Vol. XIII (2007), no 20 - The International Newsletter of Communist ...
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<strong>The</strong> <strong>International</strong> Newletter <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> Studies Online <strong>XIII</strong> (<strong><strong>20</strong>07</strong>), <strong>no</strong> <strong>20</strong> 119<br />
Johannes R. Becher an Tjulpa<strong>no</strong>w vom 1. November 1946 hervor. Becher beklagt sich über das<br />
Misstrauen, das ihm und seinen Mitarbeitern seitens der russischen Stellen entgegengebracht<br />
werde, betont, dass der Kulturbund „nicht nur dem Anschein nach, sondern auch seinem<br />
Wesen nach eine überparteiliche Organisation“ sein sollte und verweist mehrfach auf die<br />
Protektion durch den Kominternchef Dimitr<strong>of</strong>f, die er im sowjetischen Exil ge<strong>no</strong>ssen habe<br />
(Dok. <strong>20</strong>). Bekanntlich blieben Bechers Klagen wirkungslos: Die Querelen mit Tjulpa<strong>no</strong>w<br />
dauerten an, der Kulturbund musste sich im Herbst 1947 aus den Westsektoren Berlins<br />
zurückziehen. Bechers Versuch, Überparteilichkeit in der Organisationsstruktur und im<br />
Konzept des Kulturbunds zu wahren, scheiterte an den Politikzwängen.<br />
„Verschlossenheit, Vorsicht, abwartende Politik und Skepsis in Hinblick auf alle Neuerungen<br />
sowie eine negative Haltung gegenüber der Besatzungsmacht“ attestiert ein im April 1946<br />
verfasster Bericht der deutschen Intelligenz in der SBZ insgesamt. Als Ursachen werden die<br />
Angst vor einem neuen Krieg, „die Disziplinlosigkeit einzelner russischer Armeeangehöriger“,<br />
vor allem „die Gewaltexzesse gegenüber Frauen“ benannt (Dok. 71). 1948 können zunehmend<br />
Erfolge bei der Sympathiewerbung und Unterstützung der sowjetischen Politik gerade seitens<br />
der künstlerischen Intelligenz vermeldet werden (Dok. 83). Zugleich werden nicht nur nach<br />
wie vor bestehende Unzulänglichkeiten der eigenen Propaganda eingeräumt, sondern auch<br />
gravierende Fehler zugegeben. So heißt es in einem Bericht des Mitarbeiters der Verwaltung<br />
des Politischen Beraters der SMAD A. Sergejew „Über die Lage der deutschen Intelligenz in<br />
der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands“ vom 17. November 1948 (Dok. 92), dass die<br />
sowjetische Verwaltung zum Studium der wissenschaftlichen und technischen<br />
Errungenschaften Deutschlands in „der Phase der aktiven Demilitarisierung“ die „gesamte<br />
deutsche Intelligenz als eine Kaste von Reaktionären angesehen“ habe. Um den „nazistischen<br />
und militaristischen Geist der deutschen Wissenschaft auszurotten“, sei sie von der falschen<br />
Vorstellung ausgegangen, dass „nur jede mögliche Hemmung der Entwicklung der deutschen<br />
Wissenschaft ihre Unschädlichkeit für den Frieden garantieren kann“. Diese Einschätzung<br />
bleibt nicht unwidersprochen (vgl. Dok. 93), ist aber als – rare – fundamentale Selbstkritik und<br />
programmatische Positionsbeschreibung äußerst aufschlussreich.<br />
Marschall Schukow hatte im Mai 1945 in Berlin erklärt: „Wir haben Berlin erstürmt, doch die<br />
Seelen der Deutschen werden wir erst erkämpfen müssen“. Die Dokumente des Bandes<br />
belegen, wie man zunächst Kontrolle über alle Gebiete des kulturellen Lebens zu erlangen<br />
suchte und später die Freundschaft zur Sowjetunion allseitig durchsetzen wollte. Mit dem<br />
Ausbruch des Kalten Krieges im Herbst 1947 wurde die Propaganda intensiviert und wurde im<br />
Sinne der von Schda<strong>no</strong>w im September 1947 ausgegebenen Zwei-Lager-<strong>The</strong>orie Abgrenzung<br />
gegenüber den ehemaligen Bündnisge<strong>no</strong>ssen betrieben: Einerseits galt es nun, die<br />
„Überlegenheit“ des sowjetischen Systems und die „Stärke des demokratischen Lagers“ zu<br />
demonstrieren, andererseits sollten „die angloamerikanischen Imperialisten mit ihrer<br />
Spaltungspolitik“ angeprangert und die „Unausweichlichkeit des Untergangs des<br />
imperialistischen Lagers“ aufgezeigt werden (Dok. 124). Für diese Zielsetzungen wurde der<br />
gesamte ideologische Apparat neu justiert und die Gesellschaft für deutsch-sowjetische<br />
Freundschaft entsprechend auf- und ausgebaut. Für die deutsche Bevölkerung, insbesondere<br />
die Intellektuellen, bedeutete dies, dass fortan bloße Loyalität nicht mehr ausreichte,<br />
sondern das aktive Bekenntnis gefordert war. Die von Schukow proklamierte Eroberung der<br />
Seelen geriet dabei allerdings aus dem Blick. Anhand der Materialien wird erkennbar, dass