Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 978 — ruhiger und den Worten der Großmutter zugänglicher. An die Knie der Matrone geschmiegt und ihr in Thränen gebadetes zartes Gesicht in die seidenen Kleider der Vielgeprüften drückend, weinte sie leise und lange. »Armes Kind,« sagte Herta, mit ihrer feinen Hand Elwiren die schönen weichen Haare, die in langen Locken bis in ihren Nacken herabfielen, streichelnd, »armes Kind, ich fühle mit Dir, was Dich bewegt, was Dich ergreift und erschüttert! Du weinst über Deinen Vater, wie ich über meinen Sohn!« Elwire richtete sich auf und sah mit unbeschreiblicher Anmuth, die ein tiefer Zug des Schmerzes noch erhöhte, mit feuchten Augen die Großmutter an. »Man hätte es mir eher sagen sollen,« stammelte sie, am ganzen Körper erbebend. »Es ist hart, daß ich es erst jetzt erfahre, nun es mich unglücklich macht!« Und heftiger, anhaltender, erschütternder, als voher, begann sie auf’s Neue zu schluchzen. Immer die glänzend braunen Haare der schönen wiedergefundenen Enkelin mit unverkennbarer Freude liebkosend, versetzte Herta: »Es war uns ja selbst ein Geheimniß bis heut’! Seit kaum einer Stunde verrieth es mir der gute Kapitän.« »Er? Er?« rief Elwire lebhaft und stand auf, funkelnde Blicke durch den zitternden Thränenschleier auf Herta sendend. »Kapitän Aurel hat es Ihnen gesagt?«

— 979 — »Wie kann Dir das wunderbar oder nur überraschend vorkommen?« erwiederte Herta. »Ein Zufall oder der Finger Gottes, die allwaltende Vorsehung ließ ihn Dich finden. Er wollte nur ein Werk der Humanität üben, nichts weiter. Er freute sich, ein leidendes hilfloses junges Mädchen den Mißhandlungen herzloser und tief in den Sumpf der Lasterhaftigkeit versunkener Menschen entreißen zu können. Ohne Absicht, ohne allen Plan handelte er fast nur instinctmäßig. Da erblickte er jenen Ring, von dem Du wissen wolltest, daß ihn Dein Vater einem wüsten Menschen im Spiele abgewonnen habe! Du erinnerst Dich, daß Aurel sogleich von diesem Funde bestürzt wurde, daß er Dir kein Geheimniß daraus machte. Er suchte den Mann auf, welcher diesen Ring früher besessen haben sollte. Was er in einer wüsten Nacht unter Menschen, die mehr der Hölle als der Erde anzugehören schienen, erfuhr, ließ ihn nicht länger zweifeln, daß ich noch am Leben sein müsse, die man allgemein für todt hielt oder todt wissen wollte! Aurel fand mich, zeigte mir den Ring und ich mußte ihn für Denjenigen erkennen, den mein verlorener Sohn vor seinem Verschwinden trug! Dein unglücklicher, tief gesunkener Vater – ich kann nicht länger daran zweifeln – ist mein verschollener Sohn Johannes, jener Schreckliche aber, mit dem Du ihn zuweilen verkehren sahst, der mit ihm spielte und trank, und Dich Deiner Schönheit wegen haßte,

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ruhiger und den Worten der Großmutter zugänglicher.<br />

An die Knie der Matrone geschmiegt und ihr in Thränen<br />

gebadetes zartes Gesicht in die seidenen Kleider<br />

der Vielgeprüften drückend, weinte sie leise und lange.<br />

»Armes Kind,« sagte Herta, mit ihrer feinen Hand<br />

Elwiren die schönen weichen Haare, die in langen<br />

Locken bis in ihren Nacken herabfielen, streichelnd,<br />

»armes Kind, ich fühle mit Dir, was Dich bewegt, was<br />

Dich ergreift und erschüttert! Du weinst über Deinen<br />

Vater, wie ich über meinen Sohn!«<br />

Elwire richtete sich auf und sah mit unbeschreiblicher<br />

Anmuth, die ein tiefer Zug <strong>des</strong> Schmerzes noch<br />

erhöhte, mit feuchten Augen die Großmutter an. »Man<br />

hätte es mir eher sagen sollen,« stammelte sie, am ganzen<br />

Körper erbebend. »Es ist hart, daß ich es erst jetzt<br />

erfahre, nun es mich unglücklich macht!«<br />

Und heftiger, anhaltender, erschütternder, als voher,<br />

begann sie auf’s Neue zu schluchzen.<br />

Immer die glänzend braunen Haare der schönen<br />

wiedergefundenen Enkelin mit unverkennbarer Freude<br />

liebkosend, versetzte Herta:<br />

»Es war uns ja selbst ein Geheimniß bis heut’! Seit<br />

kaum einer Stunde verrieth es mir der gute Kapitän.«<br />

»Er? Er?« rief Elwire lebhaft und stand auf, funkelnde<br />

Blicke durch den zitternden Thränenschleier auf<br />

Herta sendend. »Kapitän Aurel hat es Ihnen gesagt?«

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