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170_StadtBILD_September_2017

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Vorwort<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Wir sagen DANKE an alle Unterstützer und Sponsoren<br />

des Stadthallengarten Open Airs.<br />

Wir sagen DANKE an Phil Bates und Band für ein<br />

Konzert der Weltklasse. Wir sagen Danke an die<br />

Starfucker aus Berlin um Mike Kilian und natürlich<br />

JENIX aus Zittau.<br />

Wir sagen DANKE an die zahlreichen Besucher<br />

aus Berlin, Dresden, Cottbus, Meißen, Riesa, Krakau,<br />

Leipzig, Hamburg und München. Wir sagen<br />

Danke an Stadtrat Thomas Leder als Personalunion<br />

für Stadtrat, Förderverein und Stiftung der<br />

Stadthalle.<br />

Wir sagen DANKE an WalkoMedia für die gelungenen<br />

300qm Liveprojektion. Wir sagen Danke dem<br />

Restaurant Athos, Eventservice Germany, Hotel<br />

Paul Otto, Hotel Alt Görlitz und der Landskron<br />

Brauerei.<br />

Wenn auch der Wettergott am Freitag so richtig<br />

den Stadthallengarten unter Wasser setzte, tat<br />

das der hervorragenden Stimmung keinen Abbruch.<br />

Krönung des Open Airs war ohne jeden<br />

Zweifel der Auftritt von Phil Bates und Band.<br />

Wenn auch der eine oder andere Görlitzer sich<br />

etwas unwohl bei den vielen auswärtigen Gästen<br />

fand, merkte man an, dass das eine oder andere<br />

Gesicht spürbar vermißt wurde. Uns wurde von<br />

den Görlitzern gesagt, doch bitte nicht „Görlitz<br />

Rockt“ auf die Mehrwegbecher zu schreiben, sondern<br />

„Görlitz schläft“.<br />

Klingt hart, aber an dieser Stelle sollte wirklich die<br />

Frage gestellt werden: Die Sanierung der Stadthalle<br />

ist mehr als unterstützenswert, aber für wen<br />

und für was ?<br />

Bevor die Sanierung auf Hochtouren kommt, wäre<br />

es mehr als sinnvoll, über ein stimmiges Betreiberkonzept<br />

nachzudenken, denn die Stadthalle muß<br />

trotz städtischer Zuschüsse betreibbar sein, und<br />

da sind gefühlte 100 Görlitzer Besucher bei internationalen<br />

Konzerten einfach viel zu wenig. Sich<br />

dann darauf zu verlassen, dass dann Woche um<br />

Woche hunderte auswärtige Besucher erscheinen,<br />

dürfte wohl kein Argument sein. Im kommenden<br />

Jahr gibt es in jedem Fall eine Neuauflage mit hoffentlich<br />

größerer Resonanz der Einheimischen.<br />

Wir sagen DANKE an die vielen Firmen und Institutionen,<br />

die uns bei der Umsetzung eines<br />

Informationskonzeptes am maroden Stadthallengartenzaunes<br />

behilflich waren. Dieser kündet nun<br />

noch bis Anfang Oktober von der Grundsteinlegung<br />

über große Konzerte bis hin zu Aufnahmen,<br />

die uns der Förderverein Stadthalle e.V. für das<br />

Projekt zur Verfügung stellte. Die historischen Ansichten<br />

und Detailaufnahmen wurden liebevoll in<br />

einen Jugendstilrahmen passend zum Haus retuschiert.<br />

Immer wieder halten Touristen, aber auch<br />

Görlitzer an, um sich von der einstigen Schönheit<br />

der Stadthalle zu überzeugen.<br />

Ihr incaming media Team<br />

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Einleitung<br />

3


Achtung Zug!<br />

Zug!<br />

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An<br />

Modell (Maßstab 1:34) der ersten in Schlesien gebauten Lokomotive, 1860, Maschinenbauanstalt G. H. von Ruffer<br />

