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ZEITSPIEL-Legenden: Fußballvereine, Band 3

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Hardy Grüne (Hrsg.)

ZEITSPIEL-LEGENDEN

FUSSBALLVEREINE

BAND 3

Mit Beiträgen von

Carsten Gier, Hardy Grüne,

Tom Hardt, Holger Hoeck und

Hansjürgen Jablonski

LEGENDEN


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

1. Auflage, 2022

Copyright © ZEITSPIEL Verlag

Rambergstraße 29, 30161 Hannover

WWW.ZEITSPIEL-MAGAZIN.DE

Alle Rechte vorbehalten

Satz und Gestaltung: Hardy Grüne

Lektorat: Carsten Gier, Holger Hoeck

Wappen: Andreas Ziener (wappensalon.de), Hardy Grüne

Fotos: Johannes Brattke, Carsten Gier, Hardy Grüne, Imago-Images, Bilderdienst

Horst Müller, Frank Willig

Druck und Bindung: Silber Druck, Lohfelden

ISBN: 978-3-96736--009-7


ZEITSPIEL-LEGENDEN

FUSSBALLVEREINE

BAND 3


WELT


INHALT

Anstoß 6

SÜD

SSV Ulm 1846 8

SV Neckargerach 24

1. FC Eislingen 26

SpVgg Landshut 27

Viktoria Aschaffenburg 30

WEST

SpVgg Erkenschwick 44

VfvB Alsum 58

SC West Köln 59

Minden 05 60

Union Solingen 62

TuS Langerwehe 75

NORD

VfB Oldenburg 78

FC Grone 91

Schleswig 06 92

OSV Hannover 94

TuS Eintracht Bremen 100

Blau-Weiß Bornreihe 100

SÜDWEST

TuS Koblenz 102

FC Ensdorf 116

Hassia Bingen 119

NORDOST

BSG Chemie Leipzig 124

Lokomotive Stendal 140

BSG Robur/VfB Zittau 149

Fortschritt/Aufbau

Krumhermersdorf 152

Reinickendorfer Füchse 156

REST DER WELT

Sunderland AFC 162

Red Star Paris 168

Register 175



LEGENDEN

ANSTOSS

#3

Ruhm ist vergänglich und wird zudem vom

berüchtigten „Zahn der Zeit“ bedroht. Und

doch bleibt auch danach etwas. Eine Erinnerung,

eine Legende, ein Mythos. Wie bei der

Spielvereinigung Erkenschwick, deren große

Zeit über 70 Jahre zurückliegt, und die dennoch

bis heute ihre Wirkung entfaltet. Erkenschwick

ist eine dieser Fußballvereine, die

das Label Traditionsverein bis heute tragen,

auch wenn sie im Ligaalltag nur noch gegen

vergleichsweise namenlose Nachbarn auflaufen.

Manchmal aber vergeht der Mythos, wird

ein Klub zur „vergessenen Legende“. Den Verein

für volkstümliche Bewegungsspiele Alsum

dürfte kaum jemand kennen. Er bestand nur

40 Jahre, hatte 1939 einen großen Auftritt im

Vereinspokal und wurde nach dem Zweiten

Weltkrieg wie der gesamte damalige Duisburger

Stadtteil dem Erdboden gleichgemacht.

Um Fußballgeschichte zu schreiben und zur

Legende zu werden, braucht es mitunter nicht

viel. Der SSV Ulm 1846, ein Klub mit einer unvergleichlich

verworrenen Fusionsgeschichte,

die im Jahr 1846 beginnt, machte um die Milleniumswende

Furore, als der Durchmarsch

von der dritten in die erste Liga gelang, dem

der Absturz in die Fünftklassigkeit folgte. Die

Achterbahnfahrt blieb unvergessen, doch an

ihren Folgen laboriert man im Donaustadion

bis heute.

Fußballgeschichte ist immer auch Zeitgeschichte,

und ob es ein Fußballverein nach

ganz oben schaffte, war schon früher abhängig

von den Rahmenbedingungen. Wo heute

„Investoren“ mit ihrem Privatvermögen dafür

sorgen, dass Klubs nach oben stürmen (und

danach gerne mal abstürzen, weil das Geld alle

ist oder der Geldgeber die Lust verloren hat),

waren es einst Unternehmen der Schwerindustrie,

die den entscheidenden Vorteil verschafften.

Allen voran das erwähnte Erkenschwick,

dessen Fußballgeschichte ohne die

Zeche „Ewald Fortsetzung“ nicht erzählt werden

kann. Das gilt aber auch für Lokomotive

Stendal, ein Kollektiv, das es nach dem Zweiten

Weltkrieg in die Spitze des DDR-Fußballs

schaffte und zum Mythos wurde.

Noch mehr Mythos häufte man in Leipzig-

Leutzsch an, wo es der ganz spezielle Geist

eines ganz speziellen Vereins war und ist, der

die „Legende von Leutzsch“ schuf. Während

in Stendal heute bescheiden auf Landesebene

gespielt wird, hat es die BSG Chemie in ihrer

Reinkarnation zurück in die Leistungsspitze

geschafft und bestätigt dort ihre spezielle

Aura. Einen ganz besonderen Geist umgibt

auch die TuS Koblenz, die lange als TuS Neuendorf

unterwegs war und als Paradebeispiel

für das streitbare Provinzteam galt.

Und dann sind da Klubs wie Union Solingen,

Viktoria Aschaffenburg oder VfB Oldenburg,

die ebenfalls ihre Einträge in der

großen Fußballgeschichte hinterlassen haben

und zurückstreben nach oben. In Oldenburg

glückt dies kürzlich, was belegt, dass Tradition

auch Zukunft haben kann. In diesem Sinne,

eine schöne Reise durch den dritten Band der

„Fußball-Legenden“.

ANSTOSS


Herbert Sochaki dreht nach seinem verwandelten

Foulelfmeter im Pokalspiel gegen den FC Bayern am 4.

Februar 1967 jubelnd ab. Sepp Maier ist geschlagen


KUMPELGEIST UND ZUSAMMENHALT WAREN

DAS ERFOLGSREZEPT, „JUNGENS, EUCH

GEHÖRT DER HIMMEL“ BRACHTE ES ZUM

BUCHTITEL. DIE SPVGG ERKENSCHWICK WAR

DER PROTOTYP DER ZECHENELF, DIE ES SOGAR

IN DEN PROFIFUSSBALL SCHAFFTE

SPVGG ERKENSCHWICK

Wer würde Erkenschwick kennen, gäbe es keinen Fußball?

Wobei selbst ausgewiesene Fußballkenner mit dem Namen

Erkenschwick heute wohl nicht mehr allzu viel anzufangen

wissen. Denn die guten Jahre liegen einfach zu weit zurück.

1949/50 feierte die Spielvereinigung aus der Zechenstadt im

Vest im Nördlichen Ruhrgebiet ihren größten Erfolg, als sie

Siebter in der legendären Oberliga West wurde. Das letzte

Jahr im Profilager war die Spielzeit 1980/81, und seit 2008

sind die Rot-Schwarzen nicht mehr über sechstklassigen

Fußball hinausgekommen. Erkenschwick, das ist verdichtete

Fußballromantik. Das liegt nicht zuletzt an den veränderten

Rahmenbedingungen in der Emscherzone. Dort holte man

lange jenes schwarze Gold aus der Erde, mit dem die Wohnstuben

in der ganzen Republik beheizt wurden und das das

Wirtschaftswunder der 1950er Jahre erst möglich machte.

Bezahlt wurde später mit einem Strukturwandel, der u.a. verklärte

Kumpelromantik hinterließ.

SpVgg Erkenschwick

Gegründet: 9. Juni 1916

Vereinsfarben: Rot-Schwarz

Spielstätte: Stimberg-Stadion

Größter Erfolg: Platz 7 Oberliga

West 1949/50

AUFSCHWUNG MITTEN IM KRIEG

Die Spielvereinigung Erkenschwick ist ein exzellentes Beispiel

für die einst unschlagbare Partnerschaft zwischen Kohle

und Fußball. Ohne Kohle wäre hochklassiger Fußball in

Erkenschwick nicht möglich gewesen. Das zeigt schon die

Gründungsgeschichte des Vereins, der am 9. Juni 1916, also

mitten im Ersten Weltkrieg, von christlich orientierten jungen

Burschen aus dem Zechenumfeld als SV Erkenschwick

gegründet wurde. 1918 wechselte er zum Namen Sportfreunde

und schloss sich 1921 dem lokalen Turnverein an,

um als dessen Fußballabteilung in den Westdeutschen Spielverband

aufgenommen zu werden. Kaum war dies gesche-

45


Heraldik

ab 1922

1930er

ab 1945

ab 1955

1950-1970er

1980er

später 1980er

SpVgg Erkenschwick in Zahlen

9.6.1916 gegründet als SV Erkenschwick 1918 Sportfreunde Erkenschwick

1.2.1921 Anschluss an den TV 1909 Erkenschwick und Bildung

dessen Fußballabteilung 1922 Fusion der Fußballabteilung mit Blau-Weiß

Oer = SpVgg Erkenschwick

DIE SPVGG ERKENSCHWICK IM HOCHKLASSIGEN FUSSBALL

42/43: GL-AR Westf. h1. 6 14:11 9-3

43/44: GL Westfalen 4. 18 8 3 7 49:52 19-17

44/45: GL Westfalen - 1 0 0 1 0:12 0-2

45/46: LL Westfalen 1. 16 11 3 2 49:21 25-7

46/47: LL Westfalen 2. 18 10 6 2 65:28 26-10

47/48: OL West 8. 24 9 3 12 48:48 21-27 9.666

48/49: OL West 9. 24 9 3 12 42:53 21-27 8.000

49/50: OL West 7. 30 13 8 9 49:42 34-26 8.600

50/51: OL West 11. 30 7 13 10 34:39 27-33 7.400

51/52: OL West 14. 30 6 12 12 53:71 24-36 8.600

Q zur OL West 2. 6 3 2 1 15:7 8-4

52/53: OL West i16. 30 6 4 20 41:90 16-44 5.733

53/54: 2. Liga-West 11. 30 10 8 12 40:47 28-32

54/55: 2. Liga-West 5. 28 15 4 9 64:45 34-22

55/56: 2. Liga-West 9. 30 12 5 13 48:56 29-31

56/57: 2. Liga-West i15. 30 7 6 17 38:69 20-40

57/58: AL Westf./1 h1. 30 21 4 5 84:40 46-14

Endspiel Westfalen: FV Hombruch 09 – SpVgg 7:3, 3:2

(Hombruch verzichtete auf den Aufstieg)

58/59: 2. Liga-West 12. 30 8 10 12 37:72 26-34 2.402

59/60: 2. Liga-West 13. 30 10 6 14 54:60 26-34 1.756

60/61: 2. Liga-West 12. 30 9 4 17 38:59 22-38 1.727

61/62: 2. Liga-West i16. 30 9 3 18 45:70 21-39 1.120

62/63: AL Westf./1 8. 28 11 5 12 46:55 27-29

63/64: AL Westf./1 13. 32 12 7 13 40:48 31-33

64/65: AL Westf./1 1. 30 20 5 5 71:29 45-15

Endspiel Westfalen: VfL Bochum – SpVgg 4:1, 2:3, 1:1 n.V.,

x:0/Los

65/66: AL Westf./1 2. 28 21 2 5 72:25 44-12

66/67: AL Westf./1 1. 28 19 5 4 68:16 43-13

RL-AR West 4. 6 1 1 4 6:10 3-9

67/68: AL Westf./1 1. 30 19 7 4 62:27 45-15

RL-AR West 4. 6 1 1 4 10:11 3-9

68/69: AL Westf./1 2. 30 18 8 4 61:26 44-16

Q zur RL West: SpVgg – SSV Hagen 2:1 n.V. h

(Borussia Brand hatte auf Aufstieg verzichtet)

69/70: RL West 15. 34 10 7 17 38:53 27-41 3.839

70/71: RL West 15. 34 11 4 19 37:62 26-42 3.150

71/72: RL West 6. 34 13 10 11 41:52 36-32 3.994

72/73: RL West 10. 34 16 4 14 73:60 36-32 3.514

73/74: RL West 11. 34 8 14 12 54:69 30-38 3.216

74/75: 2. BL-Nord 16. 38 9 11 18 49:70 29-47 3.998

75/76: 2. BL-Nord i18. 38 10 9 19 45:69 29-47 2.861

76/77: AL Westf./2 5. 34 15 10 9 69:45 40-28

77/78: AL Westf./2 2. 34 22 6 6 76:35 50-18

78/79: AOL Westfalen 3. 34 19 6 9 66:32 44-24

79/80: AOL Westf. h1. 34 20 10 4 57:22 50-18

80/81: 2. BL-Nord i21. 42 7 8 27 46:91 22-62 2.724

81/82: AOL Westfalen 3. 40 21 8 11 83:59 50-30 1.810

82/83: AOL Westfalen 10. 34 13 9 12 65:64 35-33 1.141

83/84: AOL Westfalen 7. 34 15 5 14 49:40 35-33 1.188

84/85: AOL Westfalen 10. 34 10 12 12 37:49 32-36 929

85/86: AOL Westfalen 7. 32 11 10 11 44:42 32-32 1.028

86/87: AOL Westfalen 1. 30 18 8 4 58:30 44-16 1.767

2. BL-AR 4. 8 1 4 3 7:12 6-10

87/88: AOL Westfalen 5. 30 14 7 9 56:33 35-25 1.200

88/89: AOL Westfalen 11. 30 10 6 14 47:53 26-34 1.280

89/90: AOL Westfalen 11. 30 8 10 12 39:43 26-34 1.200

90/91: AOL Westfalen 10. 30 6 14 10 42:51 26-34 1.450

91/92: AOL Westfalen 6. 30 13 7 10 50:41 33-27 1.642

92/93: AOL Westfalen 7. 34 13 13 8 47:42 39-29

93/94: AOL Westfalen 4. 30 16 6 8 46:35 38-22 1.433

94/95: RL West/SW 11. 34 11 12 11 46:47 34-34 1.994

95/96: RL West/SW 11. 36 11 13 12 42:40 46 1.581

96/97: RL West/SW 13. 34 10 10 14 46:55 40 1.212

97/98: RL West/SW 15. 34 9 9 16 41:69 36 1.001

98/99: RL West/SW i16. 32 2 9 21 30:77 15 1.031

99/00: OL Westfalen i15. 28 4 4 20 30:63 16 341

00/01: VL Westfalen 2. 28 16 6 6 61:33 54

01/02: VL Westfalen 5. 28 15 4 9 72:55 49

02/03; VL Westfalen 6. 28 11 8 9 43:41 41

03/04: VL Westfalen h1. 30 22 7 1 78:21 73

04/05: OL Westfalen 12. 34 11 9 14 37:45 42 493

05/06: OL Westfalen 15. 34 10 8 16 32:45 38 447

06/07: OL Westfalen 12. 34 9 11 14 43:56 38 652

07/08: OL Westf. i12. 34 12 7 15 49:54 43 665

Lizenzverweigerung für die NRW-Liga

09/10: WF-Liga/2 h1. 34 20 9 5 72:40 69 453

10/11: NRW-Liga i17. 32 4 5 23 30:69 17 389

11/12: WF-Liga 2 h2. 32 19 6 7 86:38 63 293

12/13: OL Westfalen 5. 34 17 9 8 63:42 60 357

13/14: OL Westfalen 3. 34 21 7 6 78:39 70 385

14/15: OL Westfalen 6 .34 17 10 7 64:33 59 336

15/16: OL Westfalen (h) 2. 34 19 6 9 62:38 63 270

Verzicht auf Aufstieg in die RL West

16/17: OL Westfalen i18. 34 4 7 23 33:83 19 176

17/18: WF-Liga 2 4. 30 15 6 9 56:45 51 229

18/19: WF-Liga 2 5. 30 14 6 10 54:41 47 203

19/20: WF-Liga 2 8. 20 8 4 8 30:29 28 Corona

20/21: WF-Liga 1 2. 8. 4 3 1 18:11 15 Corona

21/22: WF-Liga 1 8. 34 17 3 14 75:65 54 148

Erinnerung an

goldene Zweitligazeiten


hen, löste man sich von den Turnern und verschmolz

mit Nachbar Blau-Weiß Oer zur

Spielvereinigung Erkenschwick.

Die startete 1922 in der C-Klasse und kam

nach zwei Aufstiegen in Folge 1924 in der A-

Klasse an. 1930 wurde die 1. Bezirksklasse

erreicht, womit die Erkenschwicker zu den

spielstärksten Teams im nördlichen Ruhrgebiet

aufgeschlossen hatten. Damals war der

vestische Spielbetrieb ins ländliche Münsterland

ausgerichtet, und so ergab sich eine intensive

Lokalrivalität mit dem bürgerlich aufgestellten

SC Preußen, der in seiner Struktur

so ziemlich das Gegenteil der Kumpelelf aus

der 16.000-Einwohnergemeinde Erkenschwick

war.

Kein Spieler wohnte weiter als zwei Kilometer

vom Sportplatz entfernt, unter der Woche

fuhren Spieler und Zuschauer gemeinsam auf

Zeche Ewald Fortsetzung ein. Am Wochenende

formte man eine giftige Trutzburg, die am

10. September 1934 mit dem heutigen Stimberg-Stadion

eine passende Bühne erhielt.

25.000 Menschen fasste es seinerzeit – das

waren 9.000 Plätze mehr, als Erkenschwick

überhaupt Einwohner hatte! Errichtet worden

war es in prekären Zeiten. Erst hatte die

Besetzung des Ruhrgebiets durch französische

Truppen alles durcheinandergebracht,

dann stürzte die Weltwirtschaftskrise das

nördliche Ruhrgebiet Ende der 1920er Jahre

in die Krise und sorgte für explodierende Arbeitslosenzahlen.

Zwischen 1931 und 1938

wurde die Zeche stillgelegt, galt Oer-Erkenschwick

als „ärmste Gemeinde Preußens“. Zu

den staatlichen Notstandsmaßnahmen gehörte

der Stadionbau, und dass in der zunächst

Hindenburg-Kampfbahn genannten

Arena ab 1936 in der Bezirksklasse Zweitligafußball

angeboten werden konnte, begeisterte

die Fans vor Ort.

Als die Spielvereinigung 1938 nur knapp

hinter Erzrivale Preußen Münster den Aufstieg

in die Gauliga Westfalen verpasste, war

der erst 18-jährige Julius „Jule“ Ludorf bereits

auf dem Weg zur Galionsfigur des Erkenschwicker

Fußballs. Ein Bergarbeiterkind, der

als Schlosser „auf Zeche“ arbeitete und es mit

seinem wuchtigen Spiel bis ins berühmte Notizbuch

von Sepp Herberger schaffte. Trotz

Stadionbau und Erfolge waren die Rahmenbedingungen

im Vestischen jedoch rudimentär.

