VdK-02-2023-Rheinland-Pfalz_ohne-Anzeigen
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Sozialverband <strong>VdK</strong><br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
77. Jahrgang<br />
Februar 2<strong>02</strong>3<br />
THEMEN<br />
Hintergrund<br />
Die Tafeln versorgen immer<br />
mehr Menschen Seite 3<br />
Politik<br />
Wo bekomme ich Hilfe<br />
bei hohen Heizkosten? Seite 4<br />
Gesundheit<br />
Mögliche Ursachen für<br />
Gliederschmerzen Seite 8<br />
<strong>VdK</strong>-TV<br />
Rechte und Pflichten bei<br />
längerer Krankheit Seite 12<br />
Ratgeber<br />
Gemeinsam nutzen<br />
statt besitzen Seite 23 21<br />
Deutschlands Kliniken brauchen dringend Hilfe.<br />
Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress<br />
Aus dem<br />
Landesverband<br />
Interview: Pflegeberaterin<br />
Galina Leonow Seite 13<br />
Mehr Mut bei Krankenhausreform<br />
Sozialverband <strong>VdK</strong> Deutschland fordert eine Abkehr von der Gewinnorientierung<br />
SEITE 5<br />
So hilft der <strong>VdK</strong><br />
Foto: imago/blickwinkel<br />
<strong>VdK</strong>-Mitglied Rita Best musste<br />
infolge eines verschleppten<br />
Blinddarmdurchbruchs mehrere<br />
Male operiert werden. Als es<br />
darum geht, die schmerzhaften<br />
Folgen dieser Eingriffe am Bauch<br />
zu beheben, verweigert ihre<br />
Krankenkasse die Kostenübernahme<br />
für diese Operation.<br />
Kliniken unter Kostendruck, Pflegekräfte<br />
im Dauerstress – mit einer<br />
Reform will die Bundesregierung<br />
Missstände in der Versorgung<br />
durch Krankenhäuser beseitigen.<br />
Der Sozialverband <strong>VdK</strong> fordert<br />
hingegen eine vollständige Abkehr<br />
von der Gewinnorientierung und<br />
den sogenannten Fallpauschalen<br />
im Vergütungssystem.<br />
„Die Pläne zur Krankenhausreform<br />
sind ein kleiner Schritt in<br />
die richtige Richtung“, bewertet<br />
<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele<br />
die Krankenhausreform, die im<br />
Dezember 2<strong>02</strong>2 vorgestellt wurde.<br />
Nach Plänen des Bundesgesundheitsministeriums<br />
sollen Patientinnen<br />
und Patienten weniger nach<br />
wirtschaftlichen, sondern stärker<br />
nach medizinischen Gesichtspunkten<br />
behandelt werden. Als<br />
das Hauptproblem für den Kostendruck<br />
der Krankenhäuser nannte<br />
Gesundheitsminister Karl Lauterbach<br />
die Bezahlung über Fallpauschalen.<br />
Die Bezahlungen pro<br />
Behandlung hätten zur Folge, dass<br />
Krankenhäuser viele Eingriffe zu<br />
niedrigen Kosten durchführen –<br />
gleichgültig, wie aufwendig ein<br />
Patient eigentlich behandelt werden<br />
sollte, gleichgültig, ob das<br />
Krankenhaus dafür die Erfahrung<br />
und Ausstattung hat oder nicht.<br />
Das Ministerium plant eine Aufweichung<br />
dieses Systems: 40 Prozent<br />
der Kosten sollen über Vorhaltepauschalen<br />
für Personal und<br />
Geräte abgerechnet werden und<br />
nur 60 Prozent über die Fallpauschalen.<br />
Dem <strong>VdK</strong> geht der Vorschlag<br />
nicht weit genug: „Das Gesundheitsministerium<br />
sollte noch radikaler<br />
sein. Das Wohl der Menschen<br />
muss im Mittelpunkt aller Behandlungen<br />
im Krankenhaus stehen“,<br />
fordert Bentele.<br />
Ein Kernstück der Reform ist,<br />
dass Krankenhäuser in drei Level<br />
eingeordnet und vergütet werden.<br />
So soll es Kliniken zur Grundversorgung<br />
geben – zum Beispiel für<br />
grundlegende chirurgische Eingriffe<br />
und Notfälle sowie mit einem<br />
Kontingent an Akutpflegebetten.<br />
Andere Kliniken sollen sich<br />
um die „Regel- und Schwerpunktversorgung“<br />
kümmern. Sie könnten<br />
weitere Leistungen anbieten.<br />
Universitätskliniken sollen der<br />
dritten Gruppe, der „Maximalversorgung“,<br />
zugeordnet werden.<br />
Von dieser Neu-Einordnung der<br />
Kliniken verspricht sich der <strong>VdK</strong><br />
viel: Einerseits könnte so die<br />
Grundversorgung in ländlichen<br />
Gebieten gesichert werden. Zudem<br />
könnte die Einstufung von Krankenhäusern<br />
mit einer ambulanten<br />
und stationären Grundversorgung<br />
gerade älteren Menschen helfen.<br />
Beispielsweise könnten so Menschen<br />
zur Beobachtung bei einem<br />
mittelschweren Infekt aufgenommen<br />
werden.<br />
Als „bedenklich“ stuft Bentele<br />
die Diskussionen ein, die nach der<br />
Vorstellung des Konzeptes aufkamen:<br />
„Alle Seiten sehen ihre Interessen<br />
in Gefahr. Die Bundesländer<br />
haben Sorge um ihre Entscheidungshoheit;<br />
die Krankenkassen<br />
fürchten, dass ihr Einfluss bei den<br />
Vergütungsverhandlungen sinkt.<br />
Diese Einwände haben nichts mit<br />
den Interessen der Patientinnen<br />
und Patienten zu tun. Das Wohl<br />
der kranken Menschen muss aber<br />
der alleinige Maßstab sein. Gerade<br />
deshalb muss diese Reform kommen,<br />
auch wenn sich der <strong>VdK</strong> mehr<br />
gewünscht hätte. Immerhin hat<br />
eine ‚Bund-Länder-Arbeitsgruppe‘<br />
einen gemeinsamen Gesetzentwurf<br />
bis zum Sommer in Aussicht<br />
gestellt. Das wird eine große Herausforderung.“<br />
Julia Frediani<br />
Kampf gegen Kinderarmut<br />
Verena Bentele ist seit Anfang 2<strong>02</strong>3 Sprecherin des Bündnisses Kindergrundsicherung<br />
<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele übernimmt<br />
diese Aufgabe, kurz bevor ein wichtiger<br />
Gesetzesvorschlag aus dem Familienministerium<br />
zu erwarten ist.<br />
Dazu erklärt Verena Bentele: „Ich freue<br />
mich ganz besonders, dass ich die Sprecherrolle<br />
des Bündnisses für ein solch<br />
wichtiges Thema für die nächsten zwei<br />
Jahre übernehme. Die Zukunft von Kindern<br />
darf nicht von der finanziellen Situation<br />
der Eltern bestimmt werden. Jedes<br />
Kind, das in Deutschland aufwächst, hat<br />
ein Anrecht auf eine unbeschwerte Kindheit<br />
jenseits von Armut und Geldnot.“<br />
Das Bündnis Kindergrundsicherung<br />
besteht seit 2009 und setzt sich für die<br />
Bekämpfung von Kinderarmut in Deutschland<br />
ein. Zu dem breiten Bündnis zählen<br />
18 Organisationen, die sich um die Belange<br />
von Kindern und Familien in Deutschland<br />
kümmern. Neben dem <strong>VdK</strong> Deutschland<br />
sind das beispielsweise der Bundesverband<br />
Arbeiterwohlfahrt (AWO), das<br />
Deutsche Kinderhilfswerk und die Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft.<br />
Die Koordination des Bündnisses liegt<br />
traditionell beim Deutschen Kinderschutzbund.<br />
Das bestimmende Thema für das<br />
Bündnis wird in den nächsten Monaten<br />
der zu erwartende Gesetzesvorschlag zur<br />
Kindergrundsicherung aus dem Familienministerium<br />
sein. Die Kindergrundsicherung<br />
gehört zu den größeren sozialpolitischen<br />
Plänen der Bundesregierung.<br />
Das Bündnis hat sich in der Vergangenheit<br />
dafür eingesetzt, dass es eine finanzielle<br />
Leistung gibt, die das Existenzminimum<br />
für Kinder abdeckt und automatisiert<br />
an die Familien ausgezahlt wird. Die Höhe<br />
der Kindergrundsicherung soll sich nach<br />
dem Einkommen der Eltern richten, wodurch<br />
besonders Kinder aus Familien mit<br />
wenig Einkommen unterstützt werden.<br />
(siehe Kommentar Seite 2)Julia Frediani
2 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
Politik<br />
Nach dem Krankenhaus alleine gelassen<br />
Ein gutes Entlassmanagement kann zur raschen Genesung beitragen<br />
Beim Sozialverband <strong>VdK</strong> häufen<br />
sich Berichte von Mitgliedern, dass<br />
sie zum Ende ihres Krankenhausaufenthalts<br />
nur eine unzureichende<br />
Unterstützung durch den Sozialdienst<br />
für die anschließende<br />
Versorgung erhalten haben. Dabei<br />
ist ein umfassendes Entlassmanagement<br />
seit 2015 gesetzlich<br />
verankert. Für diesen sehr wichtigen<br />
Anspruch hatte sich der <strong>VdK</strong><br />
mit viel Nachdruck eingesetzt.<br />
Der Vater von Andrea R. hatte<br />
sich den linken Fuß gebrochen und<br />
wurde im Krankenhaus versorgt.<br />
Doch für die Zeit danach organisierte<br />
der Sozialdienst weder einen<br />
Pflegedienst noch eine Kurzzeitpflege.<br />
Ohne weitere Erklärungen<br />
wurde der 85-Jährige mit starken<br />
Schmerzmitteln und Thrombosespritzen<br />
entlassen. Die 60-jährige<br />
Andrea R. pflegte ihren Vater kurzerhand<br />
für mehrere Tage selbst,<br />
dazu organisierte sie alleine eine<br />
Kurzzeitpflege. Nach Beobachtung<br />
des <strong>VdK</strong> ist dieser Fall nicht untypisch.<br />
Die Anforderungen an ein<br />
umfassendes Entlassmanagement<br />
in einem Krankenhaus sind vielfältig.<br />
Patientinnen und Patienten<br />
haben eigentlich Anspruch, dass<br />
sich um eine angemessene Versorgung<br />
im Anschluss gekümmert<br />
wird. Darunter fällt die Suche nach<br />
Therapie- oder Pflegeheimplätzen,<br />
genauso wie die Klärung der Fragen<br />
Der <strong>VdK</strong> bittet um Ihre Unterstützung<br />
Waren Sie in den vergangenen<br />
Monaten zur Behandlung im Krankenhaus<br />
und wurden zum Ende<br />
Ihres Aufenthalts nicht richtig vom<br />
Sozialdienst betreut? Gab es Fehler<br />
bei der Organisation der anschließenden<br />
Versorgung? Waren<br />
Sie und Ihre Angehörigen bei der<br />
Suche nach einem Pflegedienst<br />
oder einem Reha-Platz auf sich<br />
Der Sozialdienst soll für eine gute medizinische Versorgung nach einem<br />
Krankenhausaufenthalt sorgen.<br />
Foto: Jens Kalaene/picture alliance<br />
alleine gestellt? Die <strong>VdK</strong>-ZEITUNG<br />
möchte Ihre Geschichte hören!<br />
Schildern Sie uns Ihre Erfahrungen<br />
detailliert in einer E-Mail an<br />
krankenhaus@vdk.de !<br />
Für unsere politische Lobby-Arbeit<br />
sammeln wir Ihre Erfahrungen.<br />
Wir können Ihnen in diesem Rahmen<br />
jedoch keine Rechtsberatung<br />
anbieten.<br />
rund um Krankengeld oder anderen<br />
Sozialleistungen.<br />
Für eine schnelle Genesung unerlässlich,<br />
lebt ein gutes Entlassmanagement<br />
von erfahrenen Sozialarbeiterinnen<br />
und -arbeitern. Fehler<br />
passieren, wenn der Sozialdienst<br />
überlastet ist oder es keine klaren<br />
Verfahrensabläufe gibt. Oft entsteht<br />
der Eindruck, dass das Krankenhaus-Management<br />
an dieser Stelle<br />
spart. Denn die Vergütung sieht<br />
keine Vorhaltekosten für den Sozialdienst<br />
vor.<br />
<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele<br />
erklärt dazu: „Jeder Patient muss<br />
dabei unterstützt werden, dass er<br />
nach dem Krankenhausaufenthalt<br />
die passende Versorgung erhält.<br />
Die Krankenhäuser dürfen hier<br />
nicht sparen, da die Pflege und<br />
Versorgung danach ebenso wichtig<br />
sind wie die Behandlung selbst.“<br />
Julia Frediani<br />
KOMMENTAR<br />
Verband der Generationen<br />
<strong>VdK</strong>, ein reiner Rentnerverband?<br />
Das waren wir noch nie und wollen<br />
wir auch nicht sein. Richtig ist,<br />
dass wir uns für diejenigen einsetzen,<br />
die von Armut bedroht<br />
oder betroffen sind, und die nur<br />
schwer zu ihrem Recht kommen.<br />
Das sind oft, aber längst nicht<br />
nur, Rentnerinnen und Rentner<br />
oder ältere Menschen.<br />
Als <strong>VdK</strong> nehmen wir alle Generationen<br />
in den Blick. Benachteiligung<br />
wird in Deutschland oft in<br />
die Wiege gelegt. Bildungs- und<br />
späterer Berufserfolg hängen in<br />
kaum einem anderen europäischen<br />
Land so eng mit der sozialen<br />
Herkunft zusammen wie<br />
hierzulande. Aus Kinderarmut<br />
wird Erwerbsarmut und später<br />
Altersarmut. Dies zu durchbrechen,<br />
ist eine der wichtigsten<br />
Aufgaben der Politik. Ich weiß,<br />
das sehen nicht alle so. Schließlich<br />
sind Kinderstimmen keine<br />
Wählerstimmen. Umso dringender<br />
braucht die jüngste Generation<br />
eine sozialpolitische Interessenvertretung<br />
auch außerhalb<br />
der Parlamente.<br />
Sehr gerne habe ich für den Sozialverband<br />
<strong>VdK</strong> die Sprecherrolle<br />
im Bündnis Kindergrundsicherung<br />
übernommen. Die<br />
Idee einer solchen grundlegenden<br />
Reform zur Förderung von<br />
Kindern und Jugendlichen gibt<br />
es schon lange. Im Koalitionsvertrag<br />
hat die Bundesregierung<br />
deren Umsetzung versprochen.<br />
Wir wollen diesen Prozess kritisch<br />
und konstruktiv begleiten.<br />
Verena Bentele<br />
<strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />
Ganz ehrlich, diese Reform ist<br />
überfällig. Vermögende Eltern<br />
werden durch staatliche Leistungen<br />
wie den Steuerfreibetrag für<br />
Kinder subventioniert, armen<br />
Eltern fehlt jeder finanzielle<br />
Spielraum, um die Teilhabe ihrer<br />
Kinder zu ermöglichen. Das zerstört<br />
nicht nur hoffnungsvolle<br />
Lebensläufe. Volkswirtschaftlich<br />
betrachtet ist es eine Talentverschwendung,<br />
die wir uns angesichts<br />
der demografischen Entwicklung<br />
nicht leisten können.<br />
Die Aufgabe des <strong>VdK</strong> sehe ich<br />
darin, für Fairness im Leben jedes<br />
Einzelnen zu sorgen. Wie<br />
alte Menschen haben Kinder<br />
keine Chance, sich selbst aus der<br />
Armut zu befreien. Sie brauchen<br />
eine solidarische Gesellschaft.<br />
Deshalb muss das Prinzip einer<br />
optimalen Förderung sein: Je<br />
weniger die Eltern helfen können,<br />
desto mehr unterstützt die<br />
Gemeinschaft – und umgekehrt.<br />
Härtefallfonds für DDR-Rentner<br />
Anträge bis 30. September 2<strong>02</strong>3 möglich<br />
Keine Experimente bei der Rentenfinanzierung<br />
Bentele: „Das Konzept des Kapitalstocks geht in die falsche Richtung“<br />
Seit mehr als 30 Jahren kämpfen<br />
Zehntausende Ostdeutsche um die<br />
Anerkennung ihrer DDR-Zusatzrenten.<br />
Die Ampel-Koalition stellt<br />
500 Millionen Euro für einen Härtefallfonds<br />
für Betroffene bereit. Anträge<br />
müssen diese bis zum<br />
30. September 2<strong>02</strong>3 stellen.<br />
Aus dem Härtefallfonds sollen<br />
Menschen unterstützt werden, die<br />
bei der Rentenüberleitung nach der<br />
Wiedervereinigung benachteiligt<br />
wurden, weil man ihre DDR-Zusatzrenten<br />
nicht berücksichtigte.<br />
Sie beziehen heute oft eine kleine<br />
Rente. Auch jüdische Kontingentflüchtlinge<br />
und Spätaussiedler<br />
werden aus dem Fonds bedacht.<br />
Anspruchsberechtigt sind etwa<br />
ehemalige Beschäftigte bei der<br />
Ein Antrag auf Leistungen aus<br />
dem Härtefallfonds kann bis zum<br />
30. September 2<strong>02</strong>3 bei der Geschäftsstelle<br />
der Stiftung „Härtefallfonds“<br />
gestellt werden. Die Antragsformulare<br />
können bei der Geschäftsstelle<br />
angefordert werden:<br />
Geschäftsstelle der Stiftung<br />
„Härtefallfonds“<br />
44781 Bochum<br />
Darüber hinaus lassen sich die<br />
Formulare auf der Internetseite<br />
des Bundesministeriums für Arbeit<br />
und Soziales herunterladen:<br />
www.bmas.de<br />
Info<br />
Reichsbahn, der Deutschen Post<br />
oder Krankenschwestern und ehemalige<br />
Bergleute. Insgesamt werden<br />
derzeit 17 Berufs- und Personengruppen<br />
Zusatzrentenansprüche<br />
vorenthalten. Voraussetzung<br />
für eine Auszahlung ist eine monatliche<br />
Rente am 1. Januar 2<strong>02</strong>1<br />
von insgesamt unter 830 Euro<br />
nach Abzug der Beiträge zur Kranken-<br />
und Pflegeversicherung.<br />
Anspruchsberechtigte sollen aus<br />
dem Fonds eine Einmalzahlung in<br />
Höhe von 2500 Euro erhalten.<br />
Sollten sich die Bundesländer daran<br />
beteiligen, könnte sich die<br />
Summe verdoppeln. Momentan<br />
erklärt sich Mecklenburg-Vorpommern<br />
als einziges Bundesland zu<br />
einer Beteiligung an dem Härtefallfonds<br />
bereit.<br />
cis<br />
Der Antrag kann per Post an die<br />
Geschäftsstelle der Stiftung geschickt<br />
oder per Mail eingereicht<br />
werden:<br />
gst@stiftung-haertefall<br />
fonds.de<br />
Für weitere Informationen zum<br />
Härtefallfonds stehen Ihnen montags<br />
bis donnerstags in der Zeit<br />
von 8 bis 16 Uhr und freitags von<br />
8 bis 14 Uhr die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der Stiftung unter<br />
einer kostenlosen Telefonnummer<br />
zur Verfügung:<br />
• (0800) 72 41 634<br />
Der Sozialverband <strong>VdK</strong> kritisiert<br />
das Konzept des sogenannten<br />
Kapitalstocks. Dieses hat das Bundesfinanzministerium<br />
vorgelegt.<br />
Schon im Koalitionsvertrag wurde<br />
festgelegt, in eine teilweise Kapitaldeckung<br />
der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
einzusteigen. Nun<br />
liegt ein erstes Konzept des Finanzministeriums<br />
vor. Demnach soll der<br />
nötige Kapitalstock teilweise kreditfinanziert<br />
aufgebaut werden.<br />
Dazu sollen in diesem Jahr Haushaltsmittel<br />
von rund zehn Milliarden<br />
Euro zugeführt werden. Erträge<br />
aus dieser Aktienrücklage sollen<br />
ab Mitte der 2030er Jahre die Beitragssatzentwicklung<br />
stabilisieren.<br />
Ziel verfehlt<br />
Der <strong>VdK</strong> lehnt grundsätzlich<br />
Experimente zur Finanzierung der<br />
gesetzlichen Rentenversicherung<br />
ab. Die Anlage von Kapital an den<br />
Finanzmärkten ist keine sinnvolle<br />
Form der Finanzierung der gesetzlichen<br />
Rente. „Das Konzept wirft<br />
mehr Fragen auf, als dass zufriedenstellende<br />
Antworten gegeben<br />
werden. Es geht in die falsche<br />
Richtung“, fasst <strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />
Verena Bentele die Kritik zusammen.<br />
„Anstatt nachhaltige Konzepte<br />
für eine zukunftsträchtige<br />
Finanzierung der Alterssicherung<br />
zu entwickeln, ist das Ministerium<br />
zu risikoreichen Experimenten<br />
bereit“, kritisiert Bentele. Ein<br />
Blick auf die Aktienmärkte zeige,<br />
dass sich viele Märkte in den<br />
letzten Jahren negativ entwickelt<br />
haben.<br />
Unklar sei, wie in dem kurzen<br />
Zeitraum – nämlich von 2<strong>02</strong>3 zum<br />
Beginn der Finanzierung bis zur<br />
Mitte der 2030er Jahre – ein solider<br />
Ertrag erwirtschaftet wird. Somit<br />
werde das Ziel verfehlt, die Finanzierung<br />
der Rentenversicherung im<br />
problematischen Zeitraum beim<br />
Übergang der Babyboomer vom<br />
Erwerbsleben in den Ruhestand zu<br />
stärken.<br />
Ein System für alle<br />
Eine sogenannte<br />
Aktienrücklage<br />
soll ab Mitte<br />
der 2030er<br />
Jahre die<br />
Beitragsentwicklung<br />
stabilisieren<br />
– so die<br />
Pläne des<br />
Finanzministeriums.<br />
Der <strong>VdK</strong><br />
lehnt das<br />
Konzept ab.<br />
Foto: imago/Zoonar<br />
Der <strong>VdK</strong> fordert, die Summe für<br />
den Kapitalstock im Bereich der<br />
Rentenpolitik sinnvoller zu investieren.<br />
Beispielsweise sollten<br />
der Grundrentenzuschlag erhöht<br />
und die Zeiten zur Pflege von<br />
Angehörigen besser anerkannt<br />
werden. Um die Rente zukunftsfest<br />
zu machen, gilt es, sie zu einer<br />
Erwerbstätigenversicherung<br />
auszubauen. In diese sollen künftig<br />
alle, auch Selbstständige, Beamtinnen<br />
und Beamte sowie<br />
Politikerinnen und Politiker, einbezahlen.<br />
Dies stärkt die finanzielle<br />
Basis der Rentenversicherung<br />
und schafft mehr Gerechtigkeit<br />
in der Alterssicherung.<br />
Ein umlagefinanziertes Alterssicherungssystem,<br />
in das alle<br />
einzahlen, gibt es in Österreich.<br />
Die Arbeitgeber zahlen einen um<br />
2,3 Prozentpunkte höheren Beitrag<br />
in das sogenannte Pensionssystem.<br />
Insgesamt ist der Beitragssatz<br />
mit 22,8 Prozent höher<br />
als in Deutschland. Es werden<br />
auch höhere Beträge ausgezahlt:<br />
In Österreich erhält ein Durchschnittsverdiener<br />
eine rund 800<br />
Euro höhere Rente als ein vergleichbarer<br />
Verdiener in Deutschland.<br />
Julia Frediani
Reportage Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 3<br />
Tafeln erleben großen Ansturm<br />
Rund zwei Millionen Menschen versorgen sich in Deutschland bei der Tafel mit überschüssigen Lebensmitteln<br />
Seit in der Ukraine gekämpft wird<br />
und in Deutschland die Preise steigen,<br />
ist die Zahl der Tafel-Nutzerinnen<br />
und -Nutzer stark gestiegen.<br />
Viele sehen die wachsende Bedeutung<br />
der Tafel kritisch. Christina<br />
S. aus Berlin-Tempelhof, die seit<br />
mehr als 20 Jahren eine kleine<br />
Erwerbsminderungsrente bezieht,<br />
hilft das Angebot sehr.<br />
Maria Schwarz (v.li.), Antje Schmidtmann und Lydia Schmuck sortieren die Waren.<br />
Dienstags verwandelt sich die<br />
Kirche der evangelischen Paulus-<br />
Gemeinde in Berlin-Tempelhof zu<br />
einer großen Ausgabestelle der<br />
Berliner Tafel. Vormittags liefern<br />
Transporter im Minutentakt Spenden<br />
großer Lebensmittelketten an,<br />
die Ehrenamtliche am Hintereingang<br />
der Kirche entgegennehmen<br />
und ins Gotteshaus tragen. Dort<br />
rücken Helferinnen und Helfer<br />
Tische zurecht, auf denen die Waren<br />
später angeboten werden.<br />
Christina S. ist eine der Kundinnen,<br />
die an diesem Dienstag kurz<br />
vor Weihnachten in der Kirche<br />
Lebensmittel abholen. Ihren Familiennamen<br />
möchte sie aus Scham<br />
nicht in der Zeitung lesen. Seit<br />
mehr als 20 Jahren lebt sie von einer<br />
kleinen Erwerbsminderungsrente.<br />
„Hier erhalte ich für einen<br />
Euro Lebensmittel im Wert von<br />
rund 20 Euro. Damit komme ich<br />
mehrere Tage aus“, sagt sie.<br />
Die 61-Jährige kann ihren linken<br />
Arm und die Hand seit einem<br />
Schlaganfall nicht mehr bewegen.<br />
Vor ihrem Oberkörper baumeln<br />
mehrere Stoffbeutel, deren Schlaufen<br />
sie sich um den Hals gehängt<br />
hat. Mit der gesunden rechten<br />
Hand steckt sie die Lebensmittel in<br />
die jeweiligen Taschen – getrennt<br />
nach Obst, Gemüse sowie Brot und<br />
Brötchen und verpackten Waren.<br />
Am Gemüse-Stand hält sie ein<br />
Pläuschchen und bedankt sich für<br />
die Paprika. „Die kaufe ich nicht<br />
mehr im Geschäft, seitdem sie so<br />
teuer geworden sind“, sagt sie.<br />
Schon kurz nach der Eröffnung<br />
stehen die Menschen in der Kirche<br />
Schlange. Einige haben Taschen in<br />
den Händen, andere ziehen einen<br />
Einkaufstrolley hinter sich her. Es<br />
stehen Frauen mit Kinderwagen<br />
neben Senioren, die auf ihrem Rollator<br />
sitzen und warten.<br />
Aufnahmestopp<br />
Wöchentlich holen sich im<br />
Schnitt 130 Haushalte in der Kirche<br />
Lebensmittel, sagt Lydia<br />
Schmuck. Die 73-Jährige sitzt am<br />
Eingang und kontrolliert die Nachweise<br />
der Eintretenden. Das Angebot<br />
kann nur nutzen, wer Arbeitslosengeld<br />
II, eine geringe Rente<br />
Foto: Jörg Ciszewski<br />
oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz<br />
bezieht und<br />
das belegen kann. Schmuck hakt<br />
auf einer Liste die Namen derer ab,<br />
die sich bei ihr anmelden. Alle bekommen<br />
ein Zettelchen mit einer<br />
Zahl und einem Vermerk, ob Kinder<br />
im Haushalt leben. Wer aufgerufen<br />
wird, kann einkaufen. Alles<br />
läuft ruhig und geregelt.<br />
Die Tafel Deutschland klagt seit<br />
einiger Zeit über die wachsende<br />
Zahl der Bedürftigen bei rückläufigen<br />
Spenden. Bundesweit habe<br />
jede dritte Ausgabestelle bereits<br />
einen Aufnahmestopp verhängt. In<br />
Tempelhof ist die Spendenbereitschaft<br />
weiterhin gut, sagt Schmuck.<br />
Doch auch hier werden seit Ende<br />
November keine neuen Kundinnen<br />
und Kunden mehr aufgenommen.<br />
Kundenzahl verdoppelt<br />
In Berlin gibt es 47 Ausgabestellen,<br />
die aktuell rund 80000 Kundinnen<br />
und Kunden pro Monat<br />
versorgen. Im Vergleich zum Februar<br />
2<strong>02</strong>2 habe sich die Zahl verdoppelt,<br />
so die Tafel Berlin. Bundesweit<br />
gehen rund zwei Millionen<br />
Menschen zur Tafel.<br />
Auch wenn das Angebot vielen<br />
hilft, ist die Tafel nicht unumstritten.<br />
Es sei Aufgabe des Staates, die<br />
Armut zu bekämpfen, so die Kritik.<br />
Der Armutsforscher Professor<br />
Stefan Selke ist der Meinung, dass<br />
sich mit überschüssigen Lebensmitteln,<br />
die an Bedürftige verteilt<br />
werden, nicht das Problem der<br />
Armut lösen lässt. Mittlerweile<br />
würden die Tafeln sogar Lebensmittel<br />
dazukaufen. Es habe sich<br />
eine Armutsökonomie entwickelt,<br />
von der viele profitieren, die aber<br />
das Wegwerfverhalten der Konsumgesellschaft<br />
nicht löst.<br />
Christina S. will sich an dieser<br />
Diskussion nicht beteiligen. Sie ist<br />
froh, dass sie sich durch die Einkäufe<br />
bei der Tafel auch mal etwas<br />
erlauben kann, „was ansonsten<br />
nicht drinsitzen würde“ – zum<br />
Beispiel ein schönes Geschenk für<br />
ihren Enkel. Jörg Ciszewski<br />
„Eine sozial gerechte Gesellschaft anstreben“<br />
Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland, spricht über Armut und Teilhabe<br />
Seit 30 Jahren versorgen die Tafeln<br />
Menschen in Deutschland mit<br />
Lebensmitteln. Im Gespräch mit<br />
<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele<br />
erzählt Jochen Brühl, Vorsitzender<br />
der Tafel Deutschland, von seinem<br />
Engagement gegen Armut.<br />
Der Sozialverband <strong>VdK</strong> weiß, dass<br />
Menschen Sozialleistungen aus<br />
Angst und Scham nicht beantragen.<br />
Wie sind Ihre Erfahrungen bei<br />
den Tafeln?<br />
Das ist vor allem bei den Erstbesuchen<br />
so, dass die Leute Angst haben,<br />
erkannt zu werden. Ein wichtiger<br />
Teil unserer Arbeit ist, dass<br />
wir den Menschen die Scham<br />
nehmen. Tafeln sind immer auch<br />
Orte der Begegnung, wo man als<br />
Mensch gesehen wird. Und 20 Prozent<br />
der Menschen, die als Kundinnen<br />
und Kunden zu uns kommen,<br />
sind auch Helfende.<br />
Die Zahl derer, die die Tafeln aufsuchen,<br />
ist im Jahr 2<strong>02</strong>2 im bundesweiten<br />
Durchschnitt um 50<br />
Prozent gestiegen. Wie geht es<br />
Ihren Einrichtungen damit?<br />
Für die Tafel-Helfenden war die<br />
Corona-Zeit schon extrem herausfordernd.<br />
Dann kam dieser furchtbare<br />
Krieg, die Inflation, der Anstieg<br />
der Lebensmittel-, Wohnund<br />
Energiekosten. Das hat die<br />
Ehrenamtlichen erneut an ihre<br />
Grenzen gebracht.<br />
Tafeln, die vielleicht bisher 1500<br />
Kundinnen und Kunden hatten,<br />
haben auf einmal 3000 oder 4000.<br />
Jochen Brühl (links) bei einer Aktion der Tafel in Köln.<br />
Über 60 Prozent der Tafel-Helfenden<br />
haben gesagt, dass es physische<br />
und psychische Erschöpfungen<br />
mit sich bringt. Das sind Ehrenamtliche,<br />
die das in ihrer<br />
Freizeit machen.<br />
Wie gehen Sie damit um, dass Sie<br />
immer weniger Lebensmittel und<br />
immer mehr Hilfesuchende haben?<br />
Wir verteilen anders. Wir versuchen,<br />
dass jede und jeder, der zu<br />
uns kommt, nicht <strong>ohne</strong> Lebensmittel<br />
gehen muss. Gleichzeitig<br />
bauen wir unsere Bemühungen<br />
aus, Lebensmittel auf anderen<br />
Wegen zu akquirieren, indem wir<br />
mit Großunternehmen sprechen,<br />
indem wir bereit sind, Großmengen<br />
abzunehmen, unsere Logistik<br />
Foto: imago/epd<br />
auszubauen und zu verbessern.<br />
Für uns ist wichtig, dass wir auf<br />
der einen Seite Lebensmittelüberflüsse<br />
abbauen und auf der anderen<br />
Seite Menschen, die von Armut<br />
bedroht oder betroffen sind,<br />
unterstützen. Diese Dualität leben<br />
wir weiter. Wir sind sehr kreativ,<br />
was die Lebensmittel-Akquise<br />
betrifft.<br />
Ihnen wird oft vorgeworfen, dass<br />
Sie Armut nicht selbst bekämpfen.<br />
Was entgegnen Sie?<br />
Da engagieren sich 60000 Menschen<br />
für ihre Mitbürgerinnen und<br />
Mitbürger. Da retten wir Lebensmittel,<br />
die wir sonst wegschmeißen<br />
würden. Wir halten der Gesellschaft<br />
den Spiegel vor, was schiefläuft.<br />
Da ist die Frage, wen kritisieren<br />
wir? Die, die uns den Spiegel<br />
vorhalten, oder eine Politik, die<br />
wegschaut, die Armut ignoriert?<br />
Ich glaube, dass unsere Sozialpolitik<br />
definitiv verändert werden<br />
muss.<br />
Und was wünschen Sie sich von<br />
der Sozialpolitik?<br />
Meine Positionen sind sehr deutlich:<br />
Es geht um bedarfsgerechte<br />
Leistungen für Menschen, die von<br />
Armut bedroht oder betroffen sind.<br />
Es geht um Teilhabe, gerade auch<br />
in Familien, dass die Kinder die<br />
Chance haben, wie andere Kinder<br />
auch an Bildung teilzuhaben.<br />
Es ist wichtig, dass wir die Thematik<br />
Frauen und Beruf, Familie<br />
und Beruf auf dem Schirm haben<br />
Podcast „In guter Gesellschaft“<br />
Das ganze Interview mit dem Vorsitzenden<br />
der Tafel Deutschland,<br />
Jochen Brühl, hören Sie im neuen<br />
Podcast von <strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena<br />
Bentele „In guter Gesellschaft“.<br />
Darin spricht Brühl ausführlicher<br />
über die Bedeutung der<br />
Tafeln in Deutschland und geht<br />
der Frage nach, warum immer<br />
mehr Menschen in Deutschland<br />
das Angebot der Tafeln nutzen.<br />
In einer weiteren Podcast-Folge<br />
spricht Verena Bentele mit Fritz<br />
Fischer, einem der erfolgreichsten<br />
Biathleten in Deutschland. Der<br />
Bayer ist zweifacher Weltmeister<br />
und hat mit der Staffel Olympia<br />
und dass Bildung nicht nur abhängig<br />
ist vom Einkommen der<br />
Eltern.<br />
Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft,<br />
als Bürgerinnen und Bürger,<br />
die sich engagieren, der Politik<br />
sehr deutlich auf die Füße treten.<br />
Das Ausspielen derjenigen, die viel<br />
zu wenig haben, und derjenigen,<br />
die noch weniger haben, muss aufhören.<br />
Es ist wichtig, dass wir eine sozial<br />
gerechte Gesellschaft anstreben,<br />
in der der Einzelne zählt und nicht<br />
das, was er an Einkommen hat.<br />
Mich erschreckt die Wahlbeteiligung<br />
unter armen Menschen. Wir<br />
müssen uns alle vor Augen führen,<br />
dass soziale Ungerechtigkeit zu<br />
einer Spaltung der Gesellschaft<br />
führen kann.<br />
gewonnen. In ihrem Gespräch<br />
unterhalten sich die beiden Spitzensportler<br />
über Fischers lange<br />
Karriere und sprechen über seine<br />
Mitgliedschaft beim Sozialverband<br />
<strong>VdK</strong>.<br />
Die beiden neuen Folgen des<br />
Podcasts können Sie ab sofort<br />
hören: www.vdk.de/podcast juf
4 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
Politik<br />
Die wichtigsten Regelungen beim Bürgergeld<br />
Schonvermögen und ein höherer Schutz von W<strong>ohne</strong>igentum sind Neuerungen in der Grundsicherung<br />
Das Bürgergeld hat im Bereich der<br />
Grundsicherung die bisherigen<br />
sogenannten Hartz-IV-Leistungen<br />
abgelöst. Daraus ergeben sich seit<br />
Anfang 2<strong>02</strong>3 viele Neuerungen für<br />
Leistungsempfängerinnen und<br />
-empfänger. Einige Regelungen<br />
gelten auch für die Grundsicherung<br />
im Alter oder bei Erwerbungsminderung.<br />
Die <strong>VdK</strong>-ZEITUNG hat<br />
die wichtigsten Neuerungen zusammengestellt.<br />
Regelsätze<br />
Die Regelsätze des neuen Bürgergelds<br />
sind seit Anfang 2<strong>02</strong>3 für<br />
alle Empfängerinnen und Empfänger<br />
in der Grundsicherung angepasst:<br />
Alleinstehende erhalten 5<strong>02</strong><br />
Euro pro Monat. Bei Paaren erhalten<br />
beide je 451 Euro pro Monat.<br />
Diese neuen Regelsätze gelten sowohl<br />
im Bürgergeld als auch für<br />
alle in der Grundsicherung im Alter<br />
und bei Erwerbsminderung.<br />
Keine Zwangsverrentung<br />
Bis Ende 2<strong>02</strong>6 fällt die sogenannte<br />
Zwangsverrentung für ältere<br />
Menschen weg. Bisher konnten<br />
Bezieherinnen und Bezieher<br />
von Arbeitslosenhilfe II über 63<br />
Jahre dazu verpflichtet werden, in<br />
die vorgezogene Altersrente zu<br />
gehen – und mussten deshalb hohe<br />
Abschläge in der Rente in Kauf<br />
nehmen. Der Sozialverband <strong>VdK</strong><br />
begrüßt diese Neuregelung, die<br />
eine Ungerechtigkeit beendet.<br />
Das neue Bürgergeld ersetzt die bisherigen sogenannten Hartz-IV-Leistungen.<br />
Schonvermögen<br />
Die Vermögensprüfung wurde<br />
für Neuanträge auf Bürgergeld für<br />
das erste Jahr ausgesetzt. In dieser<br />
Zeit wird Vermögen von bis zu<br />
40000 Euro nicht geprüft. Bei<br />
Neuantragstellende im Bürgergeld<br />
wurde ein Jahr Karenzzeit bei den<br />
Wohnkosten eingeführt. Das heißt,<br />
dass das selbst genutzte W<strong>ohne</strong>igentum<br />
für ein Jahr nicht angetastet<br />
wird.<br />
Des Weiteren wurde ein Schonvermögen<br />
von 15 000 Euro pro<br />
Person beim Bürgergeld eingeführt.<br />
In der Grundsicherung im<br />
Alter sowie bei Erwerbsminderung<br />
liegt die Grenze bei 10 000<br />
Euro pro Person, bisher waren<br />
hier nur 5000 Euro Vermögen<br />
erlaubt.<br />
Wohnkosten<br />
Für das erste Jahr nach Antragstellung<br />
werden die tatsächlichen<br />
Wohn- beziehungsweise Mietkosten<br />
übernommen. Heizkosten<br />
werden sie in angemessener Höhe<br />
übernommen. Für den Fall, dass<br />
der Lebenspartner während des<br />
Leistungsbezugs sterben sollte, gilt<br />
ebenfalls ein Jahr Karenzzeit bei<br />
Foto: picture alliance/Christian Ohde<br />
den Wohnkosten: In dieser Zeit<br />
werden die Wohnkosten noch in<br />
der bisherigen Höhe übernommen<br />
und erst nach einem Jahr neu berechnet.<br />
Diese neue Regelung gilt<br />
sowohl im Bürgergeld als auch bei<br />
der Grundsicherung im Alter und<br />
bei Erwerbsminderung.<br />
Auto<br />
In der Grundsicherung im Alter<br />
oder bei Erwerbsminderung gab es<br />
eine wichtige Änderung: Ein angemessenes<br />
Auto gilt als geschütztes<br />
Vermögen und muss nicht verkauft<br />
werden.<br />
Julia Frediani<br />
Vergessen bei der<br />
Energiepreispauschale<br />
Die Energiepreispauschale wurde<br />
inzwischen an verschiedene Gruppen<br />
ausgezahlt. Andere gehen<br />
weiterhin leer aus.<br />
<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele<br />
kritisiert diese Ungleichbehandlung<br />
scharf. „Wer nicht arbeitet oder keine<br />
Rente erhält, hat anscheinend Pech<br />
gehabt. Aber auch diese Menschen<br />
sind auf das Geld angewiesen.“<br />
Zu ihnen gehören pflegende Angehörige<br />
ebenso wie Eltern, die<br />
sich in der Elternzeit um ihre Kinder<br />
kümmern, <strong>ohne</strong> Elterngeld zu<br />
beziehen. Das gleiche gilt für all<br />
jene, die Krankengeld oder Übergangsgeld<br />
empfangen, aber in keinem<br />
aktiven Dienstverhältnis stehen.<br />
Auch bei den Rentnerinnen<br />
und Rentnern gibt es Ausnahmen:<br />
Wer sich in der passiven Phase der<br />
Altersteilzeit oder im Vorruhestand<br />
befindet oder eine Rente<br />
nach dem Bundesversorgungsgesetz<br />
(BVG) oder aus der Unfallversicherung<br />
erhält, ist von der Zahlung<br />
ausgenommen.<br />
Der <strong>VdK</strong> fordert, dass die Pauschale<br />
auch jene bekommen, die<br />
bisher durchs Raster gefallen sind.<br />
Das Geld könnte über das Krankengeld,<br />
das Übergangsgeld, die BVG-<br />
Rente beziehungsweise die Unfallversicherung<br />
ausgezahlt werden.<br />
Die Rentenversicherung könnte sie<br />
an registrierte pflegende Angehörige<br />
überweisen. „Dies wäre ein richtiger<br />
Schritt und sozial gerecht“, so<br />
Bentele. Tipp: Wer das Geld trotz<br />
Anspruch nicht bis zum 9. Januar<br />
erhalten hat, kann die Auszahlung<br />
bis 30. Juni 2<strong>02</strong>3 beantragen. ken<br />
Mehr Menschen verarmen<br />
Vertrauen in Demokratie ist erschüttert<br />
Hilfe bei hohen Heizkosten<br />
Kostenübernahme durch Jobcenter oder Sozialamt nach Antrag möglich<br />
Foto: picture alliance/Arne Dedert<br />
2019 waren so viele Menschen von<br />
Armut betroffen wie noch nie. Das<br />
ist das Ergebnis des neuen Verteilungsberichts<br />
der Hans-Böckler-<br />
Stiftung.<br />
Immer mehr Menschen sind arm.<br />
Trotz einer günstigen wirtschaftlichen<br />
Entwicklung hat sich<br />
in den vergangenen zehn Jahren<br />
die Armut in Deutschland weiter<br />
verfestigt. Betrug die Armutsquote<br />
im Jahr 2010 noch 14,3 Prozent,<br />
lag sie 2019 bereits bei 16,8 Prozent<br />
– ein deutlicher Anstieg, der<br />
schon stattfand, bevor die Corona-Pandemie<br />
und die Energiepreiskrise<br />
die Gesellschaft schwer<br />
belastet haben.<br />
Als „arm“ gilt, wer ein Nettoeinkommen<br />
von weniger als 60 Prozent<br />
des mittleren Einkommens in<br />
Deutschland bezieht. Wie ein Leben<br />
unterhalb der Armutsgrenze<br />
aussieht, fassen die Autorinnen<br />
vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen<br />
Institut der Stiftung<br />
so zusammen: „Arme müssen<br />
auf viele Güter des alltäglichen<br />
Lebens verzichten, sie leben in kleineren<br />
Wohnungen und haben einen<br />
schlechteren Gesundheitszustand.“<br />
Insgesamt sind ihre Möglichkeiten<br />
zur sozialen Teilhabe stark eingeschränkt.<br />
Die daraus resultierende<br />
Unzufriedenheit gefährdet den gesellschaftlichen<br />
Zusammenhalt: In<br />
Umfragen zeigt sich, dass nur etwa<br />
jeder Zweite der Betroffenen der<br />
Meinung ist, dass die Demokratie<br />
hierzulande gut funktioniert. Das<br />
Vertrauen in die staatlichen Institutionen<br />
werde durch die hohe Inflation<br />
erschüttert, so die Befürchtung<br />
der Verfasserinnen.<br />
Im Verteilungsbericht fordern sie<br />
ein „wirksameres politisches Engagement<br />
gegen Armut“. Dies gelte<br />
umso mehr, da der Spardruck mittlerweile<br />
bis weit in die Mittelschicht<br />
hinein reiche und sozialer<br />
Abstieg auch Menschen drohe, die<br />
sich bislang wenig finanzielle Sorgen<br />
machen mussten.<br />
Als Maßnahmen schlagen sie<br />
mehr sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigung, höhere Löhne für<br />
Geringverdiener und -verdienerinnen<br />
sowie einen Abbau des Niedriglohnsektors<br />
vor. Auch müsse<br />
das Grundsicherungsniveau deutlich<br />
angehoben und der soziale<br />
Wohnungsbau stärker gefördert<br />
werden.<br />
gol<br />
In der Grundsicherung im Alter, bei<br />
Erwerbsminderung und im Bürgergeld<br />
gibt es Möglichkeiten, die<br />
Übernahme von Heizkosten zu<br />
beantragen.<br />
Diese Wege können Menschen<br />
helfen, die trotz der einmaligen<br />
Übernahme der Gasrechnung im<br />
Dezember und trotz der Stromund<br />
Gaspreisbremsen, die im<br />
Frühjahr einsetzen, nicht wissen,<br />
wie sie ihre Heizkosten bezahlen<br />
sollen.<br />
In der Grundsicherung im Alter<br />
und bei Erwerbsminderung gibt es<br />
die Möglichkeit, dass das Sozialamt<br />
Heizkostenschulden in Form<br />
eines Darlehens übernimmt. Auch<br />
wenn man vorher keine Leistungen<br />
über das Sozialamt bezogen<br />
hat, kann man die Übernahme der<br />
hohen Kosten für den Kauf von<br />
Heizmittelvorräten oder die jährliche<br />
Heizkostenabrechnung beantragen,<br />
wenn man dadurch in finanzielle<br />
Not geraten ist.<br />
Beim neuen Bürgergeld können<br />
Heizkostenabrechungen nach Antrag<br />
beim Jobcenter mit einer dreimonatigen<br />
Rückwirkung übernommen<br />
werden. Diese Änderung<br />
verbessert die bisherige Regelung<br />
erheblich. Bisher konnte man die<br />
Übernahme der Heizkostenrechnung<br />
nur im gleichen Monat beantragen,<br />
in dem man die Rechnung<br />
erhalten hatte. Nach der neuen<br />
Regelung gilt: Wer im November<br />
2<strong>02</strong>2 Heizöl, Pellets oder andere<br />
Energieträger bestellt hatte, kann<br />
Hohe Heizrechnungen – für viele Menschen ein Problem. Foto: imago/Ohde<br />
noch im neuen Jahr drei Monate<br />
rückwirkend im Jobcenter beantragen,<br />
dass die Kosten übernommen<br />
werden.<br />
Davon profitieren jetzt auch diejenigen<br />
Personen, die bisher keine<br />
Leistungen vom Jobcenter erhalten<br />
haben. Auch wenn der Gang zum<br />
Jobcenter dem einen oder anderen<br />
schwerfallen wird, empfiehlt ihn<br />
der Sozialverband <strong>VdK</strong> Deutschland,<br />
wenn Mitglieder Unterstützung<br />
bei der Bezahlung der Energiekosten<br />
benötigen. <strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />
Verena Bentele appelliert:<br />
„Das sind keine Almosen, sondern<br />
das steht den Menschen zu. Die<br />
Krise macht vor niemandem halt.“<br />
Bei Nachtspeicherheizungen<br />
wurde folgende Regelung gefunden:<br />
Ein monatlicher Durchschnittspreis<br />
wird anhand der<br />
zeitlichen Gültigkeit der Tarifstufen<br />
ermittelt. Es gibt eine Entlastung<br />
für den Nachtstrom, auch<br />
wenn der Nachttarif unter 40 Cent<br />
liegt.<br />
Bisher hat Berlin als einziges<br />
Bundesland einen Härtefallfonds<br />
für Menschen, die ihre Energierechnungen<br />
nicht bezahlen können,<br />
eingerichtet. Andere Länder<br />
sollen folgen. Julia Frediani<br />
Weitere Informationen<br />
Für alle Betroffenen bietet die<br />
Webseite www.energie-hilfe.org<br />
Informationen und die Anträge<br />
zur Übernahme von Heizkosten<br />
durch Jobcenter oder Sozialamt.<br />
www.energie-hilfe.org
So hilft der <strong>VdK</strong><br />
Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
5<br />
Krankenkasse lehnt Operation ab<br />
<strong>VdK</strong> erstreitet vor dem Sozialgericht Kostenübernahme für Mitglied – Medizinisch notwendiger Eingriff ist keine Schönheits-OP<br />
Rita Best hat mit dem <strong>VdK</strong> Hessen-Thüringen<br />
an ihrer Seite ihre<br />
Krankenkasse verklagt, weil die<br />
sich weigerte, die Kosten für eine<br />
medizinisch empfohlene Bauch-<br />
OP zu übernehmen. Die Kasse<br />
hatte die Ablehnung damit begründet,<br />
dass es sich um eine<br />
Schönheitsoperation handelt.<br />
Rita Best ist eine resolute Frau<br />
und steht mit beiden Beinen fest im<br />
Leben. Doch was die Friseurin und<br />
Mutter einer erwachsenen Tochter<br />
in den vergangenen Jahren erlebte,<br />
hat sie völlig aus der Bahn geworfen.<br />
Ihre Leidensgeschichte begann<br />
mit starken Bauchschmerzen<br />
während eines Thailand-Urlaubs.<br />
Die Untersuchung in einer Klinik<br />
vor Ort blieb <strong>ohne</strong> Diagnose. Die<br />
heute 60-Jährige überstand den<br />
Urlaub nur mithilfe von Schmerzmitteln<br />
und fuhr nach ihrer Rückkehr<br />
nach Deutschland sofort in<br />
eine Klinik. Dort schlugen die<br />
Ärzte Alarm.<br />
Sie diagnostizierten einen<br />
Durchbruch des Blinddarms, der<br />
bereits verkapselt und mit anderen<br />
Organen verwachsen war. Nach<br />
einer Not-OP stellte sich heraus,<br />
dass auch der Dickdarm verletzt<br />
war und dadurch der Bauchraum<br />
bakteriell infiziert wurde. Best<br />
verbrachte mehrere Tage auf der<br />
Intensivstation. Der Bauch musste<br />
wiederholt geöffnet und gereinigt<br />
werden. Innerhalb von vier Wochen<br />
wurde sie insgesamt sechsmal<br />
operiert. Die innere Wunde heilte<br />
nicht richtig, und es entstand am<br />
Bauch eine große Ausbeulung<br />
(Bauchwandhernie), weil der<br />
Darm durch ein Loch im Gewebe<br />
in die Bauchwand austrat. Sie litt<br />
unter starken Schmerzen.<br />
Massive Vernarbungen<br />
Die Bauchwandhernie wurde<br />
operiert, und der Darm mit einem<br />
eingesetzten Muskel und einem<br />
Kunststoffnetz in die Bauchhöhle<br />
zurückgedrängt. Durch die vielen<br />
Bauchoperationen hatten sich<br />
Narben und überschüssiges Gewebe<br />
gebildet. Das führte dazu, dass<br />
Rita Best ihren Oberkörper wegen<br />
des zusätzlichen Gewichts nicht<br />
aufrecht halten konnte. Die Ärzte<br />
attestierten ihr Haltungsschäden,<br />
die zu drei Bandscheibenvorfällen<br />
führten. Außerdem entzündete<br />
sich die Haut unter der Bauchfalte<br />
regelmäßig.<br />
Als sie sich wegen der Beschwerden<br />
an eine Klinik wandte, empfahl<br />
der Arzt, die Narben und das<br />
überschüssige Gewebe zu entfernen<br />
und den Bauch zu straffen.<br />
Doch ihre Krankenkasse stellte<br />
Rita Best aus Südhessen kämpfte jahrelang mit dem Sozialverband <strong>VdK</strong><br />
um die Kostenübernahme für eine Operation.<br />
Foto: Privat<br />
sich quer: „Die Kosten für einen<br />
operativen Eingriff zur Befriedigung<br />
des ästhetischen Aussehens“<br />
könnten nicht übernommen werden,<br />
schrieb sie in ihrer Ablehnung.<br />
Der <strong>VdK</strong> widersprach und machte<br />
deutlich, dass es sich um einen<br />
medizinisch notwendigen Eingriff<br />
handelt. Dabei stützte sich <strong>VdK</strong>-Juristin<br />
Jana Stein von der Bezirksgeschäftsstelle<br />
Darmstadt auf die<br />
Empfehlung der behandelnden<br />
Ärzte. Die Krankenkasse hielt<br />
dennoch an ihrer Beurteilung fest<br />
und führte Gutachten des Medizinischen<br />
Dienstes an, die ausschließlich<br />
nach Aktenlage entstanden<br />
waren.<br />
Eindeutiges Gutachten<br />
Als der <strong>VdK</strong> gegen die Kasse<br />
klagte, beauftragte das Sozialgericht<br />
ein Sachverständigengutachten<br />
bei einem Facharzt für Chirurgie<br />
und Notfallmedizin. Der Arzt<br />
befürwortete, die „Rekonstruktion<br />
der vorderen Bauchwand“ durch<br />
die Entfernung des vernarbten<br />
Gewebes und eine Bauchstraffung,<br />
um bei der Patientin wieder eine<br />
schmerzfreie Mobilität zu erreichen.<br />
Die OP sei die einzige Möglichkeit,<br />
das Ziel zu erreichen.<br />
Erst daraufhin willigte die Krankenkasse<br />
mehr als zwei Jahre nach<br />
dem Antrag ein, die Kosten zu<br />
übernehmen. Stein ist sich sicher:<br />
Hätte der Medizinische Dienst<br />
Rita Best direkt nach dem Antrag<br />
persönlich begutachtet, wären ihr<br />
zwei Jahre Leid erspart geblieben.<br />
Die Operation ist Ende Februar.<br />
Rita Best verbindet mit dem Eingriff<br />
große Erwartungen: „Ich<br />
möchte endlich mein altes Leben<br />
zurück haben.“ Jörg Ciszewski<br />
<strong>VdK</strong> erkämpft EM-Rente<br />
DRV muss Mitglied 57 000 Euro nachzahlen<br />
Von klein auf leidet Vera Schneider-Engelmann<br />
unter schwerem<br />
Rheuma. Ihr Gesundheitszustand<br />
verschlechterte sich, je älter sie<br />
wurde. Als ihr im Erwachsenenalter<br />
die Erwerbsminderungsrente<br />
(EM-Rente) von der Deutschen<br />
Rentenversicherung (DRV) aberkannt<br />
wurde, kämpfte der <strong>VdK</strong>-Landesverband<br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> mit<br />
Erfolg gegen diese Entscheidung.<br />
Wenn Vera Schneider-Engelmann<br />
einen Rheuma-Schub hat,<br />
bereitet ihr jede Bewegung<br />
Schmerzen. Bei der heute 32-jährigen<br />
Frau hatten die Ärzte schon<br />
vor 20 Jahren eine schwere Form<br />
des kindlichen Rheumas festgestellt,<br />
die den ganzen Körper betrifft.<br />
Die Beschwerden nahmen<br />
im Laufe der Jahre weiter zu.<br />
Im Jahr 2011 stellte sie während<br />
ihrer Berufsausbildung zur Verwaltungsfachangestellten<br />
einen<br />
Antrag auf eine Rente wegen voller<br />
Erwerbsminderung und erhielt<br />
diese für 16 Monate. Die DRV beendete<br />
die Zahlung dann, weil der<br />
Gesundheitszustand sich angeblich<br />
verbessert hatte. Den Widerspruch<br />
lehnte die DRV ab.<br />
Zu krank zum Arbeiten<br />
Aufgrund ihrer gesundheitlichen<br />
Probleme war die junge Frau auch<br />
danach ständig in ärztlicher Behandlung.<br />
Bis sie ihren Partner<br />
kennenlernte, lebte sie zeitweise<br />
von Hartz IV. „Ich war zu krank<br />
zum Arbeiten, aber habe keine<br />
Erwerbsminderung bekommen“,<br />
beschreibt sie die Situation heute.<br />
Im Jahr 2019 nahm sie einen<br />
neuen Anlauf. Dabei unterstützte<br />
sie Marcel Unger, Geschäftsführer<br />
der <strong>VdK</strong>-Kreisgeschäftsstelle Bad<br />
Kreuznach. Er erhielt von seiner<br />
Mandantin einen dicken Ordner<br />
mit ärztlichen Befunden und dem<br />
bisherigen Verfahrensverlauf und<br />
stellte bei der Rentenkasse einen<br />
Antrag auf Überprüfung der Ablehnung.<br />
Er legte dar, dass sich der<br />
Gesundheitszustand seiner Mandantin<br />
nicht verbessert hatte.<br />
Die DRV räumte daraufhin zwar<br />
ein, dass die Frau seit 2019 voll<br />
erwerbsgemindert war. Aber weil<br />
sie in den vorangegangenen fünf<br />
Jahren nicht mindestens drei Jahre<br />
in die Rentenversicherung eingezahlt<br />
hatte, stehe ihr keine Erwerbsminderungsrente<br />
zu.<br />
Fehler im Verfahren<br />
In seinem Widerspruch wies Unger<br />
nach, dass die DRV im Widerspruchsverfahren<br />
2013 Fehler gemacht<br />
hatte. Notwendige Untersuchungen<br />
seien nicht durchgeführt<br />
und Befunde nicht abgefragt worden.<br />
Er beantragte deshalb, den<br />
Eintritt der Erwerbsminderung<br />
entsprechend zurückzudatieren.<br />
Darauf ließ sich die DRV ein und<br />
erkannte einen Anspruch auf volle<br />
Erwerbsminderung ab 2011 an. Der<br />
Beginn des Rentenbezugs wurde<br />
auf den 1. Januar 2015 datiert, weil<br />
Ansprüche davor bereits verjährt<br />
waren. Schneider-Engelmann erfüllte<br />
nun die Kriterien für eine<br />
EM-Rente und erhielt eine Nachzahlung<br />
von rund 57 000 Euro. Weil<br />
sie zeitweise Hartz IV erhielt, wurden<br />
davon rund 35200 Euro an das<br />
Jobcenter erstattet. Sie erhält nun<br />
eine unbefristete EM-Rente von<br />
856 Euro brutto. cis
6 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Pflege<br />
Wohngeld auch für Heimbew<strong>ohne</strong>r<br />
Immer mehr Menschen können die Kosten für ein Pflegeheim nicht aufbringen – Wo es Unterstützung gibt<br />
Die Kosten für Pflege sind enorm<br />
gestiegen. Immer mehr Betroffene<br />
kommen dadurch in finanzielle<br />
Schwierigkeiten. Wer das Pflegeheim<br />
nicht mehr bezahlen kann,<br />
hat mehrere Möglichkeiten, Unterstützung<br />
