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136_Ausgabe November 2014

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Foto: Hochmuth


Vorwort<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

trotz der von den Medien inszenierten Feierlaune<br />

25 Jahre nach dem Mauerfall beherrschen<br />

seit Monaten erschütternde<br />

Nachrichten und Filmberichte die öffentliche<br />

Wahrnehmung - zerbombte Trümmerwüsten<br />

im Gazastreifen, in Syrien, dem Irak, Afghanistan,<br />

Libyen, in Afrika und anderswo, Seuchen,<br />

Hungersnöte und nun auch Aufrüstung<br />

und militärische Kräftespiele in Europa und<br />

Migrantenströme aus den Krisengebieten.<br />

Selbst vor unserer Haustür entdecken die<br />

Journalisten Drogensucht, Betriebsstilllegungen,<br />

Kinderarmut, Grenzkriminalität, alles mit<br />

steigender Tendenz. Und da haben manche<br />

Mitbürger, wie in der Tagespresse zu lesen<br />

ist, in ihren spontanen facebook-Plappereien<br />

nichts anderes im Sinn als buntbemalte Flächen<br />

an Bauten im Stadtzentrum. Die oft<br />

beschworene „bunte Republik“, nun soll sie<br />

den Jakobstunnel erreichen. 20 Jahre lang<br />

haben sich unsere Bunten nicht über den<br />

Dreck an dieser Stelle (darunter noch heute<br />

lesbare Morddrohungen) aufgeregt. An<br />

der Freitreppe dahinter ist innerhalb weniger<br />

Monate dreimal der großflächige Farbenmüll<br />

entfernt worden, nun ist dort nach Wochen<br />

neuer zu sehen. Für manche selbstgerechten<br />

Zeitgenossen ist eine Stadt erst dann, wie<br />

oben gewünscht, „im Westen angekommen“,<br />

also amerikanisiert, wenn sie mit den fast<br />

weltweit anzutreffenden Schandmalen fernwestlicher<br />

Subkultur ausgestattet ist. Nichts<br />

ist davor sicher, Kirchen, Wohnhäuser, Schulen,<br />

Brücken, Bahnanlagen, Jugendtreffs. Die<br />

Bahnverwaltung ist gegen einen „durchgebunteten“<br />

Jakobstunnel. Gut, aber 20 Jahre<br />

lang hat sie nichts unternommen, die Verunreinigungen<br />

dort und anderswo an Bahnanlagen<br />

zu entfernen. Mehr Farbe soll in die<br />

Wohngebiete. In Weinhübel und Königshufen<br />

haben sich die Wohnungsgesellschaften bei<br />

den Sanierungen mit Erfolg darum bemüht<br />

- freundliche Farbtöne an Fassaden und Balkons,<br />

geschmackvoll (und teuer). In Berlin<br />

am Savignyplatz und in Potsdam neben der<br />

Nikolaikirche sah ich Schaltkästen der Energieunternehmen,<br />

täuschend echt bemalt mit<br />

Sträuchern, aber von Leuten, die das gelernt<br />

haben und können und im Auftrag der Eigentümer<br />

handeln. Wilde Aktionen, als Jugendförderung<br />

ausgegeben, zerstören das<br />

Stadtbild und den Ruf der Stadt als Touristenmagnet.<br />

Verwaltungen, Hauseigentümer<br />

und Ordnungshüter müssen hart bleiben.<br />

Auch Betonflächen, heute oft verbunden mit<br />

Stahl und Glas, sind Gestaltungselemente<br />

der Architektur, also Baukunst, die nicht unbedarften<br />

Farbchaoten ausgeliefert werden<br />

darf. Mit so etwas muss man sich nun herumärgern,<br />

als gäbe es nicht auf der Welt und<br />

hierzulande genug Ängste und Sorgen anderer<br />

Größenordnung. Zwei Weltkriege haben<br />

unsere Bauwerke weitgehend verschont. Man<br />

muss darüber reden, 100 und 75 Jahre nach<br />

den „Urkatastrophen des 20. Jahrhunderts“.<br />

Das bewegt Ihren Ernst Kretzschmar<br />

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Einleitung<br />

3


Erinnerungskultur<br />

Die Toten und die Lebenden –<br />

Einweihung des Kriegerehrenmals mit Oberbürgermeister Snay, 1926<br />

Nach mehreren Kriegsjahren war der Siegestaumel<br />

von 1914 auch in Görlitz verflogen.<br />

Viele Familien hatten nun an den<br />

Fronten gefallene Angehörige zu beklagen<br />

(am Ende 2278 Mann). Von Jahr zu Jahr<br />

