31.01.2023 Aufrufe

VdK-02-2023-Rheinland-Pfalz_ohne-Anzeigen

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Sozialverband <strong>VdK</strong><br />

<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />

77. Jahrgang<br />

Februar 2<strong>02</strong>3<br />

THEMEN<br />

Hintergrund<br />

Die Tafeln versorgen immer<br />

mehr Menschen Seite 3<br />

Politik<br />

Wo bekomme ich Hilfe<br />

bei hohen Heizkosten? Seite 4<br />

Gesundheit<br />

Mögliche Ursachen für<br />

Gliederschmerzen Seite 8<br />

<strong>VdK</strong>-TV<br />

Rechte und Pflichten bei<br />

längerer Krankheit Seite 12<br />

Ratgeber<br />

Gemeinsam nutzen<br />

statt besitzen Seite 23 21<br />

Deutschlands Kliniken brauchen dringend Hilfe.<br />

Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress<br />

Aus dem<br />

Landesverband<br />

Interview: Pflegeberaterin<br />

Galina Leonow Seite 13<br />

Mehr Mut bei Krankenhausreform<br />

Sozialverband <strong>VdK</strong> Deutschland fordert eine Abkehr von der Gewinnorientierung<br />

SEITE 5<br />

So hilft der <strong>VdK</strong><br />

Foto: imago/blickwinkel<br />

<strong>VdK</strong>-Mitglied Rita Best musste<br />

infolge eines verschleppten<br />

Blinddarmdurchbruchs mehrere<br />

Male operiert werden. Als es<br />

darum geht, die schmerzhaften<br />

Folgen dieser Eingriffe am Bauch<br />

zu beheben, verweigert ihre<br />

Krankenkasse die Kostenübernahme<br />

für diese Operation.<br />

Kliniken unter Kostendruck, Pflegekräfte<br />

im Dauerstress – mit einer<br />

Reform will die Bundesregierung<br />

Missstände in der Versorgung<br />

durch Krankenhäuser beseitigen.<br />

Der Sozialverband <strong>VdK</strong> fordert<br />

hingegen eine vollständige Abkehr<br />

von der Gewinnorientierung und<br />

den sogenannten Fallpauschalen<br />

im Vergütungssystem.<br />

„Die Pläne zur Krankenhausreform<br />

sind ein kleiner Schritt in<br />

die richtige Richtung“, bewertet<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele<br />

die Krankenhausreform, die im<br />

Dezember 2<strong>02</strong>2 vorgestellt wurde.<br />

Nach Plänen des Bundesgesundheitsministeriums<br />

sollen Patientinnen<br />

und Patienten weniger nach<br />

wirtschaftlichen, sondern stärker<br />

nach medizinischen Gesichtspunkten<br />

behandelt werden. Als<br />

das Hauptproblem für den Kostendruck<br />

der Krankenhäuser nannte<br />

Gesundheitsminister Karl Lauterbach<br />

die Bezahlung über Fallpauschalen.<br />

Die Bezahlungen pro<br />

Behandlung hätten zur Folge, dass<br />

Krankenhäuser viele Eingriffe zu<br />

niedrigen Kosten durchführen –<br />

gleichgültig, wie aufwendig ein<br />

Patient eigentlich behandelt werden<br />

sollte, gleichgültig, ob das<br />

Krankenhaus dafür die Erfahrung<br />

und Ausstattung hat oder nicht.<br />

Das Ministerium plant eine Aufweichung<br />

dieses Systems: 40 Prozent<br />

der Kosten sollen über Vorhaltepauschalen<br />

für Personal und<br />

Geräte abgerechnet werden und<br />

nur 60 Prozent über die Fallpauschalen.<br />

Dem <strong>VdK</strong> geht der Vorschlag<br />

nicht weit genug: „Das Gesundheitsministerium<br />

sollte noch radikaler<br />

sein. Das Wohl der Menschen<br />

muss im Mittelpunkt aller Behandlungen<br />

im Krankenhaus stehen“,<br />

fordert Bentele.<br />

Ein Kernstück der Reform ist,<br />

dass Krankenhäuser in drei Level<br />

eingeordnet und vergütet werden.<br />

So soll es Kliniken zur Grundversorgung<br />

geben – zum Beispiel für<br />

grundlegende chirurgische Eingriffe<br />

und Notfälle sowie mit einem<br />

Kontingent an Akutpflegebetten.<br />

Andere Kliniken sollen sich<br />

um die „Regel- und Schwerpunktversorgung“<br />

kümmern. Sie könnten<br />

weitere Leistungen anbieten.<br />

Universitätskliniken sollen der<br />

dritten Gruppe, der „Maximalversorgung“,<br />

zugeordnet werden.<br />

Von dieser Neu-Einordnung der<br />

Kliniken verspricht sich der <strong>VdK</strong><br />

viel: Einerseits könnte so die<br />

Grundversorgung in ländlichen<br />

Gebieten gesichert werden. Zudem<br />

könnte die Einstufung von Krankenhäusern<br />

mit einer ambulanten<br />

und stationären Grundversorgung<br />

gerade älteren Menschen helfen.<br />

Beispielsweise könnten so Menschen<br />

zur Beobachtung bei einem<br />

mittelschweren Infekt aufgenommen<br />

werden.<br />

Als „bedenklich“ stuft Bentele<br />

die Diskussionen ein, die nach der<br />

Vorstellung des Konzeptes aufkamen:<br />

„Alle Seiten sehen ihre Interessen<br />

in Gefahr. Die Bundesländer<br />

haben Sorge um ihre Entscheidungshoheit;<br />

die Krankenkassen<br />

fürchten, dass ihr Einfluss bei den<br />

Vergütungsverhandlungen sinkt.<br />

Diese Einwände haben nichts mit<br />

den Interessen der Patientinnen<br />

und Patienten zu tun. Das Wohl<br />

der kranken Menschen muss aber<br />

der alleinige Maßstab sein. Gerade<br />

deshalb muss diese Reform kommen,<br />

auch wenn sich der <strong>VdK</strong> mehr<br />

gewünscht hätte. Immerhin hat<br />

eine ‚Bund-Länder-Arbeitsgruppe‘<br />

einen gemeinsamen Gesetzentwurf<br />

bis zum Sommer in Aussicht<br />

gestellt. Das wird eine große Herausforderung.“<br />

Julia Frediani<br />

Kampf gegen Kinderarmut<br />

Verena Bentele ist seit Anfang 2<strong>02</strong>3 Sprecherin des Bündnisses Kindergrundsicherung<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele übernimmt<br />

diese Aufgabe, kurz bevor ein wichtiger<br />

Gesetzesvorschlag aus dem Familienministerium<br />

zu erwarten ist.<br />

Dazu erklärt Verena Bentele: „Ich freue<br />

mich ganz besonders, dass ich die Sprecherrolle<br />

des Bündnisses für ein solch<br />

wichtiges Thema für die nächsten zwei<br />

Jahre übernehme. Die Zukunft von Kindern<br />

darf nicht von der finanziellen Situation<br />

der Eltern bestimmt werden. Jedes<br />

Kind, das in Deutschland aufwächst, hat<br />

ein Anrecht auf eine unbeschwerte Kindheit<br />

jenseits von Armut und Geldnot.“<br />

Das Bündnis Kindergrundsicherung<br />

besteht seit 2009 und setzt sich für die<br />

Bekämpfung von Kinderarmut in Deutschland<br />

ein. Zu dem breiten Bündnis zählen<br />

18 Organisationen, die sich um die Belange<br />

von Kindern und Familien in Deutschland<br />

kümmern. Neben dem <strong>VdK</strong> Deutschland<br />

sind das beispielsweise der Bundesverband<br />

Arbeiterwohlfahrt (AWO), das<br />

Deutsche Kinderhilfswerk und die Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft.<br />

Die Koordination des Bündnisses liegt<br />

traditionell beim Deutschen Kinderschutzbund.<br />

Das bestimmende Thema für das<br />

Bündnis wird in den nächsten Monaten<br />

der zu erwartende Gesetzesvorschlag zur<br />

Kindergrundsicherung aus dem Familienministerium<br />

sein. Die Kindergrundsicherung<br />

gehört zu den größeren sozialpolitischen<br />

Plänen der Bundesregierung.<br />

Das Bündnis hat sich in der Vergangenheit<br />

dafür eingesetzt, dass es eine finanzielle<br />

Leistung gibt, die das Existenzminimum<br />

für Kinder abdeckt und automatisiert<br />

an die Familien ausgezahlt wird. Die Höhe<br />

der Kindergrundsicherung soll sich nach<br />

dem Einkommen der Eltern richten, wodurch<br />

besonders Kinder aus Familien mit<br />

wenig Einkommen unterstützt werden.<br />

(siehe Kommentar Seite 2)Julia Frediani


2 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

Politik<br />

Nach dem Krankenhaus alleine gelassen<br />

Ein gutes Entlassmanagement kann zur raschen Genesung beitragen<br />

Beim Sozialverband <strong>VdK</strong> häufen<br />

sich Berichte von Mitgliedern, dass<br />

sie zum Ende ihres Krankenhausaufenthalts<br />

nur eine unzureichende<br />

Unterstützung durch den Sozialdienst<br />

für die anschließende<br />

Versorgung erhalten haben. Dabei<br />

ist ein umfassendes Entlassmanagement<br />

seit 2015 gesetzlich<br />

verankert. Für diesen sehr wichtigen<br />

Anspruch hatte sich der <strong>VdK</strong><br />

mit viel Nachdruck eingesetzt.<br />

Der Vater von Andrea R. hatte<br />

sich den linken Fuß gebrochen und<br />

wurde im Krankenhaus versorgt.<br />

Doch für die Zeit danach organisierte<br />

der Sozialdienst weder einen<br />

Pflegedienst noch eine Kurzzeitpflege.<br />

Ohne weitere Erklärungen<br />

wurde der 85-Jährige mit starken<br />

Schmerzmitteln und Thrombosespritzen<br />

entlassen. Die 60-jährige<br />

Andrea R. pflegte ihren Vater kurzerhand<br />

für mehrere Tage selbst,<br />

dazu organisierte sie alleine eine<br />

Kurzzeitpflege. Nach Beobachtung<br />

des <strong>VdK</strong> ist dieser Fall nicht untypisch.<br />

Die Anforderungen an ein<br />

umfassendes Entlassmanagement<br />

in einem Krankenhaus sind vielfältig.<br />

Patientinnen und Patienten<br />

haben eigentlich Anspruch, dass<br />

sich um eine angemessene Versorgung<br />

im Anschluss gekümmert<br />

wird. Darunter fällt die Suche nach<br />

Therapie- oder Pflegeheimplätzen,<br />

genauso wie die Klärung der Fragen<br />

Der <strong>VdK</strong> bittet um Ihre Unterstützung<br />

Waren Sie in den vergangenen<br />

Monaten zur Behandlung im Krankenhaus<br />

und wurden zum Ende<br />

Ihres Aufenthalts nicht richtig vom<br />

Sozialdienst betreut? Gab es Fehler<br />

bei der Organisation der anschließenden<br />

Versorgung? Waren<br />

Sie und Ihre Angehörigen bei der<br />

Suche nach einem Pflegedienst<br />

oder einem Reha-Platz auf sich<br />

Der Sozialdienst soll für eine gute medizinische Versorgung nach einem<br />

Krankenhausaufenthalt sorgen.<br />

Foto: Jens Kalaene/picture alliance<br />

alleine gestellt? Die <strong>VdK</strong>-ZEITUNG<br />

möchte Ihre Geschichte hören!<br />

Schildern Sie uns Ihre Erfahrungen<br />

detailliert in einer E-Mail an<br />

krankenhaus@vdk.de !<br />

Für unsere politische Lobby-Arbeit<br />

sammeln wir Ihre Erfahrungen.<br />

Wir können Ihnen in diesem Rahmen<br />

jedoch keine Rechtsberatung<br />

anbieten.<br />

rund um Krankengeld oder anderen<br />

Sozialleistungen.<br />

Für eine schnelle Genesung unerlässlich,<br />

lebt ein gutes Entlassmanagement<br />

von erfahrenen Sozialarbeiterinnen<br />

und -arbeitern. Fehler<br />

passieren, wenn der Sozialdienst<br />

überlastet ist oder es keine klaren<br />

Verfahrensabläufe gibt. Oft entsteht<br />

der Eindruck, dass das Krankenhaus-Management<br />

an dieser Stelle<br />

spart. Denn die Vergütung sieht<br />

keine Vorhaltekosten für den Sozialdienst<br />

vor.<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele<br />

erklärt dazu: „Jeder Patient muss<br />

dabei unterstützt werden, dass er<br />

nach dem Krankenhausaufenthalt<br />

die passende Versorgung erhält.<br />

Die Krankenhäuser dürfen hier<br />

nicht sparen, da die Pflege und<br />

Versorgung danach ebenso wichtig<br />

sind wie die Behandlung selbst.“<br />

Julia Frediani<br />

KOMMENTAR<br />

Verband der Generationen<br />

<strong>VdK</strong>, ein reiner Rentnerverband?<br />

Das waren wir noch nie und wollen<br />

wir auch nicht sein. Richtig ist,<br />

dass wir uns für diejenigen einsetzen,<br />

die von Armut bedroht<br />

oder betroffen sind, und die nur<br />

schwer zu ihrem Recht kommen.<br />

Das sind oft, aber längst nicht<br />

nur, Rentnerinnen und Rentner<br />

oder ältere Menschen.<br />

Als <strong>VdK</strong> nehmen wir alle Generationen<br />

in den Blick. Benachteiligung<br />

wird in Deutschland oft in<br />

die Wiege gelegt. Bildungs- und<br />

späterer Berufserfolg hängen in<br />

kaum einem anderen europäischen<br />

Land so eng mit der sozialen<br />

Herkunft zusammen wie<br />

hierzulande. Aus Kinderarmut<br />

wird Erwerbsarmut und später<br />

Altersarmut. Dies zu durchbrechen,<br />

ist eine der wichtigsten<br />

Aufgaben der Politik. Ich weiß,<br />

das sehen nicht alle so. Schließlich<br />

sind Kinderstimmen keine<br />

Wählerstimmen. Umso dringender<br />

braucht die jüngste Generation<br />

eine sozialpolitische Interessenvertretung<br />

auch außerhalb<br />

der Parlamente.<br />

Sehr gerne habe ich für den Sozialverband<br />

<strong>VdK</strong> die Sprecherrolle<br />

im Bündnis Kindergrundsicherung<br />

übernommen. Die<br />

Idee einer solchen grundlegenden<br />

Reform zur Förderung von<br />

Kindern und Jugendlichen gibt<br />

es schon lange. Im Koalitionsvertrag<br />

hat die Bundesregierung<br />

deren Umsetzung versprochen.<br />

Wir wollen diesen Prozess kritisch<br />

und konstruktiv begleiten.<br />

Verena Bentele<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />

Ganz ehrlich, diese Reform ist<br />

überfällig. Vermögende Eltern<br />

werden durch staatliche Leistungen<br />

wie den Steuerfreibetrag für<br />

Kinder subventioniert, armen<br />

Eltern fehlt jeder finanzielle<br />

Spielraum, um die Teilhabe ihrer<br />

Kinder zu ermöglichen. Das zerstört<br />

nicht nur hoffnungsvolle<br />

Lebensläufe. Volkswirtschaftlich<br />

betrachtet ist es eine Talentverschwendung,<br />

die wir uns angesichts<br />

der demografischen Entwicklung<br />

nicht leisten können.<br />

Die Aufgabe des <strong>VdK</strong> sehe ich<br />

darin, für Fairness im Leben jedes<br />

Einzelnen zu sorgen. Wie<br />

alte Menschen haben Kinder<br />

keine Chance, sich selbst aus der<br />

Armut zu befreien. Sie brauchen<br />

eine solidarische Gesellschaft.<br />

Deshalb muss das Prinzip einer<br />

optimalen Förderung sein: Je<br />

weniger die Eltern helfen können,<br />

desto mehr unterstützt die<br />

Gemeinschaft – und umgekehrt.<br />

Härtefallfonds für DDR-Rentner<br />

Anträge bis 30. September 2<strong>02</strong>3 möglich<br />

Keine Experimente bei der Rentenfinanzierung<br />

Bentele: „Das Konzept des Kapitalstocks geht in die falsche Richtung“<br />

Seit mehr als 30 Jahren kämpfen<br />

Zehntausende Ostdeutsche um die<br />

Anerkennung ihrer DDR-Zusatzrenten.<br />

Die Ampel-Koalition stellt<br />

500 Millionen Euro für einen Härtefallfonds<br />

für Betroffene bereit. Anträge<br />

müssen diese bis zum<br />

30. September 2<strong>02</strong>3 stellen.<br />

Aus dem Härtefallfonds sollen<br />

Menschen unterstützt werden, die<br />

bei der Rentenüberleitung nach der<br />

Wiedervereinigung benachteiligt<br />

wurden, weil man ihre DDR-Zusatzrenten<br />

nicht berücksichtigte.<br />

Sie beziehen heute oft eine kleine<br />

Rente. Auch jüdische Kontingentflüchtlinge<br />

und Spätaussiedler<br />

werden aus dem Fonds bedacht.<br />

Anspruchsberechtigt sind etwa<br />

ehemalige Beschäftigte bei der<br />

Ein Antrag auf Leistungen aus<br />

dem Härtefallfonds kann bis zum<br />

30. September 2<strong>02</strong>3 bei der Geschäftsstelle<br />

der Stiftung „Härtefallfonds“<br />

gestellt werden. Die Antragsformulare<br />

können bei der Geschäftsstelle<br />

angefordert werden:<br />

Geschäftsstelle der Stiftung<br />

„Härtefallfonds“<br />

44781 Bochum<br />

Darüber hinaus lassen sich die<br />

Formulare auf der Internetseite<br />

des Bundesministeriums für Arbeit<br />

und Soziales herunterladen:<br />

www.bmas.de<br />

Info<br />

Reichsbahn, der Deutschen Post<br />

oder Krankenschwestern und ehemalige<br />

Bergleute. Insgesamt werden<br />

derzeit 17 Berufs- und Personengruppen<br />

Zusatzrentenansprüche<br />

vorenthalten. Voraussetzung<br />

für eine Auszahlung ist eine monatliche<br />

Rente am 1. Januar 2<strong>02</strong>1<br />

von insgesamt unter 830 Euro<br />

nach Abzug der Beiträge zur Kranken-<br />

und Pflegeversicherung.<br />

Anspruchsberechtigte sollen aus<br />

dem Fonds eine Einmalzahlung in<br />

Höhe von 2500 Euro erhalten.<br />

Sollten sich die Bundesländer daran<br />

beteiligen, könnte sich die<br />

Summe verdoppeln. Momentan<br />

erklärt sich Mecklenburg-Vorpommern<br />

als einziges Bundesland zu<br />

einer Beteiligung an dem Härtefallfonds<br />

bereit.<br />

cis<br />

Der Antrag kann per Post an die<br />

Geschäftsstelle der Stiftung geschickt<br />

oder per Mail eingereicht<br />

werden:<br />

gst@stiftung-haertefall<br />

fonds.de<br />

Für weitere Informationen zum<br />

Härtefallfonds stehen Ihnen montags<br />

bis donnerstags in der Zeit<br />

von 8 bis 16 Uhr und freitags von<br />

8 bis 14 Uhr die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter der Stiftung unter<br />

einer kostenlosen Telefonnummer<br />

zur Verfügung:<br />

• (0800) 72 41 634<br />

Der Sozialverband <strong>VdK</strong> kritisiert<br />

das Konzept des sogenannten<br />

Kapitalstocks. Dieses hat das Bundesfinanzministerium<br />

vorgelegt.<br />

Schon im Koalitionsvertrag wurde<br />

festgelegt, in eine teilweise Kapitaldeckung<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

einzusteigen. Nun<br />

liegt ein erstes Konzept des Finanzministeriums<br />

vor. Demnach soll der<br />

nötige Kapitalstock teilweise kreditfinanziert<br />

aufgebaut werden.<br />

Dazu sollen in diesem Jahr Haushaltsmittel<br />

von rund zehn Milliarden<br />

Euro zugeführt werden. Erträge<br />

aus dieser Aktienrücklage sollen<br />

ab Mitte der 2030er Jahre die Beitragssatzentwicklung<br />

stabilisieren.<br />

Ziel verfehlt<br />

Der <strong>VdK</strong> lehnt grundsätzlich<br />

Experimente zur Finanzierung der<br />

gesetzlichen Rentenversicherung<br />

ab. Die Anlage von Kapital an den<br />

Finanzmärkten ist keine sinnvolle<br />

Form der Finanzierung der gesetzlichen<br />

Rente. „Das Konzept wirft<br />

mehr Fragen auf, als dass zufriedenstellende<br />

Antworten gegeben<br />

werden. Es geht in die falsche<br />

Richtung“, fasst <strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />

Verena Bentele die Kritik zusammen.<br />

„Anstatt nachhaltige Konzepte<br />

für eine zukunftsträchtige<br />

Finanzierung der Alterssicherung<br />

zu entwickeln, ist das Ministerium<br />

zu risikoreichen Experimenten<br />

bereit“, kritisiert Bentele. Ein<br />

Blick auf die Aktienmärkte zeige,<br />

dass sich viele Märkte in den<br />

letzten Jahren negativ entwickelt<br />

haben.<br />

Unklar sei, wie in dem kurzen<br />

Zeitraum – nämlich von 2<strong>02</strong>3 zum<br />

Beginn der Finanzierung bis zur<br />

Mitte der 2030er Jahre – ein solider<br />

Ertrag erwirtschaftet wird. Somit<br />

werde das Ziel verfehlt, die Finanzierung<br />

der Rentenversicherung im<br />

problematischen Zeitraum beim<br />

Übergang der Babyboomer vom<br />

Erwerbsleben in den Ruhestand zu<br />

stärken.<br />

Ein System für alle<br />

Eine sogenannte<br />

Aktienrücklage<br />

soll ab Mitte<br />

der 2030er<br />

Jahre die<br />

Beitragsentwicklung<br />

stabilisieren<br />

– so die<br />

Pläne des<br />

Finanzministeriums.<br />

Der <strong>VdK</strong><br />

lehnt das<br />

Konzept ab.<br />

Foto: imago/Zoonar<br />

Der <strong>VdK</strong> fordert, die Summe für<br />

den Kapitalstock im Bereich der<br />

Rentenpolitik sinnvoller zu investieren.<br />

Beispielsweise sollten<br />

der Grundrentenzuschlag erhöht<br />

und die Zeiten zur Pflege von<br />

Angehörigen besser anerkannt<br />

werden. Um die Rente zukunftsfest<br />

zu machen, gilt es, sie zu einer<br />

Erwerbstätigenversicherung<br />

auszubauen. In diese sollen künftig<br />

alle, auch Selbstständige, Beamtinnen<br />

und Beamte sowie<br />

Politikerinnen und Politiker, einbezahlen.<br />

Dies stärkt die finanzielle<br />

Basis der Rentenversicherung<br />

und schafft mehr Gerechtigkeit<br />

in der Alterssicherung.<br />

Ein umlagefinanziertes Alterssicherungssystem,<br />

in das alle<br />

einzahlen, gibt es in Österreich.<br />

Die Arbeitgeber zahlen einen um<br />

2,3 Prozentpunkte höheren Beitrag<br />

in das sogenannte Pensionssystem.<br />

Insgesamt ist der Beitragssatz<br />

mit 22,8 Prozent höher<br />

als in Deutschland. Es werden<br />

auch höhere Beträge ausgezahlt:<br />

In Österreich erhält ein Durchschnittsverdiener<br />

eine rund 800<br />

Euro höhere Rente als ein vergleichbarer<br />

Verdiener in Deutschland.<br />

Julia Frediani


Reportage Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 3<br />

Tafeln erleben großen Ansturm<br />

Rund zwei Millionen Menschen versorgen sich in Deutschland bei der Tafel mit überschüssigen Lebensmitteln<br />

Seit in der Ukraine gekämpft wird<br />

und in Deutschland die Preise steigen,<br />

ist die Zahl der Tafel-Nutzerinnen<br />

und -Nutzer stark gestiegen.<br />

Viele sehen die wachsende Bedeutung<br />

der Tafel kritisch. Christina<br />

S. aus Berlin-Tempelhof, die seit<br />

mehr als 20 Jahren eine kleine<br />

Erwerbsminderungsrente bezieht,<br />

hilft das Angebot sehr.<br />

Maria Schwarz (v.li.), Antje Schmidtmann und Lydia Schmuck sortieren die Waren.<br />

Dienstags verwandelt sich die<br />

Kirche der evangelischen Paulus-<br />

Gemeinde in Berlin-Tempelhof zu<br />

einer großen Ausgabestelle der<br />

Berliner Tafel. Vormittags liefern<br />

Transporter im Minutentakt Spenden<br />

großer Lebensmittelketten an,<br />

die Ehrenamtliche am Hintereingang<br />

der Kirche entgegennehmen<br />

und ins Gotteshaus tragen. Dort<br />

rücken Helferinnen und Helfer<br />

Tische zurecht, auf denen die Waren<br />

später angeboten werden.<br />

Christina S. ist eine der Kundinnen,<br />

die an diesem Dienstag kurz<br />

vor Weihnachten in der Kirche<br />

Lebensmittel abholen. Ihren Familiennamen<br />

möchte sie aus Scham<br />

nicht in der Zeitung lesen. Seit<br />

mehr als 20 Jahren lebt sie von einer<br />

kleinen Erwerbsminderungsrente.<br />

„Hier erhalte ich für einen<br />

Euro Lebensmittel im Wert von<br />

rund 20 Euro. Damit komme ich<br />

mehrere Tage aus“, sagt sie.<br />

Die 61-Jährige kann ihren linken<br />

Arm und die Hand seit einem<br />

Schlaganfall nicht mehr bewegen.<br />

Vor ihrem Oberkörper baumeln<br />

mehrere Stoffbeutel, deren Schlaufen<br />

sie sich um den Hals gehängt<br />

hat. Mit der gesunden rechten<br />

Hand steckt sie die Lebensmittel in<br />

die jeweiligen Taschen – getrennt<br />

nach Obst, Gemüse sowie Brot und<br />

Brötchen und verpackten Waren.<br />

Am Gemüse-Stand hält sie ein<br />

Pläuschchen und bedankt sich für<br />

die Paprika. „Die kaufe ich nicht<br />

mehr im Geschäft, seitdem sie so<br />

teuer geworden sind“, sagt sie.<br />

Schon kurz nach der Eröffnung<br />

stehen die Menschen in der Kirche<br />

Schlange. Einige haben Taschen in<br />

den Händen, andere ziehen einen<br />

Einkaufstrolley hinter sich her. Es<br />

stehen Frauen mit Kinderwagen<br />

neben Senioren, die auf ihrem Rollator<br />

sitzen und warten.<br />

Aufnahmestopp<br />

Wöchentlich holen sich im<br />

Schnitt 130 Haushalte in der Kirche<br />

Lebensmittel, sagt Lydia<br />

Schmuck. Die 73-Jährige sitzt am<br />

Eingang und kontrolliert die Nachweise<br />

der Eintretenden. Das Angebot<br />

kann nur nutzen, wer Arbeitslosengeld<br />

II, eine geringe Rente<br />

Foto: Jörg Ciszewski<br />

oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz<br />

bezieht und<br />

das belegen kann. Schmuck hakt<br />

auf einer Liste die Namen derer ab,<br />

die sich bei ihr anmelden. Alle bekommen<br />

ein Zettelchen mit einer<br />

Zahl und einem Vermerk, ob Kinder<br />

im Haushalt leben. Wer aufgerufen<br />

wird, kann einkaufen. Alles<br />

läuft ruhig und geregelt.<br />

Die Tafel Deutschland klagt seit<br />

einiger Zeit über die wachsende<br />

Zahl der Bedürftigen bei rückläufigen<br />

Spenden. Bundesweit habe<br />

jede dritte Ausgabestelle bereits<br />

einen Aufnahmestopp verhängt. In<br />

Tempelhof ist die Spendenbereitschaft<br />

weiterhin gut, sagt Schmuck.<br />

Doch auch hier werden seit Ende<br />

November keine neuen Kundinnen<br />

und Kunden mehr aufgenommen.<br />

Kundenzahl verdoppelt<br />

In Berlin gibt es 47 Ausgabestellen,<br />

die aktuell rund 80000 Kundinnen<br />

und Kunden pro Monat<br />

versorgen. Im Vergleich zum Februar<br />

2<strong>02</strong>2 habe sich die Zahl verdoppelt,<br />

so die Tafel Berlin. Bundesweit<br />

gehen rund zwei Millionen<br />

Menschen zur Tafel.<br />

Auch wenn das Angebot vielen<br />

hilft, ist die Tafel nicht unumstritten.<br />

Es sei Aufgabe des Staates, die<br />

Armut zu bekämpfen, so die Kritik.<br />

Der Armutsforscher Professor<br />

Stefan Selke ist der Meinung, dass<br />

sich mit überschüssigen Lebensmitteln,<br />

die an Bedürftige verteilt<br />

werden, nicht das Problem der<br />

Armut lösen lässt. Mittlerweile<br />

würden die Tafeln sogar Lebensmittel<br />

dazukaufen. Es habe sich<br />

eine Armutsökonomie entwickelt,<br />

von der viele profitieren, die aber<br />

das Wegwerfverhalten der Konsumgesellschaft<br />

nicht löst.<br />

Christina S. will sich an dieser<br />

Diskussion nicht beteiligen. Sie ist<br />

froh, dass sie sich durch die Einkäufe<br />

bei der Tafel auch mal etwas<br />

erlauben kann, „was ansonsten<br />

nicht drinsitzen würde“ – zum<br />

Beispiel ein schönes Geschenk für<br />

ihren Enkel. Jörg Ciszewski<br />

„Eine sozial gerechte Gesellschaft anstreben“<br />

Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland, spricht über Armut und Teilhabe<br />

