Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 938 — »Davon nachher, Herr am Stein. Der Mörder dieser nunmehr in Frieden ruhenden Kleinen ist – der Hunger.« Adrian behauptete auch jetzt noch seine unerschütterliche Ruhe. »Wenn sich dies ärztlich beglaubigen läßt,« versetzte er, »so wundere ich mich nur, weßhalb ich bis heut’ kein Wort von drohender Hungersnoth drüben im Dorfe vernommen habe. Ich bin nicht allwissend, ich kann auch bei meiner fortdauernden Kränklichkeit, die mir größte Schonung und Vermeidung jeglicher Aufregung streng zur Pflicht macht, nicht von Haus zu Haus gehen. Man hätte mir das Vorhandensein des allgemeinen oder theilweisen Nothstandes anzeigen sollen, dann würde man gesehen haben, daß ich, wo es nöthig ist, immer eine offene Hand in Bereitschaft habe. Ich werde sogleich Befehl ertheilen, Lebensmittel in das Dorf schaffen und die Dürftigsten reichlichst speisen zu lassen. Was aber soll zuletzt diese affreuse Farce?« »Mich dünkt, Sie können aus ihr lernen, wie die Arbeiter von Ihnen denken, Herr am Stein, wen sie für den Mörder ihrer Kinder halten!« »Es schmerzt mich,« erwiederte Adrian mit erheuchelter Rührung, eine kalte Thräne in sein funkelndes Auge pressend, »daß ich so arg verkannt werde.

— 939 — Diese Elenden sind wirklich zu verwildert, um mit ihnen wie mit vernünftigen Menschen zu reden! Sie wissen es ja, Vollbrecht, wie mein großmüthiges Anerbieten am Weihnachtstage schnöde zurückgewiesen wurde! Solche Beispiele boshafter Herzensverhärtung entmuthigen. Hätte Martell vor acht Tagen meine freiwillig dargebotene Unterstützung angenommen, ich würde unverweilt genaue Erkundigungen eingezogen haben über die Angelegenheiten auch anderer Familienväter. Seine lieblose Antwort aber verdroß mich und aus gerechtem Ärger darüber unterließ ich jede weitere Nachfrage. Die stolzen Thoren haben mithin nur sich, nicht aber mir das Elend zu danken, das nunmehr über sie hereingebrochen ist. Ich sehe darin sogar eine warnende Stimme des gerechten Gottes an die Übermüthigen, gegen mich stets aufsätzig Gesinnten ergangen, damit sie zur Besinnung kommen und sich bessern!« Vollbrecht hielt es für überflüssig, dieser Ansicht des Grafen, dessen innerste teuflische Gesinnung ihm längst kein Räthsel mehr war, zu opponiren. Er fragte kühl, was mit den fünf aufgefundenen Kinderleichen geschehen solle? »Je nun,« versetzte Adrian mit dem eigenthümlichen um seinen stolzen Mund aufhüpfenden spöttischen Lächeln, »da wir hier kein so kühles Grabgewölbe besitzen, wie auf dem Sanct Gotthardt, so glaube ich mein

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»Davon nachher, Herr am Stein. Der Mörder dieser<br />

nunmehr in Frieden ruhenden Kleinen ist – der Hunger.«<br />

Adrian behauptete auch jetzt noch seine unerschütterliche<br />

Ruhe.<br />

»Wenn sich dies ärztlich beglaubigen läßt,« versetzte<br />

er, »so wundere ich mich nur, weßhalb ich bis heut’<br />

kein Wort von drohender Hungersnoth drüben im Dorfe<br />

vernommen habe. Ich bin nicht allwissend, ich kann<br />

auch bei meiner fortdauernden Kränklichkeit, die mir<br />

größte Schonung und Vermeidung jeglicher Aufregung<br />

streng zur Pflicht macht, nicht von Haus zu Haus<br />

gehen. Man hätte mir das Vorhandensein <strong>des</strong> allgemeinen<br />

<strong>oder</strong> theilweisen Nothstan<strong>des</strong> anzeigen sollen,<br />

dann würde man gesehen haben, daß ich, wo es nöthig<br />

ist, immer eine offene Hand in Bereitschaft habe. Ich<br />

werde sogleich Befehl ertheilen, Lebensmittel in das<br />

Dorf schaffen und die Dürftigsten reichlichst speisen<br />

zu lassen. Was aber soll zuletzt diese affreuse Farce?«<br />

»Mich dünkt, Sie können aus ihr lernen, wie die Arbeiter<br />

von Ihnen denken, Herr am Stein, wen sie für<br />

den Mörder ihrer Kinder halten!«<br />

»Es schmerzt mich,« erwiederte Adrian mit erheuchelter<br />

Rührung, eine kalte Thräne in sein funkeln<strong>des</strong><br />

Auge pressend, »daß ich so arg verkannt werde.

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