178_StadtBILD_Mai_2018
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TT-Anlage des Görlitzer Modelleisenbahnvereins e.V. (Foto: MEBV)
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Vorwort<br />
Gegen das Vergessen! Diese Wortfolge begegnet<br />
uns nun seit sieben Jahrzehnten auf<br />
Spruchbändern von Demonstranten oder als<br />
Überschriften in Zeitungen. Die knapp und klare<br />
Aufforderung bezog sich ursprünglich auf<br />
das folgenschwere historische Jahrzwölf zwischen<br />
1933 und 1945, eine Episode aus tausend<br />
Jahren deutscher Geschichte. Im Sommer<br />
1945, wenige Woche nach Kriegsende, trafen<br />
sich die Siegermächte zu ihrer Potsdamer Konferenz,<br />
um über das weitere Schicksal Deutschlands<br />
zu entscheiden. Eine besonders schmerzliche<br />
Festlegung betraf die künftige Ostgrenze,<br />
die durch die Flüsse Oder und Lausitzer Neiße<br />
markiert wurde. Ein gigantischer Landraub<br />
trennte das Gebiet von Ostpreußen und Pommern<br />
über Ostbrandenburg sowie Niederschlesien<br />
und Oberschlesien bis zum Riesengebirge<br />
vom Deutschen Reich ab. Damit erreichte Polen<br />
sein lange verfolgtes Ziel, sein Territorium weit<br />
nach Westen auszudehnen und so zusätzliche<br />
landwirtschaftliche Nutzflächen, Wälder, Fabriken,<br />
Verkehrswege und Wohnorte in Stadt<br />
und Land zu gewinnen. Zwar sollte darüber<br />
verbindlich erst durch eine friedensvertragliche<br />
Regelung entschieden werden, doch diese kam<br />
nie zustande. Eine völkerrechtlich verbindliche<br />
Festlegung kam erst 1990 mit dem „Zwei-plus-<br />
Vier-Abkommen“. Die Potsdamer Konferenz<br />
entschied in diesem Zusammenhang auch über<br />
die Ausweisung der deutschen Bevölkerung,<br />
also eine Massenvertreibung, nachträglich verharmlost<br />
als „Umsiedlung“, aus jahrhundertelang<br />
deutschen Gebieten. Vor kurzem war noch<br />
von offizieller Seite von 12 Millionen Vertriebenen<br />
Deutschen die Rede, kürzlich schrieb die<br />
angepaßte Presse von 10 Millionen. (Ein Vorbild<br />
dafür war die mehrmalige Rückrechnung<br />
der Todesopfer der alliierten Terroangriffe auf<br />
Dresden im Februar 1945, eine beschämende<br />
Abkehr von den Tatsachen.) So fällt die verbrecherische<br />
Massenvertreibung der Deutschen<br />
und die dreiste Umverteilung von Territorien<br />
immer mehr dem gewünschten Vergessenwerden<br />
anheim. Jüngere Generationen nehmen<br />
von den damaligen Vorgängen kaum noch Notiz,<br />
hören wohl auch im Schulunterricht nichts<br />
mehr darüber. Manchmal erzählen ihnen die<br />
Großeltern darüber wie wir letzen Zeitzeugen<br />
und Opfer dieser Tragödie, der Massenvertreibung<br />
der Vorfahren, dürfen und werden<br />
aber nicht tatenlos zusehen, dem „Zeitgeist“<br />
zuliebe schweigen oder wegsehen. Es wird<br />
höchste Zeit, das früher gesammelte Material<br />
zum Thema vor der Vernichtung zu retten,<br />
Bildzeugnisse und Erlebnisberichte zu sammeln<br />
und der Forschung zur Verfügung zu stellen,<br />
Verlage für das Thema zu interessieren und<br />
auch die Medien für Beiträge zu gewinnen. Zu<br />
empfehlen ist ein Buchhandel noch erhältliches<br />
sachliches und gut lesbares Buch von A. Hartenstein:<br />
„Die Geschichte der Oder-Neiße-Linie.<br />
Westverschiebung und Umsiedlung – Kriegsziel<br />
der Alliierten oder Postulat polnischer Politik?“.<br />
Die Stadt Görlitz, durch diese Ereignisse geteilt,<br />
und der Landkreis, der viele seiner einst<br />
80 Gemeinden verlor, dürften ein besonderes<br />
Interesse am Thema haben und bleiben in der<br />
Pflicht, „gegen das Vergessen“ zu wirken.<br />
Ihr Ernst Kretzschmar<br />
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Einleitung<br />
3
Eisenbahngeschichte in Miniatur –<br />
Die Iser-Brücke im Modell der Zackenbahn<br />
(Foto: Schlesische Gebirgsbahnen e.V.)<br />
Am Bahnhof Polaun<br />
(Foto: Schlesische Gebirgsbahnen e.V.)<br />
Noch bis 2. September <strong>2018</strong> kann im<br />
Schlesischen Museum die Ausstellung<br />
über die Geschichte der Eisenbahn in<br />
Schlesien besichtigt werden. Während<br />
der Laufzeit bietet das Museum immer<br />
wieder neue attraktive Sonderpräsentationen.<br />
Im <strong>Mai</strong> und Juni <strong>2018</strong> sind vor<br />
allem die Spezialisten und Fans von Modellanlagen<br />
angesprochen, wenn zwei<br />
versierte Vereine ihre raumfüllenden Eisenbahnlandschaften<br />
präsentieren.<br />
Die Zackenbahn im Modell<br />
Vom 5. bis 27. <strong>Mai</strong> <strong>2018</strong> wird die originalgetreue<br />
Nachbildung der Strecke<br />
von Hirschberg nach Grünthal (ab 1918<br />
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4<br />
Ausblick
im Schlesischen Museum zu Görlitz<br />
Eisenbahngeschichte<br />
Polubný/Polaun, heute Kořenov/CZ)<br />
gezeigt. Viele Jahre lang hat der Verein<br />
Schlesische Gebirgsbahnen e.V.<br />
die Zackenbahn erforscht und detailgetreue<br />
Modelle der einzelnen Bahnhöfe<br />
und wichtigen Streckenabschnitte<br />
geschaffen.<br />
Die knapp 49 Kilometer lange Zackenbahn<br />
wurde zwischen 1891 und 1902<br />
gebaut. Die Strecke steigt ab Petersdorf/Piechowice<br />
(ca. 400 m über NN)<br />
steil an, erreicht mit dem Bahnhof Jacobsthal/Jakuszyce<br />