verschlimmerte sich die Versorgung mit Lebensmitteln<br />

und Brennstoffen. Der „Kohlrübenwinter“<br />

1917 und die Hungerstreiks in<br />

den Großbetrieben 1918 waren deutliche<br />

Warnzeichen. Aber noch mahnten Schullehrer,<br />

darunter nochmals aktivierte Veteranen<br />

von 1870/71, und evangelische Pastoren,<br />

kaisertreue Journalisten und fromme<br />

Krankenschwestern zu Opferbereitschaft,<br />

Zuversicht und Gottvertrauen. Galt doch<br />

für die evangelischen Christen die Verbindung<br />

von Monarchie und Kirche („Thron<br />

und Altar“) als eine zuverlässige Klammer<br />

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4<br />

Geschichte


Görlitzer Erinnerungskultur nach 1918<br />

Grünanlagen am Ehrenmal, um 1930<br />

der Vorkriegsgesellschaft. Die <strong>November</strong>revolution<br />

1918 und der Raubfriedensvertrag<br />

von Versailles 1919 erschütterten<br />

das gesellschaftliche Gefüge und führten<br />

politische und wirtschaftliche Veränderungen<br />

herbei. Die ersten Jahre der jungen<br />

Weimarer Republik waren opferreich und<br />

zeitweise chaotisch. Die Deutschen mußten<br />

Aufstände (Spartakusunruhen 1918 in<br />

Berlin, Bremer und Münchener Räterepublik<br />

1919, Kapp-Putsch 1920, Hitler-Putsch<br />

und Hamburger Aufstand 1923), Reparationslasten,<br />

Ruhrbesetzung und Inflation<br />

verkraften. Erst zwischen 1924 und 1929<br />

gab es eine kurzzeitige Stabilisierung, die<br />

sich auch in der Wahl Paul von Hindenburgs<br />

zum Reichspräsidenten äußerte.<br />

Trotz allem waren Menschen aller Gesell-<br />

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Geschichte<br />

5


Erinnerungskultur<br />

Die Toten und die Lebenden –<br />

Aula Gymnasium Augustum, Erinnerungstafel, um 1930<br />

schaftsschichten in Stadt und<br />

Land darum bemüht, das<br />

Andenken ihrer an den Fronten<br />

Gefallenen oder in den<br />

Lazaretten Verstorbenen im<br />

öffentlichen Gedächnis getreulich<br />

zu bewahren. Das wurde<br />

auch in Stadt und Kreis Görlitz<br />

überzeugend sichtbar. Moralische<br />

Motive waren christliche<br />

Nächstenliebe, menschlicher<br />

Anstand, aufrichtige Trauer<br />

und auch die Sorge um den<br />

Fortbestand der Familien, der<br />

Heimat und des Vaterlandes.<br />

So unterschiedlich die Auffassungen<br />

über Ursachen und<br />

Nutznießer des Völkermordens<br />

auch sein mochten, gab<br />

es damals im Gegensatz zu<br />

heute keine selbstgerechten<br />

Vergangenheitsbewältiger, die<br />

das Andenken der Gefallenen<br />

aus dem eigenen Volk mit<br />

nachträglichen Schuldzuweisungen<br />

besudeln („Täter sind<br />

keine Opfer“).<br />

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6<br />

Geschichte


Görlitzer Erinnerungskultur nach 1918<br />

In Görlitz gab es schon 1920<br />

den Plan, in der Stadt ein<br />

würdiges Denkmal für alle im<br />

Kriege gefallenen Mitbürger<br />

zu schaffen. Erste Sammlungen<br />

erbrachten beachtliche<br />

Mittel, die leider der Inflation<br />

zum Opfer fielen. Ein zweiter<br />

Versuch, die Baukosten durch<br />

Spenden aufzubringen, erwies<br />

sich als schwierig; etliche<br />

Leute, Jüngere oder Neureiche,<br />

wollten nicht mehr an<br />

den Krieg erinnert werden<br />

und lieber die kurzlebigen<br />

Vergnügungen der „Goldenen<br />

Zwanziger“ genießen.<br />

Erst 1926, inzwischen war der<br />

Volksbund für Kriegsgräberfürsorge<br />

entstanden, konnten<br />

in kurzen Abständen in Görlitz<br />

und Umgebung etliche Denkmalanlagen<br />

eingeweiht werden.<br />

Am letzten Maisonntag<br />

erlebte das zentrale Denkmal<br />

auf dem Städtischen Friedhof<br />

seine Einweihung bei starker Gefallenentafel im Offiziershaus am Friedrichsplatz, um 1930 7<br />

