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136_Ausgabe November 2014

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Görlitzer<br />

Pierre mit seiner Drehorgel<br />

Stadtzentrum<br />

großer Zahl um den Spieler versammelt<br />

und sogar ein Tänzchen versucht hatten,<br />

halfen nun beim Einsammeln der Spenden.<br />

Manchmal saß ein Äffchen auf dem Kasten,<br />

und das brachte den kleinen Zuhörern<br />

zusätzlich Freude ins alltägliche Einerlei.<br />

Das galt nicht nur für Berlin, wo<br />

Heinrich Zille diese Szenen zeichnete, Kurt<br />

Tucholsky bedichtete und Claire Waldoff<br />

besang. Auch in Görlitz mit seinen damals<br />

fast 100000 Einwohnern kannte und liebte<br />

man das. Ein hiesiger Spieler durfte<br />

sich 1937 sogar im Görlitzer Sender produzieren<br />

und für die Presse fotografieren<br />

lassen. Als die Städtischen Kunstsammlungen<br />

1979 in ihrem Haus Neißstraße<br />

30 eine Sonderausstellung über Görlitz in<br />

den 1920er Jahren zeigten, erklang auf<br />

der museumseigenen Drehorgel sogar<br />

der populäre Mackie-Messer-Song, natürlich<br />

mit Gesang. Beim Muschelminna-Fest<br />

2008 erlebte man das Rentner-Ehepaar<br />

Eichhorn, kurz zuvor aus Hessen zugezogen,<br />

mit ihrem hörens- und sehenswerten<br />

Gerät. Gelegentlich kamen auch Spieler<br />

von auswärts zu kurzen Auftritten.<br />

Seit diesem Jahr nun begegnen wir zwischen<br />

dem Café Central, Berliner Straße,<br />

und der Brüderstraße an den Wochenenden<br />

einem neuen Gesicht und einer funktionstüchtigen<br />

Drehorgel. Bis hinauf zu den<br />

Wohnungsfenstern hörte man vertraute<br />

alte Melodien: „Wenn die Elisabeth nicht<br />

so schöne Beine hätt“, „Ich hab das Frollein<br />

Helen baden sehn…“, „Berliner Luft“<br />

und den „Sportpalastwalzer“, dann auch<br />

Titel aus jüngerer Vergangenheit wie:<br />

„Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling“<br />

oder vom Jubilar Udo Jürgens „Griechischer<br />

Wein“, „Siebzehn Jahr, blondes<br />

Haar“ und „Mit 66 Jahren, da fängt das<br />

Leben an“. Bei manchem miesepetrigen<br />

Passanten rutschen dann die nach unten<br />

gezogenen Mundwinkel kurz nach oben.<br />

Der Spieler mit dem runden Strohhut, früher<br />

Kreissäge genannt, und dem blauen<br />

Anzug mit Weste ist 22 Jahre alt. Pierre Pilz<br />

wurde in Weißwasser geboren und ging<br />

dort zur Schule. Seine Eltern bekamen<br />

dann in und bei Görlitz interessante Arbeitsmöglichkeiten,<br />

der Vater als Keramik-<br />

Ausbilder im „Lebenshof“, die Mutter in<br />

der christlichen Jugendarbeit. Pierre sang<br />

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Geschichte<br />

19

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