant über den Wellenkämmen

von der Luft tragen lässt. Das ist dann ein Galápagos-Albatros.

Der Galápagos-Albatros ist eine von 21 Albatros-

Arten und in Galápagos endemisch. Seine Heimat

ist die Insel Española im äussersten Südosten des

Archipels. Albatrosse ernähren sich vor allem von

Tintenfischen und kleineren Fischen und legen oft

zur Nahrungssuche enorme Strecken zurück. Während

der Brutzeit kehren sie aber immer wieder zu

ihrer Heimatinsel zurück und füttern das dort wartende

Jungtier. Wenn der Humboldtstrom rund um

die Galápagos-Inseln schwächer wird und damit das

Wasser weniger Nahrung für die Albatrosse enthält,

verlassen sie den Archipel und verbringen die Zeit

zwischen Dezember und April weiter südlich vor der

Küste des südamerikanischen Festlandes.

Eindrucksvolle Erlebnisse

Bei unserem Besuch auf Española Anfang Dezember

sahen wir die Albatrosse aus nächster Nähe. Wir

konnten einige abgebrochene Landeanflüge und

sogar eine ziemlich gelungene Landung beobachten.

Starts und Landungen sind für Albatrosse aufgrund

ihrer Grösse und ihres Gewichts eine besondere

Herausforderung und sind für die Vögel wegen

der imminenten Verletzungsgefahr nicht ungefährlich.

So elegant sie auch durch die Lüfte gleiten:

Bei ihren Starts und Landungen und auch bei der

Fortbewegung am Boden purzeln und watscheln

sie eher linkisch und unbeholfen dahin und bewegen

sich insgesamt möglichst wenig fort. Zwei Albatrosse

sassen im Gebüsch direkt neben unserem

Weg und umschnabelten sich zärtlich. Albatrosse

paaren sich fürs Leben und vollführen regelmässig

genau festgelegte Balztänze. Ein paar Meter neben

den turtelnden Albatrossen sass ein Jungvogel. Er

war in seinem braunen Lockengewand noch gut

getarnt zwischen den braunschwarzen Lavafelsen,

aber schon ganz schön gross und behäbig. Ein Stück

weiter an der Klippe stand ein anderer Jungvogel,

dessen Flaum am Hals bereits langsam dem eleganten

weissen Federkleid wich, und übte nahe am Abgrund

Flügelbewegungen. Bald würde er losstarten

können – und das auch nicht zu früh, denn der Abflug

zur Festlandküste stand kurz bevor.

Im April kommen sie wieder zurück und legen ihr Ei

auf dem nackten Lavaboden ab. Die Albatrosse sind

da anspruchslos – und damit in guter Gesellschaft:

Auf der Ebene im Südwesten Españolas wohnen neben

ihnen noch Blaufuss- und Nazcatölpel, auch sie

brüten einfach auf dem Boden. Er muss noch nicht

mal eine Kuhle aufweisen. Die Galápagos-Seevögel

sind offensichtlich fast alle keine grossen Nestbauer

– wozu auch, so völlig ohne natürliche Fressfeinde?

Albatros-Küken, © Veronika Huebl

Albatros-Paar beim umschnabeln, © Veronika Huebl

Galápagos Intern

3


Viele Gefahren

Trotz fehlender Fressfeinde ist der Galápagos-Albatros

vom Aussterben bedroht. Vor allem die Langleinen-Fischerei

wird ihm oftmals zum Verhängnis. Die

Charles Darwin Foundation schätzt die Population

auf etwa 9600 Brutpaare mit einem Fortpflanzungserfolg

von 25 Prozent und einem Rückgang von ungefähr

6 Prozent pro Jahr. Etwa 27 Kilometer vor der

ecuadorianischen Küste liegt eine kleine, nur knapp

sechs Quadratkilometer grosse Insel namens La Plata.

Sie bietet ähnlich wie Galápagos einer Vielfalt von

Tieren Heimat, darunter Blaufuss-, Rotfuss- und Nazcatölpel

sowie auch Galápagos-Albatrosse. Gemäss

Schätzungen brüten etwa 20 Albatros-Paare auf La

Plata, aber genaue Daten zu Überleben der Jungtiere,

Populationsdynamik oder auch Interaktion mit

invasiven Ratten fehlen. Ein Projekt sammelt nun

mit Unterstützung des Vereins der Freunde der Galápagos-Inseln

in der Schweiz solche Daten mit dem

Ziel, die Albatros-Population von La Plata zu stärken

und sie zu einer «Versicherungspopulation» für die

Galápagos-Albatrosse aufzubauen.

Veronika Huebl

Erste Bilder von Jungtieren der Rosada-Drusenköpfe

Es ist eine kleine Sensation. Dem Forscher Dr. Jorge

Carrión ist es erstmals gelungen, junge Rosa Landleguane

zu entdecken und zu fotografieren.

Ein Team von Forschern und Rangern der Galápagos-Nationalparkbehörde

(GNPD) hatte vor einigen

Jahren gut versteckt Wildtierkameras und Fotofallen

um den Rand des Vulkans Wolf auf der Insel Isabela

angebracht. Ihr Ziel war es, die Aktivitäten der dort

lebenden und extrem seltenen Rosa Landleguane

Erwachsener Rosa Landleguan, © Giuliano Colosimo

Junger Rosa Landleguan, © GNPD/Galápagos Conservancy

4 Galápagos Intern

(Conolophus marthae) zu beobachten und auch deren

Brutplätze zu ermitteln.