Weil es weder Kabinen noch Duschen im Stadion

gab, mussten sich die Mannschaften in

der Zechenkaue umziehen und über die Gleise

der Zechenbahn zum Stadion laufen. Für die

heimischen Bergmänner Alltag, für Akteure

wie den Dortmunder Nationalspieler August

Lenz eine Konfrontation mit der ihnen fremden

Schwerarbeiterwelt.

1939 wurde das nördliche Ruhrgebiet vom

wegen schlechter Verkehrsbedingungen ungeliebten

Bezirk Münster in den Bezirk Gelsenkirchen

verlegt. Als Meister der Kreisklasse

Recklinghausen Ost erreichte die SpVgg

Erkenschwick gleich im ersten Jahr die Bezirksklasse,

wo sich die Rot-Schwarzen zunächst

schwer taten. Zur Saison 1942/43 erhielt

Recklinghausen eine eigene Bezirksklassenstaffel.

Inzwischen standen viele

Akteure im „u.k.“-Status („unabkömmlich“)

und waren „aus kriegswichtigen Gründen“

von der Entsendung an die Front ausgenommen.

1943 wurden 1,44 Mio. Tonnen Steinkohle

in Erkenschwick abgebaut – Rekord.

Zudem hatte die Klubführung um den umtriebigen

Vorsitzenden Hans Beckmann zahlreiche

Akteure der Lokalrivalen Teutonia Essel

sowie VfL Rapen abgeworben, so dass ein

spielstarkes Team bereit stand, das am 14. Februar

1943 mit einem 6:2 beim VfB Bottrop

Staffelsieger wurde. Vor der Aufstiegsrunde

zur Gauliga Westfalen gelang es, mit dem

Schalker Ernst Kuzorra den wohl legendärsten

Fußballer der Ruhrpottgeschichte als

Trainer an den Stimberg zu holen. Sein Lohn:

Zwei Kisten Zigarren pro Monat. SpVgg-Vorsitzender

Hans Beckmann verfügte über gute

Kontakte zu einer Zigarrenfabrik in Bünde,

und Kuzorra liebte wie viele Männer seiner

Generation eine gute Zigarre.

DAS DREAMTEAM ENTSTEHT

Die Aufstiegsrunde begann mit einem 1:1

bei Erzrivale Preußen Münster, dem ein spektakuläres

5:5 gegen Reichsbahn Wanne folgte.

SPVGG ERKENSCHWICK

47


Spielerlegenden

Julius „Jule“ Ludorf

Als er am 1. Februar 2015 starb, trug

Erkenschwick Trauer. „Jule“ war das

Gesicht der legendären Kumpelelf.

Der Schlosser auf „Ewald Fortsetzung“

sorgte auf dem Spielfeld mit

seiner wuchtigen Figur und körperbetontem Spiel

für ordentlich Dampf bei den „Schwickern“. Mit

16 dank einer Sondergenehmigung 1938 in der

„Ersten“ debütierend traf er zwischen 1947 und

1953 in 161 Oberligaspielen 75 Mal ins Schwarze.

Im Gegensatz zu Sturmpartner Rachuba blieb Ludorf

seiner SpVgg stets treu und ließ sich lediglich

zu drei Gastspielen mit Borussia Dortmund in

England überreden. Zu einem Länderspiel wurde

er nicht berufen – dafür war Ludorf schlicht zu alt,

als es 1950 wieder los ging.

Horst Szymaniak

„Schimmi“ war Bergmann in

dritter Generation, der ohne

sein Fußball-Talent vermutlich

nie aus Erkenschwick herausgekommen

wäre. So machte

er Weltkarriere, die ihn von der

SpVgg, für die er 1952/53 debütierte, 1955 zunächst

nach Wuppertal und später nach Italien

zog. Seiner vestischen Heimat blieb der wortkarge

Nationalspieler emotional stets treu und war bei

vielen Wiederbegnungstreffen dabei. Szymaniak

verfügte über sichere Balltechnik und war zweikampfstark.

Seine Spezialität war die Grätsche; er

galt als Instinktfußballer.

Karl-Heinz „Kalla“ Seidenkranz

Was „Jule“ Ludorf für die alten Erkenschwicker

war, wurde „Kalla“

Seidenkranz für die Generation der

zweiten Erfolgsjahre in den späten

1960ern und frühen 1970ern: Die

Personifizierung der Erkenschwicker Seele, das

Gesicht und der langjährige Kapitän der Mannschaft.

Seidenkranz stammte aus der vereinseigenen

Jugend und blieb trotz regelmäßiger Angebote

selbst von Bundesligisten treu am Stimberg.

1969 war es sein Tor im Entscheidungsspiel gegen

Hagen, das Erkenschwick ins bezahlte Fußballlager

zurückbrachte.

Gisbert Horstehmke

Auch der gebürtiger Hammer

steht in klassischer SpVgg-

Treue-Tradition. Horstehmke

kam 1975 vom VfL Bochum und

blieb bis 1988 bei der SpVgg,

mit der er 1980 in die 2. Bundesliga

zurückkehrte. 1987 war er in der Aufstiegsrunde

u.a. beim legendären 2:1 gegen Hertha

BSC dabei, ehe er ein Jahr später seine Karriere

beendete.

Ernst Kuzorra 1943 als Schalker Kapitän gegen

seine eigene Elf um Kapitän Karl Kobler

Als die Spielvereinigung am 18. Juli vor 5.000

Zuschauern Preußen Münster im Rückspiel

mit 3:2 schlug, stand die Pforte zur Gauliga

weit offen. Eine Woche später feierten 6.000

Fans in der Hindenburg-Kampfbahn ein 5:1

gegen die SG 09/30 Wattenscheid, mit dem

die „Schwicker“ die Versetzung ins Oberhaus

perfekt machten.

Erkenschwicks Erfolgsteam, in dem fast nur

Bergleute standen, war eine über Jahre gewachsene

Einheit. „Jule“ Ludorf sagte später,

wir „verstanden uns nicht nur bei den Flanken

blind“. Der Neuling startete mit einem 5:4

gegen Altenbögge und einem 7:2 bei Alemannia

Gelsenkirchen. Als am 31. Oktober 1943

Serienmeister Schalke 04 kam, war es das

Spitzenspiel Erster (Erkenschwick) gegen

Zweiter (Schalke), das 12.000 Zuschauer anlockte.

Kurios: Auf Schalker Seite spielte

SpVgg-Trainer Kuzorra. Er feierte mit den Königsblauen

ein 8:1 gegen seine allzu forsch

aufgetretenen Schützlinge, die am Saisonende

dennoch souverän die Klasse hielten. Anschließend

sorgte der sich ankündigende Zusammenbruch

des „Großdeutschen Reichs“

für Probleme. 1944/45 startete das mit Alten


„Jungens, euch gehört der Himmel“. Die SpVgg Erkenschwick 1947/48. Stehend v.l.: Geschäftsführer

Ziolkowski, Matejka, Sperl, Rachuba, Silvers, Berger, Ludorf, Silken, Vorsitzender Beckmann,

Lienhardt. Vorn: Smigielski, Cichutek, Heinemann

Herren und Jungspunden bestückte Team mit

einem 0:12 beim FC Schalke 04. Kurz darauf

wurde die Saison abgebrochen und der Spielbetrieb

eingestellt.

Als es im Februar 1946 weiterging, war die

Kumpelelf umgehend wieder da. In der Landesliga

feierte sie ein 5:0 bei Erzrivale Preußen

Münster und ging als Meister vor Borussia

Dortmund durchs Ziel. Zu einem Endspiel um

die Westfalenmeisterschaft gegen den zweiten

Staffelsieger Schalke 04 kam es nicht. Zugleich

qualifizierte sich die Spielvereinigung Erkenschwick

für die neue Oberliga West. Damit war

das Team unter den 13 besten Mannschaften

der Region. Mit Fritz Silken kam nun erstmals

ein „Auswärtiger“ nach Erkenschwick – aus

Henrichenburg, einen strammen Fußmarsch

vom Stimberg-Stadion entfernt...

Die Saison 1947/48 wurde zum ersten

Traumjahr. „Jule“ Ludorf und sein Sturmpartner

„Sigi“ Rachuba befanden sich auf dem Zenit

ihrer Kunst. Nach dem 5:0-Auftaktsieg bei

Alemannia Aachen (3 x Ludorf, Sperl,

Rachuba) war Erkenschwick erster Tabellenführer

der neuen Liga. Wie schwierig die Umstände

gut zwei Jahre nach Kriegsende waren,

erzählte Torhüter Heinz Cichutek später: „Von

Recklinghausen fuhren wir äußerst umständlich

mit dem Zug nach Aachen. Keiner von uns

war vorher jemals dort gewesen. Wir schliefen

in einem warmen, dunklen ehemaligen

Luftschutzbunker, direkt dem Bahnhof gegenüber.

Am anderen Morgen sind wir quer durch

die immer noch zerbombte Stadt zum Tivoli

gegangen. Die Kirchgänger hörten uns reden

und sagten, die sind die Reserve der Spielvereinigung

Erkenschwick. Unsere Spieler waren

ja alle körperlich so klein. Da dachten die, die

Burschen können nicht die Erste sein.“ Auf

der Rückfahrt nach dem 5:0 soll dann jener

legendäre Spruch gefallen sein, der es später

zum Buchtitel brachte. Cichutek: „In der Bahn

war ein Polizist, der kam dann in unseren

Waggon und fragte: ‚Ihr seid die Erkenschwicker?

Ich habe euch in Aachen spielen sehen

– Jungens, euch gehört der Himmel!‘“.

SPVGG ERKENSCHWICK

49


Am 4. Oktober 1947 kam der nächste Höhepunkt,

als die Kumpelelf dem FC Schalke 04

vor 25.000 Zuschauern in der Kampfbahn

Glückauf die erste Heimniederlage seit 1933

beibrachte. „Lehrling bezwingt Meister“,

schrieben die Gazetten – Rachuba (33.) und

Ludorf (58.) hatten Erkenschwick mit 2:0 in

Führung gebracht, Berni Klodt verkürzte kurz

Schluss auf 1:2. Am Ende fiel die Spielvereinigung

zwar auf Platz acht zurück, der Ruf der

„Bergbau-Jünglinge“ war aber im ganzen Westen

verbreitet worden. In der Fußball-Presse

wurde der Ort damals so vorgestellt: „Einige

Straßenbahn-Haltestellen hinter Recklinghausen,

dort, wo die äußersten Schlote des

Ruhrgebiets von der rot-braunen Heide des

Münsterlandes aufgesogen werden, liegt Erkenschwick,

ein etwas ländlich anmutender

Vorort.“

ZWÖLF WOCHEN TABELLENFÜHRUNG

Zur Saison 1948/49 nahm man das Vertragsspielerstatut

an – ohne zu ahnen, dass

die beginnende Professionalisierung des Spitzenfußballs

der Spielvereinigung Erkenschwick

die Zukunft rauben sollte. Am Saisonende

liefen die „Schwicker“ als Neunter

ein und verloren mit Kurt Pohnke sowie „Sigi“

Rachuba zwei Leistungsträger an Preußen

Münster. In der Beamtenstadt war deutlich

besser zu verdienen als in Erkenschwick, wo

ohne Unterstützung durch die Zechenleitung

Ewald Fortsetzung nichts ging. Die Oberligaspieler

wurden mit leichter Arbeit „Auf Zeche“

geködert und mit billigen Ziegeln und Arbeitskräften

beim Hausbau bei Laune gehalten.

Von den rund 16.000 Einwohner fuhren 4.500

auf Ewald Fortsetzung ein, und der Zuschauerschnitt

im ersten Oberligajahr hatte bei

etwa 10.000 gelegen.

Es herrschte eine enorme Identifikation mit

Zeche, Wohnort und Fußballteam. Die SpVgg

war wie eine große Familie. 2007 erzählte

„Jule“ Ludorf dem Magazin „11 Freunde“: „Wir

waren alle auffem Pütt vereinigt. Keiner hat

auswärts gespielt oder auswärts gearbeitet –

nur Zeche Ewald Fortsetzung. Einer in der

Schlosserei, einer beim Bau, ein anderer in

der Verwaltung. Sieben Mann von uns waren

in der Grube und kamen da noch schwarz

raus. Wenn es zum Training ging, hat der Steiger

schon mal ein Auge zugedrückt. Was wir

im Bergbau gelernt hatten, wollten wir als

Mannschaft auf dem Rasen umsetzen: die

Zuverlässigkeit, die Kameradschaft, eben ​‚jeder

für jeden‘“.

Die Saison 1949/50 ging als das goldene

Jahr in die Annalen der Spielvereinigung Erkenschwick

ein. Ex-Nationaltorhüter Willi Jürissen

(„Pomaden-Willi“) hatte Ernst Kuzorra

als Trainer abgelöst und stand nebenbei im

Erkenschwicker Tor. Die Schalker Legende

war in der abgelaufenen Saison nicht immer

von Glück bei seiner Spielerauswahl bedacht

gewesen, und am Stimberg wollte man einen

Neuanfang. Herbert Pawellek (aus Hindenburg

stammender Schlesier), Walter „Schally“

Komorowski (Westfalia Bochum) und Willi

Kitza (eigener Nachwuchs) stopften die Lücken

der Abgänger. Mit einem 0:0 in Hamborn

und Siegen über Vohwinkel, Dellbrück sowie

Duisburg 08 gestartet, kam es am 2. Oktober

1949 zum brisanten Nachbarschaftsduell bei

Preußen Münster. 18.000 an der Hammer

Straße wollten sehen, wie sich ihr „100.000-

DM-Sturm“ gegen die Himmelsstürmer aus

dem Kohlenpott schlug. Erkenschwick kassierte

die erste Saisonniederlage, und der Höhenflug

schien beendet. Doch dann drehte die

Jürissen-Elf auf. 2:0 gegen Horst-Emscher, 3:2

in Würselen, 1:0 gegen Oberhausen, 2:1 vor

20.000 Fans im Stimberg-Stadion gegen den

amtierenden deutschen Vizemeister Borussia

Dortmund. Erkenschwick übernahm die Tabellenspitze

und gab sie zwölf Spieltage lang

nicht mehr her. Erst in der Rückrunde ging

der Mannschaft die Puste aus, und statt sich

für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft

zu qualifizieren, fiel sie auf Platz 7 zurück.

Letzter Höhepunkt war ein 3:3 gegen

Schalke 04 vor der Rekordkulisse von geschätzt

30.000 Zuschauern im Stimberg-Stadion.

Der Zenit war nun überschritten. 1950/51

erzielte die Spielvereinigung in 30 Partien lediglich

34 Tore – zuvor waren es 48 bzw. 42 in


Volle Hütte beim Oberligaderby Sportfreunde Katernberg gegen SpVgg Erkenschwick

24 Saisonspielen (1947/48 und 1948/49) sowie

49 (1949/50) gewesen. Auswärts war das

Team harmlos, und in Erinnerung blieb vor

allem der 18. Februar 1951, als es vor („nur“

noch!) 15.000 Zuschauern im Stimberg-Stadion

ein 1:1 gegen Schalke 04 gab. Als der Schalker

Mittelläufer Matzkowski Erkenschwicks

Rechtsaußen „Kalli“ Matejka absichtlich den

nassen und schweren Lederball in den Rücken

schoss, eilte dessen Ehefrau Friedchen auf

den Platz, bedrohte Matzkowski und den

Schiedsrichter mit ihrem Regenschirm und

löste einen Massentumult aus.

1951/52 verlor man Mittelläufer „Schally“

Komorowski an den VfL Osnabrück. Ernst

Kuzorra übernahm erneut das Training, doch

nach einem Fehlstart mit nur einem Sieg aus

13 Spielen und einer 3:7-Heimklatsche gegen

die Sportfreunde Katernberg holte der Vorstand

im Dezember dessen Vorgänger Jürissen

zurück. Unter ihm fing sich das Team,

rutschte nach einem 0:3 in Dortmund aber

auf Rang 14 ab und musste in die Relegation.

Dort kam es am 15. Juni 1952 zum Showdown,

als gegen den VfB Bottrop zwingend ein Sieg

her musste. Vor 18.000 Zuschauern an der

Bottroper Paßstraße gingen die Gastgeber

nach 20 Minuten in Führung. Dann drehten

die „Schwicker“ die Partie und sicherten sich

ein weiteres Erstligajahr.

DAS IDYLL ZERBRICHT

Es sollte das letzte der Klubgeschichte sein.

Zwischenzeitlich war Klubvorsitzender und

Betriebsinspektor Friedrich Lux aus gesundheitlichen

Gründen zurückgetreten. Unter

Nachfolger Dr. Unkelbach kämpfte die überaltere

Mannschaft 1952/53 wie befürchtet gegen

den Abstieg. In Münster gab es ein 0:7,

beim RWE und in Dellbrück sogar jeweils ein

0:9. Dem letzten Heimspiel am 12. April

wohnten immerhin noch 6.000 Zuschauer bei,

die eine 3:2-Derbyrevanche gegen Münster

sahen. Das letzte Erstligaspiel der Erkenschwicker

Fußballgeschichte endete am 26.

April 1953 1:2 in Leverkusen. Es war der erste

sportliche Abstieg in der Geschichte der

Spielvereinigung Erkenschwick.

Die Kumpelelf schien regelrecht aus der Zeit

gefallen zu sein. Während sich die Bundesre-

SPVGG ERKENSCHWICK

51


publik im schillernden Wirtschaftswunder

sonnte, stand das nördliche Ruhrgebiet vor

einem umfassenden Strukturwandel. Kohle

und Kohleverarbeitung hatten keine Zukunft.

Und damit die Kumpel, die das Land mit ihrer

harten Arbeit unter Tage erst nach vorne gebracht

hatten. Im Vergleich zu anderen Standorten

im Ruhrgebiet setzte der Wandel in Oer-

Erkenschwick allerdings vergleichsweise spät

ein. Erst 1997 sollte der letzte Schacht auf

Ewald Fortsetzung geschlossen werden. Daher

konnte die Spielvereinigung Erkenschwick

ihre Rolle als Kumpelverein, der von der Zeche

finanziert wird, noch eine Zeitlang mit Leben

füllen. Der Wandel des Fußballs zum Profisport

stellte die Verantwortlichen dennoch

vor Herausforderungen. Als die Erfolgsgeneration

um „Jule“ Ludorf allmählich die Pötte

an den Nagel hängen, rückten zwar Talente

wie Horst „Schimmi“ Szymaniak nach, die

man jedoch nicht im Stimberg-Stadion halten

konnte. Denn Erkenschwick hatte einen

Standortnachteil: Es war eine graue, von

schwerer Arbeit und dreckiger Luft geprägte

und vergleichsweise langweilige Mittelstadt

am Rande des Ruhrgebiets, in der man

schlecht verdiente. Szymaniak, wie sein Vater

und Großvater als Bergmann auf Ewald Fortsetzung

eingefahren, wechselte 1955 nach

Wuppertal und erhielt dort einen gut dotierten

Job als Bademeister. Seinem Vorbild

folgten später zahlreiche Spielvereinigung-Talente.