in Breslau, Modellbauer Johannes Fischer (Foto: SMG)<br />

<strong>2017</strong> ist für die Geschichte der Eisenbahn<br />

in Schlesien ein bedeutsames Jahr, sind<br />

doch gleich mehrere Jubiläen zu feiern:<br />

1842 fuhr die erste Eisenbahn in Schlesien<br />

von Breslau nach Ohlau, 1847 wurde<br />

Görlitz an das sich rasch entwickelnde<br />

Eisenbahnnetz zwischen Schlesien und<br />

Sachsen angeschlossen und 1917 der<br />

heutige große Bahnhof eingeweiht. Aus<br />

diesem Anlass zeigt das Schlesische Museum<br />

zu Görlitz eine Ausstellung, in der<br />

die rasche Entwicklung des Eisenbahnnetzes<br />

in Schlesien und der damit verbundene<br />

Aufschwung in Industrie und<br />

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4<br />

Sonderausstellung


dingungen entstanden. Ihre Bedeutung<br />

für die Industrie, aber auch für den Tourismus,<br />

kann am Beispiel der „Zackenbahn“<br />

von Hirschberg nach Polaun in<br />

Böhmen aufgezeigt werden.<br />

Vor allem werden in der Ausstellung das<br />

<strong>170</strong>. und 100. Jubiläum der Görlitzer<br />

Bahnhofsgebäude gewürdigt. Sie sind<br />

als Architekturmodelle und auf zahlreichen<br />

Fotos gegenwärtig. Darüber hinaus<br />

ist die nach 1847 in Görlitz wachsende<br />

und bis heute wirtschaftlich wichtige<br />

Waggonbauindustrie thematisiert. Hier<br />

wurden zahlreiche technische Innovationen<br />

entwickelt, u.a. in den 1930er<br />

Jahren der Schnelltriebwagen der „Fliegende<br />

Hamburger“. Die Ausstellung<br />

dokumentiert auch den Werdegang<br />

des Waggonbaus in Niesky, der heute<br />

europaweit eine Spitzenposition in der<br />

Güterwagenherstellung einnimmt, oder<br />

des Reichsbahn-Ausbesserungswerkes<br />

Lauban, das noch bis zum Jahr 2000 als<br />

polnisches Unternehmen fortexistierte.<br />

Während der einjährigen Laufzeit der<br />

Ausstellung wird diese durch mehrere<br />

interessante Sonderpräsentationen ere<br />

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Achtung Zug!<br />

175 Jahre Eisenbahn in Schlesien<br />

Tourismus veranschaulicht werden. Mehr<br />

als 30 Leihgeber tragen dazu bei. Die<br />

Ausstellung lebt von reichem Bildmaterial<br />

und zahlreichen Modellen historischer<br />

Lokomotiven und Waggons in den Maßstäben<br />

von H0 bis 1:10, sie präsentiert<br />

Bauteile und Gerätschaften aus dem Eisenbahnbetrieb,<br />

Uniformstücke aus verschiedenen<br />

Zeiten sowie Film- und Audiodokumente,<br />

Karten und Schriftstücke.<br />

Hauptattraktion der Ausstellung ist ein<br />

18 Meter langes Architekturmodell der<br />

Görlitzer Bahnhofsanlage im Zustand<br />

von 1917, das erstmals in voller Größe<br />

präsentiert wird.<br />

Die Schau führt den Besuchern den raschen<br />

Ausbau des Eisenbahnnetzes innerhalb<br />

Schlesiens vor Augen. Schnell<br />

war die Anbindung an Fernstreckenziele<br />

wie Berlin, Wien und Warschau hergestellt.<br />

Besonders im oberschlesischen<br />

Bergbau- und Hüttenrevier expandierte<br />

der Schienenverkehr. Wichtig waren aber<br />

auch die zahlreichen Nebenstrecken und<br />

Privatbahnen, die insbesondere im Riesengebirge<br />

und in der Grafschaft Glatz<br />

unter schwierigsten topografischen Be-<br />

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Sonderausstellung<br />

5


Achtung Zug!<br />

Zug!<br />

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An<br />

Robert Scholz (1843-1926): Görlitzer Viadukt mit Lokomotive, um 1915 (Foto: Ratsarchiv Görlitz)<br />

gänzt. Die erste beginnt am 15. Oktober<br />

<strong>2017</strong> und zeigt historische Fotografien<br />

vom Bau der Strecke Hirschberg - Löwenberg<br />

in den Jahren 1906 - 1909. Die<br />

Aufnahmen stammen aus der Sammlung<br />

des Partnermuseums in Hirschberg,<br />

des Muzeum Karkonoskie w Jeleniej<br />

Górze.<br />

Das Projekt wird durch Mittel des Europäischen<br />

Fonds für regionale Entwicklung<br />

Interreg Polen-Sachsen gefördert.<br />

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6<br />

Sonderausstellung


e<br />

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Achtung Zug!<br />

175 Jahre Eisenbahn in Schlesien<br />

Robert Scholz: Alter Görlitzer Bahnhof mit Erweiterungsbau, um 1900 (Foto: Ratsarchiv Görlitz)<br />