Seit 30 Jahren versorgen die Tafeln<br />

Menschen in Deutschland mit<br />

Lebensmitteln. Im Gespräch mit<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele<br />

erzählt Jochen Brühl, Vorsitzender<br />

der Tafel Deutschland, von seinem<br />

Engagement gegen Armut.<br />

Der Sozialverband <strong>VdK</strong> weiß, dass<br />

Menschen Sozialleistungen aus<br />

Angst und Scham nicht beantragen.<br />

Wie sind Ihre Erfahrungen bei<br />

den Tafeln?<br />

Das ist vor allem bei den Erstbesuchen<br />

so, dass die Leute Angst haben,<br />

erkannt zu werden. Ein wichtiger<br />

Teil unserer Arbeit ist, dass<br />

wir den Menschen die Scham<br />

nehmen. Tafeln sind immer auch<br />

Orte der Begegnung, wo man als<br />

Mensch gesehen wird. Und 20 Prozent<br />

der Menschen, die als Kundinnen<br />

und Kunden zu uns kommen,<br />

sind auch Helfende.<br />

Die Zahl derer, die die Tafeln aufsuchen,<br />

ist im Jahr 2<strong>02</strong>2 im bundesweiten<br />

Durchschnitt um 50<br />

Prozent gestiegen. Wie geht es<br />

Ihren Einrichtungen damit?<br />

Für die Tafel-Helfenden war die<br />

Corona-Zeit schon extrem herausfordernd.<br />

Dann kam dieser furchtbare<br />

Krieg, die Inflation, der Anstieg<br />

der Lebensmittel-, Wohnund<br />

Energiekosten. Das hat die<br />

Ehrenamtlichen erneut an ihre<br />

Grenzen gebracht.<br />

Tafeln, die vielleicht bisher 1500<br />

Kundinnen und Kunden hatten,<br />

haben auf einmal 3000 oder 4000.<br />

Jochen Brühl (links) bei einer Aktion der Tafel in Köln.<br />

Über 60 Prozent der Tafel-Helfenden<br />

haben gesagt, dass es physische<br />

und psychische Erschöpfungen<br />

mit sich bringt. Das sind Ehrenamtliche,<br />

die das in ihrer<br />

Freizeit machen.<br />

Wie gehen Sie damit um, dass Sie<br />

immer weniger Lebensmittel und<br />

immer mehr Hilfesuchende haben?<br />

Wir verteilen anders. Wir versuchen,<br />

dass jede und jeder, der zu<br />

uns kommt, nicht <strong>ohne</strong> Lebensmittel<br />

gehen muss. Gleichzeitig<br />

bauen wir unsere Bemühungen<br />

aus, Lebensmittel auf anderen<br />

Wegen zu akquirieren, indem wir<br />

mit Großunternehmen sprechen,<br />

indem wir bereit sind, Großmengen<br />

abzunehmen, unsere Logistik<br />

Foto: imago/epd<br />

auszubauen und zu verbessern.<br />

Für uns ist wichtig, dass wir auf<br />

der einen Seite Lebensmittelüberflüsse<br />

abbauen und auf der anderen<br />

Seite Menschen, die von Armut<br />

bedroht oder betroffen sind,<br />

unterstützen. Diese Dualität leben<br />

wir weiter. Wir sind sehr kreativ,<br />

was die Lebensmittel-Akquise<br />

betrifft.<br />

Ihnen wird oft vorgeworfen, dass<br />

Sie Armut nicht selbst bekämpfen.<br />

Was entgegnen Sie?<br />

Da engagieren sich 60000 Menschen<br />

für ihre Mitbürgerinnen und<br />

Mitbürger. Da retten wir Lebensmittel,<br />

die wir sonst wegschmeißen<br />

würden. Wir halten der Gesellschaft<br />

den Spiegel vor, was schiefläuft.<br />

Da ist die Frage, wen kritisieren<br />

wir? Die, die uns den Spiegel<br />

vorhalten, oder eine Politik, die<br />

wegschaut, die Armut ignoriert?<br />

Ich glaube, dass unsere Sozialpolitik<br />

definitiv verändert werden<br />

muss.<br />

Und was wünschen Sie sich von<br />

der Sozialpolitik?<br />

Meine Positionen sind sehr deutlich:<br />

Es geht um bedarfsgerechte<br />

Leistungen für Menschen, die von<br />

Armut bedroht oder betroffen sind.<br />

Es geht um Teilhabe, gerade auch<br />

in Familien, dass die Kinder die<br />

Chance haben, wie andere Kinder<br />

auch an Bildung teilzuhaben.<br />

Es ist wichtig, dass wir die Thematik<br />

Frauen und Beruf, Familie<br />

und Beruf auf dem Schirm haben<br />

Podcast „In guter Gesellschaft“<br />

Das ganze Interview mit dem Vorsitzenden<br />

der Tafel Deutschland,<br />

Jochen Brühl, hören Sie im neuen<br />

Podcast von <strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena<br />

Bentele „In guter Gesellschaft“.<br />

Darin spricht Brühl ausführlicher<br />

über die Bedeutung der<br />

Tafeln in Deutschland und geht<br />

der Frage nach, warum immer<br />

mehr Menschen in Deutschland<br />

das Angebot der Tafeln nutzen.<br />

In einer weiteren Podcast-Folge<br />

spricht Verena Bentele mit Fritz<br />

Fischer, einem der erfolgreichsten<br />

Biathleten in Deutschland. Der<br />

Bayer ist zweifacher Weltmeister<br />

und hat mit der Staffel Olympia<br />

und dass Bildung nicht nur abhängig<br />

ist vom Einkommen der<br />

Eltern.<br />

Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft,<br />

als Bürgerinnen und Bürger,<br />

die sich engagieren, der Politik<br />

sehr deutlich auf die Füße treten.<br />

Das Ausspielen derjenigen, die viel<br />

zu wenig haben, und derjenigen,<br />

die noch weniger haben, muss aufhören.<br />

Es ist wichtig, dass wir eine sozial<br />

gerechte Gesellschaft anstreben,<br />

in der der Einzelne zählt und nicht<br />

das, was er an Einkommen hat.<br />

Mich erschreckt die Wahlbeteiligung<br />

unter armen Menschen. Wir<br />

müssen uns alle vor Augen führen,<br />

dass soziale Ungerechtigkeit zu<br />

einer Spaltung der Gesellschaft<br />

führen kann.<br />

gewonnen. In ihrem Gespräch<br />

unterhalten sich die beiden Spitzensportler<br />

über Fischers lange<br />

Karriere und sprechen über seine<br />

Mitgliedschaft beim Sozialverband<br />

<strong>VdK</strong>.<br />

Die beiden neuen Folgen des<br />

Podcasts können Sie ab sofort<br />

hören: www.vdk.de/podcast juf


4 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

Politik<br />

Die wichtigsten Regelungen beim Bürgergeld<br />

Schonvermögen und ein höherer Schutz von W<strong>ohne</strong>igentum sind Neuerungen in der Grundsicherung<br />

Das Bürgergeld hat im Bereich der<br />

Grundsicherung die bisherigen<br />

sogenannten Hartz-IV-Leistungen<br />

abgelöst. Daraus ergeben sich seit<br />

Anfang 2<strong>02</strong>3 viele Neuerungen für<br />

Leistungsempfängerinnen und<br />

-empfänger. Einige Regelungen<br />

gelten auch für die Grundsicherung<br />

im Alter oder bei Erwerbungsminderung.<br />

Die <strong>VdK</strong>-ZEITUNG hat<br />

die wichtigsten Neuerungen zusammengestellt.<br />

Regelsätze<br />

Die Regelsätze des neuen Bürgergelds<br />

sind seit Anfang 2<strong>02</strong>3 für<br />

alle Empfängerinnen und Empfänger<br />

in der Grundsicherung angepasst:<br />

Alleinstehende erhalten 5<strong>02</strong><br />

Euro pro Monat. Bei Paaren erhalten<br />

beide je 451 Euro pro Monat.<br />

Diese neuen Regelsätze gelten sowohl<br />

im Bürgergeld als auch für<br />

alle in der Grundsicherung im Alter<br />

und bei Erwerbsminderung.<br />

Keine Zwangsverrentung<br />

Bis Ende 2<strong>02</strong>6 fällt die sogenannte<br />

Zwangsverrentung für ältere<br />

Menschen weg. Bisher konnten<br />

Bezieherinnen und Bezieher<br />

von Arbeitslosenhilfe II über 63<br />

Jahre dazu verpflichtet werden, in<br />

die vorgezogene Altersrente zu<br />

gehen – und mussten deshalb hohe<br />

Abschläge in der Rente in Kauf<br />

nehmen. Der Sozialverband <strong>VdK</strong><br />

begrüßt diese Neuregelung, die<br />

eine Ungerechtigkeit beendet.<br />

Das neue Bürgergeld ersetzt die bisherigen sogenannten Hartz-IV-Leistungen.<br />

Schonvermögen<br />

Die Vermögensprüfung wurde<br />

für Neuanträge auf Bürgergeld für<br />

das erste Jahr ausgesetzt. In dieser<br />

Zeit wird Vermögen von bis zu<br />

40000 Euro nicht geprüft. Bei<br />

Neuantragstellende im Bürgergeld<br />

wurde ein Jahr Karenzzeit bei den<br />

Wohnkosten eingeführt. Das heißt,<br />

dass das selbst genutzte W<strong>ohne</strong>igentum<br />

für ein Jahr nicht angetastet<br />

wird.<br />

Des Weiteren wurde ein Schonvermögen<br />

von 15 000 Euro pro<br />

Person beim Bürgergeld eingeführt.<br />

In der Grundsicherung im<br />

Alter sowie bei Erwerbsminderung<br />

liegt die Grenze bei 10 000<br />

Euro pro Person, bisher waren<br />

hier nur 5000 Euro Vermögen<br />

erlaubt.<br />

Wohnkosten<br />

Für das erste Jahr nach Antragstellung<br />

werden die tatsächlichen<br />

Wohn- beziehungsweise Mietkosten<br />

übernommen. Heizkosten<br />

werden sie in angemessener Höhe<br />

übernommen. Für den Fall, dass<br />

der Lebenspartner während des<br />

Leistungsbezugs sterben sollte, gilt<br />

ebenfalls ein Jahr Karenzzeit bei<br />

Foto: picture alliance/Christian Ohde<br />

den Wohnkosten: In dieser Zeit<br />

werden die Wohnkosten noch in<br />

der bisherigen Höhe übernommen<br />

und erst nach einem Jahr neu berechnet.<br />

Diese neue Regelung gilt<br />

sowohl im Bürgergeld als auch bei<br />

der Grundsicherung im Alter und<br />

bei Erwerbsminderung.<br />

Auto<br />

In der Grundsicherung im Alter<br />

oder bei Erwerbsminderung gab es<br />

eine wichtige Änderung: Ein angemessenes<br />

Auto gilt als geschütztes<br />

Vermögen und muss nicht verkauft<br />

werden.<br />

Julia Frediani<br />

Vergessen bei der<br />

Energiepreispauschale<br />

Die Energiepreispauschale wurde<br />

inzwischen an verschiedene Gruppen<br />

ausgezahlt. Andere gehen<br />

weiterhin leer aus.<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele<br />

kritisiert diese Ungleichbehandlung<br />

scharf. „Wer nicht arbeitet oder keine<br />

Rente erhält, hat anscheinend Pech<br />

gehabt. Aber auch diese Menschen<br />

sind auf das Geld angewiesen.“<br />

Zu ihnen gehören pflegende Angehörige<br />

ebenso wie Eltern, die<br />

sich in der Elternzeit um ihre Kinder<br />

kümmern, <strong>ohne</strong> Elterngeld zu<br />

beziehen. Das gleiche gilt für all<br />

jene, die Krankengeld oder Übergangsgeld<br />

empfangen, aber in keinem<br />

aktiven Dienstverhältnis stehen.<br />

Auch bei den Rentnerinnen<br />

und Rentnern gibt es Ausnahmen:<br />

Wer sich in der passiven Phase der<br />

Altersteilzeit oder im Vorruhestand<br />

befindet oder eine Rente<br />

nach dem Bundesversorgungsgesetz<br />

(BVG) oder aus der Unfallversicherung<br />

erhält, ist von der Zahlung<br />

ausgenommen.<br />

Der <strong>VdK</strong> fordert, dass die Pauschale<br />

auch jene bekommen, die<br />

bisher durchs Raster gefallen sind.<br />

Das Geld könnte über das Krankengeld,<br />

das Übergangsgeld, die BVG-<br />

Rente beziehungsweise die Unfallversicherung<br />

ausgezahlt werden.<br />

Die Rentenversicherung könnte sie<br />

an registrierte pflegende Angehörige<br />

überweisen. „Dies wäre ein richtiger<br />

Schritt und sozial gerecht“, so<br />

Bentele. Tipp: Wer das Geld trotz<br />

Anspruch nicht bis zum 9. Januar<br />

erhalten hat, kann die Auszahlung<br />

bis 30. Juni 2<strong>02</strong>3 beantragen. ken<br />

Mehr Menschen verarmen<br />

Vertrauen in Demokratie ist erschüttert<br />

Hilfe bei hohen Heizkosten<br />

Kostenübernahme durch Jobcenter oder Sozialamt nach Antrag möglich<br />

Foto: picture alliance/Arne Dedert<br />

2019 waren so viele Menschen von<br />

Armut betroffen wie noch nie. Das<br />

ist das Ergebnis des neuen Verteilungsberichts<br />

der Hans-Böckler-<br />

Stiftung.<br />

Immer mehr Menschen sind arm.<br />

Trotz einer günstigen wirtschaftlichen<br />

Entwicklung hat sich<br />

in den vergangenen zehn Jahren<br />

die Armut in Deutschland weiter<br />

verfestigt. Betrug die Armutsquote<br />

im Jahr 2010 noch 14,3 Prozent,<br />

lag sie 2019 bereits bei 16,8 Prozent<br />

– ein deutlicher Anstieg, der<br />

schon stattfand, bevor die Corona-Pandemie<br />

und die Energiepreiskrise<br />

die Gesellschaft schwer<br />

belastet haben.<br />

Als „arm“ gilt, wer ein Nettoeinkommen<br />

von weniger als 60 Prozent<br />

des mittleren Einkommens in<br />

Deutschland bezieht. Wie ein Leben<br />

unterhalb der Armutsgrenze<br />

aussieht, fassen die Autorinnen<br />

vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen<br />

Institut der Stiftung<br />

so zusammen: „Arme müssen<br />

auf viele Güter des alltäglichen<br />

Lebens verzichten, sie leben in kleineren<br />

Wohnungen und haben einen<br />

schlechteren Gesundheitszustand.“<br />

Insgesamt sind ihre Möglichkeiten<br />

zur sozialen Teilhabe stark eingeschränkt.<br />

Die daraus resultierende<br />

Unzufriedenheit gefährdet den gesellschaftlichen<br />

Zusammenhalt: In<br />

Umfragen zeigt sich, dass nur etwa<br />

jeder Zweite der Betroffenen der<br />

Meinung ist, dass die Demokratie<br />

hierzulande gut funktioniert. Das<br />

Vertrauen in die staatlichen Institutionen<br />

werde durch die hohe Inflation<br />

erschüttert, so die Befürchtung<br />

der Verfasserinnen.<br />

Im Verteilungsbericht fordern sie<br />

ein „wirksameres politisches Engagement<br />

gegen Armut“. Dies gelte<br />

umso mehr, da der Spardruck mittlerweile<br />

bis weit in die Mittelschicht<br />

hinein reiche und sozialer<br />

Abstieg auch Menschen drohe, die<br />

sich bislang wenig finanzielle Sorgen<br />

machen mussten.<br />

Als Maßnahmen schlagen sie<br />

mehr sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung, höhere Löhne für<br />

Geringverdiener und -verdienerinnen<br />

sowie einen Abbau des Niedriglohnsektors<br />

vor. Auch müsse<br />

das Grundsicherungsniveau deutlich<br />

angehoben und der soziale<br />

Wohnungsbau stärker gefördert<br />

werden.<br />

gol<br />

In der Grundsicherung im Alter, bei<br />

Erwerbsminderung und im Bürgergeld<br />

gibt es Möglichkeiten, die<br />

Übernahme von Heizkosten zu<br />

beantragen.<br />

Diese Wege können Menschen<br />

helfen, die trotz der einmaligen<br />

Übernahme der Gasrechnung im<br />

Dezember und trotz der Stromund<br />

Gaspreisbremsen, die im<br />

Frühjahr einsetzen, nicht wissen,<br />

wie sie ihre Heizkosten bezahlen<br />

sollen.<br />

In der Grundsicherung im Alter<br />

und bei Erwerbsminderung gibt es<br />

die Möglichkeit, dass das Sozialamt<br />

Heizkostenschulden in Form<br />

eines Darlehens übernimmt. Auch<br />

wenn man vorher keine Leistungen<br />

über das Sozialamt bezogen<br />

hat, kann man die Übernahme der<br />

hohen Kosten für den Kauf von<br />

Heizmittelvorräten oder die jährliche<br />

Heizkostenabrechnung beantragen,<br />

wenn man dadurch in finanzielle<br />

Not geraten ist.<br />

Beim neuen Bürgergeld können<br />

Heizkostenabrechungen nach Antrag<br />

beim Jobcenter mit einer dreimonatigen<br />

Rückwirkung übernommen<br />

werden. Diese Änderung<br />

verbessert die bisherige Regelung<br />

erheblich. Bisher konnte man die<br />

Übernahme der Heizkostenrechnung<br />

nur im gleichen Monat beantragen,<br />

in dem man die Rechnung<br />

erhalten hatte. Nach der neuen<br />

Regelung gilt: Wer im November<br />

2<strong>02</strong>2 Heizöl, Pellets oder andere<br />

Energieträger bestellt hatte, kann<br />

Hohe Heizrechnungen – für viele Menschen ein Problem. Foto: imago/Ohde<br />

noch im neuen Jahr drei Monate<br />

rückwirkend im Jobcenter beantragen,<br />

dass die Kosten übernommen<br />

werden.<br />

Davon profitieren jetzt auch diejenigen<br />

Personen, die bisher keine<br />

Leistungen vom Jobcenter erhalten<br />

haben. Auch wenn der Gang zum<br />

Jobcenter dem einen oder anderen<br />

schwerfallen wird, empfiehlt ihn<br />

der Sozialverband <strong>VdK</strong> Deutschland,<br />

wenn Mitglieder Unterstützung<br />

bei der Bezahlung der Energiekosten<br />

benötigen. <strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />

Verena Bentele appelliert:<br />

„Das sind keine Almosen, sondern<br />

das steht den Menschen zu. Die<br />

Krise macht vor niemandem halt.“<br />

Bei Nachtspeicherheizungen<br />

wurde folgende Regelung gefunden:<br />

Ein monatlicher Durchschnittspreis<br />

wird anhand der<br />

zeitlichen Gültigkeit der Tarifstufen<br />

ermittelt. Es gibt eine Entlastung<br />

für den Nachtstrom, auch<br />

wenn der Nachttarif unter 40 Cent<br />

liegt.<br />

Bisher hat Berlin als einziges<br />

Bundesland einen Härtefallfonds<br />

für Menschen, die ihre Energierechnungen<br />

nicht bezahlen können,<br />

eingerichtet. Andere Länder<br />

sollen folgen. Julia Frediani<br />

Weitere Informationen<br />

Für alle Betroffenen bietet die<br />

Webseite www.energie-hilfe.org<br />

Informationen und die Anträge<br />

zur Übernahme von Heizkosten<br />

durch Jobcenter oder Sozialamt.<br />

www.energie-hilfe.org


So hilft der <strong>VdK</strong><br />

Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

5<br />

Krankenkasse lehnt Operation ab<br />

<strong>VdK</strong> erstreitet vor dem Sozialgericht Kostenübernahme für Mitglied – Medizinisch notwendiger Eingriff ist keine Schönheits-OP<br />

Rita Best hat mit dem <strong>VdK</strong> Hessen-Thüringen<br />

an ihrer Seite ihre<br />

Krankenkasse verklagt, weil die<br />

sich weigerte, die Kosten für eine<br />

medizinisch empfohlene Bauch-<br />

OP zu übernehmen. Die Kasse<br />

hatte die Ablehnung damit begründet,<br />

dass es sich um eine<br />

Schönheitsoperation handelt.<br />

Rita Best ist eine resolute Frau<br />

und steht mit beiden Beinen fest im<br />

Leben. Doch was die Friseurin und<br />

Mutter einer erwachsenen Tochter<br />

in den vergangenen Jahren erlebte,<br />

hat sie völlig aus der Bahn geworfen.<br />

Ihre Leidensgeschichte begann<br />

mit starken Bauchschmerzen<br />

während eines Thailand-Urlaubs.<br />

Die Untersuchung in einer Klinik<br />

vor Ort blieb <strong>ohne</strong> Diagnose. Die<br />

heute 60-Jährige überstand den<br />

Urlaub nur mithilfe von Schmerzmitteln<br />

und fuhr nach ihrer Rückkehr<br />

nach Deutschland sofort in<br />

eine Klinik. Dort schlugen die<br />

Ärzte Alarm.<br />

Sie diagnostizierten einen<br />

Durchbruch des Blinddarms, der<br />

bereits verkapselt und mit anderen<br />

Organen verwachsen war. Nach<br />

einer Not-OP stellte sich heraus,<br />

dass auch der Dickdarm verletzt<br />

war und dadurch der Bauchraum<br />

bakteriell infiziert wurde. Best<br />

verbrachte mehrere Tage auf der<br />

Intensivstation. Der Bauch musste<br />

wiederholt geöffnet und gereinigt<br />

werden. Innerhalb von vier Wochen<br />

wurde sie insgesamt sechsmal<br />

operiert. Die innere Wunde heilte<br />

nicht richtig, und es entstand am<br />

Bauch eine große Ausbeulung<br />

(Bauchwandhernie), weil der<br />

Darm durch ein Loch im Gewebe<br />

in die Bauchwand austrat. Sie litt<br />

unter starken Schmerzen.<br />

Massive Vernarbungen<br />

Die Bauchwandhernie wurde<br />

operiert, und der Darm mit einem<br />

eingesetzten Muskel und einem<br />

Kunststoffnetz in die Bauchhöhle<br />

zurückgedrängt. Durch die vielen<br />

Bauchoperationen hatten sich<br />

Narben und überschüssiges Gewebe<br />

gebildet. Das führte dazu, dass<br />

Rita Best ihren Oberkörper wegen<br />

des zusätzlichen Gewichts nicht<br />

aufrecht halten konnte. Die Ärzte<br />

attestierten ihr Haltungsschäden,<br />

die zu drei Bandscheibenvorfällen<br />

führten. Außerdem entzündete<br />

sich die Haut unter der Bauchfalte<br />

regelmäßig.<br />

Als sie sich wegen der Beschwerden<br />

an eine Klinik wandte, empfahl<br />

der Arzt, die Narben und das<br />

überschüssige Gewebe zu entfernen<br />

und den Bauch zu straffen.<br />

Doch ihre Krankenkasse stellte<br />

Rita Best aus Südhessen kämpfte jahrelang mit dem Sozialverband <strong>VdK</strong><br />

um die Kostenübernahme für eine Operation.<br />

Foto: Privat<br />

sich quer: „Die Kosten für einen<br />

operativen Eingriff zur Befriedigung<br />

des ästhetischen Aussehens“<br />

könnten nicht übernommen werden,<br />

schrieb sie in ihrer Ablehnung.<br />

Der <strong>VdK</strong> widersprach und machte<br />

deutlich, dass es sich um einen<br />

medizinisch notwendigen Eingriff<br />

handelt. Dabei stützte sich <strong>VdK</strong>-Juristin<br />

Jana Stein von der Bezirksgeschäftsstelle<br />

Darmstadt auf die<br />

Empfehlung der behandelnden<br />

Ärzte. Die Krankenkasse hielt<br />

dennoch an ihrer Beurteilung fest<br />

und führte Gutachten des Medizinischen<br />

Dienstes an, die ausschließlich<br />

nach Aktenlage entstanden<br />

waren.<br />

Eindeutiges Gutachten<br />

Als der <strong>VdK</strong> gegen die Kasse<br />

klagte, beauftragte das Sozialgericht<br />

ein Sachverständigengutachten<br />

bei einem Facharzt für Chirurgie<br />

und Notfallmedizin. Der Arzt<br />

befürwortete, die „Rekonstruktion<br />

der vorderen Bauchwand“ durch<br />

die Entfernung des vernarbten<br />

Gewebes und eine Bauchstraffung,<br />

um bei der Patientin wieder eine<br />

schmerzfreie Mobilität zu erreichen.<br />

Die OP sei die einzige Möglichkeit,<br />

das Ziel zu erreichen.<br />

Erst daraufhin willigte die Krankenkasse<br />

mehr als zwei Jahre nach<br />

dem Antrag ein, die Kosten zu<br />

übernehmen. Stein ist sich sicher:<br />

Hätte der Medizinische Dienst<br />

Rita Best direkt nach dem Antrag<br />

persönlich begutachtet, wären ihr<br />

zwei Jahre Leid erspart geblieben.<br />

Die Operation ist Ende Februar.<br />

Rita Best verbindet mit dem Eingriff<br />

große Erwartungen: „Ich<br />

möchte endlich mein altes Leben<br />

zurück haben.“ Jörg Ciszewski<br />

<strong>VdK</strong> erkämpft EM-Rente<br />

DRV muss Mitglied 57 000 Euro nachzahlen<br />

Von klein auf leidet Vera Schneider-Engelmann<br />

unter schwerem<br />

Rheuma. Ihr Gesundheitszustand<br />

verschlechterte sich, je älter sie<br />

wurde. Als ihr im Erwachsenenalter<br />

die Erwerbsminderungsrente<br />

(EM-Rente) von der Deutschen<br />

Rentenversicherung (DRV) aberkannt<br />

wurde, kämpfte der <strong>VdK</strong>-Landesverband<br />

<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> mit<br />

Erfolg gegen diese Entscheidung.<br />

Wenn Vera Schneider-Engelmann<br />

einen Rheuma-Schub hat,<br />

bereitet ihr jede Bewegung<br />

Schmerzen. Bei der heute 32-jährigen<br />

Frau hatten die Ärzte schon<br />

vor 20 Jahren eine schwere Form<br />

des kindlichen Rheumas festgestellt,<br />

die den ganzen Körper betrifft.<br />

Die Beschwerden nahmen<br />

im Laufe der Jahre weiter zu.<br />

Im Jahr 2011 stellte sie während<br />

ihrer Berufsausbildung zur Verwaltungsfachangestellten<br />

einen<br />

Antrag auf eine Rente wegen voller<br />

Erwerbsminderung und erhielt<br />

diese für 16 Monate. Die DRV beendete<br />

die Zahlung dann, weil der<br />

Gesundheitszustand sich angeblich<br />

verbessert hatte. Den Widerspruch<br />

lehnte die DRV ab.<br />

Zu krank zum Arbeiten<br />

Aufgrund ihrer gesundheitlichen<br />

Probleme war die junge Frau auch<br />

danach ständig in ärztlicher Behandlung.<br />

Bis sie ihren Partner<br />

kennenlernte, lebte sie zeitweise<br />

von Hartz IV. „Ich war zu krank<br />

zum Arbeiten, aber habe keine<br />

Erwerbsminderung bekommen“,<br />

beschreibt sie die Situation heute.<br />

Im Jahr 2019 nahm sie einen<br />

neuen Anlauf. Dabei unterstützte<br />

sie Marcel Unger, Geschäftsführer<br />

der <strong>VdK</strong>-Kreisgeschäftsstelle Bad<br />

Kreuznach. Er erhielt von seiner<br />

Mandantin einen dicken Ordner<br />

mit ärztlichen Befunden und dem<br />

bisherigen Verfahrensverlauf und<br />

stellte bei der Rentenkasse einen<br />

Antrag auf Überprüfung der Ablehnung.<br />

Er legte dar, dass sich der<br />

Gesundheitszustand seiner Mandantin<br />

nicht verbessert hatte.<br />

Die DRV räumte daraufhin zwar<br />

ein, dass die Frau seit 2019 voll<br />

erwerbsgemindert war. Aber weil<br />

sie in den vorangegangenen fünf<br />

Jahren nicht mindestens drei Jahre<br />

in die Rentenversicherung eingezahlt<br />

hatte, stehe ihr keine Erwerbsminderungsrente<br />

zu.<br />

Fehler im Verfahren<br />

In seinem Widerspruch wies Unger<br />

nach, dass die DRV im Widerspruchsverfahren<br />

2013 Fehler gemacht<br />

hatte. Notwendige Untersuchungen<br />

seien nicht durchgeführt<br />

und Befunde nicht abgefragt worden.<br />

Er beantragte deshalb, den<br />

Eintritt der Erwerbsminderung<br />

entsprechend zurückzudatieren.<br />

Darauf ließ sich die DRV ein und<br />

erkannte einen Anspruch auf volle<br />

Erwerbsminderung ab 2011 an. Der<br />

Beginn des Rentenbezugs wurde<br />

auf den 1. Januar 2015 datiert, weil<br />

Ansprüche davor bereits verjährt<br />

waren. Schneider-Engelmann erfüllte<br />

nun die Kriterien für eine<br />

EM-Rente und erhielt eine Nachzahlung<br />

von rund 57 000 Euro. Weil<br />

sie zeitweise Hartz IV erhielt, wurden<br />

davon rund 35200 Euro an das<br />

Jobcenter erstattet. Sie erhält nun<br />

eine unbefristete EM-Rente von<br />

856 Euro brutto. cis


6 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Pflege<br />

Wohngeld auch für Heimbew<strong>ohne</strong>r<br />

Immer mehr Menschen können die Kosten für ein Pflegeheim nicht aufbringen – Wo es Unterstützung gibt<br />