ABSTURZ INS AMATEURLAGER

In der Zweitklassigkeit stand ein Neuanfang

an. Für Jürissen übernahm „Jule“ Ludorf als

Spielertrainer. Platz elf war eine große Enttäuschung.

Zur Saison 1954/55 holte der neue

(alte) Vorstandschef Hans Beckmann, der den

über Arbeitsbelastung klagenden Dr. Unkelbach

abgelöst hatte, Theo Otto aus dem bayerischen

Straubing. Der ausgebildete Sportlehrer

leitete eine Verjüngung ein, die Erfolge

wie ein 5:2 vor 15.000 Zuschauern im Stimberg-Stadion

gegen den Wuppertaler SV

brachte, nicht aber den erhofften Wiederaufstieg

in die Oberliga.

Danach brach Tristesse über das nördliche

Ruhrgebiet heein, und 1958 mussten die auswärtsschwachen

Erkenschwicker auch aus

der 2. Liga West absteigen. Erstmals seit 1936

war man nur noch drittklassig. Die Gegner

hießen nun TuRa Bergkamen oder Germania

Datteln. Aus Herne kam Trainer Theo Schenk.

Am letzten Spieltag strömten 10.000 Fans

zum Stimberg und sahen ein 4:2 im Gipfeltreffen

gegen Arminia Bielefeld, mit dem die

„Schwicker“ Staffelsieger wurden. Im Endspiel

um die Westfalenmeisterschaft gegen

Parallelstaffelsieger Hombruch 09, zugleich

Qualifikation für die Aufstiegsrunde zur 2.

Liga West, wartete jedoch Ernüchterung. Nach

einem 3:7 im Hinspiel in Hombruch war bereits

alles gelaufen und die Rückkehr in die 2.

Liga schien verpasst. Doch weil sowohl Hombruch

als auch Bergisch Gladbach auf den Aufstieg

in den Vertragsfußball verzichteten,

konnte Erkenschwick nachrücken. Glück im

Unglück für die Stimberg-Elf.

Über die zweite Tabellenhälfte kamen die

„Schwicker“ in der 2. Liga-West anschließend

nicht hinaus. Das wiederum war zu uninteressant

für die Fans im Vestischen, die lieber

nach Gelsenkirchen, Dortmund, Herne, Sodingen

oder gar Münster fuhren, um Oberligafußball

zu sehen. Als die SpVgg Erkenschwick

1961/62 erneut aus der 2. Liga West abstieg,

hatten den 15 Heimspielen durchschnittlich

lediglich 1.120 Zahlende beigewohnt. Exemplarisch

für die Saison war das Gastspiel bei

Duisburg 48/99 am 4. März 1962, als Erkenschwick

nach 2:0-Halbzeitführung mit einer

2:7-Niederlage vom Platz ging. Das Wunder

Erkenschwick war beendet. Dabei standen

die Talente in der Zechenstadt weiter bereit.

Darunter Karl-Heinz „Kalla“ Seidenkranz, der

1962 debütierte und über 15 Jahre und in 694

Spielen das Trikot der SpVgg trug – davon

zehn Spielzeiten als Kapitän.

1963/64 drohte gar der Absturz in die Viertklassigkeit.

Erst als Ex-Stürmer Kalli Matejka

Trainer Gerd Daniel ablöste, gelang die Wende

und Erkenschwick qualifizierte sich für eine

zusätzliche Abstiegsrunde mit sechs Mannschaften.

Höhepunkt der durchwachsenen


Jahre war der 4. Februar 1967, als der FC Bayern

München im Achtelfinale des DFB-Pokals

nach Oer-Erkenschwick kam. 22.000 Zuschauer

sorgten für einen ausverkauften Stimberg

und bejubelten Herbert „Ecki“ Sochacki, der in

der 66. Minute einen Elfmeter zum zwischenzeitlichen

1:1 verwandelte. Endstand 1:3.

RÜCKKEHR INS RAMPENLICHT

1969, nach der dritten Staffelmeisterschaft

bzw. Aufstiegsrundenteilnahme in Folge und

insgesamt sieben Jahre im Amateuroberhaus

von Westfalen, gelang der Durchbruch. Für

„Kalli“ Matejka war der Ex-Münsteraner Rudi

Schulz als Trainer gekommen. In Westfalen-

Gruppe 2 Vize hinter der hochdotierten DJK-

Elf aus Gütersloh, verpassten die Rot-Schwarzen

knapp die Aufstiegsrunde und konnten

sich nach einem 2:1 über die STV Horst-Emscher

auf die Endrunde um die Deutsche Amateurmeisterschaft

konzentrieren. Dort setzte

sich die Stimberg-Elf gegen St. Ingbert, Bayer

Uerdingen und den FC Emmendingen durch

und erreichte das Finale. Gegner in der Krefelder

Grotenburg war Mittelrheinmeister SC

Jülich 10. Der 12. Juli 1969 wurde zum unvergessenen

Tag. Zum ersten und einzigen Mal in

der Stadtgeschichte hatte Erkenschwick sogar

einen Bahnhof, denn von den Gleisen der

Schachtanlage Ewald Fortsetzung fuhr ein

Sonderzug mit 1.200 Fans nach Krefeld ab.

Vor 12.000 in der Grotenburg war die Scholz-

Elf jedoch im Pech. Nach sechs Minuten ging

Jülich in Führung, und als es sechs Minuten

später bereits 2:0 für den Außenseiter stand

– erneut nach einem Abwehrschnitzer -, war

die Messe gelesen. Seidenkranz verkürzte

nach der Pause zwar auf 1:2, doch der Titel

des besten Amateurteams ging nach Jülich.

Kurz darauf jubelte man auch in Erkenschwick.

Nachdem Oberhausen und Essen in

die Bundesliga aufgestiegen waren, durfte ein

weiteres Team in die Regionalliga aufrücken.

Borussia Brand, Schlusslicht der Aufstiegsrunde,

verzichtete, woraufhin sich am 20. Juli

1969, acht Tage nach dem Endspiel von Krefeld,

der SSV Hagen und die Spielvereinigung

Erkenschwick in der Dortmunder Roten Erde

gegenüberstanden. Unbestätigten Meldungen

zufolge waren 30.000 dabei, als der Traditi-

SPVGG ERKENSCHWICK

Sochacki hat im Pokalspiel gegen die Bayern 1967 zum 1:1 verwandelt. Erkenschwick tobt!

53


onsklub aus dem Vest einen 0:1-Rückstand

wettmachte und durch ein 2:1 in der Verlängerung

(„Kalla“ Seidenkranz, 99. Minute) in

den bezahlten Fußball zurückkehrte!

Erkenschwick war trotz Strukturwandel im

Ruhrgebiet noch immer ein Kumpelidyll.

Heinz Götzen, Bergbau-Angestellter und Vorsitzender

der lokalen SPD-Fraktion, führte

den Verein mit patriarchalischer Hand, viele

Spieler arbeiteten mit erster Steuerkarte auf

Zeche und mit zweiter als Vertragsspieler. Das

Gros der Mannschaft kam noch immer aus der

Region. Spieler wie Gerd Ortmann, Dieter

„Moritz“ Walter, „Kalla“ Seidenkranz, Peter

Anders, „Bobby“ Schwamberger, Gerd

Deutschmann, Jupp Laufer und Horst Behler

waren sogar waschechte Erkenschwicker!

Nach einer soliden Saison lief das Team durch

ein abschließendes 3:2 im Derby gegen Preußen

Münster mit fünf Punkten Vorsprung auf

den ersten Abstiegsplatz auf Rang 15 ein. Kapitän

Seidenkranz: „Bei uns wurde dreimal in

der Woche trainiert, aber noch nicht mal da

konnten alle Spieler aus beruflichen Gründen

pünktlich erscheinen.“

Zum erfolgreichsten Jahr wurde die Saison

1971/72 mit Platz 6. Eine Spielzeit mit Höhen

(1:0 gegen Spitzenreiter RWE vor 7.000 Zuschauern

am 1. September 1971) und Tiefen

(1:8 im Rückspiel an der Hafenstraße), die

half, die ersten Zähler auf ein Punkte-Sonderkonto

zu schaufeln, mit dem sich die Mannschaften

1974 für die neue 2. Bundesliga Nord

bewarben. Mit „Kalla“ Korte (Gütersloh) und

Horst „Pat“ Koschmieder (Hamm) begrüßte

Trainer Heinz Sewina anschließend erfahrene

Zugänge, wohingegen Jupp Laufer nach Bochum

und die münsterländische Stimmungskanone

Hugo Lütkebohmert zum Wuppertaler

SV wechselten. Stärkste Heimelf (30-4

Punkte) und schwächste Auswärtself (6-28)

stand nach Ende der Saison 1972/73 zu Buche,

deren Höhepunkt ein 4:0 gegen Bundesligaabsteiger

Borussia Dortmund am 6. Mai

1973 gewesen war. Vor 5.700 Zahlenden

sorgten Porschke, Seidenkranz und Uwe Kolitsch

(2) für einen historischen Erfolg. Ein

Jahr später sahen sogar 7.000 ein spektakuläres

5:3 gegen den Rivalen aus der Bierstadt.

Vier Monate zuvor hatte Fritz Langner, gefürchteter

„Schleifer“, Heinz Sewina auf der

Trainerbank abgelöst und die Spielvereinigung

auf Kurs 2. Bundesliga gebracht.

DIE LETZTEN PROFIFUSSBALLJAHRE

In der Regionalliga hatte die Klubführung

vorsichtig agiert und war mit Budgets um die

30.000 DM ins Rennen gegangen. In der 2. Bundesliga

sollte nun alles anders werden. Erkenschwick

wollte sich etablieren im bundesdeutschen

Profifußball. 185.000 DM verschlangen

die fünf Neuzugänge zur Saison 1974/75. Der

Trainer hieß nun Heinz Murach und hatte 1966

in Dortmund die Nachfolge von Europapokalsieger

Willi Multhaup angetreten. Trainiert

wurde jetzt viermal die Woche, und das Stimberg-Stadion

wurde sukzessive ausgebaut.

Profifußball im Kumpelland Erkenschwick. Dahinter

stand mit Klubpräsident und SPD-Vorsitzender

Heinz Götze sowie CDU-Mann Jupp

Serger die lokale Politik, die der SpVgg zudem

einen Zuschuss von 120.000 DM zur Verfügung

gestellt hatte. Auf Zeche Ewald Fortsetzung registrierte

man derweil mit 1,47 Mio. Tonnen

Steinkohle einen Rekord für die Ewigkeit.

Zunächst lief es prächtig, und nach einem

2:1 zum Auftakt bei Olympia Wilhelmshaven

sowie einem 2:1 gegen Schwarz-Weiß Essen

grüßte die Stimberg-Elf am 10. August 1974

von der Tabellenspitze der 2. Bundesliga

Nord. Nach dem anschließenden 1:3 in Mülheim

ging jedoch nichts mehr. Der Tiefpunkt

war ein 1:7 bei Hannover 96. Erst als Fritz

Langner Anfang November zurückkehrte,

glückte die Wende. Beim 2:2 gegen Borussia

Dortmund am 19. April 1975 begrüßten die

„Schwicker“ stolze 16.000 Zuschauer, darunter

allerdings viele Schwarzgelbe. Am Ende

stand zwar der Klassenerhalt, aber auch ein

Schuldenberg und Ernüchterung.

Letztere sollte sich im zweiten Zweitligajahr

1975/76 verstärken. Hugo Lütkebohmert

kehrte zurück, für Trainer Langner kam Hans-

Wilhelm Loßmann von Absteiger Olympia

Wilhelmshaven. Mit „Reifen Hoffmann“ stand

erstmals ein Geldgeber hinter dem Team.


Im modischen Schick der 1970er Jahre: Zweitbundesligist SpVgg Erkenschwick

unter Trainer Fritz Langer (ganz links) 1974/75

Doch es sollte nicht sein. Daheim agierten die

„Schwicker“ wie gewohnt stabil. Auswärts indes

war nichts zu holen für die Kumpelelf, die

nach dem 1:4 bei Göttingen 05 bereits am

drittletzten Spieltag als Absteiger feststand.

In Erkenschwick brachen nun schwere

Zeiten an. Die Stadt half und trug jährlich

25.000 DM Altlasten aus den Profijahren ab.

Nach dem überraschenden Tod von Heinz

Götzen im Februar 1975 hatte der aus dem

Fränkischen stammende Bergwerksdirektor

Anton Stark den Vereinsvorsitz übernommen.

Eigentlich „nur“ kommissarisch, sollte Stark

17 Jahre im Amt bleiben und seinem Namen

alle Ehre machen. An seiner Seite stand Geschäftsführer

und Ex-Torhüter Heinz Cichutek,

„Mr. Stimberg“ genannt, und mit der bald

„Zeche Haard“ genannten früheren Ewald

Fortsetzung verbunden. Die Spielvereinigung

Erkenschwick war ein Verein zwischen Vergangenheit

und Gegenwart.

Um die Zukunft wollte sich ab 1977 Heinz

Kerbaum, Betreiber eines Zweithaarstudios,

kümmern und blies als Spielausschussvorsitzender

(Manager) sowie Geldgeber zum Aufbruch.

Der aus Gelsenkirchen stammende Ex-

Profi Jürgen Wittkamp kam aus Mönchengladbach,

Gisbert Paus wurde in die Amateur-Nationalmannschaft

berufen und das

Ziel lautete 2. Bundesliga. 1979 verpasste

man es noch durch ein unfassbares 0:1 im

letzten Saisonspiel bei Absteiger Beckum.

1979/80 marschierten die „Schwicker“ dann

souverän zu Titel und Aufstieg. Mit einem 3:0

gegen den VfB Waltrop vor 3.000 Zuschauern

übernahmen sie am ersten Spieltag die Tabellenführung

und rückten sie nicht mehr raus.

Dennoch musste Trainer Detlef Brüggemann

vorzeitig gehen, stand der frühere Uerdinger

Klaus Quinkert an der Seitenlinie, als 6.000

Fans am 18. Mai 1980 ein 3:0 gegen den Bünder

SV bejubelten, mit dem der Aufstieg besiegelt

wurde. Das erlösende 1:0 erzielte kein

Geringerer als Sönke Wortmann, später Regisseur

u.a. von „Das Wunder von Bern“.

Der Jubel blieb den Fans im Halse stecken,

als der DFB kurz darauf eine Zweitligareform

beschloss und Erkenschwick 1980/81 in der

22er Liga mit den Absteigern Werder Bremen,

Hertha BSC und Eintracht Braunschweig

Vierter werden musste, um auch 1981/82

noch Zweitligist zu sein. Ein Ding der Unmöglichkeit,

zumal Geldgeber Kerbaum den Verein

verließ, nachdem er sich mit Klubchef

Stark verkracht hatte. Der mahnte prompt: „In

den letzten vier Jahren konnten wir unsere

Schulden von über 300.000 DM auf inzwischen

110.000 DM abbauen. Die Fehler der

Vergangenheit werden wir nicht wiederholen“.

So kam, was kommen musste: Der erfor-

SPVGG ERKENSCHWICK

55


derliche Schnitt von 3.000 Zuschauern wurde

knapp verfehlt (2.861), und sportlich war für

die Quinkert-Elf wenig zu holen. Dem wohl

letzten Zweitligaspiel auf Erkenschwicker Boden

am 30. Mai 1981 wohnten 1.000 Zuseher

bei (4:2 gegen Union Solingen).

Höhepunkt in den anschließenden 13 Spielzeiten

im Amateuroberhaus von Westfalen

war die Saison 1986/87. Als Trainer fungierte

inzwischen Jürgen Wittkamp, der mit Werner

Gmeiner und Rainer Urban vom Vorjahrsmeister

ASC Schöppingen, Jörg Breski von Rot-

Weiss Essen sowie Torjäger Dieter Götz vom

VfB Kirchhellen hoffnungsvolle Verstärkungen

erhalten hatte. Nach 18 Spielen drohte das

Kartenhaus Erkenschwick im Dezember 1986

allerdings unerwartet zusammenzubrechen,

als Wittkamp vor dem Heimspiel gegen die

Amateure des VfL Bochum Libero Peter Dewitz

aus der Startelf nahm. Als Dewitz sich

weigerte, auf der Ersatzbank Platz zu nehmen,

eskalierte die Situation. Wittkamp Forderung,

Dewitz zu suspendieren, lehnte Präsident

Stark ab, denn „Wittkamps ist ein super Trainer,

aber ich kann mich nicht so unter Druck

setzen lassen“. Zwei Tage später kassierte

Spitzenreiter Erkenschwick vor 12.000 Zuschauern

in Münster die erste Saisonniederlage.

Zur Rückrunde übernahm Dieter Tartemann

die Trainingsleitung. „Er hatte neben

Wittkamp mit seiner Arbeit großen Anteil am

Titel“, lobte Verteidiger Heinz Niggemeier

später, denn bereits zwei Spieltage vor Saisonende

gingen die „Schwicker“ nach einem

2:0 gegen den FC Gütersloh als Meister durchs

Ziel.

In der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga war

das Team chancenlos. Nach sechs Spielen

ohne Sieg gelang am 14. Juni 1987 beim 2:1

gegen Hertha BSC immerhin ein Husarenstück,

das den Berlinern den Aufstieg verdarb.

„Ganz sicher war es einer der Höhepunkte in

meiner Zeit als Vorsitzender“, sagte Anton

Stark, inzwischen Bergwerksdirektor a.D.,

später. Hertha-Trainer Jürgen Sundermann

hatte unfreiwillig Zünglein an der Waage gespielt,

als er, so wurde zumindest kolportiert,

vor dem Gastspiel beim sieglosen Kellerkind

sagte: „Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir

uns nicht von einem Dorfklub überraschen

lassen“. Sundermann bestritt dies später, doch

für SpVgg-Trainer Tartemann war es eine

Steilvorlage: „In der Kabine brauchte ich nicht

mehr viel erzählen, es waren alle heiß auf

dieses Spiel.“ Vor 5.000 Zuschauern spielte

Erkenschwick noch einmal wie in den goldenen

Zechenjahren: Elf Schwarzrote rannten

und ackerten voller Hingabe, spielten sehenswerten

Fußball und ließen sich auch durch

das 0:1 nach 37 Minuten nicht irritieren.