Die Population der Rosada-Drusenköpfe wird auf

200-300 Tiere geschätzt und daher auf der Roten Liste

der Weltnaturschutzunion (IUCN) als vom Aussterben

bedroht geführt. Die rosa Hautfarbe der Leguane

entsteht, weil die Blutgefässe durch die teilweise nicht

pigmentierte Haut der Tiere durchscheinen.

Mitte des Jahres 2021 gelang es Dr. Gabriele Gentile,

die ersten Nistplätze der seltenen Tiere zu lokalisieren.

Wir haben darüber bereits im Herbst 2021 berichtet.

Bei einer weiteren Expedition zum Vulkan Wolf war es

dem Forscher Dr. Jorge Carrión dann sogar möglich,

einen jungen Landleguan zu fangen, der sich optisch

von den bekannten Jungtieren unterschied. Das Tier

hatte eine grüne Haut, einen langen Schwanz und

eine kurze Schnauze. Eingehende Untersuchungen

zeigten dann, dass es sich tatsächlich um ein Jungtier

der Rosada-Drusenköpfe handelte.

Umso grösser war die Freude als die Forscher bei einer

Erkundung der Nistplätze auf ein Gelege trafen, in

dem gerade junge Leguane schlüpften. So konnten

die ersten Bilder von frisch geschlüpften jungen Rosa

Landleguanen aufgenommen werden.

Besorgniserregend war allerdings, dass durch die Fotofallen

offensichtlich wurde, wie verwilderte Katzen

sich vor den Leguan-Nestern versammeln und die

jungen Leguane töten, wenn diese das Nest verlassen

wollten.

Die Forscher vermuten daher, dass diese invasiven

Katzen der Grund sind, warum die Population der Rosada-Drusenköpfe

in den letzten 10 Jahren stagniert.

Eine am Rand des Vulkans Wolf eingerichtete dauerhaft

besetzte Forschungsstation soll nun sicherstellen,

dass die Nistplätze vor wildernden Tieren und Tierfängern

geschützt werden.

Wir freuen uns sehr, dass es neue Erkenntnisse über

diese seltenen Tiere gibt und so die langfristige Sicherung

ihres Überlebens realistisch scheint.


Haben Sie schon von den Reisratten gehört?

Wir haben Sie bereits in vielen unserer Artikel über

die gravierenden Probleme, die durch eingeführte

Hausratten (Rattus rattus) auf den Galápagos-Inseln

entstanden sind, informiert. Doch den wenigsten von

uns ist bewusst, dass es auf dem Archipel auch endemische

Nagetiere gibt, die als Galápagos-Reisratten

bezeichnet werden.

Die Vorfahren dieser Ratten gelangten per Treibholz

auf den Archipel und ähnlich wie bei anderen Tierarten

haben sie sich in mehrere Unterarten aufgespalten, von

denen jedoch viele als ausgestorben gelten. Reisratten

fressen bevorzugt Früchte und Teile von Opuntien, die

ihnen nicht nur Nahrung, sondern auch Wasser liefern.

Auf diese Weise haben sich die Tiere bestens an die

Trockenheit auf den Inseln angepasst. Einige Forscher

und Forscherinnen konnten sogar schon interessante

Bekanntschaft mit den zutraulichen und neugierigen

Nagetieren machen, die sich gerne einen Weg in die

Zelte nagen und versuchen, alles anzuknabbern.

Diese endemischen Nagetiere der Galápagos-Inseln

gehören allerdings zu den vom Aussterben bedrohten

Tieren. Hierzu tragen vorrangig die von den Menschen

eingeschleppten invasiven Haus- und Wanderratten

(Rattus rattus und Rattus norwegicus) sowie die Katzen

bei.

Fehlende aktuelle Daten

Aus diesem Grund begann im letzten Jahr eine Studie

mit dem Ziel, die aktuellen Bestände der Reisratten zu

ermitteln und vielleicht auch mögliche Restpopulationen

dieser einheimischen Nagetiere zu lokalisieren.

Sie umfasst die auf der Insel Santa Fé lebende, jedoch

auf der Insel San Cristóbal als ausgestorben geltende

Galápagos-Reisratte (Aegialomys galapagoensis)

ebenso wie die Santa-Cruz-Reisratte (Nesoryzomys

indefessus) und die Darwin-Reisratte (Nesoryzomys

darwini) auf der Insel Santa Cruz, die derzeit ebenfalls

als ausgestorben gelten. Ausserdem werden noch

vorhandene Populationen der Santiago-Reisratte

(Nesoryzomys swarthi) ermittelt. Die Biologin Johanna

Castañeda lebt auf den Galápagos-Inseln und leitet

diese Studie. Sie ist gespannt, wie gross die Reisratten-

Populationen aktuell sind, und hofft, dass sie zur

Wiederentdeckung der als ausgestorben geltenden

Arten beitragen kann.

