180_StadtBILD_Juli_2018
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Vorwort<br />
in dieser Ausgabe widmen wir uns dem Kulturmäzen<br />
Graf Bolko von Hochberg, dem es zu<br />
verdanken ist, dass unsere Stadthalle einst erbaut<br />
worden ist. Zumindestens im idyllischen<br />
Stadthallengarten hat in diesem Jahr bereits<br />
die Saison mit dem Familienfest des Fördervereines<br />
und dem Sommertheater begonnen.<br />
Die Vorbereitungen für das Stadthallengarten<br />
Open Air sind ebenfalls im vollen Gang. Leider<br />
wurde uns in diesem Jahr die Hängung des<br />
Sichtschutzes mit historischen Aufnahmen der<br />
Stadthalle unverständlicherweise von Seiten<br />
des Denkmalschutzes versagt. Es soll anstatt<br />
der Stadthallenmotive von der Grundsteinlegung<br />
über Konzerte und historischen Motiven<br />
eine unifarbene Variante gefunden werden.<br />
Und so macht der nun schwarze Sichtschutz<br />
vom Sommertheater nun wirklich kein gutes<br />
Bild zu den farbenfrohen Aufführungen von der<br />
„Zauber von Oz“ und das Tanzstück „Aqua“.<br />
Inzwischen haben sich aber auch Stadtführer<br />
gemeldet, die die Informationsplanen leidlich<br />
vermissen und nun anhand eines Pads die<br />
Historie der Stadthalle den zahlreichen Besuchern<br />
erklären müssen. Ebenso traurig ist<br />
auch der Förderverein der Stadthalle, der sehr<br />
schöne Motive für das Informationssystem zur<br />
Verfügung stellte.<br />
Das Logo des Fördervereines ziert im Wechsel<br />
mit dem Görlitzer Stadtwappen, welches die<br />
Pressestelle zur Verfügung stellte, abwechselnd<br />
die historischen Aufnahmen.<br />
Ganz nachvollziehbar ist diese harte Entscheidung<br />
von Seiten des Denkmalamtes nun aber<br />
doch nicht.<br />
Das Informationssystem wurde 2016 zum<br />
2. Stadthallengarten Open Air mit denkmalschutzrechtlicher<br />
Genehmigung für einen fünfstelligen<br />
Betrag angeschafft. Die Informationsplanen<br />
wurden wetterfest und sturmsicher<br />
für die Nutzung über mehrere Jahre gefertigt.<br />
Sie wurden mitfinanziert von Sponsoren, deren<br />
Inserate nach einem einheitlichen Gestaltungskonzept<br />
neben den großformatigen<br />
Abbildungen der Stadthalle erschienen. Verwunderlich<br />
ist es da schon, dass innerhalb<br />
eines so kurzen Zeitraumes eine Genehmigung<br />
erst erteilt und dann versagt wird. In<br />
der Sächsischen Bauordnung findet sich kein<br />
Ansatzpunkt für eine Versagung von Informationen<br />
an Baustellen, die die Stadthalle derzeit<br />
ist. Im Gegenteil könnten auch Informationen<br />
zum Bauabschnitt mit in das Informationssystem<br />
integriert werden, welches nicht nur<br />
Touristen interessieren würde. Schreiben Sie<br />
uns Ihre Meinung per Post oder per E-Mail an<br />
andreas@incaming.de, auf Post freut sich Ihr<br />
Andreas Ch. de Morales Roque<br />
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Einleitung<br />
3
Bolko von Hochberg (1843-1926) –<br />
von Hochberg<br />
Bolko von Hochberg<br />
Graf Hans Heinrich XIV. von Hochberg,<br />
genannt Bolko, stammte aus der traditionsreichen<br />
und bekannten Familie, die<br />
ihre Güter in verschiedenen Teilen von<br />
Schlesien hatte. Die Schreibart ihres Namens<br />
(Hoberg, Hohberg, Hochberg) hat<br />
sich im Laufe der Jahrzehnte verändert.<br />
Die Familiengeschichte geht auf das Mittelalter<br />
zurück. Der Stammvater aller<br />
schlesischen Stammlinien war der Ritter<br />
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4<br />
Geschichte
Komponist, Künstler, Musikmäzen<br />
Bolko von Hochberg<br />
Kitzold von Hoberg (1312-1349), der das<br />
Richteramt am Hofe der Herzöge von<br />
Schweidnitz und Jauer innehatte.<br />
Bolko von Hochbergs Abstammungslinie,<br />
die den zweiten Hauptzweig der Familie<br />
bildet, geht auf den jüngeren Sohn von<br />
Kitzold, auf Kitzold den Jüngeren, zurück<br />
(nach 1386).<br />
Im Zusammenhang mit der Genealogie<br />
Bolko von Höchbergs ist die erste Linie<br />
wichtig, von welcher der kaiserliche Graf<br />
in Fürstenstein, Rohnstein und Rothenburg,<br />
Hans Heinrich II. (1639-1698),<br />
abstammte. Einer seiner Söhne war der<br />
berühmte Conrad Ernst Maximilian von<br />
Hochberg (1682-1742), Reichsgraf und<br />
Baron zu Fürstenstein, Friedland, Waldenburg,<br />
Weisstein und Hartau, ein Mitglied<br />
des Johanniterordens. Er ist für den<br />
Umbau des Schlosses Fürstenstein im<br />
Barockstil bekannt. Erhalten geblieben<br />
ist ein barocker Saal, der seinen Namen<br />
trägt.<br />
Aus der ersten Ehe mit Ida Filipina Otylia<br />
von Stechow gingen vier Kinder hervor:<br />
Hans Heinrich XI. (1833-1907), der die<br />
Güter in Pless, Fürstenstein und Friedland<br />
verwaltete. Hans Heinrich XII. Maximilian<br />
(bei der Geburt 1835 gestorben),<br />
Hans Heinrich XIII. Konrad (1837-1858),<br />
Anna (1839-1916) und der jüngste kaiserliche<br />
Graf und Baron in Fürstenstein,<br />
Hans Heinrich XIV. Bolko von Hochberg<br />
(1843-1926), welcher die Güter in Rohnstein<br />
und Neuschloss-Würchwitz bei<br />
Militsch bekam. In direkter Linie vom<br />
Ritter Kitzold von Hoberg gehörte Bolko<br />
von Hochberg der siebzehnten Generation<br />
der Familie von Hochberg an, die zu<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts zu der einflussreichsten<br />
und wohlhabendsten aristokratischen<br />
Elite in Preußen gehörte.<br />