den höchsten Punkt<br />
(ca. 886 m über NN) und endet in<br />
Kořenov auf ca. 700 m über NN. Damit<br />
war die Zackenbahn die am höchsten<br />
gelegene Eisenbahnstrecke Preußens,<br />
auf der sich auch der höchste Signalmast<br />
Deutschlands befand. Markante<br />
Teilstrecken sind der schmale Moltke-<br />
Einschnitt bei Niederschreiberhau oder<br />
die Iser-Brücke.<br />
Die schwierige Topografie der Strecke<br />
mit der enormen Steigung von 40‰<br />
(1:25) war für die Entwicklung des Güterverkehrs<br />
hinderlich. So wurde die<br />
Strecke zwischen 1911 und 1923 als<br />
Die Zackenbahn führt durch den Moltke-Einschnitt<br />
(Foto: Schlesische Gebirgsbahnen e.V.)<br />
eine der ersten in Deutschland elektrifiziert.<br />
Ab 1927 kamen elektrische Triebwagen<br />
der DR-Baureihe ET 89 mit dem<br />
Spitznamen „Rübezahl“ zum Einsatz.<br />
Mit der Deutschen Reichsbahn<br />
nach „Grenzingen“<br />
Der Görlitzer Modelleisenbahnverein<br />
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Ausblick<br />
5
Eisenbahngeschichte in Miniatur –<br />
Anlage des Görlitzer Modelleisenbahnvereins mit Bahnhof „Grenzingen“ (Fotos: MEBV)<br />
e.V. stellt vom 1. bis 24. Juni <strong>2018</strong> seine<br />
Anlage im Schlesischen Museum<br />
aus. Die etwa 7 x 4 Meter große Modellanlage<br />
im Maßstab 1:120 (TT) stellt<br />
eine imaginäre Landschaft in der DDR<br />
der 1970er/80er Jahre dar. Den Mittelpunkt<br />
bildet der Bahnhof „Grenzingen“,<br />
der überall in der DDR hätte existieren<br />
können. Die zweigleisige Hauptstrecke<br />
sorgt für einen regen Zugbetrieb. Eine<br />
eingleisige Nebenbahn führt in die nahe<br />
gelegene Bergwelt. Auf den Schienen<br />
verkehren zeitgemäße Zuggarnituren<br />
der Deutschen Reichsbahn. Zahlreiche<br />
Details laden zum Entdecken von<br />
charakteristischen Szenen des DDR-<br />
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6<br />
Ausblick
im Schlesischen Museum zu Görlitz<br />
Eisenbahngeschichte<br />
Anlage des Görlitzer Modelleisenbahnvereins (Fotos: MEBV)<br />
Alltags ein.<br />
Auf der Anlage wurde auch ein Bahnbetriebswerk<br />
errichtet. Dazu gehören<br />
ein achtgleisiger Ringlokschuppen mit<br />
Drehscheibe, Anlagen zur Besandung,<br />
Bekohlung oder Aufnahme von Kühlwasser<br />
sowie Schlackegruben.<br />
Beide Modellanlagen werden an<br />
den Wochenenden durch die Vereinsmitglieder<br />
mit Fahrbetrieb präsentiert.<br />
Schlesisches Museum zu Görlitz<br />
Schönhof, Brüderstraße 8<br />
www.schlesisches-museum.de<br />
geöffnet: Di-Do von 10-17 Uhr,<br />
Fr-So von 10-18 Uhr<br />
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Ausblick<br />
7
Kriegsschicksale –<br />
Familie Kliemt, ca. 1904<br />
„Ist nicht bald Frieden?“, fragte am<br />
22.11.1915 Edmund Thiel aus Markersdorf<br />
seinen Bruder Erdmann in einem<br />
Brief. Erdmann Thiel war eingezogen<br />
worden und an der Front. Sein Bruder<br />
Edmund hatte zwar bereits die Musterung<br />
hinter sich, war aber noch zu Hause<br />
in Markersdorf bei Schwester und<br />
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8<br />
Geschichte
Familie Kliemt im 1. Weltkrieg<br />
Kriegsschicksale<br />
Eltern. Die Frage nach dem Kriegsende<br />
findet sich in vielen Briefen, die in den<br />
Jahren 1914 bis 1918 aus den heimatlichen<br />
Stuben hinaus an die Front gesandt<br />
wurden. Aber auch aus dem Felde<br />
selbst wird die Frage nach dem Ende<br />
des Krieges immer wieder aufgeworfen:<br />
„wenn bloß bald alle wäre der Krieg.“,<br />
schrieb Paul an Meta. Der Brief, aus dem<br />
der Halbsatz stammt und weitere vom<br />
gleichen Absender befinden sich heute<br />
im Bestand des Dorfmuseums Markersdorf.<br />
<strong>2018</strong> jährt sich das Ende des 1. Weltkrieges<br />
zum 100. Male. Aus diesem Grund<br />
ist seit dem 01.04.<strong>2018</strong> im Dorfmuseum<br />
Markersdorf eine neue Sonderausstellung<br />
mit dem Titel „Kriegsschicksale –<br />
die Familie Kliemt im 1. Weltkrieg“ zu<br />
sehen. Am 14.09.1890 hatte Wilhelm<br />
Adolph Kliemt die Gärtnerstelle Nr. 4 in<br />
Markersdorf erworben. Rund 100 Jahre<br />
später war aus diesem Grundstück das<br />
Dorfmuseum Markersdorf geworden.<br />
Wilhelm Adolph Kliemt und seine Frau<br />
Anne Louise hatten 5 Kinder: Oskar, Linda,<br />
Erwin, Erhard und Richard. Oskar Kliemt, ca 1910<br />
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Geschichte<br />
9
Kriegsschicksale –<br />
Erwin Kliemt 1914<br />
Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914<br />
veränderte sich die Welt für die Markersdorfer<br />
Familie radikal. Sohn Oskar<br />
wurde mit 23 Jahren sofort nach dem<br />
Kriegsbeginn im August 1914 eingezogen,<br />
ebenso wie Sohn Erwin (20 Jahre)<br />
und Sohn Erhard (19 Jahre). Richard<br />
war mit 13 Jahren noch zu jung, um<br />
den Kriegsdienst anzutreten. Er feierte<br />
im Jahr 1915 seine Konfirmation, jedoch<br />
ohne seine Brüder. Ihnen schickte er<br />
Konfirmationsbilder an die Front. Ebenso<br />
fand ein reger Briefwechsel zwischen<br />
Markersdorf und den jeweiligen Einsatzstellen<br />
der Söhne statt.<br />
Erwin wurde an der Westfront am rechten<br />
Auge so schwer verletzt, dass er das<br />