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Geschichte


Erinnerungskultur<br />

Die Toten und die Lebenden –<br />

Kleist-Stele Trotzendorfstraße, eingeweiht 1926<br />

Teilnahme der Bevölkerung und der Traditionsverbände.<br />

Das Bauwerk aus einheimischem<br />

Granit entwarfen die Architekten<br />

Kreidel und Pantke, die Ausführung lag<br />

bei den Firmen Maiwald und Däunert. In<br />

Ansprachen würdigten Pastor Horst, Erzpriester<br />

Brückner und Rabbiner Dr. Katten<br />

das Opfer der für das Vaterland Gefallenen.<br />

Oberbürgermeister Snay übernahm<br />

die Anlage in die Obhut der Stadt mit dem<br />

Versprechen, das Andenken der Söhne der<br />

Stadt „zu hegen und zu pflegen, wie es ihrer<br />

und der rechten Liebe zum Vaterland<br />

würdig“ sei. Bald darauf, im September<br />

1926, wurde im Zentrum von Görlitz-West<br />

(Rauschwalde) unter reger Anteilnahme<br />

der Einwohner ein Obelisk mit den Namen<br />

der Gefallenen dieses Ortsteils (1914 noch<br />

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8<br />

Geschichte


Görlitzer Erinnerungskultur nach 1918<br />

Jüdischer Friedhof, Familiengrab mit Gedenken an den 1916 gefallenen Sohn<br />

Vorort) eingeweiht. Ähnliche Gedenkstätten<br />

wurden auch in den Vororten Moys<br />

und Posottendorf-Leschwitz (später Weinhübel)<br />

in der Nähe der Kirchen geschaffen.<br />

Anfang Juli trafen sich an der Trotzendorfstraße<br />

in der Oststadt gegenüber der<br />

alten Kaserne die Veteranen des früheren<br />

Infanterie-Regiments Nr. 5 „Graf Kleist von<br />

Nollendorf“, ehemals Posen, dessen Tradition<br />

nun von einer Kompanie der hiesigen<br />

Reichswehrgarnison gepflegt wurde. Eine<br />

Stele auf Granitsockel trug vorn eine Texttafel<br />

und auf der Rückseite ein Porträtrelief<br />

Friedrichs des Großen, durch den einst das<br />

Regiment gegründet worden war. (Wenig<br />

später wurden auch Straße und neue Kaserne<br />

in unmittelbarer Nähe nach Kleist benannt.)<br />

In den Weihereden tauchten einige<br />

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Geschichte<br />

9


Erinnerungskultur<br />

Die Toten und die Lebenden –<br />

Weltkriegsaustellung 1932<br />

Gedanken immer wieder auf: Achtung vor<br />

dem Opfer der Gefallenen, die Mahnung<br />

zum gemeinsamen Handeln beim Wiederaufbau<br />

Deutschlands ungeachtet parteipolitischer<br />

und sozialer Unterschiede und das<br />

Versprechen, den Kriegsversehrten, den<br />

Witwen und Waisen hilfreich zur Seite zu<br />

stehen.<br />

In vielen Landgemeinden wurden in den<br />

Ortszentren oder auf den Kirchhöfen Gedenksteine<br />

mit den Namen der Gefallenen<br />

aus dem Ort errichtet. Gedenktafeln kamen<br />

in die Aula des Gymnasium Augustum<br />

Klosterplatz, in die Aula des Reform-Realgymnasiums<br />

und der Oberrealschule<br />

Seydewitzstraße/Lessingstraße, in das Rathaus<br />

und in das Offiziershaus am Friedrichsplatz.<br />

Auch in der Synagoge Otto-<br />

Müller-Straße sah man eine Gedenktafel<br />

mit den Namen der gefallenen Gemeindemitglieder.<br />

Auf vielen Familiengrabstätten<br />

wurden die Namen der Gefallenen<br />

genannt und mit einem Hinweis auf den<br />

Todesort auf dem Schlachtfeld oder im<br />

Lazarett versehen. Ein Höhepunkt dieser<br />

vielgestaltigen Erinnerungskultur war die<br />

Umgestaltung der evangelischen Nikolaikirche<br />

zu einer zentralen Gedenkhalle für<br />

die evangelischen Gefallenen. Anstelle der<br />

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10<br />

Geschichte


Görlitzer Erinnerungskultur nach 1918<br />

Jugendherberge Moys, Otto Engelhardt-Kyffhäuser mit seinem Wandbild „Haltet das Erreichte“, 1939<br />