Bolko von Hochberg wurde am 23. Januar<br />
1843 im Familienstammschloss<br />
Fürstenstein geboren. Er wuchs in einer<br />
Atmosphäre der höfischen Etikette auf<br />
und lernte die in den Schlössern der Verwandten<br />
und Familienangehörigen herrschenden<br />
Sitten kennen. Damals nahmen<br />
die Musik und die Jagd im Hofleben<br />
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Geschichte<br />
5
Bolko von Hochberg (1843-1926) –<br />
von Hochberg<br />
einen wichtigen Platz ein. Schon vor der<br />
Übernahme der Pless-Güter durch Bolkos<br />
Vater bestand in Pless eine Musikkapelle,<br />
die reich mit Instrumenten und mit einer<br />
Bibliothek ausgestattet war. Obwohl die<br />
Musikkapelle später stark reduziert wurde,<br />
hatten Bolko I. und seine Geschwister<br />
reichlich Gelegenheit, sich mit dem Klang<br />
der Salon-Quadrille, des Galizischen Walzers<br />
und schließlich der Salzbrunner Galoppe<br />
vertraut zu machen.<br />
Erst im Jahre 1858, nach dem Tod seines<br />
Bruders Konrad Bolko, wurde Bolko<br />
zum Besitzer des Schlosses in Rohnstock<br />
und von Neuschloss-Würchwitz in der<br />
Nähe von Militsch. Diese Erbschaft erfolgte,<br />
noch bevor er das renommierte<br />
und in ganz Preußen bekannte Magdalenen-Gymnasium<br />
(1856-1861) in Breslau<br />
beendete. Der in Breslau erworbene<br />
Bildungsabschluss ermöglichte ihm ein<br />
weiterführendes Studium. Im selben<br />
Jahr begann er Rechtswissenschaften an<br />
deren Universitäten in Bonn und Berlin<br />
zu studieren. Allerdings lebte in ihm die<br />
im Schoß der Familie erweckte Leidenschaft<br />
für Musik fort, und er beschloss,<br />
sich musikalisch weiter zu entwickeln. In<br />
Berlin studierte er Komposition bei Friedrich<br />
Kiel (1821-1901), einem Professor<br />
an der Hochschule für Musik. Auf diese<br />
Weise verband Bolko juristische Kompetenz<br />
mit Musik, was einen Einfluss auf<br />
sein zukünftiges Vorhaben hatte.<br />
Nach dem Ende des Militärdienstes<br />
(1867-1869) war er zunächst als Militärattaché<br />
an der preußischen Botschaft in<br />
St. Petersburg tätig, danach kommandierte<br />
er eine Einheit in Florenz. Schließlich<br />
unternahm er im Jahr 1868 mehrere<br />
Reisen und beschäftigte sich mit der Modernisierung<br />
des Schlosses in Rohnstock<br />
(ab 1860), das im Jahr 1870 nach dem<br />
Entwurf des Familienarchitekten Olivier<br />
Pavelt (1825-1892) umgebaut wurde.<br />
Dann folgte eine Wendezeit in seinem Leben.<br />
Am 2. September 1869, in Saabor,<br />
Fürsteneich, heiratete er Prinzessin Eleonore<br />
Augusta von Schönaich-Carolath<br />
(1848-1923). Sie hatten acht Kinder, von<br />
denen aber nur sechs überlebten. Der<br />
letzte der Söhne, Gottfried (1882-1929),<br />
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6<br />
Geschichte
Komponist, Künstler, Musikmäzen<br />
Bolko von Hochberg<br />
Stadthallengarten, Konzertpause um 1911<br />
zeigte ebenfalls großes Interesse an der<br />
Musik. Es war auch die Zeit, in der Bolko<br />
sich zunehmend intensiver mit Musik<br />
beschäftigte. Zwar lebte er im Schloss<br />
in Rohnstock, wohnte er aber auch vorübergehend<br />
in Dresden, wo er wahrscheinlich<br />
in den Jahren 1872-1876 ein<br />
Streichquartett unterhielt. Robert Hausmann<br />
(1852-1909) spielte Cello.<br />
Allmählich begann die Musik Bolkos berufliches<br />
Leben zu dominieren. Darauf<br />
hatten zweifellos die Erfolge Einfluss, die<br />
er nicht nur als Künstler hatte, sondern<br />
auch als ein Organisator des Musikle-<br />
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Geschichte<br />
7
Bolko von Hochberg (1843-1926) –<br />
von Hochberg<br />
Schlesisches Musikfest 1911<br />
bens. Eines der ersten berühmten Werke<br />
stammte aus dem Bereich der großen<br />
musikalischen Formen des Grafen von<br />
Hochberg, das Singspiel „Claudine von<br />
Villa Bella“ in drei Akten nach einem Libretto<br />
von Christian Garve auf der Grundlage<br />
der Übertragung von Johann Wolfgang<br />
von Goethe. Das Kunstwerk wurde<br />
am 22. Februar 1864 auf der Bühne des<br />
Hoftheaters in Schwerin uraufgeführt.<br />
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8<br />
Geschichte
Komponist, Künstler, Musikmäzen<br />
Bolko von Hochberg<br />
20. Schlesisches Musikfest 1928<br />
Der Komponist beschloss, künstlerische<br />
Pseudonyme zu benutzen, und unterzeichnete<br />
seine Werke mit „Herr Franz“,<br />
„Johann Heinrich Franz“ oder „Pazdirek“.<br />
Eine Zuordnung seiner Werke, die in dieser<br />
Form signiert wurden, ist daher möglich.<br />
Im Jahre 1876 entstand seine Oper „Falkensteiner“<br />
op. 21 im romantischen Stil<br />
mit einem Libretto von Paul Frohberga,<br />
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Geschichte<br />
9
Bolko von Hochberg (1843-1926) –<br />
von Hochberg<br />
Görlitzer Musikwoche, Gastspiel Kreuzchor Dresden 20.5.1951<br />
die ebenfalls aus drei Akten besteht.<br />
Die Uraufführung fand am 24. November<br />
desselben Jahres im Hoftheater in<br />
Hannover statt. Die Oper wurde 1875 im<br />
Johann-André-Verlag in Offenbach am<br />
Main herausgegeben.<br />
Das Werk wurde dann vom Komponisten<br />
überarbeitet und erneut am 6. Februar<br />
1881 im Dresdener Hoftheater aufgeführt.<br />
In Offenbach wurde die Oper 1883<br />
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10<br />
Geschichte