„Wenn ich so zurückblicke“, sagte Mittelfeldspieler

Frank Kämper später, „muss ich feststellen:

In einer besseren Mannschaft habe

ich nie wieder gespielt.“ Für Tartemann war

es „der Teamgeist, der die Mannschaft ausgezeichnet

hat. Woanders war mehr Geld im

Spiel. Es ging professioneller zu. Das Geheimnis

in Erkenschwick war der Zusammenhalt.“

ABSTURZ, KONKURS, ÜBERLEBENSKAMPF

1994 qualifizierte sich die Spielvereinigung

Erkenschwick für die neue Regionalliga West/

Südwest und gastierte fortan auch in Trier,

Saarbrücken oder Neunkirchen. Inzwischen

war Anton Stark nach 17 Jahren aus dem Vorstand

ausgeschieden, und weil auch Geschäftsführer

„Mr. Stimberg“ Cichutek sein

Amt nach 31 Jahren niedergelegt hatte, war

die Verbindung zwischen Bergbau und Verein

erstmals seit Klubgründung gekappt. Stark-

Nachfolger Heinz Feld, ein mittelständischer

Maschinenbau-Unternehmer, stellte, nicht zuletzt

mit eigenen Mitteln, den ersten Millionenetat

der Vereinsgeschichte auf, um die

SpVgg im ambitionierten Amateurfußball des

nördlichen Ruhrgebiets zu etablieren. Doch

die neue Spielklasse, praktisch eine Profiliga,

überforderte den Klub in vielen Belangen.

1995/96 reichte es trotz 1,6-Mio-Etat nur zu

Platz elf, und als Vorsitzender Feld im Herbst

1997 zurücktrat, stand die Spielvereinigung

Erkenschwick vor dem Konkurs. Da passte es,

dass im selben Jahr der letzte Schacht der

ehemaligen Zeche Ewald Fortsetzung seine

Pforten schloss, nachdem deren Kokerei bereits

1984 stillgelegt worden war.


Zeche, Stimberg, Fußball – ein Bild für die Erkenschwicker Ewigkeit.

Vorgänger Stark übernahm noch einmal die

Verantwortung, leitete einen strikten Sparkurs

ein und verhinderte damit das Aus. Bezahlt

werden musste die Rettung mit dem Doppelabstieg

in die Verbandsliga. Dortmund und

Schalke gastierten zu Benefizspielen beim ehemaligen

Rivalen, und sportlich gelang 2000/01

in der Fünftklassigkeit tatsächlich die Konsolidierung.

Wirtschaftlich war die Lage schwierig.

Das Publikum blieb aus, die Kassen waren leer.

2004 kehrte das Team mit nur einer Saisonniederlage

unter Trainer Michael Pannenbecker

dennoch zurück in die Oberliga, feierten über

800 mitgereiste Fans am 31. Mai 2004 das entscheidende

3:0 beim TuS Sundern – der Mythos

Erkenschwick lebte!

Doch nach vier Spielzeiten im Oberliga-Mittelmaß

war erneut Schluss. 2007/08 wurde

zur Saison des Vergessens. Um die neue NRW-

Liga zu erreichen, musste Erkenschwick Elfter

werden. Finanziell war im Stimberg-Stadion

alles auf Kante genäht, und erstmals in der

Klubgeschichte kam es zu einem Spielerstreik,

weil keine Gelder mehr flossen. Am 30. Juni

2008 musste Ehrenvorsitzender Anton Stark

als gerichtlich bestellter Notvorsitzender tatsächlich

einen Insolvenzantrag stellen.

Die „Schwicker“ sprangen dem Tod noch

einmal von der Schippe. 2008/09 stiegen sie

sogar in die NRW-Liga auf und stabilisierten

sich. Zudem erreichte die U19 die Bundesliga

und maß sich 2009/10 für ein Spieljahr mit

dem Nachwuchs von Schalke, Dortmund, Leverkusen

etc. 2015/16 feierte die Fangemeinde

den Aufstieg in die Regionalliga, doch die

Klubführung verzichtete auf ein erneutes

Viertligaabenteuer und blieb lieber in der

Oberliga. Jüngster Höhepunkt war ein spektakuläres

5:4 im Elfmeterschießen gegen Erzivale

Preußen Münster im Westfalenpokal

Ende September 2022, für das extra eine Flutlichtanlage

im Stimberg-Stadion aufgestellt

worden war. Dass die SpVgg noch lebt, ist vielleicht

die beste Nachricht aus der Gegenwart.

SPVGG ERKENSCHWICK

57


Keine Tattoos, keine bunten Schuhe, dafür Teamgeist – Solingen im

Jahr 1975. Von links: Horst Kuballa, Hans-Lothar Richter, Werner Lenz

und Jürgen Lehr


1977 WAR DIE SG UNION AM ENDE UND STAND

VOR EINEM NEUSTART IM AMATEURLAGER.

DANN KAM DAS WUNDER, UND SOLINGEN

WURDE ZUM ETABLIERTEN ZWEITLIGISTEN.

BIS 1989 − SEITDEM GAB ES VIELE

TURBULENZEN IM BERGISCHEN LAND

UNION SOLINGEN

Gegründet: 1897

Union

Solingen

Vereinsfarben: Blau-Gelb

Spielstätte: Union-Stadion

Hermann-Löns-Weg

Größter Erfolg: Pokal-Viertelfinale

1985, Platz 5 2. Bundesliga 1984

14 Jahre 2. Bundesliga, 536 Spiele, Platz 27 in der Ewigen

Zweitligatabelle. Namen wie Wolfgang Krüger, Jürgen Lehr,

Dirk Hupe, Günter Diekmann oder Werner Lenz. Sensationen

wie ein 1:0 sowie ein 4:0 über Schalke 04 und der Einzug ins

Pokal-Viertelfinale 1985 gegen Mönchengladbach. Geblieben

ist – nichts, außer ein paar Einträgen in die Fußballgeschichte.

Das Stadion: Überbaut mit Wohnhäusern. Der Verein: Nach

mehrfachem Konkurs und Umbenennungen in sportlich bedeutungslose

und schwer auseinanderzuhaltende Nachfolger

zerschlagen, die sich bitter verfeindet gegenüberstehen.

Wie würdigt man also ein verschüttetes Erbe?

Solingen, die „Klingenstadt“ im Bergischen Land, deren

metallverarbeitende Industrie Weltruf genießt („Messer aus

Solingen“), hat es fußballgeografisch lange schwer gehabt.

Die Stadt ist umgeben von Klubs mit großem Namen. Wer in

Solingen Fußball gucken wollte, hatte die Qual der Wahl. Bis

zu acht Bundesligisten gab es bisweilen im Umkreis von 40

Kilometern: Schalke, RWE, Dortmund, Wuppertal, Duisburg,

Uerdingen, Düsseldorf, Köln. Zudem war Solingen viel zu

lange Fußballstadt ohne ein die ganze Stadt elektrisierendes

Team. Vor allem, als sich Fußball nach der Bundesligagründung

in den 1960er Jahren rasant professionalisierte steckte

man in Solingen noch zu sehr in lokalen Rivalitäten.

Gehen wir zunächst die nüchternen Fakten durch. Solingen

ist das Resultat eines Zusammenschlusses mehrerer Kleinstädte,

von denen sich jede ihr Zentrum bewahrt hat. Das historische

Solingen heißt heute Solingen-Mitte. Dort entstand

1895 mit dem Solinger FC 1895 der erste Fußballklub der

Stadt. Für die Entwicklung des Leistungsfußballs sind aber

vor allem Ohligs, im Südwesten gelegen, sowie Gräfrath,

im Nordwesten gelegen, wichtig. Zwei Stadtteile, die unter-

63


Heraldik

OFC bzw. 1. FC

Solingen

Union Solingen in Zahlen

VfR Ohligs

Ohliger FC 06

SC Union

Ohligs

VfL Solingen-

Wald 97

3.9.1949 Fusion Ohligser FC, VfR 1907 Ohligs und VfL Ohligs 12 (entstand

1945 durch Fusion zwischen BV 1912 Ohligs [gegründet am

21.8.1912 als BV Adler Ohligs, von 1921-22 in Fusion mit TV 88 Ohligs

zu TBV Ohligs 88/12] = SC Union Ohligs Frühjahr 1974 OSC Solingen

24.7.1974 Fusion mit VfL Solingen-Wald 1897 (1933 Fusion zwischen

Walder Ballspiel-Verein 03, VfB 1932 Wald und Turn- und Sportvereinigung

1897 Wald zum VfL Wald 1897 1970 VfL Solingen-Wald 1897)

= SG Union Solingen 1990 nach Konkurs aufgelöst, Gründung 1. FC

Union Solingen 2012 nach Konkurs aufgelöst, Gründung Ohligser FC

Solingen (bereits 7.12.2010) sowie Umbenennung TSV Aufderhöhe in

BSC Union Solingen 25.6.2018 1. FC Solingen

UNION SOLINGEN IM HOCHKLASSIGEN FUSSBALL

49/50: 2. Liga-West/2 14. 30 9 7 14 49:66 25-35

50/51: 2. Liga-West/2 14. 30 11 3 16 55:60 25-35

51/52: 2. Liga-W.,/2 12. 28 8 7 13 52:79 23-33

52/53 – 62/63: nicht erfasst

63/64: AL Niederrh. i18. 34 8 7 19 46:85 23-45

64/65 – 68/69: nicht erfasst

69/70: AL Niederrhein 3. 30 17 5 8 55:40 39-21

70/71: AL Niederrhein 8. 32 11 10 11 33:45 32-32

71/72: AL Niederrhein 7. 30 13 6 11 45:50 32-28

72/73: AL Niederrhein 1. 30 17 9 4 51:29 43-17

RL-AR West 3. 6 2 2 2 11:11 6-6

73/74: RL West 15. 34 7 11 16 46:68 25-43 3.745

74/75: AL Niederrhein 1. 30 22 7 1 68:25 51-9

2. BL Nord-AR h2. 4 2 0 2 8:7 4-4

75/76: 2. BL-Nord 13. 38 11 14 13 45:56 36-40 4.410

76/77: 2. BL-Nord (i)19. 38 6 8 24 46:96 20-56 2.776

Klassenerhalt durch Lizenzentzug für Bonner SC sowie

SG Union

Solingen

1. FC Union

Solingen

1. FC Union

Solingen

Verzicht von Göttingen 05 und Wacker 04 Berlin

77/78: 2. BL-Nord 9. 38 13 13 12 60:60 39-37 4.883

78/79: 2. BL-Nord 9. 38 14 11 13 47:49 39-37 3.947

79/80: 2. BL-Nord 9. 38 13 12 13 66:55 38-38 4.053

80/81: 2. BL-Nord 7. 42 20 10 12 76:61 50-34 4.224

81/82: 2. BL 16. 38 11 11 16 51:62 33-43 5.583

82/83: 2. BL 16. 38 11 10 17 56:76 32-44 3.545

83/84: 2. BL 5. 38 17 10 11 70:54 44-32 5.347

84/85: 2. BL 6. 38 18 5 15 64:70 41-35 3.186

85/86: 2. BL 15. 38 10 14 14 48:64 34-42 2.252

86/87: 2. BL 12. 38 13 9 16 51:65 35-41 2.130

87/88: 2. BL 15. 38 12 10 16 48:65 34-42 2.193

88/89: 2. BL i20. 38 6 8 24 24:77 20-56 1.982

89/90: AOL Nordrh. i18. 34 8 4 22 33:76 20-48

90/91: VL Niederrhein 4. 32 14 9 9 47:43 37-27

91/92: VL Niederrhein 11. 30 9 9 12 39:51 27-33

92/93: VL Niederrhein 9. 30 11 9 10 43:43 31-29

93/94: VL Niederrh. h1. 32 15 13 4 60:29 43-21

94/95: OL Nordrhein 13. 30 5 13 12 28:52 23-37

95/96: OL Nordrh. i14. 30 7 7 16 35:45 28 335

96/97 – 01/02: nicht erfasst

02/03: OL Nordrhein 14. 32 7 11 14 31:48 32 1.656

03/04: OL Nordrhein 13. 34 11 8 15 47:58 41 1.641

04/05: OL Nordrhein 8. 32 11 10 11 40:43 43 743

05/06: OL Nordrhein 14. 32 8 9 15 51:58 33 709

06/07: OL Nordrh. i17. 34 7 4 23 31:78 25 650

07/08: VL Niederrhein 7. 30 13 5 12 31:34 44

08/09: VL Niederrhein 2. 34 23 7 4 69:29 76

09/10: VL Niederrh. i7. 32 4 4 24 26:72 16 420

Rückzuck und Einstellung des Spielbetrieb 2012t

BSC Union

Solingen

Spielerlegenden

Horst Stockhausen

Der frühere Bielefelder

führte Union

1973 als Spielertrainer

in die Regionalliga.

Wolfgang Krüger

Mit 428 Zweitligaeinsätzen

Rekordspieler

und die Verkörperung

der Erfolgsära.

Als der laufstarke Dauerbrenner

1988 nach 13 Jahren ausgemustert

wurde stieg Union ab.

Jürgen Lehr

Vom Rivalen Wuppertaler

SV gekommen

gehörte er zur

Generation, die Union in die 2.

Bundesliga führte. Gleich im ersten

Jahr traf der ewige Vollbartträger

elfmal.

Dirk Hupe

Der Innenverteidiger

stammt aus der

Union-Jugend und

bildete gemeinsam

mit Vojin Jovanović die „Ohligser

Stadtmauer“ in der Defensive. Später

Bielefeld, Dortmund und Fortuna

Köln.

Werner Lenz

Kam aus dem Talentschuppen

des VfL

Wald, traf in 235

Zweitligaspielen 95 Mal und war

bis 1983 unverzichtbarer Leistungsträger

Wolfgang Schäfer

Kam 1982 von Rot-

Weiß Frankfurt, wurde

in zwei Spielzeiten

zum gefeierten

Torjäger und zog 1984 weiter

nach Uerdingen, wo er 1985 zum

Pokalhelden wurde

Günter Diekmann

1977 aus Bremerhaven

gekommen, kam

als Mittelfeldspieler

auf 317 Zweitligaspiele

für die SG Union.


schiedlicher kaum sein könnten. Gräfrath entstand

ab 1190 um das gleichnamige Kloster,

Ohligs blühte erst sieben Jahrhunderte später

mit dem Anschluss an den Eisenbahnverkehr

auf und wurde in den 1870er Jahren zum

Standort der Schwerindustrie. Wie Nachbar

Wuppertal ist Solingen eine hügelige Stadt

mit teilweise serpentinenartigen Straßen.

2020 meldete man 162.940 Einwohner, war

die Ausländerquote mit 35 % deutlich höher

als im Bundesschnitt (12,7 %).

1948: UNION OHLIGS ALS GROSSVEREIN

Union Solingen ist eigentlich ein Ohligser

Verein. In dem Industriequartier gab es bis

zum Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem

Ohligser FC 1906, dem VfR 07 Ohligs und

dem Ballspielverein 1912 Ohligs drei ambitionierte

Fußballklubs. Der erfolgreichste war

zunächst der OFC 06, der 1929 unter Mittelläufer

Ernst Steeger in die Bezirksklasse aufstieg

und zwei Jahre später die Sonderklasse

erreichte. Anschließend gerieten die an der

Merscheider Straße ansässigen Schwarz-Weißen

in den Schatten von Nachbar VfR 07, der

1931 mit Spielern wie Willi Weck und Fritz

Luke die höchste Spielklasse am Niederrhein

erreichte. Am 11. August 1940 glückte dem

VfR im dritten Aufstiegsrundenanlauf mit

einem 7:1 gegen Borussia Mönchengladbach

der Sprung in die Gauliga, wo die Grün-Weißen

1940/41 gegen Gegner wie Fortuna Düsseldorf,

Schwarz-Weiß sowie Rot-Weiss Essen

lediglich acht Punkte holten und wieder abstiegen.

Der BV 1912 sah seine Aufgabe eher

in der Geselligkeit, weshalb das Team nicht

über die A-Klasse hinauskam.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen Solingen

und sein Fußball am Boden. Solingen wortwörtlich,

denn die alliierten Bomber hatten

ganze Arbeit geleistet, die Fußballvereine im

übertragenen Sinne. Der BV 12 hatte bereits

1945 seine Kräfte mit dem VfL 09 zum VfL

Ohligs 1912 gebündelt, als 1949 auf Initiative

von Dr. Oskar Bachteler, Mitglied des Landtags

und angesehener Funktionär, über eine

Konzentration der Kräfte nachgedacht wurde.

Am 3. September 1949 war es soweit. In der

Festhalle Ohligs kamen Vertreter von OFC 06,

VfR 07 und VfL 12 zusammen, um mit dem

SC Union Ohligs eine gemeinsame Plattform

zu bilden. Man entschied sich für die Solinger

Stadtfarben Blau-Gelb und bekam die Spielberechtigung

für das Stadion am Hermann-

Löns-Weg, das in den späten 1920er Jahren

von Mitgliedern der Arbeitersportbewegung

errichtet worden war. Bis zum Ende der Umbaumaßnahmen

im Juni 1950 trug der Fusionsklub

seine Spiele auf dem alten OFC-06-

Platz an der Merscheider Straße aus.

Vom Verband erhielt man ein besonderes

Geschenk: die Aufnahme in die 2. Liga West.

Die hatte 1949 die kleinräumigen Bezirksligen

ersetzt und fungierte als Vertragsspielerunterbau

der Oberliga West. Sportlich hatte sich

der neue Verein eigentlich nicht qualifiziert.

1948 war der OFC 06 zwar in die Bezirksliga

aufgestiegen, hatte dort aber nur Platz acht

belegt – zu wenig für die neue 2. Liga. Und VfR

07 sowie VfL 12 spielten ohnehin unterklassig.

Die Hoffnungen auf Etablierung im westdeutschen

Vertragsfußballlager zerschlugen

sich rasch wieder. Nach drei biederen Mittelfeldplätzen

unter dem ehemaligen Düsseldorfer

Nationalspieler Paul Bornefeld schied Union

Ohligs 1952 aus der 2. Liga aus, weil Rang

12 nicht zur Qualifikation für die ab 1952/53

eingleisige Liga reichte. Dem letzten Spiel am

20. April 1952 gegen Nachbar Marathon Remscheid

(1:1) wohnten 8.000 Neugierige bei.

Während Remscheid in der „Eingleisigen“ dabei

war, musste Ohligs ins Amateurlager.

Dort traf das Team u.a. auf die Stadtrivalen

1. SpVgg Gräfrath sowohl VfL Wald und verpasste

dreimal in Folge die anvisierte Rückkehr

in die 2. Liga. Als 1955/56 Platz acht

nicht zur Qualifikation für die eingleisige Verbandsliga

reichte, verschwand der acht Jahre

zuvor voller Hoffnungen gegründete SC Union

Ohligs in der viertklassigen Landesliga, wo

die Stadtrivalen Solingen 95 sowie VfL Wald

warteten. Neue Nummer 1 der Klingenstadt

war nun Verbandsligist 1. SpVgg Gräfrath, der

aber 1957 ebenfalls abstieg. Der erhoffte Aufschwung

des Solinger Fußballs war also ausgeblieben

– trotz Jugendnationalspieler Hans-

UNION SOLINGEN

65


Otto „Ötte“ Peters in Diensten des SC Union.