zu bekommen.<br />
Mit der Reform des Wohngelds<br />
zum 1. Januar 2<strong>02</strong>3 haben mehr<br />
Menschen als bisher Anspruch auf<br />
Wohngeld. Das betrifft auch Pflegebedürftige.<br />
Das neue „Wohngeld<br />
Plus“ können nicht nur Betroffene<br />
beantragen, die zu Hause versorgt<br />
werden, sondern auch die Bew<strong>ohne</strong>rinnen<br />
und Bew<strong>ohne</strong>r von Pflegeheimen.<br />
Um einen staatlichen<br />
Zuschuss für ihre Wohnkosten zu<br />
erhalten, müssen sie bestimmte<br />
Bedingungen erfüllen.<br />
Keine anderen Leistungen<br />
So wird Wohngeld nur dann gewährt,<br />
wenn keine anderen Sozialleistungen,<br />
wie etwa Hilfe zur<br />
Pflege, bezogen werden. Darin<br />
sind nämlich die Kosten für die<br />
Unterkunft bereits berücksichtigt.<br />
Außerdem darf das Jahreseinkommen<br />
eine bestimmte Höhe nicht<br />
überschreiten. Das Vermögen hingegen<br />
wird erst geprüft, wenn es<br />
über 60000 Euro beträgt.<br />
Wohngeld bezieht man nicht automatisch.<br />
Es muss bei der örtlichen<br />
Wohngeldbehörde beantragt<br />
werden. Die Antragstellerin beziehungsweise<br />
der Antragsteller muss<br />
sämtliche Einkünfte offenlegen.<br />
Wer finanzielle Sorgen hat, kann in bestimmten Fällen Wohngeld für sein Zimmer im Pflegeheim beantragen.<br />
Für Pflegebedürftige in stationären<br />
Einrichtungen gibt es in vielen<br />
Bundesländern einen eigenen<br />
„Wohngeldantrag für Heimbew<strong>ohne</strong>r“.<br />
In diesem Formular bestätigt<br />
die Heimleitung die Angaben zum<br />
Wohnraum. Daneben sind weitere<br />
Unterlagen erforderlich, wie etwa<br />
ein Auszug aus dem Heimvertrag,<br />
aktuelle Rentenbescheide und gegebenenfalls<br />
andere Einkünfte.<br />
Nicht notwendig ist es, den Mietwert<br />
des Zimmers zu ermitteln. Bei<br />
Pflegeheimen berücksichtigt der<br />
Gesetzgeber den Höchstbetrag der<br />
jeweiligen Region. Da die Leistung<br />
erst ab Antragstellung gewährt<br />
wird, ist es ratsam, den Antrag<br />
zeitnah zu stellen.<br />
Derzeit sind viele Wohngeldstellen<br />
aufgrund der gestiegenen Antragszahlen<br />
überlastet. Monatelange<br />
Wartezeiten bis zur Bewilligung<br />
der Leistung sind die Folge. Es ist<br />
aber auch möglich, eine vorläufige<br />
Zahlung des Wohngelds zu beantragen.<br />
Voraussetzung ist, dass der<br />
Anspruch auf Wohngeld mit „hinreichender<br />
Wahrscheinlichkeit“<br />
besteht.<br />
Pflegewohngeld<br />
Foto: imago images/Imagebroker<br />
Neben dem Wohngeld gibt es in<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen<br />
und Schleswig-<br />
Holstein auch Pflegewohngeld. Bei<br />
dieser Leistung übernehmen die<br />
Bundesländer die in den Heimkosten<br />
enthaltenen Investitionskosten,<br />
wenn das Einkommen und das<br />
Vermögen der oder des Pflegebedürftigen<br />
nicht ausreicht.<br />
Und schließlich besteht die Möglichkeit,<br />
Hilfe zur Pflege zu beantragen.<br />
Hier handelt es sich um<br />
eine Leistung der Sozialhilfe. Immer<br />
mehr Menschen müssen sie in<br />
Anspruch nehmen. Schätzungen<br />
gehen davon aus, dass bei mehr als<br />
40 Prozent der Heimbew<strong>ohne</strong>rinnen<br />
und -bew<strong>ohne</strong>r die Rente und<br />
die Ersparnisse nicht mehr ausreichen,<br />
um die hohen Heimkosten<br />
zu finanzieren.<br />
Bei der Hilfe zur Pflege bezahlt<br />
der Sozialhilfeträger die Differenz<br />
zum benötigten Betrag an das Pflegeheim.<br />
Außerdem gibt es ein kleines<br />
Taschengeld. Der Antrag beim<br />
zuständigen Sozialamt sollte möglichst<br />
noch vor dem Einzug ins<br />
Pflegeheim gestellt werden. Anspruch<br />
auf Hilfe zur Pflege besteht<br />
mit einem Schonvermögen von bis<br />
zu 10 000 Euro.<br />
Bevor das Sozialamt Hilfe zur<br />
Pflege bewilligt, überprüft es, ob<br />
die Kinder der oder des Pflegebedürftigen<br />
unterhaltspflichtig sind.<br />
Der sogenannte Elternunterhalt<br />
greift, wenn ein Kind ein Jahreseinkommen<br />
von mehr als 100 000<br />
Euro hat. Den Kindern steht jedoch<br />
ein sogenannter „angemessener<br />
Selbstbehalt“ zu. Auch das<br />
Einkommen und Vermögen von<br />
nicht getrennt lebenden Ehegatten<br />
oder Lebenspartnern werden berücksichtigt.<br />
Annette Liebmann<br />
Hilfreiche Gedächtnisstütze<br />
Medikationsplan unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Arzneimitteleinnahme<br />
Pflegebedürftige Menschen nehmen<br />
oft eine Vielzahl von Pillen,<br />
Tropfen und Tabletten ein. Um zu<br />
vermeiden, dass es zu gefährlichen<br />
Wechselwirkungen kommt, können<br />
sie sich von ihrer Ärztin oder ihrem<br />
Arzt einen bundeseinheitlichen<br />
Medikationsplan erstellen lassen.<br />
Der Medikationsplan hilft, den<br />
Überblick über die Arzneimitteleinnahme<br />
zu behalten. Er enthält<br />
alle verschreibungspflichtigen<br />
Medikamente, die eine Patientin<br />
oder ein Patient regelmäßig einnehmen<br />
muss. In dieser Übersicht<br />
sollten auch die apothekenpflichtigen<br />
Arzneien aufgeführt werden,<br />
die zusätzlich eingenommen werden.<br />
Dazu zählen zum Beispiel<br />
Schmerzmittel oder Säureblocker.<br />
Der Plan enthält nicht nur Angaben<br />
zum Wirkstoff und zur Dosierung,<br />
sondern auch wichtige Hinweise<br />
für die sichere Anwendung<br />
der Präparate.<br />
Ziel ist es, Wechselwirkungen zu<br />
vermeiden und die Patientinnen<br />
und Patienten bei der richtigen<br />
Einnahme ihrer Medikamente zu<br />
unterstützen. Denn manche Inhaltsstoffe<br />
können die Wirkung<br />
von Arzneimitteln verändern und<br />
unter Umständen sogar neue Beschwerden<br />
auslösen, wie etwa<br />
Schwindel oder Verwirrtheit.<br />
Anspruch auf einen Medikationsplan<br />
haben alle gesetzlich<br />
Krankenversicherten, die für mindestens<br />
28 Tage drei oder mehr<br />
rezeptpflichtige Medikamente<br />
Werden viele Arzneimittel eingenommen, kann es zu Wechselwirkungen<br />
kommen. Der Medikationsplan soll helfen, das zu vermeiden.<br />
einnehmen. In diesem Fall übernehmen<br />
die Krankenkassen die<br />
Kosten für die Erstellung des<br />
Plans. Das Dokument bekommt<br />
man bei der Hausärztin oder dem<br />
Hausarzt. Fachärztinnen und -ärzte<br />
sowie Apotheken können es<br />
laufend ergänzen.<br />
In der Regel wird der Medikationsplan<br />
auf Papier ausgestellt. Seit<br />
2<strong>02</strong>0 gibt es ihn auf Wunsch auch<br />
in digitaler Version, wenn die<br />
Arztpraxis über die entsprechende<br />
Technik verfügt. Wer sich für diese<br />
Variante entscheidet, muss sich<br />
mit der Speicherung seiner Daten<br />
einverstanden erklären. Der elektronische<br />
Medikationsplan wird<br />
auf der elektronischen Gesundheitskarte<br />
abgespeichert. Dafür<br />
wird bei der Krankenkasse eine<br />
PIN-Nummer angefordert.<br />
Viele Vorteile<br />
Die elektronische Variante enthält<br />
zusätzlich Kommentarfelder<br />
und ermöglicht es, zurückliegende<br />
Daten zu speichern. Auch Unverträglichkeiten<br />
und Allergien können<br />
darin erfasst werden. Wer<br />
dennoch seinen Medikationsplan<br />
Foto: imago images/K-P Wolf<br />
auf Papier lesen möchte, kann ihn<br />
sich ausdrucken lassen.<br />
Ein Medikationsplan hat viele<br />
Vorteile. Für Ärztinnen und Ärzte<br />
ist es hilfreich zu wissen, welche<br />
Pillen und Tabletten regelmäßig<br />
eingenommen werden. Mit einer<br />
solchen Übersicht ist unter anderem<br />
auch erkennbar, welche Arzneimittel<br />
abgesetzt werden können.<br />
Den Patientinnen und Patienten<br />
dient der Medikationsplan als<br />
Gedächtnisstütze. Denn wer bei<br />
einem Arztbesuch etwas aufgeregt<br />
ist oder mehr als ein Präparat verordnet<br />
bekommt, kann sich danach<br />
möglicherweise nicht mehr<br />
genau an die Einnahmeverordnung<br />
erinnern.<br />
Außerdem ist es nicht immer<br />
einfach, seine Medikamente auseinanderzuhalten<br />
und pünktlich<br />
an deren Einnahme zu denken.<br />
Hinzu kommt, dass sich pflegende<br />
Angehörige mit einem Medikationsplan<br />
leichter tun, Tabletten und<br />
Pillen in der gewünschten Dosierung<br />
zur gewünschten Zeit bereitzustellen.<br />
Die schriftliche Dokumentation<br />
kann auch bei einem Wechsel des<br />
Arzneimittels hilfreich sein. Meist<br />
haben sich Patientinnen und Patienten<br />
an ein bestimmtes Medikament<br />
gewöhnt. Müssen sie auf ein<br />
anderes Mittel ausweichen, sind<br />
sie oft verunsichert und wissen<br />
nicht, wie sie es einnehmen sollen.<br />
Ein Medikationsplan erleichtert<br />
ihnen die Umstellung.<br />
Annette Liebmann<br />
Pflichtberatung auch<br />
online möglich<br />
Angehörige, die eine Pflegebedürftige<br />
oder einen Pflegebedürftigen<br />
zu Hause versorgen und dafür nur<br />
Pflegegeld erhalten, sind gesetzlich<br />
verpflichtet, regelmäßig Pflegeberatung<br />
in Anspruch zu nehmen.<br />
Seit der Corona-Pandemie sind<br />
auch Online-Beratungen möglich.<br />
Ziel der Beratungseinsätze ist es,<br />
dass sich die Beraterinnen und<br />
Berater einen Eindruck über die<br />
Qualität der häuslichen Pflege<br />
verschaffen. Falls notwendig, unterbreiten<br />
sie Vorschläge zur Verbesserung<br />
der Pflege, machen auf<br />
zustehende Leistungen aufmerksam<br />
und stehen als Ansprechpartner<br />
für Fragen zur Verfügung.<br />
Anders als bei der allgemeinen<br />
Pflegeberatung, die freiwillig in<br />
Anspruch genommen wird, müssen<br />
Beratungsbesuche bei Pflegegeldempfängern<br />
in regelmäßigen<br />
Abständen erfolgen. Mögliche<br />
Probleme sollen dadurch frühzeitig<br />
erkannt und behoben werden.<br />
Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2<br />
und 3 müssen sich einmal halbjährlich,<br />
mit Pflegegrad 4 und 5<br />
einmal vierteljährlich beraten lassen.<br />
Werden diese Termine versäumt,<br />
kann die Pflegekasse Leistungen<br />
kürzen oder streichen. Neu<br />
ist, dass seit der Corona-Pandemie<br />
nicht mehr jeder Beratungstermin<br />
zwingend zu Hause stattfinden<br />
muss. Bereits während der Kontaktbeschränkungen<br />
gab es auch<br />
Online-Beratungen. Nun kann auf<br />
Wunsch jede zweite Beratung per<br />
Video durchgeführt werden. ali
Gesundheit<br />
Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
7<br />
Vorsorge rettet Leben<br />
Zahlen der Untersuchungen zur Früherkennung sind immer noch zu niedrig<br />
Über 510000 Menschen erkranken<br />
in jedem Jahr neu an Krebs. Die<br />
Krankheit gilt als zweithäufigste<br />
Todesursache in Deutschland. Untersuchungen<br />
zur Früherkennung<br />
können Leben retten. Am 4. Februar<br />
ist Weltkrebstag.<br />
Frauen leiden am häufigsten<br />
unter Brust-, Darm- und Lungenkrebs.<br />
Bei Männern sind meistens<br />
die Prostata, der Darm und die<br />
Lunge betroffen.<br />
Bei einer Krebserkrankung verändern<br />
sich die normalen Zellen<br />
des Körpers. Sie entwickeln sich zu<br />
Tumorzellen, die sich unkontrolliert<br />
vermehren und in gesundes<br />
Gewebe hineinwachsen können.<br />
Warum das geschieht, ist bei<br />
vielen Krebsarten noch nicht abschließend<br />
erforscht. Manche<br />
Auslöser sind bekannt, lassen sich<br />
jedoch nicht beeinflussen. Auch<br />
genetische Ursachen können eine<br />
Rolle spielen.<br />
Nachgewiesen ist, dass der Konsum<br />
von Tabak und Alkohol, aber<br />
auch Übergewicht und Bewegungsmangel<br />
das<br />
„Die wirksamste<br />
Möglichkeit, Krebs vorzubeugen,<br />
ist eine gesunde<br />
Lebensweise.“<br />
Beim Screening kann der Hautarzt frühzeitig erkennen, ob sich die Haut verändert.<br />
Risiko, an Krebs<br />
zu erkranken, erhöhen<br />
können. So<br />
ist in Deutschland<br />
etwa das<br />
Tabakrauchen für<br />
19 Prozent aller<br />
Krebserkrankungen<br />
pro Jahr verantwortlich.<br />
„Rund 40 Prozent der Krebsfälle<br />
wären nach heutigem Wissenstand<br />
vermeidbar, wenn alle<br />
bekannten Maßnahmen zur Krebsprävention<br />
konsequent umgesetzt<br />
würden“, sagt<br />
Gerd Nettekoven,<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
der Deutschen<br />
Krebshilfe.<br />
„Eine gesunde<br />
Lebensweise“, so<br />
Nettekoven, „ist<br />
die wirksamste<br />
Möglichkeit, Krebs vorzubeugen.“<br />
Er empfiehlt deshalb, nicht zu<br />
rauchen und möglichst keinen<br />
oder nur wenig Alkohol zu trinken<br />
und dafür viel Gemüse, Hülsenfrüchte<br />
und Obst zu essen.<br />
Auch wer sich ausreichend bewegt<br />
und auf ein normales Körpergewicht<br />
achtet, könne das Krebsrisiko<br />
senken.<br />
Daneben spielt die Früherkennung<br />
eine wichtige Rolle. Sie zielt<br />
darauf ab, rechtzeitig die Vorstufen<br />
von Krebs oder seine frühen<br />
Formen zu entdecken. „Je eher ein<br />
Tumor erkannt wird, desto besser<br />
kann er in der Regel behandelt<br />
werden“, weiß Nettekoven. Oft<br />
können dann auch schonendere<br />
Methoden für die Therapie ausgewählt<br />
werden, und es lässt sich<br />
verhindern, dass sich Tumorzellen<br />
weiter ausbreiten und sich sogenannte<br />
Metastasen bilden.<br />
Die Kosten für die Untersuchungen<br />
zur Früherkennung übernehmen<br />
die gesetzlichen Krankenkassen<br />
für ihre Versicherten. Der<br />
Anspruch hängt vom Alter und<br />
dem Geschlecht ab. Er bezieht sich<br />
auf die Krebserkrankungen von<br />
Gebärmutterhals, Brust, Prostata,<br />
Darm und Haut.<br />
Foto: imago/Panthermedia<br />
Doch viele Deutsche sind laut<br />
Umfragen eher Vorsorgemuffel. So<br />
hat eine Langzeitanalyse des Wissenschaftlichen<br />
Instituts der AOK<br />
(WIdO) ergeben, dass bei der Früherkennung<br />
von Darmkrebs in den<br />
vergangenen zehn Jahren nur etwa<br />
die Hälfte der anspruchsberechtigten<br />
Menschen erreicht wurde.<br />
Auch am Hautkrebs-Screening<br />
nahmen noch zu wenige Menschen<br />
teil: Nur 13 Prozent der Männer<br />
und 16 Prozent der Frauen zwischen<br />
45 und 70 Jahren beteiligten<br />
sich in diesem Zeitraum mindestens<br />
viermal. Besser sieht es bei der<br />
Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs<br />
und beim Brustkrebs-<br />
Screening aus. Hier liegen die Teilnahmeraten<br />
deutlich höher.<br />
Wer akute gesundheitliche Probleme<br />
oder Vorerkrankungen hat,<br />
sollte sich mit einer Ärztin oder<br />
einem Arzt beraten. Das ist besonders<br />
zu empfehlen, wenn es bereits<br />
Krebserkrankungen in der Familie<br />
gegeben hat. Kristin Enge<br />
Weltkrebstag<br />
Der Weltkrebstag wird jedes<br />
Jahr am 4. Februar begangen.<br />
Er wurde von der Weltkrebsorganisation<br />
(UICC) ins Leben<br />
gerufen. In diesem Jahr findet er<br />
unter dem Motto „Versorgungslücken<br />
schließen“ statt. Mehr als<br />
1100 der UICC-Mitgliedsorganisationen<br />
aus über 170 Ländern<br />
beteiligen sich.<br />
Lungenkrebs früher erkennen<br />
Niedrigdosis-Computertomographie ermöglicht bessere Diagnose<br />
Digitale Helfer auf Rezept<br />
Apps unterstützen bei Gesundheitsproblemen<br />
Lungentumore zählen laut Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) zu<br />
den häufigsten Krebsarten. Jedes<br />
Jahr erkranken In Deutschland<br />
etwa 60000 Menschen daran. Oft<br />
verläuft die Krankheit tödlich. Ein<br />
neues Röntgenverfahren soll die<br />
Früherkennung verbessern.<br />
Es steht auf jeder Zigarettenschachtel:<br />
„Rauchen gefährdet<br />
Ihre Gesundheit!“. Doch Konsumentinnen<br />
und Konsumenten von<br />
Tabak und Nikotin hält das nicht<br />
davon ab, sich die nächste Zigarette<br />
anzuzünden. Dabei steht fest,<br />
dass für Lungen- und Bronchialkarzinome<br />
in 90 Prozent der Fälle<br />
das Rauchen verantwortlich zu<br />
machen ist. Menschen von dieser<br />
Gewohnheit abzubringen, gilt daher<br />
immer noch als effektives Mittel,<br />
den Lungenkrebs zu bekämpfen.<br />
Allerdings gelingt das nicht<br />
immer. Für ehemalige Raucherinnen<br />
und Raucher bleibt das Krebsrisiko<br />
auch noch nach vielen Jahren<br />
stark erhöht.<br />
Deshalb beschreitet die Medizin<br />
seit einigen Jahren einen anderen<br />
Weg und setzt verstärkt auf die<br />
Früherkennung von Tumoren in<br />
Lunge und Bronchien. Denn das<br />
Problem bei diesem Krebs war<br />
bisher, dass er meistens erst in einem<br />
fortgeschrittenen Stadium<br />
entdeckt und behandelt wurde.<br />
Die Folge: Viele Patientinnen und<br />
Patienten überlebten das erste Jahr<br />
nach der Diagnose nicht.<br />
Abhilfe schaffen kann ein neues<br />
Röntgenverfahren, das vor einigen<br />
Jahren entwickelt wurde. Bei der<br />
„Niedrigdosis-Computertomographie“<br />
(LDCT) kann die Strahlenbelastung<br />
in etwa mit der einer<br />
Bei einer Niedrigdosis-Computertomographie der Lunge lassen sich<br />
frühzeitig Tumore feststellen.<br />
Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte<br />
einfachen Röntgenuntersuchung<br />
verglichen werden, während<br />
gleichzeitig die Auflösung um das<br />
bis zu Hundertfache verbessert ist.<br />
Damit ermöglicht die LDCT ein<br />
frühzeitiges Erkennen von krankhaften<br />
Veränderungen in Gewebe<br />
und Organen. In Studien konnte<br />
nachgewiesen werden, dass die<br />
Überlebenschancen von Betroffenen,<br />
bei denen der Lungenkrebs<br />
dank dieses Verfahrens in einem<br />
frühen Stadium entdeckt wurde,<br />
deutlich erhöht sind.<br />
Jährliches Screening<br />
In den USA empfehlen Expertinnen<br />
und Experten ein jährliches<br />
Screening mit Hilfe einer LDCT für<br />
aktive und ehemalige Raucherinnen<br />
und Raucher. Auch das Bundesgesundheitsministerium<br />
plant,<br />
ein jährliches Lungenkrebs-<br />
Screening zu etablieren. Die Deutsche<br />
Gesellschaft für Pneumologie<br />
und Beatmungsmedizin spricht sich<br />
dafür aus, dass die gesetzlichen<br />
Krankenkassen die Vorsorgeuntersuchung<br />
übernehmen und mit dem<br />
Angebot einer professionellen Tabakentwöhnung<br />
verknüpfen.<br />
Bisher ist das Mammographie-<br />
Screening für Brustkrebs das einzige<br />
praktizierte Verfahren zur<br />
Früherkennung mithilfe von Röntgenstrahlung.<br />
Das Screening zur<br />
Frühdiagnose von Lungenkrebs<br />
soll voraussichtlich im Frühjahr<br />
2<strong>02</strong>4 zugelassen werden.<br />
Barbara Goldberg<br />
Ob Depressionen, Panikattacken<br />
oder Nikotinabhängigkeit: Immer<br />
häufiger werden Apps auf dem<br />
Smartphone als Unterstützung bei<br />
gesundheitlichen Problemen genutzt.<br />
Schätzungen zufolge soll es<br />
mittlerweile 125000 dieser digitalen<br />
Gesundheitsanwendungen<br />
(DiGAs) geben.<br />
Zu den häufig gefassten guten<br />
Vorsätzen fürs neue Jahr gehört<br />
sicher der Wunsch, mit dem Rauchen<br />
aufzuhören. Apps auf dem<br />
Smartphone können dabei helfen,<br />
die ersten Wochen der Entwöhnung<br />
erfolgreich zu überstehen.<br />
Allerdings ist bislang nur einer<br />
dieser digitalen Helfer beim Bundesamt<br />
für Arzneimittel und Medizinprodukte<br />
gelistet, und das<br />
auch vorerst nur befristet bis zum<br />
Juli 2<strong>02</strong>3. Bis dahin kann man sich<br />
die App „Nichtraucherhelden“ von<br />
Ärztin oder Arzt kostenlos per<br />
Rezept verschreiben lassen.<br />
Persönliche Erfolge<br />
Die Anwendung ist gültig für<br />
drei Monate, kann aber bei Bedarf<br />
verlängert werden. Während dieser<br />
Zeit bietet die App nicht nur Videos,<br />
die über die Wirkweise des<br />
Nikotins informieren. Der digitale<br />
Helfer führt auch akribisch Buch<br />
und präsentiert auf Knopfdruck<br />
die persönliche Erfolgsbilanz, um<br />
zum Durchhalten zu motivieren.<br />
Darin aufgelistet sind zum Beispiel<br />
die Tage, die man <strong>ohne</strong> Rauchen<br />
geschafft hat, sowie der dadurch<br />
eingesparte Geldbetrag. Für<br />
kritische Situationen gibt es einen<br />
Notfallkontakt oder einen Chat<br />
zum Austausch mit anderen Betroffenen.<br />
Insgesamt 33 DiGAs werden<br />
derzeit vom Bundesinstitut für<br />
Arzneimittel und Medizinprodukte<br />
als erstattungsfähig aufgeführt<br />
– neben der App „Nichtraucherhelden“<br />
etwa auch die Anwendung<br />
„Mindable“ gegen Panikstörungen<br />
oder die „Meine Tinnitus-App“.<br />
Mehrere Studien bescheinigen<br />
den digitalen Helfern einen positiven<br />
Nutzen. Für alle, die mit Unterstützung<br />
dieser App mit dem<br />
Rauchen aufhören wollen, empfehlen<br />
Fachleute allerdings zusätzlich<br />
eine Nikotinersatztherapie. gol
8 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Gesundheit<br />
Hühnerbrühe hilft nur in manchen Fällen<br />
Als Auslöser für Gliederschmerzen kommen zahlreiche Erkrankungen infrage<br />
Hören und Sehen nicht vergessen<br />
Nicht nur Muskelkraft kann Stürze verhindern<br />
Schmerzen in Armen, Beinen, Muskeln,<br />
Knochen oder Gelenken werden<br />
gemeinhein als Gliederschmerzen<br />
bezeichnet. Oft sind sie<br />
Begleiterscheinung eines grippalen<br />
Infekts, sie können aber auch<br />
andere Ursachen haben und sogar<br />
chronischer Natur sein.<br />
Bei einer Erkältung oder Grippe<br />
gehören Gliederschmerzen häufig<br />
zum Programm. Sie zeigen, dass<br />
der Körper gerade auf Hochtouren<br />
arbeitet, um die eingedrungenen<br />
Krankheitserreger zu besiegen,<br />
und daher Ruhe und möglichst viel<br />
Schlaf benötigt. Hühnerbrühe, ein<br />
warmes Bad – ausgenommen bei<br />
Fieber – oder eine Wärmflasche<br />
sind wirksame Hausmittel bei derartigen<br />
Gliederschmerzen, damit<br />
man schnell wieder auf die Beine<br />
kommt. Ist Fieber im Spiel, gilt es<br />
zudem, viel zu trinken, am besten<br />
stilles Wasser oder Kräutertees.<br />
Zu viel Sport?<br />
Auch bei anderen viralen oder<br />
bakteriellen Infektionskrankheiten<br />
wie Covid-19, Masern, Mumps<br />
oder der Frühsommer-Meningoenzephalitis<br />
(FSME) können Gliederschmerzen<br />
als Begleitsymptom<br />
auftreten. Zudem können sie auch<br />
aufgrund von Verletzungen oder<br />
Überbelastungen bei sportlicher<br />
Betätigung hervorgerufen werden,<br />
zum Beispiel im Zuge einer Prellung<br />
oder eines Muskelkaters.<br />
Von chronischen Gliederschmerzen<br />
spricht man, wenn diese über<br />
Gliederschmerzen können viele Ursachen haben. Im Zweifelsfall sollte<br />
man sich medizinischen Rat holen. Foto: picture alliance/Zoonar/khosro Rajabkordi<br />
mehrere Monate bestehen. Mögliche<br />
Auslöser können verschiedene<br />
Erkrankungen sein, wie Arthrose,<br />
Rheuma, Gicht, Polyneuropathie,<br />
Fibromyalgie oder Osteoporose.<br />
Vor einer Behandlung ist daher<br />
eine sorgfältige medizinische Diagnose<br />
nötig.<br />
Ist die Ursache der Gliederschmerzen<br />
nicht bekannt, sind die<br />
Schmerzen sehr stark oder besteht<br />
der Verdacht, dass eine ernste<br />
Grunderkrankung vorliegen könnte,<br />
sollte ebenfalls unbedingt ein<br />
Arzt oder eine Ärztin aufgesucht<br />
werden.<br />
Mirko Besch<br />
Mit zunehmendem Alter steigt die<br />
Gefahr, zu stürzen und sich dabei<br />
zu verletzen. Schon ab dem<br />
50. Lebensjahr nehmen Ausdauer,<br />
Muskelkraft, Beweglichkeit sowie<br />
die Gleichgewichtsfähigkeit ab.<br />
Orthopäden und Unfallchirurgen<br />
empfehlen älteren Menschen neben<br />
Krafttraining und Bewegung<br />
aber auch, regelmäßig ihr Hör- und<br />
Sehvermögen testen zu lassen.<br />
Die häufigste Ursache für Knochenbrüche<br />
im Alter sind Stürze.<br />
Viele Patientinnen und Patienten<br />
verlieren danach ihre Selbstständigkeit<br />
und müssen in eine Pflegeeinrichtung<br />
ziehen.<br />
Schwere Stürze werden oft in<br />
Zusammenhang mit schwindender<br />
Muskelkraft, Beweglichkeit und<br />
einem nachlassenden Gleichgewichtssinn<br />
gebracht. Probleme mit<br />
dem Hören und Sehen werden<br />
meist nicht in Betracht gezogen.<br />
„Doch Störungen der Seh-, Gehörund<br />
Gleichgewichtsorgane können<br />
die Balance beeinträchtigen und<br />
damit das sichere Gehen verhindern“,<br />
sagt Prof. Dr. Ulrich Liener,<br />
stellvertretender Leiter der Sektion<br />
Alterstraumatologie der Deutschen<br />
Gesellschaft für Unfallchirurgie<br />
(DGU).<br />
Gerade ältere Menschen leiden<br />
oft unter einer Sehschwäche, wie<br />
etwa dem grauen oder grünen Star.<br />
Viele dieser Krankheiten kann<br />
man gut behandeln oder korrigieren.<br />
Deshalb wird die jährliche<br />
Vorsorge bei der Augenärztin oder<br />
dem Augenarzt besonders wichtig.<br />
Für Probleme mit der Brille sind<br />
Optiker die richtigen Ansprechpartner.<br />
Manche bieten auch Hausbesuche<br />
an, um die Seh- und Brillenstärke<br />
zu überprüfen oder bei<br />
der Wahl einer Brille zu beraten.<br />
Mit zunehmendem Alter kommt<br />
es zu Hörverlusten sowie zu Störungen<br />
des Gleichgewichtsorgans<br />