Komponist, Künstler, Musikmäzen<br />
Bolko von Hochberg<br />
unter dem Titel „Werwolf“ dem Publikum<br />
vorgestellt. Graf Bolko verfasste etwa 90<br />
Musikwerke, darunter - neben den hier<br />
genannten Opern - Symphonien, ein Klavierkonzert<br />
mit Orchester, Kammerspiele,<br />
Trios, Klavierquartette, Violinquartette<br />
sowie zahlreiche Lieder und Chorwerke.<br />
Es sei darauf hingewiesen, dass die überwiegende<br />
Mehrheit seiner Kompositionen<br />
noch im 19. Jahrhundert entstand. Nach<br />
1900 schrieb er nur das Trio in b-Dur<br />
(1904), das Quartett in b-Moll (1908),<br />
Lieder aus op. 36, 38, 39 (1904, 1905)<br />
und ein Klavierkonzert (1906). Es ist anzunehmen,<br />
dass ihm die Verbreitung der<br />
Musik sehr am Herzen lag, denn Graf<br />
Bolko von Hochberg hat in sich in der Tat<br />
vor allem als Organisator und Beschützer<br />
„der schlesischen Musikfestspiele“<br />
(Schlesische Musikfeste) hervorgetan,<br />
die er von 1876 an organisierte.<br />
Eine Tradition dieser Art von Musikveranstaltung<br />
war schon früher bekannt, denn<br />
sie stammte aus dem 18. Jahrhundert.<br />
Ab 1830 fanden regelmäßig Musik-Festivals<br />
mit dem Titel „Schlesisches Gesangs-<br />
und Musikfest“ statt nach dem<br />
Konzept von Johann Gottfried Hientsch<br />
und Bernhard Klein. Zunächst präsentierte<br />
man Männerchöre und erst seit 1835<br />
auch gemischte Chöre. Konzerte fanden<br />
jährlich, später alle drei Jahre und dann<br />
noch seltener statt, u.a. in Breslau, Jauer,<br />
Salzbrunn, Liegnitz, Bad Landeck und<br />
in Brieg.<br />
In den Jahren 1856-1871 trat eine Pause<br />
ein. Eine erneute Fortsetzung erfolgte im<br />
Sommer 1872 unter der Leitung von Rudolf<br />
Thomas, eines Kantors in der Kirche<br />
der Hl. Elisabeth in Breslau. Im Jahre 1874<br />
fand in Jauer erneut die Veranstaltung<br />
statt, an der Graf Bolko von Hochberg<br />
persönlich teilnahm. Er hatte während<br />
seines Studiums in Bonn die „Rheinische<br />
Musikfeste“ erlebt und sah nun, dass im<br />
Vergleich damit das Schlesische Musikfest<br />
offensichtlich viele organisatorische<br />
Mängel hatte. Daher bemühte sich Bolko<br />
um gut organisierte Konzerte in Schlesien.<br />
Sein Zyklus trug den leicht geänderten<br />
Namen „Schlesische Musikfeste“, die<br />
nicht nur allgemein akzeptiert, sondern<br />
auch als eine Fortsetzung der früheren<br />
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Geschichte<br />
11
Bolko von Hochberg (1843-1926) –<br />
von Hochberg<br />
Musikfeste verstanden wurden.<br />
Das erste Fest fand 1876 in Hirschberg<br />
statt, traditionell im Sommer vom 16. bis<br />
18. <strong>Juli</strong>, das neunte 1887 in Breslau. Die<br />
meisten Veranstaltungen wurden jedoch<br />
in Görlitz abgehalten. Bolko begleitete<br />
insgesamt neunzehn Feste. Er selbst trat<br />
als Sänger und Klavierbegleiter auf. Auch<br />
seine eigenen Werke wurden gespielt.<br />
Die Konzerte hatten wie früher einen<br />
monumentalen Charakter, denn in der<br />
Regel traten mehr als hundert Musiker<br />
und Hunderte von Sängern auf. (1903<br />
waren es sogar 853 Sänger!)<br />
Bolko sorgte auch dafür, dass eine geeignete<br />
Persönlichkeit die Führung der<br />
Konzerte übernahm. Es war ein Dirigent<br />
aus Berlin, Ludwig Deppe (1828-1890),<br />
der an insgesamt neun Festen (außer<br />
dem Fest im Jahre 1887) beteiligt war<br />
und das Orchester dirigierte. Für derart<br />
große Inszenierungen wurde allerdings<br />
ein geeigneter Konzertsaal notwendig.<br />
Bolko wusste auch dafür zu sorgen. Im<br />
Jahre 1878 hatte man den Saal an der<br />
Reichenberger Brücke entsprechend vorbereitet.<br />
Bolko von Hochberg unterstützte<br />
das Vorhaben finanziell. 2000 Zuhörer<br />
und 900 Musiker fanden hier ihren Platz,<br />
und dort befand sich auch eine Orgel der<br />
Firma Schlag & Söhne aus Schweidnitz.<br />
Der Raum wurde bis zum Jahre 1906 benutzt.<br />
1910 entstand ein neuer Konzertsaal<br />
in Görlitz, die sogenannte Musikfesthalle<br />
oder Stadthalle.<br />
Wieder einmal hatte Graf Bolko bei ihrer<br />
Entstehung einen großen Beitrag geleistet.<br />
Er organisierte eine Lotterie, die<br />
mehr als ein Drittel der Baukosten einbrachte.<br />
Er gründete 1876 die Görlitzer<br />
Singakademie. Die Stadt Görlitz hat ihm<br />
den Titel „Ehrenbürger der Stadt“ verliehen.<br />
Auch seine künstlerische Leistung<br />
wurde hochgeschätzt und nach dem Tod<br />
von Botho von Hülsena wurde er am 5.<br />
Oktober 1886 zum Generalintendanten<br />
der königlichen Schauspiele berufen. Er<br />
war nicht nur für die Operntheater in<br />
Berlin, sondern auch in Hannover und<br />
Kassel zuständig.<br />
Parallel zu diesen Aktivitäten verlief seine<br />
Arbeit für die Schlesischen Musikfeste. Er<br />
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12<br />
Geschichte
Komponist, Künstler, Musikmäzen<br />
Bolko von Hochberg<br />
Schlesische Musikfest 23.6.2011<br />
traf prestigeträchtige, mutige Entscheidungen;<br />
Eine davon war die Aufnahme<br />
der Werke von Richard Wagner in das<br />
Repertoire des Königlichen Theaters. Er<br />
hat auch mehrere bedeutende Dirigenten<br />
angestellt, darunter Richard Strauss.<br />
Die Aufführung seiner Oper „Feuersnot“<br />
1901 wurde von dem kaiserlich-königlichen<br />
Paar nicht begrüßt, was einen Konflikt<br />