Die Kosten für Pflege sind enorm<br />

gestiegen. Immer mehr Betroffene<br />

kommen dadurch in finanzielle<br />

Schwierigkeiten. Wer das Pflegeheim<br />

nicht mehr bezahlen kann,<br />

hat mehrere Möglichkeiten, Unterstützung<br />

zu bekommen.<br />

Mit der Reform des Wohngelds<br />

zum 1. Januar 2<strong>02</strong>3 haben mehr<br />

Menschen als bisher Anspruch auf<br />

Wohngeld. Das betrifft auch Pflegebedürftige.<br />

Das neue „Wohngeld<br />

Plus“ können nicht nur Betroffene<br />

beantragen, die zu Hause versorgt<br />

werden, sondern auch die Bew<strong>ohne</strong>rinnen<br />

und Bew<strong>ohne</strong>r von Pflegeheimen.<br />

Um einen staatlichen<br />

Zuschuss für ihre Wohnkosten zu<br />

erhalten, müssen sie bestimmte<br />

Bedingungen erfüllen.<br />

Keine anderen Leistungen<br />

So wird Wohngeld nur dann gewährt,<br />

wenn keine anderen Sozialleistungen,<br />

wie etwa Hilfe zur<br />

Pflege, bezogen werden. Darin<br />

sind nämlich die Kosten für die<br />

Unterkunft bereits berücksichtigt.<br />

Außerdem darf das Jahreseinkommen<br />

eine bestimmte Höhe nicht<br />

überschreiten. Das Vermögen hingegen<br />

wird erst geprüft, wenn es<br />

über 60000 Euro beträgt.<br />

Wohngeld bezieht man nicht automatisch.<br />

Es muss bei der örtlichen<br />

Wohngeldbehörde beantragt<br />

werden. Die Antragstellerin beziehungsweise<br />

der Antragsteller muss<br />

sämtliche Einkünfte offenlegen.<br />

Wer finanzielle Sorgen hat, kann in bestimmten Fällen Wohngeld für sein Zimmer im Pflegeheim beantragen.<br />

Für Pflegebedürftige in stationären<br />

Einrichtungen gibt es in vielen<br />

Bundesländern einen eigenen<br />

„Wohngeldantrag für Heimbew<strong>ohne</strong>r“.<br />

In diesem Formular bestätigt<br />

die Heimleitung die Angaben zum<br />

Wohnraum. Daneben sind weitere<br />

Unterlagen erforderlich, wie etwa<br />

ein Auszug aus dem Heimvertrag,<br />

aktuelle Rentenbescheide und gegebenenfalls<br />

andere Einkünfte.<br />

Nicht notwendig ist es, den Mietwert<br />

des Zimmers zu ermitteln. Bei<br />

Pflegeheimen berücksichtigt der<br />

Gesetzgeber den Höchstbetrag der<br />

jeweiligen Region. Da die Leistung<br />

erst ab Antragstellung gewährt<br />

wird, ist es ratsam, den Antrag<br />

zeitnah zu stellen.<br />

Derzeit sind viele Wohngeldstellen<br />

aufgrund der gestiegenen Antragszahlen<br />

überlastet. Monatelange<br />

Wartezeiten bis zur Bewilligung<br />

der Leistung sind die Folge. Es ist<br />

aber auch möglich, eine vorläufige<br />

Zahlung des Wohngelds zu beantragen.<br />

Voraussetzung ist, dass der<br />

Anspruch auf Wohngeld mit „hinreichender<br />

Wahrscheinlichkeit“<br />

besteht.<br />

Pflegewohngeld<br />

Foto: imago images/Imagebroker<br />

Neben dem Wohngeld gibt es in<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen<br />

und Schleswig-<br />

Holstein auch Pflegewohngeld. Bei<br />

dieser Leistung übernehmen die<br />

Bundesländer die in den Heimkosten<br />

enthaltenen Investitionskosten,<br />

wenn das Einkommen und das<br />

Vermögen der oder des Pflegebedürftigen<br />

nicht ausreicht.<br />

Und schließlich besteht die Möglichkeit,<br />

Hilfe zur Pflege zu beantragen.<br />

Hier handelt es sich um<br />

eine Leistung der Sozialhilfe. Immer<br />

mehr Menschen müssen sie in<br />

Anspruch nehmen. Schätzungen<br />

gehen davon aus, dass bei mehr als<br />

40 Prozent der Heimbew<strong>ohne</strong>rinnen<br />

und -bew<strong>ohne</strong>r die Rente und<br />

die Ersparnisse nicht mehr ausreichen,<br />

um die hohen Heimkosten<br />

zu finanzieren.<br />

Bei der Hilfe zur Pflege bezahlt<br />

der Sozialhilfeträger die Differenz<br />

zum benötigten Betrag an das Pflegeheim.<br />

Außerdem gibt es ein kleines<br />

Taschengeld. Der Antrag beim<br />

zuständigen Sozialamt sollte möglichst<br />

noch vor dem Einzug ins<br />

Pflegeheim gestellt werden. Anspruch<br />

auf Hilfe zur Pflege besteht<br />

mit einem Schonvermögen von bis<br />

zu 10 000 Euro.<br />

Bevor das Sozialamt Hilfe zur<br />

Pflege bewilligt, überprüft es, ob<br />

die Kinder der oder des Pflegebedürftigen<br />

unterhaltspflichtig sind.<br />

Der sogenannte Elternunterhalt<br />

greift, wenn ein Kind ein Jahreseinkommen<br />

von mehr als 100 000<br />

Euro hat. Den Kindern steht jedoch<br />

ein sogenannter „angemessener<br />

Selbstbehalt“ zu. Auch das<br />

Einkommen und Vermögen von<br />

nicht getrennt lebenden Ehegatten<br />

oder Lebenspartnern werden berücksichtigt.<br />

Annette Liebmann<br />

Hilfreiche Gedächtnisstütze<br />

Medikationsplan unterstützt Patientinnen und Patienten bei der Arzneimitteleinnahme<br />

Pflegebedürftige Menschen nehmen<br />

oft eine Vielzahl von Pillen,<br />

Tropfen und Tabletten ein. Um zu<br />

vermeiden, dass es zu gefährlichen<br />

Wechselwirkungen kommt, können<br />

sie sich von ihrer Ärztin oder ihrem<br />

Arzt einen bundeseinheitlichen<br />

Medikationsplan erstellen lassen.<br />

Der Medikationsplan hilft, den<br />

Überblick über die Arzneimitteleinnahme<br />

zu behalten. Er enthält<br />

alle verschreibungspflichtigen<br />

Medikamente, die eine Patientin<br />

oder ein Patient regelmäßig einnehmen<br />

muss. In dieser Übersicht<br />

sollten auch die apothekenpflichtigen<br />

Arzneien aufgeführt werden,<br />

die zusätzlich eingenommen werden.<br />

Dazu zählen zum Beispiel<br />

Schmerzmittel oder Säureblocker.<br />

Der Plan enthält nicht nur Angaben<br />

zum Wirkstoff und zur Dosierung,<br />

sondern auch wichtige Hinweise<br />

für die sichere Anwendung<br />

der Präparate.<br />

Ziel ist es, Wechselwirkungen zu<br />

vermeiden und die Patientinnen<br />

und Patienten bei der richtigen<br />

Einnahme ihrer Medikamente zu<br />

unterstützen. Denn manche Inhaltsstoffe<br />

können die Wirkung<br />

von Arzneimitteln verändern und<br />

unter Umständen sogar neue Beschwerden<br />

auslösen, wie etwa<br />

Schwindel oder Verwirrtheit.<br />

Anspruch auf einen Medikationsplan<br />

haben alle gesetzlich<br />

Krankenversicherten, die für mindestens<br />

28 Tage drei oder mehr<br />

rezeptpflichtige Medikamente<br />

Werden viele Arzneimittel eingenommen, kann es zu Wechselwirkungen<br />

kommen. Der Medikationsplan soll helfen, das zu vermeiden.<br />

einnehmen. In diesem Fall übernehmen<br />

die Krankenkassen die<br />

Kosten für die Erstellung des<br />

Plans. Das Dokument bekommt<br />

man bei der Hausärztin oder dem<br />

Hausarzt. Fachärztinnen und -ärzte<br />

sowie Apotheken können es<br />

laufend ergänzen.<br />

In der Regel wird der Medikationsplan<br />

auf Papier ausgestellt. Seit<br />

2<strong>02</strong>0 gibt es ihn auf Wunsch auch<br />

in digitaler Version, wenn die<br />

Arztpraxis über die entsprechende<br />

Technik verfügt. Wer sich für diese<br />

Variante entscheidet, muss sich<br />

mit der Speicherung seiner Daten<br />

einverstanden erklären. Der elektronische<br />

Medikationsplan wird<br />

auf der elektronischen Gesundheitskarte<br />

abgespeichert. Dafür<br />

wird bei der Krankenkasse eine<br />

PIN-Nummer angefordert.<br />

Viele Vorteile<br />

Die elektronische Variante enthält<br />

zusätzlich Kommentarfelder<br />

und ermöglicht es, zurückliegende<br />

Daten zu speichern. Auch Unverträglichkeiten<br />

und Allergien können<br />

darin erfasst werden. Wer<br />

dennoch seinen Medikationsplan<br />

Foto: imago images/K-P Wolf<br />

auf Papier lesen möchte, kann ihn<br />

sich ausdrucken lassen.<br />

Ein Medikationsplan hat viele<br />

Vorteile. Für Ärztinnen und Ärzte<br />

ist es hilfreich zu wissen, welche<br />

Pillen und Tabletten regelmäßig<br />

eingenommen werden. Mit einer<br />

solchen Übersicht ist unter anderem<br />

auch erkennbar, welche Arzneimittel<br />

abgesetzt werden können.<br />

Den Patientinnen und Patienten<br />

dient der Medikationsplan als<br />

Gedächtnisstütze. Denn wer bei<br />

einem Arztbesuch etwas aufgeregt<br />

ist oder mehr als ein Präparat verordnet<br />

bekommt, kann sich danach<br />

möglicherweise nicht mehr<br />

genau an die Einnahmeverordnung<br />

erinnern.<br />

Außerdem ist es nicht immer<br />

einfach, seine Medikamente auseinanderzuhalten<br />

und pünktlich<br />

an deren Einnahme zu denken.<br />

Hinzu kommt, dass sich pflegende<br />

Angehörige mit einem Medikationsplan<br />

leichter tun, Tabletten und<br />

Pillen in der gewünschten Dosierung<br />

zur gewünschten Zeit bereitzustellen.<br />

Die schriftliche Dokumentation<br />

kann auch bei einem Wechsel des<br />

Arzneimittels hilfreich sein. Meist<br />

haben sich Patientinnen und Patienten<br />

an ein bestimmtes Medikament<br />

gewöhnt. Müssen sie auf ein<br />

anderes Mittel ausweichen, sind<br />

sie oft verunsichert und wissen<br />

nicht, wie sie es einnehmen sollen.<br />

Ein Medikationsplan erleichtert<br />

ihnen die Umstellung.<br />

Annette Liebmann<br />

Pflichtberatung auch<br />

online möglich<br />

Angehörige, die eine Pflegebedürftige<br />

oder einen Pflegebedürftigen<br />

zu Hause versorgen und dafür nur<br />

Pflegegeld erhalten, sind gesetzlich<br />

verpflichtet, regelmäßig Pflegeberatung<br />

in Anspruch zu nehmen.<br />

Seit der Corona-Pandemie sind<br />

auch Online-Beratungen möglich.<br />

Ziel der Beratungseinsätze ist es,<br />

dass sich die Beraterinnen und<br />

Berater einen Eindruck über die<br />

Qualität der häuslichen Pflege<br />

verschaffen. Falls notwendig, unterbreiten<br />

sie Vorschläge zur Verbesserung<br />

der Pflege, machen auf<br />

zustehende Leistungen aufmerksam<br />

und stehen als Ansprechpartner<br />

für Fragen zur Verfügung.<br />

Anders als bei der allgemeinen<br />

Pflegeberatung, die freiwillig in<br />

Anspruch genommen wird, müssen<br />

Beratungsbesuche bei Pflegegeldempfängern<br />

in regelmäßigen<br />

Abständen erfolgen. Mögliche<br />

Probleme sollen dadurch frühzeitig<br />

erkannt und behoben werden.<br />

Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2<br />

und 3 müssen sich einmal halbjährlich,<br />

mit Pflegegrad 4 und 5<br />

einmal vierteljährlich beraten lassen.<br />

Werden diese Termine versäumt,<br />

kann die Pflegekasse Leistungen<br />

kürzen oder streichen. Neu<br />

ist, dass seit der Corona-Pandemie<br />

nicht mehr jeder Beratungstermin<br />

zwingend zu Hause stattfinden<br />

muss. Bereits während der Kontaktbeschränkungen<br />

gab es auch<br />

Online-Beratungen. Nun kann auf<br />

Wunsch jede zweite Beratung per<br />

Video durchgeführt werden. ali


Gesundheit<br />

Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

7<br />

Vorsorge rettet Leben<br />

Zahlen der Untersuchungen zur Früherkennung sind immer noch zu niedrig<br />

Über 510000 Menschen erkranken<br />

in jedem Jahr neu an Krebs. Die<br />

Krankheit gilt als zweithäufigste<br />

Todesursache in Deutschland. Untersuchungen<br />

zur Früherkennung<br />

können Leben retten. Am 4. Februar<br />

ist Weltkrebstag.<br />

Frauen leiden am häufigsten<br />

unter Brust-, Darm- und Lungenkrebs.<br />

Bei Männern sind meistens<br />

die Prostata, der Darm und die<br />

Lunge betroffen.<br />

Bei einer Krebserkrankung verändern<br />

sich die normalen Zellen<br />

des Körpers. Sie entwickeln sich zu<br />

Tumorzellen, die sich unkontrolliert<br />

vermehren und in gesundes<br />

Gewebe hineinwachsen können.<br />

Warum das geschieht, ist bei<br />

vielen Krebsarten noch nicht abschließend<br />

erforscht. Manche<br />

Auslöser sind bekannt, lassen sich<br />

jedoch nicht beeinflussen. Auch<br />

genetische Ursachen können eine<br />

Rolle spielen.<br />

Nachgewiesen ist, dass der Konsum<br />

von Tabak und Alkohol, aber<br />

auch Übergewicht und Bewegungsmangel<br />

das<br />

„Die wirksamste<br />

Möglichkeit, Krebs vorzubeugen,<br />

ist eine gesunde<br />

Lebensweise.“<br />

Beim Screening kann der Hautarzt frühzeitig erkennen, ob sich die Haut verändert.<br />

Risiko, an Krebs<br />

zu erkranken, erhöhen<br />

können. So<br />

ist in Deutschland<br />

etwa das<br />

Tabakrauchen für<br />

19 Prozent aller<br />

Krebserkrankungen<br />

pro Jahr verantwortlich.<br />

„Rund 40 Prozent der Krebsfälle<br />

wären nach heutigem Wissenstand<br />

vermeidbar, wenn alle<br />

bekannten Maßnahmen zur Krebsprävention<br />

konsequent umgesetzt<br />

würden“, sagt<br />

Gerd Nettekoven,<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

der Deutschen<br />

Krebshilfe.<br />

„Eine gesunde<br />

Lebensweise“, so<br />

Nettekoven, „ist<br />

die wirksamste<br />

Möglichkeit, Krebs vorzubeugen.“<br />

Er empfiehlt deshalb, nicht zu<br />

rauchen und möglichst keinen<br />

oder nur wenig Alkohol zu trinken<br />

und dafür viel Gemüse, Hülsenfrüchte<br />

und Obst zu essen.<br />

Auch wer sich ausreichend bewegt<br />

und auf ein normales Körpergewicht<br />

achtet, könne das Krebsrisiko<br />

senken.<br />

Daneben spielt die Früherkennung<br />

eine wichtige Rolle. Sie zielt<br />

darauf ab, rechtzeitig die Vorstufen<br />

von Krebs oder seine frühen<br />

Formen zu entdecken. „Je eher ein<br />

Tumor erkannt wird, desto besser<br />

kann er in der Regel behandelt<br />

werden“, weiß Nettekoven. Oft<br />

können dann auch schonendere<br />

Methoden für die Therapie ausgewählt<br />

werden, und es lässt sich<br />

verhindern, dass sich Tumorzellen<br />

weiter ausbreiten und sich sogenannte<br />

Metastasen bilden.<br />

Die Kosten für die Untersuchungen<br />

zur Früherkennung übernehmen<br />

die gesetzlichen Krankenkassen<br />

für ihre Versicherten. Der<br />

Anspruch hängt vom Alter und<br />

dem Geschlecht ab. Er bezieht sich<br />

auf die Krebserkrankungen von<br />

Gebärmutterhals, Brust, Prostata,<br />

Darm und Haut.<br />

Foto: imago/Panthermedia<br />

Doch viele Deutsche sind laut<br />

Umfragen eher Vorsorgemuffel. So<br />

hat eine Langzeitanalyse des Wissenschaftlichen<br />

Instituts der AOK<br />

(WIdO) ergeben, dass bei der Früherkennung<br />

von Darmkrebs in den<br />

vergangenen zehn Jahren nur etwa<br />

die Hälfte der anspruchsberechtigten<br />

Menschen erreicht wurde.<br />

Auch am Hautkrebs-Screening<br />

nahmen noch zu wenige Menschen<br />

teil: Nur 13 Prozent der Männer<br />

und 16 Prozent der Frauen zwischen<br />

45 und 70 Jahren beteiligten<br />

sich in diesem Zeitraum mindestens<br />

viermal. Besser sieht es bei der<br />

Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs<br />

und beim Brustkrebs-<br />

Screening aus. Hier liegen die Teilnahmeraten<br />

deutlich höher.<br />

Wer akute gesundheitliche Probleme<br />

oder Vorerkrankungen hat,<br />

sollte sich mit einer Ärztin oder<br />

einem Arzt beraten. Das ist besonders<br />

zu empfehlen, wenn es bereits<br />

Krebserkrankungen in der Familie<br />

gegeben hat. Kristin Enge<br />

Weltkrebstag<br />

Der Weltkrebstag wird jedes<br />

Jahr am 4. Februar begangen.<br />

Er wurde von der Weltkrebsorganisation<br />

(UICC) ins Leben<br />

gerufen. In diesem Jahr findet er<br />

unter dem Motto „Versorgungslücken<br />

schließen“ statt. Mehr als<br />

1100 der UICC-Mitgliedsorganisationen<br />

aus über 170 Ländern<br />

beteiligen sich.<br />

Lungenkrebs früher erkennen<br />

Niedrigdosis-Computertomographie ermöglicht bessere Diagnose<br />

Digitale Helfer auf Rezept<br />

Apps unterstützen bei Gesundheitsproblemen<br />

Lungentumore zählen laut Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) zu<br />

den häufigsten Krebsarten. Jedes<br />

Jahr erkranken In Deutschland<br />

etwa 60000 Menschen daran. Oft<br />

verläuft die Krankheit tödlich. Ein<br />

neues Röntgenverfahren soll die<br />

Früherkennung verbessern.<br />

Es steht auf jeder Zigarettenschachtel:<br />

„Rauchen gefährdet<br />

Ihre Gesundheit!“. Doch Konsumentinnen<br />

und Konsumenten von<br />

Tabak und Nikotin hält das nicht<br />

davon ab, sich die nächste Zigarette<br />

anzuzünden. Dabei steht fest,<br />

dass für Lungen- und Bronchialkarzinome<br />

in 90 Prozent der Fälle<br />

das Rauchen verantwortlich zu<br />

machen ist. Menschen von dieser<br />

Gewohnheit abzubringen, gilt daher<br />

immer noch als effektives Mittel,<br />

den Lungenkrebs zu bekämpfen.<br />

Allerdings gelingt das nicht<br />

immer. Für ehemalige Raucherinnen<br />

und Raucher bleibt das Krebsrisiko<br />

auch noch nach vielen Jahren<br />

stark erhöht.<br />

Deshalb beschreitet die Medizin<br />

seit einigen Jahren einen anderen<br />

Weg und setzt verstärkt auf die<br />

Früherkennung von Tumoren in<br />

Lunge und Bronchien. Denn das<br />

Problem bei diesem Krebs war<br />

bisher, dass er meistens erst in einem<br />

fortgeschrittenen Stadium<br />

entdeckt und behandelt wurde.<br />

Die Folge: Viele Patientinnen und<br />

Patienten überlebten das erste Jahr<br />

nach der Diagnose nicht.<br />

Abhilfe schaffen kann ein neues<br />

Röntgenverfahren, das vor einigen<br />

Jahren entwickelt wurde. Bei der<br />

„Niedrigdosis-Computertomographie“<br />

(LDCT) kann die Strahlenbelastung<br />

in etwa mit der einer<br />

Bei einer Niedrigdosis-Computertomographie der Lunge lassen sich<br />

frühzeitig Tumore feststellen.<br />

Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte<br />

einfachen Röntgenuntersuchung<br />

verglichen werden, während<br />

gleichzeitig die Auflösung um das<br />

bis zu Hundertfache verbessert ist.<br />

Damit ermöglicht die LDCT ein<br />

frühzeitiges Erkennen von krankhaften<br />

Veränderungen in Gewebe<br />

und Organen. In Studien konnte<br />

nachgewiesen werden, dass die<br />

Überlebenschancen von Betroffenen,<br />

bei denen der Lungenkrebs<br />

dank dieses Verfahrens in einem<br />

frühen Stadium entdeckt wurde,<br />

deutlich erhöht sind.<br />

Jährliches Screening<br />

In den USA empfehlen Expertinnen<br />

und Experten ein jährliches<br />

Screening mit Hilfe einer LDCT für<br />

aktive und ehemalige Raucherinnen<br />

und Raucher. Auch das Bundesgesundheitsministerium<br />

plant,<br />

ein jährliches Lungenkrebs-<br />

Screening zu etablieren. Die Deutsche<br />

Gesellschaft für Pneumologie<br />

und Beatmungsmedizin spricht sich<br />

dafür aus, dass die gesetzlichen<br />

Krankenkassen die Vorsorgeuntersuchung<br />

übernehmen und mit dem<br />

Angebot einer professionellen Tabakentwöhnung<br />

verknüpfen.<br />

Bisher ist das Mammographie-<br />

Screening für Brustkrebs das einzige<br />

praktizierte Verfahren zur<br />

Früherkennung mithilfe von Röntgenstrahlung.<br />

Das Screening zur<br />

Frühdiagnose von Lungenkrebs<br />

soll voraussichtlich im Frühjahr<br />

2<strong>02</strong>4 zugelassen werden.<br />

Barbara Goldberg<br />

Ob Depressionen, Panikattacken<br />

oder Nikotinabhängigkeit: Immer<br />

häufiger werden Apps auf dem<br />

Smartphone als Unterstützung bei<br />

gesundheitlichen Problemen genutzt.<br />

Schätzungen zufolge soll es<br />

mittlerweile 125000 dieser digitalen<br />

Gesundheitsanwendungen<br />

(DiGAs) geben.<br />

Zu den häufig gefassten guten<br />

Vorsätzen fürs neue Jahr gehört<br />

sicher der Wunsch, mit dem Rauchen<br />

aufzuhören. Apps auf dem<br />

Smartphone können dabei helfen,<br />

die ersten Wochen der Entwöhnung<br />

erfolgreich zu überstehen.<br />

Allerdings ist bislang nur einer<br />

dieser digitalen Helfer beim Bundesamt<br />

für Arzneimittel und Medizinprodukte<br />

gelistet, und das<br />

auch vorerst nur befristet bis zum<br />

Juli 2<strong>02</strong>3. Bis dahin kann man sich<br />

die App „Nichtraucherhelden“ von<br />

Ärztin oder Arzt kostenlos per<br />

Rezept verschreiben lassen.<br />

Persönliche Erfolge<br />

Die Anwendung ist gültig für<br />

drei Monate, kann aber bei Bedarf<br />

verlängert werden. Während dieser<br />

Zeit bietet die App nicht nur Videos,<br />

die über die Wirkweise des<br />

Nikotins informieren. Der digitale<br />

Helfer führt auch akribisch Buch<br />

und präsentiert auf Knopfdruck<br />

die persönliche Erfolgsbilanz, um<br />

zum Durchhalten zu motivieren.<br />

Darin aufgelistet sind zum Beispiel<br />

die Tage, die man <strong>ohne</strong> Rauchen<br />

geschafft hat, sowie der dadurch<br />

eingesparte Geldbetrag. Für<br />

kritische Situationen gibt es einen<br />

Notfallkontakt oder einen Chat<br />

zum Austausch mit anderen Betroffenen.<br />

Insgesamt 33 DiGAs werden<br />

derzeit vom Bundesinstitut für<br />

Arzneimittel und Medizinprodukte<br />

als erstattungsfähig aufgeführt<br />

– neben der App „Nichtraucherhelden“<br />

etwa auch die Anwendung<br />

„Mindable“ gegen Panikstörungen<br />

oder die „Meine Tinnitus-App“.<br />

Mehrere Studien bescheinigen<br />

den digitalen Helfern einen positiven<br />

Nutzen. Für alle, die mit Unterstützung<br />

dieser App mit dem<br />

Rauchen aufhören wollen, empfehlen<br />

Fachleute allerdings zusätzlich<br />

eine Nikotinersatztherapie. gol


8 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Gesundheit<br />

Hühnerbrühe hilft nur in manchen Fällen<br />

Als Auslöser für Gliederschmerzen kommen zahlreiche Erkrankungen infrage<br />

Hören und Sehen nicht vergessen<br />

Nicht nur Muskelkraft kann Stürze verhindern<br />

Schmerzen in Armen, Beinen, Muskeln,<br />

Knochen oder Gelenken werden<br />

gemeinhein als Gliederschmerzen<br />

bezeichnet. Oft sind sie<br />

Begleiterscheinung eines grippalen<br />

Infekts, sie können aber auch<br />

andere Ursachen haben und sogar<br />

chronischer Natur sein.<br />

Bei einer Erkältung oder Grippe<br />

gehören Gliederschmerzen häufig<br />

zum Programm. Sie zeigen, dass<br />

der Körper gerade auf Hochtouren<br />

arbeitet, um die eingedrungenen<br />

Krankheitserreger zu besiegen,<br />

und daher Ruhe und möglichst viel<br />

Schlaf benötigt. Hühnerbrühe, ein<br />

warmes Bad – ausgenommen bei<br />

Fieber – oder eine Wärmflasche<br />

sind wirksame Hausmittel bei derartigen<br />

Gliederschmerzen, damit<br />

man schnell wieder auf die Beine<br />

kommt. Ist Fieber im Spiel, gilt es<br />

zudem, viel zu trinken, am besten<br />

stilles Wasser oder Kräutertees.<br />

Zu viel Sport?<br />

Auch bei anderen viralen oder<br />

bakteriellen Infektionskrankheiten<br />

wie Covid-19, Masern, Mumps<br />

oder der Frühsommer-Meningoenzephalitis<br />

(FSME) können Gliederschmerzen<br />

als Begleitsymptom<br />

auftreten. Zudem können sie auch<br />

aufgrund von Verletzungen oder<br />

Überbelastungen bei sportlicher<br />

Betätigung hervorgerufen werden,<br />

zum Beispiel im Zuge einer Prellung<br />

oder eines Muskelkaters.<br />

Von chronischen Gliederschmerzen<br />

spricht man, wenn diese über<br />

Gliederschmerzen können viele Ursachen haben. Im Zweifelsfall sollte<br />

man sich medizinischen Rat holen. Foto: picture alliance/Zoonar/khosro Rajabkordi<br />

