139_Ausgabe Februar 2015
Ratsarchiv Erste Görlitzer Kaffeehausgeschichten – Ein Tässchen Kaffee, in der warmen Oktobersonne genossen, plauschen oder still das Treiben auf der Straße betrachten, welch kleiner, aber wunderbarer Genuss! Eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Kaffeehäuser laden heute die Görlitzer und ihre Gäste dazu ein. Der Beginn der Geschichte der hiesigen Kaffeehauskultur wurde aber bisher recht stiefmütterlich behandelt. Im Jahre 1647 öffnete auf dem venezianischen Markusplatz das erste Kaffeehaus seine Pforten. Der Siegeszug des anregenden Kaffees, dessen Genuss man bei den Osmanen kennengelernt hatte, begann in ganz Europa. Im 17. Jahrhundert geschah das in Bremen, Hamburg, Wien und Regensburg. Auch in Görlitz gab man sich seit dem 18. Jahrhundert dem „nüchternen Rausch“, wie Voltaire die Wirkung dieses Getränkes beschrieb, mit wachsender Begeisterung hin. Auch in Görlitz gehörte der Kaffee seit dem 18. Jahrhundert unbedingt auf den Frühstückstisch. Allerdings waren Kaffeebohnen teuer. Im Jahre 1802 schrieb der berühmte Görlitzer Arzt Christian August Struve sehr kritisch über diese neue Sitte: „Auch hier hat der Kaffee das gesündere Bier verdrängt; er wird aber bei seiner Kostbarkeit mit den bekannten Surrogaten getrunken, wo nichts übrig bleibt als warmes Wasser, ein elendes Getränk an Geschmack und Wirkung.“ Im Jahre 1798 kaufte Karl Krüger, der Besitzer des Gasthofes zum Braunen Hirsch, das damalige Gartengrundstück, auf dem sich heute das Wichernhaus befindet, um den wohl ersten Görlitzer Kaffeegarten einzurichten. Bis zum Jahre 1820 konzessionierte der Magistrat fünf Kaffeegartenlokale. Ein Blick auf die Konzession des Wirtsehepaares Kählich (Grundstück ehem. Handelskammerhaus auf dem Mühlweg) erlaubt uns eine Vorstellung von der frühen hiesigen Kaffeehauskultur. Im Jahre 1816 erhielt er die Erlaubnis zur Errichtung eines „Coffee- und Speisehauses“ während des Sommers in seinem Garten. Neben Kaffee, Tee und Punsch durfte Görlitzer Bier, aber kein Wein kredenzt werden. Kalte und warme Speisen wurden ebenfalls offeriert. Zudem konnten seine Gäste Billard spielen und die Ke- anzeige 12 Geschichte
Schätze des Ratsarchivs Café Herrmann, Postplatz 13/14, um 1916 gelbahn benutzen. Carl Gottlieb Kählisch durfte gleichermaßen in den Wintermonaten in der Stadt selbst, in seinem Hause Obermarkt 3, Kaffee ausschenken. So entstand in diesem Hause das erste Café innerhalb der Stadtmauern. Interessant ist auch ein Blick auf die berufliche Herkunft der Wirte. Görlitz befand sich zur Zeit der Gründung der meisten Kaffeegärten um 1815 in einem traurigen Zustand. Die verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Befreiungskriege, aber auch der Wegfall der napoleonischen Kontinentalsperre führten zur Verarmung und zu existentiellen Nöten besonders vieler Handwerker. Sie anzeige Geschichte 13
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Ratsarchiv<br />
Erste Görlitzer Kaffeehausgeschichten –<br />
Ein Tässchen Kaffee, in der warmen Oktobersonne<br />
genossen, plauschen oder<br />
still das Treiben auf der Straße betrachten,<br />
welch kleiner, aber wunderbarer Genuss!<br />
Eine Vielzahl höchst unterschiedlicher<br />
Kaffeehäuser laden heute die<br />
Görlitzer und ihre Gäste dazu ein. Der<br />
Beginn der Geschichte der hiesigen Kaffeehauskultur<br />
wurde aber bisher recht<br />
stiefmütterlich behandelt. Im Jahre 1647<br />
öffnete auf dem venezianischen Markusplatz<br />
das erste Kaffeehaus seine Pforten.<br />
Der Siegeszug des anregenden Kaffees,<br />
dessen Genuss man bei den Osmanen<br />
kennengelernt hatte, begann in ganz<br />
Europa. Im 17. Jahrhundert geschah das<br />
in Bremen, Hamburg, Wien und Regensburg.<br />
Auch in Görlitz gab man sich seit<br />
dem 18. Jahrhundert dem „nüchternen<br />
Rausch“, wie Voltaire die Wirkung dieses<br />
Getränkes beschrieb, mit wachsender<br />
Begeisterung hin. Auch in Görlitz gehörte<br />
der Kaffee seit dem 18. Jahrhundert<br />
unbedingt auf den Frühstückstisch. Allerdings<br />
waren Kaffeebohnen teuer. Im Jahre<br />
1802 schrieb der berühmte Görlitzer<br />
Arzt Christian August Struve sehr kritisch<br />
über diese neue Sitte: „Auch hier hat der<br />
Kaffee das gesündere Bier verdrängt;<br />
er wird aber bei seiner Kostbarkeit mit<br />
den bekannten Surrogaten getrunken,<br />
wo nichts übrig bleibt als warmes Wasser,<br />
ein elendes Getränk an Geschmack<br />
und Wirkung.“ Im Jahre 1798 kaufte<br />
Karl Krüger, der Besitzer des Gasthofes<br />
zum Braunen Hirsch, das damalige<br />
Gartengrundstück, auf dem sich heute<br />
das Wichernhaus befindet, um den wohl<br />
ersten Görlitzer Kaffeegarten einzurichten.<br />
Bis zum Jahre 1820 konzessionierte<br />
der Magistrat fünf Kaffeegartenlokale.<br />
Ein Blick auf die Konzession des Wirtsehepaares<br />
Kählich (Grundstück ehem.<br />
Handelskammerhaus auf dem Mühlweg)<br />
erlaubt uns eine Vorstellung von der frühen<br />
hiesigen Kaffeehauskultur. Im Jahre<br />
1816 erhielt er die Erlaubnis zur Errichtung<br />
eines „Coffee- und Speisehauses“<br />
während des Sommers in seinem Garten.<br />
Neben Kaffee, Tee und Punsch durfte<br />
Görlitzer Bier, aber kein Wein kredenzt<br />
werden. Kalte und warme Speisen wurden<br />
ebenfalls offeriert. Zudem konnten<br />
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