zur Folge hatte. Die Oper wurde vom<br />
Spielplan abgesetzt.<br />
Trotz des Protestes Bolko von Hochbergs<br />
durfte die Oper nicht aufgeführt werden.<br />
Die Zusammenarbeit mit dem Königli-<br />
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Geschichte<br />
13
Bolko von Hochberg (1843-1926) –<br />
von Hochberg<br />
chen Theater stand unter<br />
einem Fragezeichen. 1902<br />
verzichtete er auf seinen<br />
Posten und kehrte in seine<br />
schlesische Heimat nach<br />
Rohnstein zurück. Er arbeitete<br />
an seinen Kompositionen<br />
und beschäftigte sich<br />
weiter mit dem Musikfest.<br />
Graf Bolko von Hochberg<br />
war nicht nur ein Philanthrop<br />
und Förderer der Musik,<br />
sondern auch ein Sportmäzen.<br />
Der Schwimmklub<br />
„Silesia“ in Breslau organisierte<br />
am 13. Februar 1910<br />
einen Wettbewerb, bei dem<br />
in verschiedenen Disziplinen<br />
Sonderpreise vergeben wurden.<br />
Graf Bolko finanzierte<br />
den Preis im Senioren-Rückenschwimmen<br />
über eine<br />
Distanz von einhundert Metern.<br />
1913 erhielt er den Titel eines<br />
königlichen Professors<br />
Bolko von Hochberg<br />
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14<br />
Geschichte
Komponist, Künstler, Musikmäzen<br />
Bolko von Hochberg<br />
und hielt als Vorsitzender der „Deutschen<br />
Gesellschaft für Künstlerische Volkserziehung“<br />
in Berlin Vorträge. Er bemühte sich<br />
sehr um die Popularisierung der Musik.<br />
Am 9. September 1918 hielt er in seiner<br />
Heimatstadt Pless einen Vortrag, der von<br />
dem Geiger Johannes Belgen musikalisch<br />
begleitet wurde.<br />
Bolko von Hochberg wirkte auch in einem<br />
Bühnenverein mit. Als Präsident<br />
sorgte er für dessen Mitglieder, vor allem<br />
für deren sozialen Belange und die Ruhegehälter<br />
der Musiker, die ihre Karriere in<br />
den königlichen Musiktheatern beendet<br />
hatten.<br />
Die von ihm eingeführte Form des Schlesischen<br />
Musikfestes ist bis zum Jahre<br />
1942 erhalten geblieben. Das letzte Fest<br />
fand in Kattowitz mit den Dirigenten Philipp<br />
Wüsst und Fritz Lubrich statt. Nach<br />
dem Krieg wurde das Schlesische Musikfest<br />
reaktiviert, was nicht nur an die Verdienste<br />
und Arbeit Bolko von Hochbergs<br />
anknüpft, sondern an die schlesische<br />
Tradition allgemein.<br />
Graf Hans Heinrich XIV. von Hochberg,<br />
genannt Bolko, ist in dem Familienkurort<br />
Salzbrunn gestorben. Am 1. Dezember<br />
1926 wurde er in Rohnstein beigesetzt.<br />
Seine Erfahrungen und sein Können als<br />
Musiker, seine Kreativität gepaart mit juristischem<br />
Wissen, das er bei der Organisation<br />
der Musikveranstaltungen nutzte,<br />
haben ihn zu einer herausragenden und<br />
unvergesslichen Persönlichkeit in der Geschichte<br />
der Musikkultur werden lassen.<br />
(Übersetzung:<br />
Jolanta Szafarz und Heinz Müller)<br />
Dr. Grzegorz Joachimiak<br />
Institut für Musikwissenschaft<br />
an der Universität Wroclaw<br />
Lehrstuhl für alte Musik<br />
an der Musikakademie in Wrocław<br />
Abbildungen: Oberlausitzische Bibliothek<br />
der Wissenschaften zu Görlitz<br />
Die musikwissenschaftlichen Forschungen<br />
im Projekt „Bolko von Hochberg –<br />
Hommage“ wurden gefördert durch:<br />
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Geschichte<br />
15
Bolko von Hochberg (1843-1926) –<br />
von Hochberg<br />
Begegnet man heute Menschen auf der<br />
Straße und fragt sie nach Bolko von<br />
Hochberg und der Entstehungsgeschichte<br />
der Görlitzer Stadthalle, stößt man in<br />
der Regel auf wenig Sachkunde. Nun ist<br />
das Verdienst der griechisch-polnischen<br />
Sopranistin Eleni Ioannidou und des<br />
Münchners Autor und Musikers Heinz<br />
Müller, die beide erst 2016 nach Görlitz<br />
kamen, daß dieses beinahe verschollene<br />
kulturelle Erbe zu neuem Leben erweckt<br />
wird. Die Beiden gründeten den Verein<br />
„Ars Augusta“, der sich zum Ziel gesetzt<br />
hat, „den Reichtum des kulturellen Erbes<br />
zu erforschen und die Vergangenheit<br />
besser kennen zu lernen. Die Architektur,<br />
die großen Persönlichkeiten, die Werke<br />
der Musiker und Wissenschaftler, die hier<br />
gelebt und gewirkt haben, all das darf<br />
nicht vergessen werden“.<br />
……<br />
„Doch auch die großartigen Menschen<br />
und Künstler unserer Zeit sollen nicht außer<br />
Acht gelassen werden. Mit großem<br />
Erstaunen entdeckte Eleni z. B. den aus<br />
Zittau stammenden romantischen Komponisten<br />
Heinrich Marschner, der mit<br />
seiner Schauerromantik perfekt zu den<br />
Kulissen des Erzgebirges und den Bildern<br />
Kaspar David Friedrichs passt. Oder<br />
den universalen Geist Leopold Schäfer<br />
aus Bad Muskau, der erstaunlich viel<br />
geschrieben und komponiert hat (selbst<br />
neugriechische Lieder); Die Entdeckung<br />
eines umfangreichen und interessanten<br />
Liedgutes sowie zahlreicher Quartette,<br />
Symphonien und Konzerte, komponiert<br />
von jenem Adligen Graf Bolko von Hochberg,<br />
der die Görlitzer Stadthalle erbaut<br />
und die Schlesischen Musikfeste begründet<br />
hat. Diese Region besitzt Schätze, die<br />
bisher selbst den meisten Einwohnern<br />
unbekannt sind. Dieses gemeinsame<br />
Erbe, das Polen, Deutschland, Tschechien<br />
und überhaupt allen Europäern gehört,<br />
gilt es zu pflegen, um das regionale<br />
Identitätsgefühl und die Erkenntnis der<br />
