Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 982 — vergessen in diesem höchsten Erdengenuß der Gegenwart. Sie bedurften keiner Worte, um sich zu verstehen, Blick, Händedruck, Kuß und Umarmung sagten tausend Mal mehr, als Worte! – In diesem seligen Rausch des Entzückens störte sie die Rückkunft Aurel’s, der, ein paar gesiegelte Briefe in der Hand, unangemeldet in’s Zimmer trat. Als er Elwire sah, grüßte er sie mit feurigem Blick, vor dem das junge Mädchen schüchtern die Augen niederschlug. »Weiß sie es?« fragte er Herta. Diese bejahte mit leisem Kopfnicken. Rasch trat nun Aurel auf Elwire zu und ergriff ihre Hand. »Gestatten Sie mir, theure Cousine,« sagte er feurig, indem sein zärtlicher Blick das Auge des lieblich befangenen Mädchens suchte, »gestatten Sie mir, daß ich der Erste sein darf, der Sie als Verwandte willkommen heißt in diesem Hause! Als mich Gott zu Ihnen führte – und nur Gott, der Allsehende und Allgütige, hieß mich jene Wege gehen – damals glaubte ich blos ein armes verlassenes Mädchen der Schande und dem Verderben zu entreißen; daß ich meiner Verwandten diesen geringen Dienst der Menschlichkeit leisten würde, ahnte ich nicht! Elwire, finden Sie nicht auch eine Fügung Gottes in diesem Zusammentreffen?« Langsam und nicht ohne Beben erhob das Mädchen ihre Blicke und ließ sie nur eine Secunde lang dem
— 983 — mildglänzenden, forschenden Auge des Kapitäns begegnen. Ein leiser Seufzer entrang sich ihrem Busen, aber sie schwieg und blickte rasch wieder zu Boden. »Nun wenn Sie auch schweigen, schöne Cousine,« fuhr Aurel schon vertraulicher fort und drückte ihre Hand in der seinigen, »das glückliche Lächeln Ihres Auges, das frohe Beben Ihres Mundes und die stumme Sprache im verschlossenen Busen haben es mir doch verrathen, daß Sie meine Gefühle, meine Überzeugungen theilen. Dafür danke ich Ihnen, liebe Elwire! Und nun erlauben Sie, daß ich das Recht der Vetterschaft übe! Oder ziehen Sie es nach Mädchenart vor, nur im Traum einen jungen Mann zu küssen? Dann muß ich Sie von dieser eigennützigen Liebhaberei heilen!« Und schnell und gewandt schlang Aurel seinen Arm um die Taille Elwirens und pflückte der zwar zart, aber im Grunde doch nur scheinbar Widerstrebenden ein paar frische Küsse von den rosigen Lippen. Tief erröthend entwand sich das schöne Mädchen den Armen des Kapitäns und hüpfte leichten Schrittes der Thür zu, als habe sie sich der geschwisterlichen Vertraulichkeit, die sie widerstrebend dem Grafen gestattet, zu schämen. Bei dieser Flucht wäre es ihr beinahe noch übel gegangen. Es begegnete ihr nämlich Gilbert unter der Thür, der bekanntlich kein hübsches Mädchen ohne Lösegeld entschlüpfen ließ. Nur die Nähe Aurel’s und eine hohe Achtung vor Herta ließ ihn diesmal bescheiden zur Seite treten. Er begnügte sich,
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Mädchens suchte, »gestatten Sie mir, daß ich<br />
der Erste sein darf, der Sie als Verwandte willkommen<br />
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und nur Gott, der Allsehende und Allgütige, hieß mich<br />
jene Wege gehen – damals glaubte ich blos ein armes<br />
verlassenes Mädchen der Schande und dem Verderben<br />
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ich nicht! Elwire, finden Sie nicht auch eine Fügung<br />
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Langsam und nicht ohne Beben erhob das Mädchen<br />
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