nun entfernten barocken Holzdecke entstanden<br />

schlanke expressionistische Pfeiler<br />

und künstliche Wölbungen in zeittypischen<br />

Farben (Silbergrau, Rotbraun) nach<br />

Entwürfen von Professor Martin Elsässer,<br />

Frankfurt/Main, Zwei metallene Figuren<br />

(eine trauernde Mutter, ein Krieger mit gesenktem<br />

Schwert) bekrönten die Empore.<br />

An den Seitenwänden und der Empore waren<br />

die Namen und in kleinerer Schrift die<br />

Truppenteile und Dienstgrade der Gefallenen<br />

vermerkt.<br />

Daneben gab es auch einen betont kritischen<br />

Umgang mit dem Erbe des Krieges.<br />

Kommunisten und Pazifisten begingen alljährlich<br />

den 1. August, den Tag des Kriegsbeginns,<br />

als Antikriegstag. Der junge Maler<br />

und Grafiker Johannes Wüsten, Kriegsteil-<br />

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Geschichte<br />

11


Erinnerungskultur<br />

Die Toten und die Lebenden –<br />

Neunzehner-Stele beim Ständehaus, 1938<br />

nehmer an der West- und Ostfront, verarbeitete<br />

seine Kriegserlebnisse im Gefecht<br />

und im Lazarett als Mitglied der Hamburgischen<br />

Sezession in den ersten Nachkriegsjahren<br />

(vor seiner Rückkehr nach Görlitz) in<br />

anklagenden expressionistischen Bildern,<br />

die auch dort in Ausstellungen zu sehen<br />

waren und nach 1933 als „entartete Kunst“<br />

eingestuft und „entsorgt“ wurden. Der Görlitzer<br />

Rechtsanwalt und Dichter Paul Mühsam<br />

entwarf 1919 in seiner Dichtung „Aus<br />

dem Schicksalsbuch der Menschheit“ ein<br />

wortgewaltiges und bildkräftiges Kriegspanorama,<br />

geeignet und genutzt für große<br />

Antikriegsversammlungen.<br />

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten<br />

wurde propagandistisch<br />

zielgerichtet das Andenken der Kriegstoten<br />

nochmals beschworen.<br />

Der Görlitzer Kunsterzieher, Maler und<br />

Grafiker Otto Engelhardt-Kyffhäuser stellte<br />

1933 seine Skizzen und Gemälde als Frontsoldat<br />

zu der Wanderausstellung „Vorn“ zusammen.<br />

1935 erschien dazu im Görlitzer<br />

Verlag Starke ein Bild-Text-Band mit einer<br />

beigefügten Bildmappe für Raumdekorationen.<br />

1935 wurde unter starker Teilnahme<br />

von Militär und NS-Organisationen in der<br />

„Ruhmeshalle“ eine ständige Ausstellung<br />

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12<br />

Geschichte


Görlitzer Erinnerungskultur nach 1918<br />

mit vielfältigen Erinnerungsstücken<br />

des ehemaligen Garnison-Regiments<br />

Nr. 19 eröffnet.<br />

Und 1938 folgte schließlich die<br />

Errichtung der Gedenkstele am<br />

Ständehaus anläßlich des 125.<br />

Regimentsjubiläums. Noch<br />

nicht ein Jahr später begann<br />

der II. Weltkrieg. Er endete<br />

mit einer weitaus schrecklicheren<br />

Bilanz als 1918.<br />

Der Toten beider Weltkriege<br />

gedenken wir wie alljährlich<br />

am Volkstrauertag, dem 16.<br />

<strong>November</strong>, 11 Uhr, vor jener<br />

Stele am Ständehaus. Neue<br />

Kriege in verschiedenen Regionen<br />

der Welt machen es<br />

zwingend notwendig, auf die<br />

schmerzlichen Lehren von zwei<br />

Weltkriegen zu verweisen. Wir<br />

letzten Überlebenden der Erlebnisgeneration,<br />

damals die<br />

Kriegskinder, haben das Recht<br />

und die Pflicht zu sagen: Es ist<br />

nun genug!<br />

Dr. Ernst Kretzschmar Johannes Wüsten: „Invalide“, Gemälde 1919<br />

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Geschichte<br />

13


Ausstellung<br />

Pfefferkuchen. Eine Reise der Sinne…<br />

Pfefferkuchen – Eine Reise der Sinne<br />

durch Schlesien, die Oberlausitz<br />

und 900 Jahre Esskultur in Mitteleuropa<br />

Pfefferkuchen, Lebkuchen, Honigkuchen<br />

– die süßen, stark gewürzten und<br />

lange haltbaren Gebäcke erfreuen sich<br />

nicht nur zur Weihnachtszeit großer Beliebtheit.<br />

Auch zu anderen Festtagen, zu<br />

Kirmes und Jahrmarkt oder zu feierlichen<br />

Ereignissen im Lebenslauf gehören<br />

sie dazu. In ganz Mitteleuropa sind sie<br />

seit Jahrhunderten in vielen Variationen<br />

bekannt. Das Schlesische Museum zu<br />

Görlitz lädt mit seiner neuen Sonderausstellung<br />

dazu ein, die Geschichte<br />

des köstlichen und einst so bedeutungsvollen<br />

Gebäcks in Schlesien und in der<br />

Oberlausitz kennenzulernen.<br />

Schlesien blickt auf eine fast 900jährige<br />

Tradition des Pfefferküchlerhandwerks<br />

zurück. Die erste schriftliche Erwähnung<br />

eines Lebkuchenbäckers findet man in<br />

Schweidnitz. Auch aus zahlreichen anderen<br />

schlesischen Städten an den alten<br />

Handelsrouten, darunter Breslau,<br />

Oppeln, Jauer oder Ratibor, ist die Pfefferküchlerei<br />

überliefert. Spezialitäten<br />

wie „Liegnitzer Bomben“ und „Neisser<br />

Konfekt“ sind bis heute in aller Munde.<br />

Die ältesten Zeugnisse der Pfefferküchlerei<br />

im heutigen Sachsen stammen aus<br />

Görlitz. Überregional bekannt sind die<br />

Pulsnitzer Pfefferkuchen, die der Stadt<br />

den Beinamen „Pfefferkuchenstadt“<br />

eingebracht haben. Weltweit einmalig,<br />

kann man hier den Beruf des Pfefferküchlers<br />

noch heute als Lehrberuf erlernen.<br />

In Weißenberg bei Bautzen befindet<br />

sich die älteste und einzige in ihrer<br />

ursprünglichen Form erhaltene Pfefferküchlerei<br />

in Europa. Diese wird heute<br />

als Museum betrieben und ermöglicht<br />

den Besuchern einen Einblick in dieses<br />

traditionelle Handwerk.<br />

Aber: Wie kommt der Pfeffer in den Kuchen?<br />

Was unterscheidet den Pfefferküchler<br />

vom Bäcker? Wo genießt man<br />

welche Spezialität? Woher kommen die<br />

Pfeffersäcke? Und wer hat der Hexe<br />

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14<br />

Ausstellung


Ausstellung im Schlesischen Museum<br />

Pfefferkuchen nach historischen Modeln des Muzeum Regionalne w Jaworze (Regionalmuseum Jauer) aus dem<br />

19. Jahrhundert, ausgeformt von Pfefferküchler Marcin Goetz in Trzcińsko bei Jelenia Góra/Hirschberg <strong>2014</strong>.<br />

Foto: SMG<br />

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Ausstellung<br />

15


Ausstellung<br />

Pfefferkuchen. Eine Reise der Sinne…<br />

Zweiteiliges klappbares Model für 15 vollplastische menschliche Figuren, 18./19. Jahrhundert; Leihgabe des Muzeum<br />