Im Januar 2018 folgt die Präsentation<br />

einer beeindruckenden Sammlung<br />

von Waggonschildern aus ganz Europa,<br />

die das Muzeum Regionalne w Lubaniu<br />

(Regionalmuseum Lauban) als Leihgabe<br />

zur Verfügung stellt. Im Mai 2018 soll ein<br />

Modell der Zackenbahn, das alle Bahnhöfe<br />

von Niederschreiberhau bis Polaun<br />

darstellt, mit zeitweisem Fahrbetrieb zu<br />

erleben sein.<br />

Die Ausstellung läuft vom 2. Sept.<br />

<strong>2017</strong> bis 2. Sept. 2018.<br />

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Sonderausstellung<br />

7


Achtung Zug!<br />

Zug!<br />

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An<br />

Robert Scholz: Görlitzer Bahnhof, 1928 (Foto: Ratsarchiv Görlitz)<br />

Schlesisches Museum zu Görlitz<br />

Schönhof, Brüderstraße 8, 02826 Görlitz<br />

Tel. +49 (0) 3581 87910<br />

kontakt@schlesisches-museum.de<br />

www.schlesisches-museum.de<br />

geöffnet: Dienstag-Sonntag 10-17 Uhr<br />

(Sonderöffnungszeiten an Feiertagen, während<br />

des Christkindelmarktes und im 1. Quartal)<br />

Sondereintrittspreis für Sonderausstellungen<br />

zur Eisenbahn: 4,00 € / ermäßigt 3,00 €.<br />

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8<br />

Sonderausstellung


e<br />

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Achtung Zug!<br />

175 Jahre Eisenbahn in Schlesien<br />

Modellbauer Ingo Wobst (Foto: René E. Pech)<br />

Architekturmodell der Görlitzer<br />

Bahnhofsanlage von 1917 ist erstmals<br />

vollständig in der Ausstellung<br />

des Schlesischen Museums zu<br />

sehen.<br />

Wie viele Personen braucht es, um ein<br />

18 m langes und 2,5 m breites Architekturmodell<br />

der historischen Görlitzer<br />

Bahnhofsanlage zu bauen? Einen Mann<br />

mit sehr viel Enthusiasmus und sehr viel<br />

Geduld – eine Arbeit von geschätzt über<br />

10.000 Stunden. Ingo Wobst widmet<br />

sich diesem enormen Projekt voller Liebe<br />

zum Detail seit 2003 und ist von den verkehrswissenschaftlichen<br />

Aspekten und<br />

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Sonderausstellung<br />

9


Achtung Zug!<br />

Zug!<br />

Anzeige<br />

An<br />

Modell des Görlitzer Bahnhofs, Maßstab 1:87 (Foto: SMG)<br />

ihrem historischen Kontext fasziniert.<br />

Es begann mit einem Modell des Neißeviadukts,<br />

das der Auftakt einer Serie<br />

von Bahnviadukten in Schlesien werden<br />

sollte. Bei der ersten öffentlichen Ausstellung<br />

dieses Segmentes 2007 bekam<br />

Herr Wobst nicht nur positive Rückmeldungen<br />

der Besucher, sondern auch den<br />

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10<br />

Sonderausstellung


e<br />

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Achtung Zug!<br />

175 Jahre Eisenbahn in Schlesien<br />

Gedankenanstoß, statt auf die einzelnen<br />

Viadukte sich auf das Gesamtkonzept<br />

vor seiner Haustür zu konzentrieren: der<br />

gesamten Bahnanlage von Görlitz in der<br />

Zeit um 1915 bis 1920. So erstreckt sich<br />

heute das Architekturmodell vom östlichen<br />

Ende des Neißeviadukts bis westlich<br />

vom Bahnhofsgebäude, wie es bis<br />

heute erhalten ist, vor dem Brautwiesenbogen.<br />

Ingo Wobst plant, das Projekt noch östlich<br />

bis zum heute in Zgorzelec gelegenen<br />

Bahnhof Moys (Ujazd) und westlich<br />

bis zum Rangierbahnhof in Schlauroth<br />

zu erweitern. „Schon damals war klar,<br />

dass dieses Projekt ohne Kompromisse<br />

entstehen sollte“, erzählt der Erbauer<br />

und erklärt, wie das Ensemble nicht<br />

nur maßstabsgetreu 1:87 umgesetzt<br />

wird, sondern er sich eng an originalen<br />

Bauplänen, Lageplänen, Vermessungen<br />

an der vorhandenen Substanz und historischen<br />

Fotos orientiert und Gebäude<br />

innen wie außen rekonstruiert. Selbst<br />

Beleuchtung und Bepflanzung berücksichtigt<br />

er in seiner akribischen Arbeit.<br />

Es ist sein Lebenswerk, das Herrn Wobst<br />

noch viele Jahre begleiten wird und das<br />

er bisher weitestgehend alleine, auch finanziell,<br />

gestemmt hat.<br />

In Anerkennung der Leistungen vergangener<br />

Generationen wünscht er sich<br />

dieses Architekturmodell in Zukunft der<br />

Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sowohl<br />

als erlebbares Stück Vergangenheit<br />

in Klein als auch als verkehrstechnisches<br />

Anschauungsstück. Bevor es jedoch<br />

möglichst bald an einen neuen Standort<br />

zieht, wird das Architekturmodell für ein<br />

Jahr in der Sonderausstellung „Achtung<br />

Zug! 175 Jahre Eisenbahn in Schlesien“<br />

im Schlesischen Museum zu Görlitz<br />

Station machen. Als Herzstück der Ausstellung<br />

vermag es Bewunderung über<br />

die Fülle von Details in einem so großen<br />

Modell hervorzurufen und zugleich auch<br />

Interesse für die großflächige, historisch<br />

bedeutende Verkehrsarchitektur in einem<br />

so kleinen Maßstab zu wecken.<br />

Michalina Cieslicki<br />

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Sonderausstellung<br />

11


Görlitzer<br />

Ferdinand Wilhelm<br />

Bildungswesen<br />

Kaumann (1798 - 1868) –<br />

(Fortsetzung)<br />

Es ehrt Kaumann, daß er sich nachdrücklich<br />

auch für die Mädchenbildung<br />

in einer städtischen Mädchen-Bürgerschule<br />

einsetzte. In seinem Lehrplan für<br />

diese Schule hob er hervor, daß „dem<br />

weiblichen Geschlechte dieselben Ansprüche<br />

auf Aufklärung, Bildung und<br />

Verschönerung des Geistes und Herzens<br />

eingeräumt“ werden sollte, denn<br />

„je sorgfältiger sie selbst erzogen sind,<br />

desto zweckmäßiger werden sie andre<br />

erziehen“. Er meinte zwar: „Das weibliche<br />

Geschlecht soll nicht die Beschäftigungen<br />

des männlichen auf dem öffentlichen<br />