Lebendfallen, © Johanna Castañeda

Hierzu wurden von Johanna Lebendfallen eingerichtet,

die mit Ködern aus einer Mischung von Erdnussbutter,

Haferflocken und Vanilleextrakt bestückt in den trockeneren

Gebieten der Inseln aufgestellt werden, wo

viele Feigenkakteen zu finden sind. Ausserdem wird

auf der Insel Santa Cruz auch das Gebiet Los Gemelos

überwacht, obwohl hier durch den dominierenden

Scalesia-Wald ein feuchteres Klima herrscht; Grund

hierfür ist, dass auf der digitalen Wissenschaftsplattform

„Naturalist“ ein aktueller Eintrag über eine endemische

Reisratten-Art zu finden ist.

Bisher wurden jedoch auf Santa Cruz und San Cristóbal

nur invasive Nagetier-Arten gefangen.

Stabile Reisrattenpopulation

Auf der Insel Santiago beschränken sich die endemischen

Nagetier-Arten auf die trockenen Gebiete mit

zahlreichen Kakteen und die Palo-Santo-Baumzone an

der nördlichen Zentralküste. Obwohl in diesen Gebieten

auch invasive Ratten gefunden wurden, konnten

die Biologen feststellen, dass die endemischen Reisratten

ein gesundes Körpergewicht haben und es in

den Populationen mehr Weibchen als Männchen gibt.

Johanna vermutet, dass dies möglicherweise darauf

zurückzuführen ist, dass die Santiago-Reisratte besser

an die begrenzten Ressourcen in ihrem Lebensraum

angepasst ist als die invasiven Nager.

Diese Studie ist wichtig, weil sie die Aufmerksamkeit auf

die bisher kaum untersuchten endemischen Nagetiere

lenkt, die aber für das Gleichgewicht der Ökosysteme

wichtig sind. Damit trägt sie grundlegend zur Erhaltung

der Artenvielfalt bei, denn aktuelle Informationen über

den Status einzelner Arten sind für die Umsetzung

von Schutz- und Erhaltungsmassnahmen unerlässlich.

Reisratte bei Inspektion der Nahrungsvorräte im Lager der Forscher, © Paquita Hoeck

Galápagos Intern

5


Wie ist der gesundheitliche Zustand der Singvögel auf den Galápagos-Inseln?

Die Landvögel der Galápagos-Inseln liegen uns

besonders am Herzen, denn leider haben die letzten

Zählungen von Birgit Fessl und ihrem Team die

Einschätzung der Weltnaturschutzunion (IUCN)

bestätigt, das aktuell die Hälfte aller Landvogelarten

des Archipels bedroht sind. Die Insel Santa Cruz

verzeichnet dabei nach der Insel Floreana die

stärksten Populationsrückgänge.

Wie so oft ist der Mensch der Urheber dieser Probleme.

Eingeführte Pflanzen und landwirtschaftliche Nutzung

verändern den Lebensraum der Vögel, invasive

Arten wie die Vogelvampirfliege (Philornis downsi)

bedrohen das Überleben der Vogelküken. Darüber

hinaus gelangen auch Vogel-Krankheitserreger

durch eingeführtes Geflügel oder Zugvögel auf

den Archipel. Diese Erreger übertragen sich auf

die einheimischen und oft nur auf den Galápagos-

Inseln vorkommenden Vögel, was eine weitere

Bedrohung für die sowieso schon schrumpfenden

Singvogelpopulationen bedeutet.

Gefahren durch Infektionskrankheiten

Nach neuesten Erkenntnissen stellen neu auftretende

Infektionskrankheiten ein grosses Risiko für kleine

Tierpopulationen dar, die auf entlegenen Inseln

wie auf Galápagos leben, denn diese konnten keine

Abwehrmechanismen gegen die Erreger entwickeln,

was dann zu einer drastischen Reduktion der

Tierbestände führen kann.

Bereits im Jahr 2008 wurden sowohl Geflügel als auch

Wildvögel auf den bewohnten Inseln Floreana, San

Cristóbal und Santa Cruz gesundheitlich untersucht.

Dabei wurden bei einigen der Vögel Antikörper

gegen verschiedene Parasiten und Krankheitserreger

gefunden, was darauf schliessen lässt, dass diese

Tiere eine Infektion durchlaufen haben. Leider

wurde es damals versäumt, ein langfristiges

Gesundheitsmonitoring der Vögel einzurichten oder

weiterführende Studien anzustreben.

Dies wäre jedoch wichtig gewesen, denn einige

der damals nachgewiesenen Erreger können sich

nachteilig auf das Überleben der endemischen

Vögel der Galápagos-Inseln auswirken. Ausserdem

bergen sie ein Risiko für die öffentliche Gesundheit,

denn manche von ihnen führen zu Zoonosen, was

bedeutet, dass die Vogelkrankheit auch auf den

Menschen übertragen werden kann. Deswegen ist

es wichtig, festzustellen, welche Erreger auf den

Galápagos-Inseln bereits vorhanden sind und wie

stark sie sich ausgebreitet haben. Die so gewonnenen

Erkenntnisse können dann helfen, wirkungsvolle

Schutzmassnahmen zu erarbeiten, um bestehende

Krankheiten zu bekämpfen und das Risiko zu

verringern, dass neue Erreger durch die Menschen

eingeschleppt werden.