Etnograficzne we Wrocławiu. Foto: Muzeum Etnograficzne<br />

das Pfefferkuchenhaus gebaut? Diese<br />

und andere Fragen rund um den Pfefferkuchen<br />

möchten die Ausstellung und<br />

mehrere Veranstaltungen beantworten.<br />

Neben der Kulturgeschichte des Pfefferkuchens<br />

stehen besonders die Zutaten<br />

und die Produktion des würzigen Gebäcks<br />

sowie die regionalen Besonderheiten<br />

im Mittelpunkt.<br />

Die vom Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott<br />

erarbeitete Ausstellung<br />

wurde erst durch zahlreiche<br />

Leihgaben des Stadt- und Pfefferkuchenmuseums<br />

Pulsnitz, des Museums „Alte<br />

Pfefferküchlerei“ in Weißenberg und des<br />

Muzeum Etnograficzne we Wrocławiu<br />

(Ethnografisches Museum Breslau) möglich.<br />

Die Präsentation im Schlesischen<br />

Museum zu Görlitz will mit Objekten aus<br />

dem eigenen Bestand den Blick stärker<br />

auf Schlesien richten. So ist erstmals<br />

das Innungsbuch der Bäckerzunft von<br />

Glogau von 1581-1705 zu sehen, worin<br />

1597 der Verkauf von Pfefferkuchen<br />

erwähnt wird. Neben diesem Dokument<br />

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16<br />

Ausstellung


Ausstellung im Schlesischen Museum<br />

für die handwerkliche Fertigung<br />

von Pfefferkuchen<br />

illustrieren zahlreiche historische<br />

Fotos aus der Honigkuchenfabrik<br />

von Franz<br />

Sobtzick in Ratibor aus dem<br />

Jahr 1899 und andere Objekte<br />

die industrielle Produktion.<br />

Auch heute wird<br />

in Schlesien noch Pfefferkuchen<br />

hergestellt, wie die<br />

Beispiele aus verschiedenen<br />

Werkstätten belegen. Und<br />

zum guten Schluss können<br />

die Besucher natürlich auch<br />

schlesischen Pfefferkuchen<br />

mit nach Hause nehmen.<br />

Martin Kügler<br />

Aushängeschild der „Gesellschaft der Pfefferküchler“ in Breslau, 1. Hälfte<br />

19. Jahrhundert, Leihgabe des Muzeum Etnograficzne we Wrocławiu.<br />

Foto: Muzeum Etnograficzne<br />

Ausstellung vom<br />

29.11.<strong>2014</strong> bis 1.3.2015<br />

Schlesisches Museum zu Görlitz<br />

Brüderstraße 8, Schönhof<br />

02826 Görlitz<br />

Öffnungszeiten:<br />

Dienstag bis Sonntag 10.00 bis<br />

17.00 Uhr,<br />

vom 2.1. bis 29.3.2015 jeweils bis<br />

16.00 Uhr<br />

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Ausstellung<br />

17


Neu im Görlitzer Stadtzentrum –<br />

Wer im Zentrum der Stadt Görlitz wohnt,<br />

der erlebt dort vornehmlich in den Sommermonaten<br />

Straßenmusikanten, die sich<br />

mit Gesang oder Instrumentalmusik den<br />

Einheimischen und Gästen vorstellen. Sie<br />

kommen aus der näheren Umgebung und<br />

sind mit ihren ewig gleichen Musiktiteln<br />

lange bekannt, werden kaum noch beachtet.<br />

Mitunter hört man Abiturienten,<br />

die für den Abiball sammeln und neben<br />

der Strassburg-Passage mit Schlagzeug<br />

und Gitarre ein Ständchen improvisieren.<br />

Südamerikanische Familien mit Kindern<br />

singen mit kräftigen Stimmen die Lieder<br />

ihrer Heimat. Mitglieder hochrangiger<br />

russischer philharmonischer Orchester<br />

hörte man in höchster Qualität in deren<br />

Sommerpausen unter den Arkaden des<br />

Kaufhauses musizieren. Vor 80 Jahren<br />

und auch noch etwas später waren in den<br />

größeren Städten die „Leierkastenmänner“<br />

unterwegs auf Straßen, Plätzen und<br />

Haushöfen, zwischen Geschäftszentren<br />

und Arme-Leute-Vierteln. Sie spielten beliebte<br />

Melodien aus Operetten, Tonfilmen<br />

oder Kabaretts. Die Anwohner, damals<br />

noch oft ohne eigene Radios und dankbar<br />

Pierre Pilz auf dem Untermarkt, <strong>2014</strong><br />

für die Abwechslung, warfen in Zeitungspapier<br />

eingewickelte Groschen aus ihren<br />

Fenstern hinunter. Die Kinder, die sich in<br />

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18<br />

Geschichte


Görlitzer<br />

Pierre mit seiner Drehorgel<br />

Stadtzentrum<br />

großer Zahl um den Spieler versammelt<br />

und sogar ein Tänzchen versucht hatten,<br />

halfen nun beim Einsammeln der Spenden.<br />

Manchmal saß ein Äffchen auf dem Kasten,<br />

und das brachte den kleinen Zuhörern<br />

zusätzlich Freude ins alltägliche Einerlei.<br />

Das galt nicht nur für Berlin, wo<br />

Heinrich Zille diese Szenen zeichnete, Kurt<br />

Tucholsky bedichtete und Claire Waldoff<br />

besang. Auch in Görlitz mit seinen damals<br />

fast 100000 Einwohnern kannte und liebte<br />

man das. Ein hiesiger Spieler durfte<br />

sich 1937 sogar im Görlitzer Sender produzieren<br />

und für die Presse fotografieren<br />

lassen. Als die Städtischen Kunstsammlungen<br />

1979 in ihrem Haus Neißstraße<br />

30 eine Sonderausstellung über Görlitz in<br />

den 1920er Jahren zeigten, erklang auf<br />

der museumseigenen Drehorgel sogar<br />

der populäre Mackie-Messer-Song, natürlich<br />

mit Gesang. Beim Muschelminna-Fest<br />

2008 erlebte man das Rentner-Ehepaar<br />

Eichhorn, kurz zuvor aus Hessen zugezogen,<br />

mit ihrem hörens- und sehenswerten<br />

Gerät. Gelegentlich kamen auch Spieler<br />

von auswärts zu kurzen Auftritten.<br />

Seit diesem Jahr nun begegnen wir zwischen<br />