im Innenohr, was Schwindel verursachen<br />
kann. Beides erhöht die<br />
Sturzgefahr. Betroffene sollten<br />
sich deshalb einmal im Jahr einem<br />
Hörtest unterziehen. Die Überweisung<br />
erfolgt über die Hausärztin<br />
oder den Hausarzt. Sie beziehungsweise<br />
er kann auch weitere<br />
fachärztliche Untersuchungen<br />
veranlassen.<br />
ali<br />
Eine gut angepasste Brille kann zur<br />
Gangsicherheit beitragen.<br />
Foto: imago images/Imagebroker<br />
Vielfältig einsetzbar<br />
Warum Kurkuma ins Gewürzregal gehört<br />
In Maßen gesund<br />
Eier können Bestandteil einer vollwertigen Ernährung sein<br />
Kurkuma enthält viele Mineralstoffe<br />
und Vitamine.<br />
Gelb und gesund: Kurkuma als<br />
Bestandteil von Gewürzmischungen<br />
darf täglich auf den Tisch.<br />
Vorsicht ist jedoch bei Kurkuma-<br />
Extrakten in Form von Kapseln<br />
geboten, die als Nahrungsergänzungsmittel<br />
angeboten werden.<br />
Kurkuma verleiht asiatischen<br />
Curry-Mischungen ihre goldgelbe<br />
Farbe. Als Pulver ist das Gewürz<br />
fast überall erhältlich. Frische Kurkumawurzeln<br />
sind inzwischen<br />
nicht mehr nur in ausgewählten<br />
Supermärkten und asiatischen<br />
Lebensmittelgeschäften, sondern<br />
auch in Discountern zu finden.<br />
Wie bei der Rote-Bete-Knolle ist<br />
es beim Schneiden roher Gelbwurz<br />
ratsam, Handschuhe zu tragen, da<br />
der Saft stark abfärbt.<br />
Kurkuma enthält eine Vielzahl<br />
an gesunden Inhaltsstoffen, wie<br />
Foto: picture alliance/Zoonar/Nerijus Liobe<br />
Mineralstoffe und Vitamine. Am<br />
bekanntesten ist Kurkumin, das<br />
für die gelbe Farbe verantwortlich<br />
ist. Der Farbstoff mit der Nummer<br />
E100 wird in der Lebensmittelindustrie<br />
eingesetzt, um Speisen<br />
wie Senf oder pflanzliche Butter<br />
gelb zu färben.<br />
In Indien und Asien wird Kurkuma<br />
schon seit Jahrtausenden als<br />
Heilpflanze geschätzt. Der Wirkstoff<br />
Kurkumin wird traditionell als<br />
verdauungsförderndes Mittel, etwa<br />
gegen Blähungen und Völlegefühl,<br />
angewendet. Auch seine entzündungshemmende<br />
und antioxidative<br />
Wirkung ist nachgewiesen.<br />
Kurkuma-Extrakt ist in Kapselform<br />
erhältlich. Der Verbraucherzentrale<br />
Bundesverband rät jedoch,<br />
vor der regelmäßigen Einnahme<br />
dieses Nahrungsergänzungsmittels<br />
mit einem Arzt zu sprechen, um<br />
mögliche Nebenwirkungen zu vermeiden.<br />
So sollen Menschen, die an<br />
Gallensteinen oder Leberkrankheiten<br />
leiden, Präparate mit Kurkuma<br />
nicht einnehmen. Auch Wechselwirkungen<br />
mit bestimmten Arzneimitteln<br />
sind möglich.<br />
Obendrein wird Kurkumin vom<br />
Darm nur schlecht aufgenommen,<br />
weil es nicht wasserlöslich ist. Wer<br />
von der gesundheitsfördernden<br />
Wirkung von Kurkuma profitieren<br />
möchte, verwendet beim Kochen<br />
am besten Curry. Denn darin ist<br />
schwarzer Pfeffer enthalten, der<br />
aufgrund seines Inhaltsstoffs Piperin<br />
die Aufnahme von Kurkumin<br />
im Körper erhöht.<br />
ant<br />
Hühnereier gehören aufgrund ihrer<br />
Inhaltsstoffe grundsätzlich zu den<br />
gesunden Lebensmitteln. Menschen,<br />
die sich ausgewogen ernähren,<br />
dürfen sie daher guten<br />
Gewissens regelmäßig auf den<br />
Speiseplan setzen. Ob ein zu häufiger<br />
Eierkonsum jedoch gesundheitsgefährdend<br />
ist, darüber ist<br />
sich die Fachwelt nicht einig.<br />
Eier enthalten wichtige Nährstoffe<br />
wie biologisch hochwertiges<br />
Protein, Vitamin A, D und B-Vitamine<br />
sowie Mineralstoffe. Eigelb<br />
allerdings ist fett- und cholesterinreich,<br />
weshalb ein häufiger Konsum<br />
von Eiern meist als bedenklich<br />
eingestuft wurde – verbunden<br />
mit einem erhöhten Risiko von<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen.<br />
Doch eine groß angelegte Studie<br />
mit 177 000 Teilnehmenden in 50<br />
Ländern kam 2<strong>02</strong>0 zu dem Ergebnis,<br />
dass Probandinnen und Probanden,<br />
die täglich mindestens ein<br />
Ei aßen, keine erhöhten Blutfettwerte<br />
hatten und zudem nicht<br />
häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
litten als andere. Auch die<br />
Sterberate lag beim täglichen Eierkonsum<br />
nicht höher.<br />
Uneinige Studien<br />
Eine andere Untersuchung<br />
kommt zu dem Schluss, dass Eier<br />
das Risiko für Schlaganfall und<br />
Herzinfarkt sogar senken können.<br />
Die Freude von Eierliebhabern<br />
Für viele sowohl ein Genuss als auch ein Muss: das Frühstücksei.<br />
Foto: picture alliance/Zoonar/Barbara Neveu<br />
wird allerdings von einer weiteren<br />
Studie wieder gedämpft, denn sie<br />
bestätigt die cholesterinerhöhende<br />
Wirkung von Eiern.<br />
Laut der Deutschen Gesellschaft<br />
für Ernährung (DGE) kann aufgrund<br />
derart widersprüchlicher<br />
Studienergebnisse aktuell keine<br />
konkrete Verzehrmenge für Eier<br />
abgeleitet werden. „Eier können<br />
als tierische Lebensmittel den<br />
Speiseplan ergänzen und Bestandteil<br />
einer vollwertigen Ernährung<br />
sein“, so die DGE. Eine unbegrenzte<br />
Menge an Eiern sei im<br />
Rahmen einer pflanzenbetonten<br />
Ernährung dennoch nicht zu empfehlen.<br />
Ähnlich sieht das auch das Bundeszentrum<br />
für Ernährung (BZfE),<br />
betont jedoch, dass Cholesterin in<br />
Hühnereiern den Cholesterinspiegel<br />
kaum beeinflusst. Cholesterin<br />
erfülle wichtige Aufgaben im Organismus,<br />
daher bildet der Körper<br />
es selbst und ist nicht auf die Zufuhr<br />
durch die Nahrung angewiesen.<br />
Bei gesunden Menschen werde<br />
der Cholesterinspiegel durch<br />
einen Mechanismus reguliert.<br />
Dadurch bleibe der Wert unabhängig<br />
von der Höhe der Cholesterinaufnahme<br />
weitestgehend konstant.<br />
„Erst wenn der Blut-Cholesterinspiegel<br />
durch Erkrankung dauerhaft<br />
erhöht ist, sind Ernährungsmaßnahmen<br />
erforderlich“, erklärt<br />
das BZfE. „Denn ein zu hoher<br />
Cholesterinspiegel ist ein Risikofaktor<br />
für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“<br />
Mirko Besch
Gesundheit<br />
Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
9<br />
Lückenlos zum Arbeitslosengeld I<br />
Nahtlosigkeitsregelung erleichtert den Übergang vom Krankengeld<br />
Leichter zur geriatrischen Reha<br />
Genehmigungsverfahren vereinfacht<br />
Wer auch nach dem Ende des Krankengeldbezugs weiterhin krank ist,<br />
sollte sich zeitnah bei der Agentur für Arbeit melden und Arbeitslosengeld<br />
beantragen.<br />
Foto: imago images/Rolf Poss<br />
Bis eine Erwerbsminderungsrente<br />
bewilligt ist, kann es unter Umständen<br />
viele Monate dauern. Damit<br />
die Betroffenen solange dennoch<br />
ein Einkommen haben, hat der<br />
Gesetzgeber die Nahtlosigkeitsregelung<br />
geschaffen. Sie regelt<br />
den lückenlosen Übergang vom<br />
Krankengeld über das Arbeitslosengeld<br />
I bis zur Rente.<br />
Wer länger als sechs Wochen am<br />
Stück krank ist, bekommt statt<br />
seines Gehalts Krankengeld von<br />
der Krankenkasse. Diese L<strong>ohne</strong>rsatzleistung<br />
wird maximal 72<br />
Wochen lang gezahlt. Die Krankenkasse<br />
informiert, wenn der<br />
Bezug des Krankengelds ausläuft.<br />
Dieser Vorgang wird auch „Aussteuerung“<br />
genannt. Er bezeichnet<br />
den Übertritt in ein anderes Sozialversicherungssystem<br />
– von der<br />
Krankenversicherung in die Arbeitslosenversicherung.<br />
Ist man weiterhin krank, sollte<br />
man sich dennoch zeitnah bei der<br />
Agentur für Arbeit melden und<br />
Arbeitslosengeld beantragen. Unter<br />
Umständen kann auch bei fortlaufender<br />
Arbeitsunfähigkeit und<br />
fortlaufender Krankschreibung<br />
Arbeitslosengeld bezogen werden.<br />
In Paragraf 145 SGB III ist festgelegt,<br />
dass auch Menschen Anspruch<br />
auf Arbeitslosengeld I haben,<br />
die nicht arbeitslos sind, aber<br />
wegen einer länger andauernden<br />
geminderten Leistungsfähigkeit<br />
dem Arbeitsmarkt nur eingeschränkt<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Allerdings fordert die Agentur für<br />
Arbeit die Betroffenen auf, innerhalb<br />
eines Monats einen Antrag<br />
auf Leistungen zur medizinischen<br />
Rehabilitation oder zur Teilhabe<br />
am Arbeitsleben zu stellen. Ebenso<br />
kann die Arbeitsagentur von ihnen<br />
verlangen, dass sie eine Erwerbsminderungsrente<br />
beantragen.<br />
Kommen sie dieser Aufforderung<br />
nicht nach, stellt die Behörde die<br />
Zahlung des Arbeitslosengelds ein.<br />
Wer das umgehen will, muss sich<br />
dem Arbeitsmarkt zur Verfügung<br />
stellen. Das heißt: Bewerbungen<br />
schreiben und zu Vorstellungsgesprächen<br />
gehen, um den Bezug des<br />
Arbeitslosengelds nicht zu verlieren.<br />
Vermittelt werden meist leichte<br />
Tätigkeiten, wie etwa als Pförtnerin<br />
oder Pförtner.<br />
Auch ein Gehaltsverlust in einem<br />
gewissen Rahmen wird als<br />
zumutbar angesehen. Bei Menschen,<br />
die im Krankengeldbezug<br />
ihren Job verloren haben, kommt<br />
erschwerend hinzu, dass sie nachweisen<br />
müssen, nicht in der Lage<br />
zu sein, leichte und ungelernte<br />
Tätigkeiten zu übernehmen.<br />
Bis zu 24 Monate ALG I<br />
Arbeitslosengeld I im Rahmen<br />
der Nahtlosigkeitsregelung kann<br />
bis zu 24 Monate lang gezahlt<br />
werden. Die Bezugsdauer hängt<br />
vom Alter, der Beschäftigungsdauer<br />
sowie von dem Zeitraum ab,<br />
in dem die betroffene Person sozialversicherungspflichtig<br />
beschäftigt<br />
war.<br />
Bezugsberechtigt sind Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer,<br />
die mindestens zwölf Monate<br />
eingezahlt haben. Ab einem Jahr<br />
haben sie Anspruch auf sechs<br />
Monate Arbeitslosengeld I, nach<br />
zwei Jahren auf zwölf Monate. Ab<br />
dem 50. Lebensjahr erhöht sich<br />
die Bezugsdauer auf 15 Monate,<br />
ab 58 Jahren auf 24 Monate. Im<br />
Anschluss rutscht man in das<br />
Bürgergeld.<br />
Der <strong>VdK</strong> ist seinen Mitgliedern<br />
in allen Fragen rund um eine Erwerbsminderungsrente<br />
gerne behilflich,<br />
von der Antragstellung bis<br />
zum Widerspruch. Fragen Sie<br />
einfach bei Ihrer Geschäftsstelle<br />
nach. Annette Liebmann<br />
<strong>VdK</strong>-TV<br />
<strong>VdK</strong>-TV, das Videoportal des<br />
Sozialverbands <strong>VdK</strong>, informiert<br />
in seinem Beitrag „Krankengeld<br />
läuft aus – was jetzt?“ über die<br />
Nahtlosigkeitsregelung.<br />
<strong>VdK</strong>-Videoportal<br />
www.vdktv.de<br />
Der Weg zu einer geriatrischen<br />
Reha war bisher mühsam. Die Anträge<br />
wurden von den Kassen<br />
aufwändig überprüft und häufig<br />
abgewiesen. Seit Mitte vergangenen<br />
Jahres gilt nun ein vereinfachtes<br />
und beschleunigtes Verfahren,<br />
das älteren Patientinnen und Patienten<br />
den Zugang zu einer solchen<br />
Maßnahme erleichtern soll.<br />
Eine medizinische Reha soll die<br />
Gesundung nach einer Krankheit<br />
fördern und dauerhafte Folgen<br />
verhindern oder abmildern. Bei<br />
älteren Menschen, die an mehreren<br />
Krankheiten leiden, kann sie<br />
die Pflegebedürftigkeit hinauszögern<br />
oder sogar verhindern.<br />
Eine geriatrische Reha richtet<br />
sich speziell an Seniorinnen und<br />
Senioren. Ziel ist es, deren Beweglichkeit<br />
und Selbstständigkeit<br />
wiederherzustellen und möglichst<br />
langfristig zu erhalten. Um der<br />
demografischen Entwicklung<br />
Rechnung zu tragen und mehr<br />
Menschen als bisher den Zugang<br />
zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber<br />
ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren<br />
beschlossen.<br />
Anspruch auf eine geriatrische<br />
Reha haben Patientinnen und Patienten<br />
ab 70 Jahren, die zwei oder<br />
mehr alterstypische Erkrankungen<br />
haben, wie beispielsweise Demenz<br />
oder Muskelschwund. Die medizinische<br />
Notwendigkeit einer geriatrischen<br />
Behandlung stellt die<br />
Ärztin oder der Arzt fest. Für die<br />
Diagnose sind Funktionstests vorgeschrieben,<br />
deren Ergebnisse<br />
dokumentiert werden. Und<br />
schließlich sollte die beziehungsweise<br />
der Betroffene auch in der<br />
Lage sein, an einer Rehamaßnahme<br />
teilzunehmen.<br />
Eine Überprüfung der medizinischen<br />
Notwendigkeit durch die<br />
Krankenkassen ist bei der geriatrischen<br />
Reha nicht mehr notwendig.<br />
Das gilt auch für geriatrische Anschlussrehabilitationen<br />
nach einem<br />
Krankenhausaufenthalt, die von<br />
Klinikärzten verordnet werden.<br />
Die Notwendigkeit einer geriatrischen<br />
Reha muss nicht mehr von<br />
der Krankenkasse überprüft werden.<br />
Foto: imago images/Addictive Stock<br />
Um eine solche Reha genehmigt<br />
zu bekommen, reicht die Patientin<br />
oder der Patient die ärztliche Verordnung<br />
zur Kostenübernahme bei<br />
der Krankenkasse ein. Diese prüft<br />
die leistungsrechtlichen Voraussetzungen<br />
und genehmigt die Maßnahme<br />
oder lehnt sie ab. In letzterem<br />
Fall sollte man innerhalb eines<br />
Monats Widerspruch einlegen.<br />
Wunschklinik angeben<br />
Bei der Wahl der Reha-Klinik<br />
haben Patientinnen und Patienten<br />
ein Mitspracherecht. Sie können<br />
schon bei der Antragstellung angeben,<br />
in welcher Einrichtung sie die<br />
Maßnahme gerne durchführen<br />
möchten.<br />
Der Sozialverband <strong>VdK</strong> berät<br />
und unterstützt seine Mitglieder<br />
auch zum Thema Reha. Wenden<br />
Sie sich dazu gerne an Ihre<br />
<strong>VdK</strong>-Geschäftsstelle. ali<br />
Videosprechstunden<br />
sehr gefragt<br />
Die Nachfrage nach Videosprechstunden<br />
ist mit der Corona-Pandemie<br />
stark gestiegen. Das zeigt<br />
eine Analyse der Barmer von Daten<br />
aus den Jahren 2019 bis 2<strong>02</strong>1.<br />
In diesem Zeitraum beanspruchten<br />
Versicherte der Barmer rund<br />
372 000-mal eine digitale Sprechstunde.<br />
Waren es im gesamten Jahr<br />
2019 nur 250 Arztgespräche, so<br />
kamen im zweiten Quartal 2<strong>02</strong>0<br />
insgesamt 64000 Onlinesprechstunden<br />
zusammen. Seit April<br />
2<strong>02</strong>2 dürfen Videotermine nur<br />
noch 30 Prozent der gesamten<br />
Sprechstunden einer Praxis ausmachen.<br />
Besonders nachgefragt waren<br />
die Videosprechstunden in der<br />
ambulanten Psychotherapie. Hier<br />
gab es zwischen 2019 und 2<strong>02</strong>1<br />
rund 177 500 Behandlungsfälle.<br />
Seit April 2<strong>02</strong>2 ist es nicht mehr<br />
möglich, eine psychotherapeutische<br />
Sprechstunde und die Sitzungen<br />
vor Beginn der Psychotherapie<br />
online durchzuführen. ali
10 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Generationen<br />
Ruhe bewahren und anderen Sicherheit geben<br />
Seit drei Jahren folgt auf eine Krise die nächste – wie geht man damit um? Die <strong>VdK</strong>-ZEITUNG hat eine Expertin gefragt<br />
Erst kam die Corona-Krise, dann<br />
brach der Ukraine-Krieg aus,<br />
schließlich kam die höchste Inflation<br />
seit 70 Jahren. Wie es weitergeht,<br />
kann niemand vorhersehen.<br />
Wie hält man diese Unsicherheiten<br />
aus? Die <strong>VdK</strong>-ZEITUNG sprach mit<br />
der Psychologin und Buchautorin<br />
Helga Land-Kistenich.<br />
Worin liegen derzeit die größten<br />
Herausforderungen?<br />
Die größte Herausforderung liegt<br />
darin, die Ruhe zu bewahren und<br />
sich von den Ereignissen nicht<br />
überwältigen zu lassen.<br />
Warum empfinden wir ungelöste<br />
Probleme und offene Fragen als<br />
belastend?<br />
Die Menschen machen sich gerne<br />
einen Plan, obwohl es natürlich<br />
keine Gewissheit gibt, dass dieser<br />
auch aufgeht. Aber er vermittelt das<br />
Gefühl von Sicherheit, auch wenn<br />
man Zufälle, einen Unfall oder eine<br />
Katastrophe nicht vorhersagen<br />
kann. Mit einer gewissen Größenordnung<br />
von Unsicherheiten können<br />
wir umgehen. Wenn aber die<br />
Zahl der offenen Fragen oder ungelösten<br />
Probleme steigt, empfinden<br />
wir Stress. Das kann mitunter<br />
extreme Reaktionen hervorrufen,<br />
wie etwa einen Aussetzer oder Panik<br />
– nicht zuletzt, weil man vielleicht<br />
gezwungen ist, neue Wege<br />
der Problembewältigung zu finden.<br />
Manche machen sich mehr Sorgen,<br />
andere weniger. Wovon<br />
hängt das ab?<br />
Die Kunst, Krisen zu bewältigen, besteht darin, ruhig zu bleiben und sich auf das Machbare zu konzentrieren.<br />
Wie wir mit belastenden Situationen<br />
umgehen, hängt zu einem<br />
großen Teil von unseren Genen<br />
und den Erfahrungen in der Kindheit<br />
ab. In den ersten drei Lebensjahren<br />
bilden sich die psychoneuronalen<br />
Grundsysteme aus, die die<br />
Basis des Verhaltens darstellen.<br />
Diese werden über das gesamte<br />
Leben gespeichert, erweitert und<br />
mit allen Vorgängen im Gehirn<br />
vernetzt. Dazu gehört die Art, wie<br />
jemand Stress bewältigt, ob sie<br />
oder er sich selbst beruhigen kann,<br />
die Motivation, die Impulskontrolle,<br />
das Bindungs- und Empathieverhalten,<br />
der Realitätssinn sowie<br />
die Risikoeinschätzung. Die gesammelten<br />
Erfahrungen stehen<br />
dann in bestimmten Situationen<br />
zur Verfügung. Beispielsweise<br />
wird ein Kind, das schon viel verreist<br />
ist, bei einem Schul- oder<br />
Ortswechsel weniger Stress empfinden<br />
als ein Kind, das noch nie<br />
von zu Hause weg war.<br />
Wie geht man denn am besten mit<br />
den aktuellen Unsicherheiten um?<br />
In Gesprächen mit meinen Patienten,<br />
Freunden und Bekannten<br />
habe ich etwas sehr Erfreuliches<br />
festgestellt: Die meisten möchten<br />
sich durch die schlechten Nachrichten<br />
nicht verunsichern lassen.<br />
Viele beschränken sich darauf,<br />
sich nur noch einmal am Tag über<br />
die Geschehnisse in den Medien<br />
zu informieren. Stattdessen widmen<br />
sie sich der Familie und dem<br />
Freundeskreis, gehen wandern<br />
oder werden kreativ. Das ist meines<br />
Erachtens die richtige Reaktion.<br />
Wichtig ist, trotz aller Katastrophen<br />
sich selbst und anderen<br />
Stabilität zu geben. Die Menschen,<br />
die den Zweiten Weltkrieg noch<br />
erlebt haben, sind mit vielen Unsicherheiten<br />
aufgewachsen: Die<br />
Nahrungsmittel waren knapp, es<br />
gab Bombenangriffe, man wusste<br />
nie, wann der nächste Fliegeralarm<br />
ertönt, und man hatte immer die<br />
Notfalltasche gepackt. Nun müssen<br />
auch die jüngeren Generationen<br />
lernen, mit tiefgreifenden Unsicherheiten<br />
umzugehen.<br />
Foto: imago images/Westend61<br />
Nimmt das Bedürfnis nach Sicherheit<br />
im Alter zu?<br />
Jein. Die Erfahrungen, die wir im<br />
Leben gemacht haben, tragen dazu<br />
bei, dass wir im Alter vorausschauender<br />
denken und uns anders absichern<br />
als in der Jugend. Schlechte<br />
Erfahrungen können natürlich<br />
dazu führen, dass jemand im Alter<br />
geiziger, unfreundlicher und allem<br />
Neuen gegenüber verschlossener<br />
wird. Allerdings kann auch das<br />
genaue Gegenteil passieren.<br />
Ungewissheit hat aber nicht nur<br />
schlechte Seiten. Worin liegen<br />
ihre Chancen?<br />
In einem gewissen Maß gibt sie uns<br />
die Möglichkeit, flexibel zu bleiben<br />
und in Zukunft bessere Vorsorge<br />
zu betreiben. Die Coronazeit hat<br />
uns hart getroffen, weil wir auf<br />
eine Seuche nicht vorbereitet waren.<br />
Der Krieg in Europa hat uns<br />
aufgerüttelt, unsere eigenen friedvollen<br />
Verteidigungstruppen aufrechtzuerhalten.<br />
Darin liegt die<br />
Chance der Krisen, die wir jetzt<br />
erleben: Veränderungen in unseren<br />
Einstellungen vorzunehmen<br />
und Vorsorge zu treffen.<br />
Sie sagen, man kann seine Fähigkeit,<br />
unklare Situationen auszuhalten,<br />
stärken. Wie gelingt das?<br />
Indem man aktiv bleibt und den<br />
Kontakt zu seiner Familie, zu seinen<br />
Freunden sowie zu seinem<br />
sozialen Umfeld pflegt. Wegen<br />
Angst nicht mehr die Wohnung zu<br />
verlassen, seine Hobbies zu vernachlässigen<br />
oder nur gewohnte<br />
Wege zu gehen, lässt die Menschen<br />
unbeweglich werden. Die Fähigkeit,<br />
auf Ungewohntes zu reagieren,<br />
kann letztlich jeder lernen.<br />
Interview: Annette Liebmann<br />
„Alt sein“ beginnt mit 61 Jahren<br />
Studie über Altersdiskriminierung: Klischees sind fest verwurzelt<br />
Altersgerechte Stadt<br />
Themenheft der BAGSO stellt Konzepte vor<br />
Ältere Menschen werden von der<br />
Gesellschaft oft negativ wahrgenommen.<br />
Das geht aus der Studie<br />
„Altersbilder und Altersdiskriminierung“<br />
hervor, die im Auftrag der<br />
Antidiskriminierungsstelle des<br />
Bundes erstellt wurde.<br />
Altersbilder können diskriminierendes<br />
Verhalten begünstigen, etwa<br />
bei der Job- oder Wohnungssuche<br />
oder bei Bankdienstleistern.<br />
Vielen Menschen ist dies jedoch<br />
nicht bewusst. Etwa jede siebte<br />
Anfrage, die bei der Antidiskriminierungsstelle<br />
des Bundes eingeht,<br />
steht in Zusammenhang mit dem<br />
Lebensalter. „Überall erleben<br />
Menschen, dass ihr Alter eine Rolle<br />
spielt und Nachteile mit sich<br />
bringen kann“, sagt Ferda Ataman,<br />
Unabhängige Bundesbeauftragte<br />
für Antidiskriminierung.<br />
Für die repräsentative Studie<br />
unter der Leitung von Prof. Dr.<br />
Eva-Marie Kessler und Prof. Dr.<br />
Lisa Marie Warner von der Medical<br />
School Berlin wurden 2000<br />
Menschen über 16 Jahren am Telefon<br />
befragt. Ziel war es, die Vorstellungen<br />
vom Altern und die<br />
Einstellungen gegenüber älteren<br />
Menschen zu erfassen. Die Ergebnisse:<br />
Ÿ Es gibt große Unterschiede, ab<br />
wann jemand als „alt“ angesehen<br />
wird. Als gesellschaftliche Altersgrenze<br />
wurde am häufigsten (27<br />
Prozent) das 60. Lebensjahr angegeben.<br />
Im Schnitt liegt sie bei<br />
Die Lebenserwartung steigt, und es gibt immer mehr sportlich fitte Senioren.<br />
Dennoch überwiegen Altersbilder, die sich nur an Defiziten ausrichten.<br />
61 Jahren – niedriger als in anderen<br />
europäischen Ländern.<br />
Ÿ Über ältere Menschen ist nur<br />
wenig Faktenwissen vorhanden.<br />
Ÿ Der Blick auf das Alter ist ambivalent<br />
und hängt stark vom eigenen<br />
Lebensalter ab. Einerseits<br />
dominieren Bilder von kranken,<br />
unflexiblen und einsamen Menschen,<br />
andererseits sind 94 Prozent<br />
der Überzeugung, dass es<br />
möglich ist, im Alter geistig und<br />
körperlich fit zu bleiben.<br />
Ÿ Ältere werden von vielen als<br />
Verhinderer notwendiger gesellschaftlicher<br />
und politischer Veränderungen<br />
wahrgenommen.<br />
Ÿ Jede/r dritte Befragte ist der Meinung,<br />
ältere Menschen sollten<br />
wichtige Positionen aufgeben,<br />
um für die jüngere Generation<br />
Platz zu machen. Unter anderem<br />
sollten sie nur bis zu einem bestimmten<br />
Alter politische Ämter<br />
ausüben.<br />
„Die Ergebnisse unserer Studie<br />
zeigen, dass Klischees und Stereotype<br />
über Ältere fest verwurzelt<br />
sind“, fasst Ataman zusammen.<br />
Insbesondere beim Thema Klimaschutz<br />
gebe es großes Spannungspotenzial<br />
zwischen den Generationen.<br />
Um Altersdiskriminierung<br />
entgegenzuwirken, solle in das<br />
Grundgesetz mit aufgenommen<br />
werden, dass Ungleichbehandlung<br />
aufgrund des Alters inakzeptabel<br />
ist. Zudem müsse das Allgemeine<br />
Gleichbehandlungsgesetz gestärkt<br />
werden. Annette Liebmann<br />
Foto: imago images/Panthermedia<br />
Zunehmend mehr ältere Menschen<br />
leben in Ballungszentren. Wie es<br />
gelingt, Städte so zu gestalten,<br />
dass sie sich dort wohlfühlen, beschreibt<br />
eine Broschüre der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
der Seniorenorganisationen<br />
(BAGSO).<br />
Viel Grün, gute Verkehrsverbindungen,<br />
barrierefreie Wohnungen,<br />
nahe Einkaufsmöglichkeiten, ausreichend<br />
Arztpraxen – ältere Menschen<br />
haben besondere Bedürfnisse.<br />
Das Heft der BAGSO mit dem<br />
Titel „Altern in den Städten und<br />
Gemeinden“ stellt anhand von<br />
Beispielen dar, wie Kommunen,<br />
die Europäische Union und Initiativen<br />
versuchen, diesen Bedürfnissen<br />
gerecht zu werden.<br />
Die Broschüre lässt sich kostenlos<br />
im Internet als PDF-Datei unter<br />
www.bagso.de herunterladen. Klicken<br />
Sie dafür auf der Webseite den<br />
Menüpunkt „Publikationen“ an.<br />
www.bagso.de
Inklusion<br />
Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
11<br />
Die Welt der Geschichten<br />
Bücher in Leichter und Einfacher Sprache – Literatur für Menschen, denen das Lesen und Schreiben schwerfällt<br />
In Deutschland leben über sechs<br />
Millionen Menschen, die kaum lesen<br />
und schreiben können. Ihnen<br />
ist die Welt der Erzählungen, Romane<br />
