Vol. XIII (2007), no 20 - The International Newsletter of Communist ...
Vol. XIII (2007), no 20 - The International Newsletter of Communist ...
Vol. XIII (2007), no 20 - The International Newsletter of Communist ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>The</strong> <strong>International</strong> Newletter <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> Studies Online <strong>XIII</strong> (<strong><strong>20</strong>07</strong>), <strong>no</strong> <strong>20</strong> 45<br />
Da die Auswahl der Autobiographien nicht wie üblich anhand einer sozialen Gruppe (z.B.<br />
Arbeiter, Kaufleute, Bauern, Intellektuelle) oder einzelner angeblich herausragender<br />
Persönlichkeiten (z.B. Politiker, Literaten, Wissenschaftler) geschieht, sondern der Fokus auf<br />
einer sozial heterogenen politischen Bewegung liegt, ist ein komparativer Zugang möglich,<br />
der Fragen nach den Gemeinsamkeiten, Unterschieden und den Transferleistungen zwischen<br />
den Schichten ins Zentrum des Interesses stellt. 92 In der Forschung ist eine Marginalisierung<br />
der Autobiographien von Arbeitern (z.B. Levin Sholom, Yoel Novikov) und von Frauen (z.B.<br />
Gina Medem, Bertha Fox) unübersehbar, dementgegen ist ein Ziel der Dissertation die<br />
Schriftlichkeit der verschiedenen Bildungsschichten und der Geschlechterrollen gegenüber zu<br />
stellen, sie in Beziehung zu setzen und inhaltlich vergleichend auszuwerten. Dabei gilt es,<br />
unterschiedliche Identifikationsebenen herauszufiltern und auf ihr Zusammenwirken hin zu<br />
untersuchen, um Unterschiede des Wahrnehmens, Erinnerns und auch Agierens benennen zu<br />
können. Weiterhin werden diese Autobiographien entlang einer Zeitskala von 1897, der<br />
Gründung des Bund bis heute typologisiert.<br />
Positions- und Parteiwechsel der Akteure, wie der häufige Wechsel vom Bund in<br />
kommunistische Parteien (Hersch Mendel, Hershl Metaloviets) oder das Beharren auf<br />
bundistischen Positionen (Vladimir Medem) nach der Oktoberrevolution finden bei der<br />
Interpretation der Quellen besondere Berücksichtigung. So sollen durch Verknüpfung von<br />
kulturgeschichtlichen, soziologischen und literaturwissenschaftlichen Methoden <strong>The</strong>orie und<br />
Empirie miteinander verbunden werden um, in Anlehnung an Andreas Gestrich und Mary Jo<br />
Maynes Autobiographien auch sozialgeschichtlich auswerten zu können. 93<br />
Anhand des Fallbeispiels des Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbunds ergibt sich die Möglichkeit,<br />
jüdische Autobiographik vor und nach der Shoa synchron, diachron, geschlechts- und<br />
schichtbezogen vergleichend zu untersuchen. Letztendlich wird darüber ein differenzierteres<br />
Bild des Zusammenlebens traditioneller und moderner Denk- und Verhaltensmuster in der<br />
jüdischen Autobiographik und somit der jüdischen Selbstwahrnehmung im <strong>20</strong>. Jahrhundert zu<br />
erwarten sein.<br />
Kontakt: frank.wolff@uni-koeln.de<br />
92 In der hier angestrebten Arbeitsweise folge ich der jüngst formulierten Verknüpfung zwischen<br />
transferorientierter, transnationaler und mikrogeschichtlich vergleichender Methodik. Vgl.: Editorial, in:<br />
Historische Anthropologie 1 (1993), S. 2; EKATARINA EMALIANTSEVA Historischer Vergleich und lebensweltlich<br />
orientierte Geschichtsschreibung - Ein möglicher Weg zu einer integrierten Geschichte Europas, in:<br />
MATTHIAS MIDDELL, RÜDIGER HOHLS, VERA ZIEGELDORF (Hg.) Artikelserie „Transnationale Geschichte“,<br />
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/<strong>20</strong>05-04-002, 05.10.<strong>20</strong>06.<br />
93 ANDREAS GESTRICH (Hg.) Biographie – sozialgeschichtlich, Göttingen 1988; nur in Bezug auf Arbeiter, doch<br />
herausragend: MARY JO MAYNES Taking the Hard Road. Life Courses in French and German Workers'<br />
Autobiographies in the Era <strong>of</strong> Industrialization, Chapel Hill, London 1995. Allerdings identifiziert auch sie<br />
Arbeiterautobiographien als Schriftgut einer „Klasse“. Da sie ihre Untersuchung nur auf die<br />
„Arbeiterklasse“ beschränkt, bleibt diese zentrale Kategorie letztendlich unhinterfragt. Siehe hierzu:<br />
THOMAS WELSKOPP Klasse als Befindlichkeit? Vergleichende Arbeitergeschichte als kulturhistorische<br />
Herausforderung, in: Archiv für Sozialgeschichte, 38 (1998), S. 301-336.