Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 972 — Indem fiel abermals der Schieber am Fenster herab. Vollbrechts Gesicht grüßte die staunende Gruppe. »Herr am Stein bietet Euch heut’ doppelten Lohn,« sagte der Geschäftsführer. »Eine glückliche Chance, von der er so eben Kenntniß erlangt, hat diesen Umschwung des Geschäftes bewirkt.« »Rache!« schrie Martell und schlug sich mit beiden Fäusten an seine mit Lumpen bedeckte Brust. Ein Theil der lohnbegierigen Arbeiter war nahe daran, dem so plötzlich großmüthig geworden Grafen ein Lebehoch zuzuschreien, ein Wink Antons genügte jedoch, dies zu verhindern. »Komm, fasse Dich, mein Sohn!« sagte Sloboda »Gott ist gerecht und mild; er wird Dich aus den Tagen der Angst und Noth in Jahre der Freude führen! Komm! Verkündigen wir die frohe Botschaft Deinem Weib und Deinen Kindern!« Martell widerstrebte nicht, denn er war seiner selbst kaum mächtig. An Heinrich’s und Sloboda’s Arm verließ er das Haus des gräflichen Bruders. »Rache! Rache! Rache!« waren die einzigen Worte, die er bald flüsternd, bald schreiend, bald laut auflachend, zahllose Male wiederholte. Die Fabrikarbeiter aber drängten sich mit gierigen Blicken um das Glück spendende Fenster und gingen frohlockend von dannen, weil sie wider Erwarten und ohne lange Unterhandlung doppelten Lohn empfingen.
— 973 — 49. ENTDECKUNGEN. Im hohen Bogenfenster des Balconzimmers auf dem Zeiselhofe saßen Herta und Aurel einander einsam gegenüber. Das gedämpfte Licht einer Astrallampe mischte sich mit dem bleichen Silberglanz des Mondes, der draußen auf den dicht beschneiten Bäumen des Gartens flimmerte. Die zarten Hände Herta’s ruhten leicht verschlungen auf ihrem Schooße. Ihre großen Augen waren unverwandt auf den Neffen gerichtet und drückten eben sowohl banges Staunen als freudige Überraschung aus. Thränen hingen an ihren Wimpern und fielen in großen Perlen langsam auf die gefalteten Hände. »Vergeben Sie mir, theuerste Tante?« fragte Aurel mit bewegter Stimme, die Hände der Matrone ergreifend und sie rasch an seine Lippen führend. »Vergeben Sie mir den Schmerz, den ich Ihnen bereitet habe? Verzeihen Sie mir, daß ich Sie dem Frieden des Nichtwissens entriß, der Sie mit sanftem Fittich umfächelte und Ihnen ein stilles Glück gewährte?« Herta bewegte die Lippen zu einer Antwort, allein sie vermochte nicht zu sprechen, so mächtig war sie erschüttert. Nur ein leiser Druck ihrer kalten Hände sagte dem Kapitän, daß ihm vergeben sei. »Ich danke Ihnen, ich danke Ihnen von ganzem Herzen, theure Tante!« rief Aurel heftig. »Sie sollen nunmehr auch erfahren, daß ich geschlagene Wunden zu heilen nicht säumig bin.«
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49. ENTDECKUNGEN.<br />
Im hohen Bogenfenster <strong>des</strong> Balconzimmers auf dem<br />
Zeiselhofe saßen Herta und Aurel einander einsam gegenüber.<br />
Das gedämpfte Licht einer Astrallampe mischte<br />
sich mit dem bleichen Silberglanz <strong>des</strong> Mon<strong>des</strong>, der<br />
draußen auf den dicht beschneiten Bäumen <strong>des</strong> Gartens<br />
flimmerte. <strong>Die</strong> zarten Hände Herta’s ruhten leicht<br />
verschlungen auf ihrem Schooße. Ihre großen Augen<br />
waren unverwandt auf den Neffen gerichtet und<br />
drückten eben sowohl banges Staunen als freudige<br />
Überraschung aus. Thränen hingen an ihren Wimpern<br />
und fielen in großen Perlen langsam auf die gefalteten<br />
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»Vergeben Sie mir, theuerste Tante?« fragte Aurel mit<br />
bewegter Stimme, die Hände der Matrone ergreifend<br />
und sie rasch an seine Lippen führend. »Vergeben Sie<br />
mir den Schmerz, den ich Ihnen bereitet habe? Verzeihen<br />
Sie mir, daß ich Sie dem Frieden <strong>des</strong> Nichtwissens<br />
entriß, der Sie mit sanftem Fittich umfächelte und Ihnen<br />
ein stilles Glück gewährte?«<br />
Herta bewegte die Lippen zu einer Antwort, allein<br />
sie vermochte nicht zu sprechen, so mächtig war sie<br />
erschüttert. Nur ein leiser Druck ihrer kalten Hände<br />
sagte dem Kapitän, daß ihm vergeben sei.<br />
»Ich danke Ihnen, ich danke Ihnen von ganzem Herzen,<br />
theure Tante!« rief Aurel heftig. »Sie sollen nunmehr<br />
auch erfahren, daß ich geschlagene Wunden zu<br />
heilen nicht säumig bin.«