Gemeinsamkeiten zwischen den Völkern<br />
zu stärken……“<br />
Gemäß den Zielen dieses Vereins veranstalten<br />
Eleni Ioannidou und Heinz Müller<br />
sowohl in Deutschland, als auch in Polen<br />
hochkarätige Veranstaltungen mit vor-<br />
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16<br />
Geschichte
Ars-Augusta e.V.<br />
Bolko von Hochberg<br />
wiegend jungen Ausnahmekünstlern aus<br />
Polen, Deutschland und Tschechien, die<br />
das kulturelle Erbe dieser Region pflegen.<br />
Wir können uns glücklich schätzen, daß<br />
Frau Ioannidou und Herr Müller sich regelrecht<br />
in die alte Kulturstadt Görlitz<br />
verliebt haben und nun zu den eifrigsten<br />
Förderern der baldigen Wiedereröffnung<br />
der Görlitzer Stadthalle zählen. In ihrem<br />
Salon Augusta, aber auch in anderen<br />
geeigneten Räumlichkeiten veranstalten<br />
sie regelmäßige Konzerte und Foren, um<br />
die Menschen aus der Region über alle<br />
Grenzen hinweg mittels der Kunst miteinander<br />
zu verbinden.<br />
Bertram Oertel<br />
Opernsängerin Eleni Ioannidou<br />
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Geschichte<br />
17
Stadthallengarten Görlitz Open Air –<br />
Bereits zum 4. Mal findet am zweiten<br />
Augustwochenende das Stadthallengarten<br />
Görlitz Open Air statt. Der idyllische<br />
Stadthallengarten wurde mit der 1.<br />
Auflage 2015 aus seinem Dornröschenschlaf<br />
geweckt. Das Gerhart-Hauptmann-Theater<br />
Zittau Görlitz entschloss<br />
sich daraufhin, den Stadthallengarten<br />
als Sommertheater zu bespielen, und<br />
somit entstand ein „kleiner“ Kultursommer<br />
vor historischer Kulisse.<br />
Stadthallengarten Open Air 2017<br />
In diesem Jahr beginnt es am Freitag<br />
rockig mit Dezibel aus Westberlin, die<br />
bereits über 40 Jahre bestehen. Im Anschluss<br />
entern Die Toten Ärzte die Bühne<br />
mit Ohrwürmern der Ärzte und der<br />
Toten Hosen und eigenen Titeln, eben<br />
die „verrückteste Show der Welt.“<br />
Am Samstag beginnt das Konzert mit<br />
CRAYFOX, die bereits bei Görlitz Rockt<br />
in Jacobi´s Färbe so richtig aufdrehten<br />
und viele Fans fanden. Freuen Sie<br />
sich auf viele eigene Kompositionen,<br />
aber auch melodisch einprägsame Interpretationen<br />
von Klassikern wie ABBA<br />
und Michael Jackson; Danach betritt<br />
„Apfeltraum“ - Cäsar´s Söhne spielen<br />
Cäsar´s Songs“ - die Bühne. Eine der<br />
Bands, die als erste im Bereich Rock mit<br />
deutschen Texten auftraten, war die in<br />
Leipzig gegründete KLAUS-RENFT-COM-<br />
BO (kurz auch RENFT genannt). Einer<br />
der Protagonisten dieser Band war CÄ-<br />
SAR PETER GLÄSER (kurz auch CÄSAR<br />
genannt), der dort Gitarre spielte, sang<br />
und zahlreiche Songs schrieb. „Wer die<br />
Rose ehrt“, „Zwischen Liebe und Zorn“,<br />
„Wandersmann“, „Weggefährten“ oder<br />
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18<br />
Ausblick
vom 10. - 12. August <strong>2018</strong><br />
Stadthallengarten<br />
„Flüsse und Tränen“ sind nur ein paar<br />
der bekannten Songs.<br />
Das Projekt „APFELTRAUM“ führt die<br />
Tradition fort und erinnert vor allem an<br />
eben jenen CÄSAR PETER GLÄSER<br />
und dessen Kompositionen. Zwei seiner<br />
Söhne, Robert und Moritz Gläser,<br />
`Cäsars`damaliger Drummer Jürgen<br />
Schötz, Wegbegleiter und Blues-Shouter<br />
Big Joe Stolle und der begnadete<br />
Gitarrist Mauro Pandolfino machen das<br />
Projekt so authentisch wie nie.<br />
Der Sonntagabend wird „teuflisch“,<br />
wenn der beliebte Teufelsgeiger „Farfarello“<br />
mit Live-Band den Stadthallengarten<br />
zum Beben bringen wird. Geige,<br />
Blockflöte, sechs- und zwölfseitige Akustikgitarre,<br />
Bass und Perkussion: Das ist<br />
farfarello! In ihrer Musik – archaisch,<br />
rau und ohne Klischees – verbinden sie<br />
osteuropäische Folklore mit zeitgenössischen<br />
Einflüssen: traditionelle Musik,<br />
Jazz, Rock und Klassik. Seit 1982 hat<br />
farfarello 18 Alben und 4 DVDs veröffentlicht<br />
und 3500 Konzerte in der ganzen<br />
Welt gegeben.<br />
Karten können Sie über www.Stadt-<br />
BILD-Verlag.de, über www.reservix.de<br />
und an den bekannten Vorverkaufsstellen<br />
erwerben.<br />
Ihr Andreas Ch. de Morales Roque<br />
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Ausblick<br />
19
Rothenburg/OL feiert Jubiläum –<br />
750 Rothenburg<br />
Das Rothenburger Sommerfest bildet in<br />
diesem Jahr den Höhepunkt der Feierlichkeiten<br />
zum 750sten Stadtjubiläum.<br />
Bunt und vielfältig geht es am ersten<br />
Augustwochenende vom 03. bis 05. August<br />
auf dem Marktplatz zu. Bei freiem<br />
Eintritt verspricht Rothenburg seinen<br />
Gästen aus nah und fern ein aufregendes<br />
Wochenende voller Livemusik, Geselligkeit<br />
und Gutem für den Gaumen.<br />
Der riesige Rummelplatz – dieses Jahr<br />
ausgedehnt auf drei Festplätze – ist bei<br />
allen Altersklassen beliebt und lässt garantiert<br />
keine Langeweile aufkommen!<br />
Das Jubiläumsfest startet am Freitag<br />
mit dem Bieranstich durch die Bürgermeisterin.<br />
Am Samstagnachmittag<br />
startet der Schlagernachmittag u.a. mit<br />
Hans-Jürgen Beyer und Linda Feller. Am<br />
Abend darf bei der ABBA-Revival Show<br />
in Erinnerungen geschwelgt werden. Ein<br />
besonderer Höhepunkt wird am Sonntag<br />
der traditionelle Festumzug sein, der<br />
im Jubiläumsjahr doppelt so groß ist.<br />