dem Café Central, Berliner Straße,<br />

und der Brüderstraße an den Wochenenden<br />

einem neuen Gesicht und einer funktionstüchtigen<br />

Drehorgel. Bis hinauf zu den<br />

Wohnungsfenstern hörte man vertraute<br />

alte Melodien: „Wenn die Elisabeth nicht<br />

so schöne Beine hätt“, „Ich hab das Frollein<br />

Helen baden sehn…“, „Berliner Luft“<br />

und den „Sportpalastwalzer“, dann auch<br />

Titel aus jüngerer Vergangenheit wie:<br />

„Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling“<br />

oder vom Jubilar Udo Jürgens „Griechischer<br />

Wein“, „Siebzehn Jahr, blondes<br />

Haar“ und „Mit 66 Jahren, da fängt das<br />

Leben an“. Bei manchem miesepetrigen<br />

Passanten rutschen dann die nach unten<br />

gezogenen Mundwinkel kurz nach oben.<br />

Der Spieler mit dem runden Strohhut, früher<br />

Kreissäge genannt, und dem blauen<br />

Anzug mit Weste ist 22 Jahre alt. Pierre Pilz<br />

wurde in Weißwasser geboren und ging<br />

dort zur Schule. Seine Eltern bekamen<br />

dann in und bei Görlitz interessante Arbeitsmöglichkeiten,<br />

der Vater als Keramik-<br />

Ausbilder im „Lebenshof“, die Mutter in<br />

der christlichen Jugendarbeit. Pierre sang<br />

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Geschichte<br />

19


Neu im Görlitzer Stadtzentrum –<br />

Muschelminnafest 2008, Drehorgelspieler Eichhorn<br />

schon als Kind gern. Zugleich interessierte<br />

er sich für technische Geheimnisse, etwa<br />

das Laufwerk alter Uhren und dann eben<br />

auch Drehorgeln. Ein Treffen von Drehorgelspielern<br />

in Berlin begeisterte ihn. Über<br />

den Internethandel ließ sich eine defekte<br />

Drehorgel aus Lübeck günstig erwerben.<br />

In Hirschfelde fand sich ein Orgelbauer,<br />

der die Schäden beheben konnte. In diesem<br />

Jahr nun traute er sich auf die Görlitzer<br />

Straßen, an jedem Standort nur eine<br />

halbe Stunde. Pierre ist als Hilfsarbeiter<br />

in der hiesigen Hochschulbibliothek tätig.<br />

Als Mitglied des Musikschulensembles<br />

„Die Liederlichen“ findet er eine weitere<br />

Gelegenheit zum gemeinsamen Singen.<br />

Das Drehorgelspielen bereitet ihm Spaß,<br />

er sieht es für sich nicht als Gewerbe. Einladungen<br />

zum Vorspielen hatte er schon<br />

zum 160. Jubiläum des Ständehauses,<br />

zur Kaffeestunde in der Seniorenresidenz<br />

Bahnhofstraße, zum Männertag im Altenund<br />

Pflegeheim Krölstraße und zur Ausstellungseröffnung<br />

im Fotomuseum. Für<br />

weitere Gastauftritte böten sich an: Sommerfeste<br />

in Kleingartenkolonien, Familienfeiern<br />

wie Goldene Hochzeiten, Kindergeburtstage,<br />

Geschäftseröffnungen und<br />

regionale Volksfeste. Diese seinerzeit beliebte<br />

Form volkstümlicher Unterhaltung<br />

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20<br />

Geschichte


Görlitzer<br />

Pierre mit seiner Drehorgel<br />

Stadtzentrum<br />

paßt in diese Stadt mit ihren jahrhundertalten<br />

Bauwerken. Pierre könnte sich<br />

sogar ein Drehorgelfest mit bundesweiter<br />

Beteiligung in Görlitz vorstellen, es fehlen<br />

nur noch Organisatoren und Sponsoren.<br />

Pierres persönliche Leidenschaft für das<br />

Drehorgelspiel war zugleich ein Glücksfall<br />

für das volkstümliche Görlitzer Kulturangebot.<br />

Welch ein Zufall! Dafür verdient er<br />

Dank und Ermutigung. Humorlose Anwohner<br />

und Geschäftsleute wollten ihn schon<br />

wegen Lärmbelästigung verscheuchen.<br />

Typisch Görlitz? Hoffentlich nicht, denn<br />

damit stellen wir unserer Stadt kein gutes<br />

Zeugnis aus. Touristen und auch ehemalige<br />

Görlitzer, die zu Wiedersehenstreffen<br />

hier sind, sehen das sowieso anders. Wie<br />

sang man doch früher? „Lieber Leierkastenmann,<br />

fang noch mal von vorne an!“<br />

Unser neuer und noch junger Straßenmusikant,<br />

der vielleicht einmal zu einem<br />

Görlitzer Original werden könnte, hat<br />

freundlicherweise seine Telefonnummer<br />

verraten; sie lautet 766581.<br />

Dr. Ernst Kretzschmar<br />

Pierres Ständchen für die Muschelminna <strong>2014</strong><br />

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Geschichte<br />

21


Ratsarchivar<br />

480 Jahre Archivflügel mit Verweis auf<br />

Der Innenhof des Rathauses<br />

Wohl kaum eine Persönlichkeit findet<br />

im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte<br />

der prächtigen Görlitzer<br />

Frührenaissancearchitektur mehr<br />

und zu Recht Würdigung als der städtische<br />

Werkmeister Wendel Roskopf. Allerdings<br />

umfloren noch zahlreiche Rätsel<br />

seine Vita. Bis heute herrscht unter<br />

Kunsthistorikern große Unsicherheit<br />

darüber, welche Bauten in Böhmen,<br />

Schlesien und selbst an seiner wichtigsten<br />

Wirkungsstätte, im oberlausitzi-<br />

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22<br />

Geschichte


Ratsarchivar<br />

465. Todestag Wendel Roskopf<br />

Werkmeisterzeichen von Wendel Roskopf<br />

schen Görlitz, tatsächlich von ihm geschaffen<br />

wurden. So ist beispielsweise<br />

quellenkundlich nicht zu belegen, dass<br />

er das wohl prächtigste Görlitzer Renaissancegebäude,<br />