Auge verlor und fortan ein Glasauge<br />
trug. Zwei seiner Glasaugen sind noch<br />
im Bestand des Dorfmuseums Markersdorf<br />
erhalten und in der Sonderausstellung<br />
zu sehen. Nach seiner Genesung<br />
tat Erwin Kliemt seinen Dienst nicht<br />
mehr an der Front, sondern wurde zum<br />
Fabrikdienst eingesetzt.<br />
Erhard Kliemt wurde ebenfalls schwer<br />
verletzt. Er hatte einen Steckschuss in<br />
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10<br />
Geschichte
Familie Kliemt im 1. Weltkrieg<br />
Kriegsschicksale<br />
Erhard Kliemt, 1914<br />
der rechten Schulter erlitten und dadurch<br />
einen Teil seines Schulterblattes<br />
verloren, was zu Bewegungseinschränkungen<br />
und einem halbsteifen rechten<br />
Arm führte.<br />
Der älteste Sohn Oskar kam nicht mehr<br />
aus dem Krieg zurück. Bereits erwähnter<br />
Paul schrieb in einem Brief vom<br />
24.11.1914 an Meta: „Liebe Meta!<br />
Habe jetzt schwere Tage gehabt die<br />
ganze vorige Woche. Wir waren Tag u.<br />
Nacht im Gefecht. […]Wir haben die<br />
Russen in einem Kessel drin, und müssen<br />
sie halten. Sie wollen durchbrechen<br />
haben auch müssen zurückgehen u. haben<br />
Feuer von zwei Seiten bekommen.<br />
Haben dabei schon viele Verluste gehabt<br />
von 800 die wir von Görlitz wegmachten<br />
sind nur noch 216 Mann. Es ist rührend<br />
wenn man sich wieder zusammen findet.<br />
Kliemt war nur 6 m von mir weg<br />
als er verwundet war. Habe ihn ins Haus<br />
geschafft wo die andern lagen, mußten<br />
aber nach 2 Stunden weichen, da sind<br />
die Verwundeten zurückgeblieben. Habe<br />
mich erkundigt beim Sanitäter er sagte:<br />
er wäre ohne den Verwundeten da-<br />
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Geschichte<br />
11
Kriegsschicksale –<br />
Richard Kliemt, 1915<br />
vongelaufen. So wird er sicher bei den<br />
Russen sein. […] Es ist hier schlimm.<br />
Die Nächte sind kalt u. haben wenig zu<br />
essen. Vielleicht dauert es nicht mehr<br />
lange hier denn wenn das geschaffen<br />
wird sein was sie hier vorhaben dann<br />
werden wieder weniger Russen. Die<br />
Russen schießen wie toll es geht bis zur<br />
Verzweiflung. […]“ Bereits einen Tag<br />
zuvor hatte Paul an Meta folgendes geschrieben:<br />
„Habe heute Gelegenheit dir<br />
den Brief mit zuschicken. Es war eine<br />
Totensonntagwoche bei uns im Felde<br />
haben vom Bußtag bis Sonntagabend<br />
Tag u. Nacht im Feuer gelegen haben<br />
viele Verluste gehabt sind von 800 Mann<br />
noch 216 übrig, bin bei den Glücklichen<br />
dabei, noch mal unversehrt ausgekommen<br />
zu sein, es wird wohl die Entscheidung<br />
sein. Kannst es Kliemt sagen: er<br />
ist verwundet u. vielleicht in Gefangenschaft<br />
geraten. Hat einen Schuß in die<br />
Schulter erhalten den 21.11. um 9 Uhr<br />
vormittags […] Tu nur die benachrichtigen:<br />
Kliemt ist zurückgeblieben weil wir<br />
auch mußten zurückgehen. Alles andre<br />
kann ich dir besser schreiben einmal, es<br />
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12<br />
Geschichte
Familie Kliemt im 1. Weltkrieg<br />
Kriegsschicksale<br />
Erhard Kliemt im Lazarett (ganz rechts)<br />
ist finster zum schreiben.<br />
Grüße alle andern bleibe vielleicht gesund.<br />
Keine Post habe ich noch nicht<br />
erhalten. Es grüßt dich Paul.“<br />
Nachdem die Nachricht von der Verwundung<br />
seines Sohnes Oskar und dessen<br />
eventueller Gefangenschaft Adolph<br />
Kliemt erreicht hatte, setzte er alles ihm<br />
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Geschichte<br />
13
Kriegsschicksale –<br />
Erwin Kliemt im Lazarett (3. v. l.)<br />
mögliche in Bewegung, um etwas über<br />
seinen Sohn zu erfahren. So schickte er<br />
im Laufe der nächsten Jahre Anfragen<br />
zum Roten Kreuz nach Kopenhagen,<br />
ans Königlich Preußische Kriegsministerium<br />
nach Berlin, an die Auskunftsstelle<br />
über Verwundete in der Provinz Posen,<br />
an den Deutschen Hülfsverein in Stock-<br />
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14<br />
Geschichte
Familie Kliemt im 1. Weltkrieg<br />
Kriegsschicksale<br />
holm, an den Landrat von Tarnowitz sowie<br />
an den Königlichen Palast in Madrid.<br />
Keine der kleinen Spuren, die sich in<br />
den folgenden Jahren fanden, führten<br />
zum Ziel. Oskar Kliemt ist seit seinem<br />
Einsatz in PrzatówGórny am 21.11.1914<br />
verschwunden und bis heute ist nicht<br />
bekannt, ob er an diesem Tag in der<br />
Nähe von Kalisch (Kalisz) fiel oder später<br />
in einem russischen Kriegsgefangenenlager<br />
verstarb.<br />
Schlesisch-Oberlausitzer<br />
Museumsverbund<br />
Wer mehr über den 1. Weltkrieg<br />
erfahren möchte, kann dies<br />
im Dorfmuseum Markersdorf tun.<br />
Mi – Fr 10.00 – 16.00 Uhr<br />
Sa/ So/ Feiertags 13.00 – 17.00 Uhr<br />
Vom 1.11.<strong>2018</strong> bis 28.02.2019<br />
nur nach Voranmeldung geöffnet!<br />
Suchdienst Oscar Kliemt<br />
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Geschichte<br />
15
Ebersbach im Siebenjährigen Krieg 1756-1763 –<br />
Siebenjähriger Krieg<br />
Teil II<br />
Ein Glück war es noch, dass das Getreide<br />
in der Ernte sehr dürr eingebracht worden<br />
war. Bei dem ungestümen Plündern<br />