mehrere Monate bestehen. Mögliche<br />

Auslöser können verschiedene<br />

Erkrankungen sein, wie Arthrose,<br />

Rheuma, Gicht, Polyneuropathie,<br />

Fibromyalgie oder Osteoporose.<br />

Vor einer Behandlung ist daher<br />

eine sorgfältige medizinische Diagnose<br />

nötig.<br />

Ist die Ursache der Gliederschmerzen<br />

nicht bekannt, sind die<br />

Schmerzen sehr stark oder besteht<br />

der Verdacht, dass eine ernste<br />

Grunderkrankung vorliegen könnte,<br />

sollte ebenfalls unbedingt ein<br />

Arzt oder eine Ärztin aufgesucht<br />

werden.<br />

Mirko Besch<br />

Mit zunehmendem Alter steigt die<br />

Gefahr, zu stürzen und sich dabei<br />

zu verletzen. Schon ab dem<br />

50. Lebensjahr nehmen Ausdauer,<br />

Muskelkraft, Beweglichkeit sowie<br />

die Gleichgewichtsfähigkeit ab.<br />

Orthopäden und Unfallchirurgen<br />

empfehlen älteren Menschen neben<br />

Krafttraining und Bewegung<br />

aber auch, regelmäßig ihr Hör- und<br />

Sehvermögen testen zu lassen.<br />

Die häufigste Ursache für Knochenbrüche<br />

im Alter sind Stürze.<br />

Viele Patientinnen und Patienten<br />

verlieren danach ihre Selbstständigkeit<br />

und müssen in eine Pflegeeinrichtung<br />

ziehen.<br />

Schwere Stürze werden oft in<br />

Zusammenhang mit schwindender<br />

Muskelkraft, Beweglichkeit und<br />

einem nachlassenden Gleichgewichtssinn<br />

gebracht. Probleme mit<br />

dem Hören und Sehen werden<br />

meist nicht in Betracht gezogen.<br />

„Doch Störungen der Seh-, Gehörund<br />

Gleichgewichtsorgane können<br />

die Balance beeinträchtigen und<br />

damit das sichere Gehen verhindern“,<br />

sagt Prof. Dr. Ulrich Liener,<br />

stellvertretender Leiter der Sektion<br />

Alterstraumatologie der Deutschen<br />

Gesellschaft für Unfallchirurgie<br />

(DGU).<br />

Gerade ältere Menschen leiden<br />

oft unter einer Sehschwäche, wie<br />

etwa dem grauen oder grünen Star.<br />

Viele dieser Krankheiten kann<br />

man gut behandeln oder korrigieren.<br />

Deshalb wird die jährliche<br />

Vorsorge bei der Augenärztin oder<br />

dem Augenarzt besonders wichtig.<br />

Für Probleme mit der Brille sind<br />

Optiker die richtigen Ansprechpartner.<br />

Manche bieten auch Hausbesuche<br />

an, um die Seh- und Brillenstärke<br />

zu überprüfen oder bei<br />

der Wahl einer Brille zu beraten.<br />

Mit zunehmendem Alter kommt<br />

es zu Hörverlusten sowie zu Störungen<br />

des Gleichgewichtsorgans<br />

im Innenohr, was Schwindel verursachen<br />

kann. Beides erhöht die<br />

Sturzgefahr. Betroffene sollten<br />

sich deshalb einmal im Jahr einem<br />

Hörtest unterziehen. Die Überweisung<br />

erfolgt über die Hausärztin<br />

oder den Hausarzt. Sie beziehungsweise<br />

er kann auch weitere<br />

fachärztliche Untersuchungen<br />

veranlassen.<br />

ali<br />

Eine gut angepasste Brille kann zur<br />

Gangsicherheit beitragen.<br />

Foto: imago images/Imagebroker<br />

Vielfältig einsetzbar<br />

Warum Kurkuma ins Gewürzregal gehört<br />

In Maßen gesund<br />

Eier können Bestandteil einer vollwertigen Ernährung sein<br />

Kurkuma enthält viele Mineralstoffe<br />

und Vitamine.<br />

Gelb und gesund: Kurkuma als<br />

Bestandteil von Gewürzmischungen<br />

darf täglich auf den Tisch.<br />

Vorsicht ist jedoch bei Kurkuma-<br />

Extrakten in Form von Kapseln<br />

geboten, die als Nahrungsergänzungsmittel<br />

angeboten werden.<br />

Kurkuma verleiht asiatischen<br />

Curry-Mischungen ihre goldgelbe<br />

Farbe. Als Pulver ist das Gewürz<br />

fast überall erhältlich. Frische Kurkumawurzeln<br />

sind inzwischen<br />

nicht mehr nur in ausgewählten<br />

Supermärkten und asiatischen<br />

Lebensmittelgeschäften, sondern<br />

auch in Discountern zu finden.<br />

Wie bei der Rote-Bete-Knolle ist<br />

es beim Schneiden roher Gelbwurz<br />

ratsam, Handschuhe zu tragen, da<br />

der Saft stark abfärbt.<br />

Kurkuma enthält eine Vielzahl<br />

an gesunden Inhaltsstoffen, wie<br />

Foto: picture alliance/Zoonar/Nerijus Liobe<br />

Mineralstoffe und Vitamine. Am<br />

bekanntesten ist Kurkumin, das<br />

für die gelbe Farbe verantwortlich<br />

ist. Der Farbstoff mit der Nummer<br />

E100 wird in der Lebensmittelindustrie<br />

eingesetzt, um Speisen<br />

wie Senf oder pflanzliche Butter<br />

gelb zu färben.<br />

In Indien und Asien wird Kurkuma<br />

schon seit Jahrtausenden als<br />

Heilpflanze geschätzt. Der Wirkstoff<br />

Kurkumin wird traditionell als<br />

verdauungsförderndes Mittel, etwa<br />

gegen Blähungen und Völlegefühl,<br />

angewendet. Auch seine entzündungshemmende<br />

und antioxidative<br />

Wirkung ist nachgewiesen.<br />

Kurkuma-Extrakt ist in Kapselform<br />

erhältlich. Der Verbraucherzentrale<br />

Bundesverband rät jedoch,<br />

vor der regelmäßigen Einnahme<br />

dieses Nahrungsergänzungsmittels<br />

mit einem Arzt zu sprechen, um<br />

mögliche Nebenwirkungen zu vermeiden.<br />

So sollen Menschen, die an<br />

Gallensteinen oder Leberkrankheiten<br />

leiden, Präparate mit Kurkuma<br />

nicht einnehmen. Auch Wechselwirkungen<br />

mit bestimmten Arzneimitteln<br />

sind möglich.<br />

Obendrein wird Kurkumin vom<br />

Darm nur schlecht aufgenommen,<br />

weil es nicht wasserlöslich ist. Wer<br />

von der gesundheitsfördernden<br />

Wirkung von Kurkuma profitieren<br />

möchte, verwendet beim Kochen<br />

am besten Curry. Denn darin ist<br />

schwarzer Pfeffer enthalten, der<br />

aufgrund seines Inhaltsstoffs Piperin<br />

die Aufnahme von Kurkumin<br />

im Körper erhöht.<br />

ant<br />

Hühnereier gehören aufgrund ihrer<br />

Inhaltsstoffe grundsätzlich zu den<br />

gesunden Lebensmitteln. Menschen,<br />

die sich ausgewogen ernähren,<br />

dürfen sie daher guten<br />

Gewissens regelmäßig auf den<br />

Speiseplan setzen. Ob ein zu häufiger<br />

Eierkonsum jedoch gesundheitsgefährdend<br />

ist, darüber ist<br />

sich die Fachwelt nicht einig.<br />

Eier enthalten wichtige Nährstoffe<br />

wie biologisch hochwertiges<br />

Protein, Vitamin A, D und B-Vitamine<br />

sowie Mineralstoffe. Eigelb<br />

allerdings ist fett- und cholesterinreich,<br />

weshalb ein häufiger Konsum<br />

von Eiern meist als bedenklich<br />

eingestuft wurde – verbunden<br />

mit einem erhöhten Risiko von<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen.<br />

Doch eine groß angelegte Studie<br />

mit 177 000 Teilnehmenden in 50<br />

Ländern kam 2<strong>02</strong>0 zu dem Ergebnis,<br />

dass Probandinnen und Probanden,<br />

die täglich mindestens ein<br />

Ei aßen, keine erhöhten Blutfettwerte<br />

hatten und zudem nicht<br />

häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

litten als andere. Auch die<br />

Sterberate lag beim täglichen Eierkonsum<br />

nicht höher.<br />

Uneinige Studien<br />

Eine andere Untersuchung<br />

kommt zu dem Schluss, dass Eier<br />

das Risiko für Schlaganfall und<br />

Herzinfarkt sogar senken können.<br />

Die Freude von Eierliebhabern<br />

Für viele sowohl ein Genuss als auch ein Muss: das Frühstücksei.<br />

Foto: picture alliance/Zoonar/Barbara Neveu<br />

wird allerdings von einer weiteren<br />

Studie wieder gedämpft, denn sie<br />

bestätigt die cholesterinerhöhende<br />

Wirkung von Eiern.<br />

Laut der Deutschen Gesellschaft<br />

für Ernährung (DGE) kann aufgrund<br />

derart widersprüchlicher<br />

Studienergebnisse aktuell keine<br />

konkrete Verzehrmenge für Eier<br />

abgeleitet werden. „Eier können<br />

als tierische Lebensmittel den<br />

Speiseplan ergänzen und Bestandteil<br />

einer vollwertigen Ernährung<br />

sein“, so die DGE. Eine unbegrenzte<br />

Menge an Eiern sei im<br />

Rahmen einer pflanzenbetonten<br />

Ernährung dennoch nicht zu empfehlen.<br />

Ähnlich sieht das auch das Bundeszentrum<br />

für Ernährung (BZfE),<br />

betont jedoch, dass Cholesterin in<br />

Hühnereiern den Cholesterinspiegel<br />

kaum beeinflusst. Cholesterin<br />

erfülle wichtige Aufgaben im Organismus,<br />

daher bildet der Körper<br />

es selbst und ist nicht auf die Zufuhr<br />

durch die Nahrung angewiesen.<br />

Bei gesunden Menschen werde<br />

der Cholesterinspiegel durch<br />

einen Mechanismus reguliert.<br />

Dadurch bleibe der Wert unabhängig<br />

von der Höhe der Cholesterinaufnahme<br />

weitestgehend konstant.<br />

„Erst wenn der Blut-Cholesterinspiegel<br />

durch Erkrankung dauerhaft<br />

erhöht ist, sind Ernährungsmaßnahmen<br />

erforderlich“, erklärt<br />

das BZfE. „Denn ein zu hoher<br />

Cholesterinspiegel ist ein Risikofaktor<br />

für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“<br />

Mirko Besch


Gesundheit<br />

Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

9<br />

Lückenlos zum Arbeitslosengeld I<br />

Nahtlosigkeitsregelung erleichtert den Übergang vom Krankengeld<br />

Leichter zur geriatrischen Reha<br />

Genehmigungsverfahren vereinfacht<br />

Wer auch nach dem Ende des Krankengeldbezugs weiterhin krank ist,<br />

sollte sich zeitnah bei der Agentur für Arbeit melden und Arbeitslosengeld<br />

beantragen.<br />

Foto: imago images/Rolf Poss<br />

Bis eine Erwerbsminderungsrente<br />

bewilligt ist, kann es unter Umständen<br />

viele Monate dauern. Damit<br />

die Betroffenen solange dennoch<br />

ein Einkommen haben, hat der<br />

Gesetzgeber die Nahtlosigkeitsregelung<br />

geschaffen. Sie regelt<br />

den lückenlosen Übergang vom<br />

Krankengeld über das Arbeitslosengeld<br />

I bis zur Rente.<br />

Wer länger als sechs Wochen am<br />

Stück krank ist, bekommt statt<br />

seines Gehalts Krankengeld von<br />

der Krankenkasse. Diese L<strong>ohne</strong>rsatzleistung<br />

wird maximal 72<br />

Wochen lang gezahlt. Die Krankenkasse<br />

informiert, wenn der<br />

Bezug des Krankengelds ausläuft.<br />

Dieser Vorgang wird auch „Aussteuerung“<br />

genannt. Er bezeichnet<br />

den Übertritt in ein anderes Sozialversicherungssystem<br />

– von der<br />

Krankenversicherung in die Arbeitslosenversicherung.<br />

Ist man weiterhin krank, sollte<br />

man sich dennoch zeitnah bei der<br />

Agentur für Arbeit melden und<br />

Arbeitslosengeld beantragen. Unter<br />

Umständen kann auch bei fortlaufender<br />

Arbeitsunfähigkeit und<br />

fortlaufender Krankschreibung<br />

Arbeitslosengeld bezogen werden.<br />

In Paragraf 145 SGB III ist festgelegt,<br />

dass auch Menschen Anspruch<br />

auf Arbeitslosengeld I haben,<br />

die nicht arbeitslos sind, aber<br />

wegen einer länger andauernden<br />

geminderten Leistungsfähigkeit<br />

dem Arbeitsmarkt nur eingeschränkt<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Allerdings fordert die Agentur für<br />

Arbeit die Betroffenen auf, innerhalb<br />

eines Monats einen Antrag<br />

auf Leistungen zur medizinischen<br />

Rehabilitation oder zur Teilhabe<br />

am Arbeitsleben zu stellen. Ebenso<br />

kann die Arbeitsagentur von ihnen<br />

verlangen, dass sie eine Erwerbsminderungsrente<br />

beantragen.<br />

Kommen sie dieser Aufforderung<br />

nicht nach, stellt die Behörde die<br />

Zahlung des Arbeitslosengelds ein.<br />

Wer das umgehen will, muss sich<br />

dem Arbeitsmarkt zur Verfügung<br />

stellen. Das heißt: Bewerbungen<br />

schreiben und zu Vorstellungsgesprächen<br />

gehen, um den Bezug des<br />

Arbeitslosengelds nicht zu verlieren.<br />

Vermittelt werden meist leichte<br />

Tätigkeiten, wie etwa als Pförtnerin<br />

oder Pförtner.<br />

Auch ein Gehaltsverlust in einem<br />

gewissen Rahmen wird als<br />

zumutbar angesehen. Bei Menschen,<br />

die im Krankengeldbezug<br />

ihren Job verloren haben, kommt<br />

erschwerend hinzu, dass sie nachweisen<br />

müssen, nicht in der Lage<br />

zu sein, leichte und ungelernte<br />

Tätigkeiten zu übernehmen.<br />

Bis zu 24 Monate ALG I<br />

Arbeitslosengeld I im Rahmen<br />

der Nahtlosigkeitsregelung kann<br />

bis zu 24 Monate lang gezahlt<br />

werden. Die Bezugsdauer hängt<br />

vom Alter, der Beschäftigungsdauer<br />

sowie von dem Zeitraum ab,<br />

in dem die betroffene Person sozialversicherungspflichtig<br />

beschäftigt<br />

war.<br />

Bezugsberechtigt sind Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer,<br />

die mindestens zwölf Monate<br />

eingezahlt haben. Ab einem Jahr<br />

haben sie Anspruch auf sechs<br />

Monate Arbeitslosengeld I, nach<br />

zwei Jahren auf zwölf Monate. Ab<br />

dem 50. Lebensjahr erhöht sich<br />

die Bezugsdauer auf 15 Monate,<br />

ab 58 Jahren auf 24 Monate. Im<br />

Anschluss rutscht man in das<br />

Bürgergeld.<br />

Der <strong>VdK</strong> ist seinen Mitgliedern<br />

in allen Fragen rund um eine Erwerbsminderungsrente<br />

gerne behilflich,<br />

von der Antragstellung bis<br />

zum Widerspruch. Fragen Sie<br />

einfach bei Ihrer Geschäftsstelle<br />

nach. Annette Liebmann<br />

<strong>VdK</strong>-TV<br />

<strong>VdK</strong>-TV, das Videoportal des<br />

Sozialverbands <strong>VdK</strong>, informiert<br />

in seinem Beitrag „Krankengeld<br />

läuft aus – was jetzt?“ über die<br />

Nahtlosigkeitsregelung.<br />

<strong>VdK</strong>-Videoportal<br />

www.vdktv.de<br />

Der Weg zu einer geriatrischen<br />

Reha war bisher mühsam. Die Anträge<br />

wurden von den Kassen<br />

aufwändig überprüft und häufig<br />

abgewiesen. Seit Mitte vergangenen<br />

Jahres gilt nun ein vereinfachtes<br />

und beschleunigtes Verfahren,<br />

das älteren Patientinnen und Patienten<br />

den Zugang zu einer solchen<br />

Maßnahme erleichtern soll.<br />

Eine medizinische Reha soll die<br />

Gesundung nach einer Krankheit<br />

fördern und dauerhafte Folgen<br />

verhindern oder abmildern. Bei<br />

älteren Menschen, die an mehreren<br />

Krankheiten leiden, kann sie<br />

die Pflegebedürftigkeit hinauszögern<br />

oder sogar verhindern.<br />

Eine geriatrische Reha richtet<br />

sich speziell an Seniorinnen und<br />

Senioren. Ziel ist es, deren Beweglichkeit<br />

und Selbstständigkeit<br />

wiederherzustellen und möglichst<br />

langfristig zu erhalten. Um der<br />

demografischen Entwicklung<br />

Rechnung zu tragen und mehr<br />

Menschen als bisher den Zugang<br />

zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber<br />

ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren<br />

beschlossen.<br />

Anspruch auf eine geriatrische<br />

Reha haben Patientinnen und Patienten<br />

ab 70 Jahren, die zwei oder<br />

mehr alterstypische Erkrankungen<br />

haben, wie beispielsweise Demenz<br />

oder Muskelschwund. Die medizinische<br />

Notwendigkeit einer geriatrischen<br />

Behandlung stellt die<br />

Ärztin oder der Arzt fest. Für die<br />

Diagnose sind Funktionstests vorgeschrieben,<br />

deren Ergebnisse<br />

dokumentiert werden. Und<br />

schließlich sollte die beziehungsweise<br />

der Betroffene auch in der<br />

Lage sein, an einer Rehamaßnahme<br />

teilzunehmen.<br />

Eine Überprüfung der medizinischen<br />

Notwendigkeit durch die<br />

Krankenkassen ist bei der geriatrischen<br />

Reha nicht mehr notwendig.<br />

Das gilt auch für geriatrische Anschlussrehabilitationen<br />

nach einem<br />

Krankenhausaufenthalt, die von<br />

Klinikärzten verordnet werden.<br />

Die Notwendigkeit einer geriatrischen<br />

Reha muss nicht mehr von<br />

der Krankenkasse überprüft werden.<br />

Foto: imago images/Addictive Stock<br />

Um eine solche Reha genehmigt<br />

zu bekommen, reicht die Patientin<br />

oder der Patient die ärztliche Verordnung<br />

zur Kostenübernahme bei<br />

der Krankenkasse ein. Diese prüft<br />

die leistungsrechtlichen Voraussetzungen<br />

und genehmigt die Maßnahme<br />

oder lehnt sie ab. In letzterem<br />

Fall sollte man innerhalb eines<br />

Monats Widerspruch einlegen.<br />

Wunschklinik angeben<br />

Bei der Wahl der Reha-Klinik<br />

haben Patientinnen und Patienten<br />

ein Mitspracherecht. Sie können<br />

schon bei der Antragstellung angeben,<br />

in welcher Einrichtung sie die<br />

Maßnahme gerne durchführen<br />

möchten.<br />

Der Sozialverband <strong>VdK</strong> berät<br />

und unterstützt seine Mitglieder<br />

auch zum Thema Reha. Wenden<br />

Sie sich dazu gerne an Ihre<br />

<strong>VdK</strong>-Geschäftsstelle. ali<br />

Videosprechstunden<br />

sehr gefragt<br />

Die Nachfrage nach Videosprechstunden<br />

ist mit der Corona-Pandemie<br />

stark gestiegen. Das zeigt<br />

eine Analyse der Barmer von Daten<br />

aus den Jahren 2019 bis 2<strong>02</strong>1.<br />

In diesem Zeitraum beanspruchten<br />

Versicherte der Barmer rund<br />

372 000-mal eine digitale Sprechstunde.<br />

Waren es im gesamten Jahr<br />

2019 nur 250 Arztgespräche, so<br />

kamen im zweiten Quartal 2<strong>02</strong>0<br />

insgesamt 64000 Onlinesprechstunden<br />

zusammen. Seit April<br />

2<strong>02</strong>2 dürfen Videotermine nur<br />

noch 30 Prozent der gesamten<br />

Sprechstunden einer Praxis ausmachen.<br />

Besonders nachgefragt waren<br />

die Videosprechstunden in der<br />

ambulanten Psychotherapie. Hier<br />

gab es zwischen 2019 und 2<strong>02</strong>1<br />

rund 177 500 Behandlungsfälle.<br />

Seit April 2<strong>02</strong>2 ist es nicht mehr<br />

möglich, eine psychotherapeutische<br />

Sprechstunde und die Sitzungen<br />

vor Beginn der Psychotherapie<br />

online durchzuführen. ali


10 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Generationen<br />

Ruhe bewahren und anderen Sicherheit geben<br />

Seit drei Jahren folgt auf eine Krise die nächste – wie geht man damit um? Die <strong>VdK</strong>-ZEITUNG hat eine Expertin gefragt<br />

Erst kam die Corona-Krise, dann<br />

brach der Ukraine-Krieg aus,<br />

schließlich kam die höchste Inflation<br />

seit 70 Jahren. Wie es weitergeht,<br />

kann niemand vorhersehen.<br />

Wie hält man diese Unsicherheiten<br />

aus? Die <strong>VdK</strong>-ZEITUNG sprach mit<br />

der Psychologin und Buchautorin<br />

Helga Land-Kistenich.<br />

Worin liegen derzeit die größten<br />

Herausforderungen?<br />

Die größte Herausforderung liegt<br />

darin, die Ruhe zu bewahren und<br />

sich von den Ereignissen nicht<br />

überwältigen zu lassen.<br />

Warum empfinden wir ungelöste<br />

Probleme und offene Fragen als<br />

belastend?<br />

Die Menschen machen sich gerne<br />

einen Plan, obwohl es natürlich<br />

keine Gewissheit gibt, dass dieser<br />

auch aufgeht. Aber er vermittelt das<br />

Gefühl von Sicherheit, auch wenn<br />

man Zufälle, einen Unfall oder eine<br />

Katastrophe nicht vorhersagen<br />

kann. Mit einer gewissen Größenordnung<br />

von Unsicherheiten können<br />

wir umgehen. Wenn aber die<br />

Zahl der offenen Fragen oder ungelösten<br />

Probleme steigt, empfinden<br />

wir Stress. Das kann mitunter<br />

extreme Reaktionen hervorrufen,<br />

wie etwa einen Aussetzer oder Panik<br />

– nicht zuletzt, weil man vielleicht<br />

gezwungen ist, neue Wege<br />

der Problembewältigung zu finden.<br />

Manche machen sich mehr Sorgen,<br />

andere weniger. Wovon<br />

hängt das ab?<br />

Die Kunst, Krisen zu bewältigen, besteht darin, ruhig zu bleiben und sich auf das Machbare zu konzentrieren.<br />

Wie wir mit belastenden Situationen<br />

umgehen, hängt zu einem<br />

großen Teil von unseren Genen<br />

und den Erfahrungen in der Kindheit<br />

ab. In den ersten drei Lebensjahren<br />

bilden sich die psychoneuronalen<br />

Grundsysteme aus, die die<br />

Basis des Verhaltens darstellen.<br />

Diese werden über das gesamte<br />

Leben gespeichert, erweitert und<br />

mit allen Vorgängen im Gehirn<br />

vernetzt. Dazu gehört die Art, wie<br />

jemand Stress bewältigt, ob sie<br />

oder er sich selbst beruhigen kann,<br />

die Motivation, die Impulskontrolle,<br />

das Bindungs- und Empathieverhalten,<br />

der Realitätssinn sowie<br />

die Risikoeinschätzung. Die gesammelten<br />

Erfahrungen stehen<br />

dann in bestimmten Situationen<br />

zur Verfügung. Beispielsweise<br />

wird ein Kind, das schon viel verreist<br />

ist, bei einem Schul- oder<br />

Ortswechsel weniger Stress empfinden<br />

als ein Kind, das noch nie<br />

von zu Hause weg war.<br />

Wie geht man denn am besten mit<br />

den aktuellen Unsicherheiten um?<br />

In Gesprächen mit meinen Patienten,<br />

Freunden und Bekannten<br />

habe ich etwas sehr Erfreuliches<br />

festgestellt: Die meisten möchten<br />

sich durch die schlechten Nachrichten<br />

nicht verunsichern lassen.<br />

Viele beschränken sich darauf,<br />

sich nur noch einmal am Tag über<br />

die Geschehnisse in den Medien<br />

zu informieren. Stattdessen widmen<br />

sie sich der Familie und dem<br />

Freundeskreis, gehen wandern<br />

oder werden kreativ. Das ist meines<br />

Erachtens die richtige Reaktion.<br />

Wichtig ist, trotz aller Katastrophen<br />

sich selbst und anderen<br />

Stabilität zu geben. Die Menschen,<br />

die den Zweiten Weltkrieg noch<br />

erlebt haben, sind mit vielen Unsicherheiten<br />

aufgewachsen: Die<br />

Nahrungsmittel waren knapp, es<br />

gab Bombenangriffe, man wusste<br />

nie, wann der nächste Fliegeralarm<br />

ertönt, und man hatte immer die<br />

Notfalltasche gepackt. Nun müssen<br />

auch die jüngeren Generationen<br />

lernen, mit tiefgreifenden Unsicherheiten<br />

umzugehen.<br />

Foto: imago images/Westend61<br />

Nimmt das Bedürfnis nach Sicherheit<br />

im Alter zu?<br />

Jein. Die Erfahrungen, die wir im<br />

Leben gemacht haben, tragen dazu<br />

bei, dass wir im Alter vorausschauender<br />

denken und uns anders absichern<br />

als in der Jugend. Schlechte<br />

Erfahrungen können natürlich<br />

dazu führen, dass jemand im Alter<br />

geiziger, unfreundlicher und allem<br />

Neuen gegenüber verschlossener<br />

wird. Allerdings kann auch das<br />

genaue Gegenteil passieren.<br />

Ungewissheit hat aber nicht nur<br />

schlechte Seiten. Worin liegen<br />

ihre Chancen?<br />

In einem gewissen Maß gibt sie uns<br />

die Möglichkeit, flexibel zu bleiben<br />

und in Zukunft bessere Vorsorge<br />

zu betreiben. Die Coronazeit hat<br />

uns hart getroffen, weil wir auf<br />

eine Seuche nicht vorbereitet waren.<br />

Der Krieg in Europa hat uns<br />

aufgerüttelt, unsere eigenen friedvollen<br />

Verteidigungstruppen aufrechtzuerhalten.<br />

Darin liegt die<br />

Chance der Krisen, die wir jetzt<br />

erleben: Veränderungen in unseren<br />

Einstellungen vorzunehmen<br />

und Vorsorge zu treffen.<br />

Sie sagen, man kann seine Fähigkeit,<br />

unklare Situationen auszuhalten,<br />

stärken. Wie gelingt das?<br />

Indem man aktiv bleibt und den<br />

Kontakt zu seiner Familie, zu seinen<br />

Freunden sowie zu seinem<br />

sozialen Umfeld pflegt. Wegen<br />

Angst nicht mehr die Wohnung zu<br />

verlassen, seine Hobbies zu vernachlässigen<br />

oder nur gewohnte<br />

Wege zu gehen, lässt die Menschen<br />

unbeweglich werden. Die Fähigkeit,<br />

auf Ungewohntes zu reagieren,<br />

kann letztlich jeder lernen.<br />

Interview: Annette Liebmann<br />

„Alt sein“ beginnt mit 61 Jahren<br />

Studie über Altersdiskriminierung: Klischees sind fest verwurzelt<br />

Altersgerechte Stadt<br />

Themenheft der BAGSO stellt Konzepte vor<br />

Ältere Menschen werden von der<br />

Gesellschaft oft negativ wahrgenommen.<br />

Das geht aus der Studie<br />

„Altersbilder und Altersdiskriminierung“<br />

hervor, die im Auftrag der<br />

Antidiskriminierungsstelle des<br />

Bundes erstellt wurde.<br />

Altersbilder können diskriminierendes<br />

Verhalten begünstigen, etwa<br />

bei der Job- oder Wohnungssuche<br />

oder bei Bankdienstleistern.<br />

Vielen Menschen ist dies jedoch<br />

nicht bewusst. Etwa jede siebte<br />

Anfrage, die bei der Antidiskriminierungsstelle<br />

des Bundes eingeht,<br />

steht in Zusammenhang mit dem<br />

Lebensalter. „Überall erleben<br />

Menschen, dass ihr Alter eine Rolle<br />

spielt und Nachteile mit sich<br />

bringen kann“, sagt Ferda Ataman,<br />

Unabhängige Bundesbeauftragte<br />

für Antidiskriminierung.<br />

Für die repräsentative Studie<br />

unter der Leitung von Prof. Dr.<br />

Eva-Marie Kessler und Prof. Dr.<br />

Lisa Marie Warner von der Medical<br />

School Berlin wurden 2000<br />

Menschen über 16 Jahren am Telefon<br />

befragt. Ziel war es, die Vorstellungen<br />

vom Altern und die<br />

Einstellungen gegenüber älteren<br />

Menschen zu erfassen. Die Ergebnisse:<br />

Ÿ Es gibt große Unterschiede, ab<br />

wann jemand als „alt“ angesehen<br />

wird. Als gesellschaftliche Altersgrenze<br />

wurde am häufigsten (27<br />

Prozent) das 60. Lebensjahr angegeben.<br />

Im Schnitt liegt sie bei<br />

Die Lebenserwartung steigt, und es gibt immer mehr sportlich fitte Senioren.<br />