Schauplatze des Lebens teilen,<br />

… es soll nicht für die weite Welt, sondern<br />

für das enge Haus erzogen werden“.<br />

Dennoch verlangte Kaumann für<br />

die Mädchenbildung ein hohes geistiges<br />

Niveau mit „Bestimmtheit, Genauigkeit,<br />

Sicherheit und Ordnung“. „Die sinnliche<br />

Genußsucht wird in der Regel nur dann<br />

vorherrschen, wenn der Geist keine edleren<br />

Genüsse kennt.“Auch mit diesen<br />

Ansprüchen war er auf der Höhe der<br />

Zeit, und die Mädchen-Bürgerschule<br />

setzte Maßstäbe.<br />

Beim Lesen dieser Grundsatzschriften<br />

empfindet man es als wohltuend, daß<br />

keine vordergründige Parteipolitik den<br />

Blick trübt und den Ton verhärtet. Dabei<br />

sind Kaumanns Gedankengänge durchaus<br />

parteilich. Er ergreift Partei für das<br />

fortschreitende Leben in Politik, Wirtschaft<br />

und Kultur und für eine Schule,<br />

die diesem Leben dient. Damit ergreift<br />

er Partei für die junge Generation, die er<br />

bestmöglich auf die Anforderungen des<br />

Lebens vorbereiten möchte. Sein Ziel ist<br />

der sittlich gefestigte, gebildete, frei und<br />

selbstständig entscheidende Staatsbürger,<br />

der in Familie, Beruf und Gemeinwesen<br />

dem Gemeinwohl dient. Diesen<br />

Staatsbürger stellt sich Kaumann nicht<br />

als abstrakten Idealtypen vor, sondern<br />

sehr diesseitig mit den Chancen und<br />

Zwängen um 1850. Welchen Segen bedeutete<br />

es für die Stadt, daß hier jahrzehntelang<br />

in diesem Sinne Schulpolitik<br />

gemacht wurde! Der Umgang mit den<br />

Schulfragen vollzog sich sachlich, phrasenlos<br />

und praxisbezogen, jedoch nicht<br />

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12<br />

Geschichte


und das Görlitzer Bildungswesen im 19. Jhd.<br />

Görlitzer Mädchenbürgerschule 1838<br />

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Geschichte<br />

13


Görlitzer<br />

Ferdinand Wilhelm<br />

Bildungswesen<br />

Kaumann (1798 - 1868) –<br />

ohne Leidenschaft und nicht ohne finanzielle<br />

Großzügigkeit. Was man an Ideen,<br />

Arbeit und Geld einbrachte, sollte sich ja<br />

erst in der Zukunft auszahlen.<br />

Kaumann und die Görlitzer Lehrer seiner<br />

Generation legten ein solides Fundament<br />

für das örtliche Bildungswesen.<br />

Zwischen 1860 und 1914 entstand eine<br />

Reihe weiterer Schulen mit modernem<br />

architektonischem Zuschnitt und angemessener<br />

Ausstattung, so die Volksschulen<br />

Schulstraße (1869), Jahnstraße<br />

(1871), Cottbuser Straße (1894),<br />

Reichenberger Straße (1887), Melanchthonstraße<br />

(1903) und Fischmarkt<br />

(1897), die Mittelschulen Annengassen<br />

(1901) und Elisabethstraße (1875), die<br />

höheren Schulen Wilhelmsplatz (1873<br />

als Gewerbeschule, 1882 Höhere Mädchenschule),<br />

Lessingstraße und Seydewitzstraße<br />

(1913) und schließlich die<br />

Baugewerkschule und die Maschinenbauschule<br />

am Friedrichsplatz (1898).<br />

Wenn sich Görlitz spätestens um die<br />

Jahrhundertwende zum politischen,<br />

wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum<br />

der preußischen Oberlausitz mit einer<br />

bedeutenden Ausstrahlung entwickelt<br />

hatte, dann nur mit den Menschen, die<br />

ihre Grundkenntnisse, Wertvorstellungen<br />

und Charaktereigenschaften an den<br />

Görlitzer Schulen erworben hatten. Ob<br />

als Unternehmer oder Handwerker, als<br />

Arbeiter oder Kaufmann, als Eisenbahner<br />

oder Beamter, als Künstler oder Offizier,<br />

als Bauleute oder Lehrer – in ihrer<br />

Gesamtheit und Vielfalt gestalten sie das<br />

Leben in der verjüngten Stadt. Was wären<br />

die Großbetriebe mit ihrem Export,<br />

was wären die „Schlesischen Musikfeste,<br />

die Parkanlagen und Sportplätze, die<br />

Theater und Bibliotheken gewesen ohne<br />

die Görlitzer, deren Kenntnisse, Lebensansprüche<br />

und Überzeugungen nach<br />

den Ideen von Demiani und Kaumann<br />

geformt worden waren?<br />

Leider ist auch aus dem Familienleben<br />

Kaumanns wenig bekannt. Er heiratete<br />

seine Jugendliebe, Ottilie von Polenz,<br />

Tochter des Landesältesten von Polenz<br />

auf und zu Altwasser in der Niederlausitz.<br />

Das Ehepaar Kaumann hatte sieben<br />

Kinder, von denen zwei jung starben.<br />

Seine älteste Tochter führte ihm in Al-<br />

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14<br />

Geschichte


und das Görlitzer Bildungswesen im 19. Jhd.<br />

Kaumann um 1855<br />

ter den Haushalt. Sein Sohn Alexander<br />

war städtischer Baurat in Thorn und<br />

Breslau, sein Sohn Julius Baumeister in<br />

Moskau. Die Tochter Thekla heiratete einen<br />

Eisenbahn-Baumeister in Hamburg,<br />

die Tochter Marie einen Kreisgerichtsrat<br />

in Bunzlau. Kaumann hatte neun Enkel.<br />

Es spricht für sich, daß ein beruflich<br />

so beanspruchter Mann die Freuden<br />

und Pflichten des Familienvaters nicht<br />

scheute, weil ihm aus der Geborgenheit<br />

der Familie neue Kraft zuwuchs.<br />

Über die Abiturienten-Entlassungsfeier<br />

der Realschule 1859 lesen wir im Jahresbericht:<br />

„In der Abschiedsstunde bewies<br />

der Direktor (also Kaumann) den Scheidenden,<br />

daß gewissenhafte Tätigkeit<br />

der Schlußstein aller unsrer Glückseeligkeit<br />

sei, ja, daß es kein größeres Unglück<br />

für den Menschen gebe als – nicht<br />

arbeiten zu können und nicht arbeiten<br />

zu dürfen, und legte ihnen ans Herz,<br />

den Ausspruch des größten Fürsten des<br />

18. Jahrhunderts, den Ausspruch unsers<br />

Friedrich, daß ich lebe, ist nicht notwendig,<br />

wohl aber, daß ich tätig bin, zu ihrem<br />

Lebenswort zu machen.“<br />

Dr. Ernst Kretzschmar<br />

Aus:<br />

Görlitzer Magazin,<br />