In der Kulturanlage Rothenburg startet<br />
am Freitag die JUNGLE NIGHT|Part II<br />
mit DJ Charity. Nach der erfolgreichen<br />
Zusammenarbeit mit der Berliner Rap-<br />
Queen KITTY KAT und der dazugehörigen<br />
Single „Eine unter Millionen“(Sony<br />
Music), steht nun Charity‘s neuestes<br />
Werk „FIRE FLYER“ mit dem Engländer<br />
ROMARIO in den Onlinestores. Für die<br />
Band Woods of Birnam durfte er seine<br />
ganz eigene Interpretation zur Single<br />
„DOWN“ beisteuern.<br />
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20<br />
Ausblick
750 Jahre Rothenburg/OL<br />
Sein Remix lief im Radio und<br />
sogar mehrfach in der bekannten<br />
TV Soap „GZSZ“. Am<br />
Samstag wird DETROYT, der<br />
mit seinen Sets das Partypublikum<br />
im vergangenen Jahr<br />
so richtig einheizte, auflegen.<br />
DETROYT ist schon seit mehr<br />
als 11 Jahren in Sachsen unterwegs.<br />
Musikalisch lässt er<br />
sich ungern in eine Schublade<br />
einordnen. So können wir<br />
Electro aber auch melodische<br />
Titel, Klassiker und härtere<br />
Sachen von ihm erwarten. Am<br />
Sonntag wird es richtig rockig<br />
mit der Rock-Liveband „Ram-<br />
Road“. RAMROAD überzeugten<br />
bereits als Vorband der Ost Rock<br />
Legenden Renft und Karussell und sind<br />
in der Region bestens für ihre rockigen<br />
Klänge bekannt. Handgemacht, Live und<br />
in Farbe. In Görlitz rockt RamRoad fast<br />
schon traditionell die Görlitzer Kneipennacht.<br />
Keep on Rockin‘ RamRoads, see<br />
you soon am Sonntag mit einem Battle<br />
RAMROAD vs. DJ!<br />
Den krönenden Abschluss der Festtage<br />
bildet das romantische Höhenfeuerwerk<br />
am Sonntagabend.<br />
Seien Sie dabei und feiern Sie mit uns<br />
ein unvergessliches Jubiläumsfest!<br />
Programm und aktuelle Informationen<br />
unter: www.rothenburg-ol.de<br />
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Ausblick<br />
21
Radfahren in Görlitz –<br />
in Görlitz<br />
Mit der Erfindung des Rades als Laufrad<br />
durch Freiherrn Karl von Drais im Jahre<br />
1817 wurde ein Jahrhunderte alter<br />
Wunsch der Menschheit, nicht nur Laufen<br />
zu können, sondern die Sehnsucht nach<br />
anderen Fortbewegungsmitteln erfüllt.<br />
Weltweit erfolgte die Entwicklung der unterschiedlichsten<br />
Modelle mit dem Ziel,<br />
Gegenstände und Waren sowie Personen<br />
zu transportieren bzw. Entfernungen<br />
zu überwinden. Mit kaum einer anderen<br />
Erfindung ging ein solcher Entwicklungssprung<br />
wie beim Fahrrad einher. Die ersten<br />
Modelle von Holzfahrrädern lassen<br />
sich heute noch lediglich in einschlägigen<br />
Museen bewundern.<br />
Es dauert nicht lange, bis das Fahrrad<br />
auch die Welt des Sports eroberte. Allein<br />
in Görlitz wurden im Jahre 1929 bereits 16<br />
Klubs bzw. Vereine registriert. Stellvertreter<br />
seien „der Arbeiterradverein, Lausitzer<br />
Radverbund, Radfahrer-Klub Gemütlichkeit,<br />
Fahrradklub Görlitzer Herren, Radfahrklub<br />
Eintracht, Radfahrer-Club Opel,<br />
Radfahrer-Club Borussia (gegr. 1887),<br />
Radfahrer-Club Wanderer seit 1886“ genannt.<br />
Ab dem Jahr 1925 kamen die<br />
Radfahrer-Riege „Theodor Körner“, der<br />
Radsportklub „Blitz“ und der Radsportklub<br />
„Görlitzer Herren“ dazu. An erster Stelle<br />
standen Radwanderungen in die näheren<br />
Umgebungen. Großer Beliebtheit erfreuten<br />
sich jedoch auch jüngere Sportarten<br />
wie „Radball, Radrennen, Kunstfahren,<br />
Bahnradfahren, Tandem-, Mountenbikefahren<br />
u.a.“.<br />
Die Zunahme des örtlichen Verkehrs,<br />
besonders in den Städten, machte recht<br />
bald gesetzliche und andre Regelungen<br />
erforderlich. Bereits im Jahre 1926<br />
wurde in Görlitz mit einer Straßenverkehrsverordnung<br />
„Präsidialordnung“ in<br />
entsprechenden Paragrafen der Entwicklung<br />
Rechnung getragen. Mitunter zum<br />
Schmunzeln anregend finden sich jedoch<br />
in vielen Absätzen, deren Inhalt durchaus<br />
noch bis zum heutigen Tage Gültigkeit haben<br />
bzw. Beachtung finden. So sind darin<br />
beispielsweise Anforderungen an die<br />
Beschaffenheit einer sicheren Hemmvorrichtung<br />
(Rücktritt-Bremsen), einer „hell<br />
tönenden Glocke“ (Warnsignal) zu finden.<br />
Während der Dunkelheit und stärkerem<br />
Nebel wird eine hell brennende Laterne in<br />
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22<br />
Geschichte
gestern und heute<br />
Radfahren in Görlitz<br />
Karl von Drais (1785-1851) ist der Erfinder des Fahrrads, Radierung um 1830<br />
gelb-roter Farbe, dessen Lichtschein noch<br />
bis zu einer Entfernung von mindestens<br />
150 Metern reichen muß, gefordert. Ein<br />
Rückstrahler ist 60 cm über dem Erdboden<br />
anzubringen und sollte weder durch<br />
Kleidungsstücke oder auf sonstige Weise<br />
verdeckt sein. Für Kinder unter 6 Jahren<br />
ist ein besonderes geeigneter Sitz erforderlich.<br />
Gepäck darf nur mitgeführt werden,<br />
wenn die Bewegungsfähigkeit nicht<br />
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Geschichte<br />
23
Radfahren in Görlitz –<br />
in Görlitz<br />
Ein Hochrad sei nur was für junge, sportliche Herren.<br />
eingeschränkt wird. Geregelt wird in der<br />
Verordnung ebenfalls die Geschwindigkeit.<br />
Das Anhängen an Fahrzeugen bergab wird<br />
verboten. Ebenso verbietet es sich, beide<br />
Hände gleichzeitig von der Lenkstange<br />