Dennoch überwiegen Altersbilder, die sich nur an Defiziten ausrichten.<br />

61 Jahren – niedriger als in anderen<br />

europäischen Ländern.<br />

Ÿ Über ältere Menschen ist nur<br />

wenig Faktenwissen vorhanden.<br />

Ÿ Der Blick auf das Alter ist ambivalent<br />

und hängt stark vom eigenen<br />

Lebensalter ab. Einerseits<br />

dominieren Bilder von kranken,<br />

unflexiblen und einsamen Menschen,<br />

andererseits sind 94 Prozent<br />

der Überzeugung, dass es<br />

möglich ist, im Alter geistig und<br />

körperlich fit zu bleiben.<br />

Ÿ Ältere werden von vielen als<br />

Verhinderer notwendiger gesellschaftlicher<br />

und politischer Veränderungen<br />

wahrgenommen.<br />

Ÿ Jede/r dritte Befragte ist der Meinung,<br />

ältere Menschen sollten<br />

wichtige Positionen aufgeben,<br />

um für die jüngere Generation<br />

Platz zu machen. Unter anderem<br />

sollten sie nur bis zu einem bestimmten<br />

Alter politische Ämter<br />

ausüben.<br />

„Die Ergebnisse unserer Studie<br />

zeigen, dass Klischees und Stereotype<br />

über Ältere fest verwurzelt<br />

sind“, fasst Ataman zusammen.<br />

Insbesondere beim Thema Klimaschutz<br />

gebe es großes Spannungspotenzial<br />

zwischen den Generationen.<br />

Um Altersdiskriminierung<br />

entgegenzuwirken, solle in das<br />

Grundgesetz mit aufgenommen<br />

werden, dass Ungleichbehandlung<br />

aufgrund des Alters inakzeptabel<br />

ist. Zudem müsse das Allgemeine<br />

Gleichbehandlungsgesetz gestärkt<br />

werden. Annette Liebmann<br />

Foto: imago images/Panthermedia<br />

Zunehmend mehr ältere Menschen<br />

leben in Ballungszentren. Wie es<br />

gelingt, Städte so zu gestalten,<br />

dass sie sich dort wohlfühlen, beschreibt<br />

eine Broschüre der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

der Seniorenorganisationen<br />

(BAGSO).<br />

Viel Grün, gute Verkehrsverbindungen,<br />

barrierefreie Wohnungen,<br />

nahe Einkaufsmöglichkeiten, ausreichend<br />

Arztpraxen – ältere Menschen<br />

haben besondere Bedürfnisse.<br />

Das Heft der BAGSO mit dem<br />

Titel „Altern in den Städten und<br />

Gemeinden“ stellt anhand von<br />

Beispielen dar, wie Kommunen,<br />

die Europäische Union und Initiativen<br />

versuchen, diesen Bedürfnissen<br />

gerecht zu werden.<br />

Die Broschüre lässt sich kostenlos<br />

im Internet als PDF-Datei unter<br />

www.bagso.de herunterladen. Klicken<br />

Sie dafür auf der Webseite den<br />

Menüpunkt „Publikationen“ an.<br />

www.bagso.de


Inklusion<br />

Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

11<br />

Die Welt der Geschichten<br />

Bücher in Leichter und Einfacher Sprache – Literatur für Menschen, denen das Lesen und Schreiben schwerfällt<br />

In Deutschland leben über sechs<br />

Millionen Menschen, die kaum lesen<br />

und schreiben können. Ihnen<br />

ist die Welt der Erzählungen, Romane<br />

oder Krimis zumeist verschlossen.<br />

Bücher in Leichter oder<br />

Einfacher Sprache können eine Tür<br />

dorthin öffnen.<br />

Das schmale Büchlein „Ziemlich<br />

beste Freunde“ liegt leicht in der<br />

Hand. Es ist die Geschichte des<br />

Franzosen Philippe Pozzo di Borgo,<br />

der gelähmt ist und im Rollstuhl<br />

sitzt, und die seines Pflegers<br />

Abdel. Viele kennen ihre Erlebnisse<br />

aus dem Kino oder dem Fernsehen.<br />

Philippe und Abdel sind beste<br />

Freunde und auf dem Titelbild zu<br />

sehen. Beide lachen ausgelassen.<br />

Das Besondere an dieser Ausgabe:<br />

Sie ist in Einfacher Sprache<br />

geschrieben. Das heißt, sie wurde<br />

für jene Menschen veröffentlicht,<br />

denen das Lesen schwerfällt. Herausgegeben<br />

hat sie der „Spaß am<br />

Lesen-Verlag“. Doch was unterscheidet<br />

dieses schmale Büchlein<br />

eigentlich vom Original?<br />

Klar und übersichtlich<br />

„Es ist so geschrieben, dass fast<br />

jeder es verstehen kann“, erklärt<br />

Ralf Beekveldt, Geschäftsführer<br />

des „Spaß am Lesen-Verlags“. Die<br />

Schrift ist größer als üblich, und<br />

die Absätze sind übersichtlich gegliedert.<br />

Die Sätze sind kurz, enthalten<br />

meist nur wenige Informationen<br />

und keine Fachbegriffe.<br />

Wer liest, kann in fremde Welten eintauchen und dabei viel Neues entdecken.<br />

„Dennoch darf die Geschichte<br />

nicht ihr Leben und ihre Spannung<br />

verlieren. Das kann manchmal ein<br />

sehr schmaler Grat sein“, weiß<br />

Beekveldt.<br />

Geschichten wie „Ziemlich beste<br />

Freunde“ werden deshalb von erfahrenen<br />

und qualifizierten Übersetzerinnen<br />

und Übersetzern in<br />

Einfache Sprache übertragen. Sie<br />

müssen sich zuvor intensiv mit den<br />

Inhalten auseinandersetzen. „Das<br />

ist anspruchsvoll und zeitaufwändig“,<br />

so Beekveldt. Denn auf der<br />

einen Seite müssten Handlungsstränge<br />

stark gekürzt werden, auf<br />

der anderen Seite dürfe der Geschichte<br />

nichts abhanden kommen.<br />

Lesen erleichtern<br />

Verlage wie der „Spaß am Lesen-<br />

Verlag“ richten sich an die rund<br />

6,2 Millionen Menschen in<br />

Deutschland, die Probleme mit dem<br />

Lesen und Schreiben haben. „Dazu<br />

gehören zum Beispiel Menschen mit<br />

einer Lernschwäche, Kinder und<br />

Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern,<br />

geflüchtete Menschen<br />

sowie Migrantinnen und Migranten“,<br />

sagt Beekveldt. Zudem zählt<br />

er jene hinzu, die mit Konzentrationsschwierigkeiten<br />

zurechtkommen<br />

müssen, älter sind und eine<br />

leichte Demenz oder Sehschwäche<br />

haben oder auch unter Sprachschwierigkeiten<br />

leiden. Für sie will<br />

der Verlag spannende, berührende,<br />

lustige oder phantastische Geschichten<br />

zugänglich machen.<br />

Inzwischen gibt es eine große<br />

Auswahl an Titeln in Leichter und<br />

Einfacher Sprache. Es sind die<br />

Geschichten von namhaften Autorinnen<br />

und Autoren, Bestseller wie<br />

„Die Welle“ oder Literaturklassiker<br />

wie „Romeo und Julia“. Hinzu<br />

Foto: imago/Westend61<br />

kommen preisgekrönte Bücher<br />

vielversprechender junger Autorinnen<br />

und Autoren, erzählt Beekveldt.<br />

„Wir richten uns auch nach<br />

den Interessen und Wünschen<br />

unserer Zielgruppe, mit der wir<br />

ständig im Austausch sind.“<br />

Die Bücher stehen in Bibliotheken<br />

oder im Buchhandel. Sie werden<br />

etwa vom „Spaß am Lesen-<br />

Verlag“ oder dem Passantenverlag<br />

Berlin herausgegeben oder erscheinen<br />

als Edition „na und ob“.<br />

Spannendes Projekt<br />

Für Beekveldt war die Arbeit am<br />

Roman „Deutschstunde“ von Siegfried<br />

Lenz der Höhepunkt der<br />

Verlagsarbeit im vergangenen Jahr.<br />

Dies war ein großes Projekt. Der<br />

Klassiker der deutschen Nachkriegsliteratur<br />

ist nun endlich in<br />

Einfacher Sprache im Buchhandel<br />

zu finden. Gefördert wurde das<br />

Projekt durch das Programm Neustart<br />

Kultur. Kristin Enge<br />

Einfach oder leicht<br />

Texte in „Leichter Sprache“ richten<br />

sich an Menschen mit Behinderung,<br />

um ihnen im Sinne der<br />

Barrierefreiheit Themen zugänglich<br />

zu machen.<br />

Texte in „Einfacher Sprache“<br />

sind für Menschen geschrieben,<br />

denen das Lesen und Schreiben<br />

schwerfällt oder deren Muttersprache<br />

nicht Deutsch ist.<br />

Förderung für „Reisen<br />

für Alle“ läuft aus<br />

„Reisen für Alle“ ist eine Kennzeichnung<br />

für die Barrierefreiheit<br />

von touristischen Angeboten. Das<br />

vom Bundeswirtschaftsministerium<br />

geförderte Projekt wird am Ende<br />

dieses Jahres eingestellt, weil es<br />

die Erwartungen nicht erfüllte.<br />

Das touristische Informationsund<br />

Zertifizierungssystem „Reisen<br />

für Alle“ richtet sich insbesondere<br />

an Menschen mit einer Behinderung<br />

oder einer Bewegungseinschränkung,<br />

die einen Urlaub in<br />

Deutschland planen. Auf der Webseite<br />

www.reisen-fuer-alle.de<br />

finden sich fast 2500 geprüfte Urlaubs-<br />

und Ausflugsideen, die in<br />

mehrjähriger Zusammenarbeit<br />

und Abstimmung mit Betroffenenverbänden<br />

sowie touristischen<br />

Akteuren entwickelt worden sind.<br />

Nun soll das vom Bundeswirtschaftsministerium<br />

geförderte<br />

Projekt Ende 2<strong>02</strong>3 auslaufen.<br />

Als Grund führt das Wirtschaftsministerium<br />

an, dass das Angebot<br />

„lediglich eine äußerst geringe<br />

Akzeptanz“ erfahren habe. Von<br />

650000 tourismusrelevanten Institutionen,<br />

Organisationen und<br />

Betrieben seien aktuell lediglich<br />

2566 mit dem Kennzeichen „Reisen<br />

für Alle“ zertifiziert.<br />

Das Ministerium ruft alle Beteiligten<br />

dazu auf, an einer zukunftsorientierten<br />

Neuausrichtung mitzuwirken.<br />

Der Sozialverband <strong>VdK</strong><br />

will daran mitarbeiten, dass es eine<br />

Anschlusslösung im Sinne der<br />

Menschen mit Behinderung geben<br />

wird.<br />

cis<br />

Der tägliche Kampf mit der Bürokratie<br />

Schriftstellerin Dorota Danielewicz erzählt über ihr Leben mit ihrem schwerstbehinderten Sohn<br />

Eltern, die ihr geliebtes Kind pflegen,<br />

weil es eine Behinderung hat,<br />

sind oft überlastet. Der tägliche<br />

Kampf mit Ämtern und Krankenkassen,<br />

die ständige Sorge um die<br />

Gesundheit und die Entwicklung<br />

des Kindes kosten Kraft, darüber<br />

hinaus gehen viele Eltern einer<br />

Erwerbsarbeit nach – all das kennt<br />

Dorota Danielewicz. Sie wäre beinahe<br />

daran zerbrochen.<br />

Dorota Danielewicz und ihr<br />

Mann haben mit ihrem zwölfjährigen<br />

Sohn eine jahrelange Odyssee<br />

von Arzt zu Arzt hinter sich,<br />

bevor endlich klar ist, dass der<br />

Junge unheilbar krank ist. Jan leidet<br />

an der Stoffwechselkrankheit<br />

Galaktosialidose, die sein Nervensystem<br />

angreift, und ist rund um<br />

die Uhr auf Pflege angewiesen. Als<br />

die Krankheit mit riesigen Schritten<br />

voranschreitet, sie Jans Sehkraft<br />

und seine Bewegungsfähigkeit<br />

beeinträchtigt, überkommt die<br />

Mutter das Gefühl, „dass ich keine<br />

einzige Stunde weiterleben kann“.<br />

Sie ist in ständiger Angst, verfällt<br />

in einen Kontrollzwang, weil sie<br />

die Gesundheit des S<strong>ohne</strong>s nicht<br />

kontrollieren kann, und erleidet<br />

eine Panikattacke. Sie müsse endlich<br />

an sich denken, so ihre Ärztin.<br />

Schweren Herzens tritt Danielewicz<br />

eine Kur an. Sie sei mit dem<br />

„wiedergefundenen Teil meiner<br />

selbst“ zurückgekommen und habe<br />

beschlossen, „nicht zu vergessen,<br />

dass ich außer einer Mutter vor<br />

allem ich selbst bin“.<br />

Dorota Danielewicz und ihr Sohn Jan.<br />

Was Dorota Danielewicz in ihrem<br />

sehr persönlichen Buch „Jans<br />

Weg“ schildert, kennen so oder so<br />

ähnlich viele Eltern von Kindern<br />

mit Behinderung. Sie sind mit der<br />

Pflegesituation irgendwann körperlich<br />

und psychisch überfordert<br />

und brauchen eine Entlastung.<br />

Viel zu viele finden aber keine.<br />

Allein gelassen<br />

Der Sozialverband <strong>VdK</strong> kennt<br />

dieses Problem aus seiner Rechtsberatung.<br />

„Die Familien mit pflegebedürftigen<br />

Kindern fühlen sich<br />

häufig sehr allein gelassen“, sagt<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele.<br />

Weder im eigenen Umfeld, noch<br />

bei der Krankenkasse oder bei<br />

ihrer Kommune fänden sie ein offenes<br />

Ohr. „Im Gegenteil, wenn sie<br />

Foto: privat<br />

kämpfen und ihr Recht einfordern,<br />

dann werden sie schnell als Störer<br />

bezeichnet. Manche haben oft gar<br />

keine Zeit und Kraft, um für ihre<br />

Ansprüche zu kämpfen.“ Es fehle<br />

an Entlastungsangeboten, die so<br />

wichtig sind, um sich von der Pflege<br />

zu erholen. „Wir brauchen beispielsweise<br />

dringend mehr Verhinderungs-<br />

und Nachtpflegen sowie<br />

mehr Plätze für Kurzzeitpflege“,<br />

sagt Bentele.<br />

Die Pflege eines Kindes ist oft ein<br />

Vollzeitjob. Dorota Danielewicz<br />

berichtet von einem monatelangen<br />

Antragsverfahren, bevor dem arbeitsunfähigen<br />

Jan als junger Mann<br />

die Grundsicherung zuerkannt<br />

wird. Der Umgang mit Ämtern habe<br />

sie – neben der ganztägigen<br />

Pflege – sehr stark in Anspruch<br />

genommen. Sie sei bei der Beantragung<br />

von Dingen, die ihr gesetzlich<br />

zustanden, so behandelt worden,<br />

als verlange sie Luxusgüter.<br />

Lohn für Pflegearbeit<br />

„Wir brauchen dringend gute<br />

Beratungsangebote vor Ort, gerade<br />

für Familien mit pflegebedürftigen<br />

Kindern“, fordert Bentele. Ein häufiges<br />

Problem sei, dass die Krankenkassen<br />

Hilfsmittel ablehnen.<br />

„Für Kinder mit Behinderung darf<br />

nicht die Wirtschaftlichkeit über<br />

der Gesundheit der Kinder stehen.“<br />

Die Krankenkasse müsse<br />

sich bei der Bewilligung an der<br />

Verordnung der behandelnden<br />

Ärzte orientieren. „Außerdem<br />

brauchen wir einen Lohn für pflegende<br />

Angehörige, um das hohe<br />

Armutsrisiko zu senken“, so Bentele.<br />

Laut einer Studie des Deutschen<br />

Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

Berlin im Auftrag des <strong>VdK</strong><br />

ist jeder fünfte pflegende Angehörige<br />

armutsgefährdet, bei pflegenden<br />

Frauen sogar jede vierte.<br />

Dorota Danielewicz will mit<br />

anderen Eltern pflegebedürftiger<br />

Kinder weiter „um würdige Lebensbedingungen<br />

für unsere Kinder“<br />

kämpfen. Jan lebt mittlerweile<br />

in einer WG und arbeitet in einer<br />

Werkstatt. Das ist für sie „ein<br />

Idealzustand“. „Trotzdem müssen<br />

wir ständig darauf achten, dass<br />

sich nichts zum Schlechteren hin<br />

verändert“, sagt sie. Dafür will sie<br />

weiter kämpfen wie eine „fürsorgliche<br />

Löwin“. Jörg Ciszewski


12 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 <strong>VdK</strong>-TV<br />

Aktuelle Filme auf <strong>VdK</strong>-TV<br />

<strong>VdK</strong>-TV<br />

Die Redaktion des Videoportals<br />

<strong>VdK</strong>-TV informiert Sie regelmäßig<br />

zu wichtigen sozialen und rechtlichen<br />

Themen. Folgende nebenstehende<br />

neue Filme sind unter<br />

www.vdktv.de ab sofort abrufbar:<br />

<strong>VdK</strong>-TV AUF SPORT1<br />

Filme von <strong>VdK</strong>-TV sind in der Sendung<br />

MITEINANDER bei Sport1<br />

im Fernsehen zu sehen.<br />

In der Februar-Ausgabe berichtet<br />

das Magazin, wie sich Langzeit-<br />

Patientinnen und -Patienten verhalten<br />

sollen, wenn eine Mitarbeiterin<br />

oder ein Mitarbeiter der<br />

Krankenkasse anruft, um sich<br />

nach ihrem Gesundheitszustand<br />

zu erkundigen. Wir haben einen<br />

Experten dazu befragt.<br />

4. Feb. Sendetermin ist der<br />

erste Februar-Samstag<br />

um 9.30 Uhr.<br />

7. Feb. Am Dienstag darauf<br />

wird die Sendung um<br />

15.30 Uhr wiederholt.<br />

Häusliche Pflege braucht mehr Unterstützung. Das fordern auch Monika und Jürgen Schneider aus Pfungstadt.<br />

Die beiden <strong>VdK</strong>-Mitglieder unterstützen die <strong>VdK</strong>-Kampagne „Nächstenpflege“. Im September 2<strong>02</strong>2 besuchte<br />

das Ehepaar die „Demo <strong>ohne</strong> Menschen“ in Wiesbaden.<br />

Foto: Miriam Leonardy<br />

„Rat und Tat“<br />

In den <strong>VdK</strong>-Beratungsstellen melden<br />

sich immer wieder Mitglieder,<br />

die seit längerer Zeit krankgeschrieben<br />

sind. Sie machen häufig<br />

eine ähnliche Erfahrung, die sie<br />

verunsichert: Eines Tages ruft ein<br />

Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

an. Zunächst verläuft<br />

das Gespräch noch freundlich.<br />

Doch dann werden die Fragen<br />

nach dem momentanen Gesundheitszustand<br />

immer drängender.<br />

Was ist zu tun? Der <strong>VdK</strong> empfiehlt,<br />

am Telefon besser keine Auskünfte<br />

zu geben. Trotzdem ist Vorsicht geboten,<br />

denn für Versicherte gilt<br />

generell eine „Mitwirkungspflicht“.<br />

Kommt man dieser nicht nach, kann<br />

das zur Folge haben, dass das<br />

Krankengeld nicht länger gezahlt<br />

wird.<br />

Was darf die Krankenkasse, was<br />

nicht? Und wie sehen die Rechte<br />

und Pflichten auf der Seite des<br />

Krankenkassenmitglieds aus? Darum<br />

geht es in der aktuellen Folge<br />

der Ratgeberreihe „Rat und Tat“.<br />

Bürgergeld<br />

Welche Neuerungen bringt das Bürgergeld<br />

mit sich? Darüber informiert<br />

Daniel Overdiek, Leiter der Rechtsabteilung<br />

des <strong>VdK</strong> Bayern. So erhalten<br />

Alleinstehende seit dem 1. Januar<br />

dieses Jahres 5<strong>02</strong> statt 449 Euro.<br />

Bei Partnern in einer Bedarfsgemeinschaft<br />

wurde der Betrag von<br />

404 auf 451 Euro erhöht. Für Kinder<br />

im Haushalt der Eltern werden je<br />

nach Lebensalter spezielle Regelsätze<br />

gezahlt, welche ebenfalls erhöht<br />

worden sind.<br />

#naechstenpflege<br />

Der <strong>VdK</strong> hatte das Jahr 2<strong>02</strong>2 zum<br />

Jahr der „Nächstenpflege“ erklärt<br />

und für bessere Rahmenbedingungen<br />

in der häuslichen Pflege gekämpft.<br />

Der Sozialverband macht<br />

sich sozialpolitisch für ein höheres<br />

Pflegegeld und eine bessere Vereinbarkeit<br />

von Pflege und Beruf stark.<br />

Seit dem bundesweiten Kampagnenstart<br />

„Nächstenpflege“ im Mai<br />

2<strong>02</strong>2 engagieren sich alle Landesverbände<br />

mit vielen ungewöhnlichen<br />

Ideen und Aktionen.<br />

Mithilfe der großen Unterstützung<br />

von ehren- und hauptamtlichen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

sowie der medialen Begleitung ist<br />

es gelungen, die öffentliche Aufmerksamkeit<br />

auf die Angehörigenpflege<br />

zu lenken. Denn diese spielt<br />

sich im Privaten und hinter verschlossenen<br />

Türen ab. Deshalb<br />

waren die Herzstücke der Kampagne<br />

die „stillen Demos“, um den<br />

Angehörigen eine Stimme zu geben:<br />

Schilder mit Botschaften über<br />

die Sorgen und Wünsche der pflegenden<br />

Familienmitglieder wurden<br />

und werden auf vielen zentralen<br />

Plätzen in ganz Deutschland aufgestellt,<br />

um für mehr Wertschätzung<br />

und Unterstützung bei der häuslichen<br />

Pflege zu werben. Der Film<br />

fasst bewegende Momente aus der<br />

Kampagne zusammen.


<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 13<br />

LANDESVERBAND<br />

Sozialrechtstipp<br />

Hinzuverdienstgrenzen<br />

bei Frührente Seite 14<br />

Ehrenamt<br />

Aktionen der Orts- und<br />

Kreisverbände Seite 15<br />

KOMMENTAR<br />

Das <strong>VdK</strong>-Jahr 2<strong>02</strong>3:<br />

Ein Ausblick<br />

Willi Jäger,<br />

Landesverbandsvorsitzender<br />

Inflation, Rezession, Frustration –<br />

die Folgen der Ukraine-Krise<br />

werden viele Menschen im Jahr<br />

2<strong>02</strong>3 spüren. Auch wir beim Sozialverband<br />

<strong>VdK</strong> <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />

müssen den Taschenrechner rausholen:<br />

Mehr hilfesuchende Mitglieder,<br />

mehr Beratungsaufwand,<br />

mehr Personal- und Heizkosten.<br />

Trotzdem wollen wir so optimistisch<br />

wie möglich in die Zukunft<br />

blicken: Die Wirtschaftsweisen<br />

erwarten dieses Jahr zumindest<br />

keine „Mega-Rezession“. Und die<br />

Politik versucht, ausreichende<br />

Hilfspakete zu schnüren, damit<br />

niemand im Kalten sitzen muss.<br />

Allerdings gibt es viele Ungerechtigkeiten<br />

und Probleme – nicht nur,<br />

was die Geschwindigkeit von<br />

Auszahlungen angeht, sondern<br />

auch bei der häuslichen Pflege<br />

oder der Barrierefreiheit im öffentlichen<br />

Personennahverkehr. Als<br />

<strong>VdK</strong> werden wir weiterhin den<br />

Finger in die Wunde legen und für<br />

soziale Gerechtigkeit kämpfen!<br />

Besonders freue ich mich dieses<br />

Jahr auf zwei Termine: Im Juni<br />

präsentieren wir uns beim <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>-Tag<br />

in Bad Ems. Und im<br />

Oktober stellen wir gemeinsam<br />

auf dem Landesverbandstag<br />

wichtige Weichen für die Zukunft:<br />

Damit der Sozialverband <strong>VdK</strong> so<br />

stark bleibt, wie er ist!<br />

SEMINARE<br />

https://sozialportal.rlp.de/<br />

aeltere-menschen/pflegestuetzpunkte/<br />

Schwerbehindertenvertretung<br />

Der Sozialverband <strong>VdK</strong> <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />

bietet im Jahr 2<strong>02</strong>3<br />

wieder ganztägige Seminare für<br />

Schwerbehindertenvertretungen<br />

und Betriebs- beziehungsweise<br />

Personalräte an.<br />

Den Auftakt macht ein Grundlagenseminar<br />

am 25. April. Eine<br />

Übersicht aller Termine und weitere<br />

Informationen finden Sie auf<br />

unserer Internetseite. Gern können<br />

Sie uns auch direkt kontaktieren.<br />

claudia.landgraf@rlp.vdk.de<br />

• 0 61 31 6 69 70-53<br />

www.vdk.de/rheinland-pfalz/<br />

pages/67428<br />

Pflegestützpunkte gibt es seit<br />

2008 in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>, und<br />

trotzdem kennen viele Betroffene<br />

das Angebot nicht. Deswegen lud<br />

der Sozialpolitische Ausschuss im<br />

Rahmen seiner Gesprächsrunde<br />

„SopoA trifft...“ die Mainzer Pflegeberaterin<br />

Galina Leonow ein.<br />

Anschließend sprach die <strong>VdK</strong>-Zeitung<br />

mit ihr über wichtige Entscheidungen,<br />

vermeidbare Fehler<br />

und notwendige Pflege-Reformen.<br />

Frau Leonow, die <strong>VdK</strong>-Pflegestudie<br />

von 2<strong>02</strong>1 zeigte, dass sich viele<br />

Menschen mehr Beratungsangebote<br />

wünschen, auch in <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>.<br />

Ist das Land schlecht<br />

aufgestellt?<br />

Bei uns gibt es landesweit 135 Pflegestützpunkte.<br />

Damit sind wir,<br />

auch im Vergleich mit anderen<br />

Bundesländern, eigentlich gut aufgestellt.<br />

Allerdings kennen viele<br />

Betroffene das Angebot nicht oder<br />

haben eine falsche Vorstellung<br />

davon, was ein Pflegestützpunkt<br />

genau macht.<br />

Was sind die häufigsten Irrtümer?<br />

Und was können Pflegestützpunkte<br />

leisten?<br />

Manche Menschen denken, dass<br />

wir eine Art Pflegedienst sind.<br />

Doch das ist falsch. Vielmehr verstehen<br />

wir uns als erste Anlaufstelle<br />

für Pflegebedürftige und ihre<br />

Angehörigen. Wir beraten die Betroffenen<br />

und unterstützen sie bei<br />

den ersten Schritten. Dafür machen<br />

wir uns ein Bild über den<br />

Pflegebedarf, die Wohnsituation<br />

und das familiäre Umfeld der Pflegebedürftigen.<br />

Anschließend entwerfen<br />

wir gemeinsam einen Versorgungsplan<br />

und kontaktieren<br />

Pflegedienste, Haushaltshilfen<br />

oder Einkaufsangebote.<br />

Was sind typische Fragen, die Ihnen<br />

als erstes gestellt werden?<br />

Meistens geht es darum, wie man<br />

einen Pflegegrad beantragt, wie<br />

man Hilfsmittel erhält oder welche<br />

Wohnformen es gibt. Und staatliche<br />

Unterstützung ist immer ein<br />

Thema.<br />

Und welche Probleme begegnen<br />

Ihnen bei Ihrer Arbeit am häufigsten?<br />

Ein großes Problem ist, wenn bei<br />

Menschen, die schwer für sich<br />

selbst entscheiden können, die<br />

Vorsorgevollmacht fehlt. Fragen<br />

„Wir sind die erste Anlaufstelle“<br />

Interview mit Galina Leonow, Beraterin beim Pflegestützpunkt in Mainz<br />

Unterstützung bei den ersten Schritten: Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können sich in 135 rheinland-pfälzischen<br />

Pflegestützpunkten beraten lassen.<br />

Foto: Melpomene / stock.adobe.com<br />

mich dann Verwandte oder Ehepartner,<br />

was wir besprochen haben,<br />

darf ich keine Auskunft geben.<br />

Aus Datenschutzgründen.<br />

Viele haben dafür kein Verständnis.<br />

Aber so ist die Gesetzeslage.<br />

Ein zweites großes Problem ist,<br />

dass die meisten Angehörigen erst<br />

zu uns kommen, wenn sie mit der<br />

Pflege ihrer Liebsten überfordert<br />

sind. Dann ist es aber meistens zu<br />

spät. Auf die Schnelle eine Kurzzeit-<br />

oder Verhinderungspflege zu<br />

finden, ist praktisch unmöglich.<br />

Deswegen ist es wichtig, nicht die<br />

Augen vor der Realität zu verschließen,<br />

rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht<br />

ausfüllen und zeitnah<br />

zu uns in die Beratung zu kommen.<br />

... die übrigens nur gesetzlich Versicherte<br />

wahrnehmen dürfen.<br />

Grundsätzlich richtig, aber eine<br />

allgemeine Beratung steht jedem<br />

offen. Privatversicherte können<br />

sich auch an die Pflegeberatung<br />

„Compass“ wenden.<br />

Sie stehen auch in engem Kontakt<br />

mit anderen Akteuren und Dienstleistern<br />

wie Sozialdiensten oder<br />

der GemeindeschwesterPlus.<br />

So verringern wir das Risiko, dass<br />

Betroffene durchs Netz fallen. Ein<br />

gutes Beispiel ist die GemeindeschwesterPlus:<br />

Sie hilft älteren<br />

Menschen, möglichst lange in den<br />

eigenen vier Wänden zu leben, also<br />

möglichst lange selbstständig zu<br />

bleiben. Aber irgendwann muss<br />

man über häusliche oder stationäre<br />

Pflege nachdenken. Die GemeindeschwesterPlus<br />

hat das im<br />

Blick und verweist an die Pflegestützpunkte.<br />

Sie ist wie ein<br />

„Frühwarnsystem“.<br />

Laut dem Pflegereport der Bertelsmann-Stiftung<br />

wird die Zahl<br />

der Pflegebedürftigen bis 2030 um<br />

50 Prozent steigen. Was bedeutet<br />

das für Ihre Arbeit?<br />

Diese Entwicklung merken wir<br />

jetzt schon. Wenn das so weitergeht,<br />

ist das System bald am Limit.<br />

Was kann man dagegen tun?<br />

Die Pflegestützpunkte werden in<br />

den kommenden Jahren mehr Personal<br />

brauchen. Hilfreich wäre<br />

natürlich auch, Arbeitsabläufe<br />

stärker zu digitalisieren. Das würde<br />

uns viel Zeit sparen, vor allem<br />

bei Antragsformularen und der<br />

Dokumentation.<br />

Generell muss die Pflege gestärkt<br />

werden. Wir brauchen mehr Tages-,<br />

Nacht- und Kurzzeitpflegeplätze.<br />

Und natürlich auch mehr<br />

Entlastungsangebote für pflegende<br />

Angehörige.<br />

Genau das fordert der <strong>VdK</strong> in seiner<br />

Kampagne „Nächstenpflege“.<br />

„SopoA trifft...“: Im Rahmen der <strong>VdK</strong>-Kampagne „Nächstenpflege“ lud der Sozialpolitische Ausschuss wichtige<br />

Akteure zur Gesprächsrunde ein, darunter auch Pflegeberaterin Galina Leonow.<br />

Foto: <strong>VdK</strong><br />

Zu Recht. Sinnvoll wäre auch ein<br />

festes Budget, das die Beträge der<br />

Kurzzeit- und der Verhinderungspflege<br />

sowie des Entlastungsbetrags<br />

zusammenfasst. Dann könnten<br />

die Betroffenen schnell die<br />

passende Hilfe beauftragen. Die<br />

häusliche Pflege ist jetzt schon am<br />

Limit, und wenn sie zusammenbricht,<br />

dann wirkt sich das auch<br />

auf die stationäre aus.<br />

Die Finanzierung der Pflegestützpunkte<br />

übernehmen kommunale<br />

Träger sowie Pflege- und Krankenkassen.<br />

Kritiker befürchten,<br />

dass dadurch die Beratung in den<br />

Pflegestützpunkten nicht unabhängig<br />

ist. Wie erleben Sie das in<br />

Ihrer täglichen Arbeit?<br />

Die Kostenträger mischen sich<br />

nicht in meine Beratung ein, und<br />

falls die Kranken- oder die Pflegekasse<br />

eine Auskunft braucht, würde<br />

ich das immer zuerst mit den<br />

Pflegebedürftigen oder den Angehörigen<br />

besprechen. Das ist mir<br />

ganz wichtig. Ich brauche einfach<br />

das Gefühl, Menschen zu helfen<br />

und etwas mit meiner Arbeit zu<br />

erreichen. Das ist gut für die Seele.<br />

Das Interview führte Michael<br />

Finkenzeller.<br />

Foto: privat<br />

ZUR PERSON<br />

Galina Leonow,<br />

Pflegeberaterin<br />

Galina Leonow ist gelernte Sozialversicherungsfachangestellte<br />

und hat eine Weiterbildung zur<br />

Pflegeberaterin absolviert. Seit<br />

2016 berät sie Pflegebedürftige<br />

und ihre Angehörigen in<br />

den Pflegestützpunkten Mainz-<br />

Neustadt und Nieder-Olm.