Wichtige Analysen

Daher wurde im Jahr 2019 auf den Inseln Santa Cruz

Spottdrossel mit Vogelpocken, © Paquita Hoeck

Gesunder Scharfschnabel Grundfink, © Dr. M. Dvorak

und Floreana begonnen, Proben von verschiedenen

Darwinfinken-Arten, Spottdrosseln und anderen

Singvögeln zu sammeln, um diese auf mögliche

Krankheitserreger zu untersuchen.

Die Biologin Birgit Fessl konnte mit ihrem Team bei

über 400 Wildvögeln und Hühnern Gesundheitschecks

und Tests auf Vogelkrankheiten durchführen,

wobei von jedem Vogel ein Abstrich im Rachen, im

Schnabel und von der Kloake genommen wurde.

Diese Proben werden jetzt im Labor der Charles

Darwin Station (CDF) unter der Leitung der Tierärztin

Dr. Ainoa Nieto-Claudin, die auch das Projekt der

Gesundheitsanalyse bei den Riesenschildkröten

geleitet hat, molekularbiologisch untersucht. Positive

Proben werden aussortiert und weiter genetisch

analysiert. Die Untersuchungen konzentrieren sich

dabei auf folgende sechs Infektionskrankheiten, die

eine Bedrohung für die Landvögel darstellen könnten:

6 Galápagos Intern


Das Vogel-Adenovirus und die Newcastle-Krankheit,

beide wurden bereits bei Geflügel und Landvögeln

nachgewiesen. Beim Newcastle-Virus ist darüber

hinaus bekannt, dass es auch Menschen befallen

kann. Ausserdem die Mykoplasmose und die Marek-

Krankheit, ein Herpesvirus, das bevorzugt Hühner

befällt und damit auch ein Übertragungsrisiko für

die Menschen birgt. Die Vogelgrippe wurde bisher

auf den Galápagos-Inseln noch nicht nachgewiesen;

da sie allerdings in Ecuador weit verbreitet ist,

wird ihr Übertragungsrisiko durch Wandervögel

als sehr hoch eingeschätzt. Ausserdem wurde in

Verbindung mit einer Antibiotikaresistenz eine

Salmonellenerkrankung auf Geflügelfarmen der

Insel Santa Cruz nachgewiesen, die eine Gefahr für

die öffentliche Gesundheit darstellen kann.

Zukünftiger Schutz ist wichtig

Der Vergleich der so gewonnenen Informationen

mit den Daten aus dem Jahr 2008 ist dann die

Basis für die Entwicklung von dringend benötigten

grundlegenden Schutzmassnahmen für die Vögel.

Wir haben in der letzten Ausgabe des Galápagos-Intern

berichtet, dass aktuell auf der Insel Floreana grosse

Teile der Landvogelpopulation in Quarantänegehegen

leben, da auf der ganzen Insel Köder zur Ausrottung

der invasiven Hausratten (Rattus rattus) ausgelegt

werden.

Für dieses Projekt sind die Tests der Teams von Birgit

und Ainona sehr wichtig, denn sie tragen dazu

bei, dass die Vögel nach ihrer Freilassung aus der

Quarantäne, die für Ende des Jahres 2023 / Frühjahr

2024 geplant ist, bestmögliche gesundheitliche

Voraussetzungen bei ihrer Wiederansiedlung auf

der Insel finden.

Gesunder männlicher Rubintyrann, © David Anchudia

Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende,

die Gesundheit und damit den Fortbestand

der Singvögel auf Galápagos

nachhaltig zu sichern.

Lösungen für das Plastik-Problem von Galápagos

Auf dem Weg von der Strandpromenade in Puerto

Ayora hin zur Charles Darwin Research Station kommt

man an einer gut zweieinhalb Meter hohen Statue

vorbei, die eine Unterwasserszene zeigt: Ein Seelöwe,

eine Meeresschildkröte und ein Gelbflossenthunfisch

schwimmen durch Wasser. Die Skulptur wurde zur

Gänze aus am Strand gesammeltem Plastikmüll gebastelt:

Der Seelöwe besteht hauptsächlich aus Flipflops,

der Panzer der Schildkröte setzt sich aus Deckeln von

Getränkeflaschen zusammen, das Meer im Hintergrund

besteht aus Plastikflaschen in verschiedensten

Grössen.

Bereits seit vielen Jahren bestehen und wachsen auf

der ganzen Welt Bewusstsein und Konsens darüber,

dass Plastik ein massives Problem für die Umwelt

darstellt. Meerestiere verfangen sich in Netzen und

Netzfragmenten, sind in ihrer Bewegungsfreiheit und

somit auch Nahrungsaufnahme eingeschränkt und

kommen zu Tode. In den Mägen der Tiere finden sich

Verpackungsreste, stören ihre Verdauung und führen

so ebenfalls zu ihrem Tod. Die Tiere sind sich dieser

Gefahren natürlich nicht bewusst und nützen den

herumliegenden Müll auch zum Nestbau – was wiederum

die Jungtiere gefährdet. Auch wenn man den

Schritt des Recyclings mittlerweile im Griff hat, ist das

Problem des Einsammelns ungelöst: Plastikmüll landet

weltweit in grossen Mengen in der Natur, findet den

Weg in Bäche und Flüsse und wird so ins Meer gespült.