1959 konnten Union-Boss Heinz Boos sowie

Sportausschussvorsitzender Oskar Bachteler

das erweiterte Stadion am Hermann-Löns-

Weg in Betrieb nehmen, womit zumindest

die Infrastruktur für höherklassigen Fußball

bereit stand. Ebenfalls 1959 übernahm Max

Butz den Vorsitz über die Union-Fußballabteilung.

Als der Elf um Nachwuchsspieler

Eckhard Krautzun am 3. Juni 1962 mit einem

3:3 gegen die SSVg Velbert die Rückkehr in die

Verbandsliga gelang, kaufte der neue Fußball-

Boss groß ein.

Ohne Erfolg. 1962/63 schaffte das hochdotierte

Team gerade so den Klassenerhalt

und fand sich am 3. Mai 1964 nach einem

desaströsen 0:5 beim Homberger Spielverein

03 in der Landesliga wieder. Dort wurden die

Blau-Gelben 1964/65 in die Bezirksklasse

durchgereicht, wo sie auf ihre eigene Zweite

trafen. Ein Unikum, das die „Erste“ mit Meisterschaft

und direktem Wiederaufstieg in

die Landesliga immerhin postwendend reparierte.

Doch Ohligs – und damit Solingen

– blieb ein Nebenschauplatz im fußballverrückten

Westen.

ENDLICH AUF KURS REGIONALLIGA

1968 löste Egon Stüllenberg Butz als Fußballchef

ab. Der Unternehmer aus der Alu-

Branche machte Horst Franz zum Spielertrainer

und erfreute sich an einem packenden

Lokalkampf mit der 1. Sportvereinigung

Gräfrath um die Staffelmeisterschaft 1968/69.

Das entscheidende direkte Duell am 18. Mai

1969 lockte 12.000 Fans ins Union-Stadion,

die ein 3:1 der Blau-Gelben feierten, die damit

in die Verbandsliga zurückkehrten. Dort

gelang endlich die Etablierung. Platz drei in

der ersten Saison 1969/70, an dem der aus

Richrath gekommene Torjäger Hans Miss hohen

Anteil hatte, ließ sogar erste Hoffnungen

auf den Aufstieg in die Regionalliga West aufkommen.

Während das Team 1970/71 sportlich auf

Rang acht zurückfiel, erhielt das Union-Stadion

einen Rasenplatz, der für den weiteren

Aufstieg in den bezahlten Fußball unabding-

Klaus Hahn (Mitte, mit zeitgemäßem Scheitel)

und sein Führungsteam aus dem Januar

1972, mit dem der damalige SC Union Ohligs

nach oben strebte.

bar war. Akteure wie Edgar Evenkamp (Bayer

Uerdingen), der frühere Bielefelder Horst

Stockhausen (VfL Klafeld-Geisweid), Jürgen

Lehr (Wuppertaler SV) sowie die Torjäger

Reinhold Nordmann (SSVg Heiligenhaus) und

Werner Hosung (1. SpVgg Gräfrath) kamen.

Fritz Pliska, der Rot-Weiss Essen 1966 in

die Bundesliga geführt hatte, übernahm das

Training. Die wichtigste Personalie aber fand

abseits des Spielfeldes statt. Mit Klaus Hahn

rückte ein ehrgeiziger und junger Möbelkaufmann

auf den Posten des Fußball-Abteilungsleiters,

der Union in den folgenden Jahren

kräftig seinen Stempel aufdrücken sollte.

Der Weg zum Erfolg war steinig. 1972/73

waren erst sieben Spiele absolviert, als Pliska

gehen musste und Horst Stockhausen

als Spielertrainer übernahm. Danach verlor

Union kein Spiel mehr und ging mit einem

5:0 über den VfB Homberg als souveräner

Niederrheinmeister durchs Ziel. In der Aufstiegsrunde

zur Regionalliga West hatten die

Klingenstädter Glück. Nach einem 1:1 gegen

Viktoria Köln vor 9.000 Zuschauern rückten

sie dank der Aufstiege von RWE und Düsseldorf

in die Bundesliga neben Viktoria Köln

und Lüdenscheid vorzeitig in den Bundesliga-

Unterbau auf.

Dort übernahm Wolfgang Wolf das Trainer,

weil Stockhausen sich auf seine Spielertätigkeit

konzentrieren wollte. Dass das erste Regionalligajahr

1973/74 das letzte für den SC

Union sein würde, stand schon vorher fest,


denn 1974 gingen die beiden 2. Bundesligen

an den Start. Weil jene für Aufsteiger Solingen

nur als Regionalligameister erreichbar

waren, nutzte die Klubführung die Saison, um

eine Mannschaft für die Zukunft aufzubauen.

Mit Heinz-Peter Helpenstein (Rheydt), Manfred

Kreis (Köln), dem früheren Bielefelder

Bundesligaspieler Gerd Knoth, Horst Kuballa

(VfB Bottrop) sowie Franz Genschick vom VfL

Benrath wurde der Kader perspektivisch verstärkt.

Das Publikum strömte fröhlich zum

Hermann-Löns-Weg. Zum Auftakt kamen

5.000 gegen Preußen Münster, und Ergebnisse

wie ein 2:0 bei Borussia Dortmund, ein

3:0 gegen Bayer Uerdingen, ein 1:1 in Bielefeld

oder ein 2:1 gegen Schwarz-Weiß Essen

ließen aufhorchen.

In der Rückrunde lief das Team unter dem

Namen Ohligser SC (OSC) Solingen auf. Die eigentlich

geplante Gründung eines 1. FC Solingen

war am 20. Juli 1973 an Verfahrensmängeln

gescheitert, und der neue Name sollte

die Bindung zur Stadt stärken. Dabei hatte

die sich im Sommer 1973 noch gesperrt und

schnippig festgestellt: „Im bezahlten Fußball

haben wir es mit Wirtschaftsunternehmen zu

tun, die ein Risiko eingegangen sind, das sie

selbst tragen müssen“. Auch die Unterstützung

der lokalen Industrie war zurückhaltend,

und Leistungsfußball fiel in Solingen

wahrlich nicht auf goldenen Boden. 1974/75

kam Ex-Bundesligaspieler Jürgen Kohle aus

Wuppertal, während aus dem OSC Solingen

durch Fusion mit dem VfL Solingen-Wald 97

die SG Union Solingen wurde. Der im „Dorp“

genannten Stadtteil Wald ansässige und für

seine Nachwuchsarbeit berühmte Fusionspartner

brachte mit „1897“ auch ein neues

Gründungsjahr in die Ehe. Im gemeinsamen

Vereinsemblem prangte nun symbolisch das

Anker-Wappen der Stadt Solingen

Sportlich stand das Ziel „2. Bundesliga Nord“

auf dem Wunschzettel. Am 8. September 1974

sahen 8.000 Zuschauer aber zunächst einen

packenden Pokalfight gegen Bundesligist Kickers

Offenbach. Dessen Führung kurz nach

dem Seitenwechsel glich Stockhausen, inzwischen

wieder Spielertrainer, per Foulelfmeter

postwendend aus. Quasi mit dem Schlusspfiff

versetzte der aus dem VfL-Wald-Talentschuppen

hervorgegangene Werner Lenz das Publikum

mit dem 2:1-Siegtreffer dann in Ekstase.

Nächster Gegner war Pokalverteidiger Eintracht

Frankfurt, der sich am 27. Oktober vor

12.000 Zuschauern nach früher Union-Führung

durch Lehr in die Verlängerung rettete

und dort glücklich gewann. Doch Amateurligist

Union Solingen hatte ein erstes Ausrufezeichen

gesetzt! Das galt auch für die Liga.

20 Spiele ohne Niederlage, ein triumphales

4:2 vor 5.000 Zuschauern gegen Nachbar VfB

Remscheid sowie ein den Titel besiegelndes

4:1 bei Eintracht Duisburg bedeuteten im Mai

1975 den ersten Schritt in Richtung 2. Bundesliga

Nord. Die Aufstiegsrunde begann mit

einem 2:0 gegen Arminia Hannover, und ein

abschließendes 3:1 über den bereits feststehenden

Aufsteiger Bayer Leverkusen sicherte

Union schließlich Platz 2.

DER EWIGE ZWEITLIGIST

Endlich Profifußball! Während Spielertrainer

Stockhausen in der Sportschule Hennef

für die A-Lizenz büffelte, kamen mit Jörg

Daniel, Karl-Heinz Haymann, Lothar Richter,

Wolfgang Krüger, Reinhold Schmitz und Dieter

Goldbach gestandene Profis, die insgesamt

250.000 DM verschlangen. Viel Geld für

den klammen Verein. Präsident Hahn zeigte

sich großzügig und übernahm die vom DFB

verlangte Bürgschaft von 100.000 DM. Dann

konnte das Kapitel „2. Bundesliga in Solingen“

aufgeschlagen werden und begann mit einem

7:2 bei Mitaufsteiger Spandauer SV am 9. August

1975 perfekt. Vier Spieltage später zierte

Union sogar die Tabellenspitze der Nord-Staffel

und hatte sowohl Preußen Münster geschlagen

als auch beim FC St. Pauli gewonnen.

Schlussendlich ging es allerdings „nur“ um

den Klassenerhalt, den das Team schließlich

unter Herbert Burdenski besiegelte, der am 1.

März 1976 Spielertrainer Stockhausen abgelöst

hatte. Fünf Wochen später wohnten 4.000

Zuschauer der Eröffnung der neuen Tribüne

am Hermann-Löns-Weg bei.

Sowohl Burdenski als auch Stockhausen

UNION SOLINGEN

67


verließen Solingen anschließend, und wegen

der knappen Kassenlage sowie ausbleibender

Unterstützung durch Stadt und Industrie waren

dem Klub die Hände gebunden. Die Verkäufe

von Torhüter Daniels (für 300.000 nach

Düsseldorf) und Schmitz (Tennis Borussia,

100.000 DM) spülten immerhin etwas Geld

in die Kassen, doch von den acht Zugängen

zur Saison 1976/77 verfügte lediglich der

Ex-Hannoveraner Karl-Heinz „Ali“ Höfer über

Bundesligaerfahrung. Aus Viersen kam mit

Hans-Günter Plücken zudem ein Akteur, der

ein Dreamteam im Sturm mit Werner Lenz

bilden sollte.

Das zweite Jahr begann wie ein Gegenbild

des ersten. Zum Auftakt gelang noch ein 1:0

gegen Hannover 96, nach fünf Spieltagen aber

rangierte die SG Union nur auf Platz 19. Mit

Mileta Rnić wurde daraufhin ein Torjäger

vom OFK Belgrad geholt, der am 3. Oktober

1976 beim 3:0 gegen den VfL Osnabrück

prompt traf und die Negativserie stoppte. Mit

Alfred Haffner aus Österreich, Amateurnationalspieler

Hans-Gerd Florian von Schwarz-

Weiß Essen sowie Otto „Atom-Otto“ Luttrop

aus dem 1966er Meisterteam von München

1860 stießen im Herbst noch drei Routiniers

zum Kader. Weder deren Erfahrung noch

zwei Trainerwechsel (Hermann Eppenhoff

kam am 28. November 1976 für Wagner und

warf im März 1977 das Handtuch, woraufhin

Frank Herbeling übernahm) brachten jedoch

die Wende, und nach einem 1:2 gegen Preußen

Münster vor 800 Zuschauern stand Union

Solingen am 21. Mai 1977 als sportlicher

Absteiger fest. Nur ein Wunder konnte den

Verein retten – und manchmal geschehen tatsächlich

Wunder: Erst verlor der Bonner SC

seine Zweitligalizenz, dann verzichteten die

über Solingen platzierten Klubs Göttingen 05

und Wacker 04 Berlin auf ein weiteres Jahr im

Profilager. Also fragte der DFB in Solingen an.

Union-Manager Richard Winking sagte sofort

ja, sanierte mit dem Verkauf von Cryns, Wiesler,

Haymann und Rnić die marode Kasse und

bereitete den Klub auf ein drittes Zweitligajahr

vor. Niemand ahnte, dass damit die goldenen

Jahre des Solinger Fußballs begannen.

QUALIFIKATION ZUR „EINGLEISIGEN“

Mit Horst Franz übernahm ein ehemaliger

Union-Spieler neben der Trainingsleitung

auch das Amt des Sportlichen Leiters. Das

war kein einfaches, denn die Kasse in Solingen

war chronisch leer und der DFB hatte die

Lizenzerteilung mit der Auflage verbunden,

kein Geld für neue Spieler auszugeben Mit

dem jugoslawischen U21-Nationalspieler Vojin

Jovanović, Mittelfeldrackerer „Nobby“ Lenzen

von Zwangsabsteiger Bonner SC, Günter

Diekmann aus Bremerhaven sowie den Routiniers

Hans-Werner Hartl und Dieter Suchanek

bewies der neue Mann ein glückliches Händchen.

Im Laufe der Vorrunde kamen noch Torsteher

Helmut Pabst von Fortuna Köln sowie

der junge Dirk Hupe dazu. Abstiegskandidat

Union blieb zehn Spiele in Folge ungeschlagen

und erreichte mit Platz 9 die bis dahin beste

Zweitligaplatzierung der Vereinsgeschichte.

Solingen, die Klingenstadt im Bergischen Land,

war endgültig angekommen im Bundesliga-

Unterbau!

Finanziert wurde der Zweitligaetat vor

allem durch Transfers. Verschuldung war für

Manager Klaus Hahn tabu, und mit einem

Etat von 800.000 DM rangierte der Klub am

unteren Ende der Ligaskala. Hahn: „Da unser

Konzept keine Einkäufe teurer Spieler

erlaubt, müssen wir sportlich zurückstehen“.

„Ermittelt man den Durchschnittsverdienst,

so liegt das Einkommen mit 30.000 Mark

brutto kaum über dem Niveau gutsituierter

Vereine der Amateuroberliga“, analysierte die

„Fußball-Woche“ unter der Überschrift „Union

Solingen: Ein Musterknabe“.

Weil sich der HSV 1978 Shootingstar Plücken

schnappte und dafür 350.000 DM zahlte

konnte Trainer Franz den Rest seiner Elf

um „Balkan-Beckenbauer“ Vojin Jovanović

und den von Schwarz-Weiß Essen gekommenen

Jürgen „Jumbo“ Elm sowie Sieghard

Heise ausnahmsweise zusammenhalten und

1979/80 triumphieren. Nach einem 1:1 bei

Hannover 96 rangierten die im sechsten Saisonspiel

noch immer ungeschlagenen Blau-

Gelben auf Platz 3, als eine 1:2-Heimpleite gegen

Lüdenscheid die Erfolgsserie reißen ließ


und Union ins Mittelfeld

zurückfiel. Am Ende stand

zum dritten Mal in Folge

Platz 9 – ein Riesenerfolg.

Highlights waren ein 9:1

gegen den OSV Hannover,

bei dem Werner Lenz binnen

vier Minuten einen

Hattrick hinlegte, sowie

zwei Derbysiege gegen den

Wuppertaler SV. „Die Finanzen

stimmen bei uns“,

lobte Trainer Franz, „aber

wir wünschen uns noch

mehr Zuschauer, weil die

Spieler in der kommenden

Saison auf einer Prämienbasis

arbeiten, die die Zuschauerzahlen

einbezieht“.

Ausgerechnet vor der

Qualifikationssaison für die eingleisige 2.

Bundesliga 1980/81 gab es Ärger bei den

Klingenstädtern. Nach dem Rücktritt des besonnenen

Managers Hahn im Januar 1980

war das Union-Schiff unter dem seit 1978 amtierenden

Präsidenten Bernd Wilz, NRW-MdL

für die CDU, ins Schlingern geraten. Vor allem

zwischen Wilz und dem als Lizenzspielerobmann

fungierenden Mäzen Fred Lahmeyer

krachte es. Als die Sparkasse Anfang Juni 1980

ein Kreditkonto sperrte, konnte Union keine

Gehälter mehr auszahlen. Präsident Wilz rief

daraufhin eine außerordentliche Mitgliederversammlung

ein, appellierte an Bevölkerung,

Industrie und Kommune, sich zu Union und

dem Ziel „Eingleisige“ zu bekennen und holte

Manager Hahn zurück ins Boot. Als der umstrittene

Lahmeyer seinen Hut nahm, war die

Krise bewältigt.

Sportlich bewies die lediglich durch Amateure

ergänzte Franz-Elf bemerkenswerte

Konstanz, blieb vor allem dank der Abwehr

um Torwart Pabst, Libero Jovanović und Vorstopper

Hupe acht Spiele in Folge ungeschlagen

und sicherte sich mit Rang sieben souverän

einen Startplatz in der „Eingleisigen“.

Allerdings verlor man unterwegs Erfolgscoach

Franz, der nach dem 2:1 über Tennis

Volles Haus in der „Eingleisigen“ gegen den Freiburger FC

Borussia am 24. November 1980 den Verlockungen

von Bundesligist Arminia Bielefeld

erlag, wo die finanziellen Möglichkeiten ungleich

besser waren. Nachfolger Gerhard Prokop

erhielt von Holstein Kiel zunächst keine

Freigabe, weshalb offiziell Frank Herbeling

die Übungsleitung übernahm. Das Filetstück

der Elf war die Offensive um Werner Lenz (20

Saisontore), den im November 1980 vom designierten

Absteiger OSV Hannover geholten

Bernd Krumbein (14) sowie den schussgewaltigen

Mittelfeldspieler Willi Seegler (14).

Mit der Qualifikation zur „Eingleisigen“

gehörte Union zu den Top-40 im deutschen

Profifußball, hatte aber nach den Abgängen

von Hupe, Lenz und Jovanović Startschwierigkeiten.

Der schließlich von Kiel freigegebene

Trainer Prokop musste nach elf Spielen,

in denen das durch den Jugoslawen Miladin

Lazić noch verstärkte Team immerhin ein

5:2 über den Freiburger FC sowie ein 1:1

auf Schalke feierte, gehen. Unter Nachfolger

Erhard Ahmann kletterte Union dank seiner

Heimstärke allmählich aus dem Tabellenkeller.

Das Stadion am Hermann-Löns-Weg war

bei den Gegnern aber nicht nur wegen der

Heimelf gefürchtet. Der rudimentäre Kabinentrakt

galt als Zumutung und das Publikum

UNION SOLINGEN

69


Der vielleicht größte Tag der Solinger Zweitligageschichte: Am 13. Februar 1983

wurde Schalke 04 am Hermann-Löns-Weg mit 1:0 geschlagen

war zwar launisch, aber potenziell auch enorm

engagiert. Highlight war das 1:0 am 13.