den Schönhof, errichtete.<br />

Selbst der Ort seiner Geburt<br />

ist ungewiss. Rosskopf wurde wohl zwischen<br />

1480 und 1490 geboren. Belegt<br />

ist, dass er in Prag bei dem königlichen<br />

Werkmeister Benedikt Ried sein Handwerk<br />

erlernte und dort die modernen<br />

Architekturformen der Renaissance<br />

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Geschichte<br />

23


Ratsarchivar<br />

480 Jahre Archivflügel mit Verweis auf<br />

sein Interesse fanden. Erstmals erwähnt<br />

wird er im Jahre 1518 in einer<br />

Urkunde des Annaberger Hüttentages<br />

als „Meister Wencell Roßkopff zu gorlicz<br />

vnnd in der schlesinn.“ Er muss in<br />

jenem Jahre bereits sehr einflussreich<br />

und auch in Görlitz tätig gewesen sein.<br />

Seit 1516 lag der Görlitzer Werkmeister<br />

Jacob Horn mit den Kirchvätern wegen<br />

der Höhe seines Lohnes für Bauarbeiten<br />

an der Nikolaikirche im Zwist und<br />

quittierte sein Amt. Es spricht viel dafür,<br />

das Roßkopf bereits im Jahre 1517<br />

sein Nachfolger wurde. Zu Beginn des<br />

Jahres 1519 verehelichte er sich mit<br />

der Witwe des bedeutenden und einflussreichen<br />

Görlitzer Baumeisters Albrecht<br />

Stieglitz. Seine Frau brachte<br />

neben wichtigen Kontakten und verwandtschaftlichen<br />

Beziehungen den<br />

Brauhof Rosentraße 5 und zwei noch<br />

unmündige Kinder mit in die Ehe ein.<br />

Im Jahre 1520 erwarb er das Bürgerrecht.<br />

Der Rat erließ ihm aber die fällige<br />

Gebühr, ein sicheres Indiz dafür,<br />

dass er in fest städtischen Diensten<br />

stand. Bereits 1523 fand man ihn unter<br />

den Mitgliedern des Ratskollegiums,<br />

dem er mit kurzen Unterbrechungen<br />

bis zum Jahre 1546 angehörte. In den<br />

Steuerregistern des Jahres 1528 betrug<br />

sein Vermögen 1532 Mark Groschen.<br />

Im Jahre 1533 heiratete er eine Enkelin<br />

Georg Emmerichs. Eine Tochter heiratete<br />

den bedeutenden Formenschneider<br />

Georg Scharffenberg, dem wir die<br />

erste Stadtansicht aus dem Jahre 1565<br />

verdanken. So gehörte er nach relativ<br />

kurzer Zeit zu den vermögendsten und<br />

politisch einflussreichsten Bürgern, zur<br />

verwandtschaftlich eng verbundenen<br />

Oligarchie der Brauhofbesitzer. Als Görlitzer<br />

Werkmeister war er zuständig für<br />

den Bau und Erhalt der Befestigungsanlagen<br />

und städtischen Gebäude. Die<br />

Arbeiten zahlreicher Baumeister, Parliere,<br />

Steinmetzen und Zimmerleute<br />

wurden von ihm angeleitet, beaufsichtigt<br />

und korrigiert. Und Arbeit gab es<br />

mehr als genug. In seiner Zeit schufen<br />

allein fünf verheerende Stadtbrände<br />

mehr als 220 Ruinen. Wendel Roßkopf<br />

genoss einen außerordentlichen Ruf<br />

in Schlesien und Böhmen. Immer wie-<br />

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24<br />

Geschichte


Ratsarchivar<br />

465. Todestag Wendel Roskopf<br />

Brieftext für Tabor, 1527<br />

der erreichten Briefe von Städten und<br />

Fürsten den Görlitzer Rat, in denen um<br />

seine Hilfe und Dienste gebeten wurde.<br />

Manchmal Tage, manchmal Monate<br />

gewährte der Rat dem Werkmeister<br />

nebst Baumeistern oder Gesellen die<br />

Genehmigung, anderen Ortes zu bauen<br />

oder wohl häufiger beratend zu unterstützen.<br />

So finden sich zahlreiche<br />

Spuren seines Schaffens in Breslau,<br />

Bunzlau, Posen, Frankenstein, an der<br />

Gröditzburg und in Böhmen besonders<br />

in Tabor. Interessant erscheint ein Brief<br />

des Görlitzer Rates aus dem Jahre 1527<br />

an den von Tabor. Darin heißt es, dass<br />

Roskopf mit seinen Gesellen etliches in<br />

Tabor verfertigt habe. Dafür schulde<br />

man ihm noch den bedeutenden Betrag<br />

von 100 Schock (6000) Groschen<br />

Lohn. Dieses Geld solle man in Prag bei<br />

dem königlichen Werkmeister, Meister<br />

Benedito (Benedikt Ried), hinterlegen.<br />

Eines der schönsten Monumente seines<br />

Schaffens und eines der eindrucksvollsten<br />

Zeugnisse der Görlitzer Frührenaissance<br />

entstand im Jahre 1534,<br />

das Kanzlei- und Archivgebäude am<br />

Rathaus. Hier wirkten die bedeutenden<br />

Görlitzer Stadtschreiber wie etwa<br />

Johannes Hass, dessen Ratsannalen<br />

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Geschichte<br />

25


Ratsarchivar<br />

480 Jahre Archivflügel mit Verweis auf<br />

Briefbuch des Rates der Stadt Görlitz<br />

zu den bedeutendsten chronikalischen<br />

Werken der Frühneuzeit gehörten.<br />

Wendel Roskopf starb am 25. Juni 1549<br />

als geachteter Görlitzer Bürger. Sein<br />

Werk freilich fand erst am Ende des 19.<br />

Jahrhunderts wieder die gebührende<br />

kunstgeschichtliche Beachtung. Dieses<br />

Werk prägte aber seither markant und<br />

italienisch leicht anmutend die Görlitzer<br />

Altstadt.<br />

Siegfried Hoche,<br />

Ratsarchivar Görlitz<br />

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26<br />

Geschichte


Gedicht<br />

Nasser <strong>November</strong><br />

Erich Kästner:<br />

Nasser <strong>November</strong><br />

Aus: Nachlese<br />

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Gedicht<br />

27


Görlitzer<br />