Oft gelangt er auch auf direktem Wege dorthin, indem

Schiffe Fracht und Müll verlieren oder absichtlich einfach

im Meer entsorgen. Zudem gibt es nach wie vor

nicht wenige Staaten, die keine adäquaten Konzepte

für Müllsammlung und -entsorgung haben und deren

Müll sich somit letztlich auch im Meer wiederfindet.

Galápagos Intern

7


Woher kommt das Plastik

An den Stränden des Galápagos-Archipels sammelt

sich regelmässig Plastikmüll in mehr oder weniger

zersetzter Form, von ganzen Kanistern und Flaschen

über Verpackungsfolie und Tüten bis hin zu Plastikfetzen

und Mikroplastik. Weniger als 10 Prozent davon

kommt von den Siedlungsgebieten auf den Inseln.

Etwa 30 Prozent des angeschwemmten Plastikmülls

haben ihren Ursprung in der Fischerei nahe dem Archipel.

Reusen und Aufbewahrungsboxen, die nicht

mehr gebraucht werden, Netze, die kaputt sind, verloren

gehen oder bei unangekündigten Kontrollen

eilig gekappt werden oder sonstiger Müll, den man

an Bord nicht mehr brauchen kann – all das findet

schnell den vordergründig einfachen Weg ins Meer.

Der überwiegende Anteil, mehr als 60 Prozent, treibt

von weither mit den Meeresströmungen heran. Im

Falle der Galápagos-Inseln ist es hauptsächlich der

Humboldt-Strom, der Müll vom südamerikanischen

Festland an die Strände des Archipels schwemmt.

Die Bestrebungen, lokal Plastik zu vermeiden und in

der Bevölkerung ein entsprechendes Bewusstsein

aufzubauen, sind schon weit gediehen. Bereits seit

mehreren Jahren ist Einwegplastik auf den Inseln gesetzlich

verboten; in den Schulen lernen die Kinder, wie

man Müll trennt; regelmässig finden Kunst-Workshops

statt, in denen gesammelter Müll zu Kunstwerken

verarbeitet wird – wie beispielsweise die Skulptur auf

dem Weg zur Forschungsstation. Die Bevölkerung wird

immer wieder dazu aufgerufen, sich an gemeinschaftlichen

Aktionen zum Sammeln von angeschwemmtem

Plastik an den Stränden zu beteiligen.

Neue Erkenntnisse zur Vermeidung

Mit Hilfe der Béatrice Ederer-Weber Stiftung konnten

wir im vergangenen Jahr ein Projekt des britischen

Galápagos Conservation Trust unterstützen, dass in

Form von Citizen Science ebenfalls die lokale Bevölkerung

in die Bemühungen rund um den Plastikmüll

einbindet. Im Bestreben, zu verstehen, wo der Müll

seinen Ursprung hat, sammeln Wissenschaftler und

© Veronika Huebl

Wissenschaftlerinnen zusammen mit galapagueñischen

Jugendlichen Daten zu Funden von Plastikmüll

in allen Grössen bis hin zu Mikroplastik und protokollieren

diese Funde mit Fotos und standardisierten

Informationen. So entsteht nicht nur eine Datenbank,

die Rückschlüsse auf die Herkunft von Plastikmüll

erlaubt, sondern auch ein weiterhin wachsendes Bewusstsein

in der Bevölkerung für die damit zusammenhängenden

Probleme und somit ein zumindest lokales

nachhaltiges Umdenken und eine entsprechende

Anpassung des Verhaltens im Umgang mit Plastik im

eigenen Alltag.

Veronika Huebl

Plastikmüll an den Stränden, © Paquita Hoeck

8 Galápagos Intern


Die Geschichte der Galápagos-Landleguane

Auf den Galápagos-Inseln gibt es drei endemische

Landleguan-Arten: den gelben Drusenkopf (Conolophus

subcristatus), den deutlich blasseren Conolophus

pallidus, der nur auf der Insel Santa Fé lebt, und den

rosafarbenen Conolophus marthae, der ausschliesslich

auf der Insel Isabela oben auf dem Vulkan Wolf

zu finden ist. Die erste Art, der gelbe Landleguan,

ist auf mehreren Inseln des Archipels heimisch. Die

California Academy of Sciences hatte bereits 1905/06

eine Expedition nach Galápagos organisiert, bei der

eine Gruppe hochrangiger Forscher Landleguane von

Baltra, Santa Cruz und den Plaza-Inseln einsammelten

und für ihre Sammlung mumifizierten. Bei einer

weiteren Forschungsreise 1932 siedelten die Forscher

als Experiment einige Landleguane von Baltra auf

der nahegelegenen Nachbarinsel Seymour Norte

an. Ursprünglich waren diese dort nicht beheimatet

gewesen, aber die Insel unterscheidet sich nicht substanziell

von Baltra und so fühlten sich die Landleguane

dort auch schnell heimisch. In den 1940er Jahren,

als die US-Amerikaner Galápagos als strategischen

Luftwaffen-Stützpunkt nutzten und den Flughafen

auf Seymour Nortes Nachbarinsel Baltra ausbauten,

war ihnen die dortige Tierwelt, namentlich die Landleguane,

die auf dem Rollfeld herumspazierten, im

Weg. Diese Landleguane konnte man aber gut als

Zielscheiben für Schiessübungen nutzen. Bald gab

es sie nicht mehr auf Baltra.