oder die Füße von den Tritten (Pedalen)<br />
zu nehmen. Merkt der Radfahrer, daß ein<br />
Tier scheut, Menschen oder Tiere in Gefahr<br />
gebracht werden, so hat er langsam<br />
zu fahren oder erforderlichenfalls sofort<br />
abzusteigen. Verständlicherweise sucht<br />
man eine Verhaltensvorschrift hinsichtlich<br />
einer Wolfsbegegnung derzeit noch vergeblich,<br />
wäre jedoch für unsere Region<br />
inzwischen durchaus zu überlegen. Durch<br />
entsprechende Paragrafen sind Vorfahrt<br />
und Überholen geregelt, ebenso trifft dies<br />
für das Verhalten gegenüber Feuerwehr<br />
und Zeichengebung durch Polizeibeamte<br />
zu. Festgelegt ist auch die Benutzung<br />
öffentlicher Wege, Wettfahren sowie das<br />
Anmelden genehmigungspflichtiger Ver-<br />
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24<br />
Geschichte
gestern und heute<br />
Radfahren in Görlitz<br />
Die Gebrüder Opel auf einem „Quintuplet“ (ca. 1900)<br />
anstaltungen. Ausnahmeregelungen bestanden<br />
für den dienstlichen Radverkehr<br />
von Beamten der „Oberen Landesbehörde“.<br />
Lange bevor das Radfahren eine große<br />
Bedeutung im Nah- und Berufsverkehr<br />
und Tourismus erlangte, wurde sogar von<br />
einer „Radfahrer-Schwadron“ der Wehrmacht,<br />
die mit Aufklärungsaufgaben betraut<br />
wurde, Gebrauch gemacht, wenngleich<br />
sie als Reserveeinheit nicht direkt<br />
in Kriegshandlungen verwickelt worden<br />
sein soll.<br />
Mit steigender Popularität entdeckten<br />
zunehmend auch Frauen das Radfahren<br />
für sich, damals noch mit Kleid bzw. Rock<br />
bekleidet. Das Damenfahrrad besaß einen<br />
tiefen Einstieg, jedoch keine Stange. Bereits<br />
seit seiner Erfindung spielt das Radfahren<br />
eine große Rolle als „Geschäfts-<br />
Idee“. Von der technischen Entwicklung<br />
des Fahrrades bis zum Zubehör ist inzwi-<br />
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Geschichte<br />
25
Radfahren in Görlitz –<br />
in Görlitz<br />
Radfahrschwadronen im „Zweiten Weltkrieg 1944“<br />
schen ein großer Markt entstanden.<br />
Erinnert sei an das Fahrrad mit Hilfsmotor,<br />
auch unter dem Namen „Hühnerschreck“<br />
bekannt. Ohne Zulassung war man immerhin<br />
mit einer Höchstgeschwindigkeit<br />
von 35 kmh unterwegs. Als eine Art Nachfolger<br />
kann das heutige e-Bike angesehen<br />
werden, welches sich vor allem bei der<br />
älteren Bevölkerung großer Beliebtheit<br />
erfreut.<br />
Sportbekleidung, Dress, Schuhe, Helm,<br />
Wetterbekleidung, Beleuchtung, Gepäckträger,<br />
Routenplaner, Fahrrad-Computer,<br />
Radio, Navi u.a. müssen sein!, wobei man<br />
den Eindruck hat, dass es dem Status-<br />
Symbol am Ski-Lift nach dem Motto „Sehen<br />
und gesehen werden“ gleichkommt.<br />
Unter der umfangreichen Literatur übers<br />
Radfahren sucht man gegenwärtig leider<br />
vergeblich nach der Bilderbuch- Variante<br />
von Goethes „Erlkönig“: Wer radelt so<br />
spät durch Nacht und Wind…….<br />
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26<br />
Geschichte
gestern und heute<br />
Radfahren in Görlitz<br />
Die gegenwärtige Renaissance des Fahrrades<br />
ist vor allem begründet durch tiefgreifende<br />
Veränderungen wie Umweltbelastung<br />
durch Klimawandel, Feinstaub,<br />
Industrialisierung, hohes Verkehrsaufkommen,<br />
Bedürfnis nach Fitness und gesunder<br />
Lebensweise. Kaum noch jemand<br />
versucht, die Innenstadt im Berufsverkehr<br />
infolge Staus überhaupt mit dem Auto zu<br />
passieren. Nicht nur in Großstädten versucht<br />
man mit Fahrrad-Parkplätzen, sogar<br />
speziellen Fahrrad-Parkhäusern der Situation<br />
entgegenzutreten.<br />
In Münster, der „Fahrradhauptstadt<br />
Deutschlands“, steht eine Großgarage für<br />
Fahrräder im Untergeschoss des Hauptbahnhofes<br />
mit direkter Anbindung an den<br />
Zugverkehr zur Verfügung.<br />
Dem zunehmenden Radtourismus Rechnung<br />
tragend, schließlich liegt Görlitz an<br />
einem beliebten und hochfrequentierten<br />
Rad-Fernwanderweg an Oder und Neiße,<br />
stehen inzwischen in der Altstadt Gepäck-<br />
und Fahrrad-Boxen zur Verfügung.<br />
Die Görlitzer Stadtväter sind sehr an der<br />
Senkung des Straßenverkehrslärms, der<br />
Reduzierung des Feinstaubs und der Abgasbelastung<br />
interessiert. An eigentlichen<br />
Radwegen durch die Innenstadt mangelt<br />
es leider durch die bestehenden Bausubstanz.<br />
Gemeinsame Rad- und Fußgängerwege,<br />
ausgewiesene Fahrradstreifen bzw.<br />
Schutzstreifen sind gut gemeint, können<br />
jedoch eher als Kompromiss bzw. „Mogelpackung“<br />
angesehen werden.<br />
Für eine Rad- Schnellstraße oder eine<br />
Fahrradstraße in Görlitz dürfte bei realistischer<br />
Betrachtung aus heutiger Sicht die<br />
„Stunde“ tatsächlich noch nicht geschlagen<br />
haben. Vorteile bringt das Radfahren<br />
allemal. Neben Lärmschutz, Steigerung<br />
der Fitness, Reduzierung von Feinstaub<br />
und Abgasen schont es den Geldbeutel<br />
beträchtig. Dass in einschlägigen Regionalzeitungen<br />
unter der Spalte „Bieten-<br />
Tauschen“ kostenlos der Eintrag „Biete<br />
Mercedes Diesel im Tausch gegen Touren-Fahrrad“<br />
angeboten wird, halte ich<br />
gegenwärtig noch für ein Gerücht.<br />
Die Radsportler des Görlitzer Vereins Post<br />
benutzen ebenfalls keinen Diesel, sondern<br />
körpereigenen Kraftstoff!<br />
Dr. Bernhard Wolf<br />
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Geschichte<br />