waren nun zahlreiche Körner ausgefallen.<br />
So wurden z. B. auf dem herrschaftlichem<br />
Hofe noch über 200 Scheffel aus<br />
der Bucht geschüttelt und gedroschen.<br />
Indessen waren von 67 Stück Rindvieh<br />
noch 18 und von 700 Schafen nicht eines<br />
mehr vorhanden. Die Armen kehrten im<br />
Lager die verstreuten Körner zusammen<br />
und waren so der grausamen Not etwas<br />
enthoben.<br />
Schon am 17. November 1758 kehrte die<br />
preußische Armee wieder aus Schlesien<br />
zurück; das Dorf bekam von neuem Einquartierung,<br />
wurde aber am folgendem<br />
Tage davon befreit, da die Truppen den<br />
Marsch nach Dresden fortsetzten<br />
Zwei Tage darauf am 20. November,<br />
wurde gerade Gottesdienst abgehalten,<br />
als man hörte, dass hinter dem Gutshofe<br />
schon wieder die Preußen seien.<br />
Nach Ebersbach kam ein Regiment ins<br />
Quartier, das am 22. November wieder<br />
abmarschierte. Ohne weitere Ereignisse<br />
Kavallerie General von Zieten<br />
verlief der Dezember 1758.<br />
Pfarrer Günzel hat über dieses ereignisreiche<br />
Jahr folgende Verse gedichtet:<br />
„Die Fouragierung nahm die Zukost und<br />
das Brot.<br />
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16<br />
Geschichte
Ebersbach im Siebenjährigen Krieg 1756-1763<br />
Siebenjähriger Krieg<br />
Generalleutnant Prinz Heinrich von Preußen<br />
Die Plünderung das Kleid. Wo soll der<br />
Arme bleiben?<br />
Hilf du, Herr Jesu uns in dieser Not.<br />
Du kannst der Feinde Wut durch deine<br />
Macht vertreiben“<br />
Die erste Hälfte des Jahres 1759 verlief<br />
verhältnismäßig ruhig. Am 9. September<br />
1759 bezog das K. K. Korps von de<br />
Willisch, das von Lauban anrückte, ein<br />
Lager zwischen Görlitz und Ebersbach.<br />
Zwölf Kavalleristen wollten im Pfarrhofe<br />
plündern, doch gelang es dem unerschrockenen<br />
Vorgehen des Pfarrers zu<br />
bewirken, dass sie mit leeren Händen<br />
wieder abzogen.<br />
Am 12. September rückten die Österreicher<br />
wieder ab. Dafür errichteten die<br />
Preußen Generalleutnant Prinz Heinrich<br />
von Preußen bei Hermsdorf, General von<br />
Ziehten (auch Zieten 1699-<strong>178</strong>6) an der<br />
Landeskrone ein Lager. In beide Lager<br />
mussten Ebersbach und Girbigsdorf Lebensmittel<br />
und Holz liefern.<br />
Am 16. und 21. September (Matthäi)<br />
konnte, wie in den letzten Jahren schon<br />
öfters geschehen, kein Gottesdienst<br />
stattfinden, da das Hermsdorfer Korps an<br />
beiden Tagen in Ebersbach fouragierte.<br />
Am 27. September nachts marschierten<br />
die Preußen ab; dagegen bezog die K.<br />
und K. Armee von Daun dasselbe Lager<br />
wie am 20. August 1758. Es sollte nun,<br />
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Geschichte<br />
17
Ebersbach im Siebenjährigen Krieg 1756-1763 –<br />
Siebenjähriger Krieg<br />
wie sich die Truppen ausdrückten, die<br />
Nester völlig ausgeleert werden, damit<br />
sich die Preußen nicht alle Augenblicke<br />
hierher zurückzögen. Allein nachmittags<br />
um 4 Uhr brach alles eiligst auf, weil die<br />
Nachricht eintraf, dass Prinz Heinrich ein<br />
österreichisches Korps bei Hoyerswerda<br />
gänzlich zerstreut habe und gegen Bautzen<br />
gerückt sei. Dorthin folgten die Österreicher.<br />
Am 11. Februar 1759 rückten<br />
sächsische Dragoner und Ulanen und<br />
kaiserliche Husaren von Reichenbach<br />
durch Girbigsdorf und Ebersbach gegen<br />
die in Görlitz liegende preußische Garnison.<br />
Diese zog mit zahlreichen Fußtruppen<br />
und schweren Geschützen entgegen<br />
und zwang den Feind zum Rückzug auf<br />
Girbigsdorf, wo es zum Gefecht bei den<br />
herrschaftlichen Gütern in Mittel Girbigsdorf<br />
kam, wo beide Abteilungen einander<br />
angriffen. Die Preußen feuerten aus<br />
den auf der Morgenseite aufgepflanzten<br />
Kanonen auf die Abendseite. Vor Feuer<br />
und anderen Schaden wurden diesmal<br />
die Dörfer bewahrt.<br />
Um einen neuen Angriff der Feinde vorzubeugen,<br />
rückte die Görlitzer Garnison<br />
am 22. Februar bei Sonnenuntergang<br />
gegen Girbigsdorf und Ebersbach vor. Als<br />
es bereits finster geworden war, standen<br />
sämtliche Truppen im Umkreise der Kirche,<br />
die Artillerie war auf dem Kirchberge<br />
aufgepflanzt. Um 7 Uhr wurden alle<br />
Truppen auf die Morgenseite von Ebersbach<br />
und Girbigsdorf verlegt. Bei allen<br />
Dorfbewohnern war der Schrecken sehr<br />
groß, da man im ungewissen war, was<br />
das alles bedeuten solle und was noch<br />
kommen werde. Am nächsten Tage,<br />
Sonnabend vor Invocavit (6. Sonntag<br />
vor Ostern), wurde auch die Abendseite<br />
mit Soldaten belegt. Am Sonntag musste<br />
der Gottesdienst ausfallen. Am 26. Februar<br />
zogen sich die Preußen wieder nach<br />
Görlitz zurück.<br />
Vom 14. März bis zum 7. April lagen in<br />
Ebersbach 200 Ulanen mit ihren Knechten<br />
im Quartier. Letztere zumeist Türken,<br />
feierten hier einen Teil ihrer Fasten. Zum<br />
Baden mieteten sie sich das Haus oberhalb<br />
der niederen Mühle auf dem Berge.<br />
Da zu befürchten war, dass bei dem vielen<br />
Feuer und der großen Hitze das Haus<br />
eingeäschert werden könne, mussten<br />
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18<br />