oder Krimis zumeist verschlossen.<br />
Bücher in Leichter oder<br />
Einfacher Sprache können eine Tür<br />
dorthin öffnen.<br />
Das schmale Büchlein „Ziemlich<br />
beste Freunde“ liegt leicht in der<br />
Hand. Es ist die Geschichte des<br />
Franzosen Philippe Pozzo di Borgo,<br />
der gelähmt ist und im Rollstuhl<br />
sitzt, und die seines Pflegers<br />
Abdel. Viele kennen ihre Erlebnisse<br />
aus dem Kino oder dem Fernsehen.<br />
Philippe und Abdel sind beste<br />
Freunde und auf dem Titelbild zu<br />
sehen. Beide lachen ausgelassen.<br />
Das Besondere an dieser Ausgabe:<br />
Sie ist in Einfacher Sprache<br />
geschrieben. Das heißt, sie wurde<br />
für jene Menschen veröffentlicht,<br />
denen das Lesen schwerfällt. Herausgegeben<br />
hat sie der „Spaß am<br />
Lesen-Verlag“. Doch was unterscheidet<br />
dieses schmale Büchlein<br />
eigentlich vom Original?<br />
Klar und übersichtlich<br />
„Es ist so geschrieben, dass fast<br />
jeder es verstehen kann“, erklärt<br />
Ralf Beekveldt, Geschäftsführer<br />
des „Spaß am Lesen-Verlags“. Die<br />
Schrift ist größer als üblich, und<br />
die Absätze sind übersichtlich gegliedert.<br />
Die Sätze sind kurz, enthalten<br />
meist nur wenige Informationen<br />
und keine Fachbegriffe.<br />
Wer liest, kann in fremde Welten eintauchen und dabei viel Neues entdecken.<br />
„Dennoch darf die Geschichte<br />
nicht ihr Leben und ihre Spannung<br />
verlieren. Das kann manchmal ein<br />
sehr schmaler Grat sein“, weiß<br />
Beekveldt.<br />
Geschichten wie „Ziemlich beste<br />
Freunde“ werden deshalb von erfahrenen<br />
und qualifizierten Übersetzerinnen<br />
und Übersetzern in<br />
Einfache Sprache übertragen. Sie<br />
müssen sich zuvor intensiv mit den<br />
Inhalten auseinandersetzen. „Das<br />
ist anspruchsvoll und zeitaufwändig“,<br />
so Beekveldt. Denn auf der<br />
einen Seite müssten Handlungsstränge<br />
stark gekürzt werden, auf<br />
der anderen Seite dürfe der Geschichte<br />
nichts abhanden kommen.<br />
Lesen erleichtern<br />
Verlage wie der „Spaß am Lesen-<br />
Verlag“ richten sich an die rund<br />
6,2 Millionen Menschen in<br />
Deutschland, die Probleme mit dem<br />
Lesen und Schreiben haben. „Dazu<br />
gehören zum Beispiel Menschen mit<br />
einer Lernschwäche, Kinder und<br />
Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern,<br />
geflüchtete Menschen<br />
sowie Migrantinnen und Migranten“,<br />
sagt Beekveldt. Zudem zählt<br />
er jene hinzu, die mit Konzentrationsschwierigkeiten<br />
zurechtkommen<br />
müssen, älter sind und eine<br />
leichte Demenz oder Sehschwäche<br />
haben oder auch unter Sprachschwierigkeiten<br />
leiden. Für sie will<br />
der Verlag spannende, berührende,<br />
lustige oder phantastische Geschichten<br />
zugänglich machen.<br />
Inzwischen gibt es eine große<br />
Auswahl an Titeln in Leichter und<br />
Einfacher Sprache. Es sind die<br />
Geschichten von namhaften Autorinnen<br />
und Autoren, Bestseller wie<br />
„Die Welle“ oder Literaturklassiker<br />
wie „Romeo und Julia“. Hinzu<br />
Foto: imago/Westend61<br />
kommen preisgekrönte Bücher<br />
vielversprechender junger Autorinnen<br />
und Autoren, erzählt Beekveldt.<br />
„Wir richten uns auch nach<br />
den Interessen und Wünschen<br />
unserer Zielgruppe, mit der wir<br />
ständig im Austausch sind.“<br />
Die Bücher stehen in Bibliotheken<br />
oder im Buchhandel. Sie werden<br />
etwa vom „Spaß am Lesen-<br />
Verlag“ oder dem Passantenverlag<br />
Berlin herausgegeben oder erscheinen<br />
als Edition „na und ob“.<br />
Spannendes Projekt<br />
Für Beekveldt war die Arbeit am<br />
Roman „Deutschstunde“ von Siegfried<br />
Lenz der Höhepunkt der<br />
Verlagsarbeit im vergangenen Jahr.<br />
Dies war ein großes Projekt. Der<br />
Klassiker der deutschen Nachkriegsliteratur<br />
ist nun endlich in<br />
Einfacher Sprache im Buchhandel<br />
zu finden. Gefördert wurde das<br />
Projekt durch das Programm Neustart<br />
Kultur. Kristin Enge<br />
Einfach oder leicht<br />
Texte in „Leichter Sprache“ richten<br />
sich an Menschen mit Behinderung,<br />
um ihnen im Sinne der<br />
Barrierefreiheit Themen zugänglich<br />
zu machen.<br />
Texte in „Einfacher Sprache“<br />
sind für Menschen geschrieben,<br />
denen das Lesen und Schreiben<br />
schwerfällt oder deren Muttersprache<br />
nicht Deutsch ist.<br />
Förderung für „Reisen<br />
für Alle“ läuft aus<br />
„Reisen für Alle“ ist eine Kennzeichnung<br />
für die Barrierefreiheit<br />
von touristischen Angeboten. Das<br />
vom Bundeswirtschaftsministerium<br />
geförderte Projekt wird am Ende<br />
dieses Jahres eingestellt, weil es<br />
die Erwartungen nicht erfüllte.<br />
Das touristische Informationsund<br />
Zertifizierungssystem „Reisen<br />
für Alle“ richtet sich insbesondere<br />
an Menschen mit einer Behinderung<br />
oder einer Bewegungseinschränkung,<br />
die einen Urlaub in<br />
Deutschland planen. Auf der Webseite<br />
www.reisen-fuer-alle.de<br />
finden sich fast 2500 geprüfte Urlaubs-<br />
und Ausflugsideen, die in<br />
mehrjähriger Zusammenarbeit<br />
und Abstimmung mit Betroffenenverbänden<br />
sowie touristischen<br />
Akteuren entwickelt worden sind.<br />
Nun soll das vom Bundeswirtschaftsministerium<br />
geförderte<br />
Projekt Ende 2<strong>02</strong>3 auslaufen.<br />
Als Grund führt das Wirtschaftsministerium<br />
an, dass das Angebot<br />
„lediglich eine äußerst geringe<br />
Akzeptanz“ erfahren habe. Von<br />
650000 tourismusrelevanten Institutionen,<br />
Organisationen und<br />
Betrieben seien aktuell lediglich<br />
2566 mit dem Kennzeichen „Reisen<br />
für Alle“ zertifiziert.<br />
Das Ministerium ruft alle Beteiligten<br />
dazu auf, an einer zukunftsorientierten<br />
Neuausrichtung mitzuwirken.<br />
Der Sozialverband <strong>VdK</strong><br />
will daran mitarbeiten, dass es eine<br />
Anschlusslösung im Sinne der<br />
Menschen mit Behinderung geben<br />
wird.<br />
cis<br />
Der tägliche Kampf mit der Bürokratie<br />
Schriftstellerin Dorota Danielewicz erzählt über ihr Leben mit ihrem schwerstbehinderten Sohn<br />
Eltern, die ihr geliebtes Kind pflegen,<br />
weil es eine Behinderung hat,<br />
sind oft überlastet. Der tägliche<br />
Kampf mit Ämtern und Krankenkassen,<br />
die ständige Sorge um die<br />
Gesundheit und die Entwicklung<br />
des Kindes kosten Kraft, darüber<br />
hinaus gehen viele Eltern einer<br />
Erwerbsarbeit nach – all das kennt<br />
Dorota Danielewicz. Sie wäre beinahe<br />
daran zerbrochen.<br />
Dorota Danielewicz und ihr<br />
Mann haben mit ihrem zwölfjährigen<br />
Sohn eine jahrelange Odyssee<br />
von Arzt zu Arzt hinter sich,<br />
bevor endlich klar ist, dass der<br />
Junge unheilbar krank ist. Jan leidet<br />
an der Stoffwechselkrankheit<br />
Galaktosialidose, die sein Nervensystem<br />
angreift, und ist rund um<br />
die Uhr auf Pflege angewiesen. Als<br />
die Krankheit mit riesigen Schritten<br />
voranschreitet, sie Jans Sehkraft<br />
und seine Bewegungsfähigkeit<br />
beeinträchtigt, überkommt die<br />
Mutter das Gefühl, „dass ich keine<br />
einzige Stunde weiterleben kann“.<br />
Sie ist in ständiger Angst, verfällt<br />
in einen Kontrollzwang, weil sie<br />
die Gesundheit des S<strong>ohne</strong>s nicht<br />
kontrollieren kann, und erleidet<br />
eine Panikattacke. Sie müsse endlich<br />
an sich denken, so ihre Ärztin.<br />
Schweren Herzens tritt Danielewicz<br />
eine Kur an. Sie sei mit dem<br />
„wiedergefundenen Teil meiner<br />
selbst“ zurückgekommen und habe<br />
beschlossen, „nicht zu vergessen,<br />
dass ich außer einer Mutter vor<br />
allem ich selbst bin“.<br />
Dorota Danielewicz und ihr Sohn Jan.<br />
Was Dorota Danielewicz in ihrem<br />
sehr persönlichen Buch „Jans<br />
Weg“ schildert, kennen so oder so<br />
ähnlich viele Eltern von Kindern<br />
mit Behinderung. Sie sind mit der<br />
Pflegesituation irgendwann körperlich<br />
und psychisch überfordert<br />
und brauchen eine Entlastung.<br />
Viel zu viele finden aber keine.<br />
Allein gelassen<br />
Der Sozialverband <strong>VdK</strong> kennt<br />
dieses Problem aus seiner Rechtsberatung.<br />
„Die Familien mit pflegebedürftigen<br />
Kindern fühlen sich<br />
häufig sehr allein gelassen“, sagt<br />
<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele.<br />
Weder im eigenen Umfeld, noch<br />
bei der Krankenkasse oder bei<br />
ihrer Kommune fänden sie ein offenes<br />
Ohr. „Im Gegenteil, wenn sie<br />
Foto: privat<br />
kämpfen und ihr Recht einfordern,<br />
dann werden sie schnell als Störer<br />
bezeichnet. Manche haben oft gar<br />
keine Zeit und Kraft, um für ihre<br />
Ansprüche zu kämpfen.“ Es fehle<br />
an Entlastungsangeboten, die so<br />
wichtig sind, um sich von der Pflege<br />
zu erholen. „Wir brauchen beispielsweise<br />
dringend mehr Verhinderungs-<br />
und Nachtpflegen sowie<br />
mehr Plätze für Kurzzeitpflege“,<br />
sagt Bentele.<br />
Die Pflege eines Kindes ist oft ein<br />
Vollzeitjob. Dorota Danielewicz<br />
berichtet von einem monatelangen<br />
Antragsverfahren, bevor dem arbeitsunfähigen<br />
Jan als junger Mann<br />
die Grundsicherung zuerkannt<br />
wird. Der Umgang mit Ämtern habe<br />
sie – neben der ganztägigen<br />
Pflege – sehr stark in Anspruch<br />
genommen. Sie sei bei der Beantragung<br />
von Dingen, die ihr gesetzlich<br />
zustanden, so behandelt worden,<br />
als verlange sie Luxusgüter.<br />
Lohn für Pflegearbeit<br />
„Wir brauchen dringend gute<br />
Beratungsangebote vor Ort, gerade<br />
für Familien mit pflegebedürftigen<br />
Kindern“, fordert Bentele. Ein häufiges<br />
Problem sei, dass die Krankenkassen<br />
Hilfsmittel ablehnen.<br />
„Für Kinder mit Behinderung darf<br />
nicht die Wirtschaftlichkeit über<br />
der Gesundheit der Kinder stehen.“<br />
Die Krankenkasse müsse<br />
sich bei der Bewilligung an der<br />
Verordnung der behandelnden<br />
Ärzte orientieren. „Außerdem<br />
brauchen wir einen Lohn für pflegende<br />
Angehörige, um das hohe<br />
Armutsrisiko zu senken“, so Bentele.<br />
Laut einer Studie des Deutschen<br />
Instituts für Wirtschaftsforschung<br />
Berlin im Auftrag des <strong>VdK</strong><br />
ist jeder fünfte pflegende Angehörige<br />
armutsgefährdet, bei pflegenden<br />
Frauen sogar jede vierte.<br />
Dorota Danielewicz will mit<br />
anderen Eltern pflegebedürftiger<br />
Kinder weiter „um würdige Lebensbedingungen<br />
für unsere Kinder“<br />
kämpfen. Jan lebt mittlerweile<br />
in einer WG und arbeitet in einer<br />
Werkstatt. Das ist für sie „ein<br />
Idealzustand“. „Trotzdem müssen<br />
wir ständig darauf achten, dass<br />
sich nichts zum Schlechteren hin<br />
verändert“, sagt sie. Dafür will sie<br />
weiter kämpfen wie eine „fürsorgliche<br />
Löwin“. Jörg Ciszewski
12 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 <strong>VdK</strong>-TV<br />
Aktuelle Filme auf <strong>VdK</strong>-TV<br />
<strong>VdK</strong>-TV<br />
Die Redaktion des Videoportals<br />
<strong>VdK</strong>-TV informiert Sie regelmäßig<br />
zu wichtigen sozialen und rechtlichen<br />
Themen. Folgende nebenstehende<br />
neue Filme sind unter<br />
www.vdktv.de ab sofort abrufbar:<br />
<strong>VdK</strong>-TV AUF SPORT1<br />
Filme von <strong>VdK</strong>-TV sind in der Sendung<br />
MITEINANDER bei Sport1<br />
im Fernsehen zu sehen.<br />
In der Februar-Ausgabe berichtet<br />
das Magazin, wie sich Langzeit-<br />
Patientinnen und -Patienten verhalten<br />
sollen, wenn eine Mitarbeiterin<br />
oder ein Mitarbeiter der<br />
Krankenkasse anruft, um sich<br />
nach ihrem Gesundheitszustand<br />
zu erkundigen. Wir haben einen<br />
Experten dazu befragt.<br />
4. Feb. Sendetermin ist der<br />
erste Februar-Samstag<br />
um 9.30 Uhr.<br />
7. Feb. Am Dienstag darauf<br />
wird die Sendung um<br />
15.30 Uhr wiederholt.<br />
Häusliche Pflege braucht mehr Unterstützung. Das fordern auch Monika und Jürgen Schneider aus Pfungstadt.<br />
Die beiden <strong>VdK</strong>-Mitglieder unterstützen die <strong>VdK</strong>-Kampagne „Nächstenpflege“. Im September 2<strong>02</strong>2 besuchte<br />
das Ehepaar die „Demo <strong>ohne</strong> Menschen“ in Wiesbaden.<br />
Foto: Miriam Leonardy<br />
„Rat und Tat“<br />
In den <strong>VdK</strong>-Beratungsstellen melden<br />
sich immer wieder Mitglieder,<br />
die seit längerer Zeit krankgeschrieben<br />
sind. Sie machen häufig<br />
eine ähnliche Erfahrung, die sie<br />
verunsichert: Eines Tages ruft ein<br />
Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
an. Zunächst verläuft<br />
das Gespräch noch freundlich.<br />
Doch dann werden die Fragen<br />
nach dem momentanen Gesundheitszustand<br />
immer drängender.<br />
Was ist zu tun? Der <strong>VdK</strong> empfiehlt,<br />
am Telefon besser keine Auskünfte<br />
zu geben. Trotzdem ist Vorsicht geboten,<br />
denn für Versicherte gilt<br />
generell eine „Mitwirkungspflicht“.<br />
Kommt man dieser nicht nach, kann<br />
das zur Folge haben, dass das<br />
Krankengeld nicht länger gezahlt<br />
wird.<br />
Was darf die Krankenkasse, was<br />
nicht? Und wie sehen die Rechte<br />
und Pflichten auf der Seite des<br />
Krankenkassenmitglieds aus? Darum<br />
geht es in der aktuellen Folge<br />
der Ratgeberreihe „Rat und Tat“.<br />
Bürgergeld<br />
Welche Neuerungen bringt das Bürgergeld<br />
mit sich? Darüber informiert<br />
Daniel Overdiek, Leiter der Rechtsabteilung<br />
des <strong>VdK</strong> Bayern. So erhalten<br />
Alleinstehende seit dem 1. Januar<br />
dieses Jahres 5<strong>02</strong> statt 449 Euro.<br />
Bei Partnern in einer Bedarfsgemeinschaft<br />
wurde der Betrag von<br />
404 auf 451 Euro erhöht. Für Kinder<br />
im Haushalt der Eltern werden je<br />
nach Lebensalter spezielle Regelsätze<br />
gezahlt, welche ebenfalls erhöht<br />
worden sind.<br />
#naechstenpflege<br />
Der <strong>VdK</strong> hatte das Jahr 2<strong>02</strong>2 zum<br />
Jahr der „Nächstenpflege“ erklärt<br />
und für bessere Rahmenbedingungen<br />
in der häuslichen Pflege gekämpft.<br />
Der Sozialverband macht<br />
sich sozialpolitisch für ein höheres<br />
Pflegegeld und eine bessere Vereinbarkeit<br />
von Pflege und Beruf stark.<br />
Seit dem bundesweiten Kampagnenstart<br />
„Nächstenpflege“ im Mai<br />
2<strong>02</strong>2 engagieren sich alle Landesverbände<br />
mit vielen ungewöhnlichen<br />
Ideen und Aktionen.<br />
Mithilfe der großen Unterstützung<br />
von ehren- und hauptamtlichen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
sowie der medialen Begleitung ist<br />
es gelungen, die öffentliche Aufmerksamkeit<br />
auf die Angehörigenpflege<br />
zu lenken. Denn diese spielt<br />
sich im Privaten und hinter verschlossenen<br />
Türen ab. Deshalb<br />
waren die Herzstücke der Kampagne<br />
die „stillen Demos“, um den<br />
Angehörigen eine Stimme zu geben:<br />
Schilder mit Botschaften über<br />
die Sorgen und Wünsche der pflegenden<br />
Familienmitglieder wurden<br />
und werden auf vielen zentralen<br />
Plätzen in ganz Deutschland aufgestellt,<br />
um für mehr Wertschätzung<br />
und Unterstützung bei der häuslichen<br />
Pflege zu werben. Der Film<br />
fasst bewegende Momente aus der<br />
Kampagne zusammen.
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 13<br />
LANDESVERBAND<br />
Sozialrechtstipp<br />
Hinzuverdienstgrenzen<br />
bei Frührente Seite 14<br />
Ehrenamt<br />
Aktionen der Orts- und<br />
Kreisverbände Seite 15<br />
KOMMENTAR<br />
Das <strong>VdK</strong>-Jahr 2<strong>02</strong>3:<br />
Ein Ausblick<br />
Willi Jäger,<br />
Landesverbandsvorsitzender<br />
Inflation, Rezession, Frustration –<br />
die Folgen der Ukraine-Krise<br />
werden viele Menschen im Jahr<br />
2<strong>02</strong>3 spüren. Auch wir beim Sozialverband<br />
<strong>VdK</strong> <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
müssen den Taschenrechner rausholen:<br />
Mehr hilfesuchende Mitglieder,<br />
mehr Beratungsaufwand,<br />
mehr Personal- und Heizkosten.<br />
Trotzdem wollen wir so optimistisch<br />
wie möglich in die Zukunft<br />
blicken: Die Wirtschaftsweisen<br />
erwarten dieses Jahr zumindest<br />
keine „Mega-Rezession“. Und die<br />
Politik versucht, ausreichende<br />
Hilfspakete zu schnüren, damit<br />
niemand im Kalten sitzen muss.<br />
Allerdings gibt es viele Ungerechtigkeiten<br />
und Probleme – nicht nur,<br />
was die Geschwindigkeit von<br />
Auszahlungen angeht, sondern<br />
auch bei der häuslichen Pflege<br />
oder der Barrierefreiheit im öffentlichen<br />
Personennahverkehr. Als<br />
<strong>VdK</strong> werden wir weiterhin den<br />
Finger in die Wunde legen und für<br />
soziale Gerechtigkeit kämpfen!<br />
Besonders freue ich mich dieses<br />
Jahr auf zwei Termine: Im Juni<br />
präsentieren wir uns beim <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>-Tag<br />
in Bad Ems. Und im<br />
Oktober stellen wir gemeinsam<br />
auf dem Landesverbandstag<br />
wichtige Weichen für die Zukunft:<br />
Damit der Sozialverband <strong>VdK</strong> so<br />
stark bleibt, wie er ist!<br />
SEMINARE<br />
https://sozialportal.rlp.de/<br />
aeltere-menschen/pflegestuetzpunkte/<br />
Schwerbehindertenvertretung<br />
Der Sozialverband <strong>VdK</strong> <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
bietet im Jahr 2<strong>02</strong>3<br />
wieder ganztägige Seminare für<br />
Schwerbehindertenvertretungen<br />
und Betriebs- beziehungsweise<br />
Personalräte an.<br />
Den Auftakt macht ein Grundlagenseminar<br />
am 25. April. Eine<br />
Übersicht aller Termine und weitere<br />
Informationen finden Sie auf<br />
unserer Internetseite. Gern können<br />
Sie uns auch direkt kontaktieren.<br />
claudia.landgraf@rlp.vdk.de<br />
• 0 61 31 6 69 70-53<br />
www.vdk.de/rheinland-pfalz/<br />
pages/67428<br />
Pflegestützpunkte gibt es seit<br />
2008 in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>, und<br />
trotzdem kennen viele Betroffene<br />
das Angebot nicht. Deswegen lud<br />
der Sozialpolitische Ausschuss im<br />
Rahmen seiner Gesprächsrunde<br />
„SopoA trifft...“ die Mainzer Pflegeberaterin<br />
Galina Leonow ein.<br />
Anschließend sprach die <strong>VdK</strong>-Zeitung<br />
mit ihr über wichtige Entscheidungen,<br />
vermeidbare Fehler<br />
und notwendige Pflege-Reformen.<br />
Frau Leonow, die <strong>VdK</strong>-Pflegestudie<br />
von 2<strong>02</strong>1 zeigte, dass sich viele<br />
Menschen mehr Beratungsangebote<br />
wünschen, auch in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>.<br />
Ist das Land schlecht<br />
aufgestellt?<br />
Bei uns gibt es landesweit 135 Pflegestützpunkte.<br />
Damit sind wir,<br />
auch im Vergleich mit anderen<br />
Bundesländern, eigentlich gut aufgestellt.<br />
Allerdings kennen viele<br />
Betroffene das Angebot nicht oder<br />
haben eine falsche Vorstellung<br />
davon, was ein Pflegestützpunkt<br />
genau macht.<br />
Was sind die häufigsten Irrtümer?<br />
Und was können Pflegestützpunkte<br />
leisten?<br />
Manche Menschen denken, dass<br />
wir eine Art Pflegedienst sind.<br />
Doch das ist falsch. Vielmehr verstehen<br />
wir uns als erste Anlaufstelle<br />
für Pflegebedürftige und ihre<br />
Angehörigen. Wir beraten die Betroffenen<br />
und unterstützen sie bei<br />
den ersten Schritten. Dafür machen<br />
wir uns ein Bild über den<br />
Pflegebedarf, die Wohnsituation<br />
und das familiäre Umfeld der Pflegebedürftigen.<br />
Anschließend entwerfen<br />
wir gemeinsam einen Versorgungsplan<br />
und kontaktieren<br />
Pflegedienste, Haushaltshilfen<br />
oder Einkaufsangebote.<br />
Was sind typische Fragen, die Ihnen<br />
als erstes gestellt werden?<br />
Meistens geht es darum, wie man<br />
einen Pflegegrad beantragt, wie<br />
man Hilfsmittel erhält oder welche<br />
Wohnformen es gibt. Und staatliche<br />
Unterstützung ist immer ein<br />
Thema.<br />
Und welche Probleme begegnen<br />
Ihnen bei Ihrer Arbeit am häufigsten?<br />
Ein großes Problem ist, wenn bei<br />
Menschen, die schwer für sich<br />
selbst entscheiden können, die<br />
Vorsorgevollmacht fehlt. Fragen<br />
„Wir sind die erste Anlaufstelle“<br />
Interview mit Galina Leonow, Beraterin beim Pflegestützpunkt in Mainz<br />
Unterstützung bei den ersten Schritten: Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können sich in 135 rheinland-pfälzischen<br />
Pflegestützpunkten beraten lassen.<br />
Foto: Melpomene / stock.adobe.com<br />
mich dann Verwandte oder Ehepartner,<br />
was wir besprochen haben,<br />
darf ich keine Auskunft geben.<br />
Aus Datenschutzgründen.<br />
Viele haben dafür kein Verständnis.<br />
Aber so ist die Gesetzeslage.<br />
Ein zweites großes Problem ist,<br />
dass die meisten Angehörigen erst<br />
zu uns kommen, wenn sie mit der<br />
Pflege ihrer Liebsten überfordert<br />
sind. Dann ist es aber meistens zu<br />
spät. Auf die Schnelle eine Kurzzeit-<br />
oder Verhinderungspflege zu<br />
finden, ist praktisch unmöglich.<br />
Deswegen ist es wichtig, nicht die<br />
Augen vor der Realität zu verschließen,<br />
rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht<br />
ausfüllen und zeitnah<br />
zu uns in die Beratung zu kommen.<br />
... die übrigens nur gesetzlich Versicherte<br />
wahrnehmen dürfen.<br />
Grundsätzlich richtig, aber eine<br />
allgemeine Beratung steht jedem<br />
offen. Privatversicherte können<br />
sich auch an die Pflegeberatung<br />
„Compass“ wenden.<br />
Sie stehen auch in engem Kontakt<br />
mit anderen Akteuren und Dienstleistern<br />
wie Sozialdiensten oder<br />
der GemeindeschwesterPlus.<br />
So verringern wir das Risiko, dass<br />
Betroffene durchs Netz fallen. Ein<br />
gutes Beispiel ist die GemeindeschwesterPlus:<br />
Sie hilft älteren<br />
Menschen, möglichst lange in den<br />
eigenen vier Wänden zu leben, also<br />
möglichst lange selbstständig zu<br />
bleiben. Aber irgendwann muss<br />
man über häusliche oder stationäre<br />
Pflege nachdenken. Die GemeindeschwesterPlus<br />
hat das im<br />
Blick und verweist an die Pflegestützpunkte.<br />
Sie ist wie ein<br />
„Frühwarnsystem“.<br />
Laut dem Pflegereport der Bertelsmann-Stiftung<br />
wird die Zahl<br />
der Pflegebedürftigen bis 2030 um<br />
50 Prozent steigen. Was bedeutet<br />
das für Ihre Arbeit?<br />
Diese Entwicklung merken wir<br />
jetzt schon. Wenn das so weitergeht,<br />
ist das System bald am Limit.<br />
Was kann man dagegen tun?<br />
Die Pflegestützpunkte werden in<br />
den kommenden Jahren mehr Personal<br />
brauchen. Hilfreich wäre<br />
natürlich auch, Arbeitsabläufe<br />
stärker zu digitalisieren. Das würde<br />
uns viel Zeit sparen, vor allem<br />
bei Antragsformularen und der<br />
Dokumentation.<br />
Generell muss die Pflege gestärkt<br />
werden. Wir brauchen mehr Tages-,<br />
Nacht- und Kurzzeitpflegeplätze.<br />
Und natürlich auch mehr<br />
Entlastungsangebote für pflegende<br />
Angehörige.<br />
Genau das fordert der <strong>VdK</strong> in seiner<br />
Kampagne „Nächstenpflege“.<br />
„SopoA trifft...“: Im Rahmen der <strong>VdK</strong>-Kampagne „Nächstenpflege“ lud der Sozialpolitische Ausschuss wichtige<br />
Akteure zur Gesprächsrunde ein, darunter auch Pflegeberaterin Galina Leonow.<br />
Foto: <strong>VdK</strong><br />
Zu Recht. Sinnvoll wäre auch ein<br />
festes Budget, das die Beträge der<br />
Kurzzeit- und der Verhinderungspflege<br />
sowie des Entlastungsbetrags<br />
zusammenfasst. Dann könnten<br />
die Betroffenen schnell die<br />
passende Hilfe beauftragen. Die<br />
häusliche Pflege ist jetzt schon am<br />
Limit, und wenn sie zusammenbricht,<br />
dann wirkt sich das auch<br />
auf die stationäre aus.<br />
Die Finanzierung der Pflegestützpunkte<br />
übernehmen kommunale<br />
Träger sowie Pflege- und Krankenkassen.<br />
Kritiker befürchten,<br />
dass dadurch die Beratung in den<br />
Pflegestützpunkten nicht unabhängig<br />
ist. Wie erleben Sie das in<br />
Ihrer täglichen Arbeit?<br />
Die Kostenträger mischen sich<br />
nicht in meine Beratung ein, und<br />
falls die Kranken- oder die Pflegekasse<br />
eine Auskunft braucht, würde<br />
ich das immer zuerst mit den<br />
Pflegebedürftigen oder den Angehörigen<br />
besprechen. Das ist mir<br />
ganz wichtig. Ich brauche einfach<br />
das Gefühl, Menschen zu helfen<br />
und etwas mit meiner Arbeit zu<br />
erreichen. Das ist gut für die Seele.<br />
Das Interview führte Michael<br />
Finkenzeller.<br />
Foto: privat<br />
ZUR PERSON<br />
Galina Leonow,<br />
Pflegeberaterin<br />
Galina Leonow ist gelernte Sozialversicherungsfachangestellte<br />
und hat eine Weiterbildung zur<br />
Pflegeberaterin absolviert. Seit<br />
2016 berät sie Pflegebedürftige<br />
und ihre Angehörigen in<br />
den Pflegestützpunkten Mainz-<br />
Neustadt und Nieder-Olm.