14 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />

Operation „Neustart“ für die E-Akte<br />

Digitalisierung im Schneckentempo: Die elektronische Patientenakte muss nutzerfreundlicher werden<br />

Einkaufen, Geld überweisen, Urlaub<br />

buchen: Viele Alltagsdinge<br />

laufen bei Millionen Menschen<br />

längst online. Auch das Gesundheitswesen<br />

soll digitaler werden,<br />

doch da hakt es. Dabei sind die<br />

Ziele hochgesteckt.<br />

Alles auf einen Klick: Mit der elektronischen Patientenakte sind alle Daten schnell abrufbar. Foto: Freepik_DCStudio<br />

Arztbefunde, Röntgenbilder,<br />

Medikamentenlisten: Seit zwei<br />

Jahren gibt es elektronische Patientenakten,<br />

mit denen Versicherte<br />

Gesundheitsdaten parat haben<br />

können – abrufbar am Smartphone.<br />

Doch die Nachfrage hält<br />

sich in engen Grenzen.<br />

Überhaupt kommt eine umfassende<br />

Digitalisierung auf breiter<br />

Front der Praxen und Kliniken<br />

nicht richtig in Gang. Gesundheitsminister<br />

Karl Lauterbach<br />

diagnostizierte schon, Deutschland<br />

sei hier im europäischen Vergleich<br />

„Entwicklungsland“.<br />

Deshalb soll schnellstmöglich<br />

eine Art Neustart auch für die<br />

E-Akten als zentrales Element her;<br />

große Krankenkassen werben für<br />

mehr Schwung und praktischen<br />

Nutzen.<br />

Der Chef der Techniker Krankenkasse<br />

(TK), Jens Baas, sagt:<br />

„Wir sehen, dass es bei der Digitalisierung<br />

des Gesundheitssystems<br />

gerade an vielen Stellen hakt, ob<br />

nun bei der Akte oder beim E-Rezept.<br />

Das Grundproblem ist die<br />

fehlende Nutzerfreundlichkeit.“<br />

Entscheidend für den Erfolg der<br />

E-Akte sei, dass sie im Praxisalltag<br />

ankomme. Dafür müssten Ärzte an<br />

sie angebunden sein und sie dann<br />

auch befüllen. „Es muss selbstverständlicher<br />

Teil des Arztbesuchs<br />

werden, dass die Daten der Patientinnen<br />

und Patienten auch in ihrer<br />

Akte abgelegt werden.“<br />

Holpriger Start<br />

Als freiwilliges Angebot für die<br />

74 Millionen gesetzlich Versicherten<br />

war die elektronische Patientenakte<br />

(ePA) am 1. Januar 2<strong>02</strong>1<br />

gestartet und soll schrittweise<br />

mehr Funktionen bekommen. Das<br />

Ziel lautet, die Versorgung für Patienten<br />

sowie Ärztinnen und Ärzte<br />

effektiver und besser zu machen.<br />

Etwa, indem Mehrfachuntersuchungen<br />

unnötig werden, weil man<br />

Infos zu eingenommenen Medikamenten<br />

oder früheren Behandlungen<br />

nicht immer dabei hat. Bei der<br />

Vernetzung der Praxen gibt es jedoch<br />

Verzögerungen. Bei mehreren<br />

Fragen schwelt ein Streit über<br />

den Datenschutz.<br />

Auch zwei Jahre nach dem Start<br />

nutzt weiter nur ein Bruchteil der<br />

Patienten die E-Akte. Bei den<br />

größten Kassen TK, Barmer, DAK<br />

und den elf Allgemeinen Ortskrankenkassen<br />

(AOK) haben sie inzwischen<br />

450.000 von zusammengenommen<br />

52 Millionen Versicherten,<br />

wie eine dpa-Umfrage ergab.<br />

Über alle gesetzlichen Kassen<br />

hinweg seien es 570.000, sagt Spitzenverbandschefin<br />

Doris Pfeiffer<br />

der Funke-Mediengruppe. Um einen<br />

Durchbruch zu erreichen, will<br />

die Ampel-Koalition deswegen<br />

grundlegend auf das Prinzip „Optout“<br />

umschwenken – also, dass<br />

alle die E-Akte bekommen und<br />

man aktiv widersprechen muss,<br />

statt wie derzeit aktiv einzuwilligen.<br />

Die Umstellung könne für weiteren<br />

Schwung sorgen, heißt es bei<br />

der Barmer, bei der 50.000 der 8,7<br />

Millionen Versicherten E-Akten<br />

haben. Allerdings werde die ePA<br />

erst eine tragende Rolle spielen,<br />

wenn sie wichtige Informationen<br />

enthalte.<br />

Nötig sei auch eine unkomplizierte<br />

Anmeldung für Versicherte.<br />

Bei der TK haben 350.000 der elf<br />

Millionen Versicherten E-Akten.<br />

Meistgenutzte Funktion sei das<br />

eigene Laden etwa von Impfdaten<br />

oder Infos zu Arztbesuchen. Bei<br />

den AOKs haben 40.000 der 27<br />

Millionen Versicherten E-Akten.<br />

Um den Mehrwert bekannter zu<br />

machen, soll die Kommunikation<br />

verstärkt werden. Damit die ePA<br />

ins Fliegen komme, müsse sie auch<br />

Prozesse in den Praxen erleichtern.<br />

Lauterbach plant im neuen Jahr<br />

ein großes Digitalisierungsgesetz.<br />

Von zahlreichen Veränderungen<br />

ist im Ministerium die Rede – und<br />

dass die ePA damit „wirklich zur<br />

Realität“ werden soll. Zum Datenschutz<br />

soll es eine internationale<br />

Expertenkonferenz geben.<br />

DAK-Chef Andreas Storm wirbt<br />

für neue Wege bei einem Neustart.<br />

Statt gegenseitiger Blockade wie<br />

bislang brauche es „ein lösungsund<br />

konsensorientiertes Vorgehen“.<br />

Er schlug ein Steuerungsgremium<br />

vor, in dem auch Datenschützer,<br />

Ärzte, Kliniken und<br />

Kassen mitarbeiten. Bei der DAK<br />

haben 10.000 der 5,6 Millionen<br />

Versicherten eine E-Akte.<br />

Lauterbach geht es auch um eine<br />

bessere Versorgung. Die systematische<br />

Auswertung vieler digitaler<br />

Daten kann Forschungserkenntnisse<br />

entscheidend beschleunigen<br />

– wenn man sie denn hat. Ein Vorbild<br />

dafür ist Israel, das vor mehr<br />

als 25 Jahren mit der Digitalisierung<br />

begann.<br />

„Hier nutzen alle Kliniken und<br />

Praxen eines Patienten dieselben<br />

Daten“, erläuterte Lauterbach bei<br />

einem Besuch vor einigen Monaten.<br />

Für Deutschland gibt es nun<br />

zumindest eine ehrgeizige Zielmarke,<br />

notiert in der Digitalstrategie<br />

der Regierung: Sie will sich<br />

2<strong>02</strong>5 daran messen lassen, ob es<br />

gelingt, dass mindestens 80 Prozent<br />

der gesetzlich Versicherten<br />

eine E-Patientenakte haben.<br />

Sascha Meyer/dpa<br />

SOZIALRECHTSTIPP<br />

Hinzuverdienstgrenzen bei gesetzlicher Frührente<br />

Neue Regelungen seit 1. Januar 2<strong>02</strong>3 – Rentnerinnen und Rentner sollen stärker in Arbeitsmarkt eingebunden werden<br />

Fachkräftemangel und Personalnot<br />

– es gibt kaum eine Branche<br />

in Deutschland, die davon<br />

nicht betroffen ist. Deswegen<br />

sollen gesetzlich Rentenversicherte<br />

ab diesem Jahr stärker in den<br />

Arbeitsmarkt eingebunden werden.<br />

Entscheidender Anreiz, um<br />

zusätzlich Geld zu verdienen, sind<br />

die Zuverdienstgrenzen. Welche<br />

Regeln nun für Frührentnerinnen<br />

und Frührentner gelten, zeigt der<br />

<strong>VdK</strong>-Sozialrechtstipp.<br />

Vorgezogene Altersrente<br />

Seit 1. Januar gibt es keine Hinzuverdienstgrenzen<br />

mehr bei einer<br />

vorzeitigen Altersrente. Das bedeutet,<br />

dass alle Altersrentnerinnen<br />

und -rentner unbegrenzt nebenher<br />

arbeiten können, <strong>ohne</strong> dass sich die<br />

Rente verringert. Das gilt auch für<br />

alle, die bereits vor dem Stichtag die<br />

Möglichkeiten der Flexirente genutzt<br />

hatten.<br />

Allerdings werden bei einer Frührente<br />

bestimmte soziale Leistungen<br />

nicht mehr ausgezahlt, zum Beispiel<br />

Arbeitslosengeld. Denn hier<br />

greift der so genannte „Ruhenstatbestand“.<br />

Das heißt, offiziell besteht<br />

zwar der Anspruch auf Arbeitslosengeld,<br />

aber er „ruht“, so<br />

lange Rente bezogen wird.<br />

Ähnlich ist es auch mit dem<br />

Krankengeld – sofern die vorgezogene<br />

Altersrente als Vollrente gezahlt<br />

wird. Wird dagegen schon<br />

vor Eintritt der Erkrankung nur<br />

eine Teilrente bezogen (als Teilrente<br />

gilt alles bis zu 99 Prozent der<br />

Vollrente), ändern sich die oben<br />

erwähnten Ruhenstatbestände,<br />

und Krankengeld kann ausgezahlt<br />

werden.<br />

Der Bezug einer Teil- anstelle der<br />

Vollrente bleibt nach wie vor frei<br />

wählbar.<br />

Erwerbsminderungsrente<br />

Bei Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente<br />

wird Hinzuverdienst<br />

zwar weiterhin angerechnet,<br />

aber die Grenze ist auf 3/8 der<br />

Bezugsgröße angehoben worden.<br />

Das entspricht 2<strong>02</strong>3 etwas mehr<br />

als 17.800 Euro im Jahr.<br />

Allerdings gilt weiterhin eine<br />

Begrenzung der Arbeitszeit; das ist<br />

Voraussetzung für die Rentenzahlung.<br />

Eine voll erwerbsgeminderte<br />

Person darf die Grenze von drei<br />

Noch einfacher geworden: Vorzeitige Altersrente aufbessern <strong>ohne</strong> Abzüge.<br />

Stunden täglich beziehungsweise<br />

15 Stunden wöchentlich nicht<br />

überschreiten.<br />

Anders ist das bei Rentnerinnen<br />

und Rentnern, die eine Teilerwerbsminderungsrente<br />

beziehen.<br />

Hier ist eine reguläre Arbeitszeit<br />

von unter sechs Stunden täglich<br />

möglich. Die Hinzuverdienstgren-<br />

Foto: Freepik/wavebreakmedia_micro/<br />

zen hängen davon ab, wie hoch das<br />

Einkommen vor der Erwerbsminderung<br />

war.<br />

Erkrankt ein Arbeitnehmer, der<br />

bereits eine Teilerwerbsminderungsrente<br />

bezieht, besteht grundsätzlich<br />

Anspruch auf Teilkrankengeld.<br />

Ebenso ist es bei Arbeitslosigkeit;<br />

der Arbeitnehmer hat<br />

einen Anspruch auf Teilarbeitslosengeld,<br />

wenn alle Voraussetzungen<br />

erfüllt sind. Bei voller Erwerbsminderungsrente<br />

besteht<br />

generell kein Anspruch auf Krankengeld<br />

oder Arbeitslosengeld.<br />

Hinterbliebenenrente<br />

Für Witwen und Witwer gibt es<br />

keine Änderungen. Ihre Rente<br />

bleibt ungekürzt, solange sie<br />

höchstens das 26,4-fache des aktuellen<br />

Rentenwerts hinzuverdienen;<br />

das sind aktuell 950,93 Euro.<br />

Für jedes waisenrentenberechtigte<br />

Kind erhöht sich diese Grenze um<br />

weitere 201,71 Euro.<br />

Auch bei Waisenrenten gibt es<br />

keine Änderungen – hier wird der<br />

Hinzuverdienst <strong>ohne</strong>hin nicht berücksichtigt.<br />

Grundsätzlich empfehlenswert<br />

ist, sich individuell beraten zu lassen,<br />

zum Beispiel bei der Rentenservicestelle.<br />

<strong>VdK</strong>-Mitglieder können<br />

auch einen Termin beim für sie<br />

zuständigen <strong>VdK</strong>-Kreisverband<br />

vereinbaren.<br />

Ida Schneider/Moritz Ehl<br />

www.vdk.de/permalink/4233


<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 15<br />

AKTIVITÄTEN DER KREIS- UND ORTSVERBÄNDE<br />

Simmern<br />

Kirchberg<br />

Fest der <strong>VdK</strong>-Familie<br />

Kreisverband Neuwied feiert 75-jähriges Bestehen<br />

Am Volkstrauertag legte der Ortsverband Simmern, vertreten durch den<br />

Vorsitzenden Otto-U. Härter (Vierter von links), in Gedenken an alle<br />

Opfer der beiden Weltkriege sowie allen im Einsatz gestorbenen Menschen<br />

bei der Bundeswehr, der Feuerwehr und den Organisationen zur<br />

Menschenrettung, der Katastrophenhilfe, sowie humanitärer Hilfe im<br />

Rahmen einer Gedenkfeier einen Kranz nieder.<br />

Kirchberg<br />

Der Ortsverband Kirchberg, Kreisverband St. Goar, gedachte anlässlich<br />

des Volkstrauertags der Opfer von Gewalt, Krieg, Vertreibung und<br />

Flucht. Das Bild zeigt eine Abordnung des Ortsverbands am Ehrenmal<br />

auf dem Friedhof in Kirchberg bei der Kranzniederlegung.<br />

Birkenfeld<br />

Die Frauen des Ortsverbands<br />

Kirchberg, Kreisverband Simmern,<br />

haben in einer gemeinsamen<br />

Aktion über 100 vorweihnachtliche<br />

Tüten mit essbaren<br />

Leckereien gepackt. Die Tüten<br />

wurden vor Weihnachten an die<br />

über 80-jährigen Mitglieder<br />

überreicht, die sich sehr darüber<br />

freuten.<br />

Daun<br />

Anlässlich der Weihnachtsfeier<br />

im Ortsverband Daun, Kreisverband<br />

Wittlich-Daun, ehrte der<br />

Vorsitzende Uli Diederichs<br />

(rechts) anwesende, treue Mitglieder<br />

(von links, Mitgliedsjahre<br />

in Klammern): Herrmann Hahn<br />

(40), Alexander Saxler (40), Vorstandsmitglied<br />

Ursula Orfey (20)<br />

sowie Kreisverbandsvorsitzende<br />

Marita Horn (20).<br />

Neuwied<br />

Jubiläumsfeier in der Volkshochschule Neuwied.<br />

Der <strong>VdK</strong>-Kreisverband Neuwied<br />

feierte in der Neuwieder Volkshochschule<br />

sein 75-jähriges Jubiläum<br />

als „Fest der <strong>VdK</strong>-Familie“.<br />

Zu Beginn trat das Künstlerduo<br />

Boris Weber und Holger Kappus<br />

von der Freien Bühne Neuwied mit<br />

Liedern des Komponisten Georg<br />

Kreisler auf, die die Veranstaltung<br />

mit mehreren Auftritten teils musikalisch,<br />

teils mit humorvollen<br />

Beiträgen bereicherten.<br />

Danach begrüßte Kreisverbandsvorsitzender<br />

Hans Werner Kaiser<br />

neben den Mitgliedern aus den<br />

Ortsverbänden des Kreisverbands<br />

auch den Landesverbandsvorsitzenden<br />

Willi Jäger, die Vertreter der<br />

Nachbar-Kreisverbände und Kreisgeschäftsführerin<br />

Doreen Borges.<br />

Aus der Politik waren der 1.<br />

Kreisbeigeordnete Michael Mahlert<br />

und der Neuwieder Bürgermeister<br />

Peter Jung erschienen.<br />

Boppard<br />

Fotos: Elke Döbbeler<br />

Gegründet wurde der Kreisverband<br />

am 20. Juli 1947 als „Bund für<br />

Körperbehinderte und Hinterbliebene“.<br />

Willi Jäger, Vorsitzender des <strong>VdK</strong><br />

<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong>, ging in seinem<br />

Grußwort auf die Bedeutung des<br />

Ehrenamtes im <strong>VdK</strong> ein. Er dankte<br />

allen Ehrenamtlichen für deren<br />

großartiges Engagement.<br />

Kreisverbandsvorsitzender Hans<br />

Werner Kaiser hielt ein Grußwort.<br />

Der Ortsverband Birkenfeld hat seine 75-Jahr-Feier begangen. Das Bild<br />

zeigt den Vorstand von links: Internetbeauftragte Doris Krüger, Frauenbeauftragte<br />

Tanja Bayer, Beisitzer Bernhard Jung, Schriftührer Martin<br />

Theiß, Schriftführer Franz Locher, Frauenbeauftragte Monika<br />

Moosmann, Beisitzer Rolf Maul, Kassenverwalter Helmut Schmidt,<br />

Vorsitzender Klaus Zimmermann, Beisitzer Manfred Graf, Beisitzer<br />

Miroslaw Kowalski und Kreisverbandsvorsitzende Heidi Schneider<br />

sowie ihr Stellvertreter Emil Morsch.<br />

Diedesfeld<br />

Auf der Weihnachtsfeier des Ortsverbands Diedesfeld, Kreisverband<br />

Neustadt-Bad Dürkheim, wurden Jubilare geehrt. Das Bild zeigt von links<br />

(Mitgliedsjahre in Klammern): Frauenvertreterin Regina Groß, Vorsitzender<br />

Dieter Cullmann, Beate Clade (20), Beisitzer Joachim Zillmann,<br />

Beisitzerin Esther Lechner, Pfälzische Weinprinzessin Lea Lechner,<br />

Schriftführerin Regina Ullrich, Diedesfelder Weinprinzessin Lara Glas,<br />

stellvertretender Vorsitzender Manuel Becker sowie Franz Emler (10).<br />

Der Kreisverband Neuwied verzeichnete<br />

den Eintritt des 8000sten<br />

Mitglieds. Katja Wagner (Zweite<br />

von links) gehört dem Ortsverband<br />

Kirchspiel Urbach an. Bei<br />

einem Empfang in der Kreisgeschäftsstelle<br />

hießen sie der Kreisvorsitzende<br />

Hans Werner Kaiser<br />

(links) und die Kreisgeschäftsführerin<br />

Doreen Borges (rechts) mit<br />

einem Willkommenspräsent im<br />

Kreis der <strong>VdK</strong>-Familie willkommen.<br />

Auch die Vorsitzende des<br />

Ortsverbands Kirchspiel Urbach,<br />

Andrea Pizzato (Zweite von<br />

rechts), war sichtlich stolz über<br />

den Neuzugang.<br />

Weisenheim am Sand<br />

Der Ortsverband Weisenheim am<br />

Sand, Kreisverband Neustadt-Bad<br />

Dürkheim, wurde zum<br />

Volkstrauertag 2<strong>02</strong>2 mit einer Renovierungsaktion<br />

aktiv. Dank<br />

zahlreicher Spenden beauftragte<br />

der Ortsverband einen Steinmetz<br />

mit der Beschriftung eines Mahnmals<br />

zur Erinnerung der Gefallenen<br />

der beiden Weltkriege sowie<br />

mit der Renovierung eines Grabmals<br />

von vier Kindern, die beim<br />

gemeinsamen Spielen mit Fundmunition<br />

des Zweiten Weltkriegs<br />

kurz vor Kriegsende getötet wurden.<br />

Auch die Neubepflanzung<br />

nahm der Ortsverband mit Hilfe<br />

von aus der Bevölkerung gespendeten<br />

Mitteln vor.<br />

Im Ortsverband Boppard, Kreisverband St. Goar, wurde der Vorstand<br />

neu gewählt. Das Bild zeigt die Ehrengäste und den Vorstand von links:<br />

Bürgermeister Jörg Haseneier, Beisitzer Heinz Müller, Revisorin Adelheid<br />

Hölz, Beisitzer Reinhard Schneider, Ortsverbandsvorsitzende<br />

Michaela Schmidl, Kreisverbandsvorsitzender Karl-Josef Mahlberg,<br />

Beisitzer Hans Knopp, stellvertretender Vorsitzender und Schriftführer<br />

Christian Spandöck, Frauenbeauftragte Edith Müller sowie Ortsvorsteher<br />

Niko Neuser. Nicht im Bild: Kassenverwalter Bernd Gärtner,<br />

Beisitzer Willi Rüdel, Revisorin Rebecca Villars Perez sowie ihre<br />

Stellvertreterin Inge Jeuken.<br />

Konz<br />

Anlässlich der Weihnachtsfeier im Ortsverband Konz, Kreisverband<br />

Trier-Saarburg, wurden langjährige Mitglieder ausgezeichnet. Der<br />

Kreisverbandsvorsitzende Werner Faber (Zweiter von links), der Ortsverbandsvorsitzende<br />

Dieter Klever (links) sowie die Kassenverwalterin<br />

Nadine Gerlinger (rechts) zeichneten Erich Bockius (Mitte) und Josefine<br />

Weber (Zweite von rechts) für 30 Mitgliedsjahre aus.


16 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />

AKTIVITÄTEN DER KREIS- UND ORTSVERBÄNDE<br />

Oberzissen<br />

Hohenecken<br />

Vorsitzender im Amt bestätigt<br />

Kreisverbandstag des KV Bitburg-Prüm<br />

Der Ortsverband Oberzissen, Kreis Ahrweiler, hat ein neues Vorstandsteam<br />

gewählt (von links): Schriftführerin Anne Gemein, Kassenverwalter<br />

Willi Nahles, stellvertretende Vorsitzende Johanna Page und Vorsitzende<br />

Martina Lange. Eine besondere Ehrung erfuhr Rainer Bürger<br />

(rechts) als langjähriger Vorsitzender durch die Ernennung zum Ehrenvorsitzenden.<br />

Hervorzuheben ist auch Erwin Nohles, der dem Verein<br />

bereits 40 Jahre die Treue hält. Für 30 Jahre Mitgliedschaft wurden<br />

Helmut Seiwert, Adolf Ritzdorf und Mechthild Göbel ausgezeichnet.<br />

Rhein-Wied<br />

Im Ortsverband Rhein-Wied, Kreisverband Neuwied, gratulierte die<br />

Vorsitzende Michaela Seuser (linkes Foto, links) Wuni Roßbach-Schneider<br />

(linkes Foto, rechts) zur 30-jährigen <strong>VdK</strong>-Mitgliedschaft. Wenige<br />

Tage später besuchten die Vorsitzende und ihr Stellvertreter Erich<br />

Baukelmann (rechts Foto, links) einen ganz besonderen Jubilar: Hocherfreut<br />

über die Gäste zeigte sich Helmut Liessem (Foto rechts, Mitte)<br />

beim Überreichen der Urkunde mit Nadel zur 65-jährigen Mitgliedschaft.<br />

Im Ortsverband Hohenecken,<br />

Kreisverband Kaiserslautern, ehrten<br />

Kassenverwalter Willi Müller<br />

(Zweiter von links) sowie Kreisverbandsvorsitzender<br />

Bernd Hofmann<br />

(rechts) den Jubilar Günter<br />

Speyer (Zweiter von rechts) für 70<br />

<strong>VdK</strong>-Jahre. An diesem Tag feierte<br />

er mit seiner Frau (links) zudem<br />

seinen 95. Geburtstag.<br />

Bitburg<br />

Das Bild zeigt den neuen Kreisverbandsvorstand zusammen mit dem<br />

Landesverbandsvorsitzenden Willi Jäger (links).<br />

Der Kreisverband Bitburg-Prüm<br />

lud zum Kreisverbandstag nach<br />

Neuerburg. Dabei wurde der Vorstand<br />

neu gewählt sowie verdiente<br />

Ehrenamtliche ausgezeichnet.<br />

Arbeit im <strong>VdK</strong> ausgezeichnet. Die<br />

Silberne Ehrennadel des<br />

<strong>VdK</strong>-Deutschland ging an Manfred<br />

Schaefer. Er war viele Jahre<br />

stellvertretender Vorsitzender des<br />

Kreisverbands Bitburg-Prüm und<br />

Vorsitzender des Ortverbands Bitburg.<br />

Die <strong>VdK</strong>-Landesverdienstnadel<br />

in Gold erhielten Elfriede<br />

Esch, Renate Flügel, Herbert<br />

Theis, Peter Probst und Erwin<br />

M<strong>ohne</strong>n. Mit der Verdienstmedaille<br />

des Sozialverbands <strong>VdK</strong><br />

<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> wurden Dorothea<br />

Röder und Marlene Stein<br />

geehrt. Frau Stein wurde außerdem<br />

zur Ehrenvorsitzenden des<br />

Ortsverbands Dudeldorf ernannt.<br />

In seinem Amt als Kreisverbandsvorsitzender<br />

wurde Wilhelm Ahlert<br />

bestätigt. Ebenso wird seine Stellvertreterin<br />

Hedy Kallrath für weitere<br />

vier Jahre ihr Amt fortführen.<br />

Als weiterer Stellvertreter wurde<br />

Herbert Theis gewählt. Zum geschäftsführenden<br />

Kreisverbandsvorstand<br />

gehören der Kassenverwalter<br />

Helmut Neuerburg und<br />

Schriftführerin Hildegard Theis.<br />

Das Amt der Frauenvertreterin<br />

bekleidet Rita Kreis.<br />

Als Beisitzende fungieren Elfriede<br />

Esch, Matthias Thommes, Erwin<br />

M<strong>ohne</strong>n, Hermann Diederichs,<br />

Martha Krost, Ewald-Peter<br />

Schmitz und Ignaz Karb.<br />

Im Rahmen der Veranstaltung<br />

wurden langjährige Ortsverbandsvorsitzende<br />

für ihre wertvolle Ausgezeichnete Ehrenamtliche.<br />

St. Katharinen<br />

Im Rahmen der Weihnachtsfeier wurden im Ortsverband St. Katharinen,<br />

Kreisverband Neuwied, treue Mitglieder geehrt. Das Bild zeigt von links<br />

(Mitgliedsjahre in Klammern): Kassenverwalter und stellvertretender<br />

Vorsitzender Achim Haubenreißer, Alfons Hard (20), Petra Oppenheuser<br />

(10), Elfriede Ehrenberg (50), Rudolf Kröll (10) sowie Vorsitzender<br />

Karl Josef Rings.<br />

Alflen<br />

Der Ortsverband Alflen, Kreisverband Cochem-Zell, startete seinen<br />

Tagesausflug mit einem Besuch des Keramikmuseums in Höhr-Grenzhausen.<br />

Die Gruppe fuhr weiter zur Deichstadt Neuwied. Danach ging<br />

es zur Sayner Hütte, die zu den drei großen königlich-preußischen Eisenhütten<br />

gehörte und lange Jahre im Besitz der Familie Krupp war.<br />

Die Teilnehmenden beendeten den beeindruckenden Tag im Brauhaus.<br />

Der Ortsverband Bitburg ehrte<br />

im Rahmen der Weihnachtsfeier<br />

im Beisein des Kreisverbandsvorsitzenden<br />

Wilhelm<br />

Ahlert die langjährigen Mitglieder<br />

Hans-Günter Teske<br />

(sitzend links) und Martin Roths<br />

(sitzend rechts) für 70-jährige<br />

Mitgliedschaft. Links neben<br />

den Jubilaren steht die Ortsverbandsvorsitzende<br />

Sigrid<br />

Steffen, rechts daneben Wilhelm<br />

Ahlert.<br />

Osann-Monzel<br />

Während der Mitgliederversammlung<br />

des Ortsverbands<br />

Osann-Monzel, Kreisverband<br />

Wittlich-Daun, wurde ein neuer<br />

Vorstand gewählt. Den Vorsitz<br />

übernimmt Karl-Heinz Licht. Er<br />

löst damit die langjährige Vorsitzende<br />

Irmtrud Landsmann<br />

ab. Weitere Mitglieder des<br />

Vorstands sind Irmtrud Landsmann,<br />

Horst Weyand, Tanja<br />

Langerbeins, Hedwig Gorges.<br />

Anschließend ehrte der stellvertretende<br />

Kreisverbandsvorsitzende<br />

Klaus Nummer gemeinsam<br />

mit dem Ortsverbandsvorsitzenden<br />

folgende<br />

Mitglieder für langjährige Mitgliedschaft<br />

im <strong>VdK</strong>: Seit zehn<br />

Jahren sind dabei Hildegard<br />

Bollig, Dieter Denzer, Doris<br />

Denzer-Lörsch, Peter Fritzen,<br />

Inge Hower, Timo Koch, Elke<br />

Klughertz, Doris Licht, Annette<br />

Nilles, Reinhard Nilles sowie<br />

Albin Plum, und seit 20 Jahren<br />

Berthold Berg, Kurt Clemens<br />

sowie Josef Selbach.<br />

Bodenheim-Nackenheim<br />

Der Ortsverband Bodenheim-Nackenheim, Kreisverband Mainz-Bingen,<br />

ehrte im Rahmen seiner Weihnachtsfeier langjährige Mitglieder.<br />

Das Bild zeigt von links (Mitgliedsjahre in Klammern): Marita Holl (10),<br />

Silvana Mylius-Werner (10), Vorsitzende Heidi Schlütter, ihr Stellvertreter<br />

Harald Metzler, Lydia Michaelis (20), Ludwig Schoenfelder (20)<br />

sowie Simone Kerz (10).<br />

Kaiserslautern-Nord-Ost<br />

Die Vorsitzende des Ortsverbands Kaiserslautern-Ost, Inge Hofmann<br />

(vorne, Dritte von links), organisierte auf Einladung des Landtagsabgeordneten<br />

Andreas Rahm (rechts) eine Fahrt in die Landeshauptstadt<br />

Mainz. Auf dem Programm stand für die Mitglieder neben dem Besuch<br />

des neugestalteten Landtags auch die Besichtigung der ZDF-Studios.