27
Die Jakobskirche –<br />
Die alte Jakobskirche ging am Anfang des<br />
16. Jahrhunderts in die Verwaltung des<br />
Magistrats über. Trotz der Weissagungen<br />
des Schwärmerischen Unnabergischen<br />
Predigers Michael Stiefel, der den Einbruch<br />
des Jüngsten Gerichts auf den Michaelistag<br />
1532 berechnet hatte, ließ der<br />
löbliche Rat gerade in diesem Jahre in der<br />
alten Jakobskirche die erste evangelische<br />
Predigt am 22. April durch den damaligen<br />
Diakonus Valentin Eckart, gewöhnlich Valten<br />
genannt, halten. Dieser Valten war<br />
früher katholischer Kaplan an der Peterskirche<br />
gewesen, wurde dann Protestant,<br />
heiratete auch, und ist 1557 gestorben.<br />
1635 wurde die Kirche mit Schindel gedeckt<br />
und inwendig mit Stühlen und einem<br />
Altar auf der Mittagseite versehen.<br />
1667 wurde sie bis zu ihrer späteren Größe<br />
verlängert, mit Kruzifix, Predigtstuhl<br />
und Chor verziert und 1669 neues Gestühl<br />
eingebaut. 1680 wurden Kanzel, Gestühl<br />
und ein neuer Altar beschafft, den der Diakonus<br />
M. Christophorus Genffert weihte.<br />
Bei dem verheerenden Brande, der auch<br />
die Peterskirche 1691 unter Asche legte,<br />
verbrannte auch ihr ganzes Kirchengerät,<br />
das in der Wohnung des Bürgermeisters<br />
Mich. Steinbach als ihres Oberverwalters<br />
aufbewahrt war, darunter ein alter vergoldeter<br />
Kelch mit Patene.<br />
1732 wurde die Kirche massiv gebaut. Ein<br />
altes Bild hat uns ihre Gestalt aus dieser<br />
Zeit nebst Hospital erhalten, dass sich<br />
rechts auf dem Bilde an die Kirche lehnt.<br />
Ein großer Torweg öffnet die alte Umfassungsmauer<br />
zum Hospital, während zu<br />
Kirche und Kapelle noch eine kleine Pforte<br />
in der Mauer führt. Die alte Minoritenkapelle,<br />
die man bis jetzt geschont hat,<br />
scheint Veränderungen erfahren zu haben,<br />
wie wohl auch dem Hospitalgebäude<br />
ein neuer Flügel hinzugefügt worden war.<br />
Die ganze Zeichnung gibt uns ein stimmungsvolles,<br />
interessantes Bild dieses<br />
alten Hospitals, wie es lange gestanden<br />
hat, bis 1776 das alte Hospitalgebäude<br />
gebessert wurde und auf der anderen<br />
Seite unserer Kirche ein Neubau erstand,<br />
der mit der alten Mauer aus dem Anfange<br />
des 15. Jahrhunderts auch die wohl noch<br />
weit ältere Minoritenkapelle vernichtete.<br />
Ums Jahr 1830 hatte niemand mehr von<br />
ihr Kenntnis, und sie wäre verschollen,<br />
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28<br />
Geschichte
Alt Görlitz einst und jetzt<br />
Die Jakobskirche<br />
wenn nicht unsre beiden alten Zeichnungen<br />
von ihr dankenswerte Kunde gegeben<br />
hätten. Wie selten hat man Gelegenheit,<br />
sich von so alten Holzkapellen eine<br />
begründete Vorstellung zu machen, von<br />
denen doch immer und immer wieder die<br />
Rede ist, wenn es sich um den ersten Anfang<br />
von Kirchengründungen handelt, wie<br />
wir auch beim heiligen Grabe und seiner<br />
Kapelle gesehen haben. Die neue Form<br />
des alten Grundstücks erscheint auf unserem<br />
zweiten Bild (Seite 30) vom Jahre<br />
1834. Das Haus links der Kirche war das<br />
„Neue Haus“, das die Insassen des früheren<br />
„Franzosenhauses“, das seit 1510<br />
vielerlei Wandlungen durchgemacht hatte,<br />
aufnehmen sollte.<br />
Unser Blick schweift von hier, der Südlichen<br />
Jakobstraße aus, über den Neumarkt,<br />
den späteren Wilhemsplatz, bis zur<br />
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Geschichte<br />
29
Die Jakobskirche<br />
Frauenkirche: ein Stück Görlitzer Vorstadt<br />
mit Gärten und Zäunen.<br />
1870 wurden Kirchen und Hospitäler abgebrochen,<br />
und nichts ist übrig geblieben,<br />
als im Museum die Glocke von 1545 und<br />
der letzte Altar, der auch sein Hauptbild<br />
eingebüßt hat und nur in der Bekrönung<br />
eine Grablegung zeigt, deren Hintergrund<br />
dem Kaisertrutz mit dem Reichenbacher<br />
Turme gleicht.<br />
Die Geschichte des Jakobshospitals mit<br />
seiner Kirche erweckt dadurch noch unser<br />
besonderes Interesse, dass man seine<br />
bauliche Entwicklung an unsern alten Bildern<br />
verfolgen kann. Auf dem Grundstücke<br />
befand sich in den Jahren nach 1870<br />
der Turnplatz.<br />
Aus: Alt Görlitz einst und jetzt<br />
Bearbeitet von Prof. Ludwig Feyerabend<br />
(I. Teil)<br />
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30<br />
Impressum:<br />
Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />
incaming media GmbH<br />
Geschäftsführer:<br />
Andreas Ch. de Morales Roque<br />
Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />
02826 Görlitz<br />
Ruf: (03581) 87 87 87<br />
Fax: (03581) 40 13 41<br />
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www.stadtbild-verlag.de<br />
Geschäftszeiten:<br />
Mo. - Fr. von 9.00 bis 17.00 Uhr<br />
Druck:<br />
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Verantw. Redakteur:<br />
Andreas Ch. de Morales Roque<br />
(Mitglied im Deutschen<br />
Fachjournalistenverband)<br />
Redaktion:<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />
Bertram Oertel<br />
Kathrin Drochmann<br />
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Ausgabe: 15. <strong>Juli</strong> <strong>2018</strong><br />
Redaktionsschluss: 20. <strong>Juli</strong> <strong>2018</strong><br />
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