Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 966 — an diesem Tage, wie auch später nicht sogleich zur Ausführung kamen, indem andere Ereignisse dazwischen traten und Allem eine andere Wendung gaben. Tiefer in seinem Wesen als Martell konnte Niemand erschüttert sein. Dennoch wußte er sich zu mäßigen und erhielt, wie er wünschte, im Namen seiner Mitgenossen zum zweiten Male den Ehrenposten eines Sprechers. In der zehnten Stunde endlich verließen sämmtliche Arbeiter die Fabrik, um von Adrian den Lohn in Empfang zu nehmen. Vollbrecht eilte ihnen der Abrede gemäß voraus, um die Ankommenden dem Herrn zu melden. Damit kein nutzloser, nur störender Zudrang entstehen möge, war beschlossen worden, daß bis auf die zehn Abgeordneten, die man erwählt hatte, Niemand an der Verhandlung mit Adrian Theil nehmen sollte. Es schieden sich daher die Nichtbetheiligten einstweilen in einzelne Gruppen, die müßig theils in der Nähe des Hauses, theils auf dem See hin und wieder gingen. Martell war sehr bleich, als er an das Schiebefenster trat, aus welchem der Millionär an drei tausend seiner Sclaven mit zögernder Hand den kargen Zehrpfennig für wenige Tage mit verdrießlicher Miene und falschem Auge reichen wollte. Die scharfkantige, hohe Stirn, der feste Mund mit dem ironischen Schmerzenszuge, das düstere Auge und der starke schwarze Haarwuchs, dessen natürliches Gelock ihm finster und drohend in die Stirn hing, gaben Martell das Ansehen

— 967 — eines entschlossenen Richters, der im Begriff steht, ein unwiderrufliches Todesurtheil zu fällen. Nach kurzem Zögern klang das Fenster und Adrian, in einem Morgenrocke von kostbarem Seidenstoff gekleidet, nahm Platz auf dem Lehnsessel, den ihm ein Bedienter an das Fenster schieben mußte. Auch Adrian war bleich und um seinen Mund spielte ebenfalls ein seltsames ironisches Lächeln. Sein kleines boshaftes Auge funkelte unter den stark hervorspringenden Stirnknochen wie das einer giftigen Schlange. Die Blicke Martell’s und Adrian’s berührten sich und Beide erbebten innerlich, Jeder vor dem Andern. Wer in diesem Augenblicke den beiden sich tödtlich hassenden Männern einen Spiegel hätte vorhalten können, würde wahrscheinlich ein noch größeres Wunder bewirkt haben, denn nie sahen sich zwei Menschen einander ähnlicher. »Du bist pünktlich, Martell,« sagte Adrian mit erkünsteltem Lächeln, indem er sich von Vollbrecht eine Schwinge mit Silbergeld reichen ließ und diese vor sich hin stellte. »Das freut mich, denn ich liebe pünktliche Arbeiter.« Martell schwieg, seine Brust hob sich in wildem Kampf. Er rang vergeblich nach der ihm so nöthigen Ruhe. Inzwischen suchte Adrian auf einer langen Tabelle den Namen Martell’s, um zu sehen, wie viel Lohn der Feinspinner zu fordern habe.

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eines entschlossenen Richters, der im Begriff steht, ein<br />

unwiderrufliches To<strong>des</strong>urtheil zu fällen.<br />

Nach kurzem Zögern klang das Fenster und Adrian,<br />

in einem Morgenrocke von kostbarem Seidenstoff<br />

gekleidet, nahm Platz auf dem Lehnsessel, den ihm<br />

ein Bedienter an das Fenster schieben mußte. Auch<br />

Adrian war bleich und um seinen Mund spielte ebenfalls<br />

ein seltsames ironisches Lächeln. Sein kleines boshaftes<br />

Auge funkelte unter den stark hervorspringenden<br />

Stirnknochen wie das einer giftigen Schlange. <strong>Die</strong><br />

Blicke Martell’s und Adrian’s berührten sich und Beide<br />

erbebten innerlich, Jeder vor dem Andern. Wer in diesem<br />

Augenblicke den beiden sich tödtlich hassenden<br />

Männern einen Spiegel hätte vorhalten können, würde<br />

wahrscheinlich ein noch größeres Wunder bewirkt<br />

haben, denn nie sahen sich zwei Menschen einander<br />

ähnlicher.<br />

»Du bist pünktlich, Martell,« sagte Adrian mit erkünsteltem<br />

Lächeln, indem er sich von Vollbrecht eine<br />

Schwinge mit Silbergeld reichen ließ und diese vor sich<br />

hin stellte. »Das freut mich, denn ich liebe pünktliche<br />

Arbeiter.«<br />

Martell schwieg, seine Brust hob sich in wildem<br />

Kampf. Er rang vergeblich nach der ihm so nöthigen<br />

Ruhe. Inzwischen suchte Adrian auf einer langen Tabelle<br />

den Namen Martell’s, um zu sehen, wie viel Lohn<br />

der Feinspinner zu fordern habe.

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