14. Jahrgang, 1996,<br />

(gekürzt)<br />

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Geschichte<br />

15


„3-<br />

Fischmarktstraße<br />

Eichen“<br />

Nr. 5 „3 Eichen“ in Görlitz –<br />

Bei aufwändigen Restaurierungsarbeiten<br />

des Eckgrundstückes Fischmarktstr. 5/<br />

Ecke Klosterplatz im Jahre 2016/<strong>2017</strong><br />

stieß man im Rahmen der Entkernung im<br />

Untergeschoß auf gemauerte „verließähnliche“<br />

Räume, versehen mit schweren<br />

massiven Eisentüren. Die gemessene<br />

Bodenfläche betrug 6,20 m 2 , bei einer<br />

Höhe von 3,00 m gerade mal Platz bietend<br />

für 1 Person. Reste einer vergitterten<br />

Fensterluke ließen nur wenig Licht in<br />

den Raum. An der Gewölbedecke fiel ein<br />

an zentraler Stelle fest verankerter Eisenring<br />

ins Auge. Was bisher nur ein vager<br />

Verdacht war, wurde nunmehr Gewissheit.<br />

Es dürfte sich hierbei tatsächlich um<br />

die Reste eines mittelalterlichen Gefängnistraktes<br />

handeln. Vermutet wurde seit<br />

langem, dass sich unmittelbar hinter den<br />

Häusern Fischmarkt 10-14 direkt mit der<br />

alten Stadtmauer verbunden ein Gefängnis,<br />

damals „Büttelei“ oder „Stockhaus“<br />

genannt, befand. Zweifellos ist man auf<br />

die gut erhaltenen Reste des ältesten<br />

Gefängnisses der Stadt, um 1589 erbaut,<br />

gestoßen.<br />

Die enge Verbindung des alten Gefäng-<br />

Kerkerzelle mit Eisenring an der Decke<br />

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16<br />

Geschichte


„3-<br />

einst ältestes<br />

Eichen“<br />

Gefängnis der Stadt<br />

Fischmarktstraße 5 “Brauhaus 3 Eichen”<br />

nistraktes zur mittelalterlichen Stadtmauer,<br />

dem ehemaligen Verteidigungsring<br />

der Stadt, lässt sich an Hand überlieferter<br />

Stadtpläne noch zweifelsfrei nachvollziehen.<br />

lm Jahre 1525 zerstörte ein Großbrand<br />

circa 180 Häuser bis in die Brüderstraße<br />

hinein.<br />

Auf den Grundmauern des alten Hauses<br />

„in civitate“ (innerhalb der Stadtmauer<br />

gelegen) erfolgten 1589 Um- und Ausbauten.<br />

Nach Übernahme der Stadt als<br />

Eigentümer im Jahre 1822 wurden darin<br />

die Amtsräume des „Königlich Preußischen<br />

lnquisitorates“ eingerichtet. Vorübergehend<br />

sollen sich darin auch die<br />

Wohnräume des Scharfrichters befunden<br />

haben. Die Henkertätigkeit entsprach<br />

mitunter einem öffentlichen Spektakel,<br />

einem Volksfest gleich. Als Strafen und<br />

Strafmaß wurde im Mittelalter unterschieden<br />

in: Ehrenstrafen (öffentliche<br />

Demütigungen wie Pranger, Schandkorb,<br />

Schandmal, Halsgeige, Lästerstein, Eselsritt),<br />

Freiheitsstrafen 16. Jahrhundert<br />

(Verbannung, Exil, Kloster), Geldstrafen<br />

(Genugtuung für Geschädigten bei klei-<br />

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Geschichte<br />

17


„3-<br />

Fischmarktstraße<br />

Eichen“<br />

Nr. 5 „3 Eichen“ in Görlitz –<br />

nen Diebstählen z. B. von Brennholz, unbefugtem<br />

Weiden), Todesstrafen (Mord,<br />

Raub, Brandstiftung, Vergewaltigung u.a.<br />

Kapitalverbrechen wie Vergiftung, Ketzerei,<br />

Zauberei), Verstümmelungsstrafen<br />

(Abhauen der Hand, Abschneiden der<br />

Füße, Nase, Ohren, Zunge, Brandmarken,<br />

Rädern). Der Henker betätigte sich<br />

mitunter in Personalunion als Bader, Chirurgicus,<br />

Schlachter und Veterinär. Der<br />

Scharfrichter war zudem eine angesehene<br />

Person, meist wurde untereinander<br />

geheiratet, wodurch ausgesprochene<br />

Familien-Dynastien entstanden. Namen<br />

wie Lorenz oder Straßburger stehen in<br />

Görlitz dafür. Der Ort für die Urteilsverkündigung<br />

war das Rathaus, wobei Görlitz<br />

als eine Stadt galt, wo sehr hart gerichtet<br />

worden sei.<br />

Unsägliches Leid brachte der sogenannte<br />

„Hexenhammer“ (Maleus maleficarum)<br />

des Dominikaners Jakob Sprenger, der<br />

von Papst Inozens VIII. im Jahre 1487 als<br />

Generalinquisitor gegen Ketzer, Zauberer<br />

und Frauen, die dem Teufel Buhlschaft<br />

anbieten, ernannt wurde, mit sich.<br />

Unsägliche Folterungen, Hexenprozesse<br />

“Malefiz-Person”, angekettet<br />

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18<br />

Geschichte


„3-<br />

einst ältestes<br />

Eichen“<br />

Gefängnis der Stadt<br />

und Hinrichtungen von Frauen fanden<br />

statt, die anfällig für Versuchungen des<br />

Teufels gewesen sein sollten. Augenscheinlich<br />

war auch die wirtschaftliche<br />

Seite des Prozesses, da das gesamte<br />

Vermögen der Verbrannten an die lnquisitoren<br />

fiel, die auf diese Weise sehr reich<br />

geworden sind. Ebenso wurden auch<br />

sämtliche Kosten für den Prozess, Holz<br />

des Scheiterhaufens und anschließenden<br />

Schmaus in Rechnung gestellt, was etwa<br />

eine Summe von 420 Gulden, dem Wert<br />

eines Bauernhauses entsprechend, ausmachte.<br />

Erst im Jahre 1755 wurde in Deutschland<br />

die letzte „Hexe“ hingerichtet. In Görlitz<br />

sollen 30 Hexenprozesse stattgefunden<br />

haben, in deren Ergebnis 8 Todesurteile<br />

gefällt, jedoch nicht vollzogen wurden,<br />

da es sich um Betrügerinnen gehandelt<br />

haben sollte.<br />

Um 1400 fanden klassische Zauberer-<br />

Prozesse grundsätzlich als Strafverfahren<br />

statt. Im Jahre 1490 stand Niklas Weller<br />

vor dem Görlitzer Stadtgericht unter<br />

Anklage wegen strafbarer Zauberei, in<br />

dessen Ergebnis als Strafe die „Acht“ verhängt<br />

und sämtliche Güter einbezogen<br />

wurden, obwohl zunächst das Todesurteil<br />

gefällt war.<br />

Mit dem Vogtshof, ehemals „Foteshof“ genannt,<br />

besaß die Stadt eine Schutzburg.<br />

Nach Umbauten in den Jahren 1826-<br />

1830 waren darin die Garnisons-Kaserne<br />