Februar 1982 vor 14.000 begeisterten Fans

über den FC Schalke 04, für das der von Rot-

Weiß Frankfurt gekommene Wolfgang Schäfer

sorgte. Mit einem 1:0 am letzten Spieltag gegen

Bayer Uerdingen buchte Union mit Platz

16 ein weiteres Zweitligajahr und freute sich

über die Installation einer Flutlichtanlage.

GOLDENE ZWEITLIGAJAHRE

„Nicht wieder zittern“ hieß das Motto

1982/83, der achten Zweitligasaison in Folge

für Union Solingen. In der Vorsaison hatte

der Klub mit 5.583 Zuschauern pro Spiel

einen Rekord verbucht, der Mut machte. Lothar

Kleim übernahm das Training, mit Hans

Klinkhammer sowie Horst Raubold kamen

erfahrene Kräfte von München 1860. Dazu

stießen die Talente Dirk Römer sowie Daniel

Jurgeleit. Ein ordentlicher Saisonstart (u.a.

3:0 gegen Aufsteiger BV Lüttringhausen) verhalf

den Blau-Gelben zu einem angenehmen

Punktepolster auf die Abstiegszone, das in

der durchwachsenen Rückrunde zunehmend

dünner wurde. Nach dem 1:3 bei Hannover 96

am 12. April 1983 auf einen Abstiegsplatz gerutscht,

zog Präsident Wilz die Reißleine und

holte seinen ehemaligen Schulfreund Eckhard

Krautzun. Der Trainer-Weltenbummler

führte das Team zu vier Heimsiegen, womit

die Blau-Gelben dank des um zwei Treffer

besseren Torverhältnisses vor dem FC Augsburg

hauchdünn auf einem rettenden Platz

einlief. Welches Potenzial die Mannschaft besaß,

hatte sie am 16. Oktober 1982 gezeigt,

als Bundesligist Borussia Mönchengladbach

in der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals

am Hermann-Löns-Weg gastierte. Vor 15.000

Fans im ausverkauften Union-Stadion hielt

der Zweitligist trotz frühem 0:1-Rückstand

ausgezeichnet mit und stand mehrfach vor

dem Ausgleich, als Hans-Günter Bruns in der

Schlussminute mit dem 2:0 den Sack für den

Bundesligisten zumachte.

Nachdem Torjäger Werner Lenz seine Profikarriere

nach 236 Zweitligaspielen und 95

Toren beendet hatte, drohte 1983/84 ein

weiteres Jahr Abstiegskampf. Obwohl Union

erst am sechsten Spieltag die erste Saisonniederlage

kassierte, war die Stimmung am

Hermann-Löns-Weg zunächst nicht gut. Der

neue Lizenzspieler-Obmann und millionenschwere

Bauunternehmer Gerd Kliemt aus

Langenfeld verbreitete Unruhe, und nach

einem 1:6-Debakel bei Hessen Kassel muss-


te das erst zu Saisonbeginn installierte und

zweitligaunerfahrene Trainerduo Hans-Georg

Linnert/Dieter Baehr am 17. September 1983

gehen. Während Kliemt nach nur drei Monaten

wieder die Brocken hinwarf, kam Eckhard

Krautzun zurück, stellte den früheren Bielefelder

Volker Diergardt zwischen die Pfosten

und startete mit einem sagenumwobenen 4:0

vor 12.000 Zuschauern gegen Schalke 04. Es

war die Initialzündung für eine Saison, in der

das offensivstarke Team (70 Saisontore, davon

21 durch Wolfgang Schäfer, 15 von Daniel

Jurgeleit, zehn von Engelbert Buschmann sowie

drei von Neuzugang Demir Hotić) bis in

den Frühling hinein um Platz drei und damit

den Aufstieg in die Bundesliga mitspielte. Erst

eine 0:1-Niederlage vor 12.000 Zuschauern

am Hermann-Löns-Weg im Spitzenspiel gegen

den MSV Duisburg ließ die heimlichen Erstligaträume

am 34. Spieltag zerplatzen. Dennoch:

Ein Jahr nach dem nervenaufreibenden

Zittern um den Klassenerhalt lief Union als

Fünfter ein, strömten durchschnittlich 5.347

Zahlende durch die Stadiontore – glücklicher

Solinger Schatzmeister!

Es sollte der Höhepunkt der lokalen Fußballgeschichte

bleiben. Goalgetter Schäfer

wechselte anschließend nach Uerdingen und

linderte mit seiner Ablöse immerhin das inzwischen

auf 1,7 Mio. DM angewachsene Loch

in der Kasse. Auf dem Spielfeld wiederum

hinterließ er eine nicht zu stopfende Lücke. In

der Hinrunde 1984/85 blieb Union noch auf

Tuchfühlung zu den Spitzenplätzen, doch nach

sieben sieglosen Spielen in Folge im Frühjahr

verlor das Team den Kontakt zur Spitze. Am

Ende reichte es immerhin zu Platz sechs, doch

das negative Torverhältnis sprach Bände. Der

durchschnittliche Zuschauerzuspruch war um

2.000 auf 3.186 eingebrochen, und am Hermann-Löns-Weg

übernahm erneut Küchenmeister

Schmalhans die Regie. „Wir müssen

erfolgreich arbeiten und sportlich attraktiv

bleiben“ forderte der neue Präsident Hans-

Peter Ludwigs, Nachfolger von MdB Bernd

Wilz, und installierte mit Rolf Müller erstmals

in der Klubgeschichte einen Manager.

UMBRUCH UND POKALEUPHORIE

Der musste im Sommer 1985 gleich einen

Umbruch managen. Die Stammspieler „Siggi“

Heise, „Jumbo“ Elm und Miladin Lazić gingen

ebenso wie die erst 1984 gekommenen

Günter Franusch und Wolfgang Trapp. Im Gegenzug

kamen u.a. „Hannes“ Reif, Waldemar

Steubing sowie Manfred Pomp, der sich am

siebten Spieltag allerdings schwer verletzen

sollte. Saisonziel war „ein Platz in der Spitzengruppe,

wobei wir“, so Neu-Präsident Ludwigs,

„insgesamt damit liebäugeln, ganz vorne

möglichst lange ein Wörtchen mitzureden“.

Nächster Abgang war Erfolgscoach Krautzun,

der nach dem 4:3 gegen Blau-Weiß 90 am 27.

September 1985 die Koffer packte und zu Ligakonkurrent

Tennis Borussia wechselte. Immerhin:

Während Krautzun mit seinem neuen

Team abstieg, schaffte der vermeintliche

Spitzenklub Union den Klassenerhalt. Doch

es war ein zähes Ringen. Krautzun Nachfolger

Rolf Müller gab nach fünf Monaten und

neun sieglosen Spielen in Folge auf, Präsident

Ludwigs trat ebenfalls zurück und sein Nachfolger

(und Vorgänger) Klaus Hahn setzte

angesichts des Schuldenberges den Rotstift

an. Seine Strategie: „Talente, die ihre Chance

suchen und nicht auf jede Mark schauen, haben

künftig bei Union eine Chance.“ Sportlich

steuerte Ex-Mittelfeldmotor Günter Diekmann

den Minikader aus 17 Spielern schließlich auf

Platz 15 und damit zum Klassenerhalt. Doch

der Zuschauerzuspruch rutschte auf 2.252

und damit den geringsten Schnitt in bis dahin

elf Jahren 2. Bundesliga.

Nur im Pokal gab es Grund zum Jubel, erreichte

die SG Union erstmals das Viertelfinale.

Die Blau-Gelben hatten allerdings etwas

Losglück, als sie mit dem VfL Kellinghusen

(4:1), der SpVgg Bayreuth (2:1) sowie Eintracht

Haiger (8:0) vergleichsweise leichte

Gegner aus dem Weg räumen durften. Am 16.

Februar 1985 stand den Blau-Gelben dann im

schneebedeckten Union-Stadion ein großer

Name gegenüber, der zudem aus der Nachbarschaft

kam: Borussia Mönchengladbach.

Offiziell 15.500 Zuschauer auf den Rängen

(tatsächlich waren es wohl 20.000, die auch

UNION SOLINGEN

71


Auf Schneeboden stand Union im Februar 1985 Borussia Mönchengladbach

gegenüber. Rund 20.000 Zuschauer sahen ein unglückliches 1:2

auf den umliegenden Bäumen

saßen) bejubelten in der 52.

Minute den Ausgleich von

Dauerbrenner Günter Diekmann, nach dem

sich ein offener Schlagabtausch entwickelte.

Als Uwe Rahn in der 66. Minute Gladbach erneut

in Führung brachte, blieb Union Solingen

nur der Titel des „Siegers der Herzen“.

Die guten Jahre waren nun vorbei. 1986/87

und 1988/89 kamen im Schnitt nur noch rund

2.200 Fans, ehe 1988/89 die Grenze von 2.000

sogar unterschritten wurde und man lediglich

1.982 Zahlende pro Auftritt begrüßte. Solingens

Profifußball blutete aus. Sportlich gelang

1986/87 unter Manfred Krafft und mit dem

Duisburger Zugang Franz-Josef „Pino“ Steininger

dank Zwischenspurt von zehn Spielen

ohne Niederlage und wegweisenden Siegen

gegen die Abstiegskonkurrenten SSV Ulm

1846 und Fortuna Köln immerhin Platz 12, bei

allerdings lediglich drei Punkten Vorsprung

auf den ersten Abstiegsrang. Im Saisonverlauf

hatte Präsident Hahn laut über eine mögliche

Lizenzrückgabe nachgedacht, denn „Vorrang

hat die wirtschaftliche Konsolidierung“.

Nach Saisonende wechselte Trainer Krafft

zu Ligarivale Stuttgarter Kickers, verlor die SG

Union mit Demir Hotić, „Manni“ Dum, „Pino“

Steininger sowie Günter Diekmann erneut

vier Leistungsträger. Unter dem aus Viersen

gekommenen Trainer Manfred Schlebusch

und mit dem Mini-Etat von 1,3 Mio. DM, startete

man 1987/88 mit neun Spielen ohne Sieg

und rutschte sofort in die Abstiegszone. Erst

mit dem 1:0 bei Schlusslicht Arminia Bielefeld

(Dirk Römer, 64.) verließ Union am 35.

Spieltag erstmals die Abstiegsränge und wurde

schließlich 15. Doch das Damoklesschwert

des Abstiegs schwebte nach dem zwischenzeitlichen

Höhenflug wieder über dem Solinger

Dauerzweitligisten, bei dem die Kassenlage

aufgrund der Altschulden sowie der

anhaltenden Zurückhaltung von Stadt und

Industrie unverändert angespannt war.

1988/89 endete die Zweitligaära der SG

Union Solingen. Mit Torhüter Volker Diergardt

hatten die Blau-Gelben einen weiteren

Leistungsträger an Rot-Weiss Essen verloren.

Zudem gab man Wolfgang Krüger, mit 428

Auftritten Rekordspieler der Solinger Zweitligaepoche,

keinen neuen Vertrag, woraufhin

er zum VfB Langenfeld wechselte, wo bereits

mehrere frühere Teamkollegen kickten. Auf

der anderen Seite wurde erstmals für viel

Geld ein Kader zusammengestellt, der trotz

insgesamt 28 Akteuren, drei Trainern und


Demir Hotić im Luftkampf mit dem Hannoveraner

Heidenreich am 8. November 1986. Union verlor 2:4

einem Manager Horst vom Bruch, der nur

51 Tage da blieb, lediglich 20 Punkte aus 38

Spielen einsammelte. Am sechsten Spieltag

rutschte Union mit einem 0:3 auf eigenem

Platz gegen Wattenscheid 09 auf den letzten

Tabellenplatz, den die Mannschaft nicht mehr

verließ. Verletzungssorgen und sich auf der

Geschäftsstelle stapelnde Mahnbescheide

ließ die Führungsebene um Präsident Hahn

verzweifeln.

DER ABSTURZ

Was nach dem Abstieg ins Amateurlager

blieb war ein Fangesang, in dem es hieß:

„14 Jahre zweite Liga — ein großer Erfolg.

Ja wir sind aus gutem Holz.“ 1989/90 wurde

Zweitligaabsteiger Union in der Oberliga

Nordrhein in die Verbandsliga durchgereicht

und war am Ende. Konkurs, Auflösung,

Neugründung als 1. FC Union Solingen. Dem

gelang 1994 die Rückkehr in die Oberliga,

doch das Fußballidyll am Hermann-Löns-Weg

war Geschichte. Nach zwei Spielzeiten ging es

wieder in die Verbandsliga, marschierte der

1. FC Union 1997/98 noch eine Etage tiefer in

die Landesliga. 1999 überstand der Klub ein

Insolvenzverfahren, kehrte 2000 unter Trainer

Gerd Zewe mit einem 1:1 vor 8.000 Fans

gegen TuRU Düsseldorf in die Verbandsliga

zurück und feierte 2002 sogar die Rückkehr

in die Oberliga Nordrhein, wo die Blau-Gelben

als Zuschauermagnet noch einmal an bessere

Zeiten anknüpften. Doch der „schlafende Riese“

erwachte nicht mehr. 2007 verschwand

UNION SOLINGEN

73


Das Union-Stadion am Hermann-Löns-Weg vor seinem Abriss

Union erneut in der Verbandsliga, kam es zum

dritten Mal nach 1990 und 1999 zu einem

Insolvenzverfahren (das aber bald zurückgenommen

werden konnte). Zudem drohte

Heimatlosigkeit, da das Stadion am Hermann-

Löns-Weg einem nur noch nicht final terminierten

Abriss geweiht war.

Als Ex-Profi Thomas Brdaric im März 2009

als Sportlicher Leiter an den Hermann-Löns-

Weg kam, löste er noch einmal Aufbruchsstimmung

aus. Doch Brdaric verstand sich

nicht mit Coach Frank Zilles, und als jener am

12. Mai 2009 die Papiere bekam, zerplatzte

der Traum vom bereits sicher geglaubten

Aufstieg in die NRW-Liga. Am Saisonende hatte

Union drei Punkte Rückstand auf Meister

VfB Speldorf und verpasste die NRW-Liga. Es

war der Todesstoß. Geschäftsführer Christian

Deutzmann, Co-Trainer Enver Ališić sowie

Thomas Brdarić verließen den Verein, der

2009/10 in die Landesliga abstieg. Zwischenzeitlich

hatte am 30. Mai 2010 das letzte Spiel

an historischer Stätte am Hermann-Löns-Weg

stattgefunden. Gegner war der KFC Uerdingen

um den Brasilianer Aílton – ein passendes

Duell, nicht nur für Fußball-Romantiker. Solingen

verlor 3:6. Am 29. Juni 2010 meldete

der Verein zum vierten Mal seit 1990 Insolvenz

an und zerbrach. Nach Übertritt von

Teilen der ersten Mannschaft und Teilen der

Jugendabteilung zum Bezirksligisten BSC

Aufderhöhe gab jener sich 2012 den Namen

BSC Union Solingen 1897, während der 1. FC

Union 2011/12 den Spielbetrieb nach einem

Jahr Pause in der Bezirksliga wieder aufnahm,

aus jener jedoch abstieg. Kurz darauf wurde

das Insolvenzverfahren mit der Auflösung des

Klubs geschlossen.

Nachfolger wurde der bereits am 7. Dezember

2010 gegründete Ohligser FC (OFC) Solingen,

der sich seit dem 25. Juni 2018 1. FC

Solingen nennt und mit dem BSC Union (Ex-

BSG Aufderhöhe) darüber streitet, wer der legitime

Nachfolger der ruhmreichen Union ist.

Man attackiert und ignoriert sich, die meisten

„alten“ Fans gehen zum 1. FC, der auf der Herbert-Schade-Sportanlage

an der Krahenhöhe

Kreisliga-A-Fußball anbietet, während der

BSC Union in der Parallelstaffel spielt. „Es war

nicht ein Fehler, der in die Kreisliga A geführt

hat — es waren viele“, sagte der langjährige

Coach Horst Franz 2017 gegenüber einer Lokalzeitung:

„Man hatte nie Geld, aber immer

so getan als ob. Die Union hat sich selbst zerstört.

Es gab zu viele Leute, die sich an dem

Verein bereichern wollten“.


POKALSCHRECK UND STREITBARER

KLUB AUS DER PROVINZ. IN DEN 1970ER

UND 1980ER JAHREN WAR DER TUS

LANGERWEHE REGELMÄSSIG FÜR ÜBERRA-

SCHUNGEN GUT UND SCHAFFTE ES DAMIT

IN DIE ÜBERREGIONALE PRESSE

TUS LANGERWEHE

TuS 08

Langerwehe

Gegründet: 1908

Vereinsfarben: Blau-Weiß

Spielstätten: Stadion Langerwehe

oder An der Alten Kirche

Größter Erfolg: Achtelfinale DFB-

Pokal 1977 und 1980

Es als Amateurklub auf die Titelseite der „Bild“-Zeitung zu

bringen ist kein einfaches Kunststück. Dem Turn- und Sport-

Verein aus der 14.000-Einwohnergemeinde Langerwehe,

gelegen zwischen Düren und Eschweiler, ist dies am 31. Januar

1980 gelungen. Die Provinzkicker raubten damals sogar

„Kaiser“ Franz Beckenbauer die Aufmerksamkeit, denn just

als jener den rheinischen Meistermacher Hennes Weisweiler

zu Cosmos New York holte, warf der TuS 08 Langerwehe

Bundesligist Hertha BSC aus dem Vereinspokal. Die Sensation

basierte nicht zuletzt darauf, dass die Amateurelf den renommierten

Erstligisten gleich über insgesamt 210 Minuten

in Schach hielt. Nach einem vor allem vom spanischen TuS-

Torhüter Pepe Rodrigues festgehaltenen 0:0 nach Verlängerung

vor 3.000 Zuschauern bei minus 13 Grad Außentemperatur

im Berliner Olympiastadion hatten 14.000 euphorische

Fans im pickepackevollen Langerweher Stadion einen 2:1-

Sieg ihrer Helden bejubelt, die sich selbst vom 0:1-Halbzeitrückstand

nicht hatten aufhalten lassen. Zwei Minuten vor

Schluss der regulären Spielzeit traf Stump zum Siegtreffer

und stürzte die kleine Töpfergemeinde am Naturpark Hohes

Venn-Eifel in eine unvergessene Feierorgie. Pech für das

Amateurteam, dass man im Achtelfinale ausgerechnet auf

FC-Bayern-Bezwinger SpVgg Bayreuth traf und an jenem mit

2:5 in der Verlängerung scheiterte.

