Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 984 — der schlanken Gestalt eine geraume Zeit nachzusehen, ehe er Herta’s Zimmer betrat. »Hast Du die Wache?« redete Aurel den Jüngling scharf an, denn der Kapitän liebte es mit seinem Pfleglinge im Commandoton zu sprechen, sobald er ihm zu ungelegener Zeit in den Weg trat. »Nein Kapitän,« versetzte Gilbert, indem er sogleich kerzengrade stehen blieb. »Weßhalb störst Du dann meine gnädige Tante?« »Weil ich Sie hier zu finden hoffte.« »Warst Du auf meinem Arbeitszimmer?« »Ja, Kapitän.« »Was giebt es?« »Ich suchte einen Narren.« »Junge!« »Verzeihen Sie, Kapitän! Ich habe mich etwas unklar ausgedrückt. Mein Narr ist der Maulwurffänger.« »Der brave Mann!« sagte Herta. »Ging es nach Recht und Verdienst, so müßte die Brust dieses Mannes mit den höchsten Orden aller Fürsten geschmückt sein!« »Er bedarf deren nicht, beste Tante! Der Orden, der ihn mehr ziert, als tausend goldne und silberne Sterne an purpurrothen Bändern, diesen trägt er in der Brust. Es ist sein edles, menschenfreundliches, von allem Arg freies und reines Herz! Was hast Du mit dem Manne? Du weißt doch von Paul, daß er seit heut’ Morgen einen

— 985 — seiner wichtigen Wege eingeschlagen hat, um zu hören, wie es dem Volk im Gebirge geht? Ich erwarte ihn erst spät in der Nacht zurück.« »Um so lobenswerther ist es von mir, daß ich mich Ihnen aufdränge, Kapitän! Sie kennen mich als einen beherzten Burschen, Sie wissen aber auch, daß es mich juckt, ein mir anvertrautes versiegeltes Geheimniß je eher je lieber zu erforschen. Man sagt, meine zärtliche Mutter habe in hohem Grade an dieser eigenthümlichen krankhaften Wißbegierde gelitten und dieselbe mir vererbt.« Lächelnd zog Gilbert bei diesen Worten einen Brief halb aus der Seitentasche seiner Matrosenjacke. »Ein Brief für unsern alten Freund? Von wem?« »Die Botenfrau vom nächsten Orte überreichte ihn mir, als ich in der Abenddämmerung unter dem Thorwege stand. Dabei erzählte sie mir unaufgefordert, daß der fromme Schlenker – ich bedaure sehr diesen frommen Mann nicht persönlich zu kennen – das Schreiben ihr eigenhändig mit der dringenden Bemerkung übergeben habe, es ja unverweilt an seine Adresse abzuliefern. Diese Adresse lautet wunderlicher Weise: – ›An den berühmten Maulwurffänger in B. . . genannt Pink-Heinrich. Hochwohledelgeboren. Sonst auf dem Todten. In großer Eile!‹ – Sie werden mir zugestehen, Herr Kapitän, daß solch’ eine pomphafte und mysteriöse Adresse wohl die Neugier eines wissensdurstigen

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seiner wichtigen Wege eingeschlagen hat, um zu hören,<br />

wie es dem Volk im Gebirge geht? Ich erwarte ihn<br />

erst spät in der Nacht zurück.«<br />

»Um so lobenswerther ist es von mir, daß ich mich<br />

Ihnen aufdränge, Kapitän! Sie kennen mich als einen<br />

beherzten Burschen, Sie wissen aber auch, daß es mich<br />

juckt, ein mir anvertrautes versiegeltes Geheimniß je<br />

eher je lieber zu erforschen. Man sagt, meine zärtliche<br />

Mutter habe in hohem Grade an dieser eigenthümlichen<br />

krankhaften Wißbegierde gelitten und dieselbe<br />

mir vererbt.«<br />

Lächelnd zog Gilbert bei diesen Worten einen Brief<br />

halb aus der Seitentasche seiner Matrosenjacke.<br />

»Ein Brief für unsern alten Freund? Von wem?«<br />

»<strong>Die</strong> Botenfrau vom nächsten Orte überreichte ihn<br />

mir, als ich in der Abenddämmerung unter dem Thorwege<br />

stand. Dabei erzählte sie mir unaufgefordert, daß<br />

der fromme Schlenker – ich bedaure sehr diesen frommen<br />

Mann nicht persönlich zu kennen – das Schreiben<br />

ihr eigenhändig mit der dringenden Bemerkung<br />

übergeben habe, es ja unverweilt an seine Adresse abzuliefern.<br />

<strong>Die</strong>se Adresse lautet wunderlicher Weise: –<br />

›An den berühmten Maulwurffänger in B. . . genannt<br />

Pink-Heinrich. Hochwohledelgeboren. Sonst auf dem<br />

Todten. In großer Eile!‹ – Sie werden mir zugestehen,<br />

Herr Kapitän, daß solch’ eine pomphafte und mysteriöse<br />

Adresse wohl die Neugier eines wissensdurstigen

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