Geschichte
Ebersbach im Siebenjährigen Krieg 1756-1763<br />
Siebenjähriger Krieg<br />
die Türken dem Besitzer versprechen,<br />
ihm in diesem Falle eine Entschädigung<br />
von 40 Talern zu geben. Wenn einer aus<br />
dem warmen Bade stieg, so lief er nackend<br />
auf den nahen Bach zu, die anderen<br />
folgten ihm und peitschten ihn mit<br />
Ruten, bis er im kalten Wasser war. Am<br />
7. Juli brach die Armee des Grafen von<br />
Daun von hiesiger Gegend und der Landeskrone<br />
nach Schlesien auf, am 11. Juli<br />
kehrte sie wieder zurück und marschierte<br />
am 12. Juli nach Dresden.<br />
Am 5. August zog die preußische Armee<br />
durch Rengersdorf, die des Feldmarschalls<br />
Graf von Daun über Ebersbach<br />
und Girbigsdorf. Zwei Husaren kamen in<br />
das Pfarrhaus um zu plündern. Der eine<br />
hielt Wache, während der andere auf<br />
den ihn entgegentretenden Pfarrer eindrang,<br />
ihn mit dem Säbel in die Stube<br />
trieb und daselbst von ihm 200 Gulden<br />
forderte. Da der Pfarrer ihm diese nicht<br />
herbeischaffen konnte, wollte der Husar<br />
tätlich werden. Ein in der Mitte der Stube<br />
stehender Tisch gab aber dem Pfarrer<br />
immer den nötigen Abstand, so dass ihn<br />
der Husar nicht erreichen konnte. Als dieser<br />
auch in einer anderen Kammer nichts<br />
fand, verließen beide Husaren das Haus,<br />
ohne weiteren Schaden zu machen. Am<br />
25. Oktober rückten Kaiserliche Truppen<br />
in Ebersbach ein, als gerade Kirmes gefeiert<br />
wurde. Strenge Kälte und Schnee<br />
machten die Einquartierung sehr lästig.<br />
Am 8. <strong>Mai</strong> 1761, am Freitag vor Pfingsten,<br />
rückten die Preußen in ein Lager bei<br />
Görlitz und fouragierten in Ebersbach<br />
und Girbigsdorf. Der geraubte Schaden<br />
betrug für die Gemeinde 3762 Taler und<br />
15 Gulden. Am 10. <strong>Mai</strong> 1761, dem ersten<br />
Pfingstfeiertage, musste der Gottesdienst<br />
ausfallen, da sich auf den Feldern<br />
zwischen Preußen und Kaiserlichen ein<br />
heftiges Gefecht entsponnen hatte. Am<br />
23. Oktober rückte preußische Kavallerie<br />
in Ebersbach ein. 16 Fahnenflüchtige, die<br />
man wieder eingefangen hatte, mussten<br />
auf dem Gutshofe um ihr Leben würfeln.<br />
Von diesen wurden vier Mann am 24.<br />
Oktober auf dem Lerchenberge – von<br />
da an „Galgenberg“ genannt – gehängt<br />
und am Abend auf dem nächsten Acker<br />
begraben. Am 25. <strong>Mai</strong> zog die Einquartierung<br />
wieder ab.<br />
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Geschichte 19
Ebersbach im Siebenjährigen Krieg 1756-1763 –<br />
Siebenjähriger Krieg<br />
Über das Jahr 1761 finden sich am<br />
Schlusse der Ortskassenrechnung folgende<br />
Verse des Pfarrers Günzel:<br />
„Noch immer sind wir nicht durch Krieg<br />
und Raub erdrückt.<br />
Die Hand, so uns zerschlägt, hat uns<br />
auch stets erquickt.“<br />
Am 19. Juli 1762 kamen Bosniaken nach<br />
Ebersbach und fielen in den Pfarrhof ein.<br />
Sie ergriffen den Pfarrer, drohten ihn mit<br />
den Spießen zu stechen, und schrien:<br />
„Dachshund, schaff Dukati!“ Als sie nichts<br />
erlangen konnten, griffen sie den Kaplan<br />
an, schleppten ihn auf den herrschaftlichen<br />
Hof und zogen ihm zwei Ringe<br />
von den Fingern, nahmen ihm noch einige<br />
andere Wertgegenstände und Geld;<br />
dann ließen sie ihn laufen. Darauf nötigten<br />
sie dem Herren von Broitzen durch<br />
die Drohung, sie würden die Wirtschaftsgebäude<br />
in Brand stecken, 226 Taler ab,<br />
desgleichen dem Bruder des Herrn von<br />
Broitzen eine Uhr.<br />
Auch von manchem anderen aus der<br />
Gemeinde erpressten sie Geld. So haben<br />
sie zusammen 600 Taler bares Geld erpresst.<br />
Von Ebersbach streiften sie gegen<br />
Bautzen. Große Mengen an Hafer,<br />
Heu, Stroh, Holz und Vieh musste die<br />
Gemeinde in den folgenden Monaten an<br />
die preußische und österreichische Armee<br />
liefern.<br />
Mitte Oktober zog wieder vorrübergehend<br />
Einquartierung ins Dorf ein.<br />
Auch im ersten Viertel des Jahres 1763<br />
wurden Ebersbach große Heer Lieferungen<br />
auferlegt. Am 8. März quartierte<br />
sich ein preußisches Infanterie Regiment<br />
in Ebersbach ein. Am 10. März<br />
zog es nach Schlesien ab. Hiermit hatte<br />
die fast siebenjährige große Not ihr lang<br />
gewünschtes Ende genommen. Am 21.<br />
März wurde das Dankesfest wegen des<br />
hergestellten Friedens auf folgende Weise<br />
gefeiert. Am Abend vorher wurde von<br />
6 bis 7 Uhr mit allen Glocken geläutet.<br />
Am nächsten Tage, den 21. März, einem<br />
Montage, früh wurde nach dem einläuten<br />
um 7 Uhr vom Kirchturm unter Begleitung<br />
der Instrumente; „Allein Gott in der<br />
höh ´sei Ehr´“ und „Nun lob´, o Seel´,<br />
den Herren“ gesungen, desgleichen um<br />
8 Uhr: „Sei Lob ‘und Ehr ‘dem höchsten<br />
Gut“ und „Nun preiset alle Gottes Barm-<br />
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20<br />
Geschichte
Ebersbach im Siebenjährigen Krieg 1756-1763<br />
Siebenjähriger Krieg<br />
Kreuz und Obelisk auf dem Kapellenberg in Kunnersdorf<br />
herzigkeit.“ Die vorgeschriebenen Texte<br />
waren:<br />
Psalm 28, 6-8 und Jes. 12,1.<br />