und Strafanstalt bzw. das „Zuchthaus“<br />

untergebracht. Nach unterschiedlicher<br />

Nutzung folgte ab 1975 die<br />

Belegung als Studentenwohnheim der<br />

lngenieurschule Görlitz, Peterstraße 6-7.<br />

Noch viele Jahre danach waren Nummern<br />

über den kleinen Fensteröffnungen<br />

sichtbar und wiesen auf die ehemalige<br />

Nutzung hin. Wer kann schon heute von<br />

sich behaupten, einen großen Teil seiner<br />

Studentenzeit in einem Zuchthaus verbracht<br />

zu haben?<br />

Davon, dass mit der Erweiterung des<br />

Rathauses im „Neuen Rathaus“ zwischen<br />

Jüdenstraße und Helle Gasse im Jahre<br />

1895 auch Gefängnisräume untergebracht<br />

waren, zeugen noch heute mit<br />

dicken Eisenstäben vergitterte Fenster.<br />

Neben der Funktion als Hauptwache der<br />

Garnison diente der Kaisertrutz ab 1850<br />

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Geschichte<br />

19


„3-<br />

Fischmarktstraße<br />

Eichen“<br />

Nr. 5 „3 Eichen“ in Görlitz –<br />

Hinrichtung um 1240<br />

sowohl als Wachlokal als auch Militärgefängnis<br />

mit entsprechenden Arrest-<br />

Zellen. Nachdem der Rat der Stadt als<br />

Eigentümer das Gebäude Fischschmarkt<br />

14 erworben hatte, erfolgte ein Tausch<br />

gegen 2,5 Morgen Land am Postplatz.<br />

lm Zeitraum von 1863-1865 ging in Verbindung<br />

mit der Aufstockung der dort<br />

befindlichen, „Schirrmeisterei“ der Bau<br />

eines Zellentraktes einher. lm Jahre 1909<br />

fand die Einweihung des benachbarten<br />

neuerrichteten Landgerichtes statt. Wäh-<br />

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20<br />

Geschichte


„3-<br />

einst ältestes<br />

Eichen“<br />

Gefängnis der Stadt<br />

Hexenverhör unter Folter<br />

rend der DDR-Zeit diente die Haftanstalt<br />

am Postplatz vorwiegend als Vollzugseinrichtung<br />

für Frauen und Untersuchungsgefangene.<br />

Der Umstand, dass sich das<br />

Görlitzer Gefängnis ausgerechnet am<br />

damaligen „Platz der Befreiung“ befand,<br />

regte nicht nur so manchen Görlitzer zum<br />

Schmunzeln an, war vielleicht eher dem<br />

Zufall geschuldet.<br />

Derzeit befinden sich in der Justitzvollzugsanstalt<br />

Görlitz männliche Gefangene<br />

im Vollzug bis zu 2 Jahren in Untersu-<br />

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Geschichte<br />

21


„3-<br />

Fischmarktstraße<br />

Eichen“<br />

Nr. 5 „3 Eichen“ in Görlitz –<br />

Blick auf den Gefängsnistrakt Postplatz<br />

JVA Görlitz<br />

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22<br />

Geschichte


„3-<br />

einst ältestes<br />

Eichen“<br />

Gefängnis der Stadt<br />

chungshaft sowie mit einer Ersatzfreiheitsstrafe.<br />

Gegernwärtig soll es sich um<br />

Gefangene aus 20 verschiedenen Nationen,<br />

4 Kontinenten handeln, was mit<br />

hohen Anforderungen an das Wach- und<br />

Betreuungspersonal verbunden ist. Die<br />

Unterbringung in den entsprechenden<br />

Verwahrräumen („Zellen“) könnte durchaus<br />

dem Vergleich mit Zimmern einer<br />

einfachen Jugendherberge Stand halten.<br />

Sogar behindertengerechte Hafträume<br />

können bereitgestellt werden.<br />

Wo sich pünktlich zu Ostern <strong>2017</strong> für die<br />

ersten Besucher der Stadt im Gästehaus<br />

die Türen von 6 Ferienwohnungen öffneten,<br />

schlossen sich einst im Mittelalter<br />

die Tore hinter manchem Schwerenöter<br />

für lange Zeit. Mit der Vorstellung, im ältesten<br />

Görlitzer Gefängnis künftig auch<br />

die Rolle eines Gefängnisdirektors zu<br />

übernehmen, in den ehemaligen Zellen,<br />

allerdings mit gehobenem Standard, inklusive<br />

Häftlingskleidung, Blechnapf, gar<br />

Fesselspiele anzubieten, kann sich der<br />

Betreiber jedoch derzeit ganz und gar<br />

nicht vertraut machen.<br />

Dr. Bernhard Wolf “Brauhaus 3 Eichen”, Fischmarktstr. 5<br />

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Geschichte<br />

23


Stadthalle Görlitz<br />

Görlitz<br />

Kein Thema der letzten Jahrzehnte spaltet<br />

die Görlitzer so, wie die Sanierung<br />

der Stadthalle. Für die einen ein Millionengrab,<br />

für die anderen unverzichtbar<br />

in der Kulturstadt Görlitz. Leider wurden<br />

in den zurückliegenden Jahren so viele<br />

Chancen verschenkt, Konzepte ignoriert<br />

und Investoren abgeschreckt. Nun ist es<br />

müßig, darüber zu diskutieren, ob das<br />

Betreiberkonzept der Hannover Leasing<br />

aufgegangen wäre oder nicht, ob sich der<br />

geplante Brückenpark als umsetzbar erweisen<br />

konnte, wenn Görlitz Kulturhauptstadt<br />

2010 gewesen wäre.<br />

Die einfachen Fakten sprechen eine klare<br />

Sprache, die aber häufig, wenn es um<br />

die Sanierung der Stadthalle geht, unter<br />

den Tisch gekehrt werden. Seit der<br />

Schließung der Halle 2004 hat sich die<br />

Musikszene komplett gewandelt. Ging<br />

es vor 13 Jahren noch um CD-Verkäufe,<br />

spielen diese heute nur noch eine untergeordnete<br />

Rolle. Die Künstler finanzieren<br />

sich heute hauptsächlich über Konzerte<br />

und Gagen, die damals undenkbar gewesen<br />

wären. Und das Haus hat inzwischen<br />

auch auf Grund des Fehlens einer großen<br />

Veranstaltungsstätte zahlreiche Konkurrenz<br />

bekommen. Zum Einen wurde die<br />

Landskron Kulturbrauerei aufwändig als<br />

Ort für Konzerte auf- und ausgebaut.<br />

Zum anderen entstand mit der Landesgartenschau<br />

in Löbau der Messepark und<br />

in Zgorzelec die Mehrzweckhalle, die aber<br />

hauptsächlich für Sportveranstaltungen<br />

genutzt wird. Die Kulturbrauerei spricht<br />

dabei die jüngere Zielgruppe an und würde<br />

sich grundsätzlich mit der Stadthalle<br />

nicht ins Gehege kommen, beide könnten<br />

durchaus voneinander bei der richtigen<br />