Erste Bestrebungen zum Schutz der Leguane

In den 1990er Jahren startete ein Projekt, Landleguane

von Seymour Norte nach Baltra zurückzubringen, doch

zuerst musste aufgrund der strengen Regularien des

Nationalparks nachgewiesen werden, dass es sich

bei den Landleguanen von Seymour Norte genetisch

tatsächlich um Baltra-Leguane handelte. So führte die

Vorgehensweise der California Academy of Sciences

immerhin dazu, dass heute exzellent erhaltenes Genmaterial

als Vergleich und Abgleich zur Verfügung

steht. 2002 war wissenschaftlich bestätigt, dass die

Landleguane auf Seymour Norte genetisch den Baltra-

Leguanen entsprechen und so durften sie übersiedeln.

2010 wurde Baltra in den Nationalpark eingegliedert.

Seither kümmern sich Nationalpark-Angestellte darum,

sie regelmässig von der Landebahn zu pflücken, bevor

das nächste Flugzeug landet.

Anfang 2019 wurde die Insel Seymour Norte zur

Ausrottung der Ratten einige Wochen lang für Touristen

gesperrt, sämtliche Landleguane dort wurden

eingesammelt und auf Baltra sowie teilweise in der

Charles-Darwin-Forschungsstation in Puerto Ayora

zwischengelagert. Nach der Ausrottungsaktion und

entsprechender Quarantänezeit wurde die Sperre

wieder aufgehoben, man installierte zur weiteren

Vorsorge Rattenfallen und brachte die Landleguane

wieder zurück – es waren jedoch mittlerweile so viele

geworden, dass man beschloss, die Population zu

teilen und etwa 2000 Tiere auf der westlich gelegenen

Nachbarinsel Santiago auszusetzen. Dort waren Landleguane

bereits im 19. Jahrhundert ausgestorben. Vor

allem ausgewilderte Ziegen waren ihnen damals zum

Verhängnis geworden. Die letzte Ziege war dort 2004

geschossen worden, also stand nun einer Rückkehr

der Landleguane nichts mehr im Weg.

Wiederansiedlung auf Santiago

Der Verein der Freunde der Galápagos-Inseln unterstützt

ein Projekt, das beobachtet, wie sich die Santiago-

Population entwickelt. Während der Corona-Pandemie

war ein Monitoring nicht möglich, aber im Juli 2022

startete eine Expedition und fand erfreulicherweise

nicht nur ausgewachsene Leguane, sondern auch einige

Jungtiere im Alter von unter einem bis etwa drei

Jahren. Die Landleguane auf Santiago vermehren sich

also sichtlich. Dies bedeutet per se zwar noch keine

absolute Zunahme der Population, aber in jedem Fall

scheinen sich die 2019 ausgesetzten Exemplare gut

eingelebt zu haben.

Wir konnten Ende 2019 auf Santiago bei Puerto Egas

einen Landleguan-Ehestreit beobachten: Ein Drusenkopf-Weibchen

sass im Eingang ihrer Höhle und

starrte auf das Männchen, das regungslos davor lag

und offensichtlichEinlass begehrte. Unser Naturführer

erklärte uns, dass sie offenbar ihre Höhle verteidige

und ihn nicht hineinlassen wolle. Auf dem Rückweg

unseres Landgangs kamen wir wieder an der Stelle

vorbei. Das Weibchen war verschwunden, der Höhleneingang

leer, dafür buddelte das Männchen einen

halben Meter daneben nun an einer eigenen Höhle.

Livin’ next door to Alice…

Veronika Huebl

Das Männchen möchte gerne zum Weibchen in die Höhle,

© Veronika Huebl

Nun gräbt er sich eine eigene Wohnung, © Veronika Huebl

Galápagos Intern

9


Ein Abend im Namen der Invasiven Arten

Am 13. September 2022 hatten wir die Gelegenheit,

Dr. Heinke Jäger für einen Vortrag über invasive Arten

auf Galápagos im Zoologischen Museum in Zürich

zu gewinnen.

Die Biologin schaffte es rasch, mit ihrer charmanten

Art und ihrer lebhaften Erzählweise die zahlreichen

Besucher des Anlasses in ihren Bann zu ziehen. Sie

berichtete sehr anschaulich darüber, welche Schäden

durch eingeschleppte Arten auf den Galápagos-

Inseln verursacht werden.

Wir erfuhren, dass der rote Chinarindenbaum zwar

wunderschön aussieht, aber das Mikroklima in seiner

Umgebung verändert, da Nebel an seinen Blättern

kondensiert und es deswegen unter den Bäumen

sehr feucht ist. Das ist für endemische Pflanzen

wie z.B. den Miconia Strauch ein grosses Problem,

weil der darunter liegende Boden zu feucht wird

oder ihnen die Sonne fehlt. Daher konnten sich die

Chinarindenbäume ungehindert ausbreiten. Erfreulicherweise

brachte ein anderer eingeführter Organismus

dann die rettende Hilfe. Es war ein Pilz, der

die Wurzeln der Chinarindenbäume befallen hatte.

Auf diese Weise konnte zwar die Ausbreitung der

Bäume reduziert werden, jedoch ist noch offen, ob

dieser Pilz auch langfristig nur die invasiven Bäume

schädigt. Auch die Probleme der invasiven Brombeeren

und die Folgen für die kleinen Singvögel

stellte Heinke anschaulich dar.