Langerwehe war damals kein Unbekannter im westdeutschen

Spitzenfußball. Seit 1973 mischten die Blau-Weißen

im regionalen Amateuroberhaus mit und hatten mehrfach

auf sich aufmerksam gemacht. Über mehr als ein halbes

Jahrhundert hatte man sich in Langerwehe mit Fußball auf

Kreis- und Bezirksebene zufrieden geben. Der 1906 gegrün-

75


dete FK Alemannia war zwei Jahre später mit

dem lokalen Turnverein zum Sportverein

Langerwehe verschmolzen, aus dem nach

dem Zweiten Weltkrieg der TuS geworden

war. In den 1960er Jahren begann dessen Aufstieg.

Federführend waren die Funktionäre

Jakob Kuckertz sen., Heinrich Freitag sowie

der beim FC Schalke 04 als Mäzen engagierte

Franz Schain sen., auf dessen Initiative die

Königsblauen insgesamt dreimal zu Freundschaftsspielen

auf dem Langerweher Sportplatz

„Alte Kirche“ gastierten. Dabei wurden

Träume geweckt von höherklassigem Fußball

in Langerwehe und die Basis gelegt, dass aus

einer bis dahin vor allem für ihre Töpfertradition

bekannten Gemeinde ein berühmtes

„Fußballdorf“ wurde.

STOLLENWERK BRACHTE ERFOLGE

1970 übernahm Ex-Nationalspieler Georg

Stollenwerk, eng befreundet mit Schalke-Fan

Franz Schain, das Training. Danach ging alles

ganz schnell. 1973 erklommen die Blau-Weißen

die höchste Amateurklasse am Mittelrhein,

wurden dort 1975/76 Vizemeister und

schafften 1978 die Qualifikation zur großräumigen

Oberliga Nordrhein. Das kleine Langerwehe

im Konzert der Großen!

Nebenbei wurde der TuS 08 zum Pokalschreck.

1974 gab man sich Zweitligist Rot-

Weiß Oberhausen erst in der Verlängerung

mit 2:4 geschlagen. 1977/78 erreichte die

Stollenwerk-Elf über den TuS Celle (3:0) und

die Zweitligisten Würzburg 04 (1:0 n.V.) sowie

VfL Osnabrück (2:0) erstmals das Achtelfinale,

in dem 10.000 Zuschauer im inzwischen erbauten

Stadion am Schul- und Sportzentrum

ein 1:3 gegen den MSV Duisburg sahen. Neben

Mittelfeld-Regisseur Rolf Brandenburg ragten

der Sturm um Andy Stumpf, Peter Klünter

und Klaus Esser, Libero Gert Kallscheuer sowie

Vorstopper Hermann Grümmer, der im

Pokalspiel selbst Würzburg Ex-Nationalspieler

Lothar Emmerich fest im Griff gehabt hatte,

heraus.

1979/80 dann der erwähnte 210-Minuten-Coup

über die Hertha, dem Siege gegen

Hamborn 07 (4:2) und bei Eintracht Trier

(2:0) vorausgegangen waren. Inzwischen leitete

Manfred Schlebusch das Training, der in

Langerwehe die Tugenden einer klassischen

Pokalmannschaft aus Lokalidentität, Kampfgeist

und keckem Spielwitz pflegte. Eckpfeiler

waren inzwischen Außenverteidiger Frank

Voihs, den sich die Hertha nach ihrem Pokalaus

schnappen sollte, der 1980 zum Zweitligaaufsteiger

1. FC Bocholt wechselnde Andy

Stumpf sowie Kapitän und Abwehrchef Fredy

Simons. Langerwehes Erfolgsbasis bildete

aber nicht zuletzt die Nachwuchsarbeit, die

unter der Obhut des langjährigen Jugendleiters

Robert Kurth mit Hubert Schmitz, Rolf

Dohmen und Heinz Otten drei spätere Profis

hervorbrachte.

1980 kam Trainer Dieter Kettenhofer aus

Baesweiler, brachte mit Robert Knops, Bernhard

Adamczak und Erwin Palm drei Schützlinge

mit und holte zudem Torjäger Helmut

Rombach von Absteiger Westwacht Aachen.

Doch es lief nicht. Beim 1:7 gegen Borussia

Mönchengladbach ungewöhnlich sang- und

klanglos aus dem Pokal geflogen, stieg der

TuS 1981 sogar überraschend aus der Oberliga

ab. Unter dem früheren Düsseldorfer Mittelfeldspieler

Robert Begerau 1981/82 umgehend

ins Amateur-Oberhaus zurückgekehrt,

missglückte dort die überfällige Verjüngung.

Nachdem mit Fredy Simons und Hermann

Grümmer zwei Haudegen der goldenen Ära

ihre Stiefel an den Nagel gehängt hatten, ging

es 1984 abermals hinab in die Verbandsliga.

Nur noch knapp 400 Neugierige verfolgten

die Heimspiele im Abstiegsjahr.

Der ambitionierte Amateurfußball veränderte

sich, und für einen regional verankerten

Verein wie Langerwehe wurde die Luft dünner.

Im selben Jahr trat der Vorsitzender Jakob

Kuckertz sen. aus Altersgründen nach

über 50 Jahren von seinem Führungsamt

zurück. Nachfolger wurde Ex-Ligaspieler Fredy

Simons, während Hermann Grümmer als

Trainer den Aufbau einer neuen Mannschaft

anleitete.

Auf Basis der erfolgreichen A-Jugend,

1984/85 in der höchsten Junioren-Klasse

am Mittelrhein vertreten, entstand ein Team


Langerwehe bejubelt die Pokalsensation gegen Hertha BSC im Januar 1980

um die Eigengewächse Dietmar Meyer und

Manfred Stärk, dem 1990 die Rückkehr in die

Oberliga gelang. Dort folgten zwei durchwachsene

Oberligajahre, ehe es 1992 abermals zurück

auf Landesebene ging. Zwischenzeitlich

war Langerwehe 1990/91 immerhin erstmals

in der Klubgeschichte im Ligaspiel auf Zweitligaabsteiger

Alemannia Aachen getroffen

und hatte dem heimischen Publikum damit

ein weiteres historisches Highlight beschert.

DER TIEFE ABSTURZ

In den 1990ern nahm das Drama seinen

Lauf. 1994 in die nunmehr viertklassige

Oberliga zurückgekehrt, musste Langerwehe

1999 den fünften und zugleich letzten Abstieg

aus dem Nordrhein-Oberhaus hinnehmen.

Inzwischen war die finanzielle Lage im Töpferdorf

katastrophal, und im November 1999

wurde die Ligamannschaft des einstigen Pokalschrecks

aus wirtschaftlichen Gründen

schließlich während der laufenden Saison

vom Spielbetrieb abgemeldet. Der stolze TuS

08 Langerwehe lag am Boden.

Erst 2002 zeichnete sich wieder Hoffnung

ab. Unter Trainer Günter Kirch, einst sowohl

Spieler als auch Trainer beim TuS 08, wurde

erstmals wieder eine Mannschaft für den Ligaspielbetrieb

gemeldet. Auf Anhieb gelang

der Aufstieg in die Kreisliga B, dem der Durchmarsch

in die Kreisliga folgte. 2015 dann der

Traum, als die Blau-Weißen 17 Jahre nach

ihrem Finanzcrash in die Bezirksliga und damit

ins Scheinwerferlicht zurückkehrten. Seit

2017 spielt man auch wieder in seiner alten

Heimstatt „An der Alten Kirche“, wo inzwischen

ein Kunstrasenplatz installiert ist.

TUS LANGERWEHE

77


Red Star

(Paris)

Ein großer Name, von Ruhm und dichter Patina

geprägt mit allerlei Erfolgen, die gefeiert

wurden, als die Bilder noch Schwarzweiß waren.

Red Star erinnert an die Spielvereinigung

Fürth, und in den 1920er Jahren gehörte das

Duell zwischen den Parisern und dem Kleeblatt

aus Franken tatsächlich zu den attraktivsten

Paarungen in Europa. Während sich

Fürth seit langem erfolgreich in der Zweitklassigkeit

eingerichtet hat und sogar zweimal

ganz oben vorbeischaute, agiert Red Star seit

Jahrzehnten ziemlich erratisch und pendelte

zwischen zweiter und fünfter Liga. Mal gibt

man sich großmäulig und will das Stade de

France befüllen, dann wieder ist man demütig

und stolz auf sein Stade Bauer, das liebevoll

charismatisch aus der Zeit gefallen ist.

Unter den Vereinsgründern

war mit Jules

Rimet (Foto) einer der

Initiatoren der FIFA

und deren späterer Präsident.

Paris im Gründungsjahr

1897 war eine

Stadt im Aufbruch. Das

betraf auch den Sport,

der sich in vielerlei Richtungen entwickelte.

Radfahren, Leichtathletik, Rugby, Fußball –

das waren die wichtigsten Zweige. Rimet und

seine Mitstreiter, allesamt aus besserem Hause

stammend, lebten im 7. Arrondissement

und waren wie viele ihrer Zeitgenossen in

politischen Diskussionen verwickelt. Mit Gros

Caillou Sportif gab es bereits einen Sportverein

im Arrondissement, dessen Führung aber

den sozialistischen Radikalen nahestand.

Rimet, sein Schwager Jean de Pessac sowie

Georges Delavenne beschlossen daher, einen

eigenen Klub aufzubauen. Sie holten sich Unterstützung

durch Charles de Saint-Cyr, der

bereits beim Racing Club de France Vereinserfahrung

gesammelt hatte, Ernest Weber,

dem Mitbegründer des Club français (erster

von Franzosen geleiteter Fußballverein der

Stadt), sowie Modeste Rimet, dem jüngeren

Bruder von Jules.

Am 21. Februar 1897 traf sich die Gruppe

im Bistro Villiermet an der Ecke Av. de La

Bourdonnais/Rue de Grenelle und rief den

Red Star Club français ins Leben – die Ortsbezeichnung

„Paris“ gehörte zu keiner Zeit zum

offiziellen Namen. Neben Fußball bot man

auch Leichtathletik, Radsport, Fechten, Rugby

und Ringen an. Red Star war ein Verein im toleranten

Geist der Dritten Französischen Republik,

humanistischen Werten verpflichtet

und gegen das Ständesystem gerichtet. Man

wollte Kultur und Sport miteinander verbinden;

als ethische Grundlage diente das englische

„Fair Play“.

Über die Herkunft des Namens gibt es unterschiedliche

Theorien. Laut Rimet wurde er

von „Miss Jenny“, der jungen englischen Haushälterin

in seinem Elternhaus, vorgeschlagen.

Sie war mit einem Schiff der Transatlantikgesellschaft

„Red Star Line“ nach Frankreich

gekommen. Andere Quellen geben eine Verbindung

zum um die Jahrhundertwende populären

Bisonjäger Buffalo Bill an, der die

Rimet-Brüder bei einem Paris-Besuch 1897

inspiriert haben soll. Problem: Bill war 1889

und 1905 in Paris, nicht aber 1897. Politisch

gemeint war Red Star jedenfalls nicht, auch

wenn die häufig kommunistisch bzw. sozialistisch

ausgerichtete spätere Heimatkommune

Saint-Ouen („Banlieue rouge“, rote Vorstadt)

perfekt dazu gepasst hätte.

DIE GOLDENEN ZWANZIGER

Die ersten Erfolge feierte Red Star im Radsport

und der Leichtathletik. Émile Georget


gewann mehrere Etappen der Tour de France Red Star war auf dem Weg nach oben, als

und war 1911 erster Bezwinger des Galibier, der Erste Weltkrieg den Spielbetrieb stoppte.

Nach Kriegsende stand man vor einem

Georges Clément nahm 1900 an den Olympischen

Spielen teil. Im Fußball blieb die in marineblau-weiß

gestreiften Jerseys auftretende 1917 gelungen, mit der Coupe de France erst-

Neuanfang. Immerhin war es Henri Delaunay

Elf zunächst ein kleines Licht. Allerdings war mals einen alle Mannschaften umfassenden

die Organisation des Fußballspielbetriebes in Wettbewerb einzuführen. Daraus entwickelte

Paris eine Katastrophe. Zahlreiche Verbände,

zumeist weltanschaulich ausgerichtet, womit das Verbandschaos in Paris endlich

sich 1919 der heutige Nationalverband FFFF,

spielten eigene Meisterschaften aus. Einen sie ein Ende fand. Mit Paul Nicolas verpflichtete

vereinenden Stadt- oder gar Nationalverband Red Star einen talentierten Ausnahmestürmer,

wurde 1919 letzter Meister der LFA und

gab es nicht.

1907 fusionierte Red Star français mit dem gewann am 24. April 1921 mit einem schwer

Amical Football Club zum Red Star Amical umkämpften 2:1 gegen Olympique Paris vor

Club. Zwei Jahre später verließ der Klub Paris

und ließ sich in Saint-Ouen nieder, einer Vincennes erstmals den Pokal. Im Halbfinale

20.000 Zuschauern im Stade Pershing in

Industriestadt nördlich von Paris. Dort gab hatte man bereits Stadtrivale Racing Club de

es eine beliebte Rennbahn sowie einen berühmten

Flohmarkt. Und das Stade Bauer, das Es war der Auftakt einer Ära, der Red Star

France mit 4:3 bezwungen.

am 24. Oktober 1909 eingeweiht wurde. Es seinen Stempel aufdrücken sollte. Gemeinsam

wurde zur Heimat von Red Star, der sich unabhängig

vom neuen Vereinssitz Saint-Ouen dem Racing Club de France dominierte man

mit Stade français, dem Club français sowie

weiterhin als Pariser Verein verstand.

Frankreichs Fußball der 1920er Jahre. 1922 besiegte

Red Star im Pokalendspiel Stade Rennais

Klubchef Rimet engagierte sich unterdessen

auf Funktionärsebene und versuchte sich mit 2:0 (Paul Nicolas und Raymond Sentubéry

trafen vor 25.000 Zuschauern) und feierte

nach Gründung der FIFA am 21. Mai 1904 in

Paris an der weitaus schwierigeren Aufgabe 1923 mit einem 4:2 über den aufstrebenden

der Einigung aller Pariser Fußballvereine. südfranzösischen Provinzklub FC Cette (heute

Erst mit Gründung der „Ligue de football association“

(LFA) am 27. August 1910 gelang ein Obwohl Berufsfußball in Frankreich unverän-

FC Sète) den dritten Coupe-Triumph in Folge.

erster Durchbruch. Rimet trat daraufhin als dert verboten war, bestand das Team nahezu

Präsident von Red Star zurück und widmete ausnahmslos aus Profis. Zudem war es ein rein

sich seiner Arbeit bei der FIFA. Sein Nachfolger

wurde Geschäftsmann Jean Lacôme, unter Gamblin, später Journalist, Paul Nicolas sowie

französischer Kader, aus dem Kapitän Lucien

dem Red Star rasant nach oben marschierte. Torhüter Pierre Chayriguès herausragten.

Wie Rimet zeigte sich Lacôme offen für das Red Star wurde zum Liebling der Pariser

in Frankreich verbotene Profitum und holte High Society, die den Fußball vor allem über

Auswahlspieler wie Torhüter Pierre Chayriguès,

Torjäger Eugène Maës, Verteidiger Al-

lieferte Spektakel! Gastspiele von Teams wie

Spektakel für sich entdeckte. Und Red Star

fred Gindrat, die Stürmer Julien Verbrugghe Daring Club Brüssel, Beerschot, Real Madrid,

und Jolien de Rhéart sowie Eugène „Lulu“ Saint-Gilloise, Servette Genf, der berühmten

Nicolaï ins Stade Bauer. Dazu kamen Kapitän Chapman-Elf von Huddersfield Town oder

Lucien Gamblin und Trainer Roland Richard, Boca Juniors aus Buenos Aires – im 1922

der ein Team formte, das 1912 erstmals Meister

der LFA wurde. Um dem Publikum etwas ris“ genannten Stade Bauer gab es regelmäßig

durch zwei Tribünen zum nun „Stade de Pa-

zu bieten, lud Lacôme am 1. Mai 1913 zudem Großereignisse zu bestaunen. Auch außerhalb

den britischen Profiklub Tottenham Hotspurs Frankreichs galt Red Star als exzellente Adresse,

was der Mannschaft zahlreiche Auslands- zum Gastspiel ein. 169

Red Star

169


Red Star

Vor dem Pokal-Halbfinale 1923 gegen den späteren Fusionspartner Olympique

tourneen einbrachte, die dem Klub wiederum

die Kassen füllten. Das Ende der Erfolgsserie

deutete sich im Januar 1924 an. Nach 20 Spielen

ohne Niederlage in Folge unterlag Red

Star im Pokal-Achtelfinale dem FC Cètte mit

0:1. Anschließend hörten mit Gamblin, Meyer,

Broues und Chayrigués vier Stammspieler auf

und die Erfolge wurden rarer.

Am 28. April 1926 kam es zur Sensation,

als Red Star unter wütenden Protesten seiner

Fans ausgerechnet mit Erzrivale Olympique

zu Red Star Olympique fusionierte. Olympique

hatte Platzprobleme, und der Zusammenschluss

zweier führender Mannschaften

schien ein passender Schritt zu sein. Statt in

Blau-Weiß lief Red Star nun in Weiß auf. Und

feierte tatsächlich Erfolge! 1928 wurde Stade

français im Pokal-Halbfinale mit 8:2 vom Platz

gefegt, sicherte sich Red Star Olympique am

8. Mai 1928 vor 30.000 Zuschauern im Stade

de Colombes mit einem 3:1 über den Cerlce

athlétique de Paris zum vierten Mal seit 1921

den Pokal. Im Team stand noch immer Paul

Nicolas (der allerdings im Januar 1929 nach

Amiens wechseln sollte), dazugekommen waren

u.a. der Norweger Egil Brenna Lund, Paul

Wartel, Paul Baron sowie Torhüter Alex Thépot

aus dem eigenen Nachwuchs.

PROFILIGA OHNE RED STAR

Als Nationalverband FFFF den Klub im Januar

1929 sperrte, weil Red Star den argentinischen

Verteidiger Oratio Díaz ohne Genehmigung

hatte spielen lassen, trat Präsident

Lacôme zurück. Nachfolger wurde mit dem Unternehmer

Le Corre einer der vehementesten

Befürworter des Profifußballs in Frankreich,

der schließlich zur Saison 1932/33 eingeführt

wurde. Red Star war selbstverständlich unter

den Gründungsmitgliedern der anfangs noch

zweistaffeligen „Division Nationale“. Dort ging

jedoch alles schief. Zum Auftakt unterlag man

vor 5.000 Zuschauern Olympique Antibes mit

2:3, besiegte im Oktober 1932 noch überraschend

den zweifachen spanischen Meister

Athletic Bilbao, kam dann in der Liga aber

nicht über Platz 8 hinaus und verpasste damit

die ab 1933/34 mit 14 Mannschaften spielende

eingleisige Nationalliga. Ausgerechnet

Red Star, einer der renommiertesten Protagonisten

des Profifußballs und überragendes

Team der 1920er Jahre, fehlte zum Auftakt

der landesweiten Profiliga.

