Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 980 — armes Kind, er ist der Mörder meines Vaters, der Räuber meines Sohnes! – Aurel’s Bemühungen, Nachfragen und Scharfsinn haben wir diese düstern und doch beglückenden Aufschlüsse zu danken und Gott sei Lob, Aurel ist der Mann dazu, durch seine Energie endlich ein finsteres Verhängniß von uns Allen abzuwenden! Schon jetzt handelt er, schnell, mit Umsicht und Kraft! Dein Vater, mein armer, elender Sohn, soll sich und uns wiedergegeben werden und der wackere Kapitän ist’s, der dafür sorgt! Möge nur der Himmel seine Schritte segnen und unsre stillen Gebete erhören!« Eine durchsichtige Röthe hatte während dieser letzten lobpreisenden Worte die Wangen Elwirens überzogen. Ihre Thränen hörten auf zu fließen, zärtlich, liebevoll, dankerglühend hingen die Augen der Enkelin an dem Munde der Großmutter, und als diese endigte, konnte sich Elwire nicht enthalten, sie zu umarmen und heiße Küsse auf ihre Lippen zu drücken. Stürmisch klopfte dabei ihr voller Busen und die glühenden Wangen, die sich immer höher rötheten, schmiegten sich fest und lange an die Stirn Herta’s. »Großmutter! Liebe, gute Großmutter!« flüsterte sie ihr zu. »Darf ich es denn glauben? Darf ich mich der Wonne hingeben, ein geliebtes Wesen an mich zu drücken, dem ich den süßen heiligen Namen Mutter geben darf? O ich verlor die Mutter so früh! Ich kannte sie kaum anders als leidend! Und später war ich recht

— 981 — unglücklich! Immer einsam, immer im Wege, von Niemand mehr geliebt!« Sie begann von Neuem heftig zu weinen und wollte sich weder durch Zureden noch durch die Liebkosungen Herta’s beruhigen lassen. »Du wirst desto inniger geliebt werden von jetzt an, mein Kind,« sagte Herta zutraulich. »Du bist keine Fremde mehr in diesem Hause, Du gehörst zu uns, Du hast Theil an unsern Leiden und Freuden, und der schwere Kampf, welchen Aurel mit seinen hartherzigen Brüdern begonnen hat, wird auch Dich erschüttern, entzücken, begeistern! Oder solltest Du nicht eben so lebhaft empfinden, wie ich, Deine alte Großmutter?« Mit unbeschreiblichem Liebreiz sah Herta der über sie gebeugten schlanken Enkelin in die glänzenden Augen. In diesem tiefen, seligen Blick erkannten sich die Seelen Beider. Ein Wonneruf des Entzückens entglitt Elwirens Munde, dann brannte ihr Kuß auf den bleichen Lippen der theuern Großmutter und die wiederholt mit bebendem Munde und stürmisch klopfendem Herzen gethane Äußerung: »Ja, Großmutter, ich bin glücklich, ich werde immer glücklich sein!« klang wie Sphärenmusik zu Herta’s tiefbewegtem Herzen. Lange hielten sich Großmutter und Enkelin umschlungen. Immer von Neuem suchten sich wieder ihre Augen, in deren feuchtem Glanz sie tausend Geheimnisse, tausend Einverständnisse lasen. Alles Elend, aller Druck, alle Schrecknisse der Vergangenheit waren

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unglücklich! Immer einsam, immer im Wege, von Niemand<br />

mehr geliebt!«<br />

Sie begann von Neuem heftig zu weinen und wollte<br />

sich weder durch Zureden noch durch die Liebkosungen<br />

Herta’s beruhigen lassen.<br />

»Du wirst <strong>des</strong>to inniger geliebt werden von jetzt<br />

an, mein Kind,« sagte Herta zutraulich. »Du bist keine<br />

Fremde mehr in diesem Hause, Du gehörst zu uns,<br />

Du hast Theil an unsern <strong>Leiden</strong> und Freuden, und der<br />

schwere Kampf, welchen Aurel mit seinen hartherzigen<br />

Brüdern begonnen hat, wird auch Dich erschüttern,<br />

entzücken, begeistern! Oder solltest Du nicht eben so<br />

lebhaft empfinden, wie ich, Deine alte Großmutter?«<br />

Mit unbeschreiblichem Liebreiz sah Herta der über<br />

sie gebeugten schlanken Enkelin in die glänzenden Augen.<br />

In diesem tiefen, seligen Blick erkannten sich die<br />

Seelen Beider. Ein Wonneruf <strong>des</strong> Entzückens entglitt<br />

Elwirens Munde, dann brannte ihr Kuß auf den bleichen<br />

Lippen der theuern Großmutter und die wiederholt<br />

mit bebendem Munde und stürmisch klopfendem<br />

Herzen gethane Äußerung: »Ja, Großmutter, ich bin<br />

glücklich, ich werde immer glücklich sein!« klang wie<br />

Sphärenmusik zu Herta’s tiefbewegtem Herzen.<br />

Lange hielten sich Großmutter und Enkelin umschlungen.<br />

Immer von Neuem suchten sich wieder ihre<br />

Augen, in deren feuchtem Glanz sie tausend Geheimnisse,<br />

tausend Einverständnisse lasen. Alles Elend, aller<br />

Druck, alle Schrecknisse der Vergangenheit waren

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