14 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
Operation „Neustart“ für die E-Akte<br />
Digitalisierung im Schneckentempo: Die elektronische Patientenakte muss nutzerfreundlicher werden<br />
Einkaufen, Geld überweisen, Urlaub<br />
buchen: Viele Alltagsdinge<br />
laufen bei Millionen Menschen<br />
längst online. Auch das Gesundheitswesen<br />
soll digitaler werden,<br />
doch da hakt es. Dabei sind die<br />
Ziele hochgesteckt.<br />
Alles auf einen Klick: Mit der elektronischen Patientenakte sind alle Daten schnell abrufbar. Foto: Freepik_DCStudio<br />
Arztbefunde, Röntgenbilder,<br />
Medikamentenlisten: Seit zwei<br />
Jahren gibt es elektronische Patientenakten,<br />
mit denen Versicherte<br />
Gesundheitsdaten parat haben<br />
können – abrufbar am Smartphone.<br />
Doch die Nachfrage hält<br />
sich in engen Grenzen.<br />
Überhaupt kommt eine umfassende<br />
Digitalisierung auf breiter<br />
Front der Praxen und Kliniken<br />
nicht richtig in Gang. Gesundheitsminister<br />
Karl Lauterbach<br />
diagnostizierte schon, Deutschland<br />
sei hier im europäischen Vergleich<br />
„Entwicklungsland“.<br />
Deshalb soll schnellstmöglich<br />
eine Art Neustart auch für die<br />
E-Akten als zentrales Element her;<br />
große Krankenkassen werben für<br />
mehr Schwung und praktischen<br />
Nutzen.<br />
Der Chef der Techniker Krankenkasse<br />
(TK), Jens Baas, sagt:<br />
„Wir sehen, dass es bei der Digitalisierung<br />
des Gesundheitssystems<br />
gerade an vielen Stellen hakt, ob<br />
nun bei der Akte oder beim E-Rezept.<br />
Das Grundproblem ist die<br />
fehlende Nutzerfreundlichkeit.“<br />
Entscheidend für den Erfolg der<br />
E-Akte sei, dass sie im Praxisalltag<br />
ankomme. Dafür müssten Ärzte an<br />
sie angebunden sein und sie dann<br />
auch befüllen. „Es muss selbstverständlicher<br />
Teil des Arztbesuchs<br />
werden, dass die Daten der Patientinnen<br />
und Patienten auch in ihrer<br />
Akte abgelegt werden.“<br />
Holpriger Start<br />
Als freiwilliges Angebot für die<br />
74 Millionen gesetzlich Versicherten<br />
war die elektronische Patientenakte<br />
(ePA) am 1. Januar 2<strong>02</strong>1<br />
gestartet und soll schrittweise<br />
mehr Funktionen bekommen. Das<br />
Ziel lautet, die Versorgung für Patienten<br />
sowie Ärztinnen und Ärzte<br />
effektiver und besser zu machen.<br />
Etwa, indem Mehrfachuntersuchungen<br />
unnötig werden, weil man<br />
Infos zu eingenommenen Medikamenten<br />
oder früheren Behandlungen<br />
nicht immer dabei hat. Bei der<br />
Vernetzung der Praxen gibt es jedoch<br />
Verzögerungen. Bei mehreren<br />
Fragen schwelt ein Streit über<br />
den Datenschutz.<br />
Auch zwei Jahre nach dem Start<br />
nutzt weiter nur ein Bruchteil der<br />
Patienten die E-Akte. Bei den<br />
größten Kassen TK, Barmer, DAK<br />
und den elf Allgemeinen Ortskrankenkassen<br />
(AOK) haben sie inzwischen<br />
450.000 von zusammengenommen<br />
52 Millionen Versicherten,<br />
wie eine dpa-Umfrage ergab.<br />
Über alle gesetzlichen Kassen<br />
hinweg seien es 570.000, sagt Spitzenverbandschefin<br />
Doris Pfeiffer<br />
der Funke-Mediengruppe. Um einen<br />
Durchbruch zu erreichen, will<br />
die Ampel-Koalition deswegen<br />
grundlegend auf das Prinzip „Optout“<br />
umschwenken – also, dass<br />
alle die E-Akte bekommen und<br />
man aktiv widersprechen muss,<br />
statt wie derzeit aktiv einzuwilligen.<br />
Die Umstellung könne für weiteren<br />
Schwung sorgen, heißt es bei<br />
der Barmer, bei der 50.000 der 8,7<br />
Millionen Versicherten E-Akten<br />
haben. Allerdings werde die ePA<br />
erst eine tragende Rolle spielen,<br />
wenn sie wichtige Informationen<br />
enthalte.<br />
Nötig sei auch eine unkomplizierte<br />
Anmeldung für Versicherte.<br />
Bei der TK haben 350.000 der elf<br />
Millionen Versicherten E-Akten.<br />
Meistgenutzte Funktion sei das<br />
eigene Laden etwa von Impfdaten<br />
oder Infos zu Arztbesuchen. Bei<br />
den AOKs haben 40.000 der 27<br />
Millionen Versicherten E-Akten.<br />
Um den Mehrwert bekannter zu<br />
machen, soll die Kommunikation<br />
verstärkt werden. Damit die ePA<br />
ins Fliegen komme, müsse sie auch<br />
Prozesse in den Praxen erleichtern.<br />
Lauterbach plant im neuen Jahr<br />
ein großes Digitalisierungsgesetz.<br />
Von zahlreichen Veränderungen<br />
ist im Ministerium die Rede – und<br />
dass die ePA damit „wirklich zur<br />
Realität“ werden soll. Zum Datenschutz<br />
soll es eine internationale<br />
Expertenkonferenz geben.<br />
DAK-Chef Andreas Storm wirbt<br />
für neue Wege bei einem Neustart.<br />
Statt gegenseitiger Blockade wie<br />
bislang brauche es „ein lösungsund<br />
konsensorientiertes Vorgehen“.<br />
Er schlug ein Steuerungsgremium<br />
vor, in dem auch Datenschützer,<br />
Ärzte, Kliniken und<br />
Kassen mitarbeiten. Bei der DAK<br />
haben 10.000 der 5,6 Millionen<br />
Versicherten eine E-Akte.<br />
Lauterbach geht es auch um eine<br />
bessere Versorgung. Die systematische<br />
Auswertung vieler digitaler<br />
Daten kann Forschungserkenntnisse<br />
entscheidend beschleunigen<br />
– wenn man sie denn hat. Ein Vorbild<br />
dafür ist Israel, das vor mehr<br />
als 25 Jahren mit der Digitalisierung<br />
begann.<br />
„Hier nutzen alle Kliniken und<br />
Praxen eines Patienten dieselben<br />
Daten“, erläuterte Lauterbach bei<br />
einem Besuch vor einigen Monaten.<br />
Für Deutschland gibt es nun<br />
zumindest eine ehrgeizige Zielmarke,<br />
notiert in der Digitalstrategie<br />
der Regierung: Sie will sich<br />
2<strong>02</strong>5 daran messen lassen, ob es<br />
gelingt, dass mindestens 80 Prozent<br />
der gesetzlich Versicherten<br />
eine E-Patientenakte haben.<br />
Sascha Meyer/dpa<br />
SOZIALRECHTSTIPP<br />
Hinzuverdienstgrenzen bei gesetzlicher Frührente<br />
Neue Regelungen seit 1. Januar 2<strong>02</strong>3 – Rentnerinnen und Rentner sollen stärker in Arbeitsmarkt eingebunden werden<br />
Fachkräftemangel und Personalnot<br />
– es gibt kaum eine Branche<br />
in Deutschland, die davon<br />
nicht betroffen ist. Deswegen<br />
sollen gesetzlich Rentenversicherte<br />
ab diesem Jahr stärker in den<br />
Arbeitsmarkt eingebunden werden.<br />
Entscheidender Anreiz, um<br />
zusätzlich Geld zu verdienen, sind<br />
die Zuverdienstgrenzen. Welche<br />
Regeln nun für Frührentnerinnen<br />
und Frührentner gelten, zeigt der<br />
<strong>VdK</strong>-Sozialrechtstipp.<br />
Vorgezogene Altersrente<br />
Seit 1. Januar gibt es keine Hinzuverdienstgrenzen<br />
mehr bei einer<br />
vorzeitigen Altersrente. Das bedeutet,<br />
dass alle Altersrentnerinnen<br />
und -rentner unbegrenzt nebenher<br />
arbeiten können, <strong>ohne</strong> dass sich die<br />
Rente verringert. Das gilt auch für<br />
alle, die bereits vor dem Stichtag die<br />
Möglichkeiten der Flexirente genutzt<br />
hatten.<br />
Allerdings werden bei einer Frührente<br />
bestimmte soziale Leistungen<br />
nicht mehr ausgezahlt, zum Beispiel<br />
Arbeitslosengeld. Denn hier<br />
greift der so genannte „Ruhenstatbestand“.<br />
Das heißt, offiziell besteht<br />
zwar der Anspruch auf Arbeitslosengeld,<br />
aber er „ruht“, so<br />
lange Rente bezogen wird.<br />
Ähnlich ist es auch mit dem<br />
Krankengeld – sofern die vorgezogene<br />
Altersrente als Vollrente gezahlt<br />
wird. Wird dagegen schon<br />
vor Eintritt der Erkrankung nur<br />
eine Teilrente bezogen (als Teilrente<br />
gilt alles bis zu 99 Prozent der<br />
Vollrente), ändern sich die oben<br />
erwähnten Ruhenstatbestände,<br />
und Krankengeld kann ausgezahlt<br />
werden.<br />
Der Bezug einer Teil- anstelle der<br />
Vollrente bleibt nach wie vor frei<br />
wählbar.<br />
Erwerbsminderungsrente<br />
Bei Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente<br />
wird Hinzuverdienst<br />
zwar weiterhin angerechnet,<br />
aber die Grenze ist auf 3/8 der<br />
Bezugsgröße angehoben worden.<br />
Das entspricht 2<strong>02</strong>3 etwas mehr<br />
als 17.800 Euro im Jahr.<br />
Allerdings gilt weiterhin eine<br />
Begrenzung der Arbeitszeit; das ist<br />
Voraussetzung für die Rentenzahlung.<br />
Eine voll erwerbsgeminderte<br />
Person darf die Grenze von drei<br />
Noch einfacher geworden: Vorzeitige Altersrente aufbessern <strong>ohne</strong> Abzüge.<br />
Stunden täglich beziehungsweise<br />
15 Stunden wöchentlich nicht<br />
überschreiten.<br />
Anders ist das bei Rentnerinnen<br />
und Rentnern, die eine Teilerwerbsminderungsrente<br />
beziehen.<br />
Hier ist eine reguläre Arbeitszeit<br />
von unter sechs Stunden täglich<br />
möglich. Die Hinzuverdienstgren-<br />
Foto: Freepik/wavebreakmedia_micro/<br />
zen hängen davon ab, wie hoch das<br />
Einkommen vor der Erwerbsminderung<br />
war.<br />
Erkrankt ein Arbeitnehmer, der<br />
bereits eine Teilerwerbsminderungsrente<br />
bezieht, besteht grundsätzlich<br />
Anspruch auf Teilkrankengeld.<br />
Ebenso ist es bei Arbeitslosigkeit;<br />
der Arbeitnehmer hat<br />
einen Anspruch auf Teilarbeitslosengeld,<br />
wenn alle Voraussetzungen<br />
erfüllt sind. Bei voller Erwerbsminderungsrente<br />
besteht<br />
generell kein Anspruch auf Krankengeld<br />
oder Arbeitslosengeld.<br />
Hinterbliebenenrente<br />
Für Witwen und Witwer gibt es<br />
keine Änderungen. Ihre Rente<br />
bleibt ungekürzt, solange sie<br />
höchstens das 26,4-fache des aktuellen<br />
Rentenwerts hinzuverdienen;<br />
das sind aktuell 950,93 Euro.<br />
Für jedes waisenrentenberechtigte<br />
Kind erhöht sich diese Grenze um<br />
weitere 201,71 Euro.<br />
Auch bei Waisenrenten gibt es<br />
keine Änderungen – hier wird der<br />
Hinzuverdienst <strong>ohne</strong>hin nicht berücksichtigt.<br />
Grundsätzlich empfehlenswert<br />
ist, sich individuell beraten zu lassen,<br />
zum Beispiel bei der Rentenservicestelle.<br />
<strong>VdK</strong>-Mitglieder können<br />
auch einen Termin beim für sie<br />
zuständigen <strong>VdK</strong>-Kreisverband<br />
vereinbaren.<br />
Ida Schneider/Moritz Ehl<br />
www.vdk.de/permalink/4233
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 15<br />
AKTIVITÄTEN DER KREIS- UND ORTSVERBÄNDE<br />
Simmern<br />
Kirchberg<br />
Fest der <strong>VdK</strong>-Familie<br />
Kreisverband Neuwied feiert 75-jähriges Bestehen<br />
Am Volkstrauertag legte der Ortsverband Simmern, vertreten durch den<br />
Vorsitzenden Otto-U. Härter (Vierter von links), in Gedenken an alle<br />
Opfer der beiden Weltkriege sowie allen im Einsatz gestorbenen Menschen<br />
bei der Bundeswehr, der Feuerwehr und den Organisationen zur<br />
Menschenrettung, der Katastrophenhilfe, sowie humanitärer Hilfe im<br />
Rahmen einer Gedenkfeier einen Kranz nieder.<br />
Kirchberg<br />
Der Ortsverband Kirchberg, Kreisverband St. Goar, gedachte anlässlich<br />
des Volkstrauertags der Opfer von Gewalt, Krieg, Vertreibung und<br />
Flucht. Das Bild zeigt eine Abordnung des Ortsverbands am Ehrenmal<br />
auf dem Friedhof in Kirchberg bei der Kranzniederlegung.<br />
Birkenfeld<br />
Die Frauen des Ortsverbands<br />
Kirchberg, Kreisverband Simmern,<br />
haben in einer gemeinsamen<br />
Aktion über 100 vorweihnachtliche<br />
Tüten mit essbaren<br />
Leckereien gepackt. Die Tüten<br />
wurden vor Weihnachten an die<br />
über 80-jährigen Mitglieder<br />
überreicht, die sich sehr darüber<br />
freuten.<br />
Daun<br />
Anlässlich der Weihnachtsfeier<br />
im Ortsverband Daun, Kreisverband<br />
Wittlich-Daun, ehrte der<br />
Vorsitzende Uli Diederichs<br />
(rechts) anwesende, treue Mitglieder<br />
(von links, Mitgliedsjahre<br />
in Klammern): Herrmann Hahn<br />
(40), Alexander Saxler (40), Vorstandsmitglied<br />
Ursula Orfey (20)<br />
sowie Kreisverbandsvorsitzende<br />
Marita Horn (20).<br />
Neuwied<br />
Jubiläumsfeier in der Volkshochschule Neuwied.<br />
Der <strong>VdK</strong>-Kreisverband Neuwied<br />
feierte in der Neuwieder Volkshochschule<br />
sein 75-jähriges Jubiläum<br />
als „Fest der <strong>VdK</strong>-Familie“.<br />
Zu Beginn trat das Künstlerduo<br />
Boris Weber und Holger Kappus<br />
von der Freien Bühne Neuwied mit<br />
Liedern des Komponisten Georg<br />
Kreisler auf, die die Veranstaltung<br />
mit mehreren Auftritten teils musikalisch,<br />
teils mit humorvollen<br />
Beiträgen bereicherten.<br />
Danach begrüßte Kreisverbandsvorsitzender<br />
Hans Werner Kaiser<br />
neben den Mitgliedern aus den<br />
Ortsverbänden des Kreisverbands<br />
auch den Landesverbandsvorsitzenden<br />
Willi Jäger, die Vertreter der<br />
Nachbar-Kreisverbände und Kreisgeschäftsführerin<br />
Doreen Borges.<br />
Aus der Politik waren der 1.<br />
Kreisbeigeordnete Michael Mahlert<br />
und der Neuwieder Bürgermeister<br />
Peter Jung erschienen.<br />
Boppard<br />
Fotos: Elke Döbbeler<br />
Gegründet wurde der Kreisverband<br />
am 20. Juli 1947 als „Bund für<br />
Körperbehinderte und Hinterbliebene“.<br />
Willi Jäger, Vorsitzender des <strong>VdK</strong><br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>, ging in seinem<br />
Grußwort auf die Bedeutung des<br />
Ehrenamtes im <strong>VdK</strong> ein. Er dankte<br />
allen Ehrenamtlichen für deren<br />
großartiges Engagement.<br />
Kreisverbandsvorsitzender Hans<br />
Werner Kaiser hielt ein Grußwort.<br />
Der Ortsverband Birkenfeld hat seine 75-Jahr-Feier begangen. Das Bild<br />
zeigt den Vorstand von links: Internetbeauftragte Doris Krüger, Frauenbeauftragte<br />
Tanja Bayer, Beisitzer Bernhard Jung, Schriftührer Martin<br />
Theiß, Schriftführer Franz Locher, Frauenbeauftragte Monika<br />
Moosmann, Beisitzer Rolf Maul, Kassenverwalter Helmut Schmidt,<br />
Vorsitzender Klaus Zimmermann, Beisitzer Manfred Graf, Beisitzer<br />
Miroslaw Kowalski und Kreisverbandsvorsitzende Heidi Schneider<br />
sowie ihr Stellvertreter Emil Morsch.<br />
Diedesfeld<br />
Auf der Weihnachtsfeier des Ortsverbands Diedesfeld, Kreisverband<br />
Neustadt-Bad Dürkheim, wurden Jubilare geehrt. Das Bild zeigt von links<br />
(Mitgliedsjahre in Klammern): Frauenvertreterin Regina Groß, Vorsitzender<br />
Dieter Cullmann, Beate Clade (20), Beisitzer Joachim Zillmann,<br />
Beisitzerin Esther Lechner, Pfälzische Weinprinzessin Lea Lechner,<br />
Schriftführerin Regina Ullrich, Diedesfelder Weinprinzessin Lara Glas,<br />
stellvertretender Vorsitzender Manuel Becker sowie Franz Emler (10).<br />
Der Kreisverband Neuwied verzeichnete<br />
den Eintritt des 8000sten<br />
Mitglieds. Katja Wagner (Zweite<br />
von links) gehört dem Ortsverband<br />
Kirchspiel Urbach an. Bei<br />
einem Empfang in der Kreisgeschäftsstelle<br />
hießen sie der Kreisvorsitzende<br />
Hans Werner Kaiser<br />
(links) und die Kreisgeschäftsführerin<br />
Doreen Borges (rechts) mit<br />
einem Willkommenspräsent im<br />
Kreis der <strong>VdK</strong>-Familie willkommen.<br />
Auch die Vorsitzende des<br />
Ortsverbands Kirchspiel Urbach,<br />
Andrea Pizzato (Zweite von<br />
rechts), war sichtlich stolz über<br />
den Neuzugang.<br />
Weisenheim am Sand<br />
Der Ortsverband Weisenheim am<br />
Sand, Kreisverband Neustadt-Bad<br />
Dürkheim, wurde zum<br />
Volkstrauertag 2<strong>02</strong>2 mit einer Renovierungsaktion<br />
aktiv. Dank<br />
zahlreicher Spenden beauftragte<br />
der Ortsverband einen Steinmetz<br />
mit der Beschriftung eines Mahnmals<br />
zur Erinnerung der Gefallenen<br />
der beiden Weltkriege sowie<br />
mit der Renovierung eines Grabmals<br />
von vier Kindern, die beim<br />
gemeinsamen Spielen mit Fundmunition<br />
des Zweiten Weltkriegs<br />
kurz vor Kriegsende getötet wurden.<br />
Auch die Neubepflanzung<br />
nahm der Ortsverband mit Hilfe<br />
von aus der Bevölkerung gespendeten<br />
Mitteln vor.<br />
Im Ortsverband Boppard, Kreisverband St. Goar, wurde der Vorstand<br />
neu gewählt. Das Bild zeigt die Ehrengäste und den Vorstand von links:<br />
Bürgermeister Jörg Haseneier, Beisitzer Heinz Müller, Revisorin Adelheid<br />
Hölz, Beisitzer Reinhard Schneider, Ortsverbandsvorsitzende<br />
Michaela Schmidl, Kreisverbandsvorsitzender Karl-Josef Mahlberg,<br />
Beisitzer Hans Knopp, stellvertretender Vorsitzender und Schriftführer<br />
Christian Spandöck, Frauenbeauftragte Edith Müller sowie Ortsvorsteher<br />
Niko Neuser. Nicht im Bild: Kassenverwalter Bernd Gärtner,<br />
Beisitzer Willi Rüdel, Revisorin Rebecca Villars Perez sowie ihre<br />
Stellvertreterin Inge Jeuken.<br />
Konz<br />
Anlässlich der Weihnachtsfeier im Ortsverband Konz, Kreisverband<br />
Trier-Saarburg, wurden langjährige Mitglieder ausgezeichnet. Der<br />
Kreisverbandsvorsitzende Werner Faber (Zweiter von links), der Ortsverbandsvorsitzende<br />
Dieter Klever (links) sowie die Kassenverwalterin<br />
Nadine Gerlinger (rechts) zeichneten Erich Bockius (Mitte) und Josefine<br />
Weber (Zweite von rechts) für 30 Mitgliedsjahre aus.
16 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
AKTIVITÄTEN DER KREIS- UND ORTSVERBÄNDE<br />
Oberzissen<br />
Hohenecken<br />
Vorsitzender im Amt bestätigt<br />
Kreisverbandstag des KV Bitburg-Prüm<br />
Der Ortsverband Oberzissen, Kreis Ahrweiler, hat ein neues Vorstandsteam<br />
gewählt (von links): Schriftführerin Anne Gemein, Kassenverwalter<br />
Willi Nahles, stellvertretende Vorsitzende Johanna Page und Vorsitzende<br />
Martina Lange. Eine besondere Ehrung erfuhr Rainer Bürger<br />
(rechts) als langjähriger Vorsitzender durch die Ernennung zum Ehrenvorsitzenden.<br />
Hervorzuheben ist auch Erwin Nohles, der dem Verein<br />
bereits 40 Jahre die Treue hält. Für 30 Jahre Mitgliedschaft wurden<br />
Helmut Seiwert, Adolf Ritzdorf und Mechthild Göbel ausgezeichnet.<br />
Rhein-Wied<br />
Im Ortsverband Rhein-Wied, Kreisverband Neuwied, gratulierte die<br />
Vorsitzende Michaela Seuser (linkes Foto, links) Wuni Roßbach-Schneider<br />
(linkes Foto, rechts) zur 30-jährigen <strong>VdK</strong>-Mitgliedschaft. Wenige<br />
Tage später besuchten die Vorsitzende und ihr Stellvertreter Erich<br />
Baukelmann (rechts Foto, links) einen ganz besonderen Jubilar: Hocherfreut<br />
über die Gäste zeigte sich Helmut Liessem (Foto rechts, Mitte)<br />
beim Überreichen der Urkunde mit Nadel zur 65-jährigen Mitgliedschaft.<br />
Im Ortsverband Hohenecken,<br />
Kreisverband Kaiserslautern, ehrten<br />
Kassenverwalter Willi Müller<br />
(Zweiter von links) sowie Kreisverbandsvorsitzender<br />
Bernd Hofmann<br />
(rechts) den Jubilar Günter<br />
Speyer (Zweiter von rechts) für 70<br />
<strong>VdK</strong>-Jahre. An diesem Tag feierte<br />
er mit seiner Frau (links) zudem<br />
seinen 95. Geburtstag.<br />
Bitburg<br />
Das Bild zeigt den neuen Kreisverbandsvorstand zusammen mit dem<br />
Landesverbandsvorsitzenden Willi Jäger (links).<br />
Der Kreisverband Bitburg-Prüm<br />
lud zum Kreisverbandstag nach<br />
Neuerburg. Dabei wurde der Vorstand<br />
neu gewählt sowie verdiente<br />
Ehrenamtliche ausgezeichnet.<br />
Arbeit im <strong>VdK</strong> ausgezeichnet. Die<br />
Silberne Ehrennadel des<br />
<strong>VdK</strong>-Deutschland ging an Manfred<br />
Schaefer. Er war viele Jahre<br />
stellvertretender Vorsitzender des<br />
Kreisverbands Bitburg-Prüm und<br />
Vorsitzender des Ortverbands Bitburg.<br />
Die <strong>VdK</strong>-Landesverdienstnadel<br />
in Gold erhielten Elfriede<br />
Esch, Renate Flügel, Herbert<br />
Theis, Peter Probst und Erwin<br />
M<strong>ohne</strong>n. Mit der Verdienstmedaille<br />
des Sozialverbands <strong>VdK</strong><br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> wurden Dorothea<br />
Röder und Marlene Stein<br />
geehrt. Frau Stein wurde außerdem<br />
zur Ehrenvorsitzenden des<br />
Ortsverbands Dudeldorf ernannt.<br />
In seinem Amt als Kreisverbandsvorsitzender<br />
wurde Wilhelm Ahlert<br />
bestätigt. Ebenso wird seine Stellvertreterin<br />
Hedy Kallrath für weitere<br />
vier Jahre ihr Amt fortführen.<br />
Als weiterer Stellvertreter wurde<br />
Herbert Theis gewählt. Zum geschäftsführenden<br />
Kreisverbandsvorstand<br />
gehören der Kassenverwalter<br />
Helmut Neuerburg und<br />
Schriftführerin Hildegard Theis.<br />
Das Amt der Frauenvertreterin<br />
bekleidet Rita Kreis.<br />
Als Beisitzende fungieren Elfriede<br />
Esch, Matthias Thommes, Erwin<br />
M<strong>ohne</strong>n, Hermann Diederichs,<br />
Martha Krost, Ewald-Peter<br />
Schmitz und Ignaz Karb.<br />
Im Rahmen der Veranstaltung<br />
wurden langjährige Ortsverbandsvorsitzende<br />
für ihre wertvolle Ausgezeichnete Ehrenamtliche.<br />
St. Katharinen<br />
Im Rahmen der Weihnachtsfeier wurden im Ortsverband St. Katharinen,<br />
Kreisverband Neuwied, treue Mitglieder geehrt. Das Bild zeigt von links<br />
(Mitgliedsjahre in Klammern): Kassenverwalter und stellvertretender<br />
Vorsitzender Achim Haubenreißer, Alfons Hard (20), Petra Oppenheuser<br />
(10), Elfriede Ehrenberg (50), Rudolf Kröll (10) sowie Vorsitzender<br />
Karl Josef Rings.<br />
Alflen<br />
Der Ortsverband Alflen, Kreisverband Cochem-Zell, startete seinen<br />
Tagesausflug mit einem Besuch des Keramikmuseums in Höhr-Grenzhausen.<br />
Die Gruppe fuhr weiter zur Deichstadt Neuwied. Danach ging<br />
es zur Sayner Hütte, die zu den drei großen königlich-preußischen Eisenhütten<br />
gehörte und lange Jahre im Besitz der Familie Krupp war.<br />
Die Teilnehmenden beendeten den beeindruckenden Tag im Brauhaus.<br />
Der Ortsverband Bitburg ehrte<br />
im Rahmen der Weihnachtsfeier<br />
im Beisein des Kreisverbandsvorsitzenden<br />
Wilhelm<br />
Ahlert die langjährigen Mitglieder<br />
Hans-Günter Teske<br />
(sitzend links) und Martin Roths<br />
(sitzend rechts) für 70-jährige<br />
Mitgliedschaft. Links neben<br />
den Jubilaren steht die Ortsverbandsvorsitzende<br />
Sigrid<br />
Steffen, rechts daneben Wilhelm<br />
Ahlert.<br />
Osann-Monzel<br />
Während der Mitgliederversammlung<br />
des Ortsverbands<br />
Osann-Monzel, Kreisverband<br />
Wittlich-Daun, wurde ein neuer<br />
Vorstand gewählt. Den Vorsitz<br />
übernimmt Karl-Heinz Licht. Er<br />
löst damit die langjährige Vorsitzende<br />
Irmtrud Landsmann<br />
ab. Weitere Mitglieder des<br />
Vorstands sind Irmtrud Landsmann,<br />
Horst Weyand, Tanja<br />
Langerbeins, Hedwig Gorges.<br />
Anschließend ehrte der stellvertretende<br />
Kreisverbandsvorsitzende<br />
Klaus Nummer gemeinsam<br />
mit dem Ortsverbandsvorsitzenden<br />
folgende<br />
Mitglieder für langjährige Mitgliedschaft<br />
im <strong>VdK</strong>: Seit zehn<br />
Jahren sind dabei Hildegard<br />
Bollig, Dieter Denzer, Doris<br />
Denzer-Lörsch, Peter Fritzen,<br />
Inge Hower, Timo Koch, Elke<br />
Klughertz, Doris Licht, Annette<br />
Nilles, Reinhard Nilles sowie<br />
Albin Plum, und seit 20 Jahren<br />
Berthold Berg, Kurt Clemens<br />
sowie Josef Selbach.<br />
Bodenheim-Nackenheim<br />
Der Ortsverband Bodenheim-Nackenheim, Kreisverband Mainz-Bingen,<br />
ehrte im Rahmen seiner Weihnachtsfeier langjährige Mitglieder.<br />
Das Bild zeigt von links (Mitgliedsjahre in Klammern): Marita Holl (10),<br />
Silvana Mylius-Werner (10), Vorsitzende Heidi Schlütter, ihr Stellvertreter<br />
Harald Metzler, Lydia Michaelis (20), Ludwig Schoenfelder (20)<br />
sowie Simone Kerz (10).<br />
Kaiserslautern-Nord-Ost<br />
Die Vorsitzende des Ortsverbands Kaiserslautern-Ost, Inge Hofmann<br />
(vorne, Dritte von links), organisierte auf Einladung des Landtagsabgeordneten<br />
Andreas Rahm (rechts) eine Fahrt in die Landeshauptstadt<br />
Mainz. Auf dem Programm stand für die Mitglieder neben dem Besuch<br />
des neugestalteten Landtags auch die Besichtigung der ZDF-Studios.
