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Vol. XIII (2007), no 20 - The International Newsletter of Communist ...

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<strong>The</strong> <strong>International</strong> Newletter <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> Studies Online <strong>XIII</strong> (<strong><strong>20</strong>07</strong>), <strong>no</strong> <strong>20</strong> 113<br />

unerwarteten Wahlerfolg der liberalen/konservativen politischen Akteure auf der Mikroebene<br />

des Geschehens im März 1990 in der DDR nach, beschreibt deren Ressourcen, Motive,<br />

Strategien und setzt sie zu den vergleichbaren Akteuren in Tschechien in Beziehung.<br />

Selbst diese kursorischen Inhaltsangaben lassen erkennen, daß der jeweilige<br />

Forschungsgegenstand nie beziehungslos vorgeführt wird. Die Autor/innen stellen Vergleiche<br />

zu Situationen in Polen oder Tschechien an oder verweisen auf die gleichzeitige Praxis im<br />

Westen, wenn es dient, den spezifischen Charakter ihres DDR-Gegenstandes zu verdeutlichen.<br />

Vor allem aber – und dies ist die besondere Stärke dieser Beiträge – wird kein <strong>The</strong>ma<br />

behandelt, ohne es konsequent zu historisieren: Wo kommen Begriffe und Institutionen her,<br />

die ich hier erörtere, in welcher Tradition befinden sich die Handlungen, die ich untersuche,<br />

wie sind die Personen sozialisiert und warum denken sie jetzt so und nicht anders? Kein<br />

<strong>no</strong>rmatives westdeutsches Modell lauert zwischen den Zeilen und gibt der Entwicklung eine<br />

teleologische Note. Auf selbstverständliche Weise wird so aus dem „Exoten“ DDR ein Land im<br />

industrialisierten Europa im <strong>20</strong>. Jahrhundert, das es zu erforschen gilt wie jedes andere auch:<br />

„... unaufgeregt nüchtern und distanziert“ (S.276), wie Ralph Jessen in seinem Kommentar<br />

schreibt. Das Erkenntnisobjekt „DDR“ gerät nicht zum Selbstzweck, sondern dient dem<br />

besseren Verständnis moderner Gesellschaften und ihrer Entwicklung (Kott, S.23).<br />

Dieser Stärke der französischen Arbeiten über die ostdeutsche Gesellschaft stehen einige<br />

Schwächen gegenüber. In den meisten Beiträgen spielt die Akteursebene eine zentrale Rolle.<br />

Eine bevorzugte Methode ist folgerichtig das Interview, welches einen authentischen Einblick<br />

in die Denkweise und Befindlichkeit der Klein- und Mittelunternehmer, Lehrer, Organisatoren<br />

von Festivals und Feiern, Autoren oder Verwaltungsangestellten gibt. Leider gelingt es nicht<br />

immer, deren Aussagen zu relativieren, ihnen den gebührenden Platz als beschränkte und<br />

interessengeleitete Zeugen zu zuweisen. Zu rasch wird von den Beschreibungen und<br />

Wertungen der Interviewpartner auf die Sache selbst geschlossen, obwohl nahe liegt, daß<br />

beispielsweise die Verwaltungsangestellten naturgemäß einen anderen Blick auf ihre Behörde<br />

haben müssen als die Besucher, auch und gerade in der DDR! So geraten eine Reihe von<br />

Darstellungen in die Schieflage, weil der an sich richtige Akteurs-Ansatz nur ungenügend oder<br />

gar nicht mit dem verbunden wird, was Sandrine Kott als „Analyse der Matrix der Macht“<br />

bezeichnet (S. 22).<br />

Die bevorzugte Orientierung der jungen Wissenschaftler/innen auf die Akteure ist nicht<br />

zufällig. Dies erfahren wir aus den informativen Beiträgen von Etienne François, Sandrine<br />

Kott, Jay Rowell, Béatrice von Hirschhausen und Bernard Pudal, die uns in unterschiedlicher<br />

Akzentsetzung in die aktuelle Diskussion innerhalb der französischen Sozialwissenschaften<br />

einführen. Demnach zeichnet sich die aktuelle Kommunismusforschung in Frankreich zum<br />

einen durch den schon genannten Akteursbezug aus, favorisiert die empirische Feldforschung<br />

und eine qualitative, mikroanalytische Herangehensweise. Zum anderen ist die<br />

Geschichtswissenschaft mit der Soziologie eine enge Symbiose eingegangen, die mit der<br />

„socio-histoire“ oder „socio-histoire du politique“ so etwas wie einen eigenen französischen<br />

Stil hervorbrachte. Charakteristisch für diesen seien die „konsequente Historisierung des<br />

Politischen, eine Historisierung, die weitgehend durch Instrumente und Methoden der<br />

Soziologie ausgeführt wird“ (S.28, Rowell) wie umgekehrt die „historische Herangehensweise<br />

insgesamt zu soziologisieren“ sei (S.<strong>20</strong>, Kott) Unwillkürlich vergleicht man diesen Ansatz mit<br />

dem in Deutschland so genannten „Herrschaft als soziale Praxis“, der jedoch, wie mir scheint,

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