Auf Verordnung des Herren von Broitzen<br />
waren am Tage zuvor von 2 Scheffeln<br />
Roggenmehl Brot und von zwei Scheffeln<br />
Weizen Kuchen gebacken worden;<br />
dazu wurde eine Kuh geschlachtet. Dies<br />
wurde alles nebst einem Viertel Bier unter<br />
den Armen verteilt. Hierauf genoss<br />
unser Land das Glück des Friedens bis<br />
zum einjährigem Bayrischen Erbfolgekrieges<br />
im Jahre 1778/79. Auch damals<br />
bekam Ebersbach mehrmals Einquartierung<br />
und musste Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände<br />
an die preußische<br />
Armee liefern, doch blieb es vor kriegerischen<br />
Ereignissen verschont. Am 6 Juli<br />
1779 fand das Friedensdankfest statt.<br />
Nachdem zu Napoleonszeiten noch ein-<br />
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Geschichte<br />
21
Ebersbach im Siebenjährigen Krieg 1756-1763<br />
Siebenjähriger Krieg<br />
Denkmal Gen. Winterfeldt in Moys auf dem Jäckelsberg<br />
mal der Krieg die Gemeinde berührt hatte<br />
ist unser Schöpstal bewahrt geblieben<br />
von jeglicher Waffenhandlung.<br />
Anmerkung des Autors:<br />
Im Jahre 1813 war um Kunnersdorf und<br />
Ebersbach ein Gefecht der Russen und<br />
Franzosen in Vorbereitung, zu dem es<br />
jedoch nicht kam. Zu Ehren, dass die<br />
Gemeinden verschont blieben, hatte<br />
die Rittergutsbesitzerin von Kunnersdorf<br />
Friedericke von Kleist geborene von<br />
Hoffmansegg auf dem Kapellenberg ein<br />
Kreuz errichten lassen mit der Inschrift<br />
„Ehre sei Gott in der Höh“ Im Jahre 2014<br />
wurde dazu ein Obelisk errichtet.<br />
Wolfgang Stiller Görlitz<br />
Quelle: Oberlausitzer Heimatblätter;<br />
Nr. 20, 8. Jg. vom 16.6.1920<br />
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22<br />
Geschichte
750 Jahre Rothenburg<br />
Jahre Rothenburg<br />
Ludwig August Theodor Holscher, 1844<br />
Hinweis: Die folgenden Auszüge aus der Topografie<br />
von Rothenburg in der Preuß. Oberlausitz<br />
wurden zweimal anhand der Quelle Korrektur<br />
gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext!<br />
Die Bewohner der Gegend, in welcher<br />
Rothenburg liegt, waren ehemals lauter<br />
Slaven, zum Volke der Milcziener gehörig,<br />
wie die Namen der meisten benachbarten<br />
Ortschaften, z. B. Biela, Deschka, Penzig,<br />
Noes, Lode, Zoblitz, Spree, Horka u. s. w.,<br />
welche alle slavischen Ursprungs sind,<br />
beweisen. Es hatten nämlich seit dem<br />
sechsten Jahrhundert slavische Volksstämme<br />
von verschiedenem Namen sich<br />
im östlichen Deutschland festgesetzt, die<br />
dort wohnenden, meist noch nomadisch<br />
lebenden Deutschen verdrängt, oder unterjocht,<br />
und waren selbst bis über die<br />
Elbe vorgedrungen. Allein schon Carl der<br />
Große und die spätern Kaiser kämpften<br />
gegen diese Eindringlinge meistens<br />
glücklich, eroberten ihre Vesten, machten<br />
ihre Edle und Fürsten zinsbar, und<br />
zwangen sie, mit dem Frieden auch die<br />
christliche Religion anzunehmen. Besonders<br />
war es Heinrich der Finkler, welcher<br />
die slavischen Völker in der Mark und an<br />
der Elbe glücklich bekriegte (seit 926)<br />
und auch, nach Besiegung der Milcziener<br />
(etwa um 930), die Burg Meißen an der<br />
Elbe gründete.<br />
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Geschichte<br />
23
750 Jahre Rothenburg<br />
Jahre Rothenburg<br />
Mittelalterliche Darstellung von Rothenburg - Oberlausitz<br />
Um die besiegten, aber stets zum Abfall<br />
geneigten slavischen Völker im Zaume<br />
zu halten, wurden besonders an solchen<br />
Orten, welche die Natur schon befestigt<br />
hatte, Burgen angelegt, auf Anhöhen, an<br />
Flüssen, zwischen Sümpfen; und wenn<br />
auch anfangs nur von Holz gebaut, und<br />
mit Wall und Graben, oder einem Pfahlwerk<br />
umgeben, so erfüllten sie doch<br />
ihren Zweck, der deutschen Besatzung<br />
einen sichern Aufenthaltsort, und ihren<br />
Operationen einen Stützpunkt zu gewähren.<br />
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24<br />
Geschichte
I. Erbauung und Name der Stadt Rothenburg<br />
750 Jahre Solcher Burgen finden wir nun mehrere<br />
in der Ober-Lausitz, und da die siegenden<br />
Deutschen zur Unterwerfung des<br />
Landes dasselbe durchzogen, mochten<br />
sie wohl die undurchdringlichen Haiden<br />
scheuen, und an den Flüssen hinziehen,<br />
und hier an gelegenen Punkten ihre ersten<br />
Verschanzungen aufwerfen und die<br />
Burgen anlegen. Die Burgen zu Görlitz,<br />
Penzig, Rothenburg, Muskau, Hoyerswerda,<br />
Budissin u. s. w. liegen sämmtlich<br />
an Flüssen, an der Neiße, schwarzen<br />
Elster und Spree.<br />
So mochten von Görlitz aus deutsche<br />
Schaaren an der Neiße hinunter ziehen,<br />
und da, wo jetzt die Dominialgebäude<br />
von Rothenburg sich finden, auf dem<br />
ziemlich steilen Thalrande der Neiße, sich<br />
festsetzen, den Platz durch Wall, Graben<br />
und Pfahlwerk sichern, und die nöthigen<br />
Gebäude von Holz errichten.<br />
Wann dies geschehen sei, ist ungewiß;<br />
doch werden wir nicht sehr irren, wenn<br />
wir die Gründung der Burg in die letzte<br />
Hälfte des zehnten Jahrhunderts, also<br />
vor das Jahr 1000 setzen. Solche Burgen<br />
werden Burgwarte genannt. Der Anführer<br />