Beim anschliessenden Apéro zeigten sich viele Teilnehmende

erstaunt darüber, dass die Arbeit der

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf Galápagos

so langwierig und oft eine sich immer wiederholende

Tätigkeit mit nur kleinen Erfolgsschritten

ist, die sich über Jahre erstrecken kann und bei

der es auch oft zu Rückschlägen kommt.

Was mich sehr bewegt hat, war die Bereitschaft etlicher

Anwesender, eine Reise nach Galápagos zu unternehmen,

um dort für zwei oder drei Wochen aktiv

beim Jäten der Brombeeren zu helfen. Es freut mich

sehr, dass viele von Ihnen so selbstlos denken.

Leider ist dies keine wirkliche Hilfe für die Forschenden,

da ein Grossteil des Archipels unter Naturschutz

steht und die Einsatzgebiete nur von Fachpersonal

betreten werden dürfen. Genehmigungen hierzu

werden von der Galápagos-Nationalparkbehörde

nur erteilt, wenn die ausländischen Personen einen

entsprechenden Forschungsauftrag nachweisen

können. Abgesehen davon müsste jeder Forschungsleiter

ein Teammitglied für die notwendige

Logistik abstellen, dass nur dafür zuständig wäre,die

An- und Abreisen der Hilfspersonen zu koordinieren,

ihre Unterbringung zu organisieren und sie in die Arbeiten

einzuweisen bzw. zu überwachen.

Sie merken sicherlich, dass dies ein viel zu grosser

organisatorischer Aufwand für ein Forschungsteam

ist. Daher versucht man, Bewohner und Bewohnerinnen

der Galápagos für solche Arbeiten zu interessieren

– insbesondere, da sie dauerhaft verfügbar

und kurzfristig einsetzbar sind. Die Schulung dieser

Mitarbeitenden ist zwar kurzfristig aufwändig, aber

langfristig sinnvoll, denn so erhalten auf den Galápagos

lebende Personen eine langfristig nutzbare

Ausbildung und einen sicheren Job.

Daher ist es hilfreicher, wenn wir hier in der Schweiz

einen Teil der Kosten, die uns durch eine solche

«Hilfsreise» entstehen würden, einem Forschungsprojekt

spenden, um damit nicht nur den Erfolg des

Projekts zu sichern, sondern auch langfristige Arbeitsplätze

zu ermöglichen.

Die Problematik, geeignete Hilfskräfte zu finden,

liegt also weniger daran, dass sich keine geeigneten

Personen finden, sondern vielmehr an den begrenzten

Mitteln diese zu finanzieren.

Und das Beste daran ist: Diese Variante ist auch für

unsere Ökobilanz sehr viel besser.

Claudia Haas

Das Auditorium mit Heinke Jäger, © Dominik Ziegler

10 Galápagos Intern


Ein Leben für den Vogelschutz

Ich war noch keine 5 Jahre alt, als sich mein Leben

veränderte. Nachdem ich eine Dokumentation über tropische

Vögel gesehen hatte, stellte sich der Moderator

als „ein Ornithologe, ein Mensch, der Vögel studiert“

vor. Dieses Wort blieb in meinem Kopf hängen. Seitdem

ist meine Liebe zu Vögeln gewachsen, wobei ich

mich auf seltene und bedrohte Arten konzentriere. Das

Problem des Aussterbens war etwas, das mich lange

Zeit beschäftigt hat. Der damals 5-jährige Junge hatte

keine Ahnung, dass er eines Tages einen Doktortitel

anstreben würde, um das Wissen über die Floreana-

Spottdrossel, einen der seltensten Vögel der Welt,

zu verbessern. Dieser Vogel, der als „Darwins Muse“

bekannt ist, war es, der Charles Darwin zu seinen Theorien

über Evolution und Speziation inspirierte, was

ihn nicht nur zu einer seltenen Art, sondern auch zu

einem wissenschaftlichen Schatz macht.

Spottdrosseln waren mir vertraut, denn auf dem ecuadorianischen

Festland gibt es eine Spottdrosselart, die

allerdings nur mit einem guten Fernglas beobachtet

werden kann. Auf der Insel Champion begegnete ich

erstmals einer Gruppe von Floreana-Spottdrosseln und

war erstaunt, wie furchtlos sie mit Menschen umgingen

und wie nah sie an uns herankamen. Die Vögel waren

so neugierig, dass sie sogar an unserer Ausrüstung

zupften und uns auf den Kopf flogen. Das war die erste

von zahlreichen freundlichen Begegnungen mit den

Spottdrosseln während der Dauer meines Projekts.

Das Projekt hatte eine einzige, aber komplexe Aufgabenstellung:

Es ging darum, die Floreana-Spottdrossel

besser zu verstehen, bevor sie auf Floreana, der Insel,

auf der sie ausgestorben ist, wieder angesiedelt wird.

Ich beschloss, mich dabei auf Forschungslücken zu

konzentrieren, die den Erfolg der Wiederansiedlung

negativ beeinflussen könnten.