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 17<br />
AKTIVITÄTEN DER KREIS- UND ORTSVERBÄNDE<br />
Neuwieder Ortsverbände<br />
Sehlem-Esch<br />
Rüdiger Hof und Michaela Seuser begrüßten über 200 <strong>VdK</strong>-Mitglieder und deren Gäste zu der traditionellen<br />
Schiffstour der <strong>VdK</strong>-Arbeitsgemeinschaft der Neuwieder Ortsverbände an Bord der Augusta. Start war der<br />
Anleger in Leutesdorf. Gut gelaunt ging es mit musikalischer Unterstützung durch Thomas Kagelmann und<br />
seinem Akkordeon in Richtung Boppard. Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt regelmäßig soziale Projekte,<br />
und so wurde auf der Rückfahrt fleißig gespendet: Stolze 670 Euro kamen für den Kinderschutzdienst des<br />
Heilpädagogischen Zentrums Neuwied zusammen.<br />
Im Ortsverband Sehlem-Esch, Kreisverband Wittlich-Daun, präsentiert<br />
sich der neue Vorstand. Das Foto zeigt von links: Die Beisitzenden<br />
Elisabeth Kramp, Ortwin Dietzen und Anne Hofer, Kassenverwalter<br />
Alfred Schwierzy, stellvertretende Vorsitzende Cäcilia Thiel, Beisitzer<br />
Gottlieb Jeutter, Schriftführerin Natascha Arens, Vorsitzender Norbert<br />
Beucher sowie Frauenbeauftragte Waltraud Beucher.<br />
Irsch-Saar<br />
Eisenberg<br />
Der Ortsverband Irsch-Saar, Kreisverband Trier-Saar, organisierte eine Fahrt in die Schweizer Alpen. Auf<br />
dem Programm standen eine Bahnfahrt mit dem Glacier-Express von Disentis über den Oberalppass nach<br />
Andermatt. Mit dem Bernina-Express ging es auf eine atemberaubende Fahrt von Pontresina durch die<br />
Hochgebirgswelt (2253 m) nach Tirano in Italien. Außerdem besichtigte die Gruppe den Vierwaldstättersee,<br />
die Kirche von Zillis, berühmt wegen der bemalten Kirchendecke sowie die spektakuläre Viamala-Schlucht.<br />
Es blieb aber auch noch ausreichend Zeit zum Wandern und Entspannen in der Bergwelt rund um Davos.<br />
In der Eisenberger Fußgängerzone nahmen Lia Hibinger, Daniel Kunz<br />
und Thiago Gil-Rauschkolb (vorne von links) freudig ihre Preise aus<br />
dem Luftballonwettbewerb vom „Tag der Vereine“ entgegen. Drei<br />
Gutscheine hatte der Ortsverband Eisenberg, Kreisverband Donnersberg,<br />
ausgelobt für die Ballons mit der weitesten Reise. Gewonnen<br />
hat Daniel Kunz, dessen Ballon 267 km bis nach Thüringen geflogen<br />
ist. Es gratulierte das Vorstandsteam (von links): Schriftführer Manfred<br />
Müller, stellvertretender Vorsitzender Olaf Höppner, Beisitzer Dagmar<br />
Grünewald, Revisorin Petra Hinz, Frauenbeauftragte Anna-Maria<br />
Hollerbaum sowie Vorsitzender Georg Grünewald.<br />
Tawern<br />
Neef<br />
Beim Ortsverbandstag in Tawern, Kreisverband Trier-Saarburg, wurde im Beisein des stellvertretenden<br />
Kreisverbandsvorsitzenden Karl-Rainer Heiderich der Vorstand neu gewählt. In ihren Ämtern bestätigt<br />
wurden Vorsitzender Helmut Müller, Frauenbeauftragte Margret Hoffmann, Kassenverwalter Walter Bamberg<br />
und die Beisitzer Hermann Baltes, Eugen Breit, Dietmar Mertes und Willi Komes. Neue stellvertretende<br />
Vorsitzende ist Brigitte Bamberg und neuer Schriftführer Andreas Wagner. Der bisherige Schriftführer Alfred<br />
Fettes bleibt dem Vorstand als Beisitzer erhalten. Neu als Beisitzer sind Agnes und Artur Prümm. Als Revisoren<br />
wurden Claudia Steinmetz und Peter Greif gewählt.<br />
Der Jahresausflug des Ortsverbands Neef, Kreisverband Cochem-Zell,<br />
führte die Teilnehmenden nach Kronberg im Taunus. Dort besichtigte<br />
die Gruppe die Altstadt mit der Burg Kronberg. Nach der Mittagspause<br />
ging die Fahrt nach Bad Homburg. Die Stadt mit ihren herrlichen<br />
Parkanlagen wurde von den Teilnehmenden zu Fuß erkundet. Am<br />
nächsten Morgen fand die Fahrt mit einer Besichtigung der hessischen<br />
Landeshauptstadt Wiesbaden einen gelungenen Abschluss.<br />
Spay<br />
VG Unkel<br />
Der Ortsverband Spay, Kreisverband St.Goar, ehrte im Rahmen seiner Mitgliederversammlung treue Mitglieder.<br />
Die Urkunden und Ehrennadeln überreichte der Kreisverbandsvorsitzende Karl Josef Mahlberg (Zweiter<br />
von rechts) mit der Ortsverbandsvorsitzenden Rosi Kasper (Dritte von rechts). Der stellvertretende Vorsitzende<br />
des Ortsverbands Alfred Krämer (rechts) gratulierte mit einem Sekt-Präsent. Die Jubilare von links<br />
(Mitgliedsjahre in Klammern): Katharina Liesenfeld (20), Doris Gröber (10), Renate Krämer (20), Hans-Walter<br />
Gröber (10), Roswitha Haas (10), Helmut Günther (10), Karl Josef Knieper (20) und Horst Gaß (20).<br />
Der Ortsverband VG Unkel, Kreisverband Neuwied, präsentiert seinen<br />
neuen Vorstand (von links): Beisitzer Christoph Conrad, Beisitzer<br />
Helmuth Horschel, Frauenbeauftragte Edith Kenn, Kassenverwalterin<br />
Christa Zehnpfennig, Beisitzerin Iris Weber, stellvertretender Vorsitzender<br />
Rainer Menden, Vorsitzende Gisela Stahl sowie Presse- und Internetbeauftragte<br />
Doris Heß. Nicht im Bild: Schriftführerin Sibylle Meyer.
18 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />
AKTIVITÄTEN DER KREIS- UND ORTSVERBÄNDE<br />
Engers<br />
Konz<br />
Im Ortsverband Neuwied-Engers, wurden anwesende Jubilare bei der<br />
Mitgliederversammlung für zehn Mitgliedsjahre geehrt. Das Bild zeigt<br />
von links: Ralf Krauß, Peter Bürgel, Arno Eberweiser sowie die Vorsitzende<br />
Petra Myke.<br />
Anlässlich der Weihnachtsfeier im Ortsverband Konz, Kreisverband Trier-Saarburg, wurden treue Mitglieder<br />
ausgezeichnet. Der Kreisverbandsvorsitzende Werner Faber, der Ortsverbandsvorsitzende Dieter Klever<br />
sowie die Kassenverwalterin Nadine Gerlinger überreichten den Jubilaren für 20- beziehungsweise 30-jährige<br />
<strong>VdK</strong>-Mitgliedschaft zum Dank eine Urkunde mit Treuenadel sowie ein Weinpräsent.<br />
Wollmerath<br />
Höhn<br />
Bei der Mitgliederversammlung des Ortsverbands Wollmerath, Kreisverband<br />
Cochem-Zell, ehrte der Kreisverbandsvorsitzende Andreas<br />
Peifer (Dritter von links) treue Mitglieder für 30, 20 und zehn <strong>VdK</strong>-Jahre.<br />
Das Bild zeigt von links: Helga Ehlen, Jörg Körsten, Andreas Peifer,<br />
Renate Werhand, Alfons Schmitz, Werner Peters, Rudolf Theobald,<br />
Erwin und Brigitte Bungard, Rosemarie Zeien, Marlene Müllen, Marlene<br />
und Alois Römer, Heinz-Günther Zeien, Hermann-Josef Krämer,<br />
Erich Stadtfeld sowie Werner Zeien.<br />
Bei schönstem Wetter startete der Ortsverband Höhn, Kreisverband Westerwald, die Fahrt mit dem Bus nach<br />
Koblenz; dort wurde die „Goethe“ geentert. Die Schifffahrt mit Sehenswürdigkeiten entlang des Rheins<br />
(Schloss Stolzenfels, Marksburg, Burg Rheinfels und Burg Katz) endete in St. Goarshausen gegenüber der<br />
Loreley. Danach ging die Fahrt mit dem bereitstehenden Bus weiter nach Rettert zum abschließenden Essen.<br />
Gut gestärkt und froh gelaunt chauffierte der Busfahrer die Gruppe zum Abfahrtspunkt zurück.<br />
Waldbreitbach-Niederbreitb.<br />
Andernach<br />
Bei der Mitgliederversammung des Ortsverbands Waldbreitbach-Niederbreitbach,<br />
Kreisverband Neuwied, ehrte der Vorsitzende Hans-Dieter<br />
Siegel treue Mitglieder mit Urkunde und Treuenadel. Auf dem Bild<br />
sieht man von links (Mitgliedsjahre in Klammern): Hans-Peter Schmitz<br />
(20), Inge Schmitz (20), Bernd Karwinkel (20), Peter Böhm (10) sowie<br />
Agnes Pluschke (10).<br />
Nach zweijähriger Pause war wieder Kofferpacken angesagt, und los ging die Reise des Ortsverbands Andernach,<br />
Kreisverband Mayen, in Richtung Lüneburger Heide. Über einen Zwischenstopp in Celle erreichte<br />
die Gruppe ihr Hotel in Hermannsburg. Es folgten Tagesausflüge nach Lüneburg und Bremen sowie ein<br />
Abstecher ins Künstlerdorf Worpswede, in das Fischerdorf Steinhude sowie eine Kutschfahrt durch die<br />
Heide. Besondere Höhepunkte waren eine gemütliche Schifffahrt auf dem Steinhuder Meer sowie der Besuch<br />
des Heideblütenfests mit Krönung der Heidekönigin in Amelinghausen.<br />
Fidei<br />
Lutzerath-Kennfus<br />
Der Ortsverband Fidei, Kreisverband Trier-Saarburg, hat einen neuen<br />
Vorstand gewählt. Auf dem Bild präsentiert sich der Vorstand (von links)<br />
mit dem Kreisverbandsvorsitzenden Werner Faber: Schriftführerin<br />
Sandra Dahm, Beisitzer Jürgen Schumacher, Werner Faber, Beisitzer<br />
Paul Erich, stellvertretender Vorsitzender Manfred Konder, Kassenverwalter<br />
Dietmar Gaspers, Vorsitzender Friedrich Mick sowie Frauenvertreterin<br />
Anneliese Rosemann.<br />
Der Vorstand des Ortsverbands Lutzerath-Kennfus, Kreisverband Cochem-Zell, unternahm eine Tagesfahrt<br />
ins Mittelrheinthal. Zunächst ging es nach Bingen. Im Hildegard-Forum erwartete die Teilnehmenden eine<br />
Ordensschwester, die einen interessanten Vortrag über Hildegard von Bingen hielt. Nach dem Mittagessen<br />
ging es weiter zum Schiffsanleger in Bingen. Von dort unternahmen die <strong>VdK</strong>lerinnen und <strong>VdK</strong>ler eine halbstündige<br />
Schiffsrundfahrt. Anschließend ging es weiter mit dem Bus nach Boppard. Dort konnte man mit der<br />
Reiseleiterin einen kurzen Stadtrundgang unternehmen. Einige erkundeten die Altstadt alleine. Danach<br />
wurde die Rückfahrt mit sichtlich zufriedenen Teilnehmenden angetreten.
<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 19
Verbraucher<br />
Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
23<br />
Gemeinsam nutzen statt besitzen<br />
Das Teilen und Leihen von Dingen und Dienstleistungen wird immer beliebter – und kann helfen, den Geldbeutel zu schonen<br />
Müssen wir eigentlich alles kaufen,<br />
besitzen und irgendwann wegwerfen,<br />
was wir nutzen? Mittlerweile<br />
gibt es viele Angebote, die das<br />
Teilen, Leihen oder Tauschen von<br />
Produkten und Dienstleistungen<br />
ermöglichen und dabei helfen, die<br />
eigenen Ausgaben zu senken.<br />
Fahren<br />
Das Car-Sharing, zu Deutsch<br />
Auto-Teilen, richtet sich an Menschen,<br />
die kein Auto besitzen, aber<br />
gern kurzfristig eines nutzen wollen.<br />
Die Car-Sharing-Anbieter<br />
stellen Autos zur Verfügung, die<br />
gemeinschaftlich genutzt werden<br />
können. Anders als bei Autovermietungen<br />
lässt sich das Fahrzeug<br />
auch kurzzeitig, etwa nur für eine<br />
Strecke, mieten. Die Autos stehen<br />
entweder auf festen Parkplätzen,<br />
die sich oft an Verkehrsknotenpunkten<br />
befinden, oder parken im<br />
öffentlichen Straßenraum.<br />
Das Angebot wird offenbar immer<br />
beliebter. Anfang des Jahres<br />
2<strong>02</strong>2 waren fast 3,4 Millionen<br />
Menschen bei mindestens einem<br />
Car-Sharing-Anbieter angemeldet<br />
– das sind laut Bundesverband<br />
Car-Sharing 18 Prozent mehr als<br />
im Vorjahr. Es rechnet sich auch:<br />
Wer jährlich 5000 Kilometer fährt,<br />
spart mit Car-Sharing laut einer<br />
Berechnung des Fachmagazins<br />
„Finanztip“ gegenüber dem eigenen<br />
Auto zwischen rund 900 und<br />
1500 Euro im Jahr.<br />
Fahrgemeinschaften können dazu beitragen, den Verkehr zu reduzieren.<br />
Kritiker halten das Konzept für<br />
wenig nachhaltig. Denn Car-Sharing<br />
kann nur funktionieren, wenn<br />
die Autos zu Stoßzeiten, wenn die<br />
Nachfrage groß ist, zur Verfügung<br />
stehen. Dadurch entsteht aber ein<br />
Anreiz für die Produktion von<br />
mehr Autos. Klimaschutz durch<br />
Autofahren könne nicht der Maßstab<br />
für die Zukunft sein, kritisiert<br />
die Deutsche Umwelthilfe.<br />
Car-Sharing zählt zu dem Wirtschaftszweig<br />
der „Sharing Economy“,<br />
in der Unternehmen das<br />
Teilen kommerziell organisieren<br />
und gut damit verdienen (siehe<br />
Interview unten).<br />
Nachhaltiger und zudem kostenlos<br />
sind da private Fahrgemeinschaften<br />
von mehreren Personen,<br />
die ein gemeinsames Ziel haben<br />
und beispielsweise zusammen zur<br />
Arbeit fahren. Auf diese Weise<br />
wird der Verkehr reduziert und die<br />
Umwelt geschont.<br />
Anziehen<br />
Kleidertauschbörsen werden<br />
ehrenamtlich oder privat organisiert.<br />
Auf diesen Börsen wird gebrauchte<br />
Kleidung zur weiteren<br />
Verwendung kostenlos abgegeben.<br />
Organisationen wie Greenpeace<br />
Foto: imago/AndreyPopov/Panthermedia<br />
oder Unicef unterstützen das Konzept.<br />
Sie sehen diese Börsen als<br />
Beitrag zur Nachhaltigkeit. Die<br />
Weiternutzung von gebrauchter<br />
Kleidung schont nicht nur den<br />
Geldbeutel, sondern trägt auch<br />
dazu bei, die negativen sozialen<br />
und ökologischen Folgen der Massenproduktion<br />
von Textilien zu<br />
reduzieren. Eine weitere Möglichkeit<br />
ist, Kleidung als Spende in die<br />
Altkleidernutzung zu geben. Dort<br />
landen nach Angaben der Verbraucherzentrale<br />
aktuell etwa eine<br />
Million Tonnen Textilien, das entspricht<br />
rund zwei Milliarden Kleidungsstücken.<br />
Neben den Sammlungen<br />
werden rund 374 000 Tonnen<br />
jährlich im Restmüll entsorgt<br />
und rund 246 000 Tonnen privat<br />
weitergegeben.<br />
Spenderinnen und Spender sollten<br />
allerdings genau hinschauen,<br />
an wen sie spenden, denn auf dem<br />
Markt mischen auch unseriöse<br />
Geschäftemacher mit, die sich den<br />
Anschein der Wohltätigkeit geben.<br />
Deswegen rät die Verbraucherzentrale,<br />
nur an Sammlungen zu spenden,<br />
die sich mit einer deutschen<br />
Adresse und einer Festnetznummer<br />
zu erkennen geben. Verlässliche<br />
Altkleidersammler hätten oft<br />
das Logo „FairWertung“ oder das<br />
„BVSE Qualitätssiegel Alttextilsammlung“<br />
auf den Containern<br />
oder auf der Homepage angegeben.<br />
Lesen<br />
Öffentliche Bücherschränke gibt<br />
es heute in vielen Orten. Es sind<br />
ausrangierte Telefonzellen,<br />
Schränke oder kleine Hütten, die<br />
zum Stöbern und Tauschen einladen.<br />
Ausgelesene Exemplare können<br />
ins Regal gestellt und neuer<br />
Lesestoff entnommen werden. Die<br />
Schränke stehen häufig an zentralen<br />
Orten, damit Schwung in den<br />
Büchertausch kommt.<br />
Einen wesentlich größeren Personenkreis<br />
erreichen öffentliche<br />
Bibliotheken. Nutzer haben gegen<br />
eine oft geringe Gebühr Zugang zu<br />
großen Mediensammlungen, die<br />
neben Büchern auch digitale Medien<br />
umfassen. Jörg Ciszewski<br />
Haushaltsbuch<br />
hilft beim Sparen<br />
Die Preise für Lebensmittel und<br />
Energie sind weiterhin sehr hoch.<br />
Deshalb ist das Portemonnaie oft<br />
schneller leer als gedacht. Ein<br />
Haushaltsbuch kann helfen, den<br />
Überblick über die Einnahmen und<br />
Ausgaben zu behalten und sogar<br />
Einsparpotenziale zu entdecken.<br />
Darauf weist die Verbraucherzentrale<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
(NRW) hin. Wer die Ausgaben<br />
auflistet, sieht auf einen Blick, wie<br />
viel Lebensmittel, Mobilität, Energie,<br />
Versicherungen oder Freizeitaktivitäten<br />
gekostet haben. Damit<br />
ist es möglich zu entscheiden, welche<br />
Ausgaben wirklich wichtig<br />
sind. Und es zeigt sich, worauf<br />
man eventuell verzichten kann.<br />
Das könnte zum Beispiel ein<br />
Abonnement für das Fitnessstudio<br />
sein, das man schon länger nicht<br />
mehr nutzt, oder zu teure Versicherungen,<br />
erklärt Dr. Mechthild<br />
Winkelmann von der Verbraucherzentrale<br />
NRW.<br />
Nach einer Bestandsaufnahme<br />
bietet es sich an, für den nächsten<br />
Monat ein Budget für bestimmte<br />
Aktivitäten festzulegen. Dieses<br />
sollte zum Einkommen und zu den<br />
sonstigen Ausgaben passen. Im<br />
Budget kann auch eine Sparrate<br />
enthalten sein, weil man etwa mit<br />
einer Nachforderung des Energieversorgers<br />
rechnet.<br />
Das Haushaltsbuch der Verbraucherzentrale<br />
NRW ist im Buchhandel<br />
erhältlich. Das praktische<br />
Ringbuch kostet zehn Euro (ISBN<br />
978-3-86336-183-9). ken<br />
Teilen als Geschäftsmodell<br />
„Sharing Economy“: Unternehmen verdienen heute viel Geld damit, das Teilen zu organisieren<br />
Längst haben Unternehmen das<br />
Prinzip „Teilen statt besitzen“ für<br />
sich entdeckt. Die sogenannte<br />
„Sharing Economy“, zu übersetzen<br />
mit „Wirtschaft des Teilens“, boomt<br />
dank des Internets. Im Interview<br />
mit der <strong>VdK</strong>-ZEITUNG erklärt Jonas<br />
Pentzien vom Institut für ökologische<br />
Wirtschaftsforschung in Berlin,<br />
wie sie funktioniert.<br />
Wie würden Sie die Idee der „Sharing<br />
Economy“ beschreiben?<br />
Die Idee lässt sich anhand von<br />
Beispielen illustrieren: Das durchschnittliche<br />
Auto in Deutschland<br />
steht den Großteil des Tages ungenutzt<br />
auf der Straße. Ein Bohrer<br />
wird über seine Lebensspanne<br />
durchschnittlich nur zwölf Minuten<br />
genutzt. Die „Sharing Economy“<br />
propagiert, dazu beizutragen,<br />
unseren Bedarf an Gütern wie<br />
dem Auto oder dem Bohrer so zu<br />
organisieren, dass nicht alle die<br />
gleichen Güter besitzen müssen,<br />
sondern wir auf diese nur dann<br />
zugreifen, wenn wir sie benötigen.<br />
Geteilt wird auf diese Art und Weise<br />
seit Jahrtausenden. Neu ist eher,<br />
was dem heutigen Sharing zugrunde<br />
liegt. Und das ist das Internet,<br />
das einen Austausch auf großer<br />
Ebene zwischen verschiedenen<br />
Gruppen und über Entfernungen<br />
hinweg ermöglicht. Da sprechen<br />
wir über sogenannte Sharing-Plattformen<br />
– Unternehmen, die Interund<br />
Transaktionen zwischen<br />
Nutzenden vermitteln. Da ist beispielsweise<br />
„Airbnb“ zu nennen,<br />
Eine im Internet über Airbnb gebuchte Privatunterkunft ist häufig günstiger<br />
als ein Zimmer im Hotel.<br />
Foto: picture alliance/Hans Lucas/Romain Doucelin<br />
eine weltweit agierende Plattform,<br />
auf der Privatleute Touristen gegen<br />
eine Gebühr ihre Wohnung vermieten,<br />
oder „Uber“, wo Privatleute<br />
die Beförderung von Personen<br />
mit ihrem eigenen Auto anbieten,<br />
ähnlich einem Taxi.<br />
Hilft Teilen dabei, Ressourcen zu<br />
schonen?<br />
Formen des Teilens können dazu<br />
beitragen, dass wir weniger konsumieren<br />
und bewusster mit Ressourcen<br />
umgehen. Dies ist grundsätzlich<br />
positiv zu bewerten.<br />
Wenn es um die Nachhaltigkeit<br />
der „Sharing Economy“ geht, muss<br />
man sauber differenzieren. Zuerst<br />
muss man klar sagen, dass es sich<br />
bei der Plattform um ein Geschäftsmodell<br />
handelt. Das heißt:<br />
Die Betreiber wollen Geld verdienen.<br />
Und das geht in den Kategorien<br />
am besten, wo viele Transaktionen<br />
zwischen Individuen vermittelt<br />
werden können. Denn jede<br />
Transaktion eröffnet das Potenzial,<br />
entweder Gebühren einzunehmen<br />
oder Daten zu gewinnen.<br />
Wer zum Beispiel bei Airbnb<br />
bucht, verrät der Plattform ja nicht<br />
nur, welche Unterkunft man bevorzugt,<br />
sondern auch, von wo<br />
man auf die Plattform zugreift, wie<br />
häufig man sie checkt und wieviel<br />
Geld man bereit ist, für eine Unterkunft<br />
zu zahlen. Diese Daten<br />
werden durch die Plattformen<br />
aufgearbeitet und für kommerzielle<br />
Zwecke genutzt. So machen die<br />
Unternehmen Geld.<br />
Das heißt im Umkehrschluss, dass<br />
Sharing dort funktioniert, wo Verbraucher<br />
Geld sparen wollen und<br />
die Plattformbetreiber Gewinnmöglichkeiten<br />
sehen. Wenn man<br />
das aus Nachhaltigkeitsperspektive<br />
betrachtet, heißt das aber auch:<br />
Die kommerziell ausgerichteten<br />
Plattformen verlangen ein „Mehr“,<br />
während die Nachhaltigkeit eher<br />
ein „Weniger“ braucht.<br />
Profitieren von der Sharing-Idee<br />
nur technikaffine Großstädter?<br />
In Deutschland gibt es rund<br />
100 digitale Plattformen für das<br />
Teilen von Privat zu Privat. Viele<br />
davon zielen explizit darauf ab,<br />
Interaktionen in ländlichen Gebieten<br />
zu ermöglichen, beispielsweise<br />
wenn es um das Car-Sharing geht.<br />
Um über Plattformen teilen zu können,<br />
braucht es zweierlei: Einerseits<br />
eine gewisse digitale Kompetenz,<br />
um sich auf diesen Plattformen<br />
überhaupt erst zurechtzufinden.<br />
Vor allem, weil man ja neu lernen<br />
muss, wie das mit den Bewertungen<br />
funktioniert. Daraus kann man erst<br />
ablesen, welche Angebote vertrauenswürdig<br />
erscheinen – und welche<br />
nicht. Andererseits gilt, wer nichts<br />
besitzt, kann auch nichts teilen. Als<br />
Einkommensquelle sind Sharing-Plattformen<br />
nur für bestimmte<br />
Personen interessant, so dass bestehende<br />
Ungleichheiten auch im digitalen<br />
Raum reproduziert werden.<br />
Interview: Jörg Ciszewski<br />
Jonas Pentzien.<br />
Foto: privat
24 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Verbraucher<br />
Abneigung gegen Bitteres ist angeboren<br />
Geschmacksforschung: Molekularbiologe Dr. Maik Behrens erklärt, warum bittere Lebensmittel nicht für jeden gleich schmecken<br />
Ob Rosenkohl, Chicorée oder Radicchio<br />
– diese Gemüsesorten<br />
enthalten Bitterstoffe, die nicht<br />
jeder mag. Die Geschmacksrichtung<br />
„bitter“ ist noch vergleichsweise<br />
unerforscht. Darüber freut<br />
sich der Molekularbiologe Dr. Maik<br />
Behrens: „Überraschende Erkenntnisse<br />
auf diesem Feld sind fast an<br />
der Tagesordnung“, erzählt er im<br />
Gespräch mit der <strong>VdK</strong>-ZEITUNG.<br />
Am Esstisch scheiden sich die<br />
Geister: Die einen genießen bittere<br />
Zutaten wie Oliven, Kohl, Chicorée<br />
oder Grapefruit, die anderen mögen<br />
sie nicht. „Wir Menschen und auch<br />
viele Tiere haben eine angeborene<br />
Abneigung gegen Bitteres, denn<br />
dieser Geschmack weist uns auf<br />
potenziell giftige Substanzen hin“,<br />
sagt Dr. Maik Behrens vom Leibniz-<br />
Institut für Lebensmittel-Systembiologie<br />
in Freising. Doch warum<br />
schmecken manche Pflanzen bitter?<br />
Mithilfe von Bitterstoffen<br />
schützen sie sich vor Fraßfeinden.<br />
Viele dieser Obst- und Gemüsesorten<br />
sind dennoch genießbar. Doch<br />
Vorsicht bei Kürbisgewächsen:<br />
„Wenn Zucchini oder Gurken bitter<br />
sind, enthalten sie Giftstoffe. Darum<br />
niemals essen“, warnt er.<br />
Gen als „Bitterfühler“<br />
Die Natur hat es so eingerichtet, dass Babys bei bitterem Geschmack die Nase rümpfen. Süß zu mögen, ist<br />