der darin liegenden Besatzung war<br />
der Oberherr der Gegend, zog den Tribut<br />
ein, machte Anordnungen, handhabte<br />
Recht und Gerechtigkeit, und beschützte<br />
die einwandernden fränkischen und<br />
sächsischen Colonisten, die sich meist<br />
neben der Burg niederließen, und den<br />
Grund zu den Städten legten, oder doch<br />
Dörfer mit deutschen Namen in der Nähe<br />
erbauten, wie Tormersdorf und (Nieder-)<br />
Neundorf bei Rothenburg, welches letztere<br />
durch seinen Namen auf ein später<br />
als die benachbarten wendischen Dörfer,<br />
oder die Burg Rothenburg, erbautes Dorf<br />
hindeutet.<br />
Was nun den Namen dieser gegen die<br />
Milcziener oder Sorben erbauten Veste<br />
oder Burgwarte betrifft, der jetzt Rothenburg,<br />
früher aber Rottenburgk, Rotenburgk,<br />
Rothenberg und Rotinbourg<br />
geschrieben wurde, so hat man denselben<br />
ableiten wollen von den Rotten der<br />
Slaven, zu deren Bezähmung die Burg<br />
angelegt war – also eine Burg gegen<br />
aufrührerische Rotten; oder auch von<br />
der Farbe der Burg, die dann von rothen<br />
Steinen müßte erbaut gewesen sein.<br />
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Geschichte 25
750 Jahre Rothenburg<br />
Jahre Rothenburg<br />
Marktplatz um 1850<br />
Beide Ableitungen sind etwas gezwungen.<br />
Neuere leiten den Namen ab von<br />
dem slavischen Worte rod d. h. Burg, so<br />
daß die Endung „Burg“ nur eine Verdeutschung<br />
des wendischen Namens rod ist,<br />
wie ja dergleichen in unsern Gegenden<br />
vorkömmt, z. B. der Colimberg u. dgl.<br />
Diese Ableitung ist jedenfalls die natürlichste.<br />
Die umwohnenden Slaven mochten<br />
die Veste in ihrer Sprache „rod“ nennen,<br />
und die Deutschen „Burg“, woraus<br />
der zusammengesetzte Eigenname Rod-<br />
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26<br />
Geschichte
I. Erbauung und Name der Stadt Rothenburg<br />
750 Jahre burg, Rothenburg mit der Zeit geworden<br />
ist. So alt Rothenburg sein, und eine so<br />
wichtige Rolle es auch in der Besiegung<br />
und Behauptung der umliegenden Gegend<br />
gespielt haben mag, so wird es<br />
doch erst 1268 urkundlich erwähnt, als<br />
Otto III. die Lande Budissin und Görlitz<br />
theilt. Es heißt nämlich in der darüber<br />
ausgestellten Urkunde: item ad civitatem<br />
Gœrlicz ponimus civitatem Lauban,<br />
Schœnberg, Rothenberg et dimidium<br />
Hoyerswerda cum novis et autiquis bonis,<br />
tam liberis quam non liberis etc.<br />
Daß wir nicht aus früherer Zeit sichere<br />
Nachrichten über Rothenburg haben,<br />
liegt theils wohl dran, daß man in den<br />
ältesten Zeiten wenig aufschrieb, und<br />
auch nur Wenige schreiben konnten,<br />
theils wohl an Bränden, Verwüstungen<br />
u. s. w.<br />
Es ist sehr wahrscheinlich, daß, vielleicht<br />
im zwölften Jahrhundert die anfänglich<br />
von Holz erbaute Burg nach und nach von<br />
Stein ausgeführt und stärker befestigt<br />
worden ist. Auch soll auf Tormersdorfer<br />
Gebiete, jenseits des Mühlgrabens, da,<br />
wo jetzt der zur Steingutfabrik gehörige<br />
Garten ist, eine Burg gestanden haben,<br />
von der noch bis zu Ende des vorigen<br />
Jahrhunderts Überreste zu sehen gewesen<br />
sein sollen.<br />
Wann, und zu welchem Zwecke, und<br />
von wem diese aufgeführt sein mag, ist<br />
gleichfalls unbekannt.<br />
Sie wurde 1427 im Juni von den Hussiten<br />
erobert und zerstört, die von Königgrätz<br />
und Jaromir herangezogen waren.<br />
Ob sie später wieder aufgebaut wurde,<br />
wissen wir nicht; doch ist es nicht wahrscheinlich,<br />
indem in der Theilungsurkunde<br />
der Söhne Otto’s von Nostiz vom<br />
Jahre 1512 derselben keine Erwähnung<br />
geschieht, und sie auch sonst nicht weiter<br />
genannt wird.<br />
-Fortsetzung folgt-<br />
Auszug aus: „Kurze Topographie und Geschichte<br />
der Kreis-Stadt Rothenburg in der Preuß. Ober-<br />
Lausitz, bearbeitet von Ludwig August Theodor<br />
Holscher, Pastor zu Horka und der Ober-Lausitzischen<br />
Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz<br />
wirklichem Mitgliede. Rothenburg O./L. | 1844<br />
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Geschichte<br />
27
Der Winterkönig –<br />
Buchvorstellung<br />
Im Jahr <strong>2018</strong> jährt sich der Beginn des<br />
großen deutschen Krieges, der heute der<br />
Dreißigjährige Krieg genannt wird, zum<br />
400. Mal.<br />
Am 23. <strong>Mai</strong> 1618 wurden die beiden königlichen<br />
Statthalter Wilhelm Slavata und<br />
Jaroslav Martinitz, sowie der Schreiber<br />
Philipp Fabricius von aufständischen böhmischen<br />
Protestanten aus einem Fenster<br />
der Prager Burg geworfen. Wie durch ein<br />
Wunder überlebten alle drei den tiefen<br />
Sturz. Dieses Datum steht seither für<br />
den Beginn des großen Krieges.<br />
Natürlich hatte dieses einschneidende<br />
Ereignis eine lange Vorgeschichte.<br />
Letztlich begannen die Glaubensauseinandersetzungen<br />
in Böhmen schon mit<br />
dem Wirken von Jan Hus rund 200 Jahre<br />
zuvor. Die Reformation Martin Luthers<br />
hundert Jahre nach Hus ging an Böhmen<br />
auch nicht spurlos vorbei. Unter<br />
der Herrschaft Kaiser Rudolphs II. spitzten<br />
sich die Auseinandersetzungen dann<br />