<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 17<br />

AKTIVITÄTEN DER KREIS- UND ORTSVERBÄNDE<br />

Neuwieder Ortsverbände<br />

Sehlem-Esch<br />

Rüdiger Hof und Michaela Seuser begrüßten über 200 <strong>VdK</strong>-Mitglieder und deren Gäste zu der traditionellen<br />

Schiffstour der <strong>VdK</strong>-Arbeitsgemeinschaft der Neuwieder Ortsverbände an Bord der Augusta. Start war der<br />

Anleger in Leutesdorf. Gut gelaunt ging es mit musikalischer Unterstützung durch Thomas Kagelmann und<br />

seinem Akkordeon in Richtung Boppard. Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt regelmäßig soziale Projekte,<br />

und so wurde auf der Rückfahrt fleißig gespendet: Stolze 670 Euro kamen für den Kinderschutzdienst des<br />

Heilpädagogischen Zentrums Neuwied zusammen.<br />

Im Ortsverband Sehlem-Esch, Kreisverband Wittlich-Daun, präsentiert<br />

sich der neue Vorstand. Das Foto zeigt von links: Die Beisitzenden<br />

Elisabeth Kramp, Ortwin Dietzen und Anne Hofer, Kassenverwalter<br />

Alfred Schwierzy, stellvertretende Vorsitzende Cäcilia Thiel, Beisitzer<br />

Gottlieb Jeutter, Schriftführerin Natascha Arens, Vorsitzender Norbert<br />

Beucher sowie Frauenbeauftragte Waltraud Beucher.<br />

Irsch-Saar<br />

Eisenberg<br />

Der Ortsverband Irsch-Saar, Kreisverband Trier-Saar, organisierte eine Fahrt in die Schweizer Alpen. Auf<br />

dem Programm standen eine Bahnfahrt mit dem Glacier-Express von Disentis über den Oberalppass nach<br />

Andermatt. Mit dem Bernina-Express ging es auf eine atemberaubende Fahrt von Pontresina durch die<br />

Hochgebirgswelt (2253 m) nach Tirano in Italien. Außerdem besichtigte die Gruppe den Vierwaldstättersee,<br />

die Kirche von Zillis, berühmt wegen der bemalten Kirchendecke sowie die spektakuläre Viamala-Schlucht.<br />

Es blieb aber auch noch ausreichend Zeit zum Wandern und Entspannen in der Bergwelt rund um Davos.<br />

In der Eisenberger Fußgängerzone nahmen Lia Hibinger, Daniel Kunz<br />

und Thiago Gil-Rauschkolb (vorne von links) freudig ihre Preise aus<br />

dem Luftballonwettbewerb vom „Tag der Vereine“ entgegen. Drei<br />

Gutscheine hatte der Ortsverband Eisenberg, Kreisverband Donnersberg,<br />

ausgelobt für die Ballons mit der weitesten Reise. Gewonnen<br />

hat Daniel Kunz, dessen Ballon 267 km bis nach Thüringen geflogen<br />

ist. Es gratulierte das Vorstandsteam (von links): Schriftführer Manfred<br />

Müller, stellvertretender Vorsitzender Olaf Höppner, Beisitzer Dagmar<br />

Grünewald, Revisorin Petra Hinz, Frauenbeauftragte Anna-Maria<br />

Hollerbaum sowie Vorsitzender Georg Grünewald.<br />

Tawern<br />

Neef<br />

Beim Ortsverbandstag in Tawern, Kreisverband Trier-Saarburg, wurde im Beisein des stellvertretenden<br />

Kreisverbandsvorsitzenden Karl-Rainer Heiderich der Vorstand neu gewählt. In ihren Ämtern bestätigt<br />

wurden Vorsitzender Helmut Müller, Frauenbeauftragte Margret Hoffmann, Kassenverwalter Walter Bamberg<br />

und die Beisitzer Hermann Baltes, Eugen Breit, Dietmar Mertes und Willi Komes. Neue stellvertretende<br />

Vorsitzende ist Brigitte Bamberg und neuer Schriftführer Andreas Wagner. Der bisherige Schriftführer Alfred<br />

Fettes bleibt dem Vorstand als Beisitzer erhalten. Neu als Beisitzer sind Agnes und Artur Prümm. Als Revisoren<br />

wurden Claudia Steinmetz und Peter Greif gewählt.<br />

Der Jahresausflug des Ortsverbands Neef, Kreisverband Cochem-Zell,<br />

führte die Teilnehmenden nach Kronberg im Taunus. Dort besichtigte<br />

die Gruppe die Altstadt mit der Burg Kronberg. Nach der Mittagspause<br />

ging die Fahrt nach Bad Homburg. Die Stadt mit ihren herrlichen<br />

Parkanlagen wurde von den Teilnehmenden zu Fuß erkundet. Am<br />

nächsten Morgen fand die Fahrt mit einer Besichtigung der hessischen<br />

Landeshauptstadt Wiesbaden einen gelungenen Abschluss.<br />

Spay<br />

VG Unkel<br />

Der Ortsverband Spay, Kreisverband St.Goar, ehrte im Rahmen seiner Mitgliederversammlung treue Mitglieder.<br />

Die Urkunden und Ehrennadeln überreichte der Kreisverbandsvorsitzende Karl Josef Mahlberg (Zweiter<br />

von rechts) mit der Ortsverbandsvorsitzenden Rosi Kasper (Dritte von rechts). Der stellvertretende Vorsitzende<br />

des Ortsverbands Alfred Krämer (rechts) gratulierte mit einem Sekt-Präsent. Die Jubilare von links<br />

(Mitgliedsjahre in Klammern): Katharina Liesenfeld (20), Doris Gröber (10), Renate Krämer (20), Hans-Walter<br />

Gröber (10), Roswitha Haas (10), Helmut Günther (10), Karl Josef Knieper (20) und Horst Gaß (20).<br />

Der Ortsverband VG Unkel, Kreisverband Neuwied, präsentiert seinen<br />

neuen Vorstand (von links): Beisitzer Christoph Conrad, Beisitzer<br />

Helmuth Horschel, Frauenbeauftragte Edith Kenn, Kassenverwalterin<br />

Christa Zehnpfennig, Beisitzerin Iris Weber, stellvertretender Vorsitzender<br />

Rainer Menden, Vorsitzende Gisela Stahl sowie Presse- und Internetbeauftragte<br />

Doris Heß. Nicht im Bild: Schriftführerin Sibylle Meyer.


18 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong><br />

AKTIVITÄTEN DER KREIS- UND ORTSVERBÄNDE<br />

Engers<br />

Konz<br />

Im Ortsverband Neuwied-Engers, wurden anwesende Jubilare bei der<br />

Mitgliederversammlung für zehn Mitgliedsjahre geehrt. Das Bild zeigt<br />

von links: Ralf Krauß, Peter Bürgel, Arno Eberweiser sowie die Vorsitzende<br />

Petra Myke.<br />

Anlässlich der Weihnachtsfeier im Ortsverband Konz, Kreisverband Trier-Saarburg, wurden treue Mitglieder<br />

ausgezeichnet. Der Kreisverbandsvorsitzende Werner Faber, der Ortsverbandsvorsitzende Dieter Klever<br />

sowie die Kassenverwalterin Nadine Gerlinger überreichten den Jubilaren für 20- beziehungsweise 30-jährige<br />

<strong>VdK</strong>-Mitgliedschaft zum Dank eine Urkunde mit Treuenadel sowie ein Weinpräsent.<br />

Wollmerath<br />

Höhn<br />

Bei der Mitgliederversammlung des Ortsverbands Wollmerath, Kreisverband<br />

Cochem-Zell, ehrte der Kreisverbandsvorsitzende Andreas<br />

Peifer (Dritter von links) treue Mitglieder für 30, 20 und zehn <strong>VdK</strong>-Jahre.<br />

Das Bild zeigt von links: Helga Ehlen, Jörg Körsten, Andreas Peifer,<br />

Renate Werhand, Alfons Schmitz, Werner Peters, Rudolf Theobald,<br />

Erwin und Brigitte Bungard, Rosemarie Zeien, Marlene Müllen, Marlene<br />

und Alois Römer, Heinz-Günther Zeien, Hermann-Josef Krämer,<br />

Erich Stadtfeld sowie Werner Zeien.<br />

Bei schönstem Wetter startete der Ortsverband Höhn, Kreisverband Westerwald, die Fahrt mit dem Bus nach<br />

Koblenz; dort wurde die „Goethe“ geentert. Die Schifffahrt mit Sehenswürdigkeiten entlang des Rheins<br />

(Schloss Stolzenfels, Marksburg, Burg Rheinfels und Burg Katz) endete in St. Goarshausen gegenüber der<br />

Loreley. Danach ging die Fahrt mit dem bereitstehenden Bus weiter nach Rettert zum abschließenden Essen.<br />

Gut gestärkt und froh gelaunt chauffierte der Busfahrer die Gruppe zum Abfahrtspunkt zurück.<br />

Waldbreitbach-Niederbreitb.<br />

Andernach<br />

Bei der Mitgliederversammung des Ortsverbands Waldbreitbach-Niederbreitbach,<br />

Kreisverband Neuwied, ehrte der Vorsitzende Hans-Dieter<br />

Siegel treue Mitglieder mit Urkunde und Treuenadel. Auf dem Bild<br />

sieht man von links (Mitgliedsjahre in Klammern): Hans-Peter Schmitz<br />

(20), Inge Schmitz (20), Bernd Karwinkel (20), Peter Böhm (10) sowie<br />

Agnes Pluschke (10).<br />

Nach zweijähriger Pause war wieder Kofferpacken angesagt, und los ging die Reise des Ortsverbands Andernach,<br />

Kreisverband Mayen, in Richtung Lüneburger Heide. Über einen Zwischenstopp in Celle erreichte<br />

die Gruppe ihr Hotel in Hermannsburg. Es folgten Tagesausflüge nach Lüneburg und Bremen sowie ein<br />

Abstecher ins Künstlerdorf Worpswede, in das Fischerdorf Steinhude sowie eine Kutschfahrt durch die<br />

Heide. Besondere Höhepunkte waren eine gemütliche Schifffahrt auf dem Steinhuder Meer sowie der Besuch<br />

des Heideblütenfests mit Krönung der Heidekönigin in Amelinghausen.<br />

Fidei<br />

Lutzerath-Kennfus<br />

Der Ortsverband Fidei, Kreisverband Trier-Saarburg, hat einen neuen<br />

Vorstand gewählt. Auf dem Bild präsentiert sich der Vorstand (von links)<br />

mit dem Kreisverbandsvorsitzenden Werner Faber: Schriftführerin<br />

Sandra Dahm, Beisitzer Jürgen Schumacher, Werner Faber, Beisitzer<br />

Paul Erich, stellvertretender Vorsitzender Manfred Konder, Kassenverwalter<br />

Dietmar Gaspers, Vorsitzender Friedrich Mick sowie Frauenvertreterin<br />

Anneliese Rosemann.<br />

Der Vorstand des Ortsverbands Lutzerath-Kennfus, Kreisverband Cochem-Zell, unternahm eine Tagesfahrt<br />

ins Mittelrheinthal. Zunächst ging es nach Bingen. Im Hildegard-Forum erwartete die Teilnehmenden eine<br />

Ordensschwester, die einen interessanten Vortrag über Hildegard von Bingen hielt. Nach dem Mittagessen<br />

ging es weiter zum Schiffsanleger in Bingen. Von dort unternahmen die <strong>VdK</strong>lerinnen und <strong>VdK</strong>ler eine halbstündige<br />

Schiffsrundfahrt. Anschließend ging es weiter mit dem Bus nach Boppard. Dort konnte man mit der<br />

Reiseleiterin einen kurzen Stadtrundgang unternehmen. Einige erkundeten die Altstadt alleine. Danach<br />

wurde die Rückfahrt mit sichtlich zufriedenen Teilnehmenden angetreten.


<strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 19


Verbraucher<br />

Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

23<br />

Gemeinsam nutzen statt besitzen<br />

Das Teilen und Leihen von Dingen und Dienstleistungen wird immer beliebter – und kann helfen, den Geldbeutel zu schonen<br />

Müssen wir eigentlich alles kaufen,<br />

besitzen und irgendwann wegwerfen,<br />

was wir nutzen? Mittlerweile<br />

gibt es viele Angebote, die das<br />

Teilen, Leihen oder Tauschen von<br />

Produkten und Dienstleistungen<br />

ermöglichen und dabei helfen, die<br />

eigenen Ausgaben zu senken.<br />

Fahren<br />

Das Car-Sharing, zu Deutsch<br />

Auto-Teilen, richtet sich an Menschen,<br />

die kein Auto besitzen, aber<br />

gern kurzfristig eines nutzen wollen.<br />

Die Car-Sharing-Anbieter<br />

stellen Autos zur Verfügung, die<br />

gemeinschaftlich genutzt werden<br />

können. Anders als bei Autovermietungen<br />

lässt sich das Fahrzeug<br />

auch kurzzeitig, etwa nur für eine<br />

Strecke, mieten. Die Autos stehen<br />

entweder auf festen Parkplätzen,<br />

die sich oft an Verkehrsknotenpunkten<br />

befinden, oder parken im<br />

öffentlichen Straßenraum.<br />

Das Angebot wird offenbar immer<br />

beliebter. Anfang des Jahres<br />

2<strong>02</strong>2 waren fast 3,4 Millionen<br />

Menschen bei mindestens einem<br />

Car-Sharing-Anbieter angemeldet<br />

– das sind laut Bundesverband<br />

Car-Sharing 18 Prozent mehr als<br />

im Vorjahr. Es rechnet sich auch:<br />

Wer jährlich 5000 Kilometer fährt,<br />

spart mit Car-Sharing laut einer<br />

Berechnung des Fachmagazins<br />

„Finanztip“ gegenüber dem eigenen<br />

Auto zwischen rund 900 und<br />

1500 Euro im Jahr.<br />

Fahrgemeinschaften können dazu beitragen, den Verkehr zu reduzieren.<br />

Kritiker halten das Konzept für<br />

wenig nachhaltig. Denn Car-Sharing<br />

kann nur funktionieren, wenn<br />

die Autos zu Stoßzeiten, wenn die<br />

Nachfrage groß ist, zur Verfügung<br />

stehen. Dadurch entsteht aber ein<br />

Anreiz für die Produktion von<br />

mehr Autos. Klimaschutz durch<br />

Autofahren könne nicht der Maßstab<br />

für die Zukunft sein, kritisiert<br />

die Deutsche Umwelthilfe.<br />

Car-Sharing zählt zu dem Wirtschaftszweig<br />

der „Sharing Economy“,<br />

in der Unternehmen das<br />

Teilen kommerziell organisieren<br />

und gut damit verdienen (siehe<br />

Interview unten).<br />

Nachhaltiger und zudem kostenlos<br />

sind da private Fahrgemeinschaften<br />

von mehreren Personen,<br />

die ein gemeinsames Ziel haben<br />

und beispielsweise zusammen zur<br />

Arbeit fahren. Auf diese Weise<br />

wird der Verkehr reduziert und die<br />

Umwelt geschont.<br />

Anziehen<br />

Kleidertauschbörsen werden<br />

ehrenamtlich oder privat organisiert.<br />

Auf diesen Börsen wird gebrauchte<br />

Kleidung zur weiteren<br />

Verwendung kostenlos abgegeben.<br />

Organisationen wie Greenpeace<br />

Foto: imago/AndreyPopov/Panthermedia<br />

oder Unicef unterstützen das Konzept.<br />

Sie sehen diese Börsen als<br />

Beitrag zur Nachhaltigkeit. Die<br />

Weiternutzung von gebrauchter<br />

Kleidung schont nicht nur den<br />

Geldbeutel, sondern trägt auch<br />

dazu bei, die negativen sozialen<br />

und ökologischen Folgen der Massenproduktion<br />

von Textilien zu<br />

reduzieren. Eine weitere Möglichkeit<br />

ist, Kleidung als Spende in die<br />

Altkleidernutzung zu geben. Dort<br />

landen nach Angaben der Verbraucherzentrale<br />

aktuell etwa eine<br />

Million Tonnen Textilien, das entspricht<br />

rund zwei Milliarden Kleidungsstücken.<br />

Neben den Sammlungen<br />

werden rund 374 000 Tonnen<br />

jährlich im Restmüll entsorgt<br />

und rund 246 000 Tonnen privat<br />

weitergegeben.<br />

Spenderinnen und Spender sollten<br />

allerdings genau hinschauen,<br />

an wen sie spenden, denn auf dem<br />

Markt mischen auch unseriöse<br />

Geschäftemacher mit, die sich den<br />

Anschein der Wohltätigkeit geben.<br />

Deswegen rät die Verbraucherzentrale,<br />

nur an Sammlungen zu spenden,<br />

die sich mit einer deutschen<br />

Adresse und einer Festnetznummer<br />

zu erkennen geben. Verlässliche<br />

Altkleidersammler hätten oft<br />

das Logo „FairWertung“ oder das<br />

„BVSE Qualitätssiegel Alttextilsammlung“<br />

auf den Containern<br />

oder auf der Homepage angegeben.<br />

Lesen<br />

Öffentliche Bücherschränke gibt<br />

es heute in vielen Orten. Es sind<br />

ausrangierte Telefonzellen,<br />

Schränke oder kleine Hütten, die<br />

zum Stöbern und Tauschen einladen.<br />

Ausgelesene Exemplare können<br />

ins Regal gestellt und neuer<br />

Lesestoff entnommen werden. Die<br />

Schränke stehen häufig an zentralen<br />

Orten, damit Schwung in den<br />

Büchertausch kommt.<br />

Einen wesentlich größeren Personenkreis<br />

erreichen öffentliche<br />

Bibliotheken. Nutzer haben gegen<br />

eine oft geringe Gebühr Zugang zu<br />

großen Mediensammlungen, die<br />

neben Büchern auch digitale Medien<br />

umfassen. Jörg Ciszewski<br />

Haushaltsbuch<br />

hilft beim Sparen<br />

Die Preise für Lebensmittel und<br />

Energie sind weiterhin sehr hoch.<br />

Deshalb ist das Portemonnaie oft<br />

schneller leer als gedacht. Ein<br />

Haushaltsbuch kann helfen, den<br />

Überblick über die Einnahmen und<br />

Ausgaben zu behalten und sogar<br />

Einsparpotenziale zu entdecken.<br />

Darauf weist die Verbraucherzentrale<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

(NRW) hin. Wer die Ausgaben<br />

auflistet, sieht auf einen Blick, wie<br />

viel Lebensmittel, Mobilität, Energie,<br />

Versicherungen oder Freizeitaktivitäten<br />

gekostet haben. Damit<br />

ist es möglich zu entscheiden, welche<br />

Ausgaben wirklich wichtig<br />

sind. Und es zeigt sich, worauf<br />

man eventuell verzichten kann.<br />

Das könnte zum Beispiel ein<br />

Abonnement für das Fitnessstudio<br />

sein, das man schon länger nicht<br />

mehr nutzt, oder zu teure Versicherungen,<br />

erklärt Dr. Mechthild<br />

Winkelmann von der Verbraucherzentrale<br />

NRW.<br />

Nach einer Bestandsaufnahme<br />

bietet es sich an, für den nächsten<br />

Monat ein Budget für bestimmte<br />

Aktivitäten festzulegen. Dieses<br />

sollte zum Einkommen und zu den<br />

sonstigen Ausgaben passen. Im<br />

Budget kann auch eine Sparrate<br />

enthalten sein, weil man etwa mit<br />

einer Nachforderung des Energieversorgers<br />

rechnet.<br />

Das Haushaltsbuch der Verbraucherzentrale<br />

NRW ist im Buchhandel<br />

erhältlich. Das praktische<br />

Ringbuch kostet zehn Euro (ISBN<br />

978-3-86336-183-9). ken<br />

Teilen als Geschäftsmodell<br />

„Sharing Economy“: Unternehmen verdienen heute viel Geld damit, das Teilen zu organisieren<br />

Längst haben Unternehmen das<br />

Prinzip „Teilen statt besitzen“ für<br />

sich entdeckt. Die sogenannte<br />

„Sharing Economy“, zu übersetzen<br />

mit „Wirtschaft des Teilens“, boomt<br />

dank des Internets. Im Interview<br />

mit der <strong>VdK</strong>-ZEITUNG erklärt Jonas<br />

Pentzien vom Institut für ökologische<br />

Wirtschaftsforschung in Berlin,<br />

wie sie funktioniert.<br />

Wie würden Sie die Idee der „Sharing<br />

Economy“ beschreiben?<br />

Die Idee lässt sich anhand von<br />

Beispielen illustrieren: Das durchschnittliche<br />

Auto in Deutschland<br />

steht den Großteil des Tages ungenutzt<br />

auf der Straße. Ein Bohrer<br />

wird über seine Lebensspanne<br />

durchschnittlich nur zwölf Minuten<br />

genutzt. Die „Sharing Economy“<br />

propagiert, dazu beizutragen,<br />

unseren Bedarf an Gütern wie<br />

dem Auto oder dem Bohrer so zu<br />

organisieren, dass nicht alle die<br />

gleichen Güter besitzen müssen,<br />

sondern wir auf diese nur dann<br />

zugreifen, wenn wir sie benötigen.<br />

Geteilt wird auf diese Art und Weise<br />

seit Jahrtausenden. Neu ist eher,<br />

was dem heutigen Sharing zugrunde<br />

liegt. Und das ist das Internet,<br />

das einen Austausch auf großer<br />

Ebene zwischen verschiedenen<br />

Gruppen und über Entfernungen<br />

hinweg ermöglicht. Da sprechen<br />

wir über sogenannte Sharing-Plattformen<br />

– Unternehmen, die Interund<br />

Transaktionen zwischen<br />

Nutzenden vermitteln. Da ist beispielsweise<br />

„Airbnb“ zu nennen,<br />

Eine im Internet über Airbnb gebuchte Privatunterkunft ist häufig günstiger<br />

als ein Zimmer im Hotel.<br />

Foto: picture alliance/Hans Lucas/Romain Doucelin<br />

eine weltweit agierende Plattform,<br />

auf der Privatleute Touristen gegen<br />

eine Gebühr ihre Wohnung vermieten,<br />

oder „Uber“, wo Privatleute<br />

die Beförderung von Personen<br />

mit ihrem eigenen Auto anbieten,<br />

ähnlich einem Taxi.<br />

Hilft Teilen dabei, Ressourcen zu<br />

schonen?<br />

Formen des Teilens können dazu<br />

beitragen, dass wir weniger konsumieren<br />

und bewusster mit Ressourcen<br />

umgehen. Dies ist grundsätzlich<br />

positiv zu bewerten.<br />

Wenn es um die Nachhaltigkeit<br />

der „Sharing Economy“ geht, muss<br />

man sauber differenzieren. Zuerst<br />

muss man klar sagen, dass es sich<br />

bei der Plattform um ein Geschäftsmodell<br />

handelt. Das heißt:<br />

Die Betreiber wollen Geld verdienen.<br />

Und das geht in den Kategorien<br />

am besten, wo viele Transaktionen<br />

zwischen Individuen vermittelt<br />

werden können. Denn jede<br />

Transaktion eröffnet das Potenzial,<br />

entweder Gebühren einzunehmen<br />

oder Daten zu gewinnen.<br />

Wer zum Beispiel bei Airbnb<br />

bucht, verrät der Plattform ja nicht<br />

nur, welche Unterkunft man bevorzugt,<br />

sondern auch, von wo<br />

man auf die Plattform zugreift, wie<br />

häufig man sie checkt und wieviel<br />

Geld man bereit ist, für eine Unterkunft<br />

zu zahlen. Diese Daten<br />

werden durch die Plattformen<br />

aufgearbeitet und für kommerzielle<br />

Zwecke genutzt. So machen die<br />

Unternehmen Geld.<br />

Das heißt im Umkehrschluss, dass<br />

Sharing dort funktioniert, wo Verbraucher<br />

Geld sparen wollen und<br />

die Plattformbetreiber Gewinnmöglichkeiten<br />

sehen. Wenn man<br />

das aus Nachhaltigkeitsperspektive<br />

betrachtet, heißt das aber auch:<br />

Die kommerziell ausgerichteten<br />

Plattformen verlangen ein „Mehr“,<br />

während die Nachhaltigkeit eher<br />

ein „Weniger“ braucht.<br />

Profitieren von der Sharing-Idee<br />

nur technikaffine Großstädter?<br />

In Deutschland gibt es rund<br />

100 digitale Plattformen für das<br />

Teilen von Privat zu Privat. Viele<br />

davon zielen explizit darauf ab,<br />

Interaktionen in ländlichen Gebieten<br />

zu ermöglichen, beispielsweise<br />

wenn es um das Car-Sharing geht.<br />

Um über Plattformen teilen zu können,<br />

braucht es zweierlei: Einerseits<br />

eine gewisse digitale Kompetenz,<br />

um sich auf diesen Plattformen<br />

überhaupt erst zurechtzufinden.<br />

Vor allem, weil man ja neu lernen<br />

muss, wie das mit den Bewertungen<br />

funktioniert. Daraus kann man erst<br />

ablesen, welche Angebote vertrauenswürdig<br />

erscheinen – und welche<br />

nicht. Andererseits gilt, wer nichts<br />

besitzt, kann auch nichts teilen. Als<br />

Einkommensquelle sind Sharing-Plattformen<br />

nur für bestimmte<br />

Personen interessant, so dass bestehende<br />

Ungleichheiten auch im digitalen<br />

Raum reproduziert werden.<br />

Interview: Jörg Ciszewski<br />

Jonas Pentzien.<br />

Foto: privat


24 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Verbraucher<br />

Abneigung gegen Bitteres ist angeboren<br />

Geschmacksforschung: Molekularbiologe Dr. Maik Behrens erklärt, warum bittere Lebensmittel nicht für jeden gleich schmecken<br />