Abstimmung profitieren. Der Messepark<br />

in Löbau findet sein Publikum hauptsächlich<br />

aus der sehr vorteilhaften Lage zwischen<br />

Görlitz, Bautzen und dem Oberland<br />

und bedient ein Publikum von jung bis<br />

alt. Die Abifeiern und einstigen Bälle der<br />

Tanzschulen haben in den vergangenen<br />

Jahren auch neue Orte gefunden. Also<br />

hier erneut die Frage, die Stadthalle für<br />

Wen und Was?<br />

Hier sollte man aber beim Bau der Stadthalle<br />

anfangen, die einst für die Schlesischen<br />

Musikfestspiele erbaut worden ist<br />

und durch eine groß angelegte Samm-<br />

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24<br />

Geschichte


Vision<br />

Zukunftsvision<br />

lung unter den Görlitzer Bürgern, Spendern<br />

und Kulturmäzenen überhaupt möglich<br />

geworden war. Sie galt als eine der<br />

größten Veranstaltungshallen neben der<br />

Jahrhunderthalle in Breslau und hatte einen<br />

wunderschönen Garten. Aber Zeiten<br />

ändern sich, und ein Biergarten in dieser<br />

einstigen Dimension wäre für Görlitz nicht<br />

nur vorstellbar, sondern schlicht weg bei<br />

den heutigen Gegebenheiten utopisch.<br />

Der Ansatz von uns, den Stadthallengarten<br />

als Open-Air-Stätte aus seinem Dornrösschenschlaf<br />

zu wecken, hatte zur Folge,<br />

dass das Sommertheater eine neue<br />

Spielstätte erfuhr, die trefflich passt. Aber<br />

wie soll es mit der Halle an sich weitergehen?<br />

Hierzu habe ich mir lange Gedanken gemacht<br />

und bin zu einer Lösung gekommen,<br />

die zwar vielen der Liebhaber der<br />

Stadthalle auf den ersten Blick so gar<br />

nicht zusagen dürfte, aber es gibt ja immer<br />

noch den „Zweiten“.<br />

Ich würde wie beim Landratsamt die<br />

Frontfassade und die Rückfassade zum<br />

Garten stehen lassen und den Mittelteil<br />

abreißen.<br />

Hier wird ein moderner Neubau errichtet,<br />

unter dem eine Tiefgarage für ausreichend<br />

Fahrzeuge genügend Platz findet.<br />

Ich habe den Görlitzer Künstler Andreas<br />

Neumann-Nochten hierzu bereits vor<br />

Jahresfrist gebeten, erste kleinere Skizzen<br />

zu machen, die Sie auf der nächsten<br />

Seite finden. Meine Überlegung geht zur<br />

Errichtung eines „Aquariums“, das es bis<br />

Berlin, bis Breslau und bis Prag nicht gibt.<br />

Eine interessante Lösung für ein modernes<br />

Kongress- und Veranstaltungszentrum<br />

findet sich in Atlanta im Bundesstaat<br />

Georgia in den USA. Hier wurden mit<br />

innovativer Technik versenkbare Bühnen<br />

integriert und mit einem Bestuhlungskonzept<br />

kombiniert, welches das Haus<br />

innerhalb von 20-30 Minuten vom Aquarium<br />

in ein Kongress-Center oder in einen<br />

Konzertraum verwandeln läßt. Mal<br />

ehrlich, welche Tagungsstätte hat schon<br />

ein Aquarium zu bieten und auch welcher<br />

Konzertsaal? Die Betreibervorteile lägen<br />

auf der Hand, täglich wäre das Aquarium<br />

von 10-18 Uhr ein wahrer Tourismusmagnet<br />

für viele deutsche, polnische und<br />

tschechische Familien.<br />

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Geschichte<br />

25


Vision<br />

Zukunftsvision<br />

Görlitz würde neben dem Reiz der wunderschönen<br />

Altstadt endlich einen weiteren<br />

touristischen Leuchtturm erhalten,<br />

der über die Landesgrenzen hinaus<br />

strahlen würde und auch internationale<br />

Besucher in die Neißestadt locken würde.<br />

Ab 20 Uhr könnten Konzerte, Bälle,<br />

Kongresse, aber auch Varieté und Dinnershows<br />

stattfinden. Die Auslastung des<br />

Hauses wäre nicht nur gegeben, sondern<br />

es könnte auch auf die städtische Unterstützung<br />

nahezu verzichtet werden. Ein<br />

weiterer positiver Effekt wäre die Nähe zu<br />

den Forschern des Senkenberg-Museums<br />

und natürlich zum schönsten Tierpark<br />

Deutschlands.<br />

Die Auslastung der Hotels und der Gastronomie<br />

würde weiter steigen, da sich<br />

die Mehrtagestouristen für einen weiteren<br />

Tag in Görlitz entscheiden würden.<br />

Dresden hat seine Frauenkirche und Görlitz<br />

sein Aquarium, wie in Wien oder in<br />

Barcelona.<br />

Im Garten der Stadthalle könnte ein kleines<br />

modernes Wasserpumpkraftwerk<br />

entstehen, das die Versorgung mit ausreichend<br />

Energie für die Halle und eventuell<br />

auch für das angrenzende Parkhotel<br />

liefern würde. Hier wäre auch eine offene<br />

Saunalandschaft im Bereich der Finnhüten<br />

zum Hotel, idyllisch an der Neiße gelegen,<br />

denkbar.<br />

Natürlich würde aber auch die Orgel ihren<br />

Ort im neuen Aquarium finden und beim<br />

Bau auf die Resonanz geachtet werden.<br />

Durch den Neubau könnten all die gewaltigen<br />

Sicherheitsauflagen, die bei der<br />

Sanierung anfallen, von vornherein umgesetzt<br />

werden, an die vor 100 Jahren<br />

niemand im Traum gedacht hätte. Aber<br />

auch zu dieser Zeit gab es Visionäre und<br />

warum soll eine Teilfinanzierung durch<br />

die Görlitzer Bürgerschaft nicht genauso<br />

möglich sein wie vor hundert Jahren,<br />

z. B. in Form einer Volksaktie, die den Aktionären<br />

nicht nur eine Dividende bietet,<br />

sondern auch andere Vergünstigungen?<br />

Dies ist wie gesagt nur eine Vision, die<br />

aber zum Nachdenken anregen soll.<br />

Ich bin gespannt auf das Feedback und<br />

würde Sie bitten, mir Ihre Ansichten zu<br />

diesem Thema an andreas@incaming.de<br />

zu senden.<br />

Ihr Andreas Ch. de Morales Roque<br />

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Geschichte<br />

27


Görlitzer<br />

Geschichten vom Görlitzer Stadtverkehr –<br />

Voranstellen möchte ich diesem Beitrag<br />

eine traurige Meldung. Zwei der in<br />

meiner Recherchetätigkeit wichtigsten<br />