Geschichten vom Görlitzer Stadtverkehr –<br />

Ankunft Landeskrone 1965<br />

Landeskrone 1965<br />

In diesem Monat soll wieder ein Farbbilderbogen<br />

mit Aufnahmen des unvergessenen<br />

Straßenbahnchronisten Wolfgang<br />

Schreiner präsentiert werden. Diesmal<br />

sind die Gotha- Zweiachser das Thema.<br />

Vor 60 Jahren musste die Produktion<br />

von Schienenfahrzeugen aus Werdau<br />

verlagert werden, um Kapazitäten für<br />

den Bau mittelschwerer Lastwagen des<br />

Typs S 4000- 1 frei zu bekommen. Diese<br />

wiederum mußten der Aufnahme der<br />

Trabantproduktion in Zwickau weichen,<br />

deren Geschichte bekanntlich ab 1955<br />

ihren Lauf nahm. Straßenbahnen kamen<br />

ab 1955 in großer Zahl aus dem Waggonbau<br />

Gotha. Anfangs waren dies die<br />

in Details überarbeiteten 11,5 m langen<br />

LOWA- Fahrzeuge, nun als ET/EB 54<br />

bezeichnet. Von ihnen fuhren vier Anhänger<br />

von 1955 sowie drei Trieb- und<br />

zwei Beiwagen von 1956 auf Görlitzer<br />

Linien, längstens bis Ende 1980. Auch<br />

die WUMAG- Wagen waren mit Anhängern<br />

dieser Bauart unterwegs. Der<br />

Triebwagen Nr. 3 ist nach einem Unfall<br />

1970 im RAW Berlin Schöneweide neu<br />

aufgebaut worden und unterschied sich<br />

nun recht deutlich von den anderen Wagen.<br />

Ab 1957 folgten die etwas längeren<br />

Zweirichtungswagen der Reihe 57, von<br />

denen die Görlitzer Straßenbahn jeweils<br />

drei Trieb- und Beiwagen bis 1961 fab-<br />

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28<br />

Geschichte


Görlitzer<br />

Gotha- Zweiachser<br />

Stadtverkehr<br />

Goethestraße 1969<br />

Rauschwalde 1969<br />

Am Depot 1971<br />

Grüner Graben 1971<br />

rikneu erhielt. Weitere neun Trieb- und<br />

acht Beiwagen kamen zwischen 1962<br />

und 1983 gebraucht aus Plauen, Halle/<br />

Saale, Gera und Nordhausen hinzu. Aus<br />

dem Liniendienst schieden die letzten<br />

Vertreter erst 1992 aus. Ab 1962 wurden<br />

auch Einrichtungswagen verschiedener<br />

Bauart als Zweiachser in Gotha<br />

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Geschichte<br />

29


Görlitzer<br />

Geschichten vom Görlitzer Stadtverkehr<br />

Postplatz 1974<br />

produziert, konkret bis 1969, wobei in<br />

den letzten beiden Fertigungsjahren nur<br />

noch Anhänger aus noch vorhandenen<br />

Teilevorräten entstanden. Etwas über<br />

100 zweiachsige Trieb- und fast genauso<br />

viele Beiwagen der Gotha- Bauart<br />

sind zwischen 1966 und 1968 im Tatrawerk<br />

Praha Smichov für die DDR hergestellt<br />

worden. Auch die Einrichtungszüge<br />

waren ab Oktober 1964 im Görlitzer<br />

Straßenbild zu sehen und verblieben<br />

hier bis 1992 im Linieneinsatz. Mit den<br />

gebraucht übernommenen sowie den<br />

nur als Teilespender angeschafften Wagen<br />

verfügte die Görlitzer Straßenbahn<br />

ingesamt über zwölf Trieb- und neun<br />

Rangieren in Weinhübel<br />

Beiwagen in Einrichtungsbauart. Hier<br />

stammten die gebraucht übernommenen<br />

neun Fahrzeuge allesamt aus Halle/<br />

Saale. Auch wenn diese Epoche mittlerweile<br />

seit mehr als 20 Jahren inzwischen<br />

spurlos in Görlitz Geschichte ist, haben<br />

die für einige der damals befahrenen<br />

Strecken scheinbar zu großen Fahrzeuge<br />

viele Jahre quietschend den Görlitzer<br />

Alltag mitgeprägt und waren auch in<br />

vielen anderen ostdeutschen Nahverkehrsbetrieben<br />

nicht selten mehr als 20<br />

Jahre allgegenwärtig.<br />

Andreas Riedel, Wiesbaden<br />

(wird fortgesetzt)<br />

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30<br />

Impressum:<br />

Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />

incaming media GmbH<br />

Geschäftsführer:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />

02826 Görlitz<br />

Ruf: (03581) 87 87 87<br />

Fax: (03581) 40 13 41<br />

info@stadtbild-verlag.de<br />

www.stadtbild-verlag.de<br />

Geschäftszeiten:<br />

Mo. - Fr. von 9.00 bis 17.00 Uhr<br />

Druck:<br />

Graphische Werkstätten Zittau GmbH<br />

Verantw. Redakteur:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

(Mitglied im Deutschen<br />

Fachjournalistenverband)<br />

Redaktion:<br />

Dr. Ernst Kretzschmar,<br />

Dipl. - Ing. Eberhard Oertel,<br />

Dr. Ingrid Oertel<br />

Anzeigen verantw.:<br />

Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />

Mobil: 0174 - 31 93 525<br />

Teile der Auflage werden auch kostenlos<br />

verteilt, um eine größere Verbreitungsdichte<br />

zu gewährleisten. Für eingesandte<br />

Texte & Fotos übernimmt der Herausgeber<br />

keine Haftung. Artikel, die namentlich<br />

gekennzeichnet sind, spiegeln nicht die<br />

Auffassung des Herausgebers wider. Anzeigen<br />

und redaktionelle Texte können<br />

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Herausgebers verwendet werden<br />

Anzeigenschluss für die <strong>November</strong>-<br />

<strong>Ausgabe</strong>: 15. <strong>November</strong> <strong>2014</strong><br />

Redaktionsschluss: 20. <strong>November</strong><br />

<strong>2014</strong><br />

Wir arbeiten mit<br />

Stadtwerke Görlitz AG<br />

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