Ob Rosenkohl, Chicorée oder Radicchio<br />

– diese Gemüsesorten<br />

enthalten Bitterstoffe, die nicht<br />

jeder mag. Die Geschmacksrichtung<br />

„bitter“ ist noch vergleichsweise<br />

unerforscht. Darüber freut<br />

sich der Molekularbiologe Dr. Maik<br />

Behrens: „Überraschende Erkenntnisse<br />

auf diesem Feld sind fast an<br />

der Tagesordnung“, erzählt er im<br />

Gespräch mit der <strong>VdK</strong>-ZEITUNG.<br />

Am Esstisch scheiden sich die<br />

Geister: Die einen genießen bittere<br />

Zutaten wie Oliven, Kohl, Chicorée<br />

oder Grapefruit, die anderen mögen<br />

sie nicht. „Wir Menschen und auch<br />

viele Tiere haben eine angeborene<br />

Abneigung gegen Bitteres, denn<br />

dieser Geschmack weist uns auf<br />

potenziell giftige Substanzen hin“,<br />

sagt Dr. Maik Behrens vom Leibniz-<br />

Institut für Lebensmittel-Systembiologie<br />

in Freising. Doch warum<br />

schmecken manche Pflanzen bitter?<br />

Mithilfe von Bitterstoffen<br />

schützen sie sich vor Fraßfeinden.<br />

Viele dieser Obst- und Gemüsesorten<br />

sind dennoch genießbar. Doch<br />

Vorsicht bei Kürbisgewächsen:<br />

„Wenn Zucchini oder Gurken bitter<br />

sind, enthalten sie Giftstoffe. Darum<br />

niemals essen“, warnt er.<br />

Gen als „Bitterfühler“<br />

Die Natur hat es so eingerichtet, dass Babys bei bitterem Geschmack die Nase rümpfen. Süß zu mögen, ist<br />

hingegen überlebenswichtig, damit sie genug Nahrung – Muttermilch – aufnehmen. Später lehnen viele Kinder<br />

immer noch bittere Speisen ab. Im Lauf des Lebens kann man sich jedoch an Kohl, Chicorée und Co. gewöhnen.<br />

Wie stark jemand bitteren Geschmack<br />

empfindet, hängt von den<br />

Genen ab. Genauer: „Das Gen<br />

TAS2R38 ist verantwortlich dafür,<br />

wie intensiv bestimmte Bitterstoffe<br />

wahrgenommen werden“, sagt Behrens.<br />

Deshalb kann jemand nichts<br />

dafür, wenn er oder sie Brokkoli<br />

nicht ausstehen kann. „Der Rezeptor<br />

TAS2R38 sorgt bei gut zwei<br />

Dritteln der Menschen dafür, dass<br />

sie besonders sensibel auf den Bittergeschmack<br />

von Kohlsorten reagieren,<br />

das andere Drittel dagegen<br />

ist völlig unempfindlich“, erklärt er.<br />

Immer wieder kommen Expertinnen<br />

und Experten zu überraschenden<br />

Erkenntnissen. So wurden<br />

bereits 25 Bitter-Rezeptoren<br />

entdeckt. Geschmacksforscher<br />

Maik Behrens erklärt, was daran<br />

so besonders ist: „Für die anderen<br />

vier Geschmacksrichtungen – also<br />

süß, sauer, salzig und umami – ist<br />

nur je einer bekannt.“<br />

Viele Menschen gewöhnen sich<br />

im Lauf des Lebens an bitteren<br />

Geschmack. Bestes Beispiel: Kaffee,<br />

eines der beliebtesten Getränke<br />

überhaupt. Apropos Kaffee: Der<br />

Molekularbiologe teilt einen seiner<br />

neuesten wissenschaftlichen Befund<br />

mit: „Es ist bekannt, dass sich<br />

Bitterstoffe gegenseitig aufheben.<br />

können. Unser Team der Lebensmittel-Systembiologie<br />

in Freising<br />

hat nun herausgefunden, dass es<br />

hilft, wenn man vor dem Verzehr<br />

von Chicorée oder Radicchio<br />

schwarzen Kaffee trinkt. In dem<br />

Fall wird das Gemüse nicht mehr<br />

als bitter wahrgenommen“, berichtet<br />

der Spezialist.<br />

Immer wieder ist zu lesen, dass<br />

Bitterstoffe die Galle sowie die<br />

Foto: picture alliance/blickwinkel/F8-DASBILD<br />

Verdauung anregen und den Fettstoffwechsel<br />

ankurbeln. Sie sollen<br />

sogar beim Abnehmen helfen, weil<br />

sie den Hunger auf Süßes hemmen.<br />

Doch den Trend zu Bittertropfen<br />

sieht der Experte skeptisch: „Es ist<br />

noch viel zu wenig erforscht, welche<br />

bitteren Substanzen im Einzelnen<br />

gesundheitsfördernd sind.“<br />

Gerösteter Rosenkohl<br />

Hobby-Gourmets wissen, dass es<br />

auch auf die Art der Zubereitung<br />

der Speisen und zusätzliche Aromen<br />

ankommt. Aus der italienischen<br />

Küche ist etwa der Radicchio<br />

nicht wegzudenken. In dem<br />

Reisgericht „Risotto al radicchio“<br />

sorgt das Kochen und die Verwendung<br />

pikanten Parmesankäses<br />

dafür, dass der bittere Geschmack<br />

des Blattgemüses überdeckt wird.<br />

Auch Kohl kann man seine Strenge<br />

nehmen, indem man ihn mit<br />

anderen Zutaten kombiniert. Die<br />

Londoner Autorin Niki Segnit<br />

schreibt in ihrem Buch „Der Geschmacksthesaurus“<br />

etwa, dass<br />

Speck imstande ist, den schwefligen<br />

Geschmack des Rosenkohls zu<br />

„zähmen“, wie sie es formuliert.<br />

Ebenso dienen Orangenschale und<br />

-saft sowie Gewürze wie Kreuzkümmel<br />

und Aromen von Zwiebel<br />

und Knoblauch dazu, dem Kohl<br />

seinen herben Geschmack zu nehmen.<br />

Und wer den Rosenkohl im<br />

Ofen röstet, kreiert ein interessanteres<br />

Geschmackserlebnis als bei<br />

der gekochten oder gedämpften<br />

Variante. Elisabeth Antritter<br />

Robust, aber gefährdet<br />

Kleine Braunelle ist die Blume des Jahres 2<strong>02</strong>3<br />

Abwarten und Tee trinken<br />

Sich Zeit zu lassen, ist für den Genuss wichtig<br />

Wildblumen werden immer seltener.<br />

Um auf diesen Rückgang aufmerksam<br />

zu machen, hat die Loki<br />

Schmidt-Stiftung für den Titel<br />

„Blume des Jahres 2<strong>02</strong>3“ eine robuste<br />

Vertreterin auserkoren: die<br />

Kleine Braunelle.<br />

Neben Wildblumen nehmen<br />

auch die Vorkommnisse anderer<br />

Pflanzen- und Tierarten schleichend<br />

ab. „Wir alle können und<br />

müssen etwas tun, um diesen Prozess<br />

aufzuhalten“, fordert Axel<br />

Jahn, Geschäftsführer der Loki<br />

Schmidt-Stiftung. „Im Garten, an<br />

Straßen, zwischen Wohnblöcken,<br />

in der Landwirtschaft:<br />

Lassen wir wieder<br />

mehr Natur zu!“<br />

Die Kleine Braunelle<br />

ist mit fünf bis<br />

25 Zentimetern<br />

Wuchshöhe eine<br />

eher kleine Pflanze,<br />

aber dafür relativ<br />

hart im Nehmen.<br />

Sie überlebt<br />

selbst in regelmäßig<br />

gemähtem Rasen und<br />

toleriert Fraß und Tritt<br />

durch Vieh auf Weiden. Für<br />

viele Insektenarten stellt sie eine<br />

wichtige Nahrungsquelle dar. Besonders<br />

Hummeln, aber auch Honigbienen,<br />

Wildbienen und andere<br />

Hautflügler nutzen den Pollen der<br />

Blume für die Aufzucht ihrer Larven.<br />

Mindestens 18 Schmetterlingsarten<br />

trinken Nektar aus den blauvioletten<br />

Blüten. Die Insekten<br />

profitieren dabei von der langen<br />

Blütezeit der Kleinen Braunelle, die<br />

von Juni bis Oktober reicht. Darüber<br />

hinaus fressen die Raupen von<br />

Magerrasen-Perlmuttfaltern und<br />

Braunellen-Zwergminiermotten<br />

die Blätter der Wildpflanze.<br />

Foto: picture alliance/<br />

Bildagentur-online/<br />

Sunny Celeste<br />

Von Menschen wird die Kleine<br />

Braunelle aufgrund ihrer ätherischen<br />

Öle und Gerbstoffe als Heilpflanze<br />

genutzt. Ihre Blätter können<br />

für Gurgelwasser verwendet<br />

oder bei Augenentzündungen,<br />

Lungenleiden, Magen- und Darmerkrankungen<br />

sowie als Wundheilmittel<br />

eingesetzt werden.<br />

Doch trotz ihrer Robustheit sind<br />

auch die Bestände dieser Blumenart<br />

in den vergangenen Jahrzehnten<br />

regional zurückgegangen.<br />

Gründe dafür sind laut der Loki<br />

Schmidt-Stiftung unter anderem zu<br />

häufiges Mähen. Dadurch werde<br />

den Wildpflanzen oft zu wenig Zeit<br />

gegeben, um zu wachsen und Blüten<br />

und Samen ausbilden zu<br />

können.<br />

Die größte Gefährdungsursache<br />

bilde jedoch der<br />

hohe Eintrag von Stickstoff<br />

in die Umwelt –<br />

zum einen durch das<br />

Ausbringen von Dünger<br />

und Gülle, zum anderen<br />

durch Verbrennungsprozesse<br />

in der Industrie,<br />

durch Verkehrsabgase<br />

und private Haushalte.<br />

Bei einem Stickstoff-<br />

Überschuss im Boden<br />

dominieren Gräser und<br />

andere hochwüchsige<br />

Pflanzen. Diese verdrängen<br />

kleinere Wildpflanzen wie die<br />

Kleine Braunelle.<br />

Übrigens: Der Name „Braunelle“<br />

bezieht sich auf die braune Farbe<br />

der verblühten Kelchblätter, die<br />

die blauvioletten Kronblätter umschließen<br />

und den Blütenstand wie<br />

einen kleinen Tannenzapfen aussehen<br />

lassen. Mirko Besch<br />

Eine schöne Tasse Tee steht für<br />

Gelassenheit und kurzen Rückzug<br />

aus dem Alltag. Im Winter hat das<br />

Heißgetränk Hochsaison.<br />

43 Liter Kräuter- und Früchtetee<br />

und 29 Liter schwarzen und grünen<br />

Tee trinken die Deutschen pro<br />

Kopf im Jahr. Allerdings bleibt mit<br />

168 Litern der Kaffee immer noch<br />

der Liebling in der Tasse.<br />

Wer morgens in die Gänge kommen<br />

will, greift am besten zu grünem<br />

oder schwarzem Tee. Das<br />

darin enthaltene Teein entspricht<br />

dem Koffein im Kaffee in seiner<br />

Wirkung. Diese setzt jedoch verzögert<br />

ein, hält dafür aber länger<br />

an. Wenn schwarzer Tee zu lange<br />

zieht, schlägt das außerdem vielen<br />

Menschen auf den Magen. Und<br />

nach einer Ziehzeit von mehr als<br />

zwei bis drei Minuten verliert sich<br />

die anregende Wirkung von<br />

schwarzem Tee.<br />

Streng genommen dürfen nur<br />

Getränke, die aus der Teepflanze<br />

gewonnen werden, „Tee“ heißen,<br />

also Grün- oder Schwarztee. Die<br />

beliebten Aufgüsse aus Kräutern<br />

oder Früchten dürfen nach dem<br />

Lebensmittelrecht nur als „teeähnliche<br />

Erzeugnisse“ bezeichnet<br />

werden. Alltagssprachlich durchgesetzt<br />

hat sich das nicht.<br />

Tee-Puristinnen und -Puristen<br />

schwören auf die richtige Zubereitung.<br />

Der Härtegrad des Wassers<br />

sei wichtig, ebenso die exakte Aufgusstemperatur.<br />

So genau muss es<br />

Tee gibt es in vielen wohlschmeckenden<br />

Variationen.<br />

nicht sein, aber ein paar Grundregeln<br />

gibt es doch: So sollte man<br />

immer frisches Wasser aufkochen<br />

lassen und nicht zu heiß aufgießen.<br />

Wenn möglich, ist loser Tee dem<br />

Teebeutel vorzuziehen, damit sich<br />

die Aromen besser entfalten.<br />

Am besten schmeckt Tee, wenn<br />

er nicht zu heiß getrunken wird.<br />

Also: Abwarten und Tee trinken.<br />

Erst wenn sich die Tasse angenehm<br />

warm in den Händen halten lässt,<br />

stimmt die Trinktemperatur. Vielleicht<br />

hilft Teetrinken deshalb so<br />

gut, mehr Ruhe und Gelassenheit<br />

ins Leben zu bringen? bsc<br />

Foto: picture alliance/Zoonar/Katerina Solovyeva


Freizeit<br />

Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3<br />

25<br />

Ein Basislager für gelebte Inklusion<br />

Neue Kletterhalle in Bad Aibling bietet Kurse und Arbeitsplätze für Menschen mit und <strong>ohne</strong> Behinderung<br />

Fünf Jahre wurde geplant, ein Jahr<br />

lang gebaut. Kurz vor Weihnachten<br />

war Deutschlands erste Inklusions-Kletterhalle<br />

im oberbayerischen<br />

Bad Aibling betriebsbereit<br />

und lädt seitdem Menschen mit<br />

und <strong>ohne</strong> Behinderung zum Klettern<br />

und Verweilen ein.<br />

Ins Leben gerufen hat das Projekt<br />

der Verein „Stützpunkt Inntal“.<br />

Im „Basislager“, so der Name<br />

der neuen Trainingsstätte, werden<br />

unter anderem therapeutische und<br />

inklusive Kletterkurse für Kinder,<br />

Jugendliche und Erwachsene angeboten.<br />

Diese fanden bisher in<br />

anderen Hallen in der Umgebung<br />

statt. Nun können Kletterbegeisterte<br />

in der nagelneuen Schulungshalle<br />

trainieren, die gleich<br />

Rosenheims <strong>VdK</strong>-Kreisvorsitzende Marianne Keuschnig (hinten, links) mit<br />

„Basislager“-Mitgründerin Natascha Haug (vorn, Dritte von links), Trainerin<br />

Xenia (hinten, rechts) und den Kids der therapeutischen und inklusiven<br />

Kletterkurse.<br />

Fotos: Mirko Besch<br />

neben der riesigen, 17 Meter hohen<br />

Haupthalle liegt.<br />

Die jungen Kursteilnehmerinnen<br />

und -teilnehmer lernen von Beginn<br />

an nicht nur, die verschiedenen<br />

Routen der Hallenwände hochzusteigen,<br />

sondern auch Verantwortung<br />

für andere zu übernehmen.<br />

Wer gerade nicht klettert, sichert<br />

die Kletterpartnerin oder den Kletterpartner<br />

unten mit dem Seil ab.<br />

Dafür sind Kenntnisse wichtiger<br />

Knoten sowie ein regelmäßiger<br />

Austausch mittels kurzer Kommandos<br />

erforderlich. Zum Beispiel<br />

darüber, ob der oder die Kletternde<br />

mehr Seil braucht, um weiter hochsteigen<br />

zu können, oder ob das Seil<br />

straff gezogen werden soll, damit er<br />

oder sie sich „setzen“ und ausruhen<br />

kann. Eine Trainerin oder ein Trainer<br />

ist immer mit dabei, kontrolliert<br />

und gibt gegebenenfalls Anweisungen,<br />

was als Nächstes zu tun ist.<br />

Bei den Kids kommen die Kurse<br />

sehr gut an. „Es macht mir sehr viel<br />

Spaß“, sagt beispielsweise Manuel.<br />

Er ist elf Jahre alt und klettert seit<br />

einem Jahr. „Die neue Halle gefällt<br />

mir noch besser als die andere, in<br />

der wir vorher waren.“ Auch der<br />

achtjährige Quirin findet Kraxeln<br />

„cool“ und das „Basislager“ auch.<br />

Amina, 14, trainiert schon seit sieben<br />

Jahren und findet es ebenfalls<br />

„sehr schön hier“.<br />

Unterstützung vom <strong>VdK</strong><br />

Solche Kommentare hört Natascha<br />

Haug natürlich gerne. Sie ist<br />

Vereinsvorsitzende, Ergotherapeutin,<br />

Trainerin und gehört zum<br />

Gründertrio, das aus ihr, ihrem<br />

Mann Achim Haug und Katja Müller<br />

besteht. Die drei haben das Inklusionsprojekt<br />

über Fördergelder,<br />

Sponsoren, Spenden und viel Unterstützung<br />

durch die Vereinsmitglieder<br />

realisieren können.<br />

Auch der <strong>VdK</strong>-Kreisverband Rosenheim<br />

hat einen Teil dazu beigetragen.<br />

„Ich war beeindruckt von<br />

der inklusiven Arbeit mit den Kindern“,<br />

erzählt Marianne Keuschnig.<br />

Die <strong>VdK</strong>-Kreisvorsitzende<br />

hatte sich einst einen der Kletterkurse<br />

für Kinder und Jugendliche<br />

mit und <strong>ohne</strong> Behinderung angeschaut,<br />

als diese noch im 35 Kilometer<br />

entfernten Bernau am<br />

Chiemsee stattfanden. „Das hat uns<br />

dazu bewogen, die Unterstützung<br />

für das ‚Basislager‘ in<br />

Bad Aibling auf den<br />

Weg zu bringen.“<br />

Aber nicht nur die<br />

Kurse sind inklusiv,<br />

der ganze Betrieb ist<br />

es. Das bedeutet:<br />

Menschen mit Behinderung<br />

sind nicht nur<br />

als Gäste in der umfassend<br />

barrierefrei<br />

konzipierten Anlage<br />

willkommen, sondern<br />

gehören auch zum<br />

Team der Angestellten<br />

im Basislager,<br />

unter anderem im<br />

Bistro oder am Empfang.<br />

Das ist bundesweit<br />

einzigartig, und<br />

für diese gelebte Inklusion<br />

wurde der<br />

Verein im vergangenen<br />

Jahr mit dem<br />

Bayerischen Innovationspreis<br />

Ehrenamt<br />

ausgezeichnet.<br />

Um als Inklusionsbetrieb<br />

gelten zu können,<br />

sind bestimmte<br />

Vorgaben zu erfüllen. So können<br />

nur Menschen mit Behinderung<br />

eingestellt werden, deren Teilhabe<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

besonders schwierig ist. „Es<br />

braucht eine gesunde Mischung<br />

von Mitarbeitern mit und <strong>ohne</strong><br />

Behinderung“, erklärt Natascha<br />

Haug. „Wir haben unsere Mitarbeiter<br />

handverlesen ausgewählt und<br />

dabei offensichtlich ein gutes<br />

Händchen gehabt“, freut sich die<br />

Während Quirin klettert, sichert ihn Giosué am<br />

Boden mit Unterstützung von Trainerin Xenia ab.<br />

Vereinsvorsitzende rückblickend<br />

auf die Tage nach der Eröffnung.<br />

Denn ausgerechnet da lagen Natascha<br />

und Achim Haug mit Covid-19<br />

zu Hause flach. „Aber es hat sich<br />

gezeigt: Wir haben ein starkes<br />

Team, das die Eröffnungswoche<br />

toll gewuppt hat.“ Wer sich selbst<br />

davon überzeugen möchte, findet<br />

alle Informationen für einen Besuch<br />

unter https://kletterhallebasislager.de<br />

Mirko Besch<br />

Vom Meister-Fischer zum Biathlon-Olympiasieger<br />

Beim Weltcup in Ruhpolding treffen sich die Wintersport-Legenden Verena Bentele und Fritz Fischer zum Gespräch<br />

Als Schlussläufer der ersten gemeinsamen<br />

Biathlonstaffel nach<br />

der Wiedervereinigung sicherte<br />

Fritz Fischer 1992 dem deutschen<br />

Team Gold. Bis heute ist er dem<br />

Sport verbunden. <strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />

Verena Bentele traf ihn beim Biathlon-Weltcup<br />

in Ruhpolding für<br />

ihren Podcast „In guter Gesellschaft“.<br />

Darin erzählt er aus seinem<br />

Sportlerleben, und wie er<br />

<strong>VdK</strong>-Mitglied wurde.<br />

„Hallo Verena!“, „Servus Fritz!“:<br />

Wenn man mit Verena Bentele und<br />

Fritz Fischer beim Biathlon-Weltcup<br />

in der Chiemgau-Arena in<br />

Ruhpolding unterwegs ist, braucht<br />

man etwas Zeit, um ans Ziel zu<br />

kommen. Beide halten öfters einen<br />

kurzen Plausch, ob mit dem Ordner<br />

am Einlass oder mit Fans, die<br />

zur Tribüne pilgern. Diese freuen<br />

sich besonders über ein Selfie mit<br />

Bentele und Fischer.<br />

Zwei, die sich verstehen<br />

Es herrscht eine wunderbare<br />

Stimmung. Die Menschen freuen<br />

sich, wieder live Spitzensport zu<br />

erleben, den Fritz Fischer und Verena<br />

Bentele früher selbst erfolgreich<br />

betrieben haben. So steht<br />

auch auf der Akkreditierung des<br />

66-Jährigen keine Funktion, sondern<br />

einfach nur „Fritz Fischer,<br />

Olympic Winner“ (Olympiasieger).<br />

Kein Wunder, dass jeder gerne die<br />

Tür öffnet, auch als wir zusammen<br />

ein möglichst ruhiges Plätzchen<br />

für den Podcast suchen. In der<br />

Hütte eines Sponsors können sich<br />

Bentele und Fischer zusammensetzen<br />

und den Podcast aufnehmen.<br />

Der Titel „In guter Gesellschaft“<br />

passt bestens. Denn die beiden<br />

schätzen sich gegenseitig. Das ist<br />

sofort zu spüren.<br />

Zwar liegt eine Generation zwischen<br />

dem Oberbayern und der<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin, beide stellen<br />

aber immer wieder Gemeinsamkeiten<br />

fest. Sie verbindet nicht nur die<br />

Liebe zum Sport, sie wuchsen auch<br />

beide auf einem Bauernhof auf –<br />

Fritz Fischer mit sechs Geschwistern.<br />

Passend zu seinem Namen<br />

angelt er seit Langem und wurde<br />

sogar Deutscher Jugendmeister.<br />

„Fischers Fritz fischt viele Fische“,<br />

sagt er mit einem Lächeln.<br />

Von Kindheit an ist Fischer aber<br />

auch ein Ausdauer-Talent. So besteigt<br />

er schon mit 14 Jahren den<br />

Mont Blanc, und kommt bei einem<br />

Verena Bentele im Gespräch mit Fritz Fischer, Olympiasieger und <strong>VdK</strong>-Mitglied.<br />

5000-Meter-Lauf während seiner<br />

Zeit als Wehrpflichtiger als Erster<br />

ins Ziel – <strong>ohne</strong> Training und vor<br />

seinem Vorgesetzten.<br />

Dieser schickt ihn daraufhin zur<br />

Sportkompanie nach Bad Reichenhall,<br />

wo er nicht nur beim Schießen,<br />

sondern auch beim Langlaufen<br />

überzeugt. „Und so kam ich<br />

dann zum Biathlon“, erzählt er.<br />

Durch sein Talent und viel Training<br />

schafft es Fritz Fischer in die Nationalmannschaft.<br />

Dort ist er dank<br />

Foto: Sebastian Heise<br />

seiner ruhigen Art und Treffsicherheit<br />

über Jahre hinaus der Schlussläufer<br />

bei den bundesdeutschen<br />

Biathlon-Herren und gewinnt mit<br />

ihnen viele Medaillen.<br />

Sein Höhepunkt sind die Olympischen<br />

Winterspiele 1992 in Albertville.<br />

Zum Ende seiner Sportlerkarriere<br />

ist er noch einmal der<br />

vierte Mann in der Staffel, und der<br />

einzige, der zuvor nicht für die<br />

DDR gelaufen ist. Im Podcast erzählt<br />

er, wie er trotz knappen Vorsprungs<br />

beim letzten Wechsel und<br />

großer Konkurrenz einen deutlichen<br />

Sieg herausläuft – dabei helfen<br />

ihm seine Erfahrung, Selbstgespräche<br />

und ein Vaterunser. Bis<br />

heute ist dies der schönste Moment<br />

seiner Laufbahn, sagt er. „Die letzten<br />

100 Meter in Albertville möchte<br />

ich noch einmal laufen.“<br />

2019 fragt ihn sein Nachbar,<br />

Siegsdorfs <strong>VdK</strong>-Ortsvorsitzender<br />

Walter Hindlinger, ob er dem Sozialverband<br />

beitreten wolle. Er sagt<br />

sofort zu und wird 13000. Mitglied<br />

im <strong>VdK</strong>-Kreisverband Traunstein.<br />

Solidarität ist ihm sehr wichtig.<br />

„Der Mensch steht für mich immer<br />

im Mittelpunkt“, betont er. Das<br />

merkt man auch, als er gleich nach<br />

dem Interview auf dem Weg zum<br />

Weltcup-Rennen mit Fans und Betreuern<br />

ins Gespräch kommt.<br />

Info: Das Interview von <strong>VdK</strong>-<br />

Präsidentin Verena Bentele mit<br />

Olympiasieger Fritz Fischer ist auf<br />

der Webseite www.vdk.de/podcast<br />

zu hören. Sebastian Heise


26 Zeitung Februar 2<strong>02</strong>3 Unterhaltung<br />

Komisch und ernst<br />

Die vielseitige Andrea Sawatzki wird 60 Jahre<br />

Andrea Sawatzki ist Schauspielerin<br />

und Autorin. Ihre Vielseitigkeit<br />

macht sie zu einem der bekanntesten<br />

Gesichter in TV und Kino. Am<br />

23. Februar feiert sie ihren 60. Geburtstag.<br />

Andrea Sawatzki<br />

Nach der Schauspielschule in<br />

München arbeitete Andrea Sawatzki<br />

ab Ende der 1980er-Jahre<br />

in verschiedenen Theater- und<br />

Filmproduktionen. Ihr Durchbruch<br />

gelang 1997 mit dem Film<br />

„Die Apothekerin“. 2001 bis 2009<br />

war sie die Frankfurter „Tatort“-Hauptkommissarin<br />

Charlotte<br />

Sänger, von 1995 bis 2004 wirkte<br />

sie im „Polizeiruf 110“ mit.<br />

Ihre Vielseitigkeit zeigt sie vor<br />

allem in hintergründigen Komödien.<br />

In ihrem aktuellen Kinofilm<br />

„Freibad“, einer Regiearbeit von<br />

Doris Dörrie, spielt sie Gabi, die<br />

seit vielen Jahren in einem Freibad<br />

für Frauen von ihrem Stammplatz<br />

auf der Liegewiese aus die Geschehnisse<br />

kommentiert. Gabi<br />

sieht sich selbst zwar als emanzipiert<br />

und tolerant an, fühlt sich<br />

aber von muslimischen Frauen in<br />

Ganzkörperschwimmanzügen<br />

herausgefordert.<br />

Im September 2<strong>02</strong>2 ist die mittlerweile<br />

siebte Folge der „Familie<br />

Bundschuh“-Reihe im Fernsehen<br />

ausgestrahlt worden. Andrea Sawatzki<br />

hat nicht nur die erfolgreichen<br />

Romanvorlagen geschrieben,<br />

sondern auch die Drehbücher<br />

verfasst. Als Mutter Gundula versucht<br />

sie – größtenteils vergeblich<br />

– die Fäden ihrer eigenwilligen<br />

Familie zusammenzuhalten.<br />

Ein ernstes Kapitel ihres Lebens<br />

ist ihre Kindheit und Jugend, die<br />

sie in ihrem neuen Buch „Brunnenstraße“<br />

beschreibt. Ihre Mutter<br />

zieht sie acht Jahre alleine groß,<br />

bevor der bis dahin kaum präsente<br />

Vater auftaucht. Dieser erkrankt<br />

bald an Demenz und wird von der<br />

jugendlichen Tochter bis zu dessen<br />

Tod gepflegt. Oft fühlt sie sich hilflos<br />

und fremd mit diesem Mann.<br />

Diese Erfahrung habe sie stark<br />

geprägt, sagt sie in einem NDR-Interview,<br />

vielleicht aber vorbereitet,<br />

in andere Rollen zu schlüpfen.<br />

Sawatzki lebt mit Schauspieler<br />

Christian Berkel in Berlin. Das<br />

Paar hat zwei Söhne. bsc<br />

Foto: picture alliance/Christian Charisius<br />

„Ich kann<br />

nichtschlafen.“<br />

„Ich bleibe an<br />

deinem Bett,Mama.“<br />

Nächstenpflege brauchtKraft und Unterstützung.<br />

Seine Nächsten zuhause zu pflegen, isterfüllend, bringt einen aber auch an Grenzen –körperlich, seelisch und finanziell. Deshalb fordern wir,<br />

dass die Politik Pflegenden mehr Unterstützungsangebote, mehr Zeit zum Pflegen <strong>ohne</strong> finanzielle Sorgen und mehr Rente ermöglicht. Helfen Sie mit!<br />

www.vdk.de/naechstenpflege<br />

#naechstenpflege

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!