Spannende Feldarbeit

Bevor ich komplexe Analysen durchführen konnte,

musste ich eine Möglichkeit finden, das Geschlecht

der Vögel zu bestimmen. Trotz einiger früherer Studien

mit den Vögeln hatte niemand ein Verfahren

zur Geschlechtsbestimmung genutzt, das auf die

Floreana-Spottdrosseln angepasst ist. Ein einfaches

Analyseprogramm, das zukünftig auch bei der Bestandsermittlung

der Vogelpopulationen angewandt

werden kann, habe ich speziell für die Floreana-Spottdrossel

angepasst. Das erleichterte die Feldarbeit. Ein

weiteres unterstützendes Programm simulierte dann

Enzo mit einer Floreana-Spottdrossel, © Enzo M. R. Reyes

die Partnerwahl der Vögel. So konnte ich zeitlich bis

ins Jahr 2006 zurückgehen und für jeden beringten

Vogel ein Populationsmodell erstellen. Dadurch war

es mir möglich, erstmalig demografische Daten für die

vom Aussterben bedrohten Floreana-Spottdrosseln zu

berechnen. Eines der wichtigsten Ergebnisse war, dass

die aktuelle Population dreimal so gross ist wie bisher

angenommen. Mit diesen Daten habe ich mich auf zwei

Verhaltensaspekte konzentriert, die bei der Planung für

die Umsiedlung der Vögel nicht berücksichtigt worden

waren: Brut- und Sozialverhalten. Ich fand heraus, dass

es eine soziale und stimmliche Trennung zwischen den

Populationen gibt, die sich durch räumliche Distanz

und unterschiedliches Gruppenverhalten erklärt. Ausserdem

konnte ich die Bedeutsamkeit einer intakten

sozialen Gruppenstruktur für die Wiederansiedlung

der Spottdrosseln aufzeigen.

Auswirkungen auf den Artenschutz

Auf diese Weise hat meine Forschung direkte Auswirkungen

auf das Management der Vogelarten. Sie zeigt,

dass die derzeitigen Massnahmen die Populationen

der Spottdrosseln stabil gehalten haben. Doch die

stimmlichen Unterschiede können die genetische

Vielfalt beeinträchtigen, die eines der Hauptziele

der Wiederansiedlung ist. Dieses Problem ist typisch

für gefährdete Singvögel, kann aber leicht mit bestimmten

Playback-Experimenten behoben werden.

Ausserdem ist es aufgrund des sozialen Charakters

der Vogelart ratsam, nicht nur einzelne Individuen,

sondern entweder eine gesamte Familiengruppe oder

zumindest Teilgruppen umzusiedeln. Denn ein sozialer

Zusammenhalt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass

die Rückkehr der Spottdrosseln auf die Insel Floreana

erfolgreich sein wird.

Enzo M. R. Reyes

Gruppe von Spottdrosseln, © Enzo M. R. Reyes

Floreana-Spottdrossel, © Enzo M. R. Reyes

Galápagos Intern

11


Galápagos

News

Der Kampf gegen Wilderei auf Galápagos

Längst glaubte man, die Zeiten der Wilderei auf Galápagos

seien vorbei. Doch in den letzten beiden

Jahren wurden auf dem Archipel mehr als 15 Schildkröten

tot aufgefunden. Die Ermittlungen der örtlichen

Behörden lassen darauf schliessen, dass die

Tiere zum Verzehr gejagt wurden.

Leider konnten im letzten Jahr ebenfalls wieder Boote

aufgebracht werden, die mit gefangenen jungen

Riesenschildkröten und Landleguanen auf dem Weg

zum Festland waren. Die Ursache hierfür ist die steigende

Nachfrage nach exotischen Tierarten auf dem

Weltmarkt. Zwar ist die Wilderei und kommerzielle

Jagd von Wildtieren schon seit 1960 gesetzlich verboten

und wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft,

doch ist es sehr schwierig, die Täter zu stellen.

Darwin Forschungsstation, dass dringend über eine

drakonische Erhöhung der Strafen für Wilderei nachgedacht

werden muss.

Aus diesem Grund hat die Galápagos Nationalparkbehörde

ihre Kontrollmassnahmen in besonders

gefährdeten Gebieten verstärkt. Zusätzlich wurden

vermehrt Wildtierkameras angeschafft, die an strategisch

wichtigen Punkten im Nationalpark angebracht

wurden und umfangreiches Bildmaterial liefern. Auf

diese Weise hoffen die Ranger, die Wilderer frühzeitig

identifizieren zu können.

Auch die gewonnenen Erkenntnisse über die Bewegungsmuster

einzelner Tierarten, die zu Forschungszwecken

mit Satellitensendern versehen wurden,

helfen den Rangern bei ihrer Suche nach Wilderern.

Darüber hinaus fordert der Direktor der Charles

Marinesoldat mit den konfiszierten Tieren an Bord der Xavier

III, © Ecuadorianische Marine – Twitter

Einladung zur 29. Generalversammlung

Wann:

Wo:

Donnerstag, den 30. März 2023, 18:30 Uhr

Zoologisches Museum der Universität Zürich, Karl-Schmid-Strasse 4, 8006 Zürich

Traktanden: siehe Einladungsbrief in der Beilage

Gastreferat:

siehe Einladungsbrief in der Beilage

Anschliessend Apéro bis 21:00 Uhr.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.

12 Galápagos Intern

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