Zeitzeugen und Wegbereiter sind in den<br />

letzten Wochen und Monaten aus unserer<br />

Mitte herausgerissen worden. Bereits<br />

am 05.04. <strong>2017</strong> verstarb wenige<br />

Wochen nach Vollendung seines 85. Lebensjahres<br />

Herr Hans- Edmund Hähnel,<br />

und am 09.08.<strong>2017</strong> ist auch Herr Karlheinz<br />

Lorenz mit 78 Jahren verstorben.<br />

Beide haben mich in jungen Jahren mit<br />

unzähligen Tipps und Hinweisen sowie<br />

102 ex.34 (1969)<br />

Mit diesem Beitrag möchte ich den Blick<br />

auf eine Fahrzeuggruppe richten, die<br />

meist im Schatten des Betriebsalltages<br />

der Görlitzer Straßenbahn weitgehend<br />

unbemerkt von der Öffentlichkeit oft<br />

viele Jahre treu sich ihr Gnadenbrot<br />

verdienten - die Dienstfahrzeuge.<br />

101 ex.34 (1974)<br />

einer schier endlosen Fülle von Details<br />

maßgebend auf den Weg gebracht, den<br />

ich heute seit bereits vielen Jahren beschreite.<br />

Unvergessen sind hier insbesondere<br />

die nicht selten nächtelangen<br />

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28<br />

Geschichte


Görlitzer<br />

Farbbilderbogen von<br />

Stadtverkehr<br />

den WUMAG-Arbeitwagen<br />

Kräften treu bleiben und denke, dass<br />

auch der vorliegende Bilderbogen beiden<br />

Spaß gemacht hätte.<br />

101 ex.34 (1976)<br />

Gespräche und Diskussionen zu vielen<br />

Alltagsthemen im Verandazimmer des<br />

Luisenstiftes, welche ich seinerzeit mit<br />

Herrn Lorenz führen durfte. Bis heute<br />

möchte ich sie nicht missen. Herr Hähnel<br />

ist einer der letzten Görlitzer, der<br />

den Betriebsalltag unserer Straßenbahn<br />

noch zurück bis in die späten dreissiger<br />

Jahre bewußt erlebt hat und uns glücklicherweise<br />

dieses Wissen mit auf den<br />

Weg gegeben hat. Die Szene in Görlitz<br />

hat damit nun für mich einen wichtigen<br />

Teil ihrer Seele verloren. In beider Sinn<br />

versuche ich ihr auch weiterhin nach<br />

Um durchgängig Farbbilder zeigen zu<br />

können, habe ich mich auf die WUMAG-<br />

Dienstfahrzeuge konzentriert. Da ich<br />

möglichst viele Bilder zeigen möchte,<br />

soll der Text diesmal recht kurz bleiben.<br />

Wie man sieht, waren beileibe nicht<br />

alle Dienstfahrzeuge in Görlitz grün.<br />

Zwischen 1967 und 1988 dienten insgesamt<br />

sieben WUMAG – Wagen innerbetrieblichen<br />

Zwecken, sechs von ihnen<br />

auch mit entsprechendem Gesamtumbau<br />

und Außenanstrich. Als Zug- und<br />

Transportfahrzeuge sah man Nr. 101<br />

ex.34 (1967-76), Nr. 102 ex.33 (1968-<br />

75) und Nr. 102 ex.30 (1975-78), als<br />

Werkstattwagen mit Spezialgerät und<br />

Hubmast Nr. 103 ex.29 (1968-1981),<br />

als Schleif- und Spülwagen Nr. 104<br />

ex.37 (1973-1988). Diese fünf Wagen<br />

waren ursprünglich in einem Grünton<br />

lackiert mit rot- weißen Warnbaken<br />

links und rechts an den Außenseiten<br />

der Frontschürzen. Im Winterdienst<br />

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Geschichte<br />

29


Görlitzer<br />

Geschichten vom Görlitzer Stadtverkehr<br />

Oldtimer Nr. 24. Mit dem Schleif- und<br />

Spülwagen Nr. 104 ist 1988 der letzte<br />

WUMAG-Wagen aus dem regulären<br />

Dienst in Görlitz ausgeschieden. Erhalten<br />

geblieben ist bis heute in betriebsfähigem<br />

Zustand der TW.23 von 1928,<br />

während alle Arbeitsfahrzeuge außer<br />

der Nr.105 verschrottet worden sind.<br />

105 ex.24 (1978)<br />

verwendete man 1968-69 TW.38 ohne<br />

Umbau als Schneepflug mit dem Räumgerät<br />

des Vorgängers. Erst 1977 war<br />

ein orangefarbener Salztriebwagen aus<br />

dem TW.24 entstanden (Nr. 105), der<br />

1979 das Laufgestell des verschrotteten<br />

TW.35 erhalten hat und bis 1983<br />

verwendet worden ist (zuletzt nur noch<br />

gezogen). Nach Filmeinsätzen waren<br />

1981 die Atw.104 und 105 umlackiert<br />

worden, der Atw.104 nach einem weiteren<br />

Filmeinsatz 1985 ein weiteres Mal.<br />

Salzwagen 105 ist nach Cottbus abgegeben<br />

worden und fährt dort heute als<br />

104 im letzten Zustand (1985)<br />

Andreas Riedel, Wiesbaden<br />

(wird fortgesetzt)<br />

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30<br />

Impressum:<br />

Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />

incaming media GmbH<br />

Geschäftsführer:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />

02826 Görlitz<br />

Ruf: (03581) 87 87 87<br />

Fax: (03581) 40 13 41<br />

info@stadtbild-verlag.de<br />

www.stadtbild-verlag.de<br />

Geschäftszeiten:<br />

Mo. - Fr. von 9.00 bis 17.00 Uhr<br />

Druck:<br />

Graphische Werkstätten Zittau GmbH<br />

Verantw. Redakteur:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

(Mitglied im Deutschen<br />

Fachjournalistenverband)<br />

Redaktion:<br />

Dr. Ernst Kretzschmar,<br />

Dipl.-Ing. Eberhard Oertel,<br />

Bertram Oertel<br />

Kathrin Drochmann<br />

Anzeigen verantw.:<br />

Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />

Mobil: 0174 - 31 93 525<br />

Teile der Auflage werden auch kostenlos<br />

verteilt, um eine größere Verbreitungsdichte<br />

zu gewährleisten. Für eingesandte<br />

Texte & Fotos übernimmt der Herausgeber<br />

keine Haftung. Artikel, die namentlich<br />

gekennzeichnet sind, spiegeln nicht die<br />

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und redaktionelle Texte können<br />

nur nach schriftlicher Genehmigung des<br />

Herausgebers verwendet werden<br />

Anzeigenschluss für die Oktober-Ausgabe:<br />

15. <strong>September</strong> <strong>2017</strong><br />

Redaktionsschluss: 20. <strong>September</strong> <strong>2017</strong><br />

Wir arbeiten mit<br />

Stadtwerke Görlitz AG<br />

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