hingegen überlebenswichtig, damit sie genug Nahrung – Muttermilch – aufnehmen. Später lehnen viele Kinder<br />
immer noch bittere Speisen ab. Im Lauf des Lebens kann man sich jedoch an Kohl, Chicorée und Co. gewöhnen.<br />
Wie stark jemand bitteren Geschmack<br />
empfindet, hängt von den<br />
Genen ab. Genauer: „Das Gen<br />
TAS2R38 ist verantwortlich dafür,<br />
wie intensiv bestimmte Bitterstoffe<br />
wahrgenommen werden“, sagt Behrens.<br />
Deshalb kann jemand nichts<br />
dafür, wenn er oder sie Brokkoli<br />
nicht ausstehen kann. „Der Rezeptor<br />
TAS2R38 sorgt bei gut zwei<br />
Dritteln der Menschen dafür, dass<br />
sie besonders sensibel auf den Bittergeschmack<br />
von Kohlsorten reagieren,<br />
das andere Drittel dagegen<br />
ist völlig unempfindlich“, erklärt er.<br />
Immer wieder kommen Expertinnen<br />
und Experten zu überraschenden<br />
Erkenntnissen. So wurden<br />
bereits 25 Bitter-Rezeptoren<br />
entdeckt. Geschmacksforscher<br />
Maik Behrens erklärt, was daran<br />
so besonders ist: „Für die anderen<br />
vier Geschmacksrichtungen – also<br />
süß, sauer, salzig und umami – ist<br />
nur je einer bekannt.“<br />
Viele Menschen gewöhnen sich<br />
im Lauf des Lebens an bitteren<br />
Geschmack. Bestes Beispiel: Kaffee,<br />
eines der beliebtesten Getränke<br />
überhaupt. Apropos Kaffee: Der<br />
Molekularbiologe teilt einen seiner<br />
neuesten wissenschaftlichen Befund<br />
mit: „Es ist bekannt, dass sich<br />
Bitterstoffe gegenseitig aufheben.<br />
können. Unser Team der Lebensmittel-Systembiologie<br />
in Freising<br />
hat nun herausgefunden, dass es<br />
hilft, wenn man vor dem Verzehr<br />
von Chicorée oder Radicchio<br />
schwarzen Kaffee trinkt. In dem<br />
Fall wird das Gemüse nicht mehr<br />
als bitter wahrgenommen“, berichtet<br />
der Spezialist.<br />
Immer wieder ist zu lesen, dass<br />
Bitterstoffe die Galle sowie die<br />
Foto: picture alliance/blickwinkel/F8-DASBILD<br />
Verdauung anregen und den Fettstoffwechsel<br />
ankurbeln. Sie sollen<br />
sogar beim Abnehmen helfen, weil<br />
sie den Hunger auf Süßes hemmen.<br />
Doch den Trend zu Bittertropfen<br />
sieht der Experte skeptisch: „Es ist<br />
noch viel zu wenig erforscht, welche<br />
bitteren Substanzen im Einzelnen<br />
gesundheitsfördernd sind.“<br />
Gerösteter Rosenkohl<br />
Hobby-Gourmets wissen, dass es<br />
auch auf die Art der Zubereitung<br />
der Speisen und zusätzliche Aromen<br />
ankommt. Aus der italienischen<br />
Küche ist etwa der Radicchio<br />
nicht wegzudenken. In dem<br />
Reisgericht „Risotto al radicchio“<br />
sorgt das Kochen und die Verwendung<br />
pikanten Parmesankäses<br />
dafür, dass der bittere Geschmack<br />
des Blattgemüses überdeckt wird.<br />
Auch Kohl kann man seine Strenge<br />
nehmen, indem man ihn mit<br />
anderen Zutaten kombiniert. Die<br />
Londoner Autorin Niki Segnit<br />
schreibt in ihrem Buch „Der Geschmacksthesaurus“<br />
etwa, dass<br />
Speck imstande ist, den schwefligen<br />
Geschmack des Rosenkohls zu<br />
„zähmen“, wie sie es formuliert.<br />
Ebenso dienen Orangenschale und<br />
-saft sowie Gewürze wie Kreuzkümmel<br />
und Aromen von Zwiebel<br />
und Knoblauch dazu, dem Kohl<br />
seinen herben Geschmack zu nehmen.<br />
Und wer den Rosenkohl im<br />
Ofen röstet, kreiert ein interessanteres<br />
Geschmackserlebnis als bei<br />
der gekochten oder gedämpften<br />
Variante. Elisabeth Antritter<br />
Robust, aber gefährdet<br />
Kleine Braunelle ist die Blume des Jahres 2<strong>02</strong>3<br />
Abwarten und Tee trinken<br />
Sich Zeit zu lassen, ist für den Genuss wichtig<br />
Wildblumen werden immer seltener.<br />
Um auf diesen Rückgang aufmerksam<br />
zu machen, hat die Loki<br />
Schmidt-Stiftung für den Titel<br />
„Blume des Jahres 2<strong>02</strong>3“ eine robuste<br />
Vertreterin auserkoren: die<br />
Kleine Braunelle.<br />
Neben Wildblumen nehmen<br />
auch die Vorkommnisse anderer<br />
Pflanzen- und Tierarten schleichend<br />
ab. „Wir alle können und<br />
müssen etwas tun, um diesen Prozess<br />
aufzuhalten“, fordert Axel<br />
Jahn, Geschäftsführer der Loki<br />
Schmidt-Stiftung. „Im Garten, an<br />
Straßen, zwischen Wohnblöcken,<br />
in der Landwirtschaft:<br />
Lassen wir wieder<br />
mehr Natur zu!“<br />
Die Kleine Braunelle<br />
ist mit fünf bis<br />
25 Zentimetern<br />
Wuchshöhe eine<br />
eher kleine Pflanze,<br />
aber dafür relativ<br />
hart im Nehmen.<br />
Sie überlebt<br />
selbst in regelmäßig<br />
gemähtem Rasen und<br />
toleriert Fraß und Tritt<br />
durch Vieh auf Weiden. Für<br />
viele Insektenarten stellt sie eine<br />
wichtige Nahrungsquelle dar. Besonders<br />
Hummeln, aber auch Honigbienen,<br />
Wildbienen und andere<br />
Hautflügler nutzen den Pollen der<br />
Blume für die Aufzucht ihrer Larven.<br />
Mindestens 18 Schmetterlingsarten<br />
trinken Nektar aus den blauvioletten<br />
Blüten. Die Insekten<br />
profitieren dabei von der langen<br />
Blütezeit der Kleinen Braunelle, die<br />
von Juni bis Oktober reicht. Darüber<br />
hinaus fressen die Raupen von<br />
Magerrasen-Perlmuttfaltern und<br />
Braunellen-Zwergminiermotten<br />
die Blätter der Wildpflanze.<br />
Foto: picture alliance/<br />
Bildagentur-online/<br />
Sunny Celeste<br />
Von Menschen wird die Kleine<br />
Braunelle aufgrund ihrer ätherischen<br />
Öle und Gerbstoffe als Heilpflanze<br />
genutzt. Ihre Blätter können<br />
für Gurgelwasser verwendet<br />
oder bei Augenentzündungen,<br />
Lungenleiden, Magen- und Darmerkrankungen<br />
sowie als Wundheilmittel<br />
eingesetzt werden.<br />
Doch trotz ihrer Robustheit sind<br />
auch die Bestände dieser Blumenart<br />
in den vergangenen Jahrzehnten<br />
regional zurückgegangen.<br />
Gründe dafür sind laut der Loki<br />
Schmidt-Stiftung unter anderem zu<br />
häufiges Mähen. Dadurch werde<br />
den Wildpflanzen oft zu wenig Zeit<br />
gegeben, um zu wachsen und Blüten<br />
und Samen ausbilden zu<br />
können.<br />
Die größte Gefährdungsursache<br />
bilde jedoch der<br />
hohe Eintrag von Stickstoff<br />
in die Umwelt –<br />
zum einen durch das<br />
Ausbringen von Dünger<br />
und Gülle, zum anderen<br />
durch Verbrennungsprozesse<br />
in der Industrie,<br />
durch Verkehrsabgase<br />
und private Haushalte.<br />
Bei einem Stickstoff-<br />
Überschuss im Boden<br />
dominieren Gräser und<br />
andere hochwüchsige<br />
Pflanzen. Diese verdrängen<br />
kleinere Wildpflanzen wie die<br />
Kleine Braunelle.<br />
Übrigens: Der Name „Braunelle“<br />
bezieht sich auf die braune Farbe<br />
der verblühten Kelchblätter, die<br />
die blauvioletten Kronblätter umschließen<br />
und den Blütenstand wie<br />
einen kleinen Tannenzapfen aussehen<br />
lassen. Mirko Besch<br />
Eine schöne Tasse Tee steht für<br />
Gelassenheit und kurzen Rückzug<br />
aus dem Alltag. Im Winter hat das<br />
Heißgetränk Hochsaison.<br />
43 Liter Kräuter- und Früchtetee<br />
und 29 Liter schwarzen und grünen<br />
Tee trinken die Deutschen pro<br />
Kopf im Jahr. Allerdings bleibt mit<br />
168 Litern der Kaffee immer noch<br />
der Liebling in der Tasse.<br />
Wer morgens in die Gänge kommen<br />
will, greift am besten zu grünem<br />
oder schwarzem Tee. Das<br />
darin enthaltene Teein entspricht<br />
dem Koffein im Kaffee in seiner<br />
Wirkung. Diese setzt jedoch verzögert<br />
ein, hält dafür aber länger<br />
an. Wenn schwarzer Tee zu lange<br />
zieht, schlägt das außerdem vielen<br />
Menschen auf den Magen. Und<br />
nach einer Ziehzeit von mehr als<br />
zwei bis drei Minuten verliert sich<br />
die anregende Wirkung von<br />
schwarzem Tee.<br />
Streng genommen dürfen nur<br />
Getränke, die aus der Teepflanze<br />
gewonnen werden, „Tee“ heißen,<br />
also Grün- oder Schwarztee. Die<br />
beliebten Aufgüsse aus Kräutern<br />
oder Früchten dürfen nach dem<br />
Lebensmittelrecht nur als „teeähnliche<br />
Erzeugnisse“ bezeichnet<br />
werden. Alltagssprachlich durchgesetzt<br />
hat sich das nicht.<br />
Tee-Puristinnen und -Puristen<br />
schwören auf die richtige Zubereitung.<br />
Der Härtegrad des Wassers<br />
sei wichtig, ebenso die exakte Aufgusstemperatur.<br />
So genau muss es<br />
Tee gibt es in vielen wohlschmeckenden<br />
Variationen.<br />
nicht sein, aber ein paar Grundregeln<br />
gibt es doch: So sollte man<br />
immer frisches Wasser aufkochen<br />
lassen und nicht zu heiß aufgießen.<br />
Wenn möglich, ist loser Tee dem<br />
Teebeutel vorzuziehen, damit sich<br />
die Aromen besser entfalten.<br />
Am besten schmeckt Tee, wenn<br />
er nicht zu heiß getrunken wird.<br />
Also: Abwarten und Tee trinken.<br />
Erst wenn sich die Tasse angenehm<br />
warm in den Händen halten lässt,<br />
stimmt die Trinktemperatur. Vielleicht<br />
hilft Teetrinken deshalb so<br />
gut, mehr Ruhe und Gelassenheit<br />
ins Leben zu bringen? bsc<br />
Foto: picture alliance/Zoonar/Katerina Solovyeva
Freizeit<br />
Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />
25<br />
Ein Basislager für gelebte Inklusion<br />
Neue Kletterhalle in Bad Aibling bietet Kurse und Arbeitsplätze für Menschen mit und <strong>ohne</strong> Behinderung<br />
Fünf Jahre wurde geplant, ein Jahr<br />
lang gebaut. Kurz vor Weihnachten<br />
war Deutschlands erste Inklusions-Kletterhalle<br />
im oberbayerischen<br />
Bad Aibling betriebsbereit<br />
und lädt seitdem Menschen mit<br />
und <strong>ohne</strong> Behinderung zum Klettern<br />
und Verweilen ein.<br />
Ins Leben gerufen hat das Projekt<br />
der Verein „Stützpunkt Inntal“.<br />
Im „Basislager“, so der Name<br />
der neuen Trainingsstätte, werden<br />
unter anderem therapeutische und<br />
inklusive Kletterkurse für Kinder,<br />
Jugendliche und Erwachsene angeboten.<br />
Diese fanden bisher in<br />
anderen Hallen in der Umgebung<br />
statt. Nun können Kletterbegeisterte<br />
in der nagelneuen Schulungshalle<br />
trainieren, die gleich<br />
Rosenheims <strong>VdK</strong>-Kreisvorsitzende Marianne Keuschnig (hinten, links) mit<br />
„Basislager“-Mitgründerin Natascha Haug (vorn, Dritte von links), Trainerin<br />
Xenia (hinten, rechts) und den Kids der therapeutischen und inklusiven<br />
Kletterkurse.<br />
Fotos: Mirko Besch<br />
neben der riesigen, 17 Meter hohen<br />
Haupthalle liegt.<br />
Die jungen Kursteilnehmerinnen<br />
und -teilnehmer lernen von Beginn<br />
an nicht nur, die verschiedenen<br />
Routen der Hallenwände hochzusteigen,<br />
sondern auch Verantwortung<br />
für andere zu übernehmen.<br />
Wer gerade nicht klettert, sichert<br />
die Kletterpartnerin oder den Kletterpartner<br />
unten mit dem Seil ab.<br />
Dafür sind Kenntnisse wichtiger<br />
Knoten sowie ein regelmäßiger<br />
Austausch mittels kurzer Kommandos<br />
erforderlich. Zum Beispiel<br />
darüber, ob der oder die Kletternde<br />
mehr Seil braucht, um weiter hochsteigen<br />
zu können, oder ob das Seil<br />
straff gezogen werden soll, damit er<br />
oder sie sich „setzen“ und ausruhen<br />
kann. Eine Trainerin oder ein Trainer<br />
ist immer mit dabei, kontrolliert<br />
und gibt gegebenenfalls Anweisungen,<br />
was als Nächstes zu tun ist.<br />
Bei den Kids kommen die Kurse<br />
sehr gut an. „Es macht mir sehr viel<br />
Spaß“, sagt beispielsweise Manuel.<br />
Er ist elf Jahre alt und klettert seit<br />
einem Jahr. „Die neue Halle gefällt<br />
mir noch besser als die andere, in<br />
der wir vorher waren.“ Auch der<br />
achtjährige Quirin findet Kraxeln<br />
„cool“ und das „Basislager“ auch.<br />
Amina, 14, trainiert schon seit sieben<br />
Jahren und findet es ebenfalls<br />
„sehr schön hier“.<br />
Unterstützung vom <strong>VdK</strong><br />
Solche Kommentare hört Natascha<br />
Haug natürlich gerne. Sie ist<br />
Vereinsvorsitzende, Ergotherapeutin,<br />
Trainerin und gehört zum<br />
Gründertrio, das aus ihr, ihrem<br />
Mann Achim Haug und Katja Müller<br />
besteht. Die drei haben das Inklusionsprojekt<br />
über Fördergelder,<br />
Sponsoren, Spenden und viel Unterstützung<br />
durch die Vereinsmitglieder<br />
realisieren können.<br />
Auch der <strong>VdK</strong>-Kreisverband Rosenheim<br />
hat einen Teil dazu beigetragen.<br />
„Ich war beeindruckt von<br />
der inklusiven Arbeit mit den Kindern“,<br />
erzählt Marianne Keuschnig.<br />
Die <strong>VdK</strong>-Kreisvorsitzende<br />
hatte sich einst einen der Kletterkurse<br />
für Kinder und Jugendliche<br />
mit und <strong>ohne</strong> Behinderung angeschaut,<br />
als diese noch im 35 Kilometer<br />
entfernten Bernau am<br />
Chiemsee stattfanden. „Das hat uns<br />
dazu bewogen, die Unterstützung<br />
für das ‚Basislager‘ in<br />
Bad Aibling auf den<br />
Weg zu bringen.“<br />
Aber nicht nur die<br />
Kurse sind inklusiv,<br />
der ganze Betrieb ist<br />
es. Das bedeutet:<br />
Menschen mit Behinderung<br />
sind nicht nur<br />
als Gäste in der umfassend<br />
barrierefrei<br />
konzipierten Anlage<br />
willkommen, sondern<br />
gehören auch zum<br />
Team der Angestellten<br />
im Basislager,<br />
unter anderem im<br />
Bistro oder am Empfang.<br />
Das ist bundesweit<br />
einzigartig, und<br />
für diese gelebte Inklusion<br />
wurde der<br />
Verein im vergangenen<br />
Jahr mit dem<br />
Bayerischen Innovationspreis<br />
Ehrenamt<br />
ausgezeichnet.<br />
Um als Inklusionsbetrieb<br />
gelten zu können,<br />
sind bestimmte<br />
Vorgaben zu erfüllen. So können<br />
nur Menschen mit Behinderung<br />
eingestellt werden, deren Teilhabe<br />
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
besonders schwierig ist. „Es<br />
braucht eine gesunde Mischung<br />
von Mitarbeitern mit und <strong>ohne</strong><br />
Behinderung“, erklärt Natascha<br />
Haug. „Wir haben unsere Mitarbeiter<br />
handverlesen ausgewählt und<br />
dabei offensichtlich ein gutes<br />
Händchen gehabt“, freut sich die<br />
Während Quirin klettert, sichert ihn Giosué am<br />
Boden mit Unterstützung von Trainerin Xenia ab.<br />
Vereinsvorsitzende rückblickend<br />
auf die Tage nach der Eröffnung.<br />
Denn ausgerechnet da lagen Natascha<br />
und Achim Haug mit Covid-19<br />
zu Hause flach. „Aber es hat sich<br />
gezeigt: Wir haben ein starkes<br />
Team, das die Eröffnungswoche<br />
toll gewuppt hat.“ Wer sich selbst<br />
davon überzeugen möchte, findet<br />
alle Informationen für einen Besuch<br />
unter https://kletterhallebasislager.de<br />
Mirko Besch<br />
Vom Meister-Fischer zum Biathlon-Olympiasieger<br />
Beim Weltcup in Ruhpolding treffen sich die Wintersport-Legenden Verena Bentele und Fritz Fischer zum Gespräch<br />
Als Schlussläufer der ersten gemeinsamen<br />
Biathlonstaffel nach<br />
der Wiedervereinigung sicherte<br />
Fritz Fischer 1992 dem deutschen<br />
Team Gold. Bis heute ist er dem<br />
Sport verbunden. <strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />
Verena Bentele traf ihn beim Biathlon-Weltcup<br />
in Ruhpolding für<br />
ihren Podcast „In guter Gesellschaft“.<br />
Darin erzählt er aus seinem<br />
Sportlerleben, und wie er<br />
<strong>VdK</strong>-Mitglied wurde.<br />
„Hallo Verena!“, „Servus Fritz!“:<br />
Wenn man mit Verena Bentele und<br />
Fritz Fischer beim Biathlon-Weltcup<br />
in der Chiemgau-Arena in<br />
Ruhpolding unterwegs ist, braucht<br />
man etwas Zeit, um ans Ziel zu<br />
kommen. Beide halten öfters einen<br />
kurzen Plausch, ob mit dem Ordner<br />
am Einlass oder mit Fans, die<br />
zur Tribüne pilgern. Diese freuen<br />
sich besonders über ein Selfie mit<br />
Bentele und Fischer.<br />
Zwei, die sich verstehen<br />
Es herrscht eine wunderbare<br />
Stimmung. Die Menschen freuen<br />
sich, wieder live Spitzensport zu<br />
erleben, den Fritz Fischer und Verena<br />
Bentele früher selbst erfolgreich<br />
betrieben haben. So steht<br />
auch auf der Akkreditierung des<br />
66-Jährigen keine Funktion, sondern<br />
einfach nur „Fritz Fischer,<br />
Olympic Winner“ (Olympiasieger).<br />
Kein Wunder, dass jeder gerne die<br />
Tür öffnet, auch als wir zusammen<br />
ein möglichst ruhiges Plätzchen<br />
für den Podcast suchen. In der<br />
Hütte eines Sponsors können sich<br />
Bentele und Fischer zusammensetzen<br />
und den Podcast aufnehmen.<br />
Der Titel „In guter Gesellschaft“<br />
passt bestens. Denn die beiden<br />
schätzen sich gegenseitig. Das ist<br />
sofort zu spüren.<br />
Zwar liegt eine Generation zwischen<br />
dem Oberbayern und der<br />
<strong>VdK</strong>-Präsidentin, beide stellen<br />
aber immer wieder Gemeinsamkeiten<br />
fest. Sie verbindet nicht nur die<br />
Liebe zum Sport, sie wuchsen auch<br />
beide auf einem Bauernhof auf –<br />
Fritz Fischer mit sechs Geschwistern.<br />
Passend zu seinem Namen<br />
angelt er seit Langem und wurde<br />
sogar Deutscher Jugendmeister.<br />
„Fischers Fritz fischt viele Fische“,<br />
sagt er mit einem Lächeln.<br />
Von Kindheit an ist Fischer aber<br />
auch ein Ausdauer-Talent. So besteigt<br />
er schon mit 14 Jahren den<br />
Mont Blanc, und kommt bei einem<br />
Verena Bentele im Gespräch mit Fritz Fischer, Olympiasieger und <strong>VdK</strong>-Mitglied.<br />
5000-Meter-Lauf während seiner<br />
Zeit als Wehrpflichtiger als Erster<br />
ins Ziel – <strong>ohne</strong> Training und vor<br />
seinem Vorgesetzten.<br />
Dieser schickt ihn daraufhin zur<br />
Sportkompanie nach Bad Reichenhall,<br />
wo er nicht nur beim Schießen,<br />
sondern auch beim Langlaufen<br />
überzeugt. „Und so kam ich<br />
dann zum Biathlon“, erzählt er.<br />
Durch sein Talent und viel Training<br />
schafft es Fritz Fischer in die Nationalmannschaft.<br />
Dort ist er dank<br />
Foto: Sebastian Heise<br />
seiner ruhigen Art und Treffsicherheit<br />
über Jahre hinaus der Schlussläufer<br />
bei den bundesdeutschen<br />
Biathlon-Herren und gewinnt mit<br />
ihnen viele Medaillen.<br />
Sein Höhepunkt sind die Olympischen<br />
Winterspiele 1992 in Albertville.<br />
Zum Ende seiner Sportlerkarriere<br />
ist er noch einmal der<br />
vierte Mann in der Staffel, und der<br />
einzige, der zuvor nicht für die<br />
DDR gelaufen ist. Im Podcast erzählt<br />
er, wie er trotz knappen Vorsprungs<br />
beim letzten Wechsel und<br />
großer Konkurrenz einen deutlichen<br />
Sieg herausläuft – dabei helfen<br />
ihm seine Erfahrung, Selbstgespräche<br />
und ein Vaterunser. Bis<br />
heute ist dies der schönste Moment<br />
seiner Laufbahn, sagt er. „Die letzten<br />
100 Meter in Albertville möchte<br />
ich noch einmal laufen.“<br />
2019 fragt ihn sein Nachbar,<br />
Siegsdorfs <strong>VdK</strong>-Ortsvorsitzender<br />
Walter Hindlinger, ob er dem Sozialverband<br />
beitreten wolle. Er sagt<br />
sofort zu und wird 13000. Mitglied<br />
im <strong>VdK</strong>-Kreisverband Traunstein.<br />
Solidarität ist ihm sehr wichtig.<br />
„Der Mensch steht für mich immer<br />
im Mittelpunkt“, betont er. Das<br />
merkt man auch, als er gleich nach<br />
dem Interview auf dem Weg zum<br />
Weltcup-Rennen mit Fans und Betreuern<br />
ins Gespräch kommt.<br />
Info: Das Interview von <strong>VdK</strong>-<br />
Präsidentin Verena Bentele mit<br />
Olympiasieger Fritz Fischer ist auf<br />
der Webseite www.vdk.de/podcast<br />
zu hören. Sebastian Heise
26 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Unterhaltung<br />
Komisch und ernst<br />
Die vielseitige Andrea Sawatzki wird 60 Jahre<br />
Andrea Sawatzki ist Schauspielerin<br />
und Autorin. Ihre Vielseitigkeit<br />
macht sie zu einem der bekanntesten<br />
Gesichter in TV und Kino. Am<br />
23. Februar feiert sie ihren 60. Geburtstag.<br />
Andrea Sawatzki<br />
Nach der Schauspielschule in<br />
München arbeitete Andrea Sawatzki<br />
ab Ende der 1980er-Jahre<br />
in verschiedenen Theater- und<br />
Filmproduktionen. Ihr Durchbruch<br />
gelang 1997 mit dem Film<br />
„Die Apothekerin“. 2001 bis 2009<br />
war sie die Frankfurter „Tatort“-Hauptkommissarin<br />
Charlotte<br />
Sänger, von 1995 bis 2004 wirkte<br />
sie im „Polizeiruf 110“ mit.<br />
Ihre Vielseitigkeit zeigt sie vor<br />
allem in hintergründigen Komödien.<br />
In ihrem aktuellen Kinofilm<br />
„Freibad“, einer Regiearbeit von<br />
Doris Dörrie, spielt sie Gabi, die<br />
seit vielen Jahren in einem Freibad<br />
für Frauen von ihrem Stammplatz<br />
auf der Liegewiese aus die Geschehnisse<br />
kommentiert. Gabi<br />
sieht sich selbst zwar als emanzipiert<br />
und tolerant an, fühlt sich<br />
aber von muslimischen Frauen in<br />
Ganzkörperschwimmanzügen<br />
herausgefordert.<br />
Im September 2<strong>02</strong>2 ist die mittlerweile<br />
siebte Folge der „Familie<br />
Bundschuh“-Reihe im Fernsehen<br />
ausgestrahlt worden. Andrea Sawatzki<br />
hat nicht nur die erfolgreichen<br />
Romanvorlagen geschrieben,<br />
sondern auch die Drehbücher<br />
verfasst. Als Mutter Gundula versucht<br />
sie – größtenteils vergeblich<br />
– die Fäden ihrer eigenwilligen<br />
Familie zusammenzuhalten.<br />
Ein ernstes Kapitel ihres Lebens<br />
ist ihre Kindheit und Jugend, die<br />
sie in ihrem neuen Buch „Brunnenstraße“<br />
beschreibt. Ihre Mutter<br />
zieht sie acht Jahre alleine groß,<br />
bevor der bis dahin kaum präsente<br />
Vater auftaucht. Dieser erkrankt<br />
bald an Demenz und wird von der<br />
jugendlichen Tochter bis zu dessen<br />
Tod gepflegt. Oft fühlt sie sich hilflos<br />
und fremd mit diesem Mann.<br />
Diese Erfahrung habe sie stark<br />
geprägt, sagt sie in einem NDR-Interview,<br />
vielleicht aber vorbereitet,<br />
in andere Rollen zu schlüpfen.<br />
Sawatzki lebt mit Schauspieler<br />
Christian Berkel in Berlin. Das<br />
Paar hat zwei Söhne. bsc<br />
Foto: picture alliance/Christian Charisius<br />
„Ich kann<br />
nichtschlafen.“<br />
„Ich bleibe an<br />
deinem Bett,Mama.“<br />
Nächstenpflege brauchtKraft und Unterstützung.<br />
Seine Nächsten zuhause zu pflegen, isterfüllend, bringt einen aber auch an Grenzen –körperlich, seelisch und finanziell. Deshalb fordern wir,<br />
dass die Politik Pflegenden mehr Unterstützungsangebote, mehr Zeit zum Pflegen <strong>ohne</strong> finanzielle Sorgen und mehr Rente ermöglicht. Helfen Sie mit!<br />
www.vdk.de/naechstenpflege<br />
#naechstenpflege