Die goldenen Jahre des Vereins waren damit

vorbei. 1935 erreichte man mit einem 3:2 im

Aufstiegsspiel gegen Olympique d‘Alès zwar

die neue Profiliga, wo Red Star trotz inter-


nationaler Besetzung (das Flügelpaar Alfred

Aston und André Simonyi war französisch,

Löwinger Österreicher, Edmunds Engländer,

Sas und Acht Ungarn, O‘Neill Ire und Keenan

Schotte) nicht über Mittelmaß hinauskam.

1938 stiegen die Audoniens („Einwohner von

Saint-Ouen“) in die 2. Liga ab, kehrten 1939

sofort zurück und gerieten anschließend in

die Wirren des Zweiten Weltkriegs und der

Besetzung Nordfrankreichs. Die Nationalliga

musste ihren Spielbetrieb einstellen, das

Stade de Paris wurde von der Wehrmacht

okkupiert. Mit Akteuren wie Aston, Simonyi,

Torhüter Julien Darui, dem Italiener Helenio

Herrera sowie Kapitän Georges Meuris wurde

Red Star 1941 noch Meister der „besetzten

Zone“ und gewann am 17. Mai 1942 vor

44.654 Zuschauern im Stade de Colombes

durch ein 2:0 über den FC Sète (ex-FC Cètte)

zum fünften Mal den Pokal, dann wurde der

Vereinsspielbetrieb in Frankreich kriegsbedingt

eingestellt.

ZWISCHEN EHRGEIZ UND VERZWEIFLUNG

Als es 1944/45 weiterging, war Red Star

unter den 24 Teams der wiederbelebten zweigleisigen

Nationalliga und qualifizierte sich

für die 1945/46 eingleisige Profiklasse. Zudem

stand man am 26. Mai 1946 zum sechsten

Mal seit 1921 im Pokalfinale, kassierte

aber vor 59.692 Zuschauern gegen Lille OSC

erstmals eine Finalniederlage. Nach Streitigkeiten

um das Stade de Paris (Bauer) in

Saint-Ouen, die Präsident Le Corre zum Rücktritt

veranlassten, einigte sich dessen Nachfolger

Pierre Leroy mit der 1945 gewählten

kommunistischen Stadtverwaltung auf eine

Fusion zum Großverein Red Star Olympique

Audonien (Red Star AO). Der große Red Star

war nun ein kommunaler Sportverein, der

vor schwierigen Jahren stand. 1947/48 nach

einer desaströsen Saison aus der Division Nationale

abgestiegen, zog die Stadtverwaltung

ihre Zusage zurück und Red Star stand ohne

Stadion da. Es kam zur hektisch organisierten

und mit 99 Ja- und 92 Nein-Stimmen (bei 366

Enthaltungen!) hauchdünn durchgedrückten

Fusion des Teams mit dem des Stadtrivalens

Stade français zu Stade français-Red Star, die

zum Desaster wurde.

Als das gemeinsame Team 1950 nur knapp

dem Abstieg entging, löste man das fragile

Bündnis, woraufhin Red Star die Aufnahme

in die zweite Liga verweigert wurde und der

Klub von 1950 bis 1952 nicht am Ligabetrieb

teilnahm. Erst als Amiens und Le Mans 1952

auf ihre Startplätze in der Division 2 verzichteten,

konnte Red Star in den Profispielbetrieb

und ins Stade Bauer zurückkehren.

Der Zuschauerzuspruch war regelrecht eingebrochen.

1947/48 hatte man noch 10.153

im Schnitt registriert, 1952/53 waren es nur

noch 3.854.

Unter dem neuen Präsidenten Gilbert Zenatti,

einem Algerier, der einst für Gallia

d‘Alger gespielt hatte und viel privates Geld

investierte, wurde das Team offensiv verstärkt.

1953 kamen der Schwede Bror Mellberg,

der in drei Spielzeiten 72 Tore erzielte

sowie die französischen Nationalspieler Quenolle,

Amalfi und Lamy von Racing. 1955 verpasste

das Team knapp den Aufstieg.

1959 kamen mit Armand Penverne und

René Bliard zwei weitere Nationalspieler von

Stade de Reims. Im letzten Heimspiel gegen

Troyes hatte Red Star vor 16.000 Zuschauern

im Bauer nach einem Treffer von Bruat den

Aufstieg vor Augen, als Troyes kurz vor dem

Schlusspfiff ausglich und die Erstligaträume

zerstörte. Es sollte noch schlimmer kommen,

denn ein Fan hatte ohne Wissen der Klubführung

einem gegnerischen Spieler ein unlauteres

Angebot gemacht, weshalb der Verband

wegen Korruption ermittelte. Als Präsident

Zenatti einem geforderten Rücktritt nicht Folge

leistete, wurde Red Star aus der zweiten

Liga ausgeschlossen und kehrte erst 1961 in

den Spielbetrieb zurück.

Mit einer von Jean Avellanda trainierten

jungen Mannschaft um die späteren Nationalspieler

Jean-Claude Bras und Daniel Rodighiero

schaffte Red Star 1965 nach 15 Jahren

schließlich die Rückkehr ins Oberhaus. Dort

gelangen 1965/66 lediglich fünf Siege in 38

Spielen, womit das einstige Aushängeschild

des Pariser Fußballs erneut nur zweitklassig 171

Red Star


Red Star

war. Es folgte 1967 der kuriose Auftritt von

Jean-Baptise Doumeng, Präsident des südfranzösischen

Toulouse FC und „le milliardaire

rouge“ genannten bekennender Anhänger

der Sowjetunion. Doumeng lag im Clinch

mit dem sozialistischen Bürgermeister von

Toulouse und stand zugleich in freundschaftlichem

Kontakt mit der kommunistischen

Stadtverwaltung von Saint-Ouen. Kurzerhand

bot er eine Fusion an, die Saint-Ouen zurück

auf die Landkarte der Erstligastädte bringen

sollte. Der Toulouse FC benannte sich daraufhin

in Red Star Football Club um und wechselte

ins Stade Bauer, wo man über Nacht wieder

Erstligafußball anbieten konnte und Spieler

wie den Argentinier José Farias, Carlos Monin

und Julio Pavon aus Paraguay sowie die

ehemaligen Toulouser Philippe Le Donche,

Michel Barta, Jean Mouthon und Abder Soukhane

begrüßte.

Der Verband war wenig begeistert und

modifizierte seine Satzung, um derartige „Fusionen“

in Zukunft zu verhindern. Immerhin

sechs Spielzeiten lang blieb Red Star anschließend

erstklassig, doch es waren durchwachsene

Jahre. Noch einmal strömte das Pariser

Publikum, kam man auf einen Schnitt von

etwa 8.000 pro Spiel, doch sportlich reichte es

nur zu Mittelmaß. Als Red Star 1972/73 abstieg,

war Platz 13 in der Saison 1969/70 der

größte Erfolg gewesen.

Die beiden Präsidenten Doumeng und Zenatti

zogen sich anschließend zurück. Paul

Sanchez, Stellvertreter des Bürgermeisters

von Saint-Ouen, übernahm. Teure Namen wurden

eingekauft, der direkte Wiederaufstieg

gefeiert – doch 1974/75 lief man unter dem

argentinischen Trainer José Farías und mit

Spielern wie Néstor Combin, Roger Magnusson

sowie dem zurückgekehrten Jean-Claude

Bras als abgeschlagener Tabellenletzter ein.

Es war die bis heute letzte Erstligaspielzeit

von Red Star, der im Schnitt immerhin 8.994

Zuschauer beiwohnten.

Die Stadtverwaltung übergab den Klub nun

dem jungen Unternehmer Jean-Claude Massot,

der 1975/76 unter Leitung von Roger

Lemerre im Play-off gegen Stade Laval den

erneuten Wiederaufstieg verpasste (0:1, 1:2).

Massot wurde daraufhin abgesetzt, und im

Sommer 1976 kündigte die Stadtverwaltung

ihren Rückzug aus dem Verein an. Am 23. Mai

1978, Red Star stand in der Tabelle der D2

zwei Punkte hinter dem späteren Aufsteiger

Paris FC auf Platz 3, stellte die Stadt Saint-

Ouen einen Insolvenzantrag. Der große Klub

stand vor den Trümmern seiner Existenz und

Frankreichs Presse weinte: „Mit Red Star verliert

der französische Fußball eine große populäre

Romanze. Das alte Stadion Bauer war

einer der wenigen Orte, die noch kein Snob-

Treffpunkt waren. Es war nicht Paris. Es war

besser.“

DAS DRAMA UM DAS STADE BAUER

Als Association sportive du Red Star ging es

am 24. September 1978 vor 366 Zuschauern

in der Pariser Ehrendivision unter dem nunmehrigen

Präsidenten und Ex-Nationalspieler

Jean-Claude Bras weiter. Mit drei aufeinanderfolgenden

Aufstiegen kehrte Red Star 1982

tatsächlich in die Division 2 und damit das

Profilager zurück. Zwischenzeitlich war die

Zahl „93“ in den Klubnamen aufgenommen

worden – die Ordnungsziffer des Département

Seine-Saint-Denis, das als Finanzpartner

des Klubs auftrat. Doch die Etablierung

im Profilager mißlang. Kaum 1.000 Zuschauer

kamen zu den Spielen ins Stade Bauer, 1987

stieg das Team ab, kehrte zwar umgehend zurück,

kämpfte aber anschließend vergeblich

um Akzeptanz beim Pariser Publikum.

1991 übernahm mit Robert Herbin einer

der renommiertesten Trainer des Landes, der

Saint-Étienne in einen europäischen Spitzenklub

verwandelt hatte, die Übungsleitung und

reaktivierte die Nachwuchsarbeit. Er führte

ein junges Team um Steve Marlet, Samuel Michel

und Ted Agasson 1992 ins Pokal-Viertelfinale

(0:1 gegen Cannes) und verpasste 1993

nur knapp die Rückkehr in die Division 1.

1995 ging Herbin in den Ruhestand, kündigte

Präsident Bras an, in die erste Liga aufsteigen

zu wollen. Bis April 1996 war das Ziel greifbar,

dann verlor die Mannschaft den Kontakt

zu den Aufstiegsrängen.


Red Star

1967/68 kehrte Red Star nach „Fusion“ mit Toulouse zurück in die erste Liga. Hinten v.l.: Monin,

Moy, Bernard, Baeza, Ahache, Mérelle. Vorn: Garrigues, Richard, Le Donche, Farias, Barta

Zwei Jahre später ordnete der Ligaverband

den Auszug aus dem Stade Bauer an, weil es

nicht mehr den Normen entsprach. Während

die Ausschreibung für die Renovierung lief,

bewarb sich Präsident Bras zum Ärger der

Kommunalverwaltung von Saint-Ouen für das

WM-Stadion Stade de France im benachbarten

Saint-Denis. Das war am 10. März 1999

Schauplatz des Zweitligaduells zwischen

Red Star und Saint-Étienne vor 48.010 Zuschauern.

Als Red Star im selben Jahr in die

drittklassige National abstieg, hatte der Klub

ein Problem: Das Bauer gesperrt, die Interimsheimat

Stade de Marville ein trostloser

Zweckkomplex. 2001 stieg das Team aus der

National ab, verlor sein Profi-Statut und wurde

2002 in die viertklassige CFA 2 bzw. 2003

in die fünftklassige Division d’Honneur strafversetzt.

Immerhin konnte der Klub dadurch im Oktober

2002 ins Stade Bauer zurückkehren,

dessen Zustand allerdings marode war. Dennoch

überwog Erleichterung – Red Star war

wieder „zuhause“. 2003 übernahm ein von

Éric Charrier initiiertes Projekt den Verein,

tilgte dessen Verbindlichkeiten in Höhe von

1,5 Mio. Euro, holte mit Benoît Delanoe und

Bruno Davoine zwei wohlhabende Freunde

ins Boot und gliederte die Mannschaft als Red

Star FC 93 aus. 2005 gelang die Rückkehr in

die CFA 2. Vier Jahre darauf verkaufte Charrier

den Klub an Patrice Haddad, einem Mann

aus der Kommunikations- und PR-Branche.

2011 gelang mit dem zurückgekehrten Steve

Marlet die Rückkehr in die National, nachdem

mit Grenoble, Gap und Cannes drei Vereine

ausgeschlossen worden waren. Die sich

anschließenden Jahre waren vom ständigen

Abstiegskampf geprägt. Größter Moment war

ein Pokalspiel gegen Olympique Marseille, zu

dem Red Star am 10. März 1999 48.018 Zuschauer

im Stade de France begrüßte. Am Saisonende

stand erneut der Abstieg.

Der Traditionsverein hatte sein Image inzwischen

verändert und war zum Kiezklub

mit einem Besucherschnitt von unter 3.000

geworden. Dessen Anhängerschaft ist politisch

links ausgerichtet, womit sie zur Tradition

von Saint-Ouen und (indirekt) zum

Klubnamen passte. Der einstige Vorreiter für

den Profifußball wurde zum Kultklub, wobei

Präsident Haddad davon träumte, Red Star

173 173


Red Star

Der Erhalt des Stade Bauer (offiziell „Stade de Paris“) liegt den Fans sehr am Herzen

als Alternative zum mit katarischen Geldern

aufgepäppelten Pariser Kunstprodukt PSG

zu positionieren. Dazu plante er den Neubau

eines Stadions in den alten Docks, während er

im Stade Bauer keine Zukunft sah.

Als 2015 nach 16 Jahren die Rückkehr in

die League 2 gelang, wurde die seit Jahren

ergebnislos diskutierte Zukunft des Stadions

zum Problem. Zweitligafußball war dort nicht

möglich. Schon im Pokal-Achtelfinale gegen

Saint-Étienne (1:2) hatte man im Stade Jean-

Bouin spielen müssen. Nun musste das Team

gar nach Beauvais ausweichen, rund 80 Kilometer

nördlich von Paris. Die Zuschauerzahlen

brachen ein, nach zwei Jahren ging es zurück

in die National und damit immerhin ins

geliebte Stade Bauer. 2018/19 endete ein weiteres

Gastspiel in der L2 ebenfalls im Abstieg.

Mit der Vergabe der Olympischen Spiele

2024 an Paris änderte sich erneut alles. Nun

stand wieder eine Renovierung des Bauer auf

der Tagesordnung. Im April 2022 verkaufte

Haddad den Verein zudem an den US-amerikanischen

Investmentfonds „777 partners“,

über dessen Ziele Unklarheit herrscht. Die

Fans fürchten, Red Star könne mit seiner erfolgreichen

Jugendakademie zu einem reinen

Ausbildungsklub werden. Und dem Stade

Bauer, das vielen mit seiner wie aus der Zeit

gefallenen Architektur und Atmosphäre so

am Herzen liegt, droht in einen funktionalen

Klotz verwandelt zu werden.

Red Star, einer der ganz großen Pioniervereine

des Fußballs in Frankreich, steht mal

wieder vor umwälzenden Zeiten.


ZEITSPIEL-Legenden

Register Bände 1-3

Aachen, Alemannia Band 2

Alsum, VfvB Band 3

Altenkessel, SC 07 Band 1

Altona 93 Band 1

Ansbach, SpVgg Band 2

Aschaffenburg, Viktoria Band 3

Bergshausen, FSV Band 2

Berlin, FC Vorwärts Band 1

Berlin, Tasmania Band 2

Berlin, Füchse Band 3

Bingen, Hassia Band 3

Birkenfeld, SC Band 1

Bornreihe, SV Blau-Weiß Band 3

Brackwede, SV Band 1

Braunschweig, Leu Band 1

Braunschweig, MTV Band 1

Bremen, FC Stern Band 1

Bremen, TuS Eintracht Band 3

Bremerhaven, 93 Band 2

Bremerhaven, FC Band 2

Bremerhaven, OSC Band 2

Brieske-Senftenberg,

Aktivist/Glückauf Band 2

Dorsten, BVH Band 1

Düneberg, SV Band 2

Eislingen, 1. FC Band 3

Emmendingen, FC Band 1

Ensdof, FC Band 3

Erkenschwick, SpVgg Band 3

Frankfurt/O., SC Band 1

Frankfurt/O., Vorwärts Band 1

Frechen, 20 Band 2

Freiburg, FC Band 2

Gera, BSG Wismut Band 1

Göttingen-Grone, FC Band 3

Gröditz, FV/TSG Band 1

Hamborn, Spfr. 07 Band 1

Hamburg-Altona 93 Band 1

Hameln, Preußen Band 2

Hänigsen, TSV Friesen Band 1

Hannover, OSV Band 3

Harsewinkel, TSG Band 2

Hennef, FC 05 Band 1

Herdorf, Sportfreunde Band 1

Herxheim, Viktoria Band 2

Hof, Bayern Band 1

Hohenlockstedt, Lola Band 1

Höntrop, SV Band 2

Ilmenau, Chemie/Germ. Band 2

Jülich, SC 10 Band 1

Kassel, CSC 03 Band 1

Koblenz, TuS Band 3

Köln, SC West Band 3

Krumhermersdorf,

Fortschritt/Aufbau Band 3

Lampertheim, Olympia Band 1

Landshut, SpVgg Band 3

Langerwehe, TuS Band 3

Leipzig, BSG Chemie Band 3

Lichtenfels, 1. FC Band 2

Lörrach-Stetten, SG Band 1

Lübeck, Phönix Band 2

Lütgendortmund, Hellweg Band 1

Mannheim, FC Lindenhof Band 1

Minden, SpVgg 05 Band 3

Neckargerach, SV Band 3

Neubrandenburg,

Baumechanik Band 1

Neunkirchen, Borussia Band 1

Neuwied, VfL Band 2

Oldenburg, VfB Band 3

Oppau, BSC Band 1

Osnabrück, Eintracht Band 1

Osterode, VfR 08 Band 2

Penzberg, FC Band 1

Pirmasens, FK Band 2

Rathenow, FSV Optik Band 2

Recklinghausen, 1. FC Band 2

Salmrohr, FSV Band 2

Sangerhausen, VfB/MK Band 1

Schleswig, SV 06 Band 3

Siegen, Sportfreunde Band 2

Solingen, Union Band 3

Sosa, BSG Empor Band 2

Stendal, Lokomotive Band 3

Trinwillershagen,

Rotes Banner Band 2

Ulm, SSV 1846 Band 3

Vilshofen, FC Band 2

Wuppertal, SV Band 1

Zittau, Robur/VfB Band 3

Welt

Blackpool Band 2

Buenos Aires, Huracán Band 1

Notts County Band 1

Orlando Pirates Band 2

Paris, Red Star Band 3

Reims, Stade Band 2

Sunderland, AFC Band 3

Wiener SC Band 1

Infos und Bestellung

www.zeitspiel-magazin.de

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