am Beginn des 17. Jahrhunderts zu. Sie<br />
beschränkten sich jedoch nicht nur auf<br />
Böhmen, sondern betrafen das gesamte<br />
Heilige Römische Reich Deutscher Nation.<br />
Im Jahr 1608 wurde die protestantische<br />
Union gegründet, ein Jahr später<br />
folgte die katholische Liga.<br />
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28<br />
Buchvorstellung
ein neuer historischer Roman<br />
Buchvorstellung<br />
In einem Majestätsbrief vom 9. Juli 1609<br />
trotzten die böhmischen Stände Rudolph<br />
II. schließlich die Religionsfreiheit ab. Als<br />
dessen streng katholischer Nachfolger<br />
König Ferdinand II. die Protestanten in<br />
Böhmen immer mehr in ihrer erkämpften<br />
Glaubensfreiheit beschnitt kam es zum<br />
Fenstersturz.<br />
Mit diesem einschneidenden Ereignis der<br />
böhmischen Geschichte beginnt auch der<br />
neue historische Roman „Der Winterkönig“<br />
des hessischen Autors Jörg Olbrich<br />
(Jg. 1970). Mit dem königlichen Schreiber<br />
Philipp Fabricius als Hauptperson<br />
entwickelt Olbrich eine spannende und<br />
informative Geschichte über den Beginn<br />
und die ersten drei Jahre des Krieges. Fabricius<br />
steckt natürlich mittendrin in den<br />
kriegerischen Ereignissen und kommt in<br />
der nachfolgenden Geschichte nicht nur<br />
viel in Böhmen und Österreich herum,<br />
sondern trifft auch eine Menge historischer<br />
und erfundener Personen. Natürlich<br />
fehlen auch die in heutigen Büchern<br />
und Filmen üblichen Liebesgeschichten<br />
nicht, mit und ohne happy end.<br />
In kurzen Abschnitten, welche jeweils<br />
mit dem Handlungsort und dem Datum<br />
(z. B. Prag, 23. <strong>Mai</strong> 1618) überschrieben<br />
sind, wird der Leser kurzweilig durch<br />
die Geschichte geführt. Mit der Wahl<br />
des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz<br />
zum neuen böhmischen König und dessen<br />
Krönung im Prager Veitsdom am 8.<br />
November 1619 wurde der Habsburger<br />
Ferdinand II. natürlich endgültig brüskiert<br />
und von da ab gab es kein Zurück<br />
mehr. Da Friedrich V. nur kurze Zeit über<br />
Böhmen herrschte bekam er schon von<br />
seinen Zeitgenossen den Spottnamen<br />
Winterkönig verpasst. Mit der Niederlage<br />
der Protestanten in der Schlacht am<br />
Weißen Berg bei Prag am 8. November<br />
1620 war Friedrichs Herrschaft vorbei.<br />
Es folgte ein furchtbares Blutgericht der<br />
Habsburger über die Aufständischen, bei<br />
welchem am 21. Juni 1621 auf dem Altstädter<br />
Ring in Prag 28 Menschen hingerichtet<br />
wurden. All das erleben Philipp<br />
Fabricius und die anderen Protagonisten<br />
des Buches mit, sowie natürlich auch die<br />
Leser.<br />
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Buchvorstellung<br />
29
Der Winterkönig<br />
Buchvorstellung<br />
Dem Buch ist eine kleine, leider nur<br />
wenig aussagekräftige Karte „Europa<br />
um 1618“ beigegeben. Ebenso verfügt<br />
es über ein Personenregister, welches<br />
zwischen historischen und erfundenen<br />
Personen unterscheidet, dazu eine Liste<br />
historischer Eckdaten.<br />
Die Geschehnisse des Prager Aufstandes<br />
und des Beginns des Dreißigjährigen<br />
Krieges hatten auch für die Ober- und<br />
Niederlausitz große Bedeutung, gehörten<br />
sie doch als Kronländer zu Böhmen. Der<br />
Winterkönig kam auf seiner Huldigungsreise<br />
auch hierher. Allein die Tatsache,<br />
dass die Ober- und Niederlausitz dann<br />
zu Sachsen kamen, bewahrte die hiesige<br />
Bevölkerung vor der zwangsweisen Rekatholisierung,<br />
wie sie dann in Böhmen<br />
und Österreich stattfand. Letztlich profitierten<br />
die hiesigen Länder sogar davon,<br />
kamen doch mit den tausenden Glaubensflüchtlingen<br />
(Exulanten) dann viele<br />
fleißige und arbeitsame Menschen hierher.<br />
Sie brachten auch zahlreiche historische<br />
Dokumente und manches Kunstwerk<br />
mit, die Museen und Bibliotheken<br />
hierzulande legen davon noch heute<br />
Zeugnis ab. So sind im Wissenschaftlichen<br />
und Heimatgeschichtlichen Altbestand<br />
der Christian-Weise-Bibliothek<br />
Zittau die Zweitausfertigung des Majestätsbriefes<br />
von 1609, eine Einladung<br />
zum Landtag 1618 und ein tschechisches<br />
Psalmenbuch mit handschriftlichen Eintragungen<br />
Aufständischer erhalten. Es<br />
sind dies Zeugnisse einer gemeinsamen<br />
Geschichte der Oberlausitz und Böhmens,<br />
deren schwieriger Phase vor 400<br />
Jahren wir in diesem Jahr gedenken.<br />
Der neue historische Roman „Der Winterkönig“<br />
von Jörg Olbrich leistet einen<br />
gewichtigen Beitrag dazu. Da er Band 1<br />
einer Reihe „Geschichten des Dreißigjährigen<br />
Krieges“ ist, dürfen wir schon auf<br />
die Fortsetzungen gespannt sein.<br />
Uwe Kahl, Zittau.<br />
Olbrich, Jörg: Der Winterkönig: Geschichten des<br />
Dreißigjährigen Krieges, Band 1; historischer Roman<br />
/ Jörg Olbrich. – Hamburg: acabus Verlag,<br />
2017. - 458 S., 1 Karte<br />
ISBN 978-3-86282-528-8 16.- Euro<br />
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30<br />
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15. <strong>Mai</strong> <